Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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116 3. Kap.: Die Demokratie vorstaatlichen Gemeinwohlwerten verpflichteter Verband, der in Verantwortung gegenüber diesen Werten ein konkretes Gemeinwohlkonzept vorlegt und in Einhaltung der demokratischen Verhaltensnormen um den Zugang zur Staatsgewalt kämpft. Die demokratische Verfassung als Norm der Parteien Wenn in der Staatsphilosophie vom Staat und seinem Objekt, dem Gemeinwohl, die Rede ist, dann ist noch nicht an einen einzelnen Staat innerhalb einer Vielfalt von Staaten gedacht. Es ist die Idee des Staates, die sich in jedem existierenden Staat verwirklichen muß. Und wenn auf dieser höchsten Ebene der Abstraktion die Verfassung behandelt wird, dann ist eine jeden beliebigen Staat verfassende rechtliche Grundinstitution anvisiert. Es ist dabei von den rechtlichen Bedingungen die Rede, die zu einer menschenwürdigen Verfaßtheit eines gesunden Staatswesens erfüllt werden müssen. Die Gründer der Verfassung eines einzelnen Staates müssen diese natürlichen Normen beachten. Diese haben ihren Stellenwert vor allen rein völkischen, durch geschichtliche Erfahrung gewonnenen Normen. Die in die Verfassung einzementierten Menschenrechte sind unantastbar. Man kann sie höchstens entsprechend den sich wandelnden und sich entwickelnden Verhältnissen umformulieren. Ihre Substanz muß aber erhalten bleiben. In der Verfassung ist naturgemäß auch die Grundstruktur der staatlichen Organisation enthalten, und die Parteien haben sich an die Verfassungsnormen zu halten. Heißt dies nun auch, eine Partei sei für alle Zeiten gebunden, die bestehende Demokratie zu erhalten? Diese Frage wurde im Westen im Hinblick auf den Osten nach dem zweiten Weltkrieg in der Diskussion über die Zulassung oder das Verbot einer bestimmten marxistischkommunistischen Partei erörtert. Sie ist immer noch aktuell in jenen Ländern, in denen (wie z.B. in gewissen Entwicklungsländern) die freiheitliche Demokratie keine Ordnung zu schaffen imstande ist. Eine Demokratie kann sich ebenso abnutzen wie eine Monarchie. Es läßt sich nicht mit absoluter Gewißheit ausmachen, daß unsere demokratische Staatsform für alle Zeiten die einzig menschenwürdige Staatsform ist. Zu beachten ist der Unterschied zwischen den in jeder Staatsform geforderten Menschenrechten und den in der Demokratie formulierten politischen Rechten des Bürgers. Die typisch demokratischen Bürgerrechte sind formeller Art, d.h. sie betreffen nur die Modalität, das Prozessuale des politischen Handelns. Jeder wahlberechtigte Bürger hat die gleiche Stimme wie der andere, ob er gescheit ist oder dumm, ob verantwortungsbewußt oder liederlich, ob auf das Gemeinwohl oder ausschließlich das Eigenwohl bedacht. In das Mehrheitsvotum wird das optimistische Vertrauen gesetzt, daß sein Resultat

II. Die Ethik der Partei 117 vernünftig ist, also der Wahrheit entspricht. Vom einzelnen Bürger wird die hohe moralische Verantwortung erwartet, daß er das Gemeinwohl dem Eigenwohl vorzieht. In dieser Erwartung liegt das große Risiko der Demokratie. Damit die Wahrheit nicht völlig in einem reinen Verfahrensmodus untergeht, haben die Parteien im Parlament wie die Regierung die Pflicht, dem Gewissen und nicht dem Mandat zu folgen. Damit soll die nicht auszuschließende "Gewissenlosigkeit" des Bürgers einigermaßen ausgeglichen werden. Systemveränderung durch Parteien? Wenn nun eine Partei der Überzeugung ist, daß die bestehende Staatsform, auch die demokratische, die staatliche Ordnung (das Gemeinwohl) nicht mehr zu garantieren vermag, dann kann sie "systemverändernd" wirken, die angestrebte Staatsform muß aber die Grundrechte des Menschen, die zum Gemeinwohl gehören, respektieren. Darunter fällt auch die freie Meinungsäußerung. Aufgrund der unvermeidlichen weltanschaulichen Verschiedenheiten darf keine Partei ihr Programm als absolut gültige Wahrheit betrachten. Das Konzept der Systemveränderer muß darum im Grund immer noch demokratisch bleiben, wenigstens in der Weise, daß die angestrebte Staatsform jederzeit den Rückweg zur Demokratie offen läßt. Nun haben die demokratisch organisierten Staaten in ihre Verfassung im allgemeinen die Klausel eingebaut, daß eine Partei nur zugelassen wird, wenn sie sich dem demokratischen System verschreibt. Diese Normierung hat ihre eigene Berechtigung, weil die Rückkehr zur Demokratie aus der nichtparlamentarischen Monarchie wohl kaum ohne aktiven Widerstand der Bürger gegen die bestehende Staatsautorität möglich wäre, d.h. außerhalb jeglichen rechtlichen Prozesses, nämlich mit Gewalt, erwirkt werden müßte. 3 Unter diesem Betracht ist die in der politischen Wissenschaft gebräuchliche Aussage, eine schlechte Demokratie sei immer noch besser als eine gute Monarchie, gerechtfertigt. Aber nur unter diesem Betracht! Die Grundlage für diese einschränkende Bewertung ist das jeder Staatsverfassung vorgeordnete Gemeinwohl, in dem die persönliche Freiheit als höchstes Anliegen gilt. Die parlamentarische Demokratie bietet ohne Zweifel die aussichtsreichste Sicherheit für die gebührende Berücksichtigung der Menschenrechte. Aber: Sie muß funktionieren, und das kann sie nur, wenn sich die Bürger und vor allem die Parteien dem universalen, allen juristischen Formulierungen übergeordneten (sachgerechten) Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Joh. Messner hat dies in eindrucksvoller Weise ausgesprochen: "Die Demokratie bedarf, um funktionsfähig zu sein, einer Aristokratie des Geistes und des Charakters". 4 Der Demokrat muß in seinem Verantwortungsbewußtsein ein Aristo- 3 Der friedliche Übergang von der Diktatur Francos in die Demokratie war ein seltener Fall, der nur dank des hohen Ethos eines christlichen Herrschers möglich war. 4 Naturrecht, 1966, 815.

