Werkstatt Breitenbrunn - Kultur Burgenland
Werkstatt Breitenbrunn - Kultur Burgenland
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Landesgalerie <strong>Burgenland</strong> – Sonderausstellung 2013<br />
<strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong><br />
Zur Avantgarde<br />
der 1960er und 70er Jahre<br />
Landesgalerie <strong>Burgenland</strong><br />
Franz Schubert-Platz 6 | 7000 Eisenstadt | Tel. +43 2682-719-5000 | Fax DW 5051<br />
office@landesgalerie-burgenland.at | www.landesgalerie-burgenland.at
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
Zur Avantgarde der 1960er<br />
und 70er Jahre<br />
Es war ein Wagnis und bedurfte eines<br />
Künstlerpaares mit besonderer Verve:<br />
1967 öffneten die gebürtige Wienerin Fria<br />
Elfen und der aus Kleve am Niederrhein<br />
stammende Wil Frenken ihr Haus im damals<br />
ländlich-bäuerlich geprägten <strong>Breitenbrunn</strong><br />
am Neusiedler See, um internationale<br />
Avantgardekunst zu präsentieren,<br />
zu produzieren und zu diskutieren.<br />
Konkrete Kunst, Op Art, Visuelle Poesie,<br />
Experimentalfilm, Konzeptkunst, Fluxus,<br />
Aktionen, Happenings und Toninstallationen<br />
fanden in der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> eine<br />
Plattform. Im Bereich der Computerkunst<br />
wurde Pionierarbeit geleistet.<br />
Die Liste der Protagonisten und<br />
Protagonistinnen liest sich wie ein Who<br />
is Who der Avantgarde jener Zeit: Marc<br />
Adrian, Klaus Basset, Otto Beckmann,<br />
Linda Christanell, Siegfried Cremer, VALIE<br />
EXPORT, Hermann J. Hendrich, Frieder<br />
Nake, Helga Philipp, Takako Saito, Siegfried<br />
J. Schmidt, Josef Hermann Stiegler, Peter<br />
Weibel und viele weitere mehr.<br />
Jahrzehnte nach dem Ende der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong> im Jahr 1980 drohten<br />
ihre Geschichte und ihr Einfluss auf die<br />
gegenwärtige Kunst in Vergessenheit<br />
zu geraten. Diese Ausstellung und die<br />
begleitende Publikation rücken die<br />
außergewöhnliche Initiative in das ihr<br />
gebührende Licht.<br />
Das Konzept der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
hatte grenzüberschreitenden Charakter,<br />
nicht nur geographisch, sondern auch<br />
ästhetisch gesehen. So wurden die<br />
einzelnen Kunstgattungen in vielfältiger<br />
Weise miteinander verbunden, aber auch<br />
die Veranstaltungen konzentrierten sich<br />
nicht nur auf einen Bereich. Künstler<br />
und Künstlerinnen oszillierten zwischen<br />
den Feldern von Literatur und bildender<br />
Kunst, Kunst und Wissenschaft, Musik und<br />
bildender Kunst, Film und Literatur.<br />
Nicht systematisch, sondern wie ein<br />
Gewebe entstanden die Veranstaltungen<br />
der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong>, ein Kontakt<br />
ergab den anderen, Netzwerke wurden<br />
aktiv. Der Veranstaltungskalender der<br />
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> zeugt von einer<br />
pulsierenden Lebendigkeit, wie sie der<br />
Avantgardebewegung an sich entspricht.<br />
Obwohl bereits von Zeitgenossen<br />
gewürdigt, kann man wohl erst zwei<br />
Generationen später ermessen, welche<br />
Bedeutung die Aktivitäten der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong> hatten und haben. Gerade in<br />
der Gegenwart sind viele Neubewertungen<br />
und Aufarbeitungen der 1960er und 1970er<br />
Jahre zu verzeichnen. Im Besonderen sind<br />
Akteurinnen und Akteure der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong> vermehrt in den Fokus<br />
gerückt. So wurden zum Beispiel Marc<br />
Adrian, Otto Beckmann, Lilly Greenham<br />
oder Helga Philipp Ausstellungen und<br />
Publikationen gewidmet.<br />
Dem grenzüberschreitenden Charakter und<br />
dem Gedanken der Vernetzung trägt auch<br />
die Konzeption der Ausstellung Rechnung.<br />
Die Nummerierung dient der leichteren<br />
Zuordnung der Texte zu den Arbeiten und<br />
ist nicht als zwingende Reihenfolge des<br />
Rundganges zu verstehen.<br />
1 Stellwand<br />
Die lichtkinetischen Objekte von Adolf<br />
Luther variieren je nach Standpunkt der<br />
Betrachter und Betrachterinnen und lösen<br />
durch die Reihung konkaver Spiegel einen<br />
tiefenräumlichen Effekt aus.<br />
Helga Philipp gilt als Pionierin der<br />
konkreten Kunst und Op Art in Österreich.<br />
Ihre Prägedrucke sind auf der Rillmaschine<br />
in der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> entstanden.<br />
Mit ihren auf Silberfolie gesetzten<br />
Kreisformationen setzt sie sich mit Licht als<br />
bildkonstituierendem Element auseinander.
