Sozialethik. Mit internationaler Bibliographie, V. Teil - stiftung-utz.de
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10 Einführung<br />
re Schelers zu verwechseln. Genau besehen, ist die aristotelische Ethik eigentlich<br />
keine Wertlehre, son<strong>de</strong>rn eine Finallehre menschlichen Seins. Ihr<br />
geht es um die Zwecke, auf die die menschliche Natur und ihre Vermögen<br />
angelegt sind. An diesen Anlagen kann <strong>de</strong>r Mensch nichts än<strong>de</strong>rn, genauso<br />
wenig, wie man <strong>de</strong>n menschlichen Magen zu etwas an<strong>de</strong>rem gebrauchen<br />
kann als zur Aufnahme <strong>de</strong>r Nahrung zur Erhaltung <strong>de</strong>s Lebenskraft. Sowohl<br />
<strong>de</strong>r Empiriker wie <strong>de</strong>r Philosoph stimmen in <strong>de</strong>r äußeren Formulierung <strong>de</strong>s<br />
Prinzips überein, daß man natürliche Anlagen <strong>de</strong>s Menschen respektieren<br />
muß, um üble Folgen zu vermei<strong>de</strong>n. Die Begründung <strong>de</strong>r allgemeinen Gültigkeit<br />
dieses Prinzips ist aber bei bei<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>n. Der Empiriker faßt die<br />
vielfachen Einzelerfahrungen zu einem Gesamturteil zusammen, so daß<br />
eventuell in einem speziellen Fall die üblen Folgen nicht erfahrbar wer<strong>de</strong>n,<br />
je<strong>de</strong>nfalls nicht in <strong>de</strong>m vom Empiriker erwarteten Zeitraum. Unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
muß er sein Allgemeinurteil korrigieren. Der Philosoph dagegen basiert<br />
sein Prinzip nicht auf Einzelerfahrungen, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>m Wesen <strong>de</strong>r<br />
menschlichen Anlage. Er kann <strong>de</strong>n Zeitraum, in <strong>de</strong>m sich bei Mißbrauch <strong>de</strong>r<br />
natürlichen Anlagen die üblen Folgen einstellen, nicht angeben. Für ihn gilt<br />
aber die Erkenntnis, daß sich <strong>de</strong>r Mißbrauch einer Wesensanlage mit logischer<br />
Konsequenz, also notwendigerweise, irgendwie und irgendwann rächen<br />
wird. Beson<strong>de</strong>rs auf moralischem Gebiet wer<strong>de</strong>n die Folgen <strong>de</strong>s Mißverhaltens<br />
erst sehr spät in <strong>de</strong>r Erfahrung spürbar. Auch die moralischen Imperative<br />
sind in die Zweckordnung <strong>de</strong>r menschlichen Natur eingebaut. Wer sie mißachtet,<br />
verfehlt seine Vervollkommnung und <strong>de</strong>n Kern seines Glücks. So hat<br />
z.B. die Mißachtung <strong>de</strong>r natürlichen Institution <strong>de</strong>r Ehe auf weite Sicht <strong>de</strong>n<br />
Verlust echt menschlicher Sozialität (Verwahrlosung <strong>de</strong>r Gesellschaft) zur<br />
Folge. Aufgrund dieses finalen Zusammenhanges muß man daher die natürliche<br />
Institution <strong>de</strong>r Ehe als gesellschaftlichen Wert bezeichnen.<br />
Die Werte wer<strong>de</strong>n also nicht durch eine phänomenologische Analyse unseres<br />
Wertempfin<strong>de</strong>ns gewonnen, son<strong>de</strong>rn durch metaphysisch-reale Wesensabstraktion<br />
<strong>de</strong>r Zwecke <strong>de</strong>r menschlichen Anlagen. Die Schwierigkeit besteht<br />
nur darin, diese erst abstrakt und allgemein erkannte Finalordnung durch die<br />
praktische Vernunft entsprechend <strong>de</strong>r je verschie<strong>de</strong>nen Situation konkret zu<br />
<strong>de</strong>finieren. Hier kommt die politische Klugheit ins Spiel, die man allerdings<br />
nicht mit <strong>de</strong>r Rafinesse im politischen Han<strong>de</strong>ln i<strong>de</strong>ntifizieren darf. 1<br />
Der Begriff <strong>de</strong>r Institution als Grundlage <strong>de</strong>r aristotelischen<br />
Erkenntnislehre<br />
Die aristotelische Erkenntnislehre enthält einen Begriff <strong>de</strong>r Institution, <strong>de</strong>r<br />
je<strong>de</strong>r Form von I<strong>de</strong>alismus konträr gegenübersteht und <strong>de</strong>m Denken nach<br />
<strong>de</strong>m Kausalprinzip entspringt, d.h. daß unser Verstand eine Struktur aufweist,<br />
Vgl. <strong>de</strong>n Schluß <strong>de</strong>s Artikels „Das Wesen <strong>de</strong>r Politik".