Einzelintegration in Kindertagesstätten durch individualisierte Hilfen

LANDESHAUPTSTADT
Einzelintegration in Kindertagesstätten
ten
durch individualisierte Hilfen
Evaluation des „Mobilen Dienstes für Eingliederungshilfen
an behin-
derte oder von Behinderung bedrohte Kinder in Kindertagesstätten“
in Wiesbaden
durch das ISR an der Fachhochschule hschule Frankfurt am
Main
Materialien zur Sozialplanung
www.wiesbaden.de

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Bezugsadresse:
Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden
Amt für Soziale Arbeit
Abteilung Grundsatz und Planung
Konradinerallee 11
65189 Wiesbaden
E-Mail: sozialplanung@wiesbaden.de
Telefon: 0611/ 31 35 97
Telefax: 0611/ 31 39 51
Schutzgebühr: 10,00 €
Download unter: http://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/gesellschaft/sozialplanung/sozialplanung/altenhilfeplanung.php
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Einzelintegration in Kindertagesstätten
stätten
durch individualisierte Hilfen
Evaluation des „Mobilen Dienstes für Eingliederungshilfen
an behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder
in Kindertagesstätten“ tten“ in Wiesbaden
Abschlussbericht
Monika Ludwig, Claus Reis
Unter Mitarbeit von
Heinz Baumann, Gudrun Becker, Verena Becker, Astrid Heide,
Anne Mayerle, Kerstin Neeb und Heike Wiedekind
Frankfurt am Main, im März 2010
Fachhochschule Frankfurt am Main
University of Applied Sciences
Nibelungenplatz 1
60318 Frankfurt am Main
Telefon: 069 1533-2649
Telefax : 069 1533-3021
E-Mail: isr@fb4.fh-frankfurt.de

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Inhalt
1. Die Einführung des Mobilen Dienstes in Wiesbaden – ein Problemaufriss 6
1.1. Rahmenbedingungen _______________________________________________ 6
1.2. Das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ in Wiesbaden _____________________ 8
1.3. Das Handlungskonzept Fallmanagement_______________________________ 10
1.4. Auftrag der Evaluationsstudie________________________________________ 13
2. Design der Evaluationsstudie ___________________________________ 15
3. Die Zielgruppe ________________________________________________ 19
3.1. Umfang und Bedarfe der Zielgruppe __________________________________ 19
3.2. Bedarfslagen aus Sicht der Fachkräfte_________________________________ 19
3.3. Zusammenfassung ________________________________________________ 20
4. Gestaltung der Leistungsprozesse und fallbezogene Kooperation _____ 21
4.1. Das Fallmanagement im Leistungsprozess _____________________________ 21
4.2. Arbeitsorganisation im Mobilen Dienst _________________________________ 25
4.3. Eingliederung in der Kindertagesstätte_________________________________ 31
4.4. Institutionelle Kooperation __________________________________________ 36
4.5. Zusammenfassung ________________________________________________ 37
5. Der „Mobile Dienst“ aus Sicht der Eltern __________________________ 39
5.1. Die Wahl der Kindertageseinrichtung – Motive, Kriterien und Vorerfahrungen __ 39
5.2. Kooperation mit dem Fallmanagement_________________________________ 41
5.3. Leistungserbringung in der Kindertagesstätte ___________________________ 42
5.4. Ergebnisse: Was kommt an? ________________________________________ 47
5.5. Zusammenfassung ________________________________________________ 49
6. Personalentwicklung und Qualitätssicherung ______________________ 51
6.1. Personalentwicklung_______________________________________________ 51
6.2. Qualitätssicherung ________________________________________________ 56
6.3. Zusammenfassung ________________________________________________ 59
7. Weiterentwicklung des Handlungskonzepts________________________ 60
7.1. Aus Sicht des Fallmanagements _____________________________________ 60
7.2. Aus Sicht der Mobilen Dienste _______________________________________ 61
7.3. Aus Sicht der Kindertagesstätten _____________________________________ 64
7.4. Aus Sicht der Eltern _______________________________________________ 68
7.5. Zusammenfassung ________________________________________________ 70
4

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
8. Zusammenfassung und Fazit ____________________________________ 74
8.1. Hintergrund______________________________________________________ 74
8.2. Auftrag und Ansatz der Evaluation ____________________________________ 74
8.3. Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen _______________________ 75
8.4. Gesamtbewertung durch die wissenschaftliche Begleitung _________________ 78
Literatur_________________________________________________________ 80
Anhang: Umfang und Bedarfe der Zielgruppe__________________________ 82
5

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
1. Die Einführung des Mobilen Dienstes in Wiesbaden – ein Problemaufriss
1.1. Rahmenbedingungen
„Mit Blick auf die Ausgestaltung der Angebote für Kinder mit Behinderungen in Deutschland
hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Kinder
mit Behinderung werden nicht mehr isoliert von anderen Kindern in Sondereinrichtungen
gefördert und betreut. Heute wird grundsätzlich ihre Integration in Regeleinrichtungen
und die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung angestrebt“
(Riedel 2008: 141). Die regionale und lokale Ausgestaltung dieser neuen Politik folgte
allerdings unterschiedlichen Entwicklungspfaden. Vorreiter waren vor allem die ostdeutschen
Bundesländer, die ihr Angebot an integrativen Plätzen nach der Wende deutlich
ausgebaut haben, u. a. auch deshalb, weil der Rückgang der Kinderzahlen hier schon
früher zu spüren war. Auch die Politik einzelner Bundesländer war von Bedeutung. Mit
der Einführung der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“ etwa „sicherte sich Hessen
binnen weniger Jahre einen Spitzenplatz innerhalb Westdeutschlands bei der wohnortnahen
Integration behinderter Kinder“ (Riedel 2008: 142).
Um die Entwicklung zu illustrieren, seien hier nur einige ausgewählte Zahlen genannt:
Die Anzahl der Einrichtungen, die integrativ arbeiten, ist seit 1998 kontinuierlich gestiegen,
so dass heute etwa jede vierte Kindertageseinrichtung in Deutschland mindestens
ein Kind mit Behinderung aufgenommen hat (Riedel 2008: 145). In einigen Bundesländern
liegt der Anteil der integrativ arbeitenden Einrichtungen noch deutlich höher, so
auch in Hessen mit nahezu 45 Prozent (ebenda: 148). Betrachtet man die Verteilung
aller behinderten Kinder in Tagesbetreuung, so zeigt sich, dass bundesweit etwa drei
Viertel dieser Kinder in integrativen Einrichtungen und etwa ein Viertel in Sondereinrichtungen
untergebracht ist. In Hessen sind sogar nahezu 90 Prozent (2006) aller Kinder
mit Behinderung in Tagesbetreuung in integrativen Einrichtungen untergebracht, was
deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt (ebenda: 146 f.).
Die Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen in Regeleinrichtungen der Kindertagesbetreuung
erfolgt in der Praxis entweder durch Einzelintegration oder durch eine
Betreuung in integrativen Gruppen. Bei einer Einzelintegration wird ein Kind mit Behinderung
in eine Regelgruppe aufgenommen und deren Kinderzahl ggf. reduziert. Bei
integrativen Gruppen werden mehrere Kinder mit Behinderung mit nicht-behinderten
Kindern zusammen betreut, wozu in der Regel ein spezifisches pädagogisches Konzept
zur integrativen Erziehung zum Einsatz kommt. Zwar wird gegen die Einzelintegration
fachlich zu Bedenken gegeben, dass das Fachpersonal in Regeleinrichtungen meist
nicht behindertenpädagogisch ausgebildet ist. Tatsächlich ist aber über die Qualität einer
integrativen Betreuung bisher wenig bekannt (Riedel 2008: 143; siehe aber Kron/Papke
2006).
Auch diesbezüglich zeigt sich, dass auf Landesebene unterschiedliche Strategien verfolgt
werden. So kann an der Anzahl der betreuten Kinder mit Behinderung pro Einrichtung
der praktizierte Ansatz abgelesen werden. Eine hohe Anzahl verweist tendenziell
auf integrative Gruppen, während eine geringe Anzahl eher eine Einzelintegration vermuten
lässt. „In Ländern wie Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen deutet die
durchschnittlich niedrige Kinderzahl auf eine hohe Verbreitung der Einzelintegration hin“
(Riedel 2008: 149). Die Betreuung in integrativen Gruppen ist demgegenüber vor allem
in den östlichen Bundesländern und Rheinland-Pfalz von Bedeutung. Auch in der Entwicklung
über die Zeit zwischen 2002 und 2006 zeigt sich eine „Verschiebung weg von
der Betreuung in integrativen Gruppen (…) hin zu Maßnahmen der Einzelintegration“
(ebenda: 156).
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Anfang der 1990er Jahre koexistierten in Hessen mehrere Formen der Tagesbetreuung
von Kindern mit Behinderung, die sich in den Rechtsgrundlagen und Finanzierungsformen
mehr oder weniger stark unterschieden: Die Sonderkindergärten wurden nach dem
Krieg aufgebaut, Kindergärten mit integrativen Gruppen waren seit den 80er Jahren ausgebaut
und Einzelintegration in Regelkindergärten war zunehmend seit den 1990er Jahren
praktiziert worden. Vor allem der seit 1996 geltende Rechtsanspruch eines Kindes
auf einen Kindergartenplatz ab dem vollendeten dritten Lebensjahr (Paries 2007: 15)
beschleunigte die Ausweitung der Einzelintegration, für die in Hessen durch eine „Rahmenvereinbarung
Einzelintegration“ zwischen Landeswohlfahrtsverband (LWV), der Liga
der freien Wohlfahrtspflege und den kommunalen Spitzenverbänden ab 1996 auch qualitative
Voraussetzungen zur Gruppengröße, zu räumlichen und personellen Anforderungen
definiert wurden. Fachlich blieb allerdings umstritten, „ob Regeleinrichtungen wirklich
in der Lage sind, Kinder mit Behinderung angemessen und qualifiziert zu betreuen und
ob nicht doch die Sondergruppe die adäquate Form der Betreuung darstellt“ (Paries
2007: 16).
Auf der Landesebene wurde danach verstärkt diskutiert, ob – statt unterschiedliche, parallele
Betreuungssysteme zu unterhalten – besser ein einheitliches System geschaffen
werden sollte und dabei auch die Sonderkindergärten auslaufen zu lassen. Die alte
Rahmenvereinbarung wurde gekündigt, und „nach außerordentlich schwierigen Vertragsverhandlungen“
unterzeichneten die kommunalen Spitzenverbände und der LWV die
„Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“ Mitte 1999. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege
unterschrieb die Rahmenvereinbarung erst, nachdem mit Unterstützung des Hessischen
Sozialministeriums eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen wurde, die die finanzielle
Förderung absicherte und zur Qualitätsentwicklung verpflichtete (Paries 2007: 17). Zur
Begleitung der Umsetzung wurde eine Arbeitsgruppe Integration eingerichtet, welche
unter anderem Empfehlungen für eine Neufassung der Rahmenvereinbarung entwickelte,
um Schwachstellen zu beheben. Die Nachverhandlungen hierzu scheiterten in
2003, weil der Hessische Städtetag nicht zustimmte.
„Kernpunkt der ‚Rahmenvereinbarung Integrationsplatz’ ist, dass nicht mehr unterschiedliche
Betreuungsformen finanziert werden, sondern dass der einzelne Platz für das Kind
mit Behinderung vom örtlichen Sozialhilfeträger (Kostenträger) mit einer Pauschale bezuschusst
wird“ (Paries 2007: 17). 1 Sonderkindergärten wurden nach einer Übergangsfrist
geschlossen. Nach der Rahmenvereinbarung war es zwar grundsätzlich möglich,
auch weiterhin integrative Gruppen zu betreiben, allerdings hatte sich die Finanzierung
für diese Träger verschlechtert, da sie strikt an die Zahl der Kinder mit Behinderung geknüpft
wurde. „Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass Hessen bisher das einzige
Bundesland ist, in dem es ein einheitliches Finanzierungssystem zur Betreuung von Kindern
mit Behinderung in Kindertageseinrichtungen gibt, die wohnortnahe Versorgung
systematisch ausgebaut wurde, Sondergruppen/Sonderkindergärten nicht mehr angeboten
werden und weitgehend alle Träger von Einrichtungen die Integration als Aufgabe
anerkannt haben“ (Paries 2007: 20).
Die Rahmenvereinbarung hatte die Frage ausgeklammert, wie ein individueller Hilfebedarf
definiert werden kann. Aus diesem Grund wurde auch die Kostenpauschale nicht
differenziert (Paries 2007: 17). Die Aufgabe der Bedarfsfeststellung wurde später im
Rahmen der Qualitätsentwicklung wieder aufgegriffen, zu der sich das Land verpflichtet
hatte. Hierzu richtete das Sozialministerium im Jahre 2001 das Modellprojekt QUINT mit
einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren ein; ab 2004 begann die landesweite Implementierung
als Angebot, das auch evaluiert wurde (IKJ 2007a, b). In diesem Zusammenhang
wurde auch ein Handbuch erstellt (Hessisches Sozialministerium 2007).
1 Hintergrund dieser neuen Regelung war u. a. der „doppelte Rechtsanspruch“ von Kindern mit Behinderung,
die einen Anspruch auf einen „ganz normalen“ Kindergartenplatz gemäß SGB VIII und auf
Eingliederungshilfe nach SGB XII haben (Paries 2007: 15).
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Probleme bei der Umsetzung der Rahmenvereinbarung waren auch Gegenstand einer
Umfrage der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Frühe Hilfen in Hessen e. V., die diese
unter ihren Mitgliedern im Jahre 2006 durchführte. Nach dieser Umfrage bestanden
Probleme vor allem bei den Genehmigungsverfahren sowie bei der Bereitstellung bedarfsgerechter
Maßnahmen einschließlich der Finanzierung. Die Dauer der Bearbeitung
eines Antrags auf Integration konnte bis zu zehn Monaten dauern und führte häufig zu
langen Wartezeiten, bis die betroffenen Kinder in der gewünschten Einrichtung aufgenommen
werden konnten. Die zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger sind bei der Bedarfsfeststellung
unterschiedlich verfahren, was das Vorgehen und zugrunde liegende
Kriterien angeht (z. B. welche Gutachten angefordert werden). Die Amtsärzte, deren
Gutachten meist eine Voraussetzung für die Hilfegewährung sind, legten ihrer Begutachtung
unterschiedliche Kriterien zugrunde. Häufig wurden Maßnahmen befristet, so dass
Folgeanträge erforderlich wurden und der Verwaltungsaufwand dementsprechend höher
ausfiel.
Im Zentrum der Rückmeldung stand jedoch die Maßnahmepauschale mit der Festschreibung
von 15 Fachkraftstunden je Integrationsmaßnahme und die Frage, ob damit
bedarfsgerechte Leistungen erbracht und auch nicht direkt kindbezogene Leistungen
abgegolten werden können.
▪ Der tatsächliche Betreuungs- und Pflegeaufwand z. B. bei schwerstbehinderten oder
unruhigen Kindern wird nicht berücksichtigt, so dass diese Kinder beispielsweise
nicht über die gesamte Öffnungszeit der Kindertageseinrichtung betreut werden können.
Auch Gegebenheiten und Abläufe in der Einrichtung selbst, etwa die Anzahl der
Kinder mit Behinderung in einer Gruppe oder die Notwendigkeit von Krankheits- und
Urlaubsvertretungen, schienen in der Bemessung der Maßnahmepauschale nicht
hinreichend eingeflossen zu sein.
▪ „Befristete Arbeitsverträge mit nur 15 Wochenstunden für eine Integrationsfachkraft
sind unattraktiv, so dass es schwer ist, hierfür qualifizierte Mitarbeiterinnen zu finden
bzw. eine hohe Fluktuation entsteht. Diese Entwicklung hat sich seit der Rahmenvereinbarung
im Jahr 1999 deutlich verschärft“ (LAG Frühe Hilfen in Hessen e. V. 2006:
5). Personalmangel und Fluktuation beeinträchtigen vor allem die Qualität und Kontinuität
der Integrationsarbeit.
▪ Nicht direkt kindbezogene Leistungen wie Fortbildung, Dokumentation, Hilfeplanung,
Elternarbeit nehmen zu und werden in der Maßnahmepauschale nicht berücksichtigt.
Sehr unterschiedlich handhaben die kommunalen Sozialhilfeträger auch Fehlzeiten des
Kindes, mit anderen Worten gibt es unterschiedliche Kriterien, wann Fehlzeiten des Kindes
zu einer Kürzung der Maßnahmepauschale führen.
1.2. Das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ in Wiesbaden
Auch in Wiesbaden zeigten sich in der Umsetzung der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“
nach 1999 eine Reihe von Problemen: In Wiesbaden sind die Fallzahlen und
damit einhergehend die Kosten von Einzelintegrationsmaßnahmen nach Einführung der
Rahmenvereinbarung immens gestiegen. Aus internen Unterlagen geht hervor, dass die
Zahl der Integrationsmaßnahmen in Wiesbaden im Kindergartenjahr 2002/2003 bis auf
280 hochschnellte und die Ausgaben hierfür auf nahezu vier Millionen Euro kletterten.
Während sich die Fallzahlen bei Kindern mit manifester Behinderung kaum veränderten,
verdoppelte sich die Zahl der Kinder mit Entwicklungsverzögerung, die durch eine Maßnahme
der Einzelintegration unterstützt wurde. 2
2 Auch auf Landesebene in Hessen sind die Fallzahlen nach Einführung der „Rahmenvereinbarung
Integrationsplatz“ erheblich gestiegen. In der Antwort auf eine „Große Anfrage der Fraktion der FDP
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Im Jahre 2003 wurde im Amt für Soziale Arbeit eine Prüfgruppe mit der Aufgabe eingesetzt,
ein alternatives Handlungskonzept zu entwickeln, welches erlaubt, Integrationsleistungen
„ohne Einschränkung der qualitativen Versorgung“ kostengünstiger zu erbringen.
Ansatzpunkt sollte eine Flexibilisierung der Hilfen sein: Bis 2003 wurden die Kindertagesstätten
in Wiesbaden gemäß Rahmenvereinbarung durch Bereitstellung von festen „Integrationsplätzen“
unterstützt. Das bedeutet, dass für jedes Kind mit Förderbedarf jeweils
15 zusätzliche Fachkraftstunden sowie eine Reduzierung der Gruppengröße finanziert
wurden. Mit dieser Form der Unterstützung waren auch unerwünschte, Kosten treibende
Faktoren verbunden (z. B. die Weiterführung von Maßnahmen, um Mitarbeiterinnen zu
halten). Durch die Einführung ambulanter Hilfen in Form eines „Mobilen Dienstes“ sollte
mehr Beweglichkeit erreicht und Fehlanreize eliminiert werden.
Der „Mobile Dienst für Eingliederungshilfen für behinderte oder von Behinderung bedrohte
Kinder in Kindertagesstätten“ wurde im August 2006 eingeführt. Folgende Ziele
wurden definiert: Es sollen bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Eingliederungshilfen
erbracht werden, unter anderem dadurch, dass die Maßnahmedauer flexibler gestaltet
wird; zudem sollen Kosten gesenkt und Fallzahlen reduziert werden. Diese Ziele
sollen im Wesentlichen durch eine Umorganisation der Leistungsprozesse erreicht werden.
Das neue Handlungskonzept setzt darauf, die Steuerung des Leistungsprozesses
durch Fallmanagement mit der Durchführung operativer Eingliederungshilfen durch beauftragte
Dritte, nämlich den „Mobilen Dienst“, zu verknüpfen. Das neue Wiesbadener
Handlungskonzept versteht sich als alternative Umsetzungsform der weiterhin gültigen
„Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“.
Fallmanagement
Im Fallmanagement der Wiesbadener „Koordinationsstelle für Behindertenarbeit“ im Amt
für Soziale Arbeit werden verschiedene Schritte des Leistungsprozesses gesteuert und
die Zusammenarbeit mit den Dritten koordiniert.
Das Fallmanagement ist zunächst für die Zugangssteuerung verantwortlich: Dabei sollen
Kindertagesstätten, Eltern und Fachberatungen gemeinsam zunächst den Förderbedarf
eines Kindes feststellen. Bereits im Vorfeld eines Antrags auf Eingliederungshilfe
nach § 53 SGB XII ist dann zu prüfen, ob ggf. vorrangige oder alternative Hilfen der
Krankenkassen (SGB V) oder der Jugendhilfe (SGB VIII) in Frage kommen. Wenn eine
Eingliederungshilfe in Frage kommt, beantragen die Eltern Eingliederungshilfe nach § 53
SGB XII bei der „Koordinationsstelle für Behindertenarbeit“ im Amt für Soziale Arbeit
Wiesbaden. Bereits vorliegende Gutachten und eine Stellungnahme der Kindertagesstätte
sind dem Antrag beizufügen.
Im Zuge eines ausführlichen Assessments wird der Antrag im Fallmanagement geprüft.
Dazu werden ggf. weitere Gutachten und Stellungnahmen in Auftrag gegeben. Das
Fallmanagement kann auch eigene Recherchen durchführen. Auf Grundlage dieser Informationen
entscheidet das Fallmanagement formal über den Antrag.
Danach wird ein Hilfeplan erstellt, um die Hilfen zu konkretisieren. Dazu setzen sich die
Beteiligten aus Fallmanagement und Kindertagesstätten sowie ggf. weitere Fallbeteiligte
wie Frühförderstelle und Therapeuten mit den Eltern zusammen, um die Ziele der Hilfe
zu definieren und erste Schritte festzulegen. Abschließend wird ein Leistungsbescheid
betreffend Umsetzung der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“ für behinderte Kinder in Regelkindergärten“
werden folgende Zahlen genannt: 2.980 (1998), 4272 (2002) und 4.317 (2003) (Hessischer
Landtag, Drucksache 16/1211, S. 2). Die Fallzahlen sind in Hessen etwa um den Faktor 1,5 gestiegen,
in Wiesbaden aber um den Faktor 2.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
erteilt. Der Hilfeplan definiert somit den Arbeitsauftrag des Mobilen Dienstes, der nun
eingeschaltet wird.
Das neue Handlungskonzept sieht eine systematisierte Überprüfung der einzelnen
Maßnahme vor: Auf der Basis halbjährlicher Entwicklungsberichte werden Erfolg und
weiterer Bedarf regelmäßig überprüft. Ferner werden Abschlussberichte erstellt. Bei Bedarf
können Fallkonferenzen abgehalten werden. Des Weiteren wird die Entwicklung der
Fallzahlen durch Maßnahmen eines Controllings halbjährlich überwacht.
Zur Finanzierung der Maßnahme erhält der Mobile Dienst eine Fallpauschale, um Anreize
für „flexible Hilfen“, kurze Maßnahmedauern und Einbeziehung alternativer Hilfen
zu geben.
Mobile Dienste
Der Auftrag des Mobilen Dienstes im Einzelfall wird im Hilfeplan definiert. Der Mobile
Dienst ist für die operative Ausgestaltung jeder Einzelmaßnahme verantwortlich; er kann
dazu verschiedene Leistungen erbringen: Individuelle Förderung, pflegerische Unterstützung,
Elterntraining, Teamberatung und Bereitstellung eines Integrationsplatzes. Der
Mobile Dienst richtet sich somit an unterschiedliche Adressaten bzw. Nutzer, nämlich
Eltern, Kinder und Fachkräfte der Kindertagesstätten.
Der Mobile Dienst stellt das erforderliche, breit qualifizierte Fachpersonal bereit (pädagogische
Fachkräfte, Fachkräfte mit pflegerischer Ausbildung). Mit dieser Bündelung der
Personalrekrutierung und –entwicklung bei einer Stelle wird die Erwartung verbunden,
Probleme bei der Personalgewinnung besser in den Griff zu bekommen als im Kontext
der herkömmlichen Leistungserbringung nach dem „Rahmenkonzept Integrationsplatz“.
„Der Aufwand und die bisherigen Schwierigkeiten jeder einzelnen Kindertagesstätte, in
jedem Einzelfall neu und nur für einen befristeten Zeitraum qualifiziertes Personal zu
gewinnen, werden dadurch deutlich minimiert. Mit festen Arbeitsplätzen bei einem Träger
steigt deutlich die Chance, für die anspruchsvolle Integrationsarbeit mit behinderten Kindern
auch das dafür notwendige gut qualifizierte Personal zur Verfügung zu haben und
auch langfristig zu binden“ (Eckpunktepapier 2006: 3). 3
Der Mobile Dienst hat folgende Berichtspflichten zu erfüllen: Er erstellt einzelfallbezogen
halbjährliche Entwicklungsberichte und Abschlussberichte. Außerdem sind, zur Beurteilung
des Handlungskonzepts, Geschäftsberichte zu erstellen.
1.3. Das Handlungskonzept Fallmanagement
Als theoretischer Referenzrahmen für die Evaluation soll im Folgenden kurz das Handlungskonzept
des Case Managements beschrieben werden, auf das das Fallmanagement
bei der Stadt Wiesbaden konzeptionell rekurriert. Dies soll nicht einem einfachen
Vergleich zwischen Theorie und Praxis dienen, vielmehr geht es darum, zentrale Prinzipien
des Handlungskonzepts zu verdeutlichen, um deren Realisierung im „Fallmanagement“
der Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit zu beurteilen.
„Case Management“ existiert in den USA als Handlungskonzept in der Gesundheitsversorgung
bereits seit den 1980er Jahren, auch wenn die Wurzeln noch weiter zurückreichen
(vgl. Zander 2000). Seit Ende der 1990er Jahre wurde „Case Management“ in der
deutschen Sozialarbeit rezipiert (Wendt 1997). Sowohl im Bereich der Altenhilfe, Pflege
und generell des Gesundheitswesens wie auch im Feld der Beschäftigungsförderung
(vgl. die Beiträge in Löcherbach u. a. 2009) wurde der Grundgedanke des Case Mana-
3 Die Schnittstelle zum SGB V und den Krankenkassen muss noch geklärt werden.
10

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
gements aufgenommen, um einerseits bedarfsgerecht, andererseits effektiv und effizient
Unterstützung bereitzustellen und zu organisieren. Ihren institutionellen Ausdruck fand
diese Entwicklung in der im Jahre 2005 erfolgten Gründung einer „Deutschen Gesellschaft
für Care und Case Management“, die seither versucht, Standards für das Case
Management in der Praxis zu verankern (vgl. AG Essentials 2009).
Die Fachdiskussion hat sich über die Grenzen der verschiedenen Praxisfelder hinweg
auf die Konturen dessen, was als „Case Management“ gelten soll, weitgehend geeinigt. 4
Sie schließt zunächst an die Definition der „Case Management Society of America“ an.
Diese definiert Case Management „als einen kooperativen Prozess, in dem Versorgungsangelegenheiten
und Dienstleistungen erhoben, geplant, implementiert, koordiniert,
überwacht und evaluiert werden, um so den individuellen Versorgungsbedarf eines
Patienten mittels Kommunikation und verfügbarer Ressourcen abzudecken“ (CMSA
1995: 69). Aus dieser Definition können die beiden Pole des Case Managements gut
erschlossen werden: Die Orientierung am individuellen Bedarf einerseits, die Planung
und Steuerung eines Versorgungsangebots andererseits.
Case Management enthält somit die persönliche Interaktion als ein zentrales Element
und setzt somit ein funktionierendes „Arbeitsbündnis“ zwischen Case Managerin bzw.
Manager und Klientin oder Klienten. Im Unterschied zur klassischen Einzelfallhilfe beinhaltet
Case Management die Koordination von Sach- und Dienstleistungen als ein
zweites Element. Hilfe wird nicht (nur) direkt erbracht, sondern vermittelt. Damit diese
Vermittlung aber optimal erfolgt, ist ein professionell gestalteter interpersoneller Prozess
nötig, der die Case Managerin oder den Case Manager zum „Insider-Experten“ (Lamb/
Stempel 2000: 166) macht, d. h. zu einer Person, die sowohl die Binnenperspektive der
Klientin oder des Klienten wie auch die Außenperspektive des Versorgungssystems einnehmen
und beide Perspektiven vermitteln kann.
Der Kern des Case Management als arbeitsfeldübergreifendes Handlungskonzept besteht
darin, dass Case Management „in Anlehnung an die Zielvorstellung einer kontinuierlichen
und integrierten Versorgung (continuum of care) die zeitlichen und räumlichen
Dimensionen des Versorgungsgeschehens überbrückt“ (Ewers 2000b: 54). Case Management
agiert entlang eines zeitlich definierbaren Versorgungsbedarfs kontinuierlich
(„over time“) und koordiniert Hilfsangebote quer zu bestehenden Grenzen von Ämtern,
Diensten und Einrichtungen („across services“). Der zentrale Begriff lautet: „Versorgungskontinuität“
(Ewers 2000b: 55). Jenseits des Spannungsfelds zwischen Klientinnen
und Klienten („guarding the patients“, vgl. Ewers/Schaeffer 2000: 20) einerseits, dem
Versorgungssystem andererseits („guarding the dollars“) muss Case Management die
Aufgabe wahrnehmen, die Zersplitterung vorhandener Angebote aufzuheben bzw. zu
kompensieren, indem eine Koordinationsleistung vollbracht wird, die mehr ist als der Hinweis
auf bestehende Dienste und Einrichtungen: Orientiert an den Gegebenheiten des
Einzelfalls werden geeignete Angebote ausgewählt, vermittelt und darüber hinaus gehend
verbindlich gesteuert. Im Grad der Verbindlichkeit unterscheiden sich Case Management-Konzepte
ebenso wie in der Frage der vorrangigen Ausrichtung am Einzelfall
oder System – ein Minimum an Sicherung der Versorgungskontinuität, d. h. „Schnittstellenmanagement“
darf jedoch nicht unterschritten werden, wenn noch von „Case Management“
die Rede sein soll. 5
4 Siehe insbesondere AG Essentials 2009; für den Bereich des „Fallmanagements“ im SGB II vgl.
Deutscher Verein 2004, Bundesagentur für Arbeit 2005.
5 Aus diesem Grunde umfasst Case Management immer auch Hilfeplanung, aber nicht jede Hilfeplanung
Case Management. Denn bei Hilfeplanung ist durchaus offen, ob die „geplanten“ Hilfen auch
vom Hilfeplaner koordiniert, überwacht oder gar gesteuert werden oder aber die entscheidende Vermittlungsleistung
doch von der Klientin oder vom Klienten wahrgenommen werden muss, der von
Dienst zu Dienst „weitergereicht“ wird.
11

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Case Management ist in erheblichem Maße von der Vermittlung zwischen einzelfallunspezifischen,
einzelfallübergreifenden und einzelfallspezifischen Elementen geprägt.
Um die damit einhergehende Komplexität der Aufgaben bewältigen zu können, ist es
notwendig, die einzelnen Prozesse, also sowohl die einzelfallunspezifischen wie -übergreifenden
Tätigkeiten wie auch die fallbezogenen Interaktionen klar zu strukturieren. Die
Prozessschritte sollen hier nicht beschrieben werden (vgl. hierzu Brülle u. a. 2008). Für
den Kontext unserer Evaluation genügt es, die Prinzipien der Leistungs- und der Angebotssteuerung
näher zu beleuchten.
Denn „Case Management“ unterscheidet sich von der klassischen sozialarbeiterischen
Einzelfallhilfe („case work“) dadurch, dass die Bearbeitung und gegebenenfalls Lösung
erkannter Probleme nicht von den Fachkräften selbst in Angriff genommen werden, sondern
diese hierzu Leistungen „Dritter“ in Anspruch nehmen, d. h. den Fokus ihrer Arbeit
in der kompetenten Vermittlung und Steuerung des richtigen Angebots sehen. Die Qualität
von Case Management bemisst sich damit an der Kompetenz, Hilfsangebote so zu
vermitteln, dass sie auf die besondere Bedarfslage des Einzelfalls zugeschnitten sind.
Dies setzt voraus, dass die Case Managerinnen und Manager Steuerungskompetenzen
gegenüber den Leistungsträgern haben, deren Angebote in Anspruch genommen werden
sollen.
Die Steuerung der Leistungen Dritter sollte Bestandteil eines umfassenden Controlling-Konzeptes
sein. Genau hier stellen sich Probleme in der Kooperation mit „Dritten“.
Auch wenn Hilfeberechtigte an Dritte weiter verwiesen wurden, haben die Case Managerinnen
und Case Manager die Fallverantwortung inne, und dies bedeutet, dass sie nicht
nur wissen müssen, „wo“ die Klientinnen und Klienten sich befinden, sondern auch stets
(unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften) über den Stand der Beratung
oder Maßnahme informiert sein müssen. Im Rahmen der Leistungssteuerung müssen
deshalb Monitoring- und Rückmeldesysteme entwickelt werden, die innerhalb des Netzwerks
abgestimmt sind, d. h. sowohl die Zielorientierung des Case Managements wie die
fachlichen Kriterien der Kooperationspartner berücksichtigen.
Steuerung erfordert eine kontinuierliche inhaltliche und fallbezogene (aber auch zielorientierte)
Kommunikation zwischen Fachkräften mit unterschiedlichem professionellen
Hintergrund. Dies gilt erst recht dann, wenn die Leistungsanbieter ihre Arbeit an gesetzlichen
Zielen ausrichten, die nicht die des Anbieters von Case Management sind.
Insgesamt kann Case Management als Kombination von Einzelfallarbeit und Netzwerkarbeit
begriffen werden. Dabei bleibt zu beachten, dass die einzelnen Case Managerinnen
und Case Manager in und mit einem Netzwerk arbeiten und dieses auch pflegen
müssen, die Konstitution und Stabilisierung des Netzwerkes jedoch eine Aufgabe im
Rahmen der Systemsteuerung darstellt. Welche Netzwerkpartner wie einzubinden sind,
ist von der Bedarfslage der Klientel und der vorhandenen sozialen Infrastruktur in den
jeweiligen Kommunen abhängig.
Wenn mit Case Management der Anspruch verknüpft ist, nicht nur Leistungsangebote zu
koordinieren, sondern dies auch in einer Weise zu tun, die den individuellen Bedarf der
jeweiligen Klientinnen und Klienten einbezieht, dann muss Case Management über die
Steuerung des vorhandenen Angebots hinausgehen, muss über eine Analyse nicht gedeckter
Bedarfe auch Angebotslücken feststellen und sich dafür engagieren, diese Lücken
zu schließen. Geschieht dies nicht, wird Case Management reduziert auf die Anpassung
individueller Bedarfslagen an ein vorhandenes Angebot, mithin das Ziel gerade
umgekehrt.
Case Management muss somit, soll es tatsächlich den Anspruch „passgenauer“ Hilfe
einlösen, neben der einzelfallbezogenen Arbeit einzelfallübergreifende Aktivitäten entfalten,
diese nicht unbedingt selbst realisieren, aber zumindest anregen und sich an der
Steuerung des Gesamtangebots beteiligen.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Dies bedeutet, dass die Einführung von Case Management den institutionellen Komplex
der jeweiligen Arbeitsfelder an drei Stellen herausfordert:
▪ Ansätze der Bedarfsanalyse, Sozialberichterstattung und Sozialplanung müssen
verstärkt werden, um den Boden für effektives einzelfallübergreifendes und einzelfallunabhängiges
Arbeiten zu bereiten.
▪ Instrumente der Koordinierung und Angebotssteuerung müssen ausgebaut und
neu entwickelt werden – hierzu gehört auch ein funktionsgerechtes Controlling.
▪ Einzelfall- und Angebotssteuerung müssen systematisch miteinander verknüpft
werden – dies stärkt die Kompetenz der Case Managerinnen und Manager; denn sie
entscheiden mit ihrer Arbeit über die zukünftige Ausgestaltung des Angebots unmittelbar
mit.
Auf der konzeptionellen Ebene ist zu klären, welche Angebote fallübergreifend koordiniert
werden sollen, d.h. es geht um Fragen der Angebotsentwicklung, -koordination und
-steuerung.
1.4. Auftrag der Evaluationsstudie
Die Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit hat als Auftraggeber „Erwartungen an die
Evaluation“ formuliert, die sich sowohl auf die neuen Prozesse und Verfahren als auch
auf Ergebnisse und Wirkungen dieser neuen Verfahren beziehen. Die Evaluation soll
demnach zu fünf Themenbereichen Erkenntnisse liefern:
Es ist erstens, die Prozessqualität der neuen Verfahren in den Blick zu nehmen. Die
Evaluatoren sollen nachvollziehen und nachzeichnen, wie die neuen Verfahrensschritte
im Einzelnen funktionieren. Von zentraler Bedeutung für die Leistungserbringung ist die
Dauer des Prozesses von der Bedarfsfeststellung bis zur tatsächlichen Leistungserbringung,
und zwar sowohl die Dauer von der Antragstellung bis zur Entscheidung und Bescheiderteilung
einerseits als auch die Dauer von der Entscheidung bis zum Beginn der
Maßnahme. Für den Zugang zu einer Förderleistung ist das Assessment zentral und
dabei vor allem von Interesse, mit Hilfe welcher Verfahrensschritte und Instrumente von
wem welche Informationen beschafft werden. Daher ist zu prüfen, ob es solche Verfahrensschritte
gibt und wie sie gestaltet sind. Für den Fortgang des Leistungsprozesses ist
auch entscheidend, wie die im Assessment ermittelten Informationen an den Mobilen
Dienst weiter gegeben und dann dort weiter verarbeitet werden. Von großer Bedeutung
ist es dabei, wie weit die im Hilfeplan definierten Ziele und Aufgaben in der operativen
Arbeit der Mobilen Dienste tatsächlich aufgenommen werden und wieweit, wenn es zu
Abweichungen kommt, die weitere Leistungserbringung durch das Fallmanagement gesteuert
wird.
Die Prozessqualität der fallbezogenen Kooperation ist zweitens konstitutiv für die
Leistungserbringung – mit anderen Worten: Ohne diese fallbezogene Kooperation
kommt keine Leistung zustande. An dieser fallbezogenen Kooperation sind im Wesentlichen
drei Akteure beteiligt, nämlich Eltern, Kindertagesstätte und Mobile Dienste. Es
sind drei Teilprozesse zu betrachten: Die Kooperation zwischen Eltern und Kindertagesstätte,
zwischen Eltern und Mobilem Dienst sowie schließlich zwischen Mobilem Dienst
und Kindertagesstätte. Hier muss nachvollzogen werden, wie der Arbeitsprozess organisiert
ist, in diesem Fall, welche Formen der Abstimmung installiert und etabliert werden
konnten und wie sich dies alles letztlich auf die Gestaltung des Alltags in der Kindertagesstätte
auswirkt. Umgekehrt soll sichtbar gemacht werden, an welchen Stellen Kooperation
aus welchen Gründen nicht funktioniert.
Personaleinsatz und Personalentwicklung beim Mobilen Dienst sind drittens wesentliche
Voraussetzungen für die Leistungserbringung. Hier formuliert das Eckpunktepapier
13