2 Stellwand 3 Stellwand<br />
Ein Vertreter des osteuropäischen<br />
Fluxus, Endre Tót, schrieb während eines<br />
Arbeitsaufenhaltes 1976 in <strong>Breitenbrunn</strong><br />
an verschiedene Stellen im Haus „Nobody<br />
saw me writing this“. Die Aufschrift in der<br />
Bibliothek ist noch heute erhalten. Tót<br />
verbalisierte damit seine Situation hinter<br />
dem „Eisernen Vorhang“ in Ungarn, wo er<br />
seine Arbeiten nicht zeigen konnte. Unter<br />
dem damaligen Regime bekam er nur alle<br />
zwei Jahre ein Ausreisevisum.<br />
Das geruest. hommage á i kant von<br />
Siegfried J. Schmidt wurde im Juni 1978 in<br />
der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> ausgestellt. Hier<br />
sind die Originalvorlagen für das Multiple<br />
zu sehen. Es besteht aus einer Schachtel,<br />
die 48 Postkarten mit collagierten bzw.<br />
gestempelten Text-Bild-Motiven enthält,<br />
wobei beim Nebeneinanderlegen der Karten<br />
eine verbindende grafische Struktur sichtbar<br />
wird. Siegfried J. Schmidt fotografierte<br />
zahlreiche Bau-Gerüste und wählte Titel der<br />
abendländischen Philosophiegeschichte aus,<br />
wobei er Wörter wie „Vernunft, Erkenntnis,<br />
Bewusstsein“ durch das Wort „Gerüst“<br />
ersetzte. Das Resultat waren syntaktische<br />
Konstruktionen wie „Kritik des reinen<br />
Gerüsts“ in Anspielung an Immanuel<br />
Kant. Die Anregung für diese Arbeit erhielt<br />
er von einem wichtigen Vertreter des<br />
Konstruktivismus, Maturana, weiteres „rüstzeug“<br />
von Wittgenstein.<br />
VALIE EXPORT und Peter Weibel performten<br />
im Rahmen ihrer Reihe Expanded Cinema<br />
die Filmaktion Ping Pong (Uraufführung),<br />
Cutting, Abstract Film Nr. 1 und Instant<br />
Film. Mit dem Expanded Cinema wird das<br />
Medium Film insofern überschritten, als<br />
Aktionen und die interaktive Einbeziehung<br />
des Publikums konstituierend sind. So<br />
wurde bei Ping Pong ein Film mit einem<br />
fliegenden Tischtennisball ausgestrahlt, der<br />
vom Publikum mit einem realen Ball mittels<br />
Tischtennisschläger getroffen werden sollte.<br />
In Aktionen entstanden Wil Frenkens<br />
Umgebungsdrucke, bei denen er<br />
Baumscheiben und ab 1970 auch<br />
Alltagsgegenstände wie den Stuhl seines<br />
und Fria Elfens jüngsten Kindes namens<br />
Christiane abdruckte.<br />
4 Stellwand<br />
Der Düsseldorfer Hans Peter Auberger<br />
alias Pidder Auberger stellt in seinem<br />
sublimen repressionsschema einen<br />
gesellschaftskritischen Bezug her.<br />
5 Stellwand<br />
Die Grenzüberschreitung zwischen Kunst<br />
und Wissenschaft findet sich in vielfältigen<br />
Beispielen in der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong>,<br />
wie bei Manfred P. Kage. Er gilt heute als<br />
Deutschlands wichtigster Mikrofotograf<br />
und Grenzgänger zwischen den Bereichen<br />
Chemie, Mikrobiologie und visueller Kunst.<br />
Der von ihm konstruierte „Polychromator“<br />
kann die hauchdünnen und an sich farblosen<br />
Kristallpräparate visualisieren, indem sie<br />
durch polarisiertes Licht optisch gefärbt<br />
werden.<br />
6 frei stehend<br />
Die Verbindung von Mathematik, Physik<br />
und Kunst spielt bei den Objekten von<br />
Walter Kaitna eine Rolle. Der Wiener<br />
Bauingenieur und Physiker arbeitete mit<br />
Kräfteverhältnissen zwischen mehreren<br />
Stahlstäben, die in einem bestimmten<br />
