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Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de

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I. Die ethische Rechtfertigung <strong>de</strong>r Demokratie 107<br />

Auf diesem erkenntnistheoretischen Mangel beruht die Schwierigkeit, <strong>de</strong>n<br />

mo<strong>de</strong>rnen Begriff <strong>de</strong>r pluralistischen Demokratie ethisch zu rechtfertigen.<br />

Wie kann dieser Mangel beseitigt wer<strong>de</strong>n? Ist er überhaupt zu beseitigen?<br />

Theoretisch ist er nicht zu beseitigen, weil <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rne Begriff <strong>de</strong>s Pluralismus<br />

je<strong>de</strong> universal gültige Werterkenntnis ablehnt. In <strong>de</strong>r Praxis könnte man<br />

<strong>de</strong>r Schwierigkeit entgehen, wenn die Gesellschaftsglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong> facto die Überzeugung<br />

von absolut universal gültigen Werten kundtun wür<strong>de</strong>n. Nur dann<br />

wäre die existente pluralistische Demokratie ethisch zu rechtfertigen trotz<br />

ihres fundamentalen theoretischen Irrtums. Der Ethiker kann bei dieser<br />

Sachlage nur auf die moralische Erziehung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratisch organisierten<br />

Gesellschaft hinweisen. Diese Aufgabe müßten eigentlich die Kirchen übernehmen<br />

können. Doch auch ihre <strong>Mit</strong>glie<strong>de</strong>r haben, wie man selbst bei <strong>de</strong>r<br />

katholischen Bevölkerung, die eigentlich gemäß <strong>de</strong>r dogmatischen Einstellung<br />

<strong>de</strong>s kirchlichen Lehramtes <strong>de</strong>m naturreehtlichen Denken verpflichtet<br />

sein müßte, feststellt, <strong>de</strong>n Sinn für allgemeingültige Moralnormen verloren.<br />

Auf irgen<strong>de</strong>ine Weise bleibt darum die freie Demokratie <strong>de</strong>r Gefahr ausgesetzt,<br />

in die sozialistische abzuirren.<br />

Es gibt nur so lang die Möglichkeit, Demokratie ethisch zu rechtfertigen, als<br />

man einen Konsens von allgemeinen natürlichen Prinzipien feststellen kann.<br />

Tatsächlich sind diese praktisch unbewußt in vielen Arten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen<br />

Organisation implizit vorhan<strong>de</strong>n. Doch wer<strong>de</strong>n diese an sich je<strong>de</strong>r<br />

Vernunft zugänglichen Ordnungsprinzipien durch die Annahme <strong>de</strong>r grundsätzlichen<br />

Wertfreiheit über<strong>de</strong>ckt. Darum neigen alle Demokratietheorien zur<br />

pluralistischen Demokratievorstellung und entziehen sich so <strong>de</strong>r ethischen<br />

Rechtfertigung. Ohne eine gewisse Homogenität gibt es keinen funktionieren<strong>de</strong>n<br />

Staat. Die stärkste Homogenität ruht auf <strong>de</strong>m Fundament <strong>de</strong>r ethnischen<br />

Gemeinsamkeit. Wenn diese nicht vorhan<strong>de</strong>n ist, braucht es eine hohe<br />

geistige Gemeinsamkeit in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>r gleichen Lebensnormen, mit an<strong>de</strong>ren<br />

Worten <strong>de</strong>r gleichen Ethik, trotz eventuell verschie<strong>de</strong>ner religiöser Bekenntnisse.<br />

Es muß zur Vermeidung eines Mißverständnisses betont wer<strong>de</strong>n, daß hier<br />

kein Angriff gegen <strong>de</strong>n Kompromiß unternommen wird. Ohne <strong>de</strong>n Kompromiß,<br />

<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Prinzip <strong>de</strong>r Toleranz aufbaut, gibt es kein erträgliches Zusammenleben.<br />

Das hat zurecht Bernhard Sutor betont. 4<br />

Da aber die mo<strong>de</strong>rne<br />

Demokratie <strong>de</strong>n Trend zum absoluten Wertpluralismus, d.h. zur reinen Demokratie,<br />

hat, stellt sich die Frage, wie sie noch unter diesem Gesichtspunkt<br />

legitimiert wer<strong>de</strong>n kann. Thomas von Aquin hat sich <strong>de</strong>n absoluten Wertpluralismus<br />

in <strong>de</strong>r Gesellschaft noch nicht vorstellen können. Seine Lehre von<br />

<strong>de</strong>r Toleranz setzt immer noch die allgemeine Anerkennung von naturrechtlichen<br />

Prinzipien voraus. Er äußerte sogar die Ansicht, daß es <strong>de</strong>m Menschen<br />

4<br />

Toleranz und Kompromißfähigkeit. In: Die Neue Ordnung, 53. Jg., 1999, 36-46.

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