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
(2006) explizit die Erwartung, dass der Personaleinsatz mit einem Mobilen Dienst zuverlässiger
organisiert werden kann, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die Frage
ist, ob ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt werden kann, wie dabei Qualifizierung
und Fortbildung organisiert sind und letztlich die Personalentwicklung unterstützen
können. Entscheidend für Leistungserbringung ist aber vor allem, ob und wie
Fluktuation begrenzt werden und ein stabiler Stamm an Fachkräften aufgebaut werden
kann.
Weiter sind viertens Aussagen über die Wirksamkeit der neuen Verfahren zu treffen.
Hier ist zunächst die Bereitstellung von Hilfen von Bedeutung. Sind diese Hilfen bedarfsgerecht?
Werden sie zeitnah zur Verfügung gestellt? Sind diese Hilfen ausreichend flexibel?
Im Weiteren sind Aussagen über die Ergebnisse und Wirkungen der eingesetzten
Hilfen zu treffen. Und hier interessiert vor allem, was bei den Adressaten ankommt, vor
allem bei Eltern und Kindern, aber auch bei der Kindertagesstätte. So gilt es z. B. herauszufinden,
welche Alltagsaktivitäten dem beeinträchtigten Kind durch den Einsatz des
Mobilen Dienstes ermöglicht werden, wie die Eltern die Entwicklung ihres Kindes einschätzen.
In diesem Zusammenhang soll auch die „Kundenzufriedenheit“ näher beleuchtet
werden. Aber es sollen auch weiter bestehende Beschränkungen und Grenzen
benannt werden.
Schließlich soll fünftens der Bedarf an einer Weiterentwicklung des Handlungskonzepts
aus der Perspektive von Eltern, Kindertagestätten und Mobilem Dienst skizziert
werden. In diesem Kapitel geht es um zweierlei: Einerseits ist festzustellen, was die beteiligten
Akteursgruppen als gelungen ansehen, welche Verfahrensschritte funktionieren
und welche Ergebnisse sich bisher daraus ergeben haben. Andererseits sind Probleme
und Disfunktionalitäten, die sich bei der Analyse der Leistungsprozesse und der Ergebnisse
zeigen, herauszuarbeiten und noch einmal zuzuspitzen.
14

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
2. Design der Evaluationsstudie
Vorbemerkung
Diese Evaluationsstudie wurde im Rahmen einer Lehrforschung im Masterstudiengang
„Beratung und Recht“ der Fachhochschule Frankfurt am Main im Sommersemester 2009
durchgeführt. Das Evaluationsdesign und die Instrumente wurden im Seminar gemeinsam
unter der Leitung der beiden Verfasser des vorliegenden Berichts entwickelt. Die
Erhebungen (Experteninterviews, Elterngespräche) haben die Studierenden selbst
durchgeführt. Die Interviews wurden von einem professionellen Schreibbüro transkribiert.
Der Codierleitfaden zur Auswertung wurde im Seminar gemeinsam entwickelt, die Codierung
der transkribierten Interviews erledigten Dozenten und Studierende gemeinsam.
Die Berichterstellung lag in der Verantwortung der Projektleitung.
Erhebung
Mit der Einführung des neuen Handlungskonzepts „Mobiler Dienst“ wurde ein neuer Leistungsprozess
installiert: Ein Verfahren zur arbeitsteiligen Erbringung von Eingliederungsleistungen
an unterschiedliche Adressaten durch Fallmanagement und Mobile
Dienste. Aufgabe der Evaluation war es nachzuzeichnen, wie dieser neue Leistungsprozess
organisiert und umgesetzt wird (Prozessevaluation) und inwieweit dabei die definierten
Ziele erreicht werden (Ergebnisevaluation).
Es ist charakteristisch für diesen Leistungsprozess, dass viele Akteure daran beteiligt
sind: Die Koordinationsstelle für Behindertenarbeit, die Mobilen Dienste, die Kindertagesstätten
und die Eltern. Zusätzlich haben in den Einrichtungen Leitungs- und Fachkräfte
unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Um dieses komplexe Zusammenwirken nachzeichnen
zu können, wurde ein qualitatives Erhebungsdesign gewählt. Dies bedeutet,
dass alle Akteursgruppen zu allen relevanten Themen offen, also ohne Antwortvorgaben
befragt wurden und dementsprechend ihren Erfahrungen und Sichtweisen ungefiltert
Ausdruck verleihen konnten. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass eine „dichte Beschreibung“
(Clifford Geertz) eines Sachverhalts möglich ist, dessen Grundstrukturen
noch weitgehend unbekannt sind. Natürlich sind die Auffassungen der Befragten „subjektiv“,
aber dadurch nicht weniger relevant. Durch die Kontrastierung von Aussagen unterschiedlicher
Akteure wird versucht, Konsense und Dissense festzustellen. Allerdings
muss man sich darüber im Klaren sein, dass auch übereinstimmende Aussagen nicht
unbedingt die „Wirklichkeit“ wiedergeben, auf alle Fälle aber Hinweise auf Sachverhalte
geben, die u. U. weiter aufgeklärt werden sollten.
Im Einzelnen wurden folgende Interviews geführt: 6
Experteninterviews mit Führungskräften: Führungskräfte im Fallmanagement, beim
Mobilen Dienst und in den Kindertagesstätten wurden vorzugsweise zur Einrichtung
selbst, zur Funktionsweise der Verfahren und zur Kooperation auf verschiedenen Ebenen
befragt. Dabei wurden vor allem folgende Themen erörtert:
▪ wie die Bedarfsfeststellung erfolgt,
▪ wie Anträge auf Eingliederungshilfen bearbeitet werden,
▪ wie die Bewilligungspraxis aussieht (welche Leistungen werden bewilligt),
▪ wie die Kooperation mit den Beteiligten organisiert ist (Organisation),
▪ ob und wie die neuen Leistungen funktionieren,
6 Alle eingesetzten Instrumente können auf der Homepage der Fachhochschule Frankfurt am Main
unter der Adresse www.fh-frankfurt.de/de/forschung_transfer/institute/isr/projekte.html eingesehen
werden.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
▪ ob geeignetes Personal eingesetzt werden kann und wie es zu qualifizieren ist,
▪ welcher Verbesserungsbedarf gesehen wird.
Gruppendiskussionen mit Fachkräften: Fachkräfte haben Auskunft zu der Frage gegeben,
wie sich die neuen flexiblen Hilfen im Alltagsgeschäft bewähren. Da es im beruflichen
Alltag um kollektives Handeln geht, an dem mehrere und nicht nur einzelne Fachkräfte
beteiligt sind, wurde die Erhebung in Form einer Gruppendiskussion umgesetzt.
Diese Gruppenbefragungen fanden im Fallmanagement, in den Kindertagesstätten und
im Mobilen Dienst statt. Es wurden folgende Themen besprochen:
▪ wie die Bedarfsfeststellung erfolgt und wer daran beteiligt ist,
▪ welche Leistungen bewilligt werden und ob sie angemessen sind,
▪ wie die (kooperative) Leistungserbringung funktioniert,
▪ was sich durch die Einführung des Mobilen Dienstes verändert hat,
▪ was zu verbessern ist.
Leitfadengestützte Befragung der Eltern: Wie die Integration von behinderten Kindern
in den Kindertagesstätten gelingt, ist nicht zuletzt aus der Perspektive der Adressaten,
also der Kinder und Eltern selbst zu beantworten. Daher wurden Informationen zu folgenden
Fragen erhoben:
▪ wie die Bedarfsfeststellung erfolgt ist,
▪ welche Leistungen bewilligt wurden und ob sie angemessen sind,
▪ wie die Zusammenarbeit mit den Fachkräften gestaltet ist,
▪ was zu verbessern ist.
Da es den Rahmen der Evaluation gesprengt hätte, sämtliche Kindertagesstätten in
Wiesbaden in die Befragung einzubeziehen, wurden auf Empfehlung des Fallmanagements
vier Kindertagesstätten angesprochen. Folgende Kriterien spielten bei der Auswahl
eine Rolle: Trägerschaft (Stadt, Kirche), Erfahrung (mit längerer oder kürzerer Integrationserfahrung),
Einbeziehung der beiden Mobilen Dienste.
In jeder der ausgewählten Kindertagesstätten wurden – nach der Durchführung des Experteninterviews
mit der Leitung und der Gruppendiskussion mit den Fachkräften – unter
Vermittlung der Mitarbeiterinnen Eltern angesprochen und um Teilnahme an einem Gespräch
gebeten. Aus jeder Einrichtung konnten Eltern gewonnen werden. 7 In der folgenden
Übersicht ist das Mengengerüst der Erhebungen abgebildet:
Übersicht: Umfang der Erhebungen
Fallmanagement Mobile Dienste Kindertagesstätte Gesamt
Experteninterviews 1 2 4 7
Gruppendiskussion 1 2 4 7
Elternbefragung - - 9 9
Gesamt 2 4 16 23
Wie aus der Tabelle ersichtlich wird, konnten neun Familien in die Erhebung einbezogen
werden. In diesen Familien leben Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen: Nämlich
Kinder mit Entwicklungsverzögerung, solche mit Downsyndrom, Sehbehinderung, Hörschädigung
oder einer motorischen Störung. Das bedeutet, dass unterschiedliche Beeinträchtigungen
in die Untersuchung einbezogen wurden und damit auch unterschiedliche
7 In zwei Einrichtungen wurden zwei Elterninterviews geführt, in einer Einrichtung wurde ein Elterninterview
und in einer weiteren Einrichtung wurden drei Elterninterviews geführt; zusätzlich kam ein
Interview mit Eltern zustande, deren Kind in einer Einrichtung betreut wurde, die nicht in die Untersuchung
einbezogen war.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Anforderungen an die Kindertagesstätten abgebildet werden können. Alle Eltern berichten
über einen bereits länger andauernden Eingliederungsprozess von mindestens eineinhalb
Jahren bis zu drei Jahren. Bei zwei Familien haben auch ältere Geschwisterkinder
schon eine Eingliederungshilfe erhalten, so dass hier auch Erfahrungen mit dem alten
Handlungskonzept vergleichend herangezogen werden konnten. 8
Inhaltsanalyse
Transkription: Alle Interviews wurden per Tonaufnahme aufgezeichnet und dann
transkribiert. Die transkribierten Texte wurden in das Softwareprogramm MAXqda importiert
und dort inhaltsanalytisch weiter verarbeitet.
Codierung: Bei der Auswertung qualitativer Materialien ist die Codierung des Materials
oft der zentrale Auswertungsschritt. „Wenn hier von Codieren die Rede ist, so wird darunter
zunächst ganz allgemein die Zuordnung von Kategorien zu relevanten Textpassagen
bzw. die Klassifikation von Textmerkmalen verstanden. Unter einem Code oder einer
Kategorie ist dabei ein Bezeichner zu verstehen, der Textstellen zugeordnet wird“
(Kuckartz 2007: 57).
Eine Codierung setzt voraus, dass ein Kategoriensystem entwickelt wurde. Darunter
kann man sich eine Art Schlagwortkatalog vorstellen, in dem neben den Schlagworten
selbst auch definiert ist, unter welchen Bedingungen (im Text) welches Schlagwort zuzuordnen
ist. „Häufig wird der Begriff Kategorie synonym mit Variable oder Merkmal benutzt“
(Kuckartz 2007: 58). In der qualitativen Text- und Inhaltsanalyse „(bedeutet) Kategorie
…– technisch gesprochen – nichts anderes als einen Begriff, ein Label, das vom
Bearbeiter der Texte definiert wird, d.h. ein Wort, mehrere Wörter oder ein Kurzsatz, die
nicht notwendigerweise auch im Text vorkommen müssen“ (Kuckartz 2007: 58).
Das Codierschema für die Evaluationsstudie wurde gemeinsam mit den Studierenden
entwickelt. Ausgangspunkt waren dabei die Themen, die bereits in den Leitfäden definiert
waren. Diese Themen bildeten das Grundgerüst. Dieses Grundgerüst wurde im Zuge
der gemeinsamen Bearbeitung von drei Interviews aus verschiedenen Einrichtungen
verfeinert und getestet. So wurde ein Codierschema festgeschrieben und ein Codierleitfaden
mit Regeln der Zuordnung formuliert. Bei der Bearbeitung der Elterninterviews
wurde entsprechend verfahren. Alle Interviews wurden doppelt codiert, also jeweils durch
einen Studierenden und einen Dozenten. Folgende Übersicht zeigt beispielhaft das Codierschema
für die Organisation der Leistungsprozesse bei den beteiligten Einrichtungen.
8 Aus Gründen des Datenschutzes wird das Sample der befragten Eltern bzw. einbezogenen Kinder
nicht genauer nach Merkmalen aufgeschlüsselt.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Übersicht: Codierschema (Organisation)
Hauptcode
Bewertung: kritisch
Bewertung: positiv
Ergebnisse
Finanzierung
Handlungskonzept Mobiler Dienst
Historie Mobiler Dienst
Kooperation allgemein
Kooperation FM - KITA
Kooperation MD - FM
Kooperation MD - KITA
Kooperation mit Eltern
Leistungsprozess
Organisation
Qualifizierung/Fortbildung
Qualitätssicherung
Zielgruppe
Code zweiter Ebene
Arbeitsablauf FM
Arbeitsablauf KITA
Arbeitsablauf MD
Fortschreibung
Förderplan
Hilfeplan
Wartezeit
Sonstiges
Arbeitsbedingungen
Aufbau/Bereiche
Personal
Sonstiges
Berichtswesen
Dokumentation
QM-System
Sonstiges
Thematische Analyse
Nach der Eingabe der Codes in MAXqda erfolgte eine ausführliche Themenanalyse. Das
heißt, es wurden alle Textstellen analysiert, die jeweils demselben Code zugeordnet
worden waren. Dabei wurde detailliert nach der Herkunft der Texte differenziert. Es wurde
also festgehalten, welcher Akteur bzw. welche Einrichtung zu einem bestimmten
Thema was gesagt hat.
Der folgende Bericht folgt dieser Logik: Es werden jeweils die Hauptaussagen eines Akteurs
zu einem Thema dokumentiert, dann den Aussagen anderer Akteure gegenübergestellt
und schließlich mit den Zielen des Handlungskonzepts „Mobiler Dienst“ bzw. den
Grundsätzen und Standards vom Fallmanagement abgeglichen. Dies erlaubt es, Prozessverläufe
nachzuzeichnen, für die Akteure wichtige Themen zu identifizieren, Dethematisierungen
festzustellen und auch Konflikte aufzuzeigen.
Darstellung im Bericht
Zitate aus den Interviews werden im Folgenden so weit wie möglich pseudonymisiert:
Das bedeutet, dass Namen von Personen, Einrichtungen oder Örtlichkeiten durch Funktions-
oder Sachbezeichnungen ersetzt und in eckige Klammern gesetzt werden.
18