Winkel auf eine Platte montiert sind. Mit<br />
seinen „Kräftesystemen“ visualisierte er<br />
an sich unsichtbar bleibende Spannungen<br />
und Formveränderungen, die jedoch<br />
mathematisch erfasst werden können. Er<br />
wählte elastisches Material, um bleibende<br />
Formveränderungen zu verhindern. Die<br />
Krümmung der Stahlstäbe können durch<br />
Lösung eines Knotens rückgängig gemacht
werden. Es geht also auch um Spannung<br />
und Entspannung.<br />
7 Stellwand<br />
Die sogenannte Computerkunst, die auf<br />
Prinzipien der Mathematik, Kybernetik<br />
und Informationstheorie beruht, war in der<br />
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> sehr früh vertreten.<br />
Die erste Ausstellung in Österreich fand<br />
1968 in der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> statt,<br />
erst dann in Wien: Im März 1969 folgte eine<br />
Ausstellung in der Secession, im November/<br />
Dezember 1969 in der Zentralsparkasse.<br />
Von Otto Beckmann sind Stadtarchitekturen<br />
zu sehen.<br />
Alfred Graßl baute für Otto Beckmann einen<br />
Generator mit dem Namen GEMA 1320<br />
für Markovsche Ketten, Oskar Beckmann<br />
entwickelte mit ihm den Atelier- oder<br />
Kunstcomputer, hier zu sehen der a.i. PI 77.<br />
Der Kunstcomputer bestand aus digitalen<br />
Zustandsprozessoren, die ein analoges<br />
Rechenwerk ansteuerten, wo die Zuordnung<br />
zu Bildelementen und deren weitere<br />
Verarbeitung erfolgten. Damit wurden zum<br />
Beispiel dreidimensionale virtuelle Objekte<br />
erzeugt, die in perspektivischer Ansicht am<br />
Bildschirm sichtbar waren.Tastenfelder<br />
und Drehregler erlaubten dem Künstler,<br />
den Ablauf interaktiv zu gestalten. Mit den<br />
damaligen Großrechnern war eine derartige<br />
Interaktion in Echtzeit nicht möglich.<br />
Sowohl die Computerkunst Otto<br />
Beckmanns als auch die Josef Hermann<br />
Stieglers steht in der Spannung von<br />
Rationalität und Intention, Mystik und<br />
Kalkül. Ein Werk, das einen Bezug zur<br />
Text-Bild-Schnittstelle herstellt, ist<br />
die Serie Sekundärtransmutation des<br />
dichterischen Lebenswerkes von Hans<br />
Magnus Enzensberger, die aus einem<br />
„Totaldiagramm“ und 10 Detailbildern<br />
besteht. Josef Hermann Stiegler wählte aus<br />
137 Gedichten von Enzensberger 48 aus, aus<br />
denen er Verse und Phrasen in eine Montage<br />
von 144 Zeilen zusammenfügte. Fria Elfen<br />
erzählte, dass Stiegler die Gedichtzeilen<br />
während eines Fiebertraumes „zugefallen“<br />
sind. Aus der Nummerierung der Gedichte<br />
und Zeilen gewann er die Zahlen als<br />
Grundlage seines Algorithmus. Diesen<br />
bezeichnete er als „Transmutation“.<br />
8 Stellwand<br />
Viele Einflüsse kamen von der Stuttgarter<br />
Gruppe, dem Kreis um Max Bense. Aus<br />
Stuttgart kamen Impulse zur Konkreten<br />
Kunst, Computerkunst, Konkreten und<br />
Visuellen Poesie und zu Fluxus.<br />
Klaus Basset entwickelte für seine<br />
Schreibmaschinengrafiken ein System<br />
aus Überlagerungen von vier Zeichen, die<br />
verschiedene Grauwerte von hell bis dunkel<br />
erzielen:<br />
I überlagert mit = 0<br />
I überlagert mit = 0 und H<br />
I überlagert mit = 0, H und %<br />
Reinhard Döhl, G. C. Kirchberger, Hansjörg<br />
Mayer spielen in ihrer programm<br />
typografie 2 mit Konstellationen von<br />
Buchstaben und der Spannung von Zeichen<br />