II. Die Ethik <strong>de</strong>r Partei 117<br />

vernünftig ist, also <strong>de</strong>r Wahrheit entspricht. Vom einzelnen Bürger wird die<br />

hohe moralische Verantwortung erwartet, daß er das Gemeinwohl <strong>de</strong>m Eigenwohl<br />

vorzieht. In dieser Erwartung liegt das große Risiko <strong>de</strong>r Demokratie.<br />

Damit die Wahrheit nicht völlig in einem reinen Verfahrensmodus untergeht,<br />

haben die Parteien im Parlament wie die Regierung die Pflicht, <strong>de</strong>m Gewissen<br />

und nicht <strong>de</strong>m Mandat zu folgen. Damit soll die nicht auszuschließen<strong>de</strong><br />

"Gewissenlosigkeit" <strong>de</strong>s Bürgers einigermaßen ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.<br />

Systemverän<strong>de</strong>rung durch Parteien?<br />

Wenn nun eine Partei <strong>de</strong>r Überzeugung ist, daß die bestehen<strong>de</strong> Staatsform,<br />

auch die <strong>de</strong>mokratische, die staatliche Ordnung (das Gemeinwohl) nicht<br />

mehr zu garantieren vermag, dann kann sie "systemverän<strong>de</strong>rnd" wirken, die<br />

angestrebte Staatsform muß aber die Grundrechte <strong>de</strong>s Menschen, die zum<br />

Gemeinwohl gehören, respektieren. Darunter fällt auch die freie Meinungsäußerung.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r unvermeidlichen weltanschaulichen Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

darf keine Partei ihr Programm als absolut gültige Wahrheit betrachten.<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r Systemverän<strong>de</strong>rer muß darum im Grund immer noch<br />

<strong>de</strong>mokratisch bleiben, wenigstens in <strong>de</strong>r Weise, daß die angestrebte Staatsform<br />

je<strong>de</strong>rzeit <strong>de</strong>n Rückweg zur Demokratie offen läßt.<br />

Nun haben die <strong>de</strong>mokratisch organisierten Staaten in ihre Verfassung im<br />

allgemeinen die Klausel eingebaut, daß eine Partei nur zugelassen wird, wenn<br />

sie sich <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mokratischen System verschreibt. Diese Normierung hat ihre<br />

eigene Berechtigung, weil die Rückkehr zur Demokratie aus <strong>de</strong>r nichtparlamentarischen<br />

Monarchie wohl kaum ohne aktiven Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Bürger<br />

gegen die bestehen<strong>de</strong> Staatsautorität möglich wäre, d.h. außerhalb jeglichen<br />

rechtlichen Prozesses, nämlich mit Gewalt, erwirkt wer<strong>de</strong>n müßte. 3<br />

Unter diesem Betracht ist die in <strong>de</strong>r politischen Wissenschaft gebräuchliche<br />

Aussage, eine schlechte Demokratie sei immer noch besser als eine gute<br />

Monarchie, gerechtfertigt. Aber nur unter diesem Betracht! Die Grundlage<br />

für diese einschränken<strong>de</strong> Bewertung ist das je<strong>de</strong>r Staatsverfassung vorgeordnete<br />

Gemeinwohl, in <strong>de</strong>m die persönliche Freiheit als höchstes Anliegen gilt.<br />

Die parlamentarische Demokratie bietet ohne Zweifel die aussichtsreichste<br />

Sicherheit für die gebühren<strong>de</strong> Berücksichtigung <strong>de</strong>r Menschenrechte. Aber:<br />

Sie muß funktionieren, und das kann sie nur, wenn sich die Bürger und vor<br />

allem die Parteien <strong>de</strong>m universalen, allen juristischen Formulierungen übergeordneten<br />

(sachgerechten) Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Joh. Messner<br />

hat dies in eindrucksvoller Weise ausgesprochen: "Die Demokratie bedarf,<br />

um funktionsfähig zu sein, einer Aristokratie <strong>de</strong>s Geistes und <strong>de</strong>s Charakters".<br />

4<br />

Der Demokrat muß in seinem Verantwortungsbewußtsein ein Aristo-<br />

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Der friedliche Übergang von <strong>de</strong>r Diktatur Francos in die Demokratie war ein seltener Fall, <strong>de</strong>r<br />

nur dank <strong>de</strong>s hohen Ethos eines christlichen Herrschers möglich war.<br />

4<br />

Naturrecht, 1966, 815.

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