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
3. Die Zielgruppe
3.1. Umfang und Bedarfe der Zielgruppe
Die Ausgangssituation im Hinblick auf den Umfang und die Bedarfslage der Zielgruppe
wird im Anhang über eine Auswertung des Amtes für Soziale Arbeit der Landeshauptstadt
Wiesbaden beschrieben.
3.2. Bedarfslagen aus Sicht der Fachkräfte
Die im Rahmen der Evaluationsstudie befragten Leitungen und Fachkräfte der Mobilen
Dienste und der Kindertagesstätten sind sich darin einig, dass ein äußerst breites Spektrum
an Beeinträchtigungen in den Kindertagesstätten anzutreffen ist, welches von manifester
Behinderung bis hin zu unterschiedlichen Formen der Entwicklungsverzögerung
reicht. Genannt werden etwa: Autismus, Entwicklungsverzögerungen, körperliche Behinderung
(spastische Lähmung), Schwerstbehinderungen, Down-Syndrom, Behinderungen
beim Sehen oder Hören. „Also man kann sagen, es gibt zum einen schwerstmehrfach
behinderte Kinder bis hin zu geistig behinderten Kindern oder Kinder mit einer körperlichen
Behinderung, dann Kinder mit Wahrnehmungsstörungen, Kinder mit Autismus,
Kinder mit unklarer Ursache Entwicklungsretardierung, also bei geistiger Behinderung,
Kinder mit Down-Syndrom z. B., das ist eigentlich ganz quer Beet, behinderte Kinder und
Kinder mit Entwicklungsverzögerung unterschiedlicher Schwerpunkte, d. h. im sprachlichen
Bereich, im kognitiven Bereich oder wo auch immer“ (md1ltg, 6-9).
Etliche Gesprächspartner berichten auch davon, dass die Kindertagesstätten zunehmend
mit unterschiedlichen Formen einer verzögerten Entwicklung konfrontiert sind: „Aber
es ist auch so, (…) dass auch Sprachauffälligkeiten zunehmen, das ist ganz eindeutig
so, d. h. Sprachentwicklungsverzögerung und auch motorische Auffälligkeiten, die
können noch relativ schnell korrigiert werden häufig, aber mit der Sprache ist es wirklich
ganz eindeutig, sodass die Schere immer weiter auseinander geht, immer mehr Jungen
vor allem, die große Schwierigkeiten in der Sprache haben, auf einem ganz anderen
Sprachstandsniveau zu uns kommen, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war“
(kt3ltg, 70-71).
In der Kindertagesstätte 1 befindet sich laut Leitung insgesamt ein „überdurchschnittlicher
Teil“ an Kindern mit Entwicklungsdefiziten in der Motorik, in der Sprache und in der
Sozialkompetenz (kt1ltg, 4-5). Es werden insgesamt fünf „Integrationskinder“ betreut, bei
zwei weiteren Kindern läuft derzeit noch der Antrag auf Eingliederungshilfe. „Im Moment
haben wir fünf Integrationskinder. Wobei wir aber beantragt haben, wir haben dann einen
Stopp gesetzt, mehr wollen wir nicht. Mehr Stunden sind gar nicht vom Mobilen Dienst
jetzt zu integrieren, das würde bedeuten, mehr Kräfte und das wollen wir nicht“ (kt1ltg,
31). In der Einrichtung sind schon immer drei bis fünf Kinder mit Beeinträchtigungen betreut
worden. Die meisten Kinder kommen aus dem Haus, sind z. B. Geschwisterkinder.
Es gibt auch gezielte Anfragen, ein Kind mit Behinderung aufzunehmen, was in der Regel
abgelehnt wird (kt1ltg, 73).
Ganz anders gestaltet sich der Zugang zu Kindertagesstätte 3, welche unter dem alten
Modell mit einer integrativen Gruppe gearbeitet und daher einige Erfahrungen in der Arbeit
mit Kindern mit Behinderung hatte sammeln können. Daher wird die Kindertagesstätte
auch gezielt von Eltern ausgewählt, und es gibt Kinder aus anderen Stadtteilen.
Aber auch hier sollen nicht mehr als zwei bis drei Kinder mit einer Behinderung in einer
Gruppe aufgenommen werden. Aber es kann passieren, dass noch ein viertes Kind dazu
kommt, wenn sich z. B. erst im Laufe der Zeit herausstellt, dass es einen zusätzlichen
Unterstützungsbedarf gibt (kt3ltg, 24-27). „Alles was man sich vorstellen kann. Also wir
haben von Kindern mit ganz erheblichen Entwicklungsverzögerungen, das ist das, was
sozusagen am stärksten zunimmt, ansonsten haben wir ein ganz, ganz schwer mehrfach
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
behindertes Kind. Wir hatten auch schon ein blindes Kind und wir hatten schon mehrere
Down-Kinder“ (kt3ltg, 32-35).
Einige Fachkräfte thematisieren, dass die Zielgruppe nicht klar definiert werden kann, u.
a. weil es nicht (mehr) hauptsächlich um „klassische Behinderung“ geht: „Was da so auffällig
ist, ist, dass diese klassischen Behinderungen weniger werden. Also ich glaube, wir
haben weniger schwerstbehinderte Kinder oder klassische Syndromkinder als diese sozialauffälligen
Kinder, diese unruhigen Kinder, diese verhaltensauffälligen, verhaltensgestörten
Kinder, ich glaube das wird mehr, wenn man da so eine Klassifizierung anstellt“
(md2fk, 240-249). Dazu passt die Beobachtung, dass „es auch oft keine richtigen
Diagnosen (gibt). Diagnose Down-Syndrom ist jetzt nicht klar, es sind oft Kinder, die wir
betreuen, die haben keine wirkliche Diagnose, da wird aufgelistet, was nicht so ganz im
Normbereich liegt, aber Diagnose…“ (md2fk, 240-249).
Es scheint so, dass sich für die Kindertagesstätten ein besonderer Unterstützungsbedarf
vor allem aus dem (vermehrten) Zugang von Kindern mit Entwicklungsverzögerung ergibt.
Über einen solchen Trend war auch im Zusammenhang mit dem enormen Anstieg
der Fallzahlen nach Einführung der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz berichtet
worden. Dieser Problemdruck scheint fortzubestehen, auch wenn die Fallzahlen, wie
ausgeführt, wieder gefallen sind. Dass davon vor allem Jungen betroffen sind, zeigen
auch die Auswertungen der statistischen Unterlagen des Fallmanagements, wie im Anhang
dargestellt.
3.3. Zusammenfassung
Zu den Zielen des neuen Handlungskonzepts „Mobile Dienste“ gehörte es unter anderem,
die Gestaltung von Maßnahmen der Einzelintegration in Regeleinrichtungen der
Kindertagesbetreuung besser am Bedarf zu orientieren und flexibler zu gestalten. Dabei
sollten auch die Fallzahlen reguliert werden.
Wie einige Auswertungen mit internen statistischen Unterlagen des Fallmanagements
zeigen, wird der Bedarf – in Stunden der Betreuung durch eine Integrationsfachkraft
ausgedrückt – nach der Einführung des neuen Handlungskonzepts differenzierter bemessen:
Es gibt eine kleine Gruppe von Kindern mit Behinderung, die im Umfang bis zu
neun Stunden betreut wird. Die meisten Kinder mit Behinderung werden zwischen zehn
und 15 Stunden von einer Integrationsfachkraft unterstützt (mittlerer Bedarf). Schließlich
gibt es eine Gruppe von Kindern, die 16 Stunden oder mehr in der Woche von einer Integrationsfachkraft
begleitet wird. In knapp einem Viertel der Fälle wird der Stundenumfang
im Verlauf der Maßnahme angepasst, wobei die Fachkraftstunden eher erhöht als
reduziert werden. Diese Ergebnisse verweisen darauf, dass das Ziel einer Flexibilisierung
der Hilfen erreicht wurde. Dies gilt auch für die Entwicklung der Fallzahlen, die nach
der Einführung des neuen Handlungskonzepts deutlich gefallen sind und sich auf dem
Niveau bewegen, welches vor Einführung der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz
gegeben war.
Allerdings haben die statistischen Auswertungen auch einige Auffälligkeiten zutage gefördert,
die Fragen aufwerfen. So unterscheidet sich die Gestaltung der Integrationsmaßnahmen
in Abhängigkeit von dem Mobilen Dienst, der sie ausführt. Es ist nicht klar,
ob sich dies mit unterschiedlichen strukturellen Bedarfslagen in der Zielgruppe begründen
lässt. Auffällig ist auch, dass in einer erheblichen Zahl von Fällen Angaben in der
Dokumentation fehlen. Für die Fall- und Systemsteuerung durch das Fallmanagement
sind diese Angaben aber unerlässlich. Wünschenswert wären zudem systematische Informationen
über Bedarfslagen, also die Art der Behinderung oder Beeinträchtigung im
Einzelfall. Über die veränderten Bedarfslagen berichten die Fach- und Leitungskräfte in
den Interviews, aber es liegen keine belastbaren Informationen vor.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
4. Gestaltung der Leistungsprozesse und fallbezogene Kooperation
Rechtliche Grundlage des Mobilen Dienstes in Wiesbaden ist weiterhin die Rahmenvereinbarung
Integrationsplatz. Mit der Einführung des Mobilen Dienstes in Wiesbaden sollten
im Wesentlichen flexible Formen der Gestaltung eines Integrationsplatzes ermöglicht
werden.
Die Rahmenvereinbarung definiert die Voraussetzungen eines Integrationsplatzes für
Kinder mit Behinderung in einer Tageseinrichtung für Kinder. Während der Träger der
Jugendhilfe die Rahmenbedingungen in den Tageseinrichtungen für Kinder sicherzustellen
hat, ist der Träger der Sozialhilfe verpflichtet, „die darüber hinaus aufgrund der Behinderung
entstehenden zusätzlichen Hilfen“, also den so genannten „behinderungsbedingten
Mehraufwand“, für das Kind mit Behinderung zu finanzieren (Rahmenvereinbarung
Integrationsplatz: 1).
Laut Rahmenvereinbarung Integrationsplatz ist Ziel und Aufgabe der Tageseinrichtung
für Kinder die „Erziehung, Bildung und Betreuung i. S. § 22 SGB VIII gemeinsam in
Gruppen von Kindern mit und ohne Behinderung“ (Rahmenvereinbarung Integrationsplatz:
2). Ziel der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII ist es, eine drohende Behinderung
oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft
einzugliedern. Die Eingliederungshilfe umfasst „heilpädagogische Maßnahmen“
und „beinhaltet gleichzeitig die Förderung der sozialen Integration in die Tageseinrichtung
für Kinder“. Die Betreuung der Kinder mit Behinderung soll wohnortnah erfolgen
(Rahmenvereinbarung Integrationsplatz 1999: 3).
Das Fallmanagement hat laut Eckpunktepapier (2006) vor allem die Aufgabe, den Zugang
zu steuern, über den Antrag auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII zu entscheiden
und danach den weiteren Leistungsprozess zu steuern.
4.1. Das Fallmanagement im Leistungsprozess
Wird auf Einzelintegration als Eingliederungsstrategie gesetzt, verlangt dies ein hohes
Maß an Koordination und Kooperation, wie sich auch andernorts herausgestellt hat. „Insofern
fordert die fachlich angemessene Betreuung eines Kindes mit Behinderung in einer
Regeleinrichtung das engagierte Bemühen um Vernetzung und Zusammenarbeit“
(Kron/Papke 2006: 22), so heißt es in einer Studie über die Wirksamkeit unterschiedlicher
Betreuungsformen für Kinder mit Behinderung in Westfalen-Lippe.
Die Einführung eines Fallmanagements kann eine Antwort auf diese Herausforderung
sein. Denn Fallmanagement setzt, wie oben ausgeführt, konzeptionell darauf, individualisierte
Hilfen durch Koordination, Kooperation und Leistungssteuerung zu erschließen.
Dieser Grundgedanke spielte in Wiesbaden bei der Gestaltung der Altenhilfe eine bedeutende
Rolle und war auch Vorbild für die Ausgestaltung der Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit
im Amt für Soziale Arbeit (fmltg, 3).
Am Prozess der Erbringung von Eingliederungshilfen an Kinder mit Behinderung in Regeleinrichtungen
der Kindertagesbetreuung sind, wie oben ausgeführt, im Wesentlichen
vier Akteursgruppen beteiligt, nämlich das Fallmanagement, die Mobilen Dienste, die
Kindertagesstätten sowie die Eltern mit ihren Kindern. Die fallbezogene Kooperation der
Beteiligten ist für den Leistungsprozess konstitutiv, denn sie bestimmt wesentlich mit,
„was beim Kind ankommt“. Dabei kooperieren die Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten
in unterschiedlicher Konstellation miteinander. Um die Qualität des Leistungsprozesses
zu beurteilen, ist es notwendig, diese Prozessstruktur nachzuzeichnen.
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Zugangssteuerung und Assessment
Es geht zunächst darum, den zusätzlichen Förderbedarf festzustellen. Der Idee eines
Fallmanagements entsprechend wurde für diesen Zweck ein umfangreiches Assessmentverfahren
neu entwickelt. Ziel ist es, Informationen von möglichst vielen Beteiligten
einzuholen. Dazu werden unterschiedliche Instrumente eingesetzt:
Der Zugang zu einer Eingliederungshilfe ist für Kinder mit manifester Behinderung einerseits
und Kinder mit Entwicklungsverzögerung andererseits unterschiedlich organisiert.
Bei Kindern mit manifester Behinderung kann der Antrag auf Eingliederungshilfe bereits
vor der Aufnahme in die Kindertagesstätte beim Fallmanagement gestellt werden, wobei
Gutachten und Stellungnahmen beizufügen sind. Kinder, die in ihrer Entwicklung verzögert
sind, sollten die Kindertagesstätte mindestens sechs Monate besucht haben. Wenn
die Kindertagesstätte einen besonderen Bedarf feststellt, ist sie gefordert, bereits im Vorfeld
der Antragstellung eine „Dokumentation der Bedarfsermittlung“ zu erstellen. Die Kindertagesstätten
sollen „eine eigene Einschätzung geben, auch dokumentieren, was sie
selbst schon getan haben, um den Bedarf des Kindes zu decken und aus welchen Gründen
sie zu dem Ergebnis kommen, das Kind hat eine zusätzliche Hilfe nötig“ (fmfk, 16-
33).
Auf solche Beeinträchtigungen machen die Fachkräfte der Kindertagesstätte die Eltern
aufmerksam und verweisen auf die Möglichkeiten, einen Antrag auf Eingliederungshilfe
zu stellen. Nicht immer wird dieses Anliegen akzeptiert, da Antragstellung für die Eltern
auch bedeutet, dass ihr Kind als „behindert“ oder „beeinträchtigt“ definiert wird. Den Antrag
auf Eingliederungshilfe stellen nun die Eltern. 9 Zusätzlich sollen ärztliche Gutachten
und andere fachliche Stellungnahmen eingereicht werden. Es kommt vor, dass spezielle
ärztliche Untersuchungen initiiert werden müssen, die einen langen Terminvorlauf haben.
Sie führen regelmäßig zu einer deutlichen Verlängerung der Wartezeiten (fmfk, 128-
138).
Die zuständige Fachkraft im Fallmanagement verschafft sich zudem ein eigenes Bild von
dem Kind und seinem familiären Umfeld. Die Fallmanagerin besucht die Kindertagesstätte,
um das Kind dort zu beobachten. Und sie führt mit den Eltern ein Vorgespräch, sei es
persönlich, sei es telefonisch. Auf die Einbeziehung der Eltern wird besonderer Wert gelegt;
es geht um „die Familie insgesamt, also dass nicht nur der Blick auf das Kind gerichtet
wird, sondern dass es einen ganzheitlichen Blick eigentlich auf die Familie gibt“
(fmfk, 16-33). Der hohe Stellenwert, der hier der Elternarbeit zugemessen wird, wird
auch an anderen Stellen im Leistungsprozess deutlich, vor allem in der Kooperation zwischen
der Integrationsfachkraft des Mobilen Dienstes mit den Eltern. Ein besonderer
Fokus auf Elternarbeit scheint somit das Handlungskonzept in der Umsetzung insgesamt
zu kennzeichnen.
Der Prozess der Bedarfsfeststellung ist umfangreich organisiert. Es sind viele Akteure
beteiligt, von denen umfangreiche Informationen eingeholt werden. Je mehr Personen
und Institutionen an diesem Prozess beteiligt werden, desto höher ist allerdings auch das
Risiko, dass der Prozessablauf ins Stocken gerät und Wartezeiten entstehen. Dies
kommt tatsächlich immer wieder vor. Das Fallmanagement mahnt immer wieder Unterlagen
an, was den Fortgang des Antragsverfahrens erheblich verzögern kann. „Also das
Verfahren kann sich über Monate hinziehen, das ist nicht in unserem Sinne, wir sind im
Moment dabei, das ein bisschen umzusteuern“ (fmfk, 128-138).
Der Zeitaufwand für das Verfahren der Bedarfsfeststellung wird z. T. auch von den Leitungen
der Kindertagesstätten kritisch gesehen, da es in Zeiten der Personalknappheit
Ressourcen bindet. Zum Beispiel fallen pro Fall drei Beobachtungen an (Fallmanage-
9 Vor der Einführung des Mobilen Dienstes haben in den meisten Fällen die Kindertagesstätten selbst
die Antragstellung initiiert.
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ment, Leitung Mobile Dienste, Integrationsfachkraft), für die in einem dichten Alltag in der
Kindertagesstätte Termine freigeschaufelt werden müssten.
Aus Sicht des Fallmanagements stellen die Wartezeiten (bis zur Bescheiderteilung) „ein
echtes Problem“ dar. Zu langen Wartezeiten kommt es vor allem, weil sich die „Dokumentation
der Bedarfsermittlung“ durch die Kindertagesstätten verzögert, zudem die Erstellung
von spezialärztlichen Gutachten oft viele Monate dauert und sich schließlich
auch die Rückmeldung zu den Hilfeplänen durch die Beteiligten über Wochen hinziehen
kann. Die Wartezeiten von der Antragstellung bis zum Beginn der Maßnahme haben sich
nach Einschätzung des Fallmanagements nicht wesentlich verkürzt (fmfk, 175-183).
Auch für die Kindertagesstätten ist die Wartezeit bis zum Beginn einer Maßnahme ein
Problem. Denn oft sind die betroffenen Kinder schon in der Kindertagesstätte aufgenommen
und müssen unter Regelbedingungen mit betreut werden.
Die langen Wartezeiten sind ein strukturelles Problem, d. h. sind in der Strukturierung
des Leistungsprozesses mit angelegt. Von solchen strukturellen Risiken sind Anlaufschwierigkeiten
zu unterscheiden, die immer auftreten, wenn ein neues Konzept, wenn
neue Abläufe eingeführt werden. An neue Abläufe müssen sich die Beteiligten erst gewöhnen,
bestehende Arbeitsprozesse und Routinen müssen darauf abgestimmt werden.
Viele Schwierigkeiten, die in den geführten Gesprächen thematisiert werden, scheinen
solche Anlaufschwierigkeiten zu sein, ohne dass sie allerdings als solche auch eingeordnet
würden.
Hilfeplan
Ist ein Hilfebedarf dem Grunde nach festgestellt, wird die notwendige Hilfe in einem Hilfeplanverfahren
konkretisiert. Dieses Hilfeplanverfahren wurde in Anlehnung an Standards
der Jugendhilfe und der Sozialhilfe ausgestaltet, allerdings sind deutlich höhere
Fallzahlen zu bewältigen (fmfk, 156-159).
Es wird ein Hilfeplangespräch durchgeführt, an dem, neben einer Mitarbeiterin des Fallmanagements,
mindestens die Eltern und die Kindertagesstätte, oft auch die Frühförderstellen
beteiligt sind; gelegentlich kommen auch Therapeuten mit dazu; der Mobile
Dienst ist an dem Hilfeplangespräch nicht beteiligt. In diesem Gespräch werden die Ziele
der Eingliederungshilfe festgelegt. Nach dem Hilfeplangespräch schreibt die zuständige
Fachkraft den Hilfeplan, den sie dann allen am Hilfeplangespräch Beteiligten noch einmal
zum Gegenlesen zuschickt. Nach der Rückmeldung ergeht der Leistungsbescheid,
und der Mobile Dienst wird mit der Durchführung der Hilfe beauftragt. Auch die Eltern
und die Kindertagesstätte erhalten jeweils eine Kopie des Hilfeplans.
Der Hilfeplan dient als Arbeitsauftrag an den Mobilen Dienst, „also die Ziele, die da definiert
sind, sind im Prinzip der Arbeitsauftrag für den Mobilen Dienst“ (fmfk, 16-33). Die
definierten Ziele sind für die Mobilen Dienste verbindlich. Die befragten Integrationsfachkräfte
geben in ihrer Mehrheit an, dass sie sich bei der konkreten Ausgestaltung der Eingliederungshilfe
im Alltag am Hilfeplan und vor allem an dem davon abgeleiteten Förderplan
10 orientieren. Wie aus den Gruppengesprächen hervorgeht, werden Hilfeplan und
Förderplan immer wieder als verbindliche Arbeitsgrundlage und auch Prüfraster für die
Entwicklungsberichte beschrieben. Für Leitungen und Fachkräfte in den Kindertagesstätten
scheinen dagegen weder Hilfeplan noch Förderplan eine Bedeutung für die Integrati-
10 Der konkrete Arbeitsplan, den jede Integrationsfachkraft im Anschluss an den Hilfeplan zu Beginn
ihrer Tätigkeit in der Kindertagesstätte erstellt, wird im Folgenden aus Gründen einer besseren Verständlichkeit
einheitlich als „Förderplan“ bezeichnet, auch wenn in der Praxis hier unterschiedliche
Begriffe verwendet werden mögen.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
on von Kindern mit Behinderung zu haben – jedenfalls werden die beiden Instrumente
als Arbeitsgrundlage in den Interviews nicht erwähnt.
Auch eine Fortschreibung des Hilfeplans ist möglich. Sie wird eingeleitet, wenn für eine
Maßnahme neue Ziele definiert werden müssen, z. B. weil die alten Ziele erreicht wurden
oder sich auch im Laufe der Zeit als unrealistisch erwiesen haben. Wenn lediglich der
Stundenumfang angepasst wird, dann gilt der vereinbarte Hilfeplan weiter. Eine Fortschreibung
oder Veränderung des Hilfeplans ist selten; nach Einschätzung einer Leitungskraft
des Mobilen Dienstes kommt es vielleicht in zehn Prozent der Fälle zu einer
Fortschreibung oder Veränderung (md1ltg, 96-101).
Der Mobile Dienst ist für die Durchführung der Maßnahme zuständig. In Wiesbaden sind
zwei Träger mit der Durchführung eines Mobilen Dienstes beauftragt. Jeder der beiden
Dienste ist für einen definierten Teil der Kindertagesstätten zuständig.
Für jede Maßnahme erhält der zuständige Mobile Dienst eine Fallpauschale ausbezahlt,
die so kalkuliert ist, dass im Durchschnitt je Maßnahme 15 Stunden pro Woche bewilligt
werden. Dies entspricht dem Stundenumfang, der auch in der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz
für eine Maßnahme zugrunde gelegt wird. Anders als in der Rahmenvereinbarung
ist jedoch nicht festgelegt, dass jedes Kind mit Förderbedarf im Umfang von
15 Stunden pro Woche unterstützt wird. Ausgangspunkt ist vielmehr die Annahme, dass
es Kinder mit geringerem und solche mit höherem Bedarf gibt. „Und wie die Maßnahme
dann im Einzelnen durchgeführt wird, wird in erster Linie mit den Kindertagesstätten abgesprochen,
aber auch die Eltern sollten mit einbezogen sein“ (fmfk, 88-92). Nicht das
Fallmanagement, sondern der Mobile Dienst entscheidet also, in welchem zeitlichen Umfang
und mit Hilfe welcher pädagogischer Methoden ein Kind mit Förderbedarf unterstützt
wird. Der Mobile Dienst schreibt sein Vorgehen in einem Förderplan 11 fest, der regelmäßig
fortgeschrieben wird.
Begleitung, Überprüfung, Fortschreibung
Im weiteren Verlauf des Leistungsprozesses tritt das Fallmanagement in den Hintergrund
des Geschehens. Die fallbezogene Kooperation mit den beteiligten Akteuren in den Mobilen
Diensten und in den Kindertagesstätten konzentriert sich darauf, den weiteren
Maßnahmeverlauf zu überwachen und zu begleiten. Dazu sind eine Reihe von Feedback-Schleifen
definiert worden, z. B. eine zeitnahe Rückmeldung zu Rahmendaten der
Integrationsmaßnahme wie Stundenumfang, geplante Aktivitäten, usw. Auch der Eingliederungs-
bzw. Förderplan wird dem Fallmanagement zur Kenntnis gebracht. Ferner sind
halbjährliche Entwicklungsberichte und am Ende der Maßnahme ein Abschlussbericht
vorgesehen. Diese Rückkoppelung zum Fallmanagement ist noch nicht einheitlich organisiert,
d. h. die beiden Träger des Mobilen Dienstes gehen dabei unterschiedlich vor.
Definierte Abläufe einschließlich gesetzter Termine und Zeitfenster werden dabei noch
nicht regelhaft eingehalten.
Die Organisation der laufenden Kommunikation zum Fallmanagement, vor allem was die
Zeit nach der Beauftragung des Mobilen Dienstes betrifft, befindet sich noch im „Rohbau“
und funktioniert nicht reibungslos (fmfk, 128-138). Die Fachkräfte des Fallmanagements
sehen die Gefahr, dass sie nach der Bescheiderteilung nicht in ausreichendem Umfang
über den weiteren Fallverlauf informiert werden (fmfk, 93-94, auch 96-113). Das betrifft
routinemäßige Rückmeldungen, aber auch Ereignisse und Entwicklungen, die Anlass
sein sollten, „außer der Reihe“ mit dem Fallmanagement zu kommunizieren. Daher sei
11 Der konkrete Arbeitsplan, den jede Integrationsfachkraft im Anschluss an den Hilfeplan zu Beginn
ihrer Tätigkeit in der Kindertagesstätte erstellt, wird im Folgenden aus Gründen einer besseren Verständlichkeit
einheitlich als „Förderplan“ bezeichnet, auch wenn in der Praxis hier unterschiedliche
Begriffe verwendet werden mögen.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
es notwendig, solche Routinen der Rückkoppelung und -meldung besser abzusichern
und durchzusetzen.
Eine inhaltliche Soll-Bruchstelle ist die Verknüpfung von Hilfeplan und Förderplan. Wo
hört das eine auf, und wo fängt das andere an? Es fällt schwer, Aufgaben voneinander
abzugrenzen, also zwischen der Formulierung der groben und der feinen Ziele sowie der
Festlegung der Arbeitsschritte zu trennen. Hier entstehen immer wieder Unklarheiten
und Reibungspunkte (fmfk, 96-113). Besonders deutlich wird dieses Dilemma bei der
Erstellung der Entwicklungsberichte, die sich nach Einschätzung des Fallmanagements
in der Darstellung des Maßnahmeverlaufs in der Regel nicht am Hilfeplan orientieren.
Den Entwicklungsberichten sei oft nicht zu entnehmen, in welcher Form an definierten
Zielen gearbeitet wurde und in welchem Maße diese Ziele erreicht wurden bzw. aus welchen
Gründen sie ggf. nicht erreicht wurden. So entsteht im Fallmanagement der Eindruck,
dass die Hilfepläne gar nicht als Arbeitsgrundlage genommen werden (fmfk, 143-
145). Die Integrationsfachkräfte verweisen allerdings ziemlich durchgängig darauf, dass
in Hilfeplan und Förderplan ein für sie verbindlicher Arbeitsauftrag umrissen sei. Das
schließt natürlich nicht aus, dass Hilfeplan und Förderplan nur locker miteinander verknüpft
werden.
Die Dauer der Maßnahme wird in der Regel nicht befristet, sie dauert, solange ein Bedarf
besteht. Bisher ist es so, dass einmal bewilligte Maßnahmen überwiegend bis zum Ende
der Kindergartenzeit laufen (fmfk, 89-92). Nach Wahrnehmung des Fallmanagements
kommt es häufiger vor, dass der Stundenumfang im Verlauf der Maßnahme erhöht wird;
es ist selten, dass Stunden reduziert werden (fmfk, 113-115). Aus Sicht der Kindertagesstätten
ist der Stundenumfang oft zu knapp bemessen: Mancher Bedarf konkretisiert sich
erst in einem längeren Umgang mit dem Kind, und mit einem Entwicklungsfortschritt verändern
sich die Anforderungen an die Formen der Unterstützung, aber nicht unbedingt
der Bedarf an Unterstützung selbst. Die Kindertagesstätten bemängeln, dass die Abstimmung
der Arbeit zwischen den Fachkräften der Kindertagesstätte und den Integrationsfachkräften
der Mobilen Dienste, also die Verständigung über die inhaltliche Ausrichtung
von Integration und die dazu nötige regelmäßige Kommunikation im Team praktisch
so gut wie nicht möglich sind – und das führt immer wieder zu Friktionen im Alltag und zu
Unzufriedenheit.
4.2. Arbeitsorganisation im Mobilen Dienst
Aufgabe der Mobilen Dienste ist die operative Durchführung der Einzelmaßnahme; dabei
entscheiden die Mobilen Dienste auch über den Stundenumfang und das pädagogische
Vorgehen im Einzelfall. Im Rahmen einer Maßnahme können verschiedene Leistungen
erbracht werden: Individuelle Förderung und pflegerische Unterstützung des Kindes, Elterntraining,
Teamberatung und Bereitstellung eines Integrationsplatzes. Die Leistungen
des Mobilen Dienstes richten sich also an drei Adressaten oder Kundengruppen: An die
Kinder, an die Eltern und auch an die Fachkräfte der Kindertagesstätte. Wie zu zeigen
sein wird, kommt Kindern und Eltern eine hohe Aufmerksamkeit zu, wohingegen für die
Leitungen und Fachkräfte der Kindertagesstätten kaum Leistungen wie etwa Teamberatung
erbracht werden.
Hilfeplan und Förderplan
Um das Vorgehen im Einzelfall festzulegen, vereinbart die Leitung des Mobilen Dienstes
zunächst einen Beobachtungstermin mit der Kindertagesstätte, um das Kind kennen zu
lernen. Zusätzlich wird ein Gespräch mit der Kindertagesstätte und den Eltern geführt,
um Wünsche und Einschätzungen zu erfahren. Auf der Grundlage dieser Informationen
und des Hilfeplans wird dann das weitere Vorgehen grob festgelegt, also vor allem die
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Ziele, die Schwerpunkte der Arbeit, die Methoden, der Stundenumfang und die Zeiten
der Anwesenheit der Integrationsfachkraft in der Kindertagesstätte (md1ltg, 28-37;
md2ltg, 5-7). Dann beginnt die Suche nach einer geeigneten Fachkraft.
Die Suche nach einer geeigneten Fachkraft ist auch weiterhin eine große Herausforderung
für die Mobilen Dienste. Immer wieder kommt es dazu, dass sich der Maßnahmebeginn
verzögert, weil noch keine geeignete Fachkraft zur Verfügung steht. „Aber es gibt
auch immer noch Kinder glaube ich, oder auch immer wieder, wo das alles durch ist mit
Anträgen und die trotzdem nicht versorgt sind, weil wir einfach zu wenig Leute haben,
die wirklich auch Monate in den Kindergarten schon gehen. Und das ist natürlich auch
immer so eine Situation, wenn dann eben monatelang die Kinder schon in den Einrichtungen
sind und die Erzieherinnen da schon auf dem Zahnfleisch laufen, bis dann endlich
einer vom [Mobilen Dienst] kommt“ (md2fk, 155). Auch die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten
berichten davon, dass es immer wieder auch längere Wartezeiten gibt,
bis die Maßnahme endlich beginnen kann.
Zu Beginn der Maßnahme stehen Beobachtung und Kennenlernen des betroffenen Kindes
im Mittelpunkt der operativen Arbeit. Ziel ist es, innerhalb von drei Monaten einen
Förderplan zu erstellen:
„Also das ist natürlich am Anfang ganz intensiv, weil ja am Anfang legt man ja die Basis
auch dafür, wo soll es hingehen, so für den ersten [Förderplan], d. h. in den ersten acht
bis zehn Wochen ist das eine sehr intensive Phase, ein Kind zu beobachten, kennen zu
lernen, Kontakt aufzubauen, auch zu gucken, wo steht das Kind, bestimmte Spiele einzubauen,
um da aussagekräftig zu sein. Und dann ist es klar geregelt, dann gibt es nach
vier Wochen auch ein Erstgespräch mit Eltern, d. h. da wird auch noch mal der Auftrag
geklärt, da werden bestimmte Formalitäten wie Schweigepflichtsentbindung usw., Fehlzeiten
und Formalien auch besprochen, und nach drei Monaten ist dann der erste [Förderplan]
zu schreiben, also fertig zu stellen. Die Basis dafür ist der Hilfeplan vom Kostenträger
und natürlich das, was die Kollegin beobachtet hat, was sie erfahren hat, das wird
da mit eingepflegt. Und dann gibt es eine erste Entwicklungsbestandaufnahme und auch
erste Ziele, wo es hingehen soll“ (md1ltg, 56-61).
Der Förderplan wird in der Regel am Ende des Kindergartenjahres auf der Basis des
Entwicklungsberichts überprüft (md2ltg, 80-87). Dann setzen sich die Fachkräfte der
Kindertageseinrichtung, die Integrationsfachkräfte und die zuständigen Leitungen zusammen
und erörtern, was sich entwickelt hat, was erreicht wurde und wie es weitergehen
soll. In diesem Zusammenhang wird auch über den weiteren Umfang der Hilfe entschieden.
Allerdings kommt es bisher nur recht selten vor, dass die Stunden verringert
oder erhöht werden (md1ltg, 70-73).
Die Fachkräfte stimmen in ihren Schilderungen des Leistungsprozesses weitgehend ü-
berein (md1fk, 45-56, 31-32,140-157). Allerdings werden zur Bezeichnung der einzelnen
Schritte unterschiedliche Begriffe verwendet. So wird der Förderplan oft auch als Hilfeplan
bezeichnet, das jährliche Gespräch über die Fortschreibung der Maßnahme wahlweise
als „Hilfeplangespräch“ oder „Runder Tisch“ oder einfach als „Jahresgespräch“.
Ob mit dieser Begriffsvielfalt auch Unklarheiten über Funktion und Stellenwert des Instruments
verbunden sind, kann auf der Basis des vorliegenden Materials nicht beurteilt
werden.
Die Festlegung des Stundenumfangs durch den Mobilen Dienst ist von strategischer Bedeutung
für den weiteren Leistungsprozess und vor allem die Zusammenarbeit mit der
Kindertagesstätte. Mit der Festlegung des Stundenumfangs wird auch über den Umfang
der Personalressourcen entschieden, die der Kindertagesstätte zusätzlich zur Verfügung
stehen. Dementsprechend ist die Festsetzung des Stundenumfangs „umkämpft“, d. h.
über den Stundenumfang wird immer wieder verhandelt. Aus Sicht der Mobilen Dienste
ist es ständiger Konflikt: „Das ist ganz oft so, dass das der größte Knackpunkt einfach ist,
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
der uns das Leben ein bisschen schwer macht, wo eigentlich auch so der einzige Punkt
ist, wo wir uns wirklich auch mit [Kindertagesstätten] anlegen, und ich einfach sage, nein,
Leute, das kann nicht sein, weil ihr einen Personalmangel habt, unsere Leute mehr rein
müssen, sondern es ist wirklich so, dass wir den Fokus aufs Kind legen, auf die Integration
legen“ (md2ltg, 16-23). Ganz ähnlich stellt sich dies aus der Sicht einer Kindertagesstätte
dar: „Das sind die zähesten Verhandlungen, die ich kenne mit den Mobilen Diensten.
Die kriegen die Pauschale und die müssen dann, wenn ich mehr brauche als die
Pauschale, muss ich das mit denen verhandeln“ (kt3ltg, 46-47). Auch in den Gruppengesprächen
mit den Erzieherinnen und Erziehern der Kindertagesstätten wird häufig der
Anspruch formuliert, mehr Mitspracherechte bei der Festlegung des Stundenumfangs zu
bekommen als bisher.
Fallbezogene Kooperation im Alltag
Aus den Gruppengesprächen mit den Fachkräften der Mobilen Dienste ergibt sich ein
sehr heterogenes Bild der fallbezogenen Kooperation im Alltag. Sie ist stark abhängig
von der einzelnen Kindertagesstätte, der Organisation der Arbeitsprozesse dort und den
einzelnen Fachkräften vor Ort. Eine große Rolle spielt dabei offenbar die grundsätzliche
Akzeptanz des neuen Handlungskonzepts und auch die individuelle Haltung gegenüber
Eingliederung von behinderten Kindern in Regeleinrichtungen der Kindertagesbetreuung.
„Auch da liegt es wieder an der Einstellung, wie man dort aufgenommen wird. Es gibt,
wir haben ja auch Kolleginnen, die wirklich die Integrationskraft sind, die wirklich kommen
und für das Kind zuständig sind und ansonsten nichts da zu sagen haben oder
nichts zu melden haben oder auch nicht einbezogen werden oder wie auch immer. Dann
steht man im Prinzip mit dem Integrationskind ein Stück weit außen vor, da muss man
sich praktisch selbst mit dem Kind integrieren, also es ist total verrückt“ (md2fk, 72-81).
Ganz anders verläuft eine Eingliederung, wenn es mit Hilfe von Kleingruppenarbeit und
besonderen Angeboten gelingt, „dieses Kind interessant zu machen“, die anderen Kinder
anzulocken und auf diesem Weg auch Hemmschwellen abzubauen (md2fk, 72-81).
Wie der Eingliederungsprozess gestaltet werden kann, ist nach Auffassung der Integrationsfachkräfte
auch an die Grundhaltung der Kindertageseinrichtung gebunden: „Das
steht und fällt mit der Einstellung von der Einrichtung. Mache ich die Integration an der
Integrationskraft fest, dann haben die Einrichtungen gesagt, das Kind darf nur so lange
in der [Kindertageseinrichtung] sein, wie die Integrationskraft da ist, die Fälle haben wir.
Ist das eine [Kindertageseinrichtung], die sagt, nein, wir haben gesagt, wir wollen dieses
Kind aufnehmen, wir haben uns dazu entschieden, dann brauchen wir für die Kernzeit
jemanden, aber morgens die erste halbe Stunde und mittags die zweite halbe Stunde, da
brauchen wir keinen. Das hat ganz viel mit der Annahme der Einrichtung zu tun“ (md2fk,
35-57). Und da gibt es Einrichtungen, die sich weiterentwickelt und Stück für Stück auf
das neue Handlungskonzept eingelassen haben; und es gibt andere Einrichtungen, da
sind die Widerstände gegen das neue Handlungskonzept im Laufe der Jahre nicht kleiner
geworden.
Es kann auch ein Vorteil sein, dass die Integrationsfachkräfte nur teilweise in den Alltag
der Kindertagesstätte eingebunden sind. Ein gewisser Abstand kann dabei helfen, einen
anderen Blick auf die Geschehnisse zu werfen und sich vor allem auf kindbezogene Aktivitäten
zu konzentrieren (md2fk, 86-88).
Aus der Perspektive der Mobilen Dienste zerfällt die fallbezogene Kooperation in mehrere
Teilaufgaben: Die Leistungen am Kind (kindbezogene Leistungen), die Kooperation
mit den Eltern (elternbezogene Leistungen), die Kooperation mit weiteren Fallbeteiligten
(Ärzte, Therapeuten, Behörden) – und die übergreifende, nicht direkt fallbezogene
Kooperation mit der Kindertagesstätte selbst.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Für die Integrationsfachkräfte stehen die kindbezogenen Leistungen deutlich im Vordergrund
ihres Alltagsgeschäfts. Sie verweisen dabei immer auf Vorgaben der Leitungen
und des Fallmanagements, auf ihren Auftrag gemäß Hilfeplan und Förderplan. Dabei
fallen unterschiedliche Tätigkeiten an, über typische Abläufe berichten Integrationsfachkräfte
beispielsweise wie folgt:
„B1: Ich bin komplett involviert. Ich kann mich zurückziehen und sagen, heute möchte
ich zwei Stunden ihn beobachten und nicht gestört werden, aber ich feiere genauso einen
Geburtstag mit, mache die Spiele mit, Bastelangebote, versuche das natürlich schon
immer auf das Kind zu beziehen oder in Kleingruppen das zu machen, aber ansonsten
man muss ihn ja auch gehen lassen, man kann das Kind ja nicht die ganze Zeit bespielen,
deswegen ist man automatisch mit im Gruppengeschehen drin.
I: Das ist bei allen so?
B2: Es kommt auch drauf an, wie viel Stunden das Kind hat. Also bei einem Kind, was
ich betreue, ist es auch so, bei einem anderen Kind bin ich nur zwei Tage in der Woche
vormittags für drei Stunden da, da hat man natürlich nicht den ganzen Tagesablauf mit
dabei. Da begleitet man eben nur bestimmte Momente“ (md1fk, 57-63).
Es gibt keine Definition, was eine kindbezogene Leistung ist. Wo dann die Grenze gezogen
wird, wann also die Beteiligung am Alltag der Kindertagesstätten nicht mehr im
Dienst einer „kindbezogenen“ Leistung steht, beantworten die einzelnen Fachkräfte des
Mobilen Dienstes individuell ganz unterschiedlich.
Bisher war es in der Regel so, dass die Integrationsfachkräfte zu festen Zeiten in die
Kindertagesstätte gekommen sind. Im Alltag der Kindertagesstätte ist ein solcher fester
Rhythmus nicht immer ideal, denn immer wieder stehen auch Projekte und Aktivitäten
an, die andere Arbeitsabläufe mit sich bringen. Gerade die Durchführung solcher Außenaktivitäten
bringt besondere Herausforderungen mit sich, wenn Kinder mit Behinderung
einbezogen werden sollen.
Einer der beiden Mobilen Dienste plant nun, Arbeitszeitkonten einzuführen, um flexibler
auf Anforderungen und Bedarfe der Kindertagesstätte zu reagieren. Auch die Einbindung
der (externen) Integrationsfachkräfte soll verbessert werden, indem z. B. eine intensive
Einarbeitungsphase mit hoher Stundenzahl obligatorisch wird. „Es ist so, dass wir grundsätzlich,
wenn wir es realisieren können, ist aber ganz neu, jetzt anfangen mit einem
Stundenumfang von Minimum 20 bis zu 30 Stunden grundsätzlich reinzugehen in die
Maßnahme für die ersten vier Wochen. Weil ich einfach sage, wenn wir flexibel arbeiten
wollen, muss eine Mitarbeiterin wissen, wo ist denn hier die Küche, wo ist hier das Bad,
wie läuft hier das Mittagessen. (…) Sondern da hätte ich gerne, dass die [Integrationsfachkräfte]
es einfach wissen, dass die das System einer Einrichtung kennen, dass die
Grundstrukturen kennen, dass die ein stückweit integriert sind“ (md2ltg, 102-105). Mit
dieser Investition am Anfang soll es gelingen, später Reibungsverluste zu vermeiden
oder zumindest zu begrenzen.
Für die Gestaltung des Alltags in der Kindertagesstätte ist auch die Ausstattung mit Materialien
und Hilfsmitteln von großer Bedeutung. Während die Versorgung mit Hilfsmitteln
bei den Krankenkassen beantragt werden muss, ist der Zugriff auf Fördermaterialien
unterschiedlich gestaltet. In manchen Kindertagesstätten sind solche Fördermaterialien
vorhanden oder leicht zu beschaffen, in anderen Einrichtungen ist das nicht der Fall
(md1fk, 156-174).
Zu den Leistungen der Mobilen Dienste gehören auch elternbezogene Leistungen bzw.
eine enge Kooperation mit den Eltern. Aus den Gesprächen mit Integrationsfachkräften
und Eltern geht klar hervor, dass die Elternarbeit ein Schwerpunkt der Mobilen Dienste
und für die Beteiligten von hoher Bedeutung ist. Die Integrationsfachkräfte setzen auf
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den Eltern. Das kommt auch bei den
Eltern so an und wird entsprechend gewürdigt.
Im Alltag scheinen die Integrationsfachkräfte einen Hauptteil der Zusammenarbeit mit
den Eltern eines Kindes mit Behinderung zu übernehmen. Nach Wahrnehmung der Mobilen
Dienste werden diese Aufgaben an die Integrationsfachkräfte regelrecht delegiert
(md1fk, 72-79). Tatsächlich berichten auch die Erzieherinnen und Erzieher der Kindertagesstätten
davon, dass die Kolleginnen und Kollegen der Mobilen Dienste einen großen
Teil der Elternarbeit übernehmen, auch weil sie selbst über die zeitlichen Ressourcen
dafür nicht verfügen. Allerdings gelingt die Rückkoppelung der Elternarbeit der Mobilen
Dienste mit der der Kindertagesstätte nicht überall – wie die kindbezogenen Leistungen
so verselbstständigen sich auch elternbezogenen Leistungen gelegentlich, d. h. sie sind
nicht mehr an das „System“ Kindergarten angebunden.
Für manche Verselbstständigung spricht auch, dass die Elternarbeit wohl nicht immer
am Hilfeplan ausgerichtet wird. „Eine Schwierigkeit ist, dass manchmal im Hilfeplan Ziele
für Eltern festgelegt werden, die zu verfolgen für meine Kolleginnen schwierig ist. Und da
gibt es eigentlich nur eine Form der Reflektion, nämlich dass wir dann ans Fallmanagement
gehen müssten und sagen müssten, die Eltern lassen sich nicht darauf ein oder
machen das nicht“ (md1ltg, 129-131). Hier wird ein Dilemma deutlich: Wenn im Hilfeplan
Ziele für die Elternarbeit festgelegt sind, dann ist damit eine verbindliche Arbeitsgrundlage
definiert; andererseits kann es sein, dass vordefinierte Ziele für den Aufbau von Vertrauen
und Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Eltern nicht hilfreich sind. Für die
Integrationsfachkräfte kann sich ein Konflikt ergeben, wenn sie zugunsten der grundsätzlichen
Kooperationsbereitschaft der Eltern darauf verzichten, definierte Ziele zu verfolgen
und genau aus demselben Grund auch eine Rückmeldung an das Fallmanagement nicht
für sinnvoll halten.
Eine wichtige Aufgabe der Integrationsfachkräfte ist die Kooperation mit weiteren Fallbeteiligten,
also mit Ärzten, Therapeuten und Ämtern. Wie diese Aufgabe wahrgenommen
wird, hängt auch von der Kindertagesstätte ab, also ob diese Aufgabe z. B. gemeinsam
wahrgenommen wird. Zeitliche Rahmenbedingungen, aber auch Interesse und Offenheit
der Kindertagesstätten beeinflussen hier die Art der Wahrnehmung dieser Aufgabe.
Es gibt Kindertagesstätten, die die Kooperation mit weiteren Fallbeteiligten gerne
abgeben (md2fk, 35-37).
Die Integrationskräfte können relativ frei darüber entscheiden, wie viel Arbeitszeit sie für
welche Aufgaben einsetzen. So ist es möglich, z. B. die Eltern zu Ärzten, Therapeuten
und Ämtern zu begleiten. Das kann bei der Vorbereitung des Übergangs von der Kindertagesstätte
in die Schule von großer Bedeutung sein. Eine Integrationsfachkraft, die unter
dem früheren Handlungskonzept schon an Eingliederungsprozessen beteiligt war,
berichtet darüber, dass eine solche Begleitung, etwa der Eltern, damals sehr viel schwieriger
zu realisieren war. „Ich war ganz normale Gruppenerzieherin, ich bin trotzdem auch
mitgegangen. Es war da schon schwieriger, sich die Zeit freizuschaufeln, aber ich will
jetzt nicht sagen, dass es das nicht gab. Wir haben das schon auch gemacht. Aber wie
gesagt, das war schon viel schwieriger“ (md2fk, 260-279).
Fallübergreifende Kooperation
Wenn ein Dritter bzw. externer Dienstleister mit der Durchführung von Leistungen in einer
Einrichtung beauftragt wird, so erzeugt dies einen hohen Kommunikations- und Abstimmungsbedarf
aller Beteiligten untereinander. Dies betrifft Arbeitsabläufe in der Kindertagesstätte
einerseits und die Situation des Kindes mit Behinderung andererseits.
Beide Seiten, sowohl die Erzieherinnen als auch die Integrationsfachkräfte, benennen
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
die hohen Anforderungen, die an Kommunikation gestellt sind – und berichten gleichzeitig
davon, dass es hierfür bisher nur Notlösungen gibt, wenn überhaupt.
Im Alltag der Integrationsfachkräfte wird schnell deutlich, dass die Erbringung von
Dienstleistungen an Kinder und Eltern an die Voraussetzung gebunden ist, dass die Integrationsfachkräfte
auch selbst in die Abläufe der Kindertagesstätte in bestimmten
Grenzen eingebunden werden. Eingliederung erfordert eine Form der Kommunikation
und Kooperation, die über rein kindbezogene Aspekte hinausgeht, wie eine Integrationsfachkraft
anschaulich beschreibt:
„Wir sind ja nicht nur Besucher in diesem Kindergarten. Wenn wir da eine gute Arbeit
machen wollen mit den Kindern, müssen wir da einen Fuß in die Tür kriegen. Und wenn
wir da laufend rausfallen, weil das Kind nicht da ist – und das sind im Ernstfall können es
mehrere Wochen sein, die wir nicht da sind oder auch mehrere Wochen mal mit zwei
Wochen da, zwei Wochen nicht da – dann kriegen wir auch für das Kind keinen Fuß in
die Tür. Dass da einfach eine Möglichkeit ist, dass wir da mehr vor Ort sein können,
wenn das Kind nicht da ist“ (md2fk, 282-288).
Von den Leitungen und Fachkräften der Kindertagesstätten wird das Erfordernis, Kommunikation
zu organisieren, besonders eindringlich geschildert, und zwar selbst da, wo
das neue Handlungskonzept positiv aufgenommen wurde. Wo Erfahrungen mit dem früheren
Handlungskonzept vorliegen, wird diese Herausforderung besonders intensiv
wahrgenommen. „Und wir haben einfach uns auch die Kräfte ausgesucht, und wir konnten
steuern. Jetzt bekommen wir die Kräfte ja zugeordnet, stundenweise. Und das ist ein
großer Knackpunkt, da habe ich auch schon ganz viel gemeckert, wissen alle. Wir sind
ein großes Team, und wenn wir dann noch mehr Leute reinbekommen, das sehe ich
wirklich hier für uns auch teilweise als Belastung. Es bildet sich ein Team im Team und
die Kommunikation, die in einem großen Team oder in so einem weitgefächerten Haus
wie wir es sind, schon immer mit viel Stille-Post-Spielen verbunden ist, das wird noch
komplizierter. Und auch wieder die Integration der Leute ins Team, also wie klappen die
zwischenmenschlichen Ebenen und wie sind die unterschiedlichen Auftraggeber, also
Aufträge so gut zu koordinieren, das kann immer wieder zu Reibungspunkten führen,
das erfordert auch von den Kleinteams in der Gruppe immer wieder viel Zeit, sehr viel
Ausgleich wie Kommunikation“ (kt1ltg, 23).
Kommunikation und Kooperation der Integrationsfachkräfte mit den Kindertagesstätten
sind sehr unterschiedlich gestaltet. So nehmen die Integrationsfachkräfte mal regelmäßig,
mal bei Bedarf und mal gar nicht an Dienstbesprechungen und Gruppenvorbereitungen
in den Kindertagesstätten teil. Vieles muss zwischen Tür und Angel besprochen
werden, weshalb oft nur das Nötigste ausgetauscht wird. Die laufende Rückkoppelung
etwa von Informationen über die Kooperation mit Eltern oder die Kommunikation mit weiteren
Fallbeteiligten scheint eher unter den Tisch zu fallen. Ein striktes Zeitregime und
ein enger Fokus auf „Leistungen am Kind“ führen dazu, dass diesem Kommunikationsbedarf
nicht nachgekommen werden kann.
Dokumentation, Arbeit im Team
Neben der operativen Arbeit in den Kindertagesstätten fallen für die Integrationsfachkräfte
regelmäßig auch Verwaltungs- und Organisationsaufgaben an. Dazu gehören etwa
die Vorbereitung der operativen Arbeit, die Erstellung von Berichten, die Aktenführung in
der Zentrale der Mobilen Dienste. Auch für (wöchentliche bzw. zweiwöchentliche)
Dienstbesprechungen im Team der Mobilen Dienste, für Supervision bzw. Intervision und
Fortbildung ist Arbeitszeit vorgesehen.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
4.3. Eingliederung in der Kindertagesstätte
Wie „Eingliederung“ in der einzelnen Kindertagesstätte organisiert ist, ob sie – aus der
Perspektive der Kindertagesstätte – als gelungen eingeschätzt wird oder nicht, hängt im
Einzelnen von unterschiedlichen Faktoren ab. Es macht einen Unterschied, ob eine Kindertagesstätte
schon seit längerer Zeit Erfahrungen mit der Integration von Kindern mit
Behinderung sammeln konnte und z. B. mit den Abläufen nach den Regeln der Rahmenvereinbarung
vertraut ist oder nicht. Meist wird das neue Handlungskonzept kritischer
gesehen, wenn solche Erfahrungen mit der Rahmenvereinbarung vorliegen. Unabhängig
davon, wie kritisch das neue Handlungskonzept gesehen wird, so räumen sowohl die
Leitungen als auch die Erzieherinnen ein, dass „mehr Leistung beim Kind ankommt“.
Sie würdigen in diesem Zusammenhang auch, dass eine intensive Kooperation mit Eltern
und anderen Fallbeteiligten möglich ist – oft intensiver, als es früher möglich war –,
auch wenn die Anbindung dieser Arbeit an die Abläufe in der Kindertagesstätte nicht
immer gelingt.
Sehr auffällig ist auch der starke und durchgängige Fokus auf „Individualisierung“,
also vor allem auf die Unterstützung des einzelnen Kindes und seiner Eltern. Die Kindertagesstätten
berichten davon, dass es immer wieder auch zur Verselbstständigung individueller
Förderung kommt und darunter die Anbindung an das Gruppengeschehen leidet.
Das scheint von der individuellen Arbeitsweise und Arbeitsauffassung der einzelnen
Integrationsfachkraft abzuhängen.
Nach den Schilderungen der Erzieherinnen in den Kindertagesstätten richten sich die
Leistungen der Mobilen Dienste an Kinder mit Behinderung und ihre Eltern. Dass auch
die Kindertagesstätten im neuen Handlungskonzept als Leistungsadressaten genannt
werden, scheint nicht bekannt zu sein. Über Unterstützung in Form von Teamberatung
etwa wird kaum berichtet, sie wird auch nicht eingefordert.
Über Schwierigkeiten bei der fallübergreifenden Kooperation und Kommunikation
wird durchgängig berichtet. Die Integrationsfachkräfte nehmen in der Regel nicht an
Dienstbesprechungen des Gesamtteams einer Kindertagesstätte teil. Es kommt vor,
dass sie zumindest bei Bedarf an der Besprechung des Gruppenteams zur Vorbereitung
der Arbeit beteiligt sind. Oft genug muss die Arbeit „zwischen Tür und Angel“ abgestimmt
werden, was aus der Sicht der Kindertagesstätten ein unbefriedigender Zustand ist. Hier
wird ein Mehr an Kommunikation und Einbindung eingefordert.
Zu den Erfahrungen im Einzelnen:
Kindertagesstätte 1
Kindertagesstätte 1 hat auch schon vor der Einführung des neuen Handlungskonzepts
Maßnahmen der Einzelintegration von Kindern mit Behinderung durchgeführt.
Das Antragsverfahren wird als sehr umfangreich beschrieben. Bis dann endlich eine Integrationsfachkraft
mit ihrer Arbeit beginnen kann, sind lange Wartezeiten von mindestens
einem Vierteljahr zu überbrücken (kt1fk, 74-77). Für die Erzieherinnen ist es eine
schwierige Zeit, und sie können sich oft nicht ausreichend um das Kind mit Behinderung
kümmern. Als Gründe für die Wartezeiten werden genannt: Es werden drei Beobachtungen
durchgeführt (Fallmanagement, Leitung Mobile Dienste, Integrationsfachkraft), die
mit einem entsprechenden Terminierungsaufwand verbunden sind. Die Eltern müssen
bei der Antragstellung mitziehen, und das erfordert manchmal eine langwierige Überzeugungsarbeit.
Zudem müssen Arztbesuche erledigt werden. Schließlich gestaltet sich
die Personalsuche der Mobilen Dienste oft schwierig.
Wie das Vorgehen der an der Eingliederung ggf. beteiligten Physiotherapeuten, Logopäden
und Ärzte so ist auch die Arbeit der Integrationsfachkräfte stark auf eine Einzelförde-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
rung ausgerichtet, dies schließt in der Regel eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern
ein. Eine solche ausgebaute Kooperation mit den Eltern sieht die Kindertagesstätte
als notwendig an, und sie bewertet sie dementsprechend positiv (kt1ltg, 143-153). Integrationsfachkräfte
hätten, so die Wahrnehmung, zudem einen größeren Spielraum, Außentermine
mit weiterem Fachpersonal und Behörden wahrzunehmen und für das Kind
mit Behinderung fruchtbar zu machen. Allerdings wird auch das Risiko gesehen, dass
sich diese Strategie der Individualisierung und Einzelintegration mit ihrem Fokus auf das
einzelne Kind und seine Eltern verselbstständigt. „Aber da muss man dann auch wieder
aufpassen, dass man dann den Kontakt, als Gruppe den Kontakt zu den Eltern nicht verliert,
und dass es sich nicht vereinzelt. Vereinzelt in dem Sinne, dann ist eine enge Elternarbeit
und dann wurde ein Punkt erkannt, dass wir sagen, hier ist so eine enge Anbindung
mittlerweile an Eltern und Kind, dass das Kind den Kontakt zu den Kollegen in
der Gruppe verweigert“ (kt1ltg, 143-153). Hinzu kommt, dass für den Alltag in der Kindertagesstätte
auch die Auseinandersetzung mit dem Leben in der Gruppe eine zentrale
Aufgabe ist, für die die Erzieherinnen zuständig sind (kt1ltg, 143-153). Wenn eine Fachkraft
nur für ein bestimmtes Kind zuständig ist und die anderen Kinder in der Gruppe dies
als eine Art bevorzugter Behandlung wahrnehmen, dann kann es zu Eifersüchteleien
und Konkurrenzen in der Gruppe kommen (kt1fk, 50-53).
Es ist wichtig, dass es Fachkräfte gibt, die sich mit den verschiedenen Beeinträchtigungen
auskennen und insoweit die Erzieherinnen unterstützen können. Integrationsfachkräfte
klären über behinderungsspezifische Fachfragen auf, „das ist gut“.
Wenn neben Erzieherinnen gleichzeitig auch Helferinnen, die ein Freiwilliges Soziales
Jahr absolvieren, und mehrere Integrationsfachkräfte Dienst tun, kann es vorkommen,
dass fünf oder sechs Erwachsene in einer Gruppe anwesend sind (z. B. wenn mehrere
beeinträchtige Kinder zu der Gruppe gehören). Dann steht man sich gegenseitig auf den
Füßen (kt1fk, 38-45); und auch nach außen, auf Kolleginnen aus anderen Gruppen oder
Eltern von Kindern ohne Behinderung, wirkt es irritierend, wenn derart viel Personal angetroffen
wird – ein Hinweis auf Personalengpässe wirkt dann wenig überzeugend.
Aktivitäten außerhalb der Kindertagesstätte wie Wald- oder Schwimmbadbesuche sind
ohne Integrationsfachkraft oft nur schwer zu organisieren. Und Personalausfälle sind
ebenfalls nur schwer zu bewältigen, „die haben zur Zeit drei Integrationskinder in der
Gruppe, wenn da natürlich zwei Integrationskräfte ausfallen oder eine Integrationskraft
Fortbildung hat und die andere ist eben nur zwei Tage in der Woche da, ist es natürlich
dann schon, wenn man dann als Gruppe mit drei Integrationskindern steht, ist es schwierig“
(kt1fk, 78-81).
Es ist eine große Herausforderung in Kindertagesstätte 1, die Kommunikation untereinander
zu organisieren, sich also immer gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, vor
allem weil die Integrationsfachkräfte nur zu definierten Zeiten anwesend sind. Es fehlt die
Einbindung ins Team, da die Integrationsfachkräfte nicht regelmäßig an Dienstbesprechungen
teilnehmen. Integrationsfachkräfte können sich auch nicht immer an der Vorbereitung
der Gruppen beteiligten, z. B. auch deshalb, weil solche Zeiten oft außerhalb ihrer
Arbeitszeit bzw. Anwesenheit liegen. Andere Integrationsfachkräfte sind in mehreren
Kindertageseinrichtungen tätig und haben ohnehin einen hohen Aufwand bei der Koordination
von Terminen; in diesem Fall ist die Teilnahme an Besprechungen in der Kindertageseinrichtung
praktisch unmöglich.
Es gibt keine Garantie, dass einmal eingearbeitete Integrationsfachkräfte auch längerfristig,
also über mehrere Maßnahmen hinweg, in der Kindertagesstätte tätig sind. Dies bedeutet,
dass neue Integrationsfachkräfte immer wieder neu eingearbeitet werden müssen
– das erfordert Zeit, das bedeutet, dass Missverständnisse und Konflikte immer wieder
neu zu bereinigen sind, kurzum: Es ist für die Kindertagesstätte immer mit großem
Aufwand verbunden.
32