und (Farb-)Begriffen.<br />
9 Stellwand<br />
Bemerkenswert ist auch die Serie 19 von<br />
Wolfgang Schmidt, in denen er anhand von<br />
Namen und Porträts mit den Möglichkeiten<br />
von Bild und Text spielt und für ikonische<br />
und verbale Zeichen parallele Verfahren<br />
der Anordnung und Überlagerung<br />
gegenüberstellt.<br />
10 Fensterwand<br />
Dokumentationsfotos zu Aktionen<br />
und Veranstaltungen der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong>:<br />
obere Reihe von links nach rechts: Alfred<br />
Kolleritsch vom Grazer Forum Stadtpark<br />
im Juni 1970; der Künstler Walter Giers
im Interview mit Günter Unger, links<br />
im Bild Peter Wagner im Nov. 1975; der<br />
Kunstkritiker Heiner Stachelhaus, Wil<br />
Frenken, Fria Elfen und Anneliese Basset im<br />
Nov. 1972; Umweltaktion<br />
B 50 Eisenstädterstrasse/<strong>Breitenbrunn</strong> im<br />
Mai 1975; Fria Elfen und Wil Frenken mit<br />
Krafträder-Modellen von Udo Weingart im<br />
Nov. 1972; Aktion Wenn der weiße Flieder<br />
wieder blüht von Heinz R. Decker im Mai<br />
1975; Ausstellung mit Maldrucken von Fria<br />
Elfen zur Eröffnung der <strong>Werkstatt</strong> im Mai<br />
1967; Raumtext von Siegfried J. Schmidt im<br />
Sommer 1975; die „Hofgasse“ der <strong>Werkstatt</strong><br />
nach 1973<br />
untere Reihe von rechts nach links:<br />
Konzert endless music u.a. mit Albrecht/D.<br />
und Grit Baecker im Mai 1975; in der<br />
Bildmitte: Walter Giers, Helga Philipp und<br />
Wil Frenken im Nov. 1975, Wil Frenken<br />
und Moucle Blackcout (Christiane Adrian-<br />
Engländer) im Sommer 1972; Aktion<br />
Landschaftsverbrennung von Heinz R.<br />
Decker im Mai 1975 (drei Fotos); Ausstellung<br />
mit elektronischen Spielobjekten von Walter<br />
Giers und einem Vortrag von Herbert W.<br />
Franke im Nov. 1975 (2 Fotos); Lesung<br />
Barbara Frischmuth im Juni 1970<br />
11 Stellwand<br />
Fria Elfen stempelte verschiedene<br />
Textsorten der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong>,<br />
wie Plakate und Einladungen. Dadurch<br />
gewannen sie ihr unverkennbares<br />
Erscheinungsbild. Durch das Säubern der<br />
Stempel, wobei sich die Druckerschwärze<br />
immer blasser auf dem Tuch<br />
abdruckte, entstand die Idee zu ihren<br />
Stempelstrukturen. Die Impulse aus den<br />
Bereichen Typographie, Konkrete Poesie und<br />
Visuelle Poesie sind in ihren Arbeiten ab den<br />
späten 1960er Jahren unverkennbar.<br />
Reihentext-Bildreihe ist eine<br />
Gemeinschaftsproduktion von Wil Frenken<br />
u. Hermann J. Hendrich, wobei Frenken die<br />
visuelle Komponente einbringt, Hendrich die<br />
experimentellen Texte.<br />
12 Stellwand<br />
Siegfried Cremer, der in <strong>Breitenbrunn</strong><br />
konstruktiv-minimalistische Objekte<br />
zeigte, stellte auch konkrete Arbeiten aus<br />
Buchstaben her. Die Zeichen bekommen<br />
durch die Unsetzung in geometrische<br />
Flächen in Schwarz-Weiß einen hohen<br />
Abstraktionsgrad.<br />
13 Fensterwand<br />
Fria Elfen u. Wil Frenken veranstalteten<br />
ab 1973 an verschiedenen Plätzen in<br />
Deutschland und Österreich Sandspiele, in<br />
die auch Passanten und Passantinnen mit<br />
einbezogen wurden. Fotos links: Sandspiel<br />
bei der Bundesgartenschau Stuttgart 1977,<br />
Ausführender: Klaus Basset; Fotos rechts:<br />
Sand-Seminar am Rennbahnweg in Wien<br />
1978.<br />
