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thema - Lebenshilfe Wien

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<strong>thema</strong><br />

Fortsetzung<br />

Psychotherapie bei Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen<br />

und verschüttete oder verkümmerte Ressourcen<br />

zu aktivieren.<br />

In meiner Ausbildung hat sich immer wieder<br />

die Frage gestellt, wie Psychotherapie funktionieren<br />

kann, wenn der Mensch schlecht<br />

oder gar nicht spricht?<br />

Die Sprache bei geistig und mehrfach beeinträchtigten<br />

Menschen mag vielleicht nicht<br />

so ausdifferenziert, der Wortschatz nicht so<br />

umfangreich sein, womöglich fehlen auch<br />

Satzteile. Doch nach meinen Erfahrungen<br />

besitzen viele Menschen mit Beeinträchtigungen<br />

ein mehr oder weniger einfaches<br />

Sprachverständnis. Was verstanden wird<br />

wissen wir nicht, wir bemerken es oft an<br />

ihrem Verhalten und an ihren Reaktionen<br />

und Einiges wird auch offen bleiben.<br />

Nicht zu vergessen sind andere Teile der<br />

Kommunikation, die in unserer Sprache<br />

weniger beachtet werden: Die nonverbale<br />

Kommunikation und die Körpersprache.<br />

In der Psychotherapie mit geistig und mehrfach<br />

beeinträchtigten Menschen machte ich<br />

die Erfahrung, dass es länger gedauert hat,<br />

sie zu verstehen. Mein Eindruck ist, dass<br />

geistig und mehrfach beeinträchtigte Menschen<br />

in der Therapie nicht so viele Irrwege<br />

und Selbsttäuschungen in ihrer Ausdrucksweise<br />

benützen, was die Psychotherapie erleichtern<br />

kann.<br />

Den Menschen mit der Einstellung zu begegnen,<br />

dass sein Verhalten einen Sinn<br />

macht und Bedeutung hat – auch wenn wir<br />

nicht verstehen –, ermöglicht einen anderen<br />

Zugang. Wir sollen versuchen, uns in<br />

die Wahrnehmungen und Empfindungen<br />

einzufühlen, auch wenn sie schwer nach-<br />

vollziehbar sind. Der Versuch zu verstehen<br />

verändert die Qualität der Beziehung. Menschen<br />

so zu begegnen bedeutet, verschüttetes<br />

Potenzial aufzuspüren, Ressourcen zu<br />

wecken oder beizutragen, dass die vorhandenen<br />

Fähigkeiten erhalten und unterstützt<br />

werden, damit sie nicht noch mehr verkümmern.<br />

[3]<br />

Garry Prouty schreibt:<br />

„Existentielle Einfühlung richtet sich auf die<br />

Befindlichkeit eines Menschen, ob er nun<br />

psychotisch ist oder nicht. Sie besteht darin,<br />

demütig und annehmend „Mittragender<br />

Zeuge“ menschlichen Leidens zu sein. Sie<br />

besteht in einer Offenheit für Leid und Verfall,<br />

die über das Heilen hinausgeht. Sie besteht<br />

im „Mit – Sein“, wo nichts anderes<br />

mehr bleibt. Diese Haltung ist besonders<br />

wichtig im Umgang mit psychisch stark abgebauten<br />

Menschen. Wo Therapie nichts<br />

vermag, muss der Therapeut sich damit<br />

abfinden können, dass er schlicht nichts<br />

anderes mehr zu bieten hat als Mitmenschlichkeit“.<br />

[4]<br />

„Das Leben hat sie geprägt, das soll geachtet<br />

und respektiert werden – so seltsam<br />

und unverständlich uns ihr Verhalten auch<br />

vorkommen mag. Es macht einen wichtigen<br />

Unterschied, ob ich Menschen mit geistiger<br />

und mehrfacher Beeinträchtigung mit der<br />

Überzeugung begegne, dass ihr – für mich<br />

vielleicht nicht nachvollziehbares – Verhalten<br />

für sie einen Sinn hat und ich mich bemühe,<br />

sie zu verstehen, oder, ob ich dieses<br />

Verhalten nicht akzeptiere und versuche, es<br />

ihnen abzugewöhnen. [5]<br />

In der Psychotherapie mit geistig und mehrfach<br />

beeinträchtigten Menschen halte ich<br />

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