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Kindertagesstätte 2
In Kindertagesstätte 2 sind zuvor keine Maßnahmen der Einzelintegration durchgeführt
worden. Die Leitung befürwortet aber die Einrichtung eines Mobilen Dienstes, der Kinder
und Eltern besonders unterstützt und zudem von außen „sein Urteil abgibt und Tipps
geben kann“ (kt2ltg, 102-107).
Auch diese Kindertagesstätte verweist darauf, dass die Bedarfsermittlung sehr genau
gemacht wird und dass demgemäß viele Fragen gestellt werden (kt2fk, 112-121). Nach
den Arbeitsabläufen in der Zusammenarbeit mit dem Mobilen Dienst gefragt, betont die
Gesprächspartnerin, dass die Integrationsfachkräfte gut in den Alltag der Gruppe eingebunden
sind. Nach der Arbeitsteilung und speziell den Aufgaben der Integrationsfachkräfte
gefragt, gibt die Leitung an: „Es ist von jedem etwas, sie geht z. B. mit dem einen
Kind Bewegungsabläufe [üben], da guckt sie schon speziell, aber sonst ist wirklich alles
in der Gruppe integriert. Sie geht mal raus und macht vielleicht noch mal ein Konzentrationsspiel
und nimmt noch mal zwei, drei Kinder mit, aber sonst ist das eigentlich im Tagesablauf
mit integriert“ (kt2ltg, 36-47). Einzelförderung steht nicht im Fokus der Aktivitäten
des Mobilen Dienstes; die Einbindung in die Gruppe und das „System“ Kindergarten
scheinen hier eine größere Rolle zu spielen. Die Aktivitäten der Erzieherinnen einerseits
und der Integrationsfachkräfte andererseits sind weniger strikt voneinander abgegrenzt.
Aufgabe der Integrationsfachkraft ist zum einen die Einzelförderung des Kindes mit Behinderung;
wichtig ist aber auch die Unterstützung der Erzieherinnen. „Also das ist auch
noch mal unterstützend, die sitzt also jetzt nicht nur bei dem Integrationskind, sondern
macht auch so, ist auch uns eine Hilfe, dass sie mal einen Tee ausschenkt oder mit uns
auf Ausflüge geht, da guckt sie natürlich auch nach den anderen. Ich denke so, dass,
wenn das Kind jetzt nur an der Integrationskraft klebt, wäre das auch nicht so der Sinn
und Zweck der Aufgabe, weil das Kind ist vielleicht, die Integrationskraft ist morgens drei
Stunden da, das Kind ist aber den ganzen Tag da, also es dürfte sich nicht zu sehr nur
auf diese Integrationskraft fixieren“ (kt2fk, 41-53). Die Entwicklungsberichte der Integrationsfachkräfte
werden gegengelesen, und Veränderungswünsche werden da auch berücksichtigt
(kt2fk, 96-99).
Es ist wichtig, dass die Integrationsfachkraft Ausflüge und andere Außenaktivitäten mit
begleitet. Das war bisher oft nur schwer zu organisieren. Daher wird die Einrichtung eines
Arbeitszeitkontos unter der neuen Leitung des Mobilen Dienstes begrüßt; dies erlaubt
der Integrationskraft z. B., an den Projekten der Kindertagesstätte nicht nur stundenweise,
sondern komplett teilzunehmen.
Die Kindertagesstätte hatte auch mit Integrationsfachkräften zu tun, die nicht zur Einrichtung
passten. Eine solche Integrationsfachkraft wurde kürzlich zum Glück ausgetauscht.
Es fehlt die Zeit für einen Austausch; das lässt sich nicht alles zwischen Tür und Angel
regeln. Die Integrationsfachkräfte nehmen nicht an der Dienstbesprechung teil, bei Bedarf
gibt es aber eine gesonderte Besprechung zwischen Integrationsfachkraft, Gruppenerzieherin
und Leitung.
Kindertagesstätte 3
Kindertagesstätte 3 hat vor der Einführung der Mobilen Dienste schon Maßnahmen der
Einzelintegration auf der Basis der Rahmenvereinbarung durchgeführt.
Früher konnten die Kindertagesstätten relativ zeitnah einen Hilfebedarf formulieren und
selbst eine Eingliederungshilfe für ein betroffenes Kind beantragen. Heute können ausschließlich
die Eltern den Antrag stellen mit der Folge, dass manche Eltern erst davon
überzeugt werden müssen, das zu tun. Denn einen Antrag zu stellen bedeutet dann für
33

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
die Eltern auch, dass sie anerkennen müssen und offiziell wird, dass ihr Kind eine Behinderung
hat. 12
Die Leitung der Kindertagesstätte kommt zu der Einschätzung, dass mehr von der
Dienstleistung „Einzelintegration“ bei den Kindern ankommt als früher. Die Integrationsfachkraft
soll die Gesamtentwicklung des Kindes mit Behinderung im Auge behalten und
regelmäßige Gespräche organisieren, mit den Eltern, mit Therapeuten, mit der Frühförderstelle
usw., und dabei soll sie auch die Gruppenerzieherin möglichst oft mit einbeziehen
– so sieht die Leitung die Aufgaben einer Integrationsfachkraft.
In welcher Weise diese Aufgaben im Alltag bearbeitet werden, hängt nach Erfahrung der
Kindertagesstätte 3 allerdings auch stark von der Person der Integrationsfachkraft und
ihrem Arbeitsverständnis und ihrer Arbeitsweise ab. Hier gibt es ein breites Spektrum an
Arbeitsstilen:
Das eine Ende des Spektrums wird durch eine Arbeitsauffassung markiert, die – um eine
Einzelintegration zu erreichen – ausschließlich am einzelnen Kind ansetzt und das „System“
Kindertagesstätte wenig oder gar nicht im Blick hat. Die Leitung berichtet etwa von
einer Integrationsfachkraft, die sich auf eine Einzelförderung konzentriert und so zu einem
„Schatten des Kindes“ wird. „Also wir haben eine Gruppe, da berichten mir die Erzieherinnen
aus unserem Haus immer wieder: Es ist ein bisschen so wie ein Satellit innerhalb
der Gruppe diese sehr symbiotische Verbindung von dieser [Integrationsfachkraft]
des Mobilen Dienstes und dem Kind. Da ist es auch so, dass die Eltern das Kind
überhaupt nicht bringen, wenn die mal nicht da ist“ (kt3ltg, 44-45).
Das andere Ende des Spektrums wird durch Arbeitsauffassung von Einzelintegration
begrenzt, die nicht auf das einzelne Kind allein fokussiert, sondern auch die Gruppe und
die Kindertagesstätte als Ganzes in ihre Arbeit einbezieht. So werden mehrere Aufgaben
bearbeitet (kt3ltg, 18-19). Wenn die Integrationsfachkraft den Arbeitsauftrag nicht eng
und nur kindbezogen sieht, dann gibt es auch mehr Anlass zur Kooperation. Eine der
Erzieherinnen berichtet demgemäß über eine gute fallbezogene Kooperation in ihrer
Gruppe: „Also ich kann nur sehr positiv darüber sprechen, dass das eigentlich, dass wir
gute Absprachen auch haben und wie gesagt auch eine Kollegin jetzt in der Gruppe haben,
die auch die Eingliederung auch so sieht, dass es eben halt nicht so ist, dass sie
nur an dem Kind klebt, was sie betreut, sondern dass sie auch guckt, mit welchem Kindern
hat das Kind denn Kontakt und wie knüpfe ich da und komme vielleicht über die
anderen Kinder dann auch wieder zu dem Kind oder übernimmt dann auch mal vielleicht
einen Teil der Kinder, damit ich z. B. was mit dem Kind machen kann ja. Also ich kann
jetzt ja bei meiner Kollegin einfach sagen, das klappt ganz prima“ (kt3fk, 98-99). Erzieherinnen
berichten über unterschiedliche Erfahrungen mit Integration – eine gelungene Integration
hängt von vielen Faktoren ab und kann auch von Gruppe zu Gruppe innerhalb
derselben Kindertagesstätte unterschiedlich verlaufen. Jedenfalls scheint es wichtig zu
sein, sich fachlich darüber zu verständigen, was „Einzelintegration“ in der Kindertagesstätte
heißt und auch ein gemeinsames Arbeitsverständnis zu entwickeln.
Austausch von Informationen und regelmäßige Kommunikation lassen sich nur schwer
organisieren, das wird als großer Mangel angesehen, auch im Vergleich zu dem früheren
Handlungskonzept. Es gibt keinen regelmäßigen Austausch, also routinemäßige Besprechungen
zwischen den Integrationsfachkräften und den Erzieherinnen der Kindertagesstätte.
Die Integrationsfachkräfte sind nicht an den Dienstbesprechungen und auch
nicht an der Vorbereitung von Gruppenaktivitäten beteiligt, sondern bei ihrem Träger in
ein „Parallelsystem“ eingebunden. Austausch muss irgendwie dazwischen geschoben
werden, wenn es passt. Es wäre aber wünschenswert, dass der Mobile Dienst in der
12 Die Praxis scheint hier uneinheitlich gewesen zu sein: Zum Teil haben die Kindertagesstätten die
Eingliederungshilfe selbst beantragt (manchmal ohne Wissen der Eltern), zum Teil haben die Kindertagesstätten
daraufhin gewirkt, dass die Eltern einen solchen Antrag stellen.
34

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Vorbereitung und in den Dienstbesprechungen vertreten ist. „Ich weiß nicht, ob es so
sein muss, dass man grundsätzlich sagt, diese Mitarbeiterinnen gehören gar nicht in unser
Team, d. h. die sind sozusagen ein eigenes Team, die nehmen an einem Betriebsausflug
nicht teil, die nehmen an unseren Dienstbesprechungen nicht teil, die sind
so Satelliten, die kommen und gehen. Und das ist nicht meine Vorstellung von Arbeit in
der Kindertagesstätte“ (kt3ltg, 92-93).
Wenn Maßnahmen auslaufen, dann gerät das „Personalkarussell“ der Mobilen Dienste
wieder in Bewegung, dann kommt es immer wieder zu Wechseln, weil die Mitarbeiterinnen
neu verteilt werden müssen. Das führt auch zu Ausfallzeiten (kt3ltg, 12-15). Die hohe
Personalfluktuation, so nachvollziehbar die Gründe hierfür im Einzelnen sein mögen,
beeinträchtigt die Qualität der Integrationsarbeit, da eine Kontinuität der Bezugsperson,
die für Bildungsprozesse im Elementarbereich konstitutiv ist, nicht annähernd gewährleistet
wird. Es kommt immer mal wieder zu sehr langen Wartezeiten, bis zu einem halben
Jahr. Wenn die Integrationsfachkraft Urlaub hat, kommt kein Ersatz.
Kindertagesstätte 4
Die Kindertagesstätte 4 hat erst vor kurzem begonnen, nach dem neuen Handlungskonzept
zu arbeiten. Es wird andauernd über den Mobilen Dienst diskutiert, es ist ein „Dauerbrenner“,
wie die Erzieherinnen äußern. Auch innerhalb der Kindertagesstätte ist es
nicht einfach zu kommunizieren, wie sich die Abläufe und Anforderungen in einer Gruppe
verändern, wenn ein Kind mit Behinderung aufgenommen wird. Die Kolleginnen aus anderen
Gruppen nehmen vor allem die Personalausstattung wahr (kt4fk, 143-152), also z.
B. die Tatsache, dass zu manchen Zeiten fünf Erwachsene in einer Gruppe anwesend
sind. Das führt auch zu Konkurrenzen und Konflikten unter den Mitarbeiterinnen.
Die Leitung gibt an, dass die Erfahrungen mit dem neuen Verfahren noch begrenzt sind
(kt4ltg, 28-39). So lag z. B. die Information nicht vor, dass der Umfang der Stunden verhandelbar
ist bzw. über 15 Stunden hinausgehen kann (kt4ltg, 86-91). Die Erzieherinnen
hatten mit dem Fallmanagement noch keinen Kontakt, bisher fand keine Beobachtung
statt. An der Erstellung eines Hilfeplans waren sie bisher nicht beteiligt (kt4fk, 77). „Fallmanagement
in dem Sinne, dass es so was gibt oder auch für uns zusteht oder wie auch
immer, hören wir zum ersten Mal von“ (kt4fk, 115-131). Die Kindertagesstätte, also Leitung
und Erzieherinnen, sehen sich auch an der Erstellung von Förderplan und Entwicklungsberichten
zu wenig beteiligt. In dem Fall eines Kindes mit einer ausgeprägten manifesten
Behinderung konnten sie sich aber bei der Festlegung des Stundenumfangs erfolgreich
durchsetzen.
„B: Weil das ist auch ein Unterschied zu unserem [Kind mit manifester Behinderung], da
haben wir gesagt, da muss ständig jemand dabei sein, weil [das Kind] wirklich auffällig ist
und ständig Betreuung braucht, weil wir gesagt haben, wir können sonst im Alltag nicht
leisten. Da haben wir schon gesagt, wir brauchen die und die Stundenanzahl, sonst geht
es einfach nicht.
I: Dies wurde auch berücksichtigt?
B: Die Kernzeit ist die [Integrationsfachkraft] jetzt da, (…), das ist schon so, obwohl wir
gerne mehr hätten, das ist auch schwierig dann immer“ (kt4fk, 22-33).
Manche Integrationsfachkräfte verstehen ihre Arbeit so, dass sie ausschließlich direkt
am Kind mit Behinderung arbeiten – sie „vereinnahmen“ das betroffene Kind und sehen
daneben keine anderen Aufgaben mehr, so erleben es die Erzieherinnen. Für die Einbindung
in die Gruppe sei das schädlich (kt4fk, 17-18). Denn es bestehe die Gefahr,
dass ein Kind regelrecht abgeschottet werde, weil die Integrationsfachkraft dieses Kind
immer an die Hand nehme und „das Kind noch nicht mal allein auf dem Bauteppich spie-
35

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
len kann, ohne dass die [Integrationsfachkraft] mit dabei sitzt“ (kt4fk, 81-95). Die Arbeitsauffassung
der Integrationsfachkräfte und die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit in
der Gruppe der Kindertagesstätte gestalten, ist auch von der Person abhängig. Es gibt
kein geteiltes Verständnis von Integration.
Gleichwohl sehen die Erzieherinnen einen bedeutenden Vorteil der Mobilen Dienste:
Denn die Zeit der Integrationsfachkräfte kommt wirklich dem Kind zugute. Zudem übernimmt
der Mobile Dienst auch viele Gespräche mit Professionellen, die außerhalb der
Kindertageseinrichtung mit dem Kind arbeiten. Aber die Informationen fließen nicht zurück
an die Erzieherinnen, obwohl die Integrationsfachkräfte am Gruppenteam teilnehmen.
Eine Erzieherin, die früher, vor Einführung der Mobilen Dienste, selbst als Integrationsfachkraft
tätig war, bilanziert: „Also das Positive ist, dass diese Stunden wirklich nur
für dieses Kind genutzt werden. Andererseits kommt es auch immer auf das Kind an,
wenn man, so wie ich früher, ich komme aus einer anderen Ecke und habe da auch als
Integrationskraft gearbeitet, bis ich hierher gekommen bin. Da war es so, ich war mit in
der Gruppe mit eingebunden, wir waren alle für das Kind zuständig, wir haben in der
Gruppenvorbereitungszeit besprochen, was möchten wir mit dem Kind machen, wie wollen
wir es fördern, da hat aber jeder dran teilgenommen, jeder hatte einen Bezug zu dem
Kind, das Kind wurde nicht abgeschottet und es lief gut mit, weil alle dafür zuständig waren.
Man war mehr eingebunden im Alltag. Ich habe Elterngespräche geführt, aber alle
haben daran teilgenommen, und das war viel mehr eingebunden. Hier ist es eher so,
dass der Mobile Dienst viele Gespräche auch mit übernimmt, außer die, die wir von der
Einrichtung haben, und dann kommt aber auch wenig zurück“ (kt4fk, 53-63).
An Besprechungen des Gruppenteams nehmen die Integrationsfachkräfte bei Bedarf teil,
an den Dienstbesprechungen im Gesamtteam aber nicht. Dies ist aus Sicht der Erzieherinnen
bei weitem zu wenig Kommunikation und Kooperation. Wenn eine Einzelintegration
des Kindes mit Behinderung in die Kindertageseinrichtung gelingen soll, dann ist weit
mehr Austausch mit den Integrationsfachkräften nötig und zudem ihre bessere Einbindung
in die Gruppe unerlässlich. Für die Erzieherinnen ist klar, dass ein Kind (mit Behinderung)
nicht in das Leben der Gruppe einbezogen werden kann, wenn es mit Regeln,
Abläufen und Ritualen nicht vertraut gemacht wird. Wie aber soll eine Integrationsfachkraft
diese Aufgabe übernehmen, wenn sie selbst das Innenleben der Gruppe und der
Kindertagesstätte nicht kennen gelernt hat? „Ich finde es auch schwierig, jemanden, der
von außerhalb kommt, hier mit zu integrieren, und auch somit schwierig zu sagen, wenn
einer gar nicht mit hier drin ist, integriere mal die Kinder, wenn sie selber eigentlich nicht
integriert sind, und eigentlich sind die Personen nicht integriert“ (kt4fk, 31-51).
Auch die gesamte Arbeitsplanung ist von diesem Dilemma einer unvollständigen Integration
der Integrationsfachkräfte betroffen: Die Integrationsfachkraft wird ein Stück mit eingeplant,
und wenn sie dann aber ausfällt, weil das Kind mit Behinderung nicht kommt,
steht dann auch die gesamte Planung für die Gruppe auf dem Kopf.
Es wird zu wenig darauf geachtet, dass die Integrationsfachkraft insgesamt passt, also
nicht nur zu dem Kind mit Behinderung, sondern auch zu der Einrichtung, zu der Gruppe,
zu den dortigen Erzieherinnen.
4.4. Institutionelle Kooperation
Wie die fallübergreifende Kooperation in der Kindertagesstätte zwischen Integrationsfachkräften
und Erzieherinnen, so ist auch die institutionelle Kooperation zwischen den
beteiligten Akteuren auf der Ebene der Einrichtungen wenig entwickelt. Der Austausch
über fallbezogene Fragen und Schwierigkeiten steht im Vordergrund. Der Eindruck ist,
dass grundsätzliche Fragen, die übergreifend diskutiert werden müssten, immer wieder
fallbezogen besprochen und gelöst werden.
36

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Es gibt regelmäßige „Steuerungsbesprechungen“ zwischen Fallmanagement und Mobilen
Diensten. Zudem wurden im Rahmen einer gemeinsamen Fortbildung von Fallmanagement
und Mobilen Diensten die Grundlagen für ein Berichtswesen erarbeitet. Dabei
ging es insbesondere darum, Hilfeplan und Förderplan besser zu verknüpfen und damit
sichtbar zu machen, wie die vereinbarten Ziele verfolgt werden.
Ein Steuerungskreis, der sich mit der Weiterentwicklung des neuen Handlungskonzepts
befasst, existiert noch nicht, soll aber laut Aussage des Fallmanagements installiert werden.
Es gibt zwar regelmäßige Treffen mit den Fachreferenten der Kindertagesstätten,
und eine Fachkraft aus dem Bereich Kindertagesstätten ist beratend für das Fallmanagement
tätig (fmltg, 122-125). Aber eine übergreifende Kooperation mit den Kindertagesstätten
selbst und mit den Eltern wurde bisher nicht ins Leben gerufen. 13
Ein solcher Bedarf wird auf Seiten der Kindertagesstätten durchaus gesehen. Es gibt
einen kleinen Arbeitskreis der katholischen Kindertageseinrichtungen; hier tauscht man
sich über Erfahrungen mit den Mobilen Diensten aus. Die Leitung der Kindertagesstätte
1 fordert einen Runden Tisch, um übergreifende Fragen zu besprechen. Auch unter
den Kindertagesstätten muss z. B. Transparenz hergestellt werden, damit es nicht immer
wieder dazu kommt, dass Kinder mit Behinderungen an andere Einrichtungen abgeschoben
werden (kt1ltg, 103-112).
Für die Weiterentwicklung des Handlungskonzepts und die Klärung grundsätzlicher Fragen
scheint es wichtig, eine Art Runden Tisch zu schaffen, an dem alle relevanten Akteure
beteiligt werden. Es reicht nicht aus, sich auf bilaterale Treffen zwischen Fallmanagement
und Mobilen Diensten sowie Fallmanagement und Kindertagesstätten zu beschränken.
Konflikte und ungeklärte Fragen gibt es gerade auch in der Kooperation zwischen
Kindertagesstätten und Mobilen Diensten. Für die Weiterentwicklung des Handlungskonzepts
scheint es daher besonders wichtig, in dieser Kooperation tragfähige Verfahrensabsprachen
und Kompromisse zu entwickeln.
4.5. Zusammenfassung
Im Zuge der Einführung des neuen Handlungskonzepts „Mobiler Dienst“ in Wiesbaden
wurde bei der „Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit“ im Amt für Soziale Arbeit ein
Fallmanagement eingeführt, um die Leistungssteuerung zu verbessern – also um bedarfsgerechte
Leistungen zu erbringen und mit einer effektiven Leistungssteuerung zu
verknüpfen. Mit der operativen Durchführung der Eingliederungshilfen in den Kindertagesstätten
wurden zwei Träger eines „Mobilen Dienstes“ beauftragt, die Eingliederungshilfen
flexibler erbringen sollen als zuvor.
Mit der Einführung eines Fallmanagements sind neue Leistungsprozesse und Verfahren
installiert worden. Aus den Gesprächen wird deutlich, dass fast alle Beteiligten über die
Verfahren in Grundzügen recht gut informiert sind.
Für alle Akteure deutlich spürbar – und demgemäß in den Gesprächen thematisiert – ist
das neue umfangreiche Assessment, in dessen Verlauf eine Fülle von Informationen
zusammengetragen werden. Die Vielzahl an Informanten und Akteuren, die an dem Verfahren
beteiligt werden, führt dazu, dass es sich oft in die Länge zieht und mindestens
zwei Monate vergehen, bis es zu einer Entscheidung über den Antrag kommen kann.
Dann beginnt die Personalsuche, die unter Umständen ebenfalls länger andauern kann.
Die lange Wartezeit, die dann folgt, sehen Fallmanagement, Mobile Dienste und Kinder-
13 Es gab früher einen Qualitätszirkel Integration, an dem sich die Integrationsfachkräfte aus den Kindertagesstätten
beteiligt haben. Kurz nach der Einführung der Mobilen Dienste gab es einen Erfahrungsaustausch
mit Fallmanagement, Mobilen Diensten und Kindertageseinrichtungen, „aber das ist
schon zwei Jahre her“ (kt4ltg, 58-65).
37

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
tagesstätten gleichermaßen kritisch, denn sie verhindert, dass Eingliederungshilfen zeitnah
erbracht werden können.
Nach der Bescheiderteilung tritt das Fallmanagement in den Hintergrund des Geschehens,
denn die Leistungserbringung – die Realisierung von Einzelintegration – ist Aufgabe
der Mobilen Dienste. Allerdings gibt es einige Hinweise, dass die Leistungssteuerung
im weiteren Fallverlauf noch auszubauen wäre. So berichtet das Fallmanagement, dass
Hilfeplan und Förderplan in der Praxis noch nicht systematisch verknüpft werden und
sich die Entwicklungsberichte daher nicht ausreichend an den definierten Zielen orientieren.
Auch müssen die Entwicklungsberichte immer wieder angefordert werden, und zudem
bleibt kaum Zeit für eine systematische Auswertung.
Vergleichsweise ausführlich berichten Mobile Dienste und Kindertagesstätten über die
alljährliche Überprüfung der Förderpläne auf der Grundlage der zu erstellenden Entwicklungsberichte.
Denn in diesem Rahmen ist die Möglichkeit gegeben, erneut über den
Umfang an Stunden zu verhandeln, den die Integrationsfachkräfte im Einzelfall in den
Kindertagesstätten tätig werden.
In der täglichen Umsetzung der Eingliederungshilfe vor Ort stehen die kind- und elternbezogenen
Leistungen eindeutig im Vordergrund. Dass hier mehr möglich ist als früher
und mehr beim Kind ankommt, gestehen alle beteiligten Akteure – bei aller Kritik im Einzelnen
– ebenfalls zu. Allerdings wird auch darüber berichtet, dass sich ein solcher individualisierender
Ansatz verselbstständigen kann und der Anschluss an Gruppenprozesse
verloren geht.
Im neuen Handlungskonzept sind auch die Kindertagesstätten als Adressaten von Leistungen
durch die Mobilen Dienste genannt. In den Gesprächen mit Erzieherinnen und
Leitungen wird dagegen ganz selten etwa über Leistungen wie Teamberatung o. ä. berichtet.
So entsteht der Eindruck, dass die Kindertagesstätten ausschließlich als Kooperationspartner
genommen werden, der für die fallbezogene Leistungserbringung an Kinder
und Eltern gebraucht wird.
Zugleich ist aber die fallübergreifende Kooperation in den Kindertagesstätten wenig entwickelt.
Damit ist gemeint, dass die Integrationsfachkräfte nicht an Dienstbesprechungen
oder Gruppenteams teilnehmen. Es wurden auch keine anderen Formen des Austauschs
entwickelt. Daher bekommen die Integrationsfachkräfte nur wenig Gelegenheit,
mehr über das „Innenleben“ der Kindertageseinrichtung zu erfahren, und für die Erzieherinnen
ist es kaum möglich, die Arbeitsweise der Mobilen Dienste näher kennen und verstehen
zu lernen.
Die institutionelle, übergreifende Kooperation zwischen den Beteiligten wäre ebenfalls
auszubauen. Sie konzentriert sich bisher auf Steuerungstreffen zwischen Fallmanagement
und Mobilen Diensten. Es erscheint dringlich, Kindertagesstätten und Eltern ebenfalls
ins Boot zu holen und insbesondere für die Abstimmung zwischen Kindertagesstätten
und Mobilen Diensten ein Forum des Austauschs zu schaffen.
38