14 Stellwand<br />
Frieder Nakes farbige<br />
Matrizenmultiplikationen sind Resultate<br />
einer strengen mathematischen Ordnung,<br />
generiert am Computer.<br />
15 hängend<br />
Durch die repetitive Aneinderreihung eines<br />
Buchstabens ergibt sich eine zarte Struktur,<br />
die die Präzision der Stempelkontur mit den<br />
lebendigen Schwingungen der Handarbeit<br />
verbindet. Die Monochromen Texte von Fria<br />
Elfen entwickeln sowohl bei der Produktion<br />
als auch beim Betrachten meditativen<br />
Charakter.<br />
16 Medienwand<br />
Für die Performances und Filme von Linda<br />
Christanell spielen gefundene oder selbst<br />
angefertigte Gegenstände eine wichtige<br />
Rolle. Es handelt sich um Dinge, die zum<br />
Leben einer Frau gehören wie Schmuck,<br />
Krimskrams, Federn. Sie werden zu
Fetischen und in neue Zusammenhänge<br />
gestellt, wobei die sexuelle und erotische<br />
Bedeutung ernsthaft oder ironisch sichtbar<br />
wird.<br />
17 Nische<br />
Einen erweiterten Begriff von Visueller<br />
Poesie setzten die Niederländer Pier van<br />
Dijk und Robert Joseph um. Sie performten<br />
1976 ihr Gedicht mit zwei Stühlen. Unter<br />
Verzicht auf einen verbalen Text wechselten<br />
sie mit zwei Stühlen ihre Position und<br />
wanderten - gleichsam wie die Strophen<br />
eines Gedichts- von der „Hofgasse“ der<br />
<strong>Werkstatt</strong> zu verschiedenen Plätzen in der<br />
Gemeinde <strong>Breitenbrunn</strong>.<br />
Nico u. Nicolette van den Dool, ein<br />
Designerduo aus der Niederländischen<br />
Kooperative Witte Werkplaats, fertigten<br />
Möbel und Teppiche an, die auf alte<br />
handwerkliche Techniken zurückgreifen und<br />
sich von industrieller Massenproduktion<br />
unterscheiden.<br />
18 Vitrine<br />
Die textilen Objekte von Linda Christanell<br />
sollen den Körper erweitern oder mit ihm<br />
interagieren. Im Zentrum stehen das Thema<br />
der Weiblichkeit und die Rolle der Frau.<br />
19 Vitrine<br />
Von Helmut Eisendle wurde das Typoscript<br />
Fröhlichs Wirbeltiergehirn in der Edition<br />
<strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> herausgegeben.<br />
Darin geht es in Anknüpfung an die Tradition<br />
der Konkreten Poesie um das Verhältnis von<br />
Zeichen und Begriff. Er betont den visuellen,<br />
verbalen - und in ironischer Weise -<br />
emotionalen Reiz, der das Gehirn aktiviert.<br />
Von Marc Adrian wurden zusammen mit<br />
Moucle Blackout als Edition der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong> die poèmes inventionistes<br />
produziert. Der Titel weist auf Marc Adrians<br />
in den 1950er Jahren entwickelte Theorie<br />
des „methodischen Inventionismus“ hin,<br />
ein auf sprachliche, bildnerische und<br />
filmische Gestaltungsprozesse anwendbares<br />
Programmier- und Analyseverfahren.<br />
Franz Mons Text mit 60 O spielt in der<br />
Tradition der Konkreten Poesie mit dem<br />
Schriftbild.<br />
Fritz Meurer hatte bei einem Motorradunfall<br />
ein Bein verloren und begann Modelle zu<br />
bauen. Meurers Freund, der Bildhauer<br />
Udo Weingart, sah sie zufällig und führte<br />
diese aus dem Abbild in eine Deutung über.<br />
Weingarts filigrane Kräder sind mehr als<br />
ein Verweis auf ein Fortbewegungsmittel.<br />
Es geht einerseits um den Fetischcharakter<br />
von Motorrädern, andererseits auch um<br />
Assoziation zu Gefahr und Tod, indem in die<br />
