27.04.2015 Aufrufe

Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12 Einführung<br />

Die Toleranz als Grundprinzip <strong>de</strong>r empirischen politischen<br />

Wissenschaft<br />

Dieses Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Ausbalancierung subjektiver Rechte ist ein typisches<br />

Merkmal <strong>de</strong>r heutigen politischen Wissenschaft. Der Einfluß dieses Mo<strong>de</strong>lls<br />

hat in einem beträchtlichen Maß auch die politische Ethik erfaßt. Wie man<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Wirtschaft die Aufgabe <strong>de</strong>r Ethik in nichts an<strong>de</strong>rem sieht als<br />

in <strong>de</strong>r moralischen Erziehung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Wirtschaft tätigen Subjekte, d.h. <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer, <strong>de</strong>r Arbeitnehmer und <strong>de</strong>r Konsumenten, im übrigen die Frage<br />

nach <strong>de</strong>r gerechten Wirtschaftsverfassung als in <strong>de</strong>r Marktwirtschaft beantwortet<br />

betrachtet, so glaubt man auf politischem Gebiet mit einer Ethik auskommen<br />

zu können, die sich als Tugen<strong>de</strong>thik an die einzelnen Subjekte <strong>de</strong>r<br />

Demokratie wen<strong>de</strong>t. Man glaubt, mit Verhaltensregeln für die einzelnen<br />

Subjekte auszukommen, als ob sich daraus automatisch eine befrie<strong>de</strong>te und<br />

glückliche Gesellschaft ergäbe. Die Ethik ist in dieser empiristischen Sicht<br />

darum nur beauftragt, die Menschen das Gerechtigkeitsempfin<strong>de</strong>n, humane<br />

Umgangsformen, Freundlichkeit und lieben<strong>de</strong>s Verständnis für <strong>de</strong>n <strong>Mit</strong>menschen<br />

zu lehren, damit sie seelisch ausgerüstet sind, sich an die Regel zu<br />

halten, die je<strong>de</strong>m einzelnen das Recht eigener Meinung und Meinungsäußerung<br />

zugesteht. Genau genommen ist das die Definition <strong>de</strong>r spezifisch <strong>de</strong>mokratischen<br />

Toleranz. Sie drückt sich etwa in <strong>de</strong>m Satz aus: „Ich bin zwar mit<br />

<strong>de</strong>iner Ansicht nicht einig, aber ich anerkenne <strong>de</strong>in Recht <strong>de</strong>r freien Meinungsäußerung<br />

unter <strong>de</strong>m Vorbehalt, daß du mir das gleiche Recht zuerkennst."<br />

4<br />

Damit, so glaubt man, habe man <strong>de</strong>n Weltanschauungskampf endgültig aus<br />

<strong>de</strong>r Politik ausgeschaltet. Doch dringt auch diese Regel nicht ins Innere <strong>de</strong>r<br />

Bürger. Hier ist je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Herr seines Glaubens. Und dieser ist nun einmal für<br />

<strong>de</strong>n Menschen ein Absolutum, worüber er nicht diskutieren läßt. Da nun<br />

je<strong>de</strong>r Mensch in allen seinen Entscheidungen, vor allem in seinen politischen<br />

Entscheidungen, von seiner Weltanschauung geleitet wird, ist die Weltanschauung<br />

nicht ausgeräumt, wenigstens nicht dort, wo <strong>de</strong>r Bürger seinen<br />

Entscheid in die Wahlurne wirft. Aber auch in weiterem Kreis bleibt ihm die<br />

Freiheit <strong>de</strong>r Meinungsäußerung. Was also, so fragt man sich, ist nun mit <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>mokratischen Toleranzformel gewonnen? Zugestan<strong>de</strong>n, einen verfassungsmäßig<br />

festgeschriebenen Weltanschauungsstaat gibt es nicht mehr.<br />

Aber <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mokratisch entstan<strong>de</strong>nen und wenigstens auf eine gewisse Zeit<br />

durch die Wähler gesicherten Weltanschauungsstaat kann keine Demokratie<br />

4<br />

In diesem Sinn Manfred Hättich, in: Das Toleranzproblem in <strong>de</strong>r Demokratie, in: <strong>de</strong>rs. Freiheit<br />

als Ordnung, Bd. I, Gefähr<strong>de</strong>te Demokratie, München 1988, 130-145, und Christoph Schefold,<br />

Die Mo<strong>de</strong>rne: Toleranz und Gewalt? in: J.U. Hagen, P. Ma<strong>de</strong>r, Hrsg., Gewalt und Recht, Frankfurt,<br />

Berlin, Bern 1997, 59-94.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!