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
5. Der „Mobile Dienst“ aus Sicht der Eltern
Das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ richtet sich, wie ausgeführt, an drei Adressaten,
nämlich die Kindertagesstätten sowie die betroffenen Kinder und ihre Eltern. Wenn man
beurteilen will, zu welchen Ergebnissen das neue Programm führt, wie es „wirkt“, dann
ist eines der entscheidenden Beurteilungskriterien die Frage, was bei Kindern und Eltern
„ankommt“. Diese Frage steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.
In den vorherigen Kapiteln ist schon ausgeführt worden, dass die Handlungsstrategien
der Integrationsfachkräfte stark auf Kinder und Eltern fokussiert sind. Auch die Leitungen
und Erzieherinnen in den Kindertagesstätten haben berichtet, dass die Integrationsfachkräfte
Kinder mit Behinderung und ihre Eltern in einer Weise unterstützen können, die
über die gewöhnliche Elternarbeit weit hinausgeht. Die Frage ist nun, wie die Eltern
selbst die erbrachten Dienstleistungen erfahren und einschätzen.
Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, wurden mit zwei bis drei Eltern aus jeder
der einbezogenen vier Kindertagesstätten leitfadengestützte Interviews geführt. Folgende
Themen waren einbezogen: Die Motive bei der Wahl einer konkreten Kindertagesstätte,
die Erwartungen an Einzelintegration, die Kooperation mit dem Fallmanagement, der
Alltag in der Kindertagesstätte und dabei auch die Formen der Kooperation mit Eltern
sowie schließlich die Frage, was am Ende des Prozesses für die Kinder herausgekommen
ist. Zu allen Themen werden im Folgenden die wesentlichen Ergebnisse präsentiert.
5.1 Die Wahl der Kindertageseinrichtung – Motive, Kriterien und Vorerfahrungen
Jede Entscheidung hat eine Vorgeschichte – dies trifft insbesondere auf Eltern von Kindern
mit manifesten Behinderungen zu, wenn sie eine konkrete Kindertagesstätte auswählen.
Oft werden im Vorfeld ausführliche Erkundigungen eingezogen, z. B. von Bekannten
und Freunden, von Beraterinnen und Beratern aus den Frühförderstellen und
Sozialpädiatrischen Zentren, und es werden Gespräche mit den Leitungen der Kindertagesstätten
geführt. Dabei wird immer darauf geachtet, dass in der einen oder anderen
Form Erfahrungen mit (Einzel-) Integration in der Einrichtung vorliegen oder Integration
für wichtig gehalten wird oder – wenn etwa noch gar nicht angedacht ist, dass das Kind
ein „Integrationskind“ werden soll – besonders günstige Rahmenbedingungen für das
Kind gegeben scheinen. Geht es um die verzögerte Entwicklung oder das auffällige Verhalten
eines Kindes, dann spielt diese Konstellation nicht in jedem Fall eine Rolle. Denn
oftmals geht dann die Initiative für Unterstützung – damit auch die Festlegung eines Status
„Integrationskind“ – von den Kindertagesstätten aus, nicht von den Eltern. Die Wohnortnähe
der Einrichtung spielt für viele der befragten Eltern ebenfalls eine herausgehobene
Rolle bei der Entscheidung für eine konkrete Kindertagesstätte.
Für Familie 1 waren Wohnortnähe und Dringlichkeit des Bedarfs ausschlaggebende Kriterien.
Bei der Entscheidung hat sie niemand unterstützt; die Mutter war selbst im pädagogischen
Bereich tätig und traute sich ein kompetentes Urteil zu. Ähnlich war die Konstellation
bei Familie 8, die nach einem Umzug keinen Platz in den nächstgelegenen Einrichtungen
fand und dahin ausweichen musste, wo noch Platz war: „(…) da oben, wo wir
wohnen, gibt es auch Kindergärten, aber da waren die ganzen Plätze weg, und hier unten
haben wir gerade noch einen bekommen“ (kt4e2, 2-9). Auch Familie 4 musste sich
nach einem Umzug eine neue Kindertagesstätte suchen. Es gab nur eine wohnortnahe
Einrichtung, die allerdings auf eine längere Erfahrung mit der Integration von Kindern mit
Behinderung zurückblicken konnte. Außerdem hatten Bekannte der Familie diese Einrichtung
empfohlen.
Für Familie 3 war bei der Anmeldung des Kindes noch gar nicht klar, das es einmal ein
„Integrationskind“ werden würde. Die Eltern haben darauf geachtet, dass die Rahmen-
39

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
bedingungen stimmen, z. B. dass die Gruppen nicht so groß sind. Außerdem hatten sie
sich von Bekannten einige Informationen über die Kindertagesstätte beschafft.
Für einige Familien spielte das Integrationskonzept der Einrichtung eine ausschlaggebende
Rolle. Auch Familie 9 meldete ihr älteres Kind bewusst in einer integrativen Kindertagesstätte
an in der Annahme, dass es hier besonders gut aufgehoben wäre. Über
die ausgewählte Einrichtung hatten sich Bekannte nur positiv geäußert. In Gesprächen
mit der Einrichtungsleitung hatte sich die Familie auch selbst ein Bild gemacht. Zunächst
hatte sie keine Eingliederungshilfe beantragt, „bei uns war es schon so, dass wir gesagt
haben, wir wollen es eigentlich nicht gleich als Integrationskind anmelden. (…) man
kriegt ein behindertes Kind und überlegt dann halt erst mal und wie verbaut man dem
Kind nicht alles. Und dann denkt man, als Integrationskind ist man gleich als behindert
abgestempelt. Dann haben wir halt gesagt, probieren wir es erst mal so. Es lief auch eine
Weile, aber dann nachher [haben wir] es schon in den Gesprächen gemerkt: Ja, [das
Kind] macht schon mehr Arbeit als andere Kinder. Und dann wurde uns eigentlich schon
nahe gelegt, [das Kind] dann doch zu einem Integrationskind zu machen. Gut, wir haben
es jetzt auch hinterher nicht bereut, wir haben gesagt, das war schon richtig im Hinblick
auch auf Schule“ (kt5e1, 70). Da die Familie mit der Arbeit der Einrichtung sehr zufrieden
war, wurde auch das jüngere Geschwisterkind hier angemeldet – wenn auch mit einer
gewissen Skepsis, denn inzwischen waren die Mobilen Dienste eingeführt worden.
Auch Familie 6 hat nach einem Umzug einen Platz in einer Kindertageseinrichtung gesucht
und sich dazu gezielt verschiedene Einrichtungen angeschaut. Dabei haben sie
„über einen Zeitraum, ja von fast zwölf Monaten haben wir halt mitbekommen, sie wollten
[das Kind] nicht haben, weil sie den Mobilen Dienst nicht haben wollten“ (kt3e3, 4-12).
Einige Einrichtungen haben klar bekannt, „als behindertes Kind nehmen wir [es] nicht“
(kt3e3, 39-43). Das führte schließlich dazu, dass die Familie letztlich eineinhalb Jahre
nach einem Platz für ihr Kind suchen musste.
Familie 2 recherchierte gezielt im Internet, um eine neue passende Kindertagesstätte zu
finden, nachdem „Integration“ in der vorherigen Einrichtung total schief gelaufen war.
Hier wird deutlich, dass negative Erfahrungen mit anderen Regeleinrichtungen der Kindertagesbetreuung
in einigen Fällen den Ausschlag dafür gegeben haben, sehr genau
auf das Integrationskonzept der Einrichtung zu achten.
Das war auch bei Familie 5 der Fall. Sie lebte, als sie einen Platz in einer Kindertagesstätte
suchte, noch im Umland außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Landeshauptstadt
Wiesbaden. Es war äußerst schwierig, für das Kind mit Behinderung einen Platz zu
finden, da die wohnortnahe Kindertagesstätte sich praktisch weigerte, das Kind aufzunehmen.
„Da hat die Leiterin uns gesagt: ‚Ja, wir hatten noch nie behinderte Kinder, in
[Kommune] gibt es keine behinderten Kinder’. Und [sie] war da überhaupt nicht offen.
(…) Und das war für mich da, da würde ich [mein Kind] auch nicht hingeben, also wenn
so eine Einstellung da ist, also das war indiskutabel“ (kt3e2, 3-6). Bei der zuständigen
Kommunalverwaltung war das Problem bekannt, und daher war man bereit, einen Integrationsplatz
in einer Kindertagesstätte in Wiesbaden zu finanzieren.
Wie ausgeführt, hatten einige der befragten Eltern meist infolge eines Umzugs mit mehreren
Kindertagesstätten zu tun. Einzelne Kinder waren zuvor in Einrichtungen in anderen
hessischen Kommunen untergebracht, die alle noch „klassisch“ nach der Rahmenvereinbarung
arbeiten. Nach ihren Erwartungen gefragt, bezieht sich beispielsweise Familie
4 auf eine solche Einrichtung und gibt an, „dass [unser Kind] bei allem, was unternommen
wird in der Gruppe immer mit ist, das war z. B. in [Kommune], wo wir vorher
gewohnt haben, nicht der Fall. Da ist [unser Kind] mehr so nebenher gelaufen und wurde
nicht bei allen Aktivitäten mitgenommen, obwohl ich angeboten hatte, dann gehe ich
noch mit, aber da tat sich nichts“ (kt3e1, 8-11). Vor diesem Hintergrund schätzen die
Eltern die Betreuung in der neuen Kindertagesstätte ein: „Ich muss sagen, hier in [Kin-
40

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
dertagesstätte 3] lief es gut, es war alles transparent, man konnte darüber reden. Im
Kindergarten [in anderer hessischer Kommune] fand ich, gut es war ein anderes System,
es wurde sich sehr bedeckt gehalten, wie gesagt, ich habe keine Einsicht in die Unterlagen
vom Förderplan jemals bekommen. Und ich hatte den Eindruck, dass sozusagen die
so genannte Kraft, die eigentlich für [mein Kind] mit da ist oder die ihr helfen sollte, da
ein Plätzchen in der Gruppe zu finden, im Endeffekt eigentlich ein Springer ist, der halt,
wenn Personalmangel aus Krankheit, Urlaub oder sonst was ist, in den anderen Gruppen
mit eingesetzt wird. Und das ist nicht der Einzelfall gewesen, es gab noch andere
Kindergärten, die das so handhaben“ (kt3e1, 96-99).
Die vorstehenden Ausführungen sollen verdeutlichen, dass für die Wahl einer konkreten
Kindertageseinrichtung durch die Eltern verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle spielen,
die mehr oder weniger in einer Vorgeschichte begründet liegen. Vor diesem Hintergrund
müssen auch die Einschätzungen der Eltern eingeordnet werden, wenn sie über die Einzelintegration
durch Mobile Dienste und – zumeist – ihre Erfolge sprechen.
5.2 Kooperation mit dem Fallmanagement
Die Kooperation mit dem Fallmanagement ist für die befragten Eltern ein Thema von
nachgeordneter Bedeutung. Nach ihren Darstellungen haben sie alle im Zusammenhang
mit der Antragstellung in der Regel ein bis zwei direkte Kontakte mit der zuständigen
Fallmanagerin; danach gibt es offenbar nur noch sehr selten einen direkten Kontakt.
Auch für die Eltern tritt damit das Fallmanagement nach der Antragstellung in den Hintergrund
des Geschehens. Darüber hinaus wird – bis auf eine Ausnahme – auch der
Aufwand, der mit der Antragstellung verbunden ist, ebenso wenig erwähnt wie lange
Wartezeiten bis zum Beginn der Maßnahme.
Familie 1 erwähnt ein Förderplangespräch, ebenso das Hilfeplangespräch, welches aus
ihrer Sicht sehr gut verlief. Sie erinnert sich auch an die „erste Begutachtung“. Der letzte
Kontakt zum Fallmanagement bestand anlässlich des Hilfeplangesprächs, welches bald
ein Jahr zurückliegt.
Einen persönlichen Kontakt mit dem Fallmanagement gab es bei Familie 2 beim Erstgespräch
und zuletzt beim Hilfeplangespräch. Die Familie bewertet die Kooperation mit
dem Fallmanagement sehr positiv, „es ging überraschenderweise ruckzuck, nachdem
dann endlich klar war, wir haben einen bestimmten Kindergarten und der macht mit, ging
das eigentlich ganz schnell“ (kt2e1, 96-103). Man rechnet nicht damit, dass in Zukunft
eine intensivere Kooperation notwendig ist. „So einen tiefen Kontakt hatten wir ja nie gehabt,
ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die großartig in das Geschehen eingreifen,
sondern das ist mehr so ein Steuerungsorgan. Also von daher hatten wir zwei Kontakte
und das war es. Und ich denke, dass wir da auch nicht noch weitere Kontakte brauchen.
Es sei denn, es würde vielleicht irgendwas in der Art schief laufen, aber das ist ja im
Moment nicht“ (kt2e1, 96-103).
Nach Erinnerung der Familie 3 gab es zum Fallmanagement einen einzigen Kontakt: Da
wurde besprochen, was mit dem Kind gemacht werden soll. Weitere Kontakte gab es
nicht und sind auch nicht notwendig, “ich wüsste jetzt auch nicht, was ich da machen
soll, sag’ ich ganz ehrlich“ (kt2e2, 146-151).
Mit dem Antrag auf Eingliederungshilfe hat Familie 4 nicht so viel zu tun gehabt, das lief
über den Mobilen Dienst und die Kindertagesstätte. „Mit dem Verfahren, mit der Integrationsfachkraft,
mit der Antragstellung, das lief wie gesagt alles über den Kindergarten
und den [Mobilen Dienst], da habe ich nur meine Unterschrift zu geben gehabt“ (kt3e1,
100-101). Weiter erinnert sie sich an die Erstellung des Hilfeplans, was hilfreich war.
„(…), wir haben den Förderplan, den habe ich bekommen, oder wir sind ihn zusammen
auch dann anschließend durchgegangen, ich musste ihn auch mit unterschreiben, also
41

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
wie gesagt, es war alles sehr offen und transparent, was ich bei dem anderen [Kindergarten]
vermisst habe“ (kt3e1, 10-13).
Familie 6 erwähnt das Hilfeplangespräch und ein „Fazitgespräch“ am Ende der Förderphase.
„Es gab so, nennen wir es mal Kick-off, wo das halt besprochen wurde, was läuft
und wie es laufen soll, mit dem Kindergarten zusammen und dann halt auch Zwischenbericht
bzw. Zwischensitzung und dann noch mal dieses Fazitgespräch, wie ich es genannt
habe“ (k3e3, 161-169).
Einige Familien erwähnen das Fallmanagement noch knapper: Familie 5 hatte ein oder
zwei Mal wegen des Hilfeplans Kontakt mit dem Fallmanagement (kt3e2, 97-100). Familie
7 erwähnt, dass sie den Antrag auf Eingliederungshilfe beim Amt für Soziale Arbeit
gestellt hat. Vor kurzem gab es einen telefonischen Kontakt wegen des Übergangs in die
Schule. Familie 8 hat nur wenig Kontakt mit demAmt für Soziale Arbeit, vor allem im Zusammenhang
mit der Antragstellung.
Über anfängliche Probleme in der Kooperation mit dem Fallmanagement berichtet nur
eine einzige Familie. Familie 9 hat für beide Kinder eine Eingliederungshilfe beantragt.
Bei dem älteren Kind, welches noch nach dem alten Handlungskonzept betreut wurde,
hat es ein halbes Jahr gedauert, bis die Maßnahme endlich beginnen konnte. Da hat die
Mutter viel Druck machen müssen und häufig im Amt angerufen. „(…) am Anfang ging es
dann schwer voran, und halt dann immer wieder anrufen. Dann war keiner da und dann
war es die Vertretung, dann ging das Telefon nicht, also das war dann schon am Anfang
war es ein bisschen schwierig, bis man richtig rein kam. Und dann gut, da hatte ich auch
mal die [Sachbearbeiterin] mal persönlich kennen gelernt und seitdem läuft es eigentlich
sehr gut“ (kt5e1, 161-174). Deshalb hat sie den Antrag auf Eingliederungshilfe für das
jüngere Kind sehr frühzeitig gestellt und der Antrag wurde auch zeitig bewilligt – sie
musste dann aber viel Druck beim Mobilen Dienst machen, damit zu Beginn der Maßnahme
tatsächlich eine Integrationsfachkraft zur Verfügung stand.
5.3 Leistungserbringung in der Kindertagesstätte
Ziel von Rahmenvereinbarung und Mobilen Diensten ist es, die (Einzel-) Integration eines
Kindes mit Behinderung in einer Regeleinrichtung der Kindertagesbetreuung zu ermöglichen
und zu unterstützen. Das Kind mit Behinderung soll in den Alltag der Kindertagesstätte
eingebunden und an deren Aktivitäten teilnehmen können – eben mit Unterstützung
der Integrationsfachkraft. Ziel der Evaluation war es auch, diesem Alltag der
Einzelintegration durch Interviews mit betroffenen Eltern ein wenig auf die Spur zu kommen.
Es ist jedoch nicht möglich, das Alltagsgeschehen bei der Integration detailliiert nachzuzeichnen;
dazu müssten andere Erhebungsmethoden eingesetzt werden. So geht es im
Folgenden eher darum, einen ersten Überblick darüber zu bekommen, was wesentliche
Aufgaben und Herausforderungen und auch Lösungen im Alltag sind.
Es zeigt sich, dass das Tätigkeitsspektrum der Integrationsfachkräfte – nach den Erzählungen
der Eltern – weit gefasst ist und, in Abhängigkeit von der konkreten Beeinträchtigung
im Einzelfall, unterschiedliche Tätigkeiten erfordert. Jedoch wird auch aus den Erzählungen
der Eltern deutlich, dass Einzelförderung und Gruppenbezug im Einzelfall
unterschiedlich austariert werden. In jedem Fall ist die Integrationsfachkraft oft diejenige
Person oder Rahmenbedingung, die es dem Kind mit Behinderung erlaubt, auch an Aktivitäten
außerhalb der Kindertagesstätte regelmäßig teilzunehmen. Es wird durchgängig
darüber berichtet, dass das Kind mit Behinderung von den anderen Kindern gut angenommen
wird. „Einzelintegration“ scheint als Ansatz in den Kindertagesstätten akzeptiert,
denn, so die Eltern, auch die Gruppenerzieherinnen fühlen sich für das Kind mit
Behinderung verantwortlich und machen sich kundig. Immer wieder wird über Personal-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
fluktuation bei den Mobilen Diensten berichtet und dem (bisher) mit begrenztem Verständnis
begegnet.
Im Folgenden werden die genannten Aspekte des Alltags in der Kindertagesstätte aus
der Perspektive der befragten Eltern wiedergegeben.
Gestaltung des Alltags
Die für Familie 1 zuständige Integrationsfachkraft macht Einzel- und Kleingruppenförderung.
Das genaue Stundenkontingent der Integrationsfachkraft ist der Familie nicht bekannt,
ebenso wenig die Art der Aktivitäten im Einzelnen. Man weiß, an welchen Wochentagen
die Integrationsfachkraft tätig ist. Die Familie arbeitet gut mit der Gruppenerzieherin
zusammen, man hat in der Gruppe ein offenes Ohr für die besondere Situation
des Kindes und hat sich über einen angemessen Umgang mit den besonderen Anforderungen
informiert.
Bei Familie 2 arbeiten zwei Integrationsfachkräfte mit dem Kind, Details über Form und
Gründe dieser Arbeitsteilung innerhalb des Mobilen Dienstes sind der Familie nicht bekannt.
Für das Kind von Familie 3 ist die Integrationsfachkraft zur Zeit an zwei Tagen anwesend;
zu einem späteren Zeitpunkt sollen es drei Tage werden. Die Integrationsfachkraft
beginnt ihre tägliche Arbeit damit, dass sie intensiv allein mit dem Kind spielt. Die Familie
weiß nicht genau, wie sich die Erzieherinnen und die Integrationsfachkräfte die Arbeit
aufteilen. Der Kontakt der Familie zur Gruppenerzieherin erfolgt im Rahmen von Türund-Angel-Gesprächen.
Mit der Integrationsfachkraft trifft sich die Mutter regelmäßig (alle
drei Monate); dabei erhält sie eine Rückmeldung über die Entwicklung ihres Kindes.
Die Integrationsfachkraft arbeitet auch für ein anderes Kind in einer anderen Gruppe.
Das Kind der Familie 3 wurde in der Gruppe gut aufgenommen und hat einen intensiven
Kontakt zu mehreren anderen Kindern aufgebaut.
Für das Kind aus Familie 4 gibt es keine spezielle Förderung. Hauptaufgaben der Integrationsfachkraft
sind Unterstützung bei pflegerischen Tätigkeiten und Begleitung im Alltag
der Kindertagesstätte, vor allem ist die Fachkraft eine Vermittlerin zu den anderen
Kindern. „Also [das Kind] spielt nicht so von sich aus. Da wurden mit [dem Kind] die bunten
Ballons mal gemacht und da braucht [das Kind] immer Hilfe und Anleitung. Oder
wenn irgendwas gespielt wird, dann ist die Integrationskraft oder [das Kind] ist eigentlich
immer im Dunstkreis von der Integrationskraft gewesen, sie spielt dann eben immer mit,
ist sozusagen Vermittler zwischen [dem Kind] und den anderen Kindern“ (kt3e1, 24-37).
Die Integrationsfachkraft nimmt das Kind der Familie 4 immer mal wieder aus der Gruppensituation
heraus, wenn es zu unruhig wird. Die Integrationsfachkraft hat es möglich
gemacht, dass das Kind auch bei Außenaktivitäten mit dabei sein kann. Von solchen
Außenaktivitäten war das Kind in der Kindertagesstätte, in der es zuvor untergebracht
war, ausgeschlossen, dort hat man sich geweigert, das Kind mitzunehmen. Wie sich
Gruppenerzieherinnen und Integrationsfachkräfte die Arbeit aufteilen, weiß die Familie
nicht.
Das Kind aus Familie 5 kann mit Unterstützung der Integrationsfachkraft überall teilnehmen,
z. B. an Kleingruppenarbeit und auch an speziellen Aktivitäten wie Sport und
Ausflügen. Die Integrationsfachkraft kümmert sich in erster Linie um das Kind mit Behinderung.
Damit es nicht zu einer Isolation kommt, arbeitet sie aber häufiger in Kleingruppen
mit bis zu vier Kindern. „Was sie auch sehr gut macht, ist, dass sie es schafft, es ist
schon jedem klar, dass sie für [das Kind] da ist, aber die anderen Kinder haben immer
noch das Gefühl, sie ist auch für uns da, ja. Also es ist ja schwierig, weil es wäre für [das
Kind] auch sehr schlecht, wenn es so wäre, wie, als hätte [das Kind] jemanden, der [es]
die ganze Zeit an die Hand nehmen würde. Und ich finde, den Balanceakt kriegt sie ganz
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
gut hin“ (kt3e2, 45-48). Die Integrationsfachkraft ist nach Wahrnehmung der Eltern auch
für die anderen Kinder da und daher gut eingebunden in die Kindertagesstätte.
Die anderen Kinder in der Gruppe pflegen einen selbstverständlichen Umgang mit dem
Kind, nachdem ihnen das eine oder andere zu seiner Behinderung erklärt wurde. Dieses
Kind ist inzwischen ein akzeptiertes Gruppenmitglied. Auch alle beteiligten Erzieherinnen
setzen sich mit der Behinderung auseinander; z. B. wurde eine kreative Lösung gefunden,
damit das Kind mit Behinderung am Morgenkreis teilnehmen kann. Außerdem haben
sich die Erzieherinnen bereit erklärt, bestimmte tägliche Förderaktivitäten mit dem
Kind zu übernehmen, die die Leitung des zuständigen Mobilen Dienstes aus dem Förderplan
gestrichen hatte.
Das Kind der Familie 6 wird in die normalen Abläufe in der Kindertagesstätte eingebunden
und hat dabei kleine Dienste zu erfüllen wie andere Kinder auch (kt3e3, 151-160).
Für Familie 6 ist die Gesinnung, die Haltung der Einrichtung gegenüber Integration von
Kindern mit Behinderung entscheidend für die tägliche Arbeit. „Und ich denke, dass das
ein großer Punkt war, warum das so stattfinden konnte, weil es sich um eine Einrichtung
handelt, die früher die Integration selbst durchgeführt hat. Das heißt, die Kräfte waren
erstens erfahren und zum anderen auch von ihrer Gesinnung her bestrebt, diese Arbeit
leisten zu wollen, das möglich machen zu wollen, dass das eben geht“ (kt3e3, 37-38).
Die Eltern schreiben den erreichten Fortschritt vor allem dem Engagement der Kindertageseinrichtung
zu, wohingegen der Mobile Dienst als „Alibiveranstaltung“ gesehen wird
(kt3e3, 51-54).
Diese Familie ist unzufrieden mit dem Mobilen Dienst, weil es einige Probleme in der
Abstimmung mit der Leitung gab. So sollte der Maßnahmebeginn aus Personalmangel
zunächst aufgeschoben werden, so dass sich die Eltern beim Fallmanagement beschweren
mussten. Später wurde die Integrationsfachkraft ohne Rücksprache abgezogen, die
Eltern wurden erst einige Zeit später darüber informiert. Es kam auch kein Ersatz; man
ließ die Maßnahme ohne weitere Rücksprache mit den Eltern auslaufen.
Die Arbeit der Integrationsfachkraft selbst wird dagegen eher positiv gesehen. Es gab
keine sehr intensive Kooperation mit dieser Integrationsfachkraft; es wurde hauptsächlich
telefoniert bzw. wesentliche Informationen schriftlich ausgetauscht. Die Eltern wissen
nicht genau, welche Aktivitäten die Integrationsfachkraft im Einzelnen mit ihrem Kind
durchgeführt hat. Wichtig war ihnen vor allem das Gefühl, dass die Gruppe und die Erzieherinnen
durch die Integrationsfachkraft entlastet werden. Das hat es den Eltern leichter
gemacht, ihr Kind ohne schlechtes Gewissen in die Einrichtung zu bringen.
Das Kind der Familie 7 (mit Migrationshintergrund) hat kaum Kontakt zu den anderen
Kindern in seiner Gruppe, aber es versteht sich sehr gut mit den Erzieherinnen und der
Integrationsfachkraft. Auch an Gruppenaktivitäten beteiligt sich das Kind nur wenig, aber
immerhin bleibt es inzwischen zumindest in der Gruppe. In der Gruppe sind vier Fachkräfte
tätig; von zwei Personen kennt die Familie die genaue Funktion nicht. Welche Aktivitäten
die Integrationsfachkraft mit ihrem Kind durchführt, kann die Familie im Einzelnen
nicht sagen. „Nur während der Integrationszeit, was genau läuft, weiß ich nicht, aber
es bringt viel. Wenn es nichts gebracht hätte, dann hätte ich wahrscheinlich nachgefragt,
aber da es was bringt, war ich ruhig bis jetzt“ (kt4e1, 34-39).
Das Kind der Familie 8 beteiligt sich an allen Aktivitäten der Kindertagesstätte. Was die
Integrationsfachkraft genau tut, weiß auch diese Familie jedoch nicht. Dennoch ist sie
überzeugt, dass gute Arbeit geleistet wird. „Aber der Kindergarten ist mit der Integrationskraft
auch voll zufrieden. Wenn sie mal nicht für meinen Sohn da ist, dann ist sie in
den anderen Gruppen und hilft dort mit. Und die Kindergärtnerinnen werden hier unterstützt.
Das finde ich prima hier“ (kt4e2, 36-59). Die anderen Kinder haben das Kind mit
Behinderung gut aufgenommen.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Das ältere Kind der Familie 9 hat eine Behinderung und wurde seinerzeit, vor der Einführung
der Mobilen Dienste, in einer integrativen Gruppe betreut. Dem neuen Handlungskonzept
stand die Familie zunächst skeptisch gegenüber, da – nach ihrer Wahrnehmung
– nun mehr Kinder mit weniger Personal betreut werden müssen. „Aber ich
muss sagen, jetzt insgesamt läuft doch relativ gut. Also die Integrationsfachkraft, gut ist,
hat beides Vor- und Nachteile. Die Integrationsfachkraft ist sehr fixiert auf [unser Kind]
oder auch umgekehrt [das Kind] auf sie. Sie kommt jeden Tag drei Stunden zu [dem
Kind] und betreut [es] aber also wirklich komplett. Das ist ein ‚full service’, sag’ ich immer.
Also sie kümmert sich sehr um [das Kind], ist sehr engagiert, und es ist auch eine
spezielle Förderung quasi“ (kt5e1, 15-17). Demgegenüber war Integration in der integrativen
Kindertagesstätte anders; damals war „Behinderung“ normal, jetzt sind Kinder mit
Behinderung schon ein bisschen „exotisch“.
„Also es hat beides Vor- und Nachteile, also ich würde nicht sagen, das Eine ist besser
als das Andere, also es hat jetzt für [unser Kind] speziell ist es gut, dass [es] so eine intensive
Unterstützung hat, weil sie auch einfach mit uns mitarbeitet. Ich habe einen sehr
engen Kontakt zu ihr, wir sehen uns jeden Tag, wir tauschen uns aus, wir tauschen uns
über Arzttermine aus, sie geht auch mit in die Klinik, wenn wir ein Gespräch haben usw.,
sie ist da sehr engagiert“ (kt5e1, 26-29). Die Integrationsfachkraft arbeitet sehr intensiv
mit anderen Fallbeteiligten zusammen, z. B. Therapeuten, Frühförderstelle, usw. Die
Integrationsfachkraft geht bei Ausflügen und anderen Außenaktivitäten mit.
Die anderen Kinder haben das Kind mit Behinderung gut aufgenommen; sie waren von
Anfang an sehr offen; die Mutter sieht das auch als Ergebnis der Erziehungsarbeit der
Erzieherinnen an. Das Kind kann nicht alles mitmachen, aber es ist gut integriert: „Eigentlich
ganz gut, muss ich sagen. Natürlich fragen sie schon mal auch, wenn ich dann
komme und [das Kind] hole: Wieso sieht [das Kind] denn nichts? Und hat [das Kind]
noch nie was gesehen? Und warum denn? Und klar kommen solche Fragen, also sie
haben sich schon damit beschäftigt. Aber sie akzeptieren ihn also. Es ist oft, dass ich
komme, dann ‚Aah und [das Kind] und das ist meine [Freundin]’, und jetzt ja, [das Kind]
wurde auch auf einen Geburtstag eingeladen“ (kt5e1, 71-82).
Die Personalsuche zu Beginn hat eine ganze Weile gedauert. Zudem gab es einen Personalwechsel.
Die neue Integrationsfachkraft hat eine volle Stelle und betreut mehrere
Kinder in der Einrichtung. Das sind bessere Arbeitsbedingungen, denn sie ist flexibel und
kann auch mal tauschen. „Das ist eine gute Lösung“, sagt die Mutter. Der Kontakt zur
Leitung des Mobilen Dienstes war in der Antragsphase ausgeprägt; danach gab es dazu
wenig Anlass. Hauptsächlich hat die Mutter nunmehr mit der Integrationsfachkraft zu tun.
Kooperation mit den Eltern
Die alltägliche Kooperation mit den Erzieherinnen sowie den Integrationsfachkräften wird
von allen befragten Eltern zumindest als zufriedenstellend, oft jedoch als gut oder sehr
gut bezeichnet. Dabei variieren Formen und Intensität der Kooperation durchaus deutlich.
In so genannten „Tür-und-Angel-Gesprächen“ wird bei allen Familien eine regelmäßige,
tägliche Kommunikation mit den Erzieherinnen der Gruppe sichergestellt. Dabei geht es
um die gegenseitige Mitteilung von Ereignissen und Erlebnissen im Alltag der Kinder, zu
denen es zu Hause, bei Freunden oder auch in der Kindertagesstätte gekommen ist. Wo
Eltern ihre Kinder nicht persönlich abholen können, werden schriftliche Mitteilungen ausgetauscht,
wie z. B. bei Familie 7, wo die Erzieherinnen kleine Briefchen in den Rucksack
stecken. Zudem werden überall Elternabende besucht und Elterngespräche geführt.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Die Kommunikation mit den Integrationsfachkräften ist unterschiedlich organisiert und
hängt stark von deren (täglicher) Präsenz in der Kindertagesstätte ab. Es sind zwei Formen
erkennbar: Ein täglicher intensiver Austausch einerseits, ein auf verabredete Gespräche
konzentrierter Austausch bei Bedarf andererseits.
Von einigen Familien wird die Kooperation mit der Integrationsfachkraft als die im Vergleich
mit den Erzieherinnen oft intensivere und dichtere beschrieben. Bei Familie 3
klappt sowohl die Kooperation mit der Integrationsfachkraft als auch jene mit den Erzieherinnen
sehr gut. Allerdings ist der Austausch mit der Integrationsfachkraft intensiver.
„Wir sind auch öfter mal im Café, also was heißt öfters mal, so alle viertel Jahr einen Kaffee
trinken gegangen, und da hat sie mir erzählt, wo [das Kind] sich jetzt verbessert hat
und ob ich noch was hätte, wo ich noch unbedingt [hätte], dass sie ihm das noch beibringt
und, also das haben wir schon gemacht“ (kt2e2, 135). Die Kommunikation mit den
Erzieherinnen beschränkt sich dagegen auf Tür-und-Angel-Gespräche. Die Familie 4
wird jeden Tag in Tür-und-Angel-Gesprächen mit der Integrationsfachkraft über Vorkommnisse
im Alltag informiert. Persönliche Gespräche mit der Integrationsfachkraft ü-
ber Probleme oder Herausforderungen finden zusätzlich nach Bedarf statt. Das kam bisher
nicht sehr häufig vor. Über Entwicklungsfortschritte wird vorzugsweise im Rahmen
der (jährlichen) Anpassung des Förderplans gesprochen. Auch bei Familie 9 gibt es einen
sehr intensiven, täglichen Austausch mit der Integrationsfachkraft. Sie begleitet die
Familie auch zu Arztterminen. Auch mit den Erzieherinnen wird täglich gesprochen, aber
der Austausch ist weniger intensiv.
Es gibt eine andere Gruppe von Familien, da scheinen sich beide Kooperationen die
Waage zu halten. Bei Familie 5 werden die wichtigsten Informationen beim täglichen
Abholen mit der Erzieherin ausgetauscht. Darüber hinaus gibt es bei Bedarf Elterngespräche
mit der Integrationsfachkraft; zwischendurch wird telefoniert. Die Familie sieht
insgesamt einen „regen Austausch“. Der Austausch mit Familie 7 erfolgt bei Bedarf: Erzieherinnen
stecken Briefchen in die Tasche des Kindes oder die Integrationsfachkraft
wird direkt angesprochen. Es gibt zweimal im Jahr Elterngespräche mit Familie 8, um
den Entwicklungsstand des Kindes zu besprechen. Der Austausch mit der Integrationsfachkraft
erfolgt bei Bedarf.
Für eine Familie ist die Kooperation mit den Erzieherinnen bedeutender als die mit der
Integrationsfachkraft. Diese Familie findet immer ein offenes Ohr für ihre Anliegen, gerade
auch bei den Erzieherinnen, sie tragen die Integration aktiv mit. „Also wenn es irgendwo
ein Problem oder sonst was gibt, wenn es nicht gerade umfassend ist, kann
man direkt auf die Kindergärtnerin zugehen. Die haben da wirklich ein offenes Ohr für,
das ist ja das Schöne, die arbeiten sich wirklich in das Thema rein, die sind wirklich bei
der Sache“ (kt2e1, 48-49). Elternabende, Elterngespräche oder Elternessen finden etwa
alle drei Monate statt.
Nur Familie 6 könnte sich auch einen noch intensiveren Austausch vorstellen: „Es gibt
Gespräche mit der Integrationskraft, mit den Kindergärtnerinnen, aber ich habe irgendwo
gemerkt, die Zeitressourcen sind so knapp, das ist alles so knapp kalkuliert, dass da jetzt
nicht Ressourcen da sind, um intensiver zu verzahnen oder zu vernetzen“ (kt3e3, 16-17).
Die Familie hat zu den Erzieherinnen einen intensiveren Kontakt als zur Integrationsfachkraft,
da mit den Erzieherinnen beim täglichen Abholen immer gesprochen wird. Die
Integrationsfachkraft sehen sie dagegen nie persönlich; stattdessen wird telefoniert und
ein Tagebuch gepflegt und ausgetauscht, „aber es ist nicht diese Intensität da“ (kt3e3,
125-129).
46