Modelle Funktionsstörungen eingebaut sind.<br />
Der Aufenthalt Udo Weingarts in<br />
<strong>Breitenbrunn</strong> hat Spuren in der Literatur<br />
hinterlassen: Für Klara Köttner-Benigi war<br />
die Begegnung mit ihm der Impuls, ihr Buch<br />
Abläufe zu schreiben.<br />
Hörstation<br />
Lily Greenham: Tune in the reality<br />
voice: lily greenham<br />
electronics/sounds & instruments: paddy<br />
kingsland<br />
tapespeed 3 ¾ (9,5)<br />
stereo (½ - track)<br />
Den grenzüberschreitenden Ansatz<br />
verkörpert in besonderer Weise Lily<br />
Greenham. Sie präsentierte am 3. Juni 1978<br />
ihre lingual music, ein Begriff, den sie für<br />
ihre Lautgedichte und Tonbandarbeiten<br />
erfand.<br />
Sie kann ein vielfältiges und innovatives<br />
Werk aufweisen, vor allem in den Bereichen<br />
Op Art, Sound Poetry und experimenteller<br />
Tape Music. In der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
wird sie als Schriftstellerin und Komponistin<br />
vorgestellt, Bereits in den 1950er Jahren
ezitierte sie Lautgedichte der Wiener<br />
Gruppe, vor allem von Gerhard Rühm, später<br />
befasste sie sich auch mit Computerkunst.<br />
20 Vitrine<br />
Von der Fluxuskünstlerin Takako Saito gibt<br />
es eine Reihe von Spielen mit Bezug zum<br />
Schach. In <strong>Breitenbrunn</strong> spielte sie 1979<br />
auch das Weinschach. Dazu existiert eine<br />
Auflistung von Weinen und deren Farbe,<br />
da man je nach Figur einen bestimmten<br />
Schluck Wein einer zugeordneten Sorte<br />
nehmen musste. Fria Elfen und Wil Frenken<br />
anworteten mit einem Käfer-Bohnen-Spiel<br />
für Takako. Die Würfel des Soundchess<br />
sind mit verschiedenen Kügelchen und<br />
Materialien gefüllt, deren Geräusch eine<br />
Zuordnung der Figuren zulässt.<br />
Fria Elfen gestaltete gemeinsam mit<br />
Wil Frenken eine Kassette mit der<br />
konkretistischen Untersuchung des<br />
verbalen Zeichens „ich“ i+c+h+/i ce<br />
ha. Die Stempeldrucke unter dem<br />
Motto „Personenkult“ untersuchen das<br />
Zusammenspiel der Elementarzeichen,<br />
die ein Wort konstituieren und in den<br />
visuellen Umsetzungsvarianten sehr wohl<br />
semantische Anspielungen evozieren.<br />
Zu Siegfried J. Schmidt geruest siehe<br />
Station 2.<br />
Hörstation<br />
Hermann J. Hendrich: Tontext zur<br />
Eröffnung der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
21 Vitrine<br />
Die von der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
herausgegebene Dokumentation wb2<br />
versammelt in einer Schachtel Textbeiträge,<br />
Siebdrucke und Offset-Grafiken zu den<br />
Veranstaltungen des Jahres 1968, die<br />
den Themen Computergrafik sowie<br />
Experimentalfilm - Experimentelle Literatur<br />
gewidmet waren.<br />
Darin enthalten sind u.a. Marc Adrians<br />
„Lehrstück“ das mammut, Texte von<br />
Gottfried Schlemmer, die auch von VALIE<br />
EXPORT performt worden sind sowie<br />
Aktionstexte von Peter Weibel.<br />
Fria Elfen und Wil Frenken fertigten eine<br />
Reihe von Kunst-an-denken an, wie klebeich<br />
und gute erde aus dem breiten brunn,<br />
die der Dokumentation wb2 beigelegt<br />
worden sind.<br />
22 Vitrine<br />
Die Alphabetbuchrolle von E. Hänggi wurde<br />
gestempelt.<br />
Das Kartenspiel prolet art stellte Hans-<br />
Peter Auberger im August 1971 in<br />
<strong>Breitenbrunn</strong> fertig. Auberger wollte damit<br />
