DURCHBLICK
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LESENSWERT Ende der Festpreise<br />
DAS PREISKARUSSELL<br />
Ein Produkt, mehrere Preise – die Digitalisierung hat eine neue Runde im Kampf der Einzelhändler um die<br />
Kunden eingeleitet. fondsmagazin erklärt, wie sich Käufer im Wirrwarr von Flatterpreisen und personalisierten<br />
Angeboten zurechtfinden.<br />
TEXT: Christian Heinrich ILLUSTRATION: Sabrina Wiese<br />
E<br />
igentlich wollte Florian Stahl, Professor<br />
für quantitatives Marketing<br />
an der Universität Mannheim, nur<br />
einen Beamer für den Seminarraum bestellen.<br />
Doch was er dann erlebte, war das<br />
beste Anschauungsbeispiel für sein eigenes<br />
Forschungsgebiet: dynamische Preisgestaltung.<br />
379 Euro kostete der passende Beamer,<br />
den Stahl bei Amazon fand. Er schickte<br />
den Link an einen Mitarbeiter aus der<br />
Fakultät, der ihn wenige Stunden später<br />
aufrief. Doch nun verlangte der Onlinehändler<br />
für das gleiche Modell 439 Euro.<br />
Der Assistent informierte Stahl, auf dessen<br />
Computer lag der Preis plötzlich bei 399<br />
Euro. Was heute vielen noch unbegreiflich<br />
erscheint, dürfte schon bald Alltag sein.<br />
„Wir werden in Zukunft kaum noch mit<br />
konstanten Preisen zu tun haben“, erklärt<br />
der Marketingexperte. Aber was verbirgt<br />
sich hinter den Schwankungen?<br />
Häufig stecken Flatterpreise hinter<br />
den Bewegungen in der Warenwelt. Autofahrer<br />
kennen sie schon aus den Zeiten,<br />
als noch der Tankwart die Leiter hochkletterte,<br />
um die Zahlen an der Anzeigetafel<br />
auszutauschen. Seit damals gilt: Morgens<br />
im Berufsverkehr kostet der Sprit mehr als<br />
nach Feierabend. Und nach Ansicht von<br />
Automobilklubs drehen die Ölkonzerne<br />
vor den Ferien ebenfalls an der Preisschraube<br />
– wegen der großen Nachfrage.<br />
Auch wenn das Prinzip altbekannt<br />
ist, erst die Digitalisierung hat dem Preiskarus<br />
sell richtigen Schwung verliehen.<br />
Selbst die kleinsten Onlinehändler auf<br />
den Plattformen von Amazon oder E-Bay<br />
können heute im Minutentakt ihre Preise<br />
optimieren. Sie reagieren aber weniger auf<br />
die Kundennachfrage. Vielmehr versuchen<br />
sie, Wettbewerber auszustechen.<br />
Dabei hilft ihnen Software von Anbietern<br />
wie „Starsellersworld“ und „logicsale“.<br />
Gegen eine monatliche Gebühr oder eine<br />
geringe prozentuale Umsatzbeteiligung<br />
behält der Verkäufer alle Konkurrenten im<br />
Die rechtliche Lage<br />
Preisänderungen grundsätzlich zulässig<br />
Händler dürfen Preise sowohl zu verschiedenen<br />
Tageszeiten als auch für unterschiedliche Endgeräte<br />
wie Tablets oder Smartphones ändern – solange sie<br />
branchenspezifische Vereinbarungen wie die Buchpreisbindung<br />
einhalten. Im stationären Handel wird<br />
das Angebot des Verkäufers an den Kunden erst an<br />
der Kasse verbindlich. Zahlt der Kunde mehr als gedacht,<br />
kann er den Kaufvertrag sofort anfechten. Für<br />
Onlineshops gilt: Hier kommt erst ein Kaufvertrag<br />
zustande, wenn der Verkäufer den Auftrag bestätigt.<br />
Innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Ware kann<br />
der Kunde seinen Kauf widerrufen.<br />
Einschränkungen bei individuellen Preisen<br />
Bei den individuellen Preisen ist die Situation weniger<br />
klar. Wenn für das gleiche Produkt von mehreren<br />
Kunden verschiedene Preise verlangt werden, handelt<br />
es sich um sogenannte Preisdifferenzierung.<br />
Das ist zwar zulässig, es gibt aber Einschränkungen:<br />
Wenn ein Unternehmen eine monopolartige<br />
Stellung hat, darf es Preisdifferenzierung nur<br />
begrenzt einsetzen. In der EU gilt bis auf wenige Ausnahmen<br />
zudem: Eine Preisdiskriminierung aufgrund<br />
des Herkunftslandes eines Kunden ist unzulässig.<br />
Blick. Er kann nicht nur ihre Preise scannen,<br />
sondern auch Lieferzeiten, Kundenbewertungen<br />
und weitere Kriterien, nach<br />
denen Verkäufer bei Amazon und E-Bay<br />
eingestuft werden. Die Software ermittelt<br />
aus diesen Daten den optimalen Preis, um<br />
ein Ziel zu erreichen: die eigene Ware in<br />
den elektronischen Einkaufswagen des<br />
Kunden zu befördern.<br />
DIGITALE PREISSCHILDER<br />
Dank Digitalisierung haben auch die<br />
Kunden neue Möglichkeiten, für sich den<br />
besten Preis herauszuholen. Sie können<br />
beispielsweise auf Webseiten wie idealo.de<br />
und billiger.de aktuelle Preise und Trends<br />
beobachten oder auf amapsys.de nach<br />
Artikeln zum persönlichen Wunschpreis<br />
suchen. Was den Benzinpreis angeht: Seit<br />
Herbst 2013 tragen Tankstellen-Apps wie<br />
„Mehr-Tanken“ und „TankenApp“ mit ihren<br />
Vergleichen zu mehr Transparenz bei.<br />
Das Nachsehen im virtuellen Preiskampf<br />
haben die Geschäfte in der realen<br />
Welt. Sie können nicht ständig die Zahlen<br />
wechseln – bisher. Jetzt rüsten sie technisch<br />
auf. Edeka experimentiert mit digitalen<br />
Preisschildern, die sich jederzeit per Funk<br />
umstellen lassen, auch Media Markt hat<br />
die ersten Testläden damit ausgestattet. Ob<br />
künftig das Brot teurer sein wird, wenn<br />
man es vom Regal bis zur Kasse getragen<br />
hat? Wohl eher nicht. Aber die Kunden<br />
sollten sich nicht wundern, wenn<br />
fondsmagazin 1.2015