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
5.4 Ergebnisse: Was kommt an?
Wenn in dieser Evaluationsstudie von „Ergebnissen“ gesprochen wird, dann ist damit
nicht ein kausaler, mit objektiven Messmethoden festzustellender Effekt gemeint, der
durch einzelne Instrumente oder Handlungen bewirkt worden wäre. Vielmehr geht es um
die Feststellung, was bei Eltern und Kindern „ankommt“, was sich nach ihrer Wahrnehmung
im Laufe der Kindergartenzeit entwickelt, was ihnen gut getan und was sie vorangebracht
hat. „Ergebnisse“ werden hier konsequent aus der Perspektive der Eltern dargestellt.
Dabei ist auch zu beachten, dass die Eltern die überwiegend geschilderten positiven
Ergebnisse nicht auf einzelne Aspekte oder Faktoren zurückführen, sondern Entwicklungsergebnisse
meistens im Zusammenhang sehen. Dies bedeutet, dass einzelne
Ergebnisse nicht den Mobilen Diensten oder der Kindertagesstätte oder anderen beteiligten
Fachkräften bzw. Institutionen exklusiv zugeschrieben werden können. Vielmehr wird
geschildert, dass viele Akteure an der Gesamtentwicklung beteiligt waren, wenn auch
meist nicht im Sinne einer gesteuerten oder geplanten Co-Produktion.
Wie die Eltern die Entwicklungsverläufe ihrer Kinder und den Stand am Ende der Kindergartenzeit
beschreiben, hat einiges mit ihren Erwartungen und auch ihrer Vorstellung
davon zu tun, was sie für eine gelungene Integration halten. So zeigt sich in allen geführten
Elterngesprächen, dass die Eltern nicht zwingend zwischen Erwartungen und Ergebnissen
trennen. Hier gibt es vielmehr fließende Übergänge, was, da es sich um eine retrospektive
Befragung handelt, auch methodische Gründe hat. Daher wird in der folgenden
Darstellung nicht zwischen Erwartungen und Ergebnissen getrennt.
Was halten die Eltern für eine gelungene Integration? Was ist ihnen wichtig? Da gibt es
eine Reihe von Gesichtspunkten, die von den Eltern immer wieder genannt werden.
Wichtig ist praktisch allen Eltern, dass ihr Kind am Gruppenleben teilnehmen kann,
dass es an möglichst allen Aktivitäten der Gruppe beteiligt wird und Kontakte zu anderen
Kindern knüpfen kann. Ihr Kind soll nicht nur nebenher „mitlaufen“. Daher gilt es,
seine besondere Situation zu berücksichtigen und entsprechende Hilfestellungen zu geben,
damit das möglich wird. Hier sehen die Eltern auch die besondere Rolle der Integrationsfachkraft
als „Vermittler“ oder „Übersetzer“. Viele Eltern sehen als wichtiges Ziel von
Integration, dass ihre Kinder ein möglichst hohes Maß an Selbstständigkeit erreichen.
Konkret genannt werden in diesem Zusammenhang z. B. Alltagsaktivitäten wie Anziehen,
zur Toilette gehen, usw., aber auch weitergehende Sprach- und Sozialkompetenzen.
Es wird auch deutlich, dass der Übergang zur Regelschule ein wichtiges Anliegen
ist. Von allen in der Kindertagesstätte tätigen Akteuren erwarten die Eltern zudem eine
bestimmte Grundhaltung gegenüber „Andersartigkeit“, genauer eine Offenheit, sich mit
dieser Andersartigkeit aktiv auseinanderzusetzen.
Das Kind der Familie 1 soll am Gruppenleben beteiligt sein „wie Peter, Lischen, Susanne,
alle anderen auch“. Die Eltern wollen das Kind später in eine Regelschule schicken,
deshalb ist es ihnen besonders wichtig, dass es ein bestimmtes Maß an Selbstständigkeit
erlernt. So führt die Mutter aus, „das hatte ich im Hilfeplangespräch auch gesagt, ich
möchte nicht, dass [das Kind] sich darauf verlässt, da ist jemand, sondern dass das wirklich
nur, ja ich nenne das mal ein doppeltes Netz ist, also das normale Netz sind die Erzieher,
die alles Mögliche auffangen und sagen, hier wir passen auf euch auf und wenn
ihr hinfallt oder wie auch immer, ihr fallt nicht irgendwo ins Bodenlose, sondern wir halten
euch. Das ist auch so mein Credo zu Hause, du musst das allein machen, ich bin da, ich
fange dich auf, aber tun musst du es allein. (…) Das war der Punkt, wo ich gesagt habe,
dass [die Integrationsfachkraft] im Grunde genommen noch mal so ein zweites Netz ist,
also was praktisch ein bisschen dichter ist, dass sie sagt, pass auf, ich sitze hier neben
dir, du hast einen ganz sicheren geschützten Rahmen, wo du das ausprobieren kannst,
weil das im Alltäglichen in der Gruppe nicht möglich ist. Das kann kein Erzieher leisten.
Dass [das Kind] noch mal so einen gesonderten Rahmen hat, wo [es] noch mal sich ge-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
sondert ausprobieren kann, um rauszufinden, wie [es] was machen muss“ (kt1e1, 92-
97).
Damit das Kind der Familie 1 Selbstständigkeit erlernen kann, so die Vorstellung der Eltern,
müssen allerdings seine speziellen Belange berücksichtigt werden, sodass z. B.
andere Mittel, Methoden und Vorgehensweisen eingesetzt werden, um dieses – für alle
Kinder gültige Ziel der Selbstständigkeit – auch tatsächlich zu erreichen. Das scheint
gelungen, denn die Familie berichtet, dass das Kind mehr Sozialkompetenz erworben
hat und selbstsicherer geworden ist.
Familie 2 wünscht sich für ihr Kind eine „spezielle Einfühlsamkeit“ (kt2e1, 82-85); seine
besonderen Bedürfnisse und Möglichkeiten sollen im Alltag berücksichtigt werden. Die
Eltern wünschen sich, dass das Kind in seiner Entwicklung nicht zu weit zurückfällt. Tatsächlich
hat das Kind in der neuen Kindertagesstätte nach Einschätzung der Eltern kleine
Fortschritte gemacht. Zwar hatte eine Entwicklungsdiagnose ergeben, dass das Kind
verglichen mit Gleichaltrigen weiter zurückgefallen ist. Für die Eltern aber zählt jeder
Fortschritt; der Vergleich mit anderen Kindern muss außen vor bleiben.
Für Familie 3 ist es wichtig, dass das Kind z. B. Alltagsaktivitäten selbstständig erledigen
kann. Auch die Vorbereitung auf die Schule ist den Eltern ein bedeutsames Anliegen.
„Also wichtig ist es halt auch, dass [das Kind] das mit dem Schreiben und so hin kriegt,
und da wär’s halt super, wenn die Kräfte das dann mit [ihm] schaffen würden“ (kt2e2,
177-178). Die Mutter stellt mit Blick auf Selbstständigkeit fest, dass ihr Kind inzwischen
allein seine Schuhe binden und zur Toilette gehen kann, usw. Es ist selbstsicherer und
offener geworden.
Familie 4 ist es wichtig, dass das Kind an allen Gruppenaktivitäten beteiligt wird. Dabei
soll mit der Behinderung des Kindes offen umgegangen werden. Tatsächlich gelang es
dem Kind, zu anderen Kindern Kontakt zu knüpfen. Es war zu Geburtstagen eingeladen.
Für die Eltern war es „ein immenser Fortschritt, dass [das Kind] Sachen mitgemacht hat,
dass [das Kind] überall dabei war, das fand ich schon mal einen Riesenfortschritt, dass
die anderen Kinder [das Kind] auch grüßen und sagen ‚Hallo’ oder ‚Wie geht es dir?’,
dass [das Kind] halt bekannt ist, in dem Sinne ist Fortschritt, und dass [das Kind] nicht
einfach so nebenher läuft. Also wenn [das Kind] da ist, dann ist [es] zwar nicht mittendrin
100prozentig, [es] steht aber auch nicht ganz am Rand außen vor, sondern [es] wird registriert“
(kt3e1, 80-87).
Das Kind der Familie 5 soll soweit wie möglich am Gruppenleben teilnehmen, aber bei
Bedarf – z. B. in speziellen Situationen oder bei besonderen Aktivitäten – auch die nötige
Unterstützung bekommen. Diese Balance zwischen „normaler“ Teilnahme am Gruppenleben
und Rücksichtnahme auf die besonderen Bedingungen des Kindes ist mit Hilfe der
Integrationsfachkraft aus Sicht der Eltern gut gelungen. „Dass praktisch die Integrationsfachkraft
[das Kind] begleitet hat, dass [es] sozusagen überall mit teilnehmen konnte.
Von zwei Erzieherinnen mit 20 Kindern, wenn die auch Sachen vorbereiten oder auch
beim Essen, kann nicht jeder mit [dem Kind] dann immer mal auf die Toilette gehen, das
erschwert die Arbeit in dem Sinne. Und wenn da praktisch einer für jemand abgestellt ist
oder ein Augenmerk hat und dann eben hilft, mit den anderen in Kontakt zu treten oder
versucht, Situationen zu schaffen, wo mehrere zusammenspielen können, das war
schon eine große Hilfe“ (kt3e2, 88-89). Aus der Perspektive der Eltern hat ihr Kind sich
enorm entwickelt und hat ein wesentliches Ziel erreicht: Es kann nun die Regelschule
besuchen. An diesem Erfolg hat auch die Kindertagesstätte einen wesentlichen Anteil,
die insgesamt bereit war, sich auf „Andersartigkeit“ einzustellen und ihre Gruppenprozesse
darauf abzustellen. Daher war eine enorme Entwicklung möglich, wie die Mutter
ausführt: „(…) also dass [das Kind] sozial absolut integriert war, also ich meine, als [es]
in den Kindergarten gekommen ist, (…) [das Kind] konnte nicht sprechen, [es] konnte mit
anderen Kindern nicht kommunizieren, [es] hat das alles gar nicht gelernt gehabt, das
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hat [das Kind] alles dort mit gelernt. (…) wir machen mit [unserem Kind] auch sehr viel,
aber der Kindergarten war entscheidend, würde ich schon so sagen. Also das ist für [das
Kind] auch einfach so diese absolute Normalität, dass [es] jetzt auch problemlos in die
Regelschule gehen kann“ (kt3e2, 109-110).
Auch für Familie 6 zählt die Grundhaltung, die im alltäglichen Umgang mit einem Kind
mit Behinderung zum Ausdruck kommt. „Aber am schönsten ist es ja, wenn ein Kind mit
Behinderung in eine Gruppe kommt und einfach so angenommen wird und ja, wenn es
Hilfe braucht, von Gleichaltrigen oder von den Kräften, die da sind, unterstützt wird, so
dass es nicht das Gefühl hat, dass es was Besonderes ist“ (kt3e3, 85-86). Wenn eine
solche Grundhaltung mit weiteren guten Rahmenbedingungen einhergeht, dann ist vieles
möglich: Das Kind der Familie 6 hat sich in der Kindertagesstätte wunderbar entwickelt,
„das ist explodiert“, wie sie sagen. Daran haben alle Beteiligten ihren Anteil, vor allem
auch die Aktivitäten der Kindertagesstätte selbst: Der Gruppe, der Erzieherinnen, der
Leitung. „(…) wir haben halt gesehen, [das Kind] ist in dieser Gruppe integriert, [es]
macht wunderbare Fortschritte, und das führen wir nicht alleine auf die sechs Stunden in
der Woche durch die Integrationskraft zurück, sondern auf die Gruppe insgesamt, auf
Zusammenarbeit“ (kt3e3, 167-171).
Familie 7 hat erwartet, dass sich ihr Kind mit Hilfe des Mobilen Dienstes besser integrieren
kann, insbesondere sein auffälliges Verhalten verändern kann: Das Kind war unkonzentriert,
ist mit Freunden nicht klar gekommen, hat alles kaputt gemacht, war insgesamt
auffällig. Mit Hilfe verschiedener Unterstützer wurden einige Ziele schon erreicht: „Ergotherapie
und Integration zusammen beides haben so viel gebracht, dass [das Kind] jetzt
ohne Weiteres mit seinen Freunden spielen kann, (…). Und [das Kind] wird dann auch
akzeptiert durch die Freunde“ (kt4e1, 6-11). An anderen Aufgaben muss noch weiter
gearbeitet werden, damit ein guter Übergang in die Regelschule gewährleistet werden
kann.
Das Kind der Familie 8 hat mehr Selbstvertrauen gewonnen, ist selbstständiger im Alltag
geworden und hat seine Sprachkompetenz verbessern können.
5.5 Zusammenfassung
Eltern und ihre Kinder sind – neben den Kindertagesstätten – die Leistungsadressaten
oder Nutzer, die das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ vorsieht. Für eine Einschätzung
der „Wirksamkeit“ des Handlungskonzepts ist es daher von zentraler Bedeutung, was bei
Eltern und Kindern ankommt: Was möglich wird und sich entwickeln kann. Zu dieser
Frage haben die Eltern in leitfadengestützten Gesprächen ausführlich Auskunft gegeben.
Für die Eltern steht eine im Alltag einer Kindertagesstätte gelebte Integration im Vordergrund.
Dabei hat Integration für diese Eltern eine gruppenbezogene und eine kindbezogene
Komponente: Die Kinder sollen erstens am Gruppenleben teilnehmen, alle Aktivitäten
mitmachen können und zu anderen Kindern Kontakte knüpfen. Und die Kinder
sollen zweitens eine größtmögliche Selbstständigkeit erreichen, indem spezielle Kompetenzen
gefördert und trainiert werden.
Teilnahme am Gruppenleben, ein höheres Maß an Selbstständigkeit – vieles davon wird
tatsächlich erreicht, jedenfalls berichten die befragten Eltern oft von großen, aber auch
von kleinen Fortschritten im Entwicklungsverlauf ihrer Kinder, die sie für wichtig halten.
Die meisten Eltern schreiben dieses Ergebnis nicht einer einzelnen Leistung oder einem
einzelnen Instrument zu. Für sie ist ein erreichter Entwicklungsfortschritt das Ergebnis
einer Gemeinschaftsleistung mit diversen Beteiligten: Der Erzieherinnen, der Integrationsfachkräfte,
der Frühförderstellen, der beteiligten Therapeuten. Und selbstverständlich
sind auch die Eltern selbst beteiligt; sie sehen sich jedenfalls durch verschiedene Formen
der Kooperation gut eingebunden.
49

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Die Kooperation mit dem Fallmanagement spielt für die Eltern eher eine zweitrangige
Rolle. Mit dem Fallmanagement haben sie zu tun, wenn der Antrag auf Eingliederungshilfe
gestellt wird und wenn, nach einer positiven Entscheidung, ein Hilfeplangespräch
ansteht. Für die Eltern scheinen dies formale Erfordernisse zu sein, die keiner ausführlichen
Kommentierung bedürfen.
Wie ausgeführt sehen die befragten Eltern die Kooperation mit Erzieherinnen und Integrationsfachkräften
überwiegend positiv. Gleichwohl fällt auf, dass etwa die Hälfte der Eltern
nicht genau sagen kann, was genau diese Fachkräfte für ihr Kind tun. Danach gefragt,
können diese Eltern über die Aktivitäten dieser Fachkräfte keine Angaben machen.
Für die positive Bewertung der Kooperation spielt dies aber offenbar keine Rolle.
50

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
6. Personalentwicklung und Qualitätssicherung
An die Einführung der Mobilen Dienste in Wiesbaden war auch die Erwartung geknüpft,
das für die Einzelintegration von Kindern mit Behinderung in Kindertagesstätten notwendige,
qualifizierte Fachpersonal besser bereit stellen zu können als nach der bisherigen
Verfahrensweise und generell eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung sicher zu
stellen. Mit einer Bündelung der Personalrekrutierung und –entwicklung bei den Mobilen
Diensten sollten schon länger bestehende Probleme bei der Personalgewinnung für Eingliederungshilfen
zur Einzelintegration in den Kindertagesstätten bewältigt werden. „Der
Aufwand und die bisherigen Schwierigkeiten jeder einzelnen Kindertagesstätte, in jedem
Einzelfall neu und nur für einen befristeten Zeitraum qualifiziertes Personal zu gewinnen,
werden dadurch deutlich minimiert. Mit festen Arbeitsplätzen bei einem Träger steigt
deutlich die Chance, für die anspruchsvolle Integrationsarbeit mit behinderten Kindern
auch das dafür notwendige gut qualifizierte Personal zur Verfügung zu haben und auch
langfristig zu binden“ (Eckpunktepapier 2006: 3).
6.1. Personalentwicklung
Fragen der Personalentwicklung spielten in allen geführten Gesprächen eine wichtige
Rolle, und zwar vor allem Personalbeschaffung und Personalwechsel. Beide Themen
stehen in einem engen Zusammenhang mit der Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei
den Mobilen Diensten.
Personalbeschaffung und Personalwechsel
Die Erwartung, dass sich mit der Einführung Mobiler Dienste auch die Personalbeschaffung
deutlich verbessern lässt, hat sich bisher so nicht erfüllt. Alle befragten Akteure berichten
von Problemen bei der Personalbeschaffung und solchen, die durch häufige Personalwechsel
entstehen, wenn auch durchaus mit unterschiedlicher Akzentuierung. Aus
der Perspektive des Fallmanagements besteht das strukturelle Problem der Personalbeschaffung
weiter (fmfk, 171-174). Wenn Integrationsfachkräfte noch oder wieder fehlen,
dann berührt dies die täglichen Betriebsabläufe der Kindertagesstätten elementar. Daher
äußern sich die Kindertagesstätten zu diesen Problemen besonders kritisch. Aber auch
einige Eltern haben schlechte Erfahrungen gemacht und thematisieren dies.
Ein wesentlicher Grund für Probleme der Personalbeschaffung ist der massive Fachkräftemangel
im Bereich der pädagogischen Fachkräfte. Der Ausbau der Kindertagesstätten
und Krippen sowie die Einführung einiger begleitender pädagogischer Programme haben
dazu geführt, dass der Arbeitsmarkt in Wiesbaden in den letzten Jahren leer gefegt wurde.
Mit diesem Fachkräftemangel sind alle Kindertagesstätten konfrontiert, wenn sie
neue Kräfte suchen, aber vor allem auch die Mobilen Dienste. Es kommt immer wieder
zu Wartezeiten zwischen der Bewilligung einer Eingliederungshilfe und dem Beginn der
Maßnahme, weil die Mobilen Dienste das passende Personal nicht zeitnah finden können.
Es kann acht Wochen dauern, manchmal auch noch länger, bis eine geeignete
Fachkraft für ein Kind gefunden ist (md1ltg, 37-43). Für die Kindertagesstätten sind diese
Wartezeiten „harte Zeiten“. „(…), wenn einfach keine Leute da sind und ständig Wechsel
gibt, man vertröstet wird mit Argumenten, die man nachvollziehen kann, weil man das
kennt, dass es irgendwie Personalmangel gibt oder klar, aber unter der Vorgabe, dass
das genau vom Mobilen Dienst ja aufgefangen wird und dass das da nicht passiert, dann
habe ich oft gedacht, war es vielleicht vorher doch besser. Und jetzt habe ich wieder die
Situation, dass ich einerseits ganz gute Leute habe und da, wo es nicht so gut läuft, denke,
es ist ja jetzt auch bald beendet“ (kt3ltg, 88-89).
51

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Aber nicht nur der schlechte Arbeitsmarkt, auch die möglichen oder zulässigen Strategien
der Personalbeschaffung beeinflussen die Wartezeiten zwischen Bescheid und
Maßnahmebeginn. Es gibt bei den Mobilen Diensten bislang nur einen begrenzten Mitarbeiterpool,
aus dem bei einer neuen Bewilligung geschöpft werden kann. Für eine
neue Maßnahme muss daher häufig auch eine neue Integrationsfachkraft gesucht werden.
„(…), aber es ist ja so, die Kolleginnen sind so eingebunden, dass sie keine zeitlichen
Spielräume zur Verfügung haben. Dann ist es überwiegend so, dass ich wirklich
jemand Neues suche. Also ich darf auch niemanden vorhalten, der dann einspringt, sondern
ich fange jedes Mal mit Personalgewinnung an, muss gucken, habe ich Bewerber,
Bewerberinnen, muss bei der Arbeitsagentur entsprechende Ausschreibung immer aktualisieren“
(md1ltg, 38-43). Anders mag es aussehen, wenn das Kindergartenjahr endet
und Maßnahmen dann geballt auslaufen. Die Fachkräfte, die dann frei werden, stehen
für neue Maßnahmen unmittelbar zur Verfügung. 14
Neben der schwierigen Personalbeschaffung war vor allem die Personalfluktuation ein
großes Thema in den Gesprächen mit Leitungen, Fachkräften und Eltern.
Familie 3 erlebt nach einer Maßnahmedauer von einem halben Jahr einen Personalwechsel.
Die Mutter war zunächst nicht begeistert, aber das Kind hat den Wechsel gut
verkraftet. Das Kind von Familie 4 wurde sowohl nach dem alten als auch nach dem
neuen Handlungskonzept betreut. Die Familie sieht keine großen Unterschiede zwischen
beiden Modellen, allerdings hat sie mehr von der Organisation und insbesondere von der
Personalsuche mitbekommen. Als kurz vor Ende der Kindergartenzeit die Integrationsfachkraft
abgezogen werden sollte, „da bin ich auf die Barrikaden gegangen und habe
hin und her telefoniert und E-Mails geschrieben zum [Mobilen Dienst] und habe gemeint,
das kann doch nicht angehen, weil sie wissen ja auch, wie [das Kind] reagiert, wenn
neue Personen kommen, mein [Kind] dreht dann auf, versucht wieder die Grenzen auszutesten
und wir haben das gleiche Spielchen wie ganz am Anfang, dass [das Kind] da
neben der Spur ist, das kann [die Leitung] doch nicht machen, einfach vier Wochen vor
der Kindergartenzeitende jemand Neues sozusagen vor die Nase zu setzen, der jetzt für
[das Kind] zuständig ist. Ich habe es durchgedrückt, dass [die Integrationsfachkraft] doch
noch bleiben konnte“ (kt3e1, 18-23). Familie 6 berichtet davon, dass die Integrationsfachkraft
aus Personalmangel abgezogen wurde und dass sie erst mit einer Verzögerung
von zwei Wochen davon unterrichtet wurde (kt3e3, 18); wenn die Integrationskraft ausfiel,
gab es keine Vertretung (ebenso Familie 9).
Die Kindertagesstätten sind nach Aussagen der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
weit mehr als früher mit Personalwechseln konfrontiert. Es gibt einen großen Personalwechsel
am Ende des Kindergartenjahres. Und hinzu kommt eine erhebliche Fluktuation
im Verlauf von Maßnahmen. „(…), die Situation haben wir auch, dass sozusagen
immer dann, wenn andere Maßnahmen auslaufen und neue beginnen, das ganze Karussell
von den Mitarbeitern des Mobilen Dienstes in Bewegung gerät, und dann kann es
14 Dabei ist es nicht zwingend, dass die frei werdenden Fachkräfte in derselben Kindertagesstätte
wieder eingesetzt werden, aber eine solche Praxis scheint nicht unüblich zu sein. „Es ist auch fortlaufend
dann, wir haben jetzt eine Maßnahme, die endet im Sommer und es beginnt eine im Sommer
und dann ist das automatisch, dass diese Kraft, die jetzt das eine Kind betreut, auch das nächste betreut.
Und da hatte ich heute Morgen eine Anfrage, ob wir uns das vorstellen können, und das habe
ich strikt verneint. Weil die Problematik eine ganz andere ist, und da wird nicht nach dem fachlichen
Hintergrund geguckt, was braucht das Kind, was kann die Pädagogin, die da ist, sondern das ist halt
einfach, die ist schon hier drin und dann macht die das auch“ (kt4ltg, 40-41). Wenn in diesem Fall
auch fachliche Gründe gegen einen weiteren Einsatz derselben Integrationsfachkraft sprechen mögen,
so kann es auch gute Gründe dafür geben: Denn für den Einsatz der Integrationsfachkraft in der
Kindertagesstätte ist, neben der fachlichen Eignung auch die Kooperation mit den Erzieherinnen sowie
die Kenntnis interner Abläufe von hoher Bedeutung – und letzteres muss beim Einsatz einer neuen
Integrationsfachkraft immer wieder neu aufgebaut werden.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Wechsel geben“ (kt3ltg, 12-15). Weil für die fallübergreifende Kooperation zwischen Integrationsfachkräften
und Kindertagesstätte keine Strukturen existieren (siehe Kapitel 4),
müssen bei jedem Personalwechsel die notwendigsten Absprachen neu ausgehandelt
werden. Das „stört“ die Betriebsabläufe in den Kindertagesstätten und kostet Zeit und
Kraft.
Die Mobilen Dienste, zumindest die Leitungen, sehen die gegebene Personalfluktuation
dagegen als „normal“ an (md1ltg, 46-53). Zu Personalfluktuation komme es (häufig) aufgrund
von Schwangerschaft, Umorientierung oder Abwerbung von Fachkräften. Fluktuation
sei vor allem am Anfang, in der Aufbauphase der Mobilen Dienste ein Problem gewesen.
Denn für die Integrationsfachkräfte der ersten Stunde sei nicht so klar gewesen,
was auf sie zukomme. Für viele Integrationsfachkräfte klärte sich das „Stellenprofil“ erst
in der praktischen Arbeit, und dementsprechend gab es einen hohen Anteil an Personen,
die sich schnell umorientiert haben. „Passiert jetzt natürlich immer seltener, weil wir
ziemlich genau wissen mittlerweile, was kommt auf die Mitarbeiter zu, das in Gesprächen
im Vorfeld sehr wohl klären können, auch ein bisschen, ich denke sicherer führen
können, weil wir einfach eher wissen, was ist und ich sage immer, ein stückweit mehr im
Vorfeld investieren, weil wir das Gefühl haben, dass es im nachhinein ruhiger läuft“
(md2ltg, 58-68).
Auch wenn manche „Kinderkrankheiten“ der Mobilen Dienste gelindert sein mögen – es
gibt doch etliche Hinweise, dass es neben „natürlichen“ auch einige „systembedingte“
Gründe für Personalfluktuation gibt, von denen angenommen werden muss, dass sie in
der Zukunft auch weiter bestehen werden.
Einen ersten Hinweis liefern die Integrationsfachkräfte selbst. Für eine Kontinuität bei der
individuellen Betreuung eines Kindes mit Behinderung zu sorgen, sehen die Integrationsfachkräfte
zwar als ein wichtiges Qualitätsmerkmal ihrer Fachlichkeit an. Diese Anforderung
konkurriert allerdings mit dem Wunsch der Integrationsfachkräfte nach „gesicherten
Stunden“ und damit einem gesicherten Einkommen. Diesem Interesse kann oftmals nur
durch Flexibilität beim Personaleinsatz nachgekommen werden (md2fk, 289).
Kindertagesstätten und Eltern führen die hohe Fluktuation beim Personal auf die ungünstigen
Arbeitsbedingungen bei den Mobilen Diensten zurück: Ob dies der Realität entspricht,
kann nicht festgestellt werden; insofern ist diese Auffassung „subjektiv“. Nach
Wahrnehmung der Befragten fallen die Löhne der Integrationsfachkräfte eher niedrig
aus, zudem seien sie nur mit einer begrenzten Stundenzahl in wechselnden Einsatzorten
beschäftigt. Ein Arbeitsplatz bei den Mobilen Diensten ist aus Sicht der Kindertagesstätten
und der Eltern daher wenig attraktiv. Das sei, so die Erfahrungen bisher, für viele
Integrationsfachkräfte wohl nur für den Übergang akzeptabel. Junge Berufseinsteigerinnen
nutzen den Mobilen Dienst als Sprungbrett, um einen Einstig in den Beruf zu finden,
und wechseln, sobald sie eine Stelle mit einer besseren Bezahlung finden. „(…) man
hatte so den Eindruck, es sind oft junge Mädchen, junge Frauen, die nach dem Studium
eben halt mal da anfangen, bis sie was Besseres haben. Das ist mit [unserer ersten Integrationskraft]
auch so gegangen, was dann, nach einem dreiviertel Jahr dann sagte
sie, okay, jetzt hat sie woanders einen besseren Job bekommen. Gut klar kann man
nichts machen, ist so. Die haben halt auch von der Stundenanzahl dann kein Vollzeitjob
gehabt, sondern immer nur, weiß nicht, einen dreiviertel Job oder so. Klar wenn die was
finden, wo sie dann besser bezahlt werden, mehr verdienen können, dann sind die weg“
(kt5e1, 42-51).
Bei Familie 5 wurde die Eingliederungshilfe zunächst auf der Grundlage des alten Modells
durchgeführt; mit der damals zuständigen Integrationsfachkraft war die Familie sehr
zufrieden. Um die Betreuung weiter durchführen zu können, musste die Integrationsfachkraft
ihren alten Arbeitsvertrag aufgeben und „hat sich beim [Mobilen Dienst] einen
53

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Vertrag zu viel schlechteren Konditionen geben lassen, um das machen zu können“
(kt3e2, 3-4).
Die Kindertagesstätten gehen davon aus, dass viele Integrationsfachkräfte keine optimalen
Arbeitsverträge bekommen haben, z. B. „befristete Stundenverträge“ (kt1ltg, 121-
127). „Außerdem ist es so, dass der Mobile Dienst zunehmend auch wegen nicht so guter
Arbeitsbedingungen, die bezahlen schlechter und haben manchmal, es mag auch
Leute geben, die es so wünschen, aber es sind manchmal Leute da, die an drei, vier
Einsatzstellen eingesetzt werden in verschiedenen Kindertagesstätten zu unterschiedlichen
Zeiten, d. h. die Arbeitsbedingungen sind nicht so bombig: Und damit wird es
schwierig für den Mobilen Dienst, noch gute Leute zu finden. Und da wir sowieso gerade
in der Situation sind, dass wir da Probleme haben, gute Leute zu finden, hat der Mobile
Dienst noch mehr das Problem“ (kt3ltg, 82-85).
Das Fallmanagement wünscht sich, dass mit den Integrationsfachkräften andere Arbeitsverträge
abgeschlossen werden (mehr Stunden pro Fachkraft, daher auch mehr
Flexibilität) (fmfk, 160-161).
Was ist dran an diesen Vermutungen? Wie sind die Arbeitsbedingungen der Integrationsfachkräfte
tatsächlich gestaltet?
Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsverträge bei den Mobilen Diensten weichen von den Tarifbedingungen für
Erzieherinnen in Kindertagesstätten ab, orientieren sich aber an gesetzlichen Regelungen
(md1ltg, 3). Die Fachkräfte der Mobilen Dienste arbeiten auf der Basis „fester Verträge“
(md2ltg, 110-111). Alle Integrationsfachkräfte sind sozialversicherungspflichtig
beschäftigt mit einem Stundenumfang zwischen 15 und 39 Stunden (md2ltg, 36-43). Arbeitsverträge
werden seit Sommer 2007 nicht mehr befristet, die Vergütung ist „noch
nicht leistungsentsprechend, aber ganz gut“ (md1ltg, 133-137).
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Übersicht: Beschäftigung von Integrationsfachkräften 15
Ausbildung
Dauer derzeitige
Beschäftigung
Anzahl
Kinder
Stundenumfang
MD1-01 Erzieherin 2,5 Jahre 1 Kind 12-25 Stunden ?
MD1-02 Ergotherapeutin Wenige Wochen 2 Kinder ? ?
Vorherige
Beschäftigung
MD1-03 Heilpädagogin 2,5 Jahre 2 Kinder 27 Stunden Integration
MD1-04 Krankenschwester 1,5 Jahre 1 Kind ? ?
MD1-05 Sozialpädagogin 9 Monate ? 16 Stunden ?
MD1-06 Erzieherin ca. 3 Jahre ? 20 Stunden ?
MD2-01 Sozialpädagogin ca. 3 Jahre 1 Kind 14 Stunden Wiedereinstieg
MD2-02 Sozialpädagogin 2 Jahre 1 Kind 16 Stunden Integration
MD2-03 Erzieherin ca. 3 Jahre 1 Kind 11 Stunden
MD2-04 Erzieherin? ca. 3 Jahre 1 Kind 15,5 Stunden
Integration
Wiedereinstieg
Integration
Studium
MD2-05 Erzieherin ca. 3 Jahre 1 Kind 8 Stunden Wiedereinstieg
Die Mobilen Dienste wurden in 2006 auch deshalb installiert, um mit ambulanten Hilfen
mehr Beweglichkeit zu erreichen und Maßnahmedauern flexibel zu gestalten. Es wird ein
hohes Maß an Flexibilität erwartet (md2ltg, 110-111). Die Übersicht zeigt nun, dass der
Stundenumfang tatsächlich stark variiert und damit ein wichtiges Programmziel erreicht
wurde.
Viele Fachkräfte sind offenbar nur für ein Kind zuständig und erreichen damit Stundenzahlen,
die häufig noch unter der Hälfte des Umfangs einer Vollzeitbeschäftigung liegen.
Hinzu kommt, dass der Stundenumfang sich ändern kann und, nach den Zielen des Programms,
sogar soll. Wenn sich aber der Stundenumfang ändert, wird auch die Bezahlung
dementsprechend angepasst. „(…) wenn das Kind fünf Stunden weniger braucht,
dann kriege ich fünf Stunden weniger bezahlt, fertig. Es sei denn, es gibt irgendwo ein
anderes Kind“ (md2fk, 64-69). „Man hat ja trotzdem nicht seine Stunden sicher. Keiner
garantiert, dass man seine 15 Stunden behält. Wenn man Pech hat, braucht das Kind
dann in der Woche sechs Stunden weniger, dann hat man nur noch neun. Dann muss
man überlegen, rechnet sich jetzt, die Fahrtkosten, das ist halt viel Aufwand“ (md2fk,
206-211). 16 Hinzu kommt, dass die Integrationsfachkräfte einmal im Jahr einen Entwicklungsbericht
zu schreiben haben, auf dessen Basis der Förderplan überprüft und ggf. der
Stundenumfang angepasst wird. Damit wird ein struktureller Konflikt geschaffen: Zwischen
fachlichen Anforderungen einerseits (wenn es z. B. ein Entwicklungsfortschritt des
15 Die Übersicht enthält Angaben zur Qualifikation der Integrationsfachkräfte, zur Dauer ihrer Beschäftigung
bei den Mobilen Diensten zum Zeitpunkt der Erhebung, zur Anzahl der Kinder, die die Integrationsfachkraft
derzeit betreut; zum Umfang der Beschäftigung in Wochenstunden sowie zu der Art einer
früheren Beschäftigung. Zur Spalte „vorherige Beschäftigung“: Integration heißt, dass diese Person
auch früher schon als Integrationsfachkraft tätig war, eben unter den Bedingungen des alten Modells;
Wiedereinstieg heißt, dass diese Person nach einer längeren Unterbrechung wieder in den Beruf zurückgekehrt
ist. Wo in den Zellen der Tabelle ein Fragezeichen gesetzt ist, sind zu dem Merkmal in
dem Interview keine Informationen enthalten.
16 Der Personaleinsatz in der Kindertagesstätte bzw. die Präsenz der Integrationsfachkraft ist an die
tatsächliche Anwesenheit des Kindes gebunden. Wenn also ein Kind krank oder im Urlaub ist, dann
kommt auch die zuständige Integrationsfachkraft nicht in die Kindertagesstätte, „also da gibt es ganz
strenge Auflagen“ (md2ltg, 16-23). Ob in diesem Fall auch die Bezahlung unmittelbar reduziert wird,
geht aus den Interviews nicht hervor.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Kindes mit Behinderung rechtfertigen würde, den Stundenumfang zu reduzieren) und
dem legitimen Interesse an einer auskömmlichen Beschäftigung andererseits. Einer
Betreuung von zwei oder mehr Kindern, womit die Stundenzahl theoretisch erhöht werden
könnte, sind nach den Aussagen der Befragten organisatorische bzw. logistische
Grenzen gesetzt: Denn die Kindertagesstätten haben überwiegend am Vormittag einen
Bedarf an Unterstützung und haben ein Interesse daran, dass die Fachkraft an möglichst
allen Wochentagen dabei ist.
6.2 Qualitätssicherung
Das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ sieht vor, durch Flexibilisierung bedarfsgerechte
und qualitativ hochwertige Eingliederungshilfen zu erbringen. Für die Umsetzung und
Weiterentwicklung des neuen Handlungskonzepts ist es von entscheidender Bedeutung,
dass der definierte Leistungsprozess fachlich unterfüttert, begleitet und überwacht wird.
Hierzu haben Fallmanagement und Mobile Dienste eine Reihe von Instrumenten entwickelt,
vor allem zur Dokumentation des Leistungsprozesses, zur fachlichen Entwicklung
(Fortbildung) und Teamentwicklung.
Dokumentation des Leistungsprozesses
Das Fallmanagement selbst dokumentiert hauptsächlich in Akten. Es gibt zwar eine
Software bzw. Fachanwendung, aber die funktioniert nicht gut für den definierten Leistungsprozess.
Ein passendes EDV-System, das auch Auswertungsroutinen bietet, soll
noch beschafft werden. Die Kosten für das neue Handlungskonzept werden mit Hilfe von
Berichten bzw. Auszügen aus dem Buchungssystem überwacht.
Für die Feststellung des Bedarfs hatte das Fallmanagement eine ganze Reihe neuer
Instrumente entwickelt: Neben einigen Formularen, die zum Antrag auf Eingliederungshilfe
gehören, ist die „Dokumentation der Bedarfsermittlung“ (Formblatt) durch die
Kindertagesstätten für das Assessment zentral. Hier haben die Kindertagesstätten die
Möglichkeit, den Bedarf eines Kindes mit Behinderung ausführlich aus ihrer Sicht darzulegen.
Darüber hinaus haben die Kindertagesstätten keine weiteren Dokumentationspflichten.
Stellungnahmen und Gutachten durch verschiedene Einrichtungen und Stellen
zur Situation des Kindes mit Behinderung sind ebenfalls konstitutiver Bestandteil des
Assessments. Wird grundsätzlich ein Bedarf anerkannt, wird die zu leistende Unterstützung
in einem Hilfeplangespräch unter Beteiligung von Fallmanagement, Eltern und Kindertagesstätte
besprochen und in einem Hilfeplan festgeschrieben. Wie ausgeführt, ist
die Bearbeitung dieses Prozessschrittes mit viel Aufwand verbunden und ein Grund dafür,
dass bis zur Bescheiderteilung viel Zeit vergeht.
Nach Bedarfsfeststellung und Bescheiderteilung ist die operative Leistungserbringung
Aufgabe der Mobilen Dienste. Zur Dokumentation der Umsetzung sind ebenfalls eine
Reihe von Instrumenten entwickelt worden. Nach der Beauftragung sollen die Mobilen
Dienste innerhalb von drei Wochen mit einem Formblatt zur Rückmeldung erste Angaben
zum Fall (Stundenumfang, Maßnahmebeginn, Fachkraft) machen. Diese formale
Rückmeldung funktioniert aus Sicht des Fallmanagements noch nicht reibungslos.
Zunächst entwickelt die Fachkraft des zuständigen Mobilen Dienstes einen Förderplan,
der, aus Sicht der beiden Mobilen Dienste, auch der Dokumentation dient. Er wird ca.
sechs Wochen nach Maßnahmebeginn erstellt, basiert auf einer Entwicklungseinschätzung
des Kindes mit Behinderung und definiert die operationalen Ziele der Eingliederung
und die einzelnen Arbeitsschritte sehr detailliert. Fallmanagement, Eltern und Kindertagesstätten
erhalten den Förderplan zur Kenntnis. Außerdem definiert der Förder- bzw.
Eingliederungsplan die Struktur für die Entwicklungsberichte, die die Mobilen Dienste
56

