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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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II. Die Gewissensfreiheit als Grundrecht <strong>de</strong>s Bürgers 125<br />

Prüfung vornahm, war sie sich offenbar bewußt, daß zwischen <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Anlage <strong>de</strong>s apriorischen Imperativs und <strong>de</strong>m konkreten Gewissensurteil<br />

ein beachtenswerter Unterschied besteht. Hier liegt das eigentliche Problem<br />

für die Justiz, die heute gemäß <strong>de</strong>m Gesetz das subjektive Gewissensurteil<br />

anerkennen muß.<br />

Es liegt in diesem Unterschied zwischen <strong>de</strong>m allgemeinen (a priori gültigen)<br />

und <strong>de</strong>m konkreten Imperativ die noch tiefere Erkenntnis, daß das Gewissen<br />

von Natur zunächst nicht mit <strong>de</strong>r Freiheit zusammenhängt. Es ist vielmehr<br />

zuallererst die <strong>de</strong>m Sein, d.h. <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Menschen, entsprechen<strong>de</strong> Norm<br />

<strong>de</strong>s Willens. Diese allgemeine Ten<strong>de</strong>nz zur Seinsverwirklichung ist ein unzerstörbares<br />

Element <strong>de</strong>r praktischen Vernunft. Wenn nun auf <strong>de</strong>m Weg zur<br />

konkreten Gewissensbildung diese allgemeine Ten<strong>de</strong>nz zur Seinswahrheit<br />

aufgrund einer erworbenen Willensdisposition umgebogen wird, reagiert die<br />

natürliche Anlage <strong>de</strong>r praktischen Vernunft nach Art eines Wi<strong>de</strong>rstrebens,<br />

das sich, wenn <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>m verbogenen Urteil folgt, in einem gewissen<br />

Schuldbewußtsein bemerkbar macht, das man gewöhnlich mit <strong>de</strong>m Ausdruck<br />

„Gewissensbiß" bezeichnet. Durch schlechte Lebensführung kann die Reaktion<br />

<strong>de</strong>r natürlichen Anlage <strong>de</strong>r praktischen Vernunft allerdings funktionsunfähig<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n. Man spricht dann von einem „gewissenlosen" Menschen.<br />

Eine genauere Darstellung <strong>de</strong>s Weges vom a priori gültigen Imperativ<br />

zum konkreten Gewissensurteil soll diesen Sachverhalt näher beleuchten.<br />

Der Weg vom a priori gültigen Imperativ zum konkreten<br />

Gewissensurteil<br />

Der oberste praktische Imperativ bezieht sich auf das Sein als solches wie die<br />

theoretische Vernunft, mit <strong>de</strong>m einen Unterschied, daß das Sein für die praktische<br />

Vernunft naturgemäß das Gute als solches ist, d.h. das Sein, insofern es<br />

das natürliche Objekt <strong>de</strong>s Willens ist, weswegen wir sagen, je<strong>de</strong>r Mensch<br />

strebe nach seinem Glück. Wer in <strong>de</strong>r theoretischen Vernunft zur Erkenntnis<br />

eines konkreten Sachverhalts vorstoßen will, muß mit <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>s<br />

Irrtums rechnen, und zwar aus <strong>de</strong>m Grund, daß ihm unter Umstän<strong>de</strong>n die<br />

nötigen Erfahrungen zur Erkenntnis <strong>de</strong>s realen Sachverhalts fehlen. Aus<br />

einem solchen Irrtum entsteht in <strong>de</strong>r praktischen Vernunft ebenfalls ein Irrtum.<br />

Man spricht dann von <strong>de</strong>m irrigen Gewissen. Und da dieser Irrtum nicht<br />

aus <strong>de</strong>r praktischen Vernunft kommt, han<strong>de</strong>lt es sich um ein schuldlos irriges<br />

Gewissen. Um diesen Irrtum zu überwin<strong>de</strong>n, bedarf es nur <strong>de</strong>r nötigen Aufklärung.<br />

Der oberste praktische Imperativ ist nicht weiter hinterfragbar. Er gilt a priori<br />

und darum auch als allgemein gültig. Diese Allgemeingültigkeit ist aber nicht<br />

etwa darin begrün<strong>de</strong>t, daß er sein Objekt, das Gute, nur formell zum Ausdruck<br />

brächte, in <strong>de</strong>m Sinn: „Das Gute, was immer man darunter verstehen

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