die Verbreitung sozialistischer Idole und<br />
Embleme als eine Art von Ersatzreligion<br />
ad absurdum führen. Er tauschte die<br />
traditionellen Symbole des Kartenspiels<br />
folgendermaßen aus:<br />
rot (Herz) wird zur Sichel<br />
schwarz (Kreuz) wird zum Hammer<br />
rot (Karo) wird zum Sowjetstern<br />
schwarz (Schüppen) wird zur Faust<br />
Statt König – Marx<br />
Dame – Che<br />
Bube – Mao<br />
As – Hammer und Sichel<br />
23 Vitrine<br />
Auch Fluxus war in der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong> vertreten. Ergebnisse von<br />
Fluxus sind Relikte von Aktionen, Multiples<br />
bzw. Artefakte. Auch eine Vorliebe für<br />
Spiel und Schachteln, wie wir sie auch in<br />
der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> finden, ist zu<br />
bemerken.<br />
Dieser in der Nachfolge des Dadaismus<br />
entstandenen Kunstrichtung sind auch die<br />
Serienobjekte (Multiples) des sogenannten<br />
Vice-Versandes zuzuordnen, die im Mai 1970
in der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> ausgestellt<br />
worden sind. Zum Preis von umgerechnet<br />
vier Euro konnte man Multiples u.a. von<br />
Albrecht/D., Thomas Bayrle, Joseph<br />
Beuys, George Brecht, Robert Filliou, Jörg<br />
Immendorf, Mauricio Kagel, Dieter Roth,<br />
Daniel Spoerri, Günther Ücker und Wolf<br />
Vostell erwerben.<br />
Albrecht/D. ist der Begründer des<br />
Eigenverlages reflection press und der<br />
flug/flux blatt zeitung, die in <strong>Breitenbrunn</strong><br />
ausgestellt war und von der sich eine<br />
Ausgabe in Form eine Rolle in der<br />
Sammlung der <strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong><br />
erhalten hat. Die „Zeitung“ besteht aus<br />
aneinandergeklebten, hektographierten<br />
Blättern und enthält u.a. eine Originalgrafik<br />
von Wolf Vostell mit dem Titel Köln,<br />
die deutsche Hauptstadt der Kunst<br />
und das Kau-Objekt mit Zahnspuren<br />
von Albrecht/D., eine Montage eines<br />
Kaugummis mit Biss-Spuren über einer<br />
collagierten Landkarte.<br />
Diese historischen Aufnahmen wurden vom<br />
ORF <strong>Burgenland</strong> zur Verfügung gestellt. Das<br />
Video wurde mit Unterstützung von Bund,<br />
Land und Europäischer Union produziert.<br />
Wir danken der Architektin Susanne Schmall<br />
für den Raumplan und dem KSB-Team,<br />
besonders Mag. Theresia Gabriel, sehr<br />
herzlich für die gute Zusammenarbeit!<br />
Dr. Sabine Kritsch-Schmall<br />
Dr. Eva Maltrovsky<br />
(Redaktion des Begleitheftes und Kuratorinnen)<br />
Medienraum<br />
Video zur Geschichte des <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong><br />
Im November fertiggestellt, beinhaltet<br />
die filmische Dokumentation Statements<br />
von Fria Elfen-Frenken und Zeitzeugen<br />
– der Künstlerin Linda Christanell, dem<br />
Autor Dietmar Grieser sowie den früheren<br />
„Stammgästen“ Wolfgang Kaitna und<br />
Rosemarie Szirmay-Wenzelburger - die bei<br />
der Eröffnung der permanenten Ausstellung<br />
„<strong>Werkstatt</strong> <strong>Breitenbrunn</strong> – der Schauplatz“<br />
am 15. September 2012 in <strong>Breitenbrunn</strong><br />
anwesend waren. Zu sehen sind auch<br />
Schwarz/Weiß-Aufnahmen inklusive eines<br />
Interviews mit Wil Frenken aus 1967,<br />
dem Jahr der Eröffnung der <strong>Werkstatt</strong><br />
<strong>Breitenbrunn</strong>.