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
in einem definierten Turnus zu erstellen haben: Der erste Bericht soll nach einem halben
Jahr erstellt werden, alle weiteren Entwicklungsberichte sind einmal im Jahr fällig.
Für die Ausgestaltung des Leistungsprozesses sind diese Entwicklungsberichte von
zentraler Bedeutung. Dazu sei vor allem an die Ausführungen in Abschnitt 1.3 zu Fallmanagement
als Handlungskonzept erinnert. Hier heißt es zur Leistungssteuerung:
„Auch wenn Hilfeberechtigte an Dritte weiter verwiesen wurden, haben die Case Managerinnen
und Case Manager die Fallverantwortung inne, und dies bedeutet, dass sie
nicht nur wissen müssen, ‚wo’ die Klientinnen und Klienten sich befinden, sondern auch
stets (unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften) über den Stand der Beratung
oder Maßnahme informiert sein müssen. Im Rahmen der Leistungssteuerung
müssen deshalb Monitoring- und Rückmeldesysteme entwickelt werden, die innerhalb
des Netzwerks abgestimmt sind, d. h. sowohl die Zielorientierung des Case Managements
wie die fachlichen Kriterien der Kooperationspartner berücksichtigen“ (siehe Seite
16).
Für die weitere Leistungssteuerung im Fallmanagement der Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit
sind die erwähnten Entwicklungsberichte die wichtigste Informationsquelle:
Sie sollen Auskunft über den weiteren Fallverlauf geben. Im Sinne der Handlungslogik
eines Fallmanagements müssen diese Entwicklungsberichte dabei auch bestimmten
formalen Anforderungen genügen – vor allem müssen sie sich auf den Hilfeplan und die
in diesem Rahmen getroffenen (Ziel-) Vereinbarungen beziehen.
In der Praxis zeigt sich nun, dass die Leistungssteuerung auf Basis der Entwicklungsberichte
noch nicht richtig funktioniert. Das hängt damit zusammen, dass die Entwicklungsberichte
nach Einschätzung des Fallmanagements noch zu wenig an die Struktur der
Hilfepläne angedockt sind. Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Fallmanagements kaum nachvollziehen können, wie der Arbeitsauftrag im Einzelfall
konkret durchgeführt wird und inwieweit dabei die verabredeten Ziele bearbeitet werden
(können). Im Fallmanagement hat man den Eindruck, dass die Hilfepläne nicht (ausreichend)
als Arbeitsgrundlage für die Durchführung von Maßnahmen der Einzelintegration
in Kindertagesstätten genommen werden und sich die Eingliederungshilfen an anderen,
nicht nachvollziehbaren Arbeitszielen orientieren (fmfk, 134-155).
Um dieses Schnittstellenproblem zu bearbeiten, wurde eine gemeinsame Fortbildung
von Fallmanagement und Mobilen Diensten durchgeführt. Hier wurde gemeinsam entwickelt
und abgestimmt, wie einerseits Hilfepläne durch das Fallmanagement zu strukturieren
sind und wie andererseits die Mobilen Dienste auf diesen Hilfeplänen aufbauende
Entwicklungsberichte zu gestalten haben. Trotz Fortbildung und Absprachen orientieren
sich auch weiterhin etliche Entwicklungsberichte nicht an den Zieldefinitionen der Hilfepläne.
Hinzu kommt, dass Berichte immer wieder nicht termingerecht abgeliefert werden.
Aber auch interne, immanente Gründe erschweren offenbar die Steuerung des weiteren
Fallverlaufs. Wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fallmanagements berichten,
ist es kaum möglich, die Berichte konsequent einzufordern, denn „uns fehlt so ein bisschen
die Zeit, da tatsächlich bei den einzelnen Fällen dahinter zu bleiben und zu überprüfen,
ist das denn jetzt da“ (fmfk, 134-155). Man hat nicht so im Blick, ob die Berichte
jetzt da sind oder nicht. Es scheint so, dass das Assessment mit viel Aufwand betrieben
wird, dann aber für Aufgaben der weiteren Begleitung und Steuerung zu wenige Ressourcen
verwendet werden.
Nicht nur für das Fallmanagement, auch für die Kindertagesstätten sind die Entwicklungsberichte
von Bedeutung. Zwar ist allen klar, dass Entwicklungsberichte über den
Verlauf der Maßnahme durch die Mobilen Dienste zu erstellen sind, aber die Kindertagesstätten
wollen daran beteiligt werden. „(…), da muss was klargestellt werden, wie die
von wem zustande kommen, die Berichte“ (kt4ltg, 66-69). Hier scheint die Praxis sehr
unterschiedlich gestaltet und vom individuellen Arbeitsstil der Integrationsfachkraft ge-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
prägt zu sein. Manche Kräfte diskutieren die Berichte mit ihren Kolleginnen in den Kindertagesstätten
und nutzen dies auch zur fachlichen Verständigung, andere sehen die
Berichterstellung als „exklusive“ Aufgabe an. „Also wenn man so will, die gehen doch in
den Gruppen total unterschiedlich damit um. Sie hat noch gesagt, sie macht ihre Einträge
und fertig, das hat sie und gut ist. Da haben wir gesagt, wir würden das auch gerne
mal sehen, was du aufschreibst. Bei der einen Kollegin sind wir komplett außen vor, die
bespricht auch alles mit [der Leitung], was sie mit dem Kind machen will, nicht mit uns,
sondern mit [der Leitung] und die andere Kollegin (…) bespricht auch mit uns mal, was
sie machen will, die ist auch schon länger da. Die andere Kollegin ist erst seit Januar da,
das muss man auch dazu sagen“ (kt4fk, 67-76).
In der Berichterstellung spiegelt sich wohl die teils schwierige, sehr unterschiedlich gestaltete
Kooperation zwischen Kindertagesstätten und Mobilem Dienst insgesamt.
Die Kindertagesstätten sind auch darüber hinaus an der Dokumentation des Leistungsprozesses
kaum beteiligt. Bis auf die Erstellung der erwähnten „Dokumentation der Bedarfsermittlung“
sind keine Pflichten definiert. Die Kindertagesstätten wenden für ihre
internen Betriebsabläufe eigene Dokumentationsmethoden an. Dabei wird einerseits die
Entwicklung der Kinder, andererseits die Kommunikation in Dienstbesprechungen dokumentiert.
Diese Systeme scheinen von Kindertagesstätte zu Kindertagesstätte beträchtlich
zu variieren. Die interviewten Leitungen und Fachkräfte nennen Beobachtungs- bzw.
Entwicklungsbögen, Entwicklungsberichte für jedes Kind, „Lerngeschichten“, Tagebücher,
Karteikarten, Protokolle und Aktennotizen. Für die städtischen Kindertagesstätten
existiert ein Qualitätshandbuch, in den katholischen Einrichtungen wurde gerade das
„Kids-Programm“ als Fachsoftware mit eigener Dokumentationssystematik eingeführt.
Der Mobile Dienst 1 baut derzeit ein Qualitätsmanagementsystem auf, dabei ist für die
definierten Prozessabläufe auch festgelegt, wie zu dokumentieren ist, z. B. wie Fördereinheiten
zu dokumentieren sind. Demnächst sollen auch Entwicklungsstandsmessungen
nach einer vergleichbaren Systematik festgehalten werden. Über alle Gespräche
mit Eltern, Erzieherinnen, Therapeuten, Fachstellen usw. werden routinemäßig Gesprächsprotokolle
erstellt. Einmal im Jahr wird ein Elternfragebogen verteilt und ausgewertet.
Auch der Mobile Dienst 2 hält alle relevanten Gespräche in Protokollen fest, die in den
Fallakten abgelegt werden.
Fachliche Entwicklung, Teamentwicklung
Beim Mobilen Dienst 1 gibt es drei Teams, nachdem das „Großteam“ wegen fehlender
Effizienz abgeschafft wurde. Teambesprechungen finden etwa alle drei Wochen statt.
Auf der Homepage der Einrichtung wurde ein Forum eingerichtet, wo sich die Integrationsfachkräfte
auch in der Zwischenzeit laufend per E-Mail austauschen können. Einmal
im Jahr wird eine Inhouse-Schulung zu einem Schwerpunktthema durchgeführt, die für
die Integrationsfachkräfte verpflichtend ist. Bisher wurden folgende Themen bearbeitet:
Motorische Entwicklung, Psychomotorik, Sprachentwicklung, grafomotorische Entwicklung,
unterstützte Kommunikation, QUINT. Neue Kolleginnen werden durch Patenschaften
auf den erreichten Stand gebracht. Es gibt weitere Fortbildungsangebote, die auf
freiwilliger Basis wahrgenommen werden können. Ein jährlicher Konzeptionstag, ein interner
Arbeitskreis „Unterstützte Kommunikation“ und eine Fachbibliothek dienen ebenfalls
der fachlichen Weiterentwicklung.
Teambesprechungen finden beim Mobilen Dienst 2 alle zwei Wochen statt, hier werden
organisatorische Fragen geklärt. Jede Fachkraft nimmt zudem an einer der insgesamt
drei Supervisionsgruppen teil, hier findet ein intensiver Austausch statt. Es kommt immer
mal wieder dazu, dass die Integrationsfachkräfte in den Kindertagesstätten mit Ableh-
58

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
nung und Anfeindungen bis hin zu Mobbing konfrontiert werden. Für solche besonders
schwierige Situationen in den Kindertagesstätten ist beim Mobilen Dienst 2 ein Coaching
vorgesehen.
In den Kindertagesstätten scheint es keine speziellen Fortbildungsangebote zur „Einzelintegration“
zu geben; jedenfalls wurde davon nichts berichtet.
6.3. Zusammenfassung
Die Mobilen Dienste wurden in Wiesbaden auch mit dem Anspruch und der Erwartung
eingeführt, durch eine Umorganisation der Leistungsprozesse schon länger bestehende
Probleme bei der Beschaffung von Fachpersonal für die Einzelintegration zu bewältigen.
Ein weiteres Ziel war es, die Qualität der Leistungen zu steigern.
Die Personalbeschaffung ist, trotz Bündelung bei den Mobilen Diensten, auch weiterhin
ein schwieriges Geschäft. Oft vergehen nach Erteilung des Leistungsbescheids mehrere
Wochen, bis die Maßnahme beginnen kann. Da die Mobilen Dienste bislang nur auf ein
begrenztes Personalreservoir zurückgreifen können, muss das passende Fachpersonal
häufig erst gesucht werden. Das kostet seine Zeit, vor allem in einer Arbeitsmarktsituation,
die in Wiesbaden durch einen massiven Fachkräftemangel im pädagogischen Bereich
geprägt ist.
Von der Personalbeschaffung getrennt sind Personalwechsel zu sehen. Solche Personalwechsel
kommen nach Aussage der Kindertagesstätten häufiger als früher vor und
stellen eine Herausforderung für die Organisation der internen Betriebsabläufe der Kindertagesstätten
dar – jeder Personalausfall und -wechsel „stört“ die Abläufe und macht
Notlösungen erforderlich.
Es gibt einige Anzeichen dafür, dass Personalwechsel „systembedingt“ sind. Die Arbeitsbedingungen
sind zwar verbessert worden (keine befristeten Verträge), aber vor
allem der Stundenumfang führt dazu, dass die Arbeitsverträge nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen
interessant sind. Das trifft vor allem auf Personen in beruflichen und
familiären Übergangssituationen zu wie Berufseinsteigerinnen, Wiedereinsteigerinnen
und Studierende.
Um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung sicherzustellen, sind eine Reihe von
Instrumenten zur Qualitätssicherung entwickelt worden. Im Zentrum der Qualitätsentwicklung
stand bisher die Dokumentation des Leistungsprozesses, dabei wurde vor allem
für das Assessment eine Vielzahl von Instrumenten entwickelt, die sich in der Praxis
zu bewähren scheinen – jedenfalls wurde hier kein Veränderungsbedarf thematisiert.
Kritisch ist aber die Verknüpfung der Hilfepläne mit den durch die Mobilen Dienste erstellten
Förderplänen. Das zeigt sich vor allem bei der Erstellung der Entwicklungsberichte,
die sich nach Aussage des Fallmanagements bisher meist nur „locker“ auf die
Systematik der Hilfepläne beziehen. Für eine Steuerung des Leistungsprozesses, die
Grundaufgabe jeder Art von Fallmanagement, ist die Rückkoppelung der Leistungserbringung
an definierte Ziele jedoch zentral. Hinzu kommt, dass es die gegebenen zeitlichen
Ressourcen dem Fallmanagement nicht erlauben, jedem fälligen, aber nicht gelieferten
Bericht nachzuspüren. Während also das Assessment mit großem Aufwand betrieben
wird, ist die Steuerung des weiteren Fallverlaufs noch auszubauen.
Für die fachliche Entwicklung haben beide Mobilen Dienste jeweils eigene Konzepte
entwickelt, die sich deutlich unterscheiden.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
7. Weiterentwicklung des Handlungskonzepts
Das Evaluationsdesign, welches für die vorliegende Studie gewählt wurde, setzt darauf,
alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen und jeweils aus der Perspektive jedes einzelnen
Akteurs zu hören, wie Einzelintegration mit Unterstützung durch einen Mobilen
Dienst in einzelnen Einrichtungen der Kindertagesbetreuung umgesetzt wird. Alle Befragten
wurden auch gebeten, die Umsetzung zu bewerten und ggf. Verbesserungsvorschläge
zu formulieren. Im folgenden Kapitel wird nun zusammengestellt, was, aus unterschiedlichen
Perspektiven betrachtet, gut läuft und was noch zu verbessern wäre. Am
Ende werden die unterschiedlichen Perspektiven in einer Zusammenfassung zusammengeführt
und abgeglichen.
7.1 Aus Sicht des Fallmanagements
Was gelungen ist
Der „Mobile Dienst“ trägt in Wiesbaden dazu bei, dass sich „Einzelintegration“ in Einrichtungen
der Kindertagesbetreuung als sozialpolitisches Konzept weiter durchsetzt: „Wir
haben immer weniger Kinder in immer mehr Einrichtungen, mehr muss man nicht sagen“
(fmltg, 149). Damit ist gemeint, dass in Wiesbaden inzwischen (wieder) weniger Kinder
als zuvor – unmittelbar vor Einführung der Mobilen Dienste – zu „Integrationskindern“
gemacht werden und in Fällen, wo ein Bedarf erkannt ist, die Kinder nicht auf wenige
Einrichtungen konzentriert, sondern auf eine Vielzahl von Einrichtungen verteilt werden.
Damit wird ein längerfristiger Trend des Abschieds von Sondereinrichtungen fortgeschrieben,
der in Hessen schon seit den 1990er Jahren durch die Rahmenvereinbarung
„Einzelintegration“ und dann ab 1999 durch die Rahmenvereinbarung „Integrationsplatz“
in Gang gesetzt wurde.
Das neue Fallmanagement in der Koordinierungsstelle für Behindertenarbeit hat die
Leistungsprozesse besser in der Hand als seinerzeit die zuständige Sachbearbeitung
nach dem alten Modell; es wird jedenfalls punktuell mehr in die Fallarbeit einbezogen.
Die Bedarfsprüfung ist anders organisiert und intensiver, so dass die Fallzahlen wieder
zurückgegangen sind. Insgesamt kommt mehr bei den Kindern an (fmfk, 160-163). „Mindestens
genauso wichtig ist aber, dass den Eltern das Vorgehen und die Entscheidungsfindung
nachvollziehbar werden. Was mindestens genauso eine große Rolle spielt ist,
dass der Hauptinteressent der Leistungsgewährung nicht mehr die Kindertagesstätte ist,
sondern die Eltern für ihr Kind und dort gehört es hin. Also das sind gewollte Effekte“
(fmltg, 142-147).
Was zu verbessern wäre
Das Antragsverfahren kann sich über Monate hinziehen, es kann zu langen Wartezeiten
zwischen Antragstellung und Leistungsbescheid kommen. Das ist nicht im Sinne des
Fallmanagements. Derzeit wird geprüft, welche Möglichkeiten es gibt, das Verfahren zu
straffen (fmfk, 128-129). Eine zweite Wartezeit kann zwischen Leistungsbescheid und
Maßnahmebeginn auftreten, wenn Personal gesucht werden muss. Eines der Ziele des
neuen Handlungskonzepts, Wartezeiten zu verkürzen, konnte daher bisher nicht erreicht
werden.
Hilfeplan und Förderplan müssen noch besser abgestimmt werden, insbesondere die
Rückkoppelung der Entwicklungsberichte der Mobilen Dienste an den Hilfeplan. Wegen
der Arbeitsbelastung der Fallmanagerinnen und –manager bzw. knapper personeller
Ressourcen ist es nur eingeschränkt möglich, nach der Bescheiderteilung auch die weitere
Fallentwicklung im Blick zu haben und zu steuern. Es ist angedacht, die finanzielle
Abwicklung aus dem Fallmanagement auszugliedern und zunächst Dokumentationssys-
60

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
tem und Berichtswesen zu professionalisieren, damit die Kernaufgaben des Fallmanagements
besser wahrgenommen werden können.
Eine fallübergreifende, institutionalisierte Kooperation mit Kindertagesstätten und Eltern
muss noch aufgebaut werden (fmltg, 122-124). „Also ich wünsche mir eigentlich noch ein
bisschen mehr Zeit, um die Kooperationen mehr in den Blick zu nehmen, sowohl mit den
Mobilen Diensten, ich denke, da sind so Prozesse wie Berichtswesen, Entwicklung steht
an, da muss man immer wieder mal hingucken und den Prozess irgendwo verfolgen und
weiter vorantreiben. Und auch die Kooperationen mit den einzelnen Kindertagesstätten
ist ja zum Teil auch ein schwieriger Bereich, der schon auch konflikthaft gelaufen ist und
wo wir auch immer wieder hingucken müssen und was anbieten müssen an Weiterentwicklung,
um da die Kooperation auch in Zukunft konstruktiv zu gestalten“ (fmfk, 128-
129).
Schließlich fehlt eine Steuerungsgruppe, die sich übergreifend mit der Weiterentwicklung
des neuen Handlungskonzepts beschäftigt.
7.2 Aus Sicht der Mobilen Dienste
Was gelungen ist
Mobiler Dienst 1
Das neue Handlungskonzept wird grundsätzlich positiv gesehen (md1fk, 247-251). Im
Fokus steht der individuelle Bedarf des Kindes. Es kommt mehr Leistung bei den Kindern
an als früher. Die Leistungen sind klarer definiert; im Gegensatz zu früher gibt es
heute eine Stellenbeschreibung für diese Tätigkeit (md1ltg, 124-127). Es ist weit besser
als unter dem früheren Handlungskonzept möglich, im Sinne des Kindes mit anderen
Fachkräften zusammenzuarbeiten. Die Kooperation ist viel umfassender als früher. „Also
ich denke, was gut läuft und worüber ich auch sehr froh bin, ich kenne ja beide Seiten…
Als Heilpädagogin in einer Kindertagesstätte in einer heilpädagogischen Gruppe war der
Kontakt, was gerade interdisziplinäre Arbeit angeht zu den Therapeuten, zu den Ärzten,
zu verschiedenen Fachdisziplinen, so nicht möglich, aufgrund von Zeit, einfach Bedingungen,
die da waren, die jetzt schon gegeben sind. Und das empfinde ich als sehr positiv
vom Mobilen Dienst, weil das einfach ein stückweit das Kind auch in den Vordergrund
rückt“ (md1fk, 225-232).
Der Mobile Dienst versammelt in seinem Mitarbeiterpool ein äußerst breites Erfahrungsund
Qualifikationsspektrum. Auf diese Ressourcen kann jede Fachkraft potenziell zurückgreifen,
sich von einer Kollegin gezielt einen Rat holen oder über fachspezifische
Fragen informieren lassen. „Ich finde, das macht auch einfach das Team aus, dass wir
sehr bunt gewürfelt sind, und in einer Regeleinrichtung hast du niemanden, der Ergotherapeut
ist und der fest angestellt ist, die ich löchern kann und fragen und nachhaken
kann. In einer Regeleinrichtung hast du keine Krankenschwester angestellt, die man befragen
kann, wo man sich Hilfe holen kann. Und ich finde, das ist schon ein Vorteil von
unserem Team, dass wir aus so unterschiedlichen Fachbereichen kommen, auch mit
unterschiedlichen Vorerfahrungen“ (md1fk, 231).
Es gibt große Handlungsspielräume bei der Gestaltung der Arbeit. „Dass wir auch in der
Gestaltung unserer Arbeit, dass wir freie Hand haben, das ist total, das ist mein eigenes
Ermessen und das frei gestalten kann und auch so flexibel bin“ (md1fk, 225-232).
Mobiler Dienst 2
Das neue Handlungskonzept ist grundsätzlich positiv zu sehen, weil für Eltern und Kinder
mehr Zeit da ist und auf deren Bedarfe viel genauer eingegangen werden kann
61

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
(md2fk, 249-251). Überhaupt stehen die Bedarfe des Kindes mit Behinderung im Vordergrund,
nicht die Personalnöte der Kindertagesstätte. Hier ergeben sich immer wieder
Konflikte mit der Kindertagesstätte. Wo ist die Grenze zu ziehen? Zudem war der Stundenumfang
bisher restriktiv festgelegt, d. h. es gab definierte Zeiten, von denen nicht
abgewichen werden dürfte. Das machte es schwer, die Kindertagesstätten bei Projekten
oder Außenaktivitäten zu unterstützen. Der Mobile Dienst 2 will von diesem Modus abweichen
und flexiblere Formen des Arbeitseinsatzes einführen. „Arbeitszeitkonten gab
es bis dahin nicht, die richten wir jetzt ein, wo wir sagen, wir wollen flexibel arbeiten, d. h.
wenn eine Waldwoche ist, gehen wir auch mal 40 Stunden in der Woche mit. Es ist nur
klar, liebe Kita, dass diese 30 Überstunden abgebaut werden müssen“ (md2ltg, 33).
Es ist von Vorteil, dass die Integrationsfachkräfte von außen kommen und nicht zum
Team gehören (md2fk, 249-251). So müssen sie sich nicht zur Loyalität verpflichtet fühlen
und können sich einen anderen Blick auf das Geschehen erlauben. „Und was ich
auch gut finde jetzt an diesem Modell ist eben, dass wir wirklich von außen kommen,
dass wir also nicht in diesem Team drin sind, weil ich finde es total wertvoll, dass man
einfach nur mal einen anderen Blick hat. Und das finde ich, ist auch für die Eltern wertvoll,
weil oftmals ist ja auch in diesen Teams dann so, da spielen sich unglaublich viele
Dinge ab. Und da ist man oft auch so befangen mit Kolleginnen und was weiß ich, und
damit haben wir ja nichts zu tun, wir kommen und wir gehen“ (md2fk, 280-290).
Was zu verbessern wäre
Mobiler Dienst 1
Vor allem in Einrichtungen, die zuvor keine Einzelintegration betrieben haben, fehlt es an
Wissen zu diesem Thema. Es gibt auch keine Fortbildung dazu (md1fk, 252-256). Es
fehlt an Material, Ausstattung und Hilfsmitteln, die für Kinder mit Behinderung genutzt
werden können. Kindertagesstätten müssen sich aber noch besser auf Kinder mit Beeinträchtigungen
einstellen, also im Alltag noch viel stärker berücksichtigen, wie ein Kind mit
Behinderung in alle anstehenden Aktivitäten eingebunden werden kann.
Es sei sehr lobenswert, wenn Einrichtungen der Kindertagesbetreuung ein Kind mit Behinderung
aufnähmen. Aber oft seien diese Einrichtungen nicht ausreichend auf diese
neue, anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet. Allein die Bereitschaft, dies zu tun, reiche bei
weitem nicht aus. Vielmehr müsse sich die Einrichtung schon im Vorfeld überlegen und
genau planen, was getan werden muss, damit ein solches Kind in der Einrichtung zurecht
kommt und sich wohl fühlen kann. Denn die Kindertagesstätte sei ja in erster Linie
für die Betreuung dieses Kindes verantwortlich, nicht der Mobile Dienst. Daher müssten
sich die Kindertagesstätten noch stärker mit der neuen Aufgabe auseinandersetzen und
sich klar machen, welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden
müssen, damit die Einzelintegration von Kindern mit Behinderung funktionieren
kann. „Und da sind wir immer wieder dran, das zu erklären. Also da würde ich mir wünschen,
dass man vielleicht auch mal, ich spinne jetzt mal, so einen Kriterienkatalog festbinden,
so einen Integrationsführer schreiben, den Einrichtungen machen müssen, also
sich damit auseinander zu setzen. Das geht nicht einfach nur so, ein Kind aufzunehmen
und das war es dann“ (md1ltg, 118-123).
Kindertagesstätten sind über Aufgaben und Arbeitsweise der Mobilen Dienste oft nicht
gut informiert, das führt häufig zu Irritationen und Missverständnissen. So entstehen in
der alltäglichen Zusammenarbeit in der Kindertagesstätte Konkurrenzen zwischen den
Fachkräften, weil zwei grundverschiedene Arbeitsweisen nebeneinander praktiziert, aber
nicht reflektiert werden: Die Einzelbetreuung eines Kindes mit Behinderung hier, die
Gruppenbetreuung von 20 anderen Kindern dort (md1fk, 252-256). Die Integrationsfachkräfte
sehen die Gefahr, dass sie für die laufende Kommunikation mit den Eltern des
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
beeinträchtigten Kindes faktisch allein zuständig gemacht werden und sich die Erzieherinnen
aus dieser Aufgabe herausziehen. Die Betreuung eines Kindes mit Behinderung
sowie die Kommunikation mit seinen Eltern seien aber Regelaufgaben der Kindertagesstätte
und nicht an die Integrationsfachkraft abzugeben (md1fk, 247-251).
Es sollte geeignete schriftliche Informationen geben. Und es sollte regelmäßige Gespräche
zwischen Integrationsfachkraft und Kindertagesstätte geben. „Ich finde, um noch mal
auf die Verbesserungswünsche zurückzukommen, also ich fände es auch wichtig, wenn
so eine Integrationsmaßnahme startet, dass auch ganz klar den Einrichtungen vermittelt
wird, wir können nur, wir brauchen deren Unterstützung. Und dass festgelegt ist, alle
acht Wochen ein Gespräch. Ich habe immer so das Gefühl, dass denen das vielleicht
leichter fällt zu organisieren, wenn die irgendwas schwarz auf weiß stehen haben und zu
Beginn der Integrationsmaßnahme hören: Aha, das und das müssen wir erfüllen und das
ist unsere Aufgabe, dazu beizutragen, dass diese Integrationsmaßnahme vonstatten
geht, und dazu gehört alle acht Wochen ein Gespräch mit der Integrationspädagogin“
(md1fk, 247-251). Hierfür muss auch von Seiten der Kindertagesstätte genügend Zeit
eingeräumt werden.
Beide Mobilen Dienste sollten über ein definiertes Grundwissen verfügen und in bestimmten
Grenzen nach definierten Standards arbeiten. „Also ich würde mir wünschen,
dass das Fallmanagement da mehr Wert drauf legen würde, dass beide Mobilen Dienste
ein gutes fachliches Know-how haben“ (md1ltg, 118-123).
Mobiler Dienst 2
Es mangelt nach wie vor an Akzeptanz für das neue Handlungskonzept; die Widerstände
der Kindertagesstätten sind eher gewachsen als kleiner geworden. Das Ankämpfen gegen
diese Widerstände kostet sehr viel Kraft (md2ltg, 116-117).
Es wird kritisch gesehen, dass die Anwesenheit der Integrationsfachkraft so strikt an die
Anwesenheit des Kindes geknüpft ist. Das erschwert die Integration in die Gruppe und
betont den Sonderstatus des Kindes (md2fk 253-259). „Wir sind ja nicht nur Besucher in
diesem Kindergarten. Wenn wir da eine gute Arbeit machen wollen mit den Kindern,
müssen wir da einen Fuß in die Tür kriegen, und wenn wir da laufend herausfallen, weil
das Kind nicht da ist – und das sind, im Ernstfall können es mehrere Wochen sein, die
wir nicht da sind oder auch mehrere Wochen mal mit zwei Wochen da, zwei Wochen
nicht da –, dann kriegen wir auch für das Kind keinen Fuß in die Tür. Dass da einfach
eine Möglichkeit ist, dass wir da mehr vor Ort sein können, wenn das Kind nicht da ist“
(md2fk, 280-290). Es sollte mehr Möglichkeiten für einen Austausch mit den Erzieherinnen
und Erziehern geben. Kooperation mit ihnen kann nicht auf Tür-und-Angel-
Gespräche reduziert werden. Für diese Aufgabe wird zu wenig Zeit eingeplant; Eingliederung
ist nicht nur Arbeit direkt an dem Kind mit Behinderung.
Personalbeschaffung und Personalwechsel sind ein großes Problem (md2ltg, 128-129).
Es kommt immer wieder vor, dass es im Verlauf einer Maßnahme zu Betreuerwechseln
kommt. „(…), es schon öfter vorgekommen ist, dass ein Kind wirklich zwei bis drei unterschiedliche
Betreuungspersonen vom Mobilen Dienst hatte. Und das finde ich sehr
schwierig für die Kinder und auch für die Eltern, das finde ich persönlich sehr negativ an
dieser Geschichte“ (md2fk, 249-251).
63

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
7.3 Aus Sicht der Kindertagesstätten
Was gelungen ist
Kindertagesstätte 1 („wir bedauern, dass es keine integrativen Gruppen mehr gibt“)
Die Kooperation läuft gut (kt1fk, 78-79). Seit einiger Zeit informiert die Integrationsfachkraft
die betroffenen Erzieherinnen über konkrete Behinderungen und wie man damit
umgehen kann. Das wird gut angenommen (kt1ltg, 130-131). Der Austausch zwischen
Erzieherinnen und Integrationsfachkräften ist fruchtbar. Der Mobile Dienst unterstützt
einige Anliegen der Kindertagesstätte mit fachlichen Argumenten, so dass die Maßnahmen
gemeinsam weiterentwickelt und ausdifferenziert werden können (kt1ltg, 156-157).
Die Fachkräfte des Mobilen Dienstes können intensiv mit den Eltern arbeiten, das ist
wichtig. Das entlastet auch die Kindertagesstätten.
Kindertagesstätte 2 („es ist eine Bereicherung“)
Wenn die Integrationsfachkraft nicht da wäre, dann würde ein Kind mit Behinderung nur
mitlaufen. Durch die Aktivitäten der Integrationsfachkraft kann ein Kind mit Behinderung
anders einbezogen werden. „Das ist für uns schon eine große Hilfe, weil gerade jetzt bei
uns ist ein Kind, (…) [das] einfach in der Entwicklung sehr zurück ist, [das] braucht auch
Hilfe so beim Auspacken, bei allem so, (…) braucht auch immer eine Einzelansprache,
[das] würde sonst immer so rumlaufen, wenn man 20 Kinder hat, ist das schon sehr hilfreich,
wenn dann einfach einer da ist, der da mitguckt“ (kt2fk, 41-42). Das Kind wird gefördert,
es wird besser einbezogen und läuft nicht nur mit. Das wäre ohne die Unterstützung
durch Integrationsfachkräfte nicht möglich (kt2ltg, 34-35).
Die Integrationsfachkräfte sind sehr flexibel und begleiten die Gruppe z. B. auch zu Ausflügen
(kt2fk, 54-55).
Die Zusammenarbeit klappt sehr gut, sowohl auf der Leitungs- wie auf der operativen
Ebene. Die Leitung des Mobilen Dienstes reagiert schnell auf Anfragen und E-Mails und
bemüht sich um Lösungen, z. B. wenn es Probleme mit der Fachkraft gibt (kt2fk, 75-78;
kt2ltg, 104-109). „Ich finde es sehr positiv für die Kinder, dass die noch mal eine spezielle
Unterstützung bekommen. Für die Eltern finde ich es auch gut, dass sie noch mal einen
zusätzlichen Ansprechpartner haben, der es auch noch mal ein bisschen anders
sieht oder ähnlich sieht wie wir. Ist immer was anderes, wenn man ein Kind schon jahrelang
hat und man kennt es schon, man weiß halt, ist manchmal vielleicht ein bisschen
betriebsblind. Und wenn dann noch mal jemand von außen kommt und auch noch mal
sein Urteil abgibt und Tipps geben kann, das finde ich sehr positiv“ (kt2ltg, 104-109).
Kindertagesstätte 3 („zwischen ‚wirklich wunderbar’ und ‚ganz schwierig’“)
Es ist gut, dass es für die Eltern eines Kindes mit Behinderung einen besonderen Ansprechpartner
gibt und auch ansonsten die Zuständigkeiten der Integrationsfachkraft
deutlicher abgegrenzt sind als früher. Das hat auch den Vorteil, dass diese Kraft nicht
aus der Gruppe abgezogen werden kann, wenn in einer anderen Gruppe Personalknappheit
herrscht (kt3fk, 87-97). „Also was ich sagen kann ist tatsächlich, dass, wenn
es gut läuft, beim Kind mehr ankommt. Man muss gucken, ob es auch das Richtige ist im
Sinne von Integration“ (kt3ltg, 44-45).
Es kommt mehr bei den Kindern an, aber es ist von der einzelnen Person der Integrationsfachkraft
und ihrem Arbeitsverständnis abhängig, wie es im Einzelnen ablaufen kann
(kt3ltg, 18-19). In der einen Gruppe der Kindertagesstätte gibt es gute Absprachen und
ein gemeinsames Verständnis darüber, wie Eingliederung in der Kindertagesstätte aus-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
sehen sollte. In der anderen Gruppe dagegen wird die Integrationsfachkraft zum „Schatten“
des Kindes (kt3ltg, 18-19), was die Gruppendynamik teils deutlich belastet. Hier wären
Reflexion und Austausch gefordert, was aber in der Kindertagesstätte selbst nur begrenzt
möglich ist. Denn die professionelle Reflexion organisiert jeder der beiden Mobilen
Dienste in eigener Regie. „Es liegt sehr daran, inwieweit [ein Handeln] mit diesen
Mitarbeitern auch thematisiert wird, an anderer Stelle. Weil ich kann es sozusagen nur
punktuell hier tun, die sind in meinen Dienstbesprechungen nicht drin, sondern die sind
in ihren Systemen drin. Und da wird auch viel Wert drauf gelegt, die machen auch keine
Vorbereitungszeit mit unseren Erzieherinnen zusammen, sondern haben ein Parallelsystem,
in dem sie in einem Team Supervision haben, reflektieren, planen. Und das sind so
Stellen, wo es manchmal nicht so leicht ist“ (kt3ltg, 8-19).
Kindertagesstätte 4 („keine Integration der Fachkraft, keine Integration des Kindes“)
Es ist positiv zu bewerten, dass die Arbeit der Integrationsfachkräfte wirklich dem Kind
mit Behinderung vorbehalten bleibt (kt4fk, 52-57). „Wie gesagt, der Vorteil nach wie vor
ist, dass die 15 Stunden wirklich diesem Kind nur gelten, aber andererseits hat es auch
Ecken und Kanten“ (kt4fk, 95). Wie gut die Zusammenarbeit tatsächlich läuft, hängt stark
von den Personen ab: „Ich sage mal ganz spitz, da gibt es so das Bewusstsein vom Therapeuten,
der hier rein kommt, bis zu jemand, der ein bisschen anders damit umgeht und
guckt so auf den integrativen Begriff. Das ist eine sehr krasse Spanne, gerade bei uns,
da ist Konfliktpotenzial einfach da“ (kt4ltg, 93-97).
Was zu verbessern wäre
Kindertagesstätte 1 („wir bedauern, dass es keine integrativen Gruppen mehr gibt“)
Die Leitung bedauert, dass es keine integrativen oder heilpädagogischen Gruppen mehr
gibt (kt1ltg, 32-35). Denn in heilpädagogischen Gruppen war es möglich, Fachpersonal
wie Logopäden oder Ergotherapeuten auch vor Ort vorzuhalten. Bei einer Einzelintegration
ist es Sache der Eltern, dieses Unterstützungssystem zu organisieren.
Es kommt vor, dass zur Betreuung einer Gruppe zu viele Erwachsene anwesend sind, z.
B. wenn zwei oder drei Kinder mit Beeinträchtigungen zu einer Gruppe gehören und jeweils
unterschiedliche Integrationsfachkräfte zuständig sind. Die Zuordnung einer Integrationsfachkraft
zu einem definierten Kind nehmen die anderen Kinder zudem als Ungleichbehandlung
war und reagieren mit Eifersucht.
Es kommt immer wieder vor, dass Wartezeiten von mehreren Monaten zu überbrücken
sind. Die Betreuung eines Kindes mit Behinderung muss dann mit „Bordmitteln“ aufgefangen
werden. In diesem Fall läuft das Kind mit Behinderung nur mit, und es geht wertvolle
Zeit für das Kind verloren. Auch Beratungsanfragen lassen auf sich warten, „auch
so die Wege von dem, dass wir sagen, wir würden gerne mal jemanden zu Rate ziehen,
bis dann da wirklich jemand da ist, vergehen doch teilweise ein paar Monate“ (kt1fk, 72-
73). Ebenso schwierig wird die Situation in der Gruppe, wenn die Integrationsfachkraft
ausfällt. Denn Kinder mit Behinderung machen mehr Arbeit, so oder so (kt1fk, 78-79).
Vor diesem Hintergrund sind auch ständige Personalwechsel ein „riesengroßer Knackpunkt“
(kt1ltg, 27-29).
Wenn die Integrationsfachkraft von außen kommt, dann ist damit ein enormer Bedarf an
Kooperation und Kommunikation verbunden (kt1ltg, 23). Diesem Bedarf wird bisher nicht
nachgekommen. „(…), dass die einfach mit gehört haben, was wir im Team Gruppenbesprechung
gemacht haben, das fällt raus, die sind nicht dabei, müssen wir extra einladen.
Sie haben ihre eigene Teambesprechung, also das fehlt auch, so eine schnellere
Vernetzung am Team oder auch zu hören, was ist da, wie reagiert das Kind mit dem und
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
dem“ (kt1ltg, 86-91). Die Arbeit der Integrationsfachkraft ist vielmehr strikt an die Anwesenheit
des Kindes in der Kindertagesstätte gebunden. Damit gehen der Kindertagesstätte
etliche Ressourcen und Flexibilitäten verloren (kt1ltg, 80-83), z. B. auch für Kooperation.
Die institutionelle Kooperation ist wenig entwickelt, es gibt keinen regelmäßigen Austausch
mit den Kindertagesstätten. „Was ich vermisse, ist einfach vom also vom Amt für
Integration, Fallmanagement, also ich habe schon ein paar Mal gesagt, Mensch Leute,
ihr müsst bitte hier dafür sorgen, dass regelmäßig einfach alle Kitas an einen runden
Tisch kommen. Also es reicht nicht aus, in irgendwie drei oder vier Jahren einmal ein
Gespräch zu führen, das finde einfach zu wenig“ (kt1ltg, 103-112).
Kindertagesstätte 2 („es ist eine Bereicherung“)
Es gibt nicht genügend Austausch zwischen Erzieherinnen und Integrationsfachkräften;
das ist im Gruppenalltag nicht machbar, und an Dienstbesprechungen nehmen die Integrationsfachkräfte
nicht teil (kt2fk, 110-111). Ein regelmäßiger Austausch ist aber wichtig.
„Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn man so ein monatliches Treffen machen würde,
oder so vierteljährliches Treffen, einfach mal um sich auszutauschen, das wäre vielleicht
nicht schlecht, nicht nur mit Erziehern und Mobilem Dienst, vielleicht noch die Eltern mit
einbeziehen“ (kt2ltg, 114-119).
Die Erzieherinnen wünschen sich mehr Transparenz über die Arbeitsweise des Mobilen
Dienstes. Der Mobile Dienst sollte einmal richtig vorgestellt werden, damit man auch
weiß, was im Hintergrund so läuft (kt2fk, 127-132).
Die Wartezeiten bis zum Maßnahmebeginn sollten verkürzt werden (kt2ltg, 110-112).
Kindertagesstätte 3 („zwischen ‚wirklich wunderbar’ und ‚ganz schwierig’“)
Die Integrationsfachkräfte des Mobilen Dienstes gehören nicht zum Team der Kindertagesstätte.
Wenn aber Integration gelingen soll, dann müssen alle Beteiligten an einem
Strang ziehen. Und dazu ist Austausch dringend notwendig, dazu ist eine enge Anbindung
an die Kindertagesstätte nötig, damit die Zusammenarbeit gut abgesprochen werden
kann. Dafür muss auch Zeit sein, das muss bei der Arbeitsorganisation berücksichtigt
werden (kt3fk, 182-186). Daher wäre es wünschenswert, dass die Integrationsfachkräfte
an Dienstbesprechungen und Gruppenvorbereitungen teilnehmen (kt3ltg, 46-47).
„Wichtig wäre mir, dass es ein Mindestmaß an gemeinsamer Vorbereitungszeit gibt. Also
das ist einfach notwendig, weil das läuft sonst zwischen Tür und Angel, und das ist in der
Regel nicht befriedigend. Vorbereitungszeit auch im Sinne von Austausch, das ist einfach
nötig, dass man auch informiert, über das, was in der Kindertagesstätte, was gibt es
für Konzepte, warum machen wir was wie“ (kt3ltg, 86-93).
In diesem Zusammenhang ist auch eine Verständigung darüber notwendig, was Einzelintegration
in Kindertagesstätten heißt und wie viel Einbindung in die Betriebsabläufe der
Kindertagesstätte dazu notwendig ist. Dazu wird das Beispiel einer aus Sicht der Kindertagesstätte
nicht gelungenen Integration geschildert, die z. B. vorliegt, wenn Eltern oder
Großeltern das Kind mit Behinderung nur noch der Integrationsfachkraft überlassen und
die Erzieherinnen bewusst übergehen (kt3fk, 113).
Es ist nicht sinnvoll, dass die Integrationskraft sofort abgezogen wird, wenn das Kind mit
Behinderung krank ist oder aus anderen Gründen nicht in der Kindertageseinrichtung
anwesend ist. Denn Arbeitsabläufe werden unter Berücksichtigung der Anwesenheitszeiten
der Integrationsfachkraft geplant. Und wenn sie dann nicht kommt, z. B. zu Ausflügen,
wird die gesamte Planung durcheinander gebracht. Andererseits wird von den Er-
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
zieherinnen erwartet, dass sie Ausfallzeiten durch Urlaub und Fortbildung auffangen,
Ersatzkräfte gibt es in diesen Fällen nie (kt3fk, 182-186).
Häufige Personalwechsel sind ein grundlegendes Problem (kt3ltg, 82-83).
Kindertagesstätte 4 („keine Integration der Fachkraft, keine Integration des Kindes“)
Die Kindertagesstätte 4 würde gern wieder nach dem alten Konzept arbeiten (kt4ltg, 93-
97). „Generell also so mein Empfinden und meine Meinung ist, dass ich das Konzept,
was hier in Wiesbaden stattfindet, nicht gelungen finde und nach wie vor Kontakt zu
meiner alten Einrichtung habe, wo es noch so ist, dass eine Erzieherin eingestellt wird
und dass das viel unproblematischer, reibungsloser ist, und auch mehr zugunsten des
Kindes, was ich von hier und meiner Erfahrung mit dem Mobilen Dienst sagen kann. Das
läuft einfach runder“ (kt4fk, 142). Man sieht als Vorteil einer klassischen Vorgehensweise,
dass die Integrationsfachkräfte mehr in die Gruppe und den Alltag der Kindertagesstätte
eingebunden sind und sich auch die Erzieherinnen für das Kind mit Behinderung
zuständig fühlen. Auch die Rückkoppelung von Informationen aus Elterngesprächen o-
der Gesprächen mit Therapeuten, Ärzten und anderen Fallbeteiligten an die Erzieherinnen
hat besser funktioniert (kt4fk, 52-57).
Die Erzieherinnen würden sich gern auch stärker an der Integrationsarbeit beteiligen,
also gern auch mal mit der Integrationsfachkraft die Rolle tauschen (kt4fk, 153-156). „Da
fehlt es an sämtlichen Absprachen, und man redet und redet, aber es wird trotzdem nicht
das gemacht, was man sagt, das ist oft auch sehr schwierig“ (kt4fk, 161). Erzieherinnen
werden auch nicht an der Erstellung des Förderplans und der Entwicklungsberichte beteiligt,
„die schreiben ihren Plan (…) und sonstiges, die schreiben ihn für sich allein zu
Hause, und wir kriegen davon gar nichts mit“ (kt4fk, 64-69). Die Kindertagesstätte fordert
mehr Mitsprache bei der Bedarfsfeststellung und bei der Erstellung des Förderplans
(kt4ltg, 100-103).
Wenn „Eingliederung“ aber zu einer exklusiven Aufgabe der Integrationsfachkräfte erklärt
wird, dann besteht die Gefahr, dass die betreuten Kinder den Anschluss an die Gruppe
verlieren. Erzieherinnen berichten von einem Kind, das praktisch von der Gruppe abgeschottet
wurde, weil sich die Integrationsfachkraft in alle Aktivitäten eingemischt und Unterstützung
gegeben hat, wo sie nicht nötig war: „Erst mal hat das Kind Rückschritte gemacht,
weil das mehr isoliert als integriert wurde. Also weil die Person rundum nur an
diesem Kind geklebt hat, das Kind konnte nicht mehr alleine frühstücken, nicht mehr alleine
Zähne putzen, nirgends alleine hingehen, es war immer jemand, der an der Seite
stand und rundum an dem Kind geklebt hat“ (kt4fk, 15-16). Gerade wenn die Integrationsfachkraft
nicht in die Betriebsabläufe der Kindertagesstätte eingebunden ist, besteht
die Gefahr, dass das Kind abgeschottet wird. Daher wäre es gut, wenn man mit entscheiden
könnte, welche Integrationsfachkraft in der Kindertagesstätte für ein Kind mit
Beeinträchtigung tätig wird (kt4fk, 81).
Gerade gibt es den Fall, dass eine Integrationsfachkraft, die bereits in der Kindertagesstätte
arbeitet, auch ein weiteres Kind mit einer ganz anderen Beeinträchtigung übernehmen
soll. Das sind sich aber Erzieherinnen und Leitung einig darin, dass diese Fachkraft
nicht geeignet ist. Hieraus entwickelte sich ein Konflikt mit dem Mobilen Dienst.
Es ist nicht klar geregelt, bei welchen Aufgaben der Mobile Dienst und bei welchen Aufgaben
die Leitung der Kindertagesstätte gegenüber der Integrationsfachkraft weisungsbefugt
ist (kt4ltg, 58-59).
67

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
7.4 Aus Sicht der Eltern
Was gelungen ist
Familie 1 ist sehr zufrieden mit der Unterstützung, die sie für die Eingliederung ihres Kindes
in die Kindertagesstätte bekommen hat (kt1e1, 98-103). Die Integrationsfachkraft ist
wie ein zweites Netz; mit ihr kann das Kind spezielle Aufgaben trainieren, die im Alltag
der Kindertagesstätte in der Form nicht berücksichtigt werden können. Es gibt eine sehr
gute Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft sowie zwischen Integrationsfachkraft
und Frühförderstelle. Die Familie sieht keinen großen Verbesserungsbedarf. „Also ich
meine, besser machen kann man immer alles. Nach oben ist keine Grenze gesetzt. Aber
ich wüsste jetzt nicht wie, es ist gut. Man könnte natürlich, aber das wäre auch nicht,
dass man jetzt sagt, dass [die Integrationsfachkraft] mehr Stunden kriegt, auf der anderen
Seite finde ich es auch nicht gut, weil [das Kind] soll auch normal in der Gruppe, soll
nicht immer jemanden an der Seite haben. Später hat [das Kind] auch nicht immer jemand
an der Seite und muss sich alleine bewähren“ (kt1e1, 98-103).
Familie 2 ist der Meinung, dass insgesamt alles in guten Bahnen verläuft (kt2e1, 104-
105). Die Familie ist sehr davon angetan, wie intensiv auch die Kindertagesstätte an der
Eingliederung mitwirkt (kt2e1, 90-91). Die Kommunikation mit der Integrationsfachkraft
ist noch nicht so intensiv; möglicherweise weil das Kind der Familie erst seit kurzer Zeit
vom Mobilen Dienst betreut wird (kt2e1, 92-95).
Familie 5 ist hochzufrieden mit der Arbeit der Kindertagesstätte und der Integrationsfachkraft,
trotz dem die Zusammenarbeit mit der Leitung des Mobilen Dienstes konflikthaft
verlief: „Wir haben super Glück gehabt, ich bin mit der ehrlich… ich weiß nicht,
was ich noch machen kann, um ihr das, also ich sage es ihr natürlich, wir versuchen ihr
das aber, für uns ist das ein riesiger Glücksfall gewesen, diese Frau, und dass [mein
Kind] von dem Kind, das früher eher mal autistisch war, (..) zu dem völligen Gegenteil
gekommen ist. Dass [das Kind] absolut integriert ist, das verdanke ich diesem Kindergarten,
also auch vor allem der Integrationskraft, aber auch den beiden anderen Kindergärtnerinnen,
die ich dort habe, könnte nicht besser laufen, muss man ganz klar sagen. Und
der [Mobile Dienst] war eher, es war für uns eher so das große Risiko und das lag auch
an der Person [der Leitung]“ (kt3e3, 7-8). Für diesen Erfolg war mit ausschlaggebend,
dass es keinen Personalwechsel gegeben hat (kt3e3, 92-96).
Von der Leitung des Mobilen Dienstes hätte die Familie mehr Entgegenkommen und
weniger Bevormundung erwartet. Man hat kaum Möglichkeiten, gegen eine Entscheidung
der Leitung vorzugehen, denn es gibt ja keinerlei Alternativen (kt3e2, 146-158).
Daher wäre es der Familie wichtig, dass es ein Forum für den Austausch unter den Eltern
von Kindern mit Behinderung gibt, zum Beispiel eine Art Elternbeirat (kt3e3, 130-
145). Man hätte dann die Möglichkeit, gezielter und schlagkräftiger gegen Missstände
bzw. die Monopolstellung der Mobilen Dienste vorzugehen.
Familie 7 hält die gebotene Unterstützung für ausreichend (kt4e1, 68-72). „Also mit der
Integrationskraft hat alles wunderbar geklappt“ (kt4e2, 26-29), ist auch die Erfahrung von
Familie 8.
In der Familie 9 leben zwei Kinder mit Behinderung. Das ältere Kind wurde nach dem
alten Handlungskonzept in einer integrativen Kindertagesstätte betreut die Eltern waren
seinerzeit sehr zufrieden mit der Betreuung. Das jüngere Kind sollte mit Unterstützung
des Mobilen Dienstes in einer Regeleinrichtung unterkommen. Dem Mobilen Dienst
standen die Eltern zunächst – angesichts der guten Erfahrungen, die sie mit dem alten
Modell gemacht hatten – recht skeptisch gegenüber. „Aber ich muss sagen jetzt insgesamt
läuft doch relativ gut. Also die Integrationsfachkraft, gut ist halt beides Vor- und
Nachteil. Die Integrationsfachkraft ist sehr fixiert auf [unser Kind] oder auch umgekehrt
[das Kind] auf sie. Sie kommt jeden Tag drei Stunden zu [dem Kind] und betreut [das
68

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Kind] aber also wirklich komplett. Das ist ein ‚full service’, sag’ ich immer. Also sie kümmert
sich sehr um [das Kind], ist sehr engagiert und es ist auch eine spezielle Förderung
quasi. [Das Kind] wird wirklich dort, seine Schwachstellen werden bearbeitet und [das
Kind] kriegt quasi ein individuelles Förderprogramm von dieser Frau, was uns jetzt natürlich
schon sehr entgegenkommt, klar“ (kt5e1, 17). Die Zusammenarbeit mit den Eltern
und ebenso mit der Frühförderstelle ist sehr intensiv.
Kritisch sehen die Eltern, dass die Integrationsfachkraft nach einigen Monaten gewechselt
hat. Zum Glück klappt die Zusammenarbeit mit der neuen Fachkraft hervorragend
und sie hoffen, „dass das jetzt etwas kontinuierlicher ist“ (kt5e1, 52-53).
Was zu verbessern wäre
Familie 3 war nicht begeistert davon, dass es nach einigen Monaten zu einem Personalwechsel
kam. Aber wie sich inzwischen herausgestellt hat, versteht sich das Kind auch
mit der neuen Integrationsfachkraft sehr gut. Die Zusammenarbeit mit der Kindertagesstätte
klappt gut. Danach gefragt, ob die angebotenen Hilfen ausreichend seien, antwortet
die Mutter: „Doch, das würde ich schon sagen. Also ich finde eigentlich, es ist schon
eine tolle Sache, dass es überhaupt gibt. Also ich denke schon. Ich meine, sicherlich
wäre es super, wenn einer täglich kommt, kommen würde, aber das wird nicht machbar
sein, um das noch besser irgendwie hinzukriegen“ (kt2e2, 177-178).
Familie 4 sieht prinzipiell keinen großen Unterschied zwischen dem alten und dem neuen
Handlungskonzept, was die konkrete Betreuung angeht. Mit der neuen Vorgehensweise
waren sie zufrieden, denn ihr Kind war in der Kindertagesstätte gut aufgehoben
und kam auch mit der Integrationsfachkraft gut aus (kt3e1, 38-39). Die Hilfen waren ausreichend,
das Kind konnte an allen Aktivitäten teilnehmen (kt3e1, 90-99). Allerdings ist
die Personalbeschaffung aufwändiger, und gegen einen drohenden Personalwechsel
kurz vor Ende der Kindergartenzeit ist die Familie „auf die Barrikaden gegangen“ und hat
es durchgesetzt, dass die Integrationsfachkraft bleiben konnte. Man gab der Familie aber
zu verstehen, dass das eine große Ausnahme gewesen sei, denn es bestehe zwar ein
Anspruch auf Begleitung, aber nicht darauf, dass die Betreuung kontinuierlich von derselben
Person durchgeführt werde. „Finde ich nicht so ganz gut, für beide Seiten ist es
nicht einfach mit dem Personal-hin-und-her, aber für das Kind ist es eigentlich sehr wichtig,
dass es nicht andauernd wechselnde Personen hat“ (kt3e1, 21-23).
Familie 6 hatte bei der Suche nach einer Kindertagesstätte für ihr Kind mit Behinderung
mitbekommen, dass der Mobile Dienst viel Ärger machte und einige Kindertagesstätten
das neue Handlungskonzept boykottierten. Das war für die Eltern seinerzeit nicht nachvollziehbar;
sie waren zuerst „sauer auf die ganzen Einrichtungen“, die sich geweigert
haben, das Kind der Familie aufzunehmen, um auf diese Weise den Mobilen Dienst zu
boykottieren. Auch hier kann der Realitätsgehalt der Aussage nicht geprüft werden.
Heute sehen diese Eltern den Mobilen Dienst äußerst kritisch, weil „nämlich das wohl
besser und intensiver und auch die Elternschaft besser integriert werden kann, wenn es
eine Kraft aus dem Haus ist, die dann über lange Zeit dieses Kind im Auge hat und eben
nicht, wie das uns jetzt widerfahren ist, nur punktuell eingesetzt wird und stundenweise
vorbeikommt und sich praktisch wie ein Fremdkörper innerhalb der Einrichtung bewegt“
(kt3e3, 12-15). Es fehlt an der Einbindung der Integrationsfachkräfte in die Einrichtung
und auch die Eltern sehen sich nur wenig in eine Zusammenarbeit mit der Integrationskraft
eingebunden. Auch das Prinzip des Mobilen Dienstes halten diese Eltern für fragwürdig.
Wenn die Integrationsfachkraft dem Kind und nicht der Kindertagesstätte zugeordnet
wird, dann kommt es zu einer „Sonderbehandlung“, und auf diese Weise wird allen
Kindern in der Gruppe verdeutlicht, dass das Kind mit Behinderung „etwas anderes
ist“ (kt3e3, 12-15). Im Unterschied zu allen anderen befragten Eltern formuliert die Fami-
69

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
lie 9 eine fundamentale Kritik am Mobilen Dienst. Nach konkreten Erfahrungen befragt,
wird im weiteren Verlauf des Interviews deutlich, dass der wichtigste Grund für die kritische
Haltung aber wohl eine Reihe von Vorkommnissen rund um einen Personalwechsel
war, „ (…), was jetzt diese ganze Geschichte bei uns ausmacht, wo dann also große Unzufriedenheit
sich bei uns breit machte, wir gar nicht darüber informiert wurden, wenn die
Integrationskraft abgezogen wurde, aus Personalmangel, wie wir dann im Nachhinein
erfahren haben. (…) und dann nach 14 Tagen ich erfahren habe, wie es tatsächlich, die
ist tatsächlich nicht da und mich der Leiter der Integrationsfachstelle anrief und sagte, ja
da ist ein schwerbehinderter Junge, wir haben die Kraft abgezogen“ (kt3e3, 18-19). Die
Eltern sehen sich unzureichend informiert und einbezogen, vor allem die Kommunikation
mit der Leitung führt zur Verstimmung. Davon ganz unabhängig ist die praktische Arbeit
der Integrationsfachkraft zu sehen, die bei dem Kind gut ankam und gut angenommen
wurde (kt3e3, 34-36). Und insgesamt hat sich das Kind letztlich hervorragend entwickelt,
was nach Einschätzung der Eltern vor allem der Kindertagesstätte zu verdanken ist
(kt3e3, 38). „Der Kindergarten war ein Geschenk nach aller dieser Unbill, die wir hatten“
(kt3e3, 172).
7.5 Zusammenfassung
Zur Bewertung des neuen Handlungskonzepts „Mobiler Dienst“ wurden alle an der Leistungserbringung
beteiligten Akteure danach gefragt, was nach ihren Erfahrungen gut
läuft und was noch zu verbessern ist. In der folgenden Tabelle sind die Aussagen der
beteiligten Akteursgruppen nebeneinander gestellt.
Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den im Folgenden wiedergegebenen
Aussagen um Meinungsäußerungen von Beteiligten handelt und nicht um
Ergebnisse einer „objektiven“ Betrachtung. Dies erklärt auch unterschiedliche Wertungen
und teilweise auftretende Widersprüche.
Akteursgruppe Was gelungen ist
Fallmanagement
Mobile Dienste
Einzelintegration setzt sich als Konzept
weiter durch.
Die Fallzahlen sind gesunken, d. h.
es werden weniger Kinder zu „Integrationskindern“
gemacht als
früher.
Das Fallmanagement kann den
Zugang besser steuern, denn die
Bedarfsprüfung im Zuge des Assessments
ist intensiver.
Es kommt mehr Leistung bei den
Kindern mit Behinderung an als
früher.
Die Kooperation mit allen am Fall
beteiligten Fachkräften ist umfassender
als früher.
Es gibt große Handlungsspielräume
in der Gestaltung von Einzelintegration.
Was verbessert werden sollte
Das Antragsverfahren sollte weniger lange
dauern (Wartezeit).
Hilfeplan und Förderplan sollten besser
aufeinander abgestimmt sein.
Es sollte eine fallübergreifende institutionalisierte
Kooperation mit Kindertagesstätten
und Eltern erreicht werden.
Es sollte eine Steuerungsgruppe etabliert
werden, die sich übergreifend mit der
Weiterentwicklung des Konzepts beschäftigt.
Die Kindertagesstätten sollten über mehr
Wissen zum Thema verfügen (z. B. über
Fortbildung).
Die Kindertagesstätten sollten besser
über Aufgaben und Arbeitsweisen der
Mobilen Dienste informiert sein.
Die Kindertagesstätten sollten stärker in
die Aufgabe der Kommunikation mit den
Eltern von Kindern mit Behinderung einbezogen
sein.
70

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Mobile Dienste
(Fortsetzung)
Kindertagesstätten
Eltern
Bei den Mobilen Diensten sind
Fachkräfte mit einem äußerst breiten
Erfahrungs- und Qualifikationsspektrum
beschäftigt.
Die Integrationsfachkräfte kommen
von außen und gehören nicht zu
den Teams der Kindertagesstätten;
so wird ein anderer Blick auf das
Geschehen in der Kindertagesstätte
möglich.
Die Integrationsfachkräfte arbeiten
intensiv mit den Eltern; das entlastet
auch die Kindertagesstätten.
Die Integrationsfachkräfte sind sehr
flexibel.
Das Kind mit Behinderung kann
stärker in den Alltag der Kindertagesstätte
eingebunden werden.
Die Zuständigkeit der Integrationsfachkräfte
ist stärker abgegrenzt als
früher.
Es kommt mehr beim Kind an; allerdings
ist viel von der einzelnen
Integrationsfachkraft abhängig.
Die Arbeit der Integrationsfachkraft
bleibt dem Kind mit Behinderung
vorbehalten.
Die Integrationsfachkraft ist wie ein
„zweites Netz“; sie kann spezielle
Aufgaben übernehmen.
Die Kindertagesstätten arbeiten
ebenfalls intensiv an der Eingliederung
mit.
Die Akzeptanz des neuen Handlungskonzepts
muss gesteigert werden.
Die Anwesenheit der Integrationsfachkraft
in der Kindertagesstätte sollte nicht so
strikt an die Anwesenheit des Kindes
geknüpft sein.
Es sollte mehr Möglichkeiten für einen
Austausch zwischen Integrationsfachkräften
und Erzieherinnen geben.
Integrationsfachkräfte sollten auch für
mehrere Kinder zuständig sein. Da jetzt
für die einzelnen Kinder jeweils eine Integrationsfachkraft
zuständig ist, sind
manchmal zur Betreuung einer Gruppe zu
viele Erwachsene anwesend.
Außerdem erzeugt die Zuordnung einer
Integrationsfachkraft zu einem einzelnen
Kind bei den anderen (nicht beeinträchtigten)
Kindern Eifersucht.
Die Wartezeiten sollten verkürzt werden.
Der enorme Bedarf an Kooperation und
Kommunikation sollte besser abgedeckt
werden. Die Integrationsfachkräfte sollten
an Dienstbesprechungen und Gruppenvorbereitungen
teilnehmen.
Die institutionelle Kooperation sollte verbessert
werden.
Die Transparenz über Auftrag und Arbeitsweise
der Mobilen Dienste sollte
erhöht werden.
Die Verständigung darüber, was Einzelintegration
heißt, sollte verbessert werden.
Die Einbindung der Integrationsfachkräfte
in die Betriebsabläufe der Kindertagesstätten
sollte verbessert werden.
Es sollte weniger Personalfluktuation
geben.
Erzieherinnen würden sich gerne stärker
an der Integrationsarbeit beteiligen (Rollentausch).
Eingliederung sollte nicht die exklusive
Aufgabe der Integrationsfachkräfte sein,
sonst besteht die Gefahr, dass die betreuten
Kinder den Anschluss an die Gruppe
verlieren.
Es sollte ein Forum für den Austausch der
Eltern untereinander existieren („Elternbeirat“).
Die Akzeptanz des Konzepts bei allen
Kindertagesstätten sollte erhöht werden.
Die Integrationsfachkräfte sollten besser
in die Kindertagesstätten integriert werden.
71

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen um das neue Handlungskonzept
und der fortbestehenden, teils grundlegenden Kritik daran ist es fast eine Überraschung,
dass sich alle Beteiligten in einem doch weitgehend einig sind: Die Einführung
der Mobilen Dienste hat dazu geführt, dass mehr Leistung beim Kind ankommt.
Alle Beteiligten bewerten dieses Ergebnis positiv.
Sehr häufig wird ausgeführt, dass auch die Zusammenarbeit mit den Eltern deutlich
intensiviert wurde. Die Eltern bewerten die Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft
durchgehend gut. Die Integrationsfachkräfte investieren offenbar viel Zeit in diese Kooperation.
Einige Integrationsfachkräfte sehen die Gefahr, dass die Kooperation mit Eltern
von Kindern mit Behinderung an die Fachkräfte des Mobilen Dienstes abgegeben
wird, obwohl dies auch weiterhin mit eine Aufgabe der Kindertagesstätten sei.
Recht häufig wird auch davon berichtet, dass die Integrationsfachkräfte sich für eine Kooperation
mit anderen Fallbeteiligten wie Therapeuten, Ärzten, Frühförderstelle engagieren
und für die Alltagsarbeit deutlich besser nutzbar machen können, als dies früher
der Fall gewesen ist.
Die beteiligten Akteure sind sich auch weitgehend darüber einig, dass es auf dem Weg
zu einem voll funktionierenden Mobilen Dienst noch einige Baustellen zu bearbeiten gilt.
Die Probleme bei der Personalbeschaffung und Personalwechsel im Verlauf von
Maßnahmen sehen alle Beteiligten als Problem. Besonders deutlich thematisieren Kindertagesstätten
und Eltern die negativen Folgen für eine gute Arbeit der Kindertagesstätte
und eine gute Entwicklung der betroffenen Kinder, wenn z. T. Wartezeiten von mehreren
Monaten zu überbrücken sind oder im Verlauf der Maßnahme das Personal ausgetauscht
werden muss. Selbst Eltern, die mit der Arbeit der Integrationsfachkräfte sehr
zufrieden sind, äußern hier deutliche Kritik und berichten von diesbezüglichen Konflikten
mit den Mobilen Diensten.
Kritisch einzuschätzen ist auch die fallübergreifende Kooperation: Kontinuierlicher
Austausch und verbindliche Absprachen zwischen Erzieherinnen und Integrationsfachkräften
sind für die Leistungserbringung essentiell; darin stimmen die beiden Beteiligten
überein. Besonders eindringlich wird die fallübergreifende Kooperation von den Kindertagesstätten
angemahnt, aus deren Perspektive eine Integration von beeinträchtigen
Kindern in den Alltag der Kindertagesstätten nur gelingen kann, wenn auch die Integrationsfachkräfte
selbst in die Abläufe der Einrichtung eingebunden sind. Für fallübergreifende
Kooperation, gegenseitige Information und gemeinsames Lernen steht zu wenig
Zeit zur Verfügung. Einige Integrationsfachkräfte sehen es allerdings als Vorteil ihrer Position,
dass sie nicht in das Team der Kindertagesstätten eingebunden sind und Abstand
halten können.
Auch die fallbezogene Kooperation gibt Anlass zur Kritik: Sie ist, aus Sicht der Kindertagesstätten,
unterschiedlich gestaltet und stark von der einzelnen Person der Integrationsfachkraft
und deren Arbeitsstil abhängig. Sie wird, aus der Sicht einiger Integrationsfachkräfte,
durch eine mangelnde Akzeptanz des neuen Handlungskonzepts seitens der
Kindertagesstätten untergraben. Dahinter steht offenbar auch ein ungeklärtes Verständnis
von „Einzelintegration“ in Kindertagesstätten. Geht es um eine „Sonderbehandlung“
des Kindes mit Behinderung oder um seine Beteiligung am Gruppenleben? Wer ist zuständig
für Einzelintegration? Ist es eine exklusive Aufgabe der Integrationsfachkräfte
oder eine kooperativ zu erbringende Leistung? Wie wird wer an Förderplan, Entwicklungsbericht
und Personalentscheidungen beteiligt?
Die Integrationsfachkräfte sollen sich in den Alltag der Kindertagesstätten „einklinken“,
damit es zu einer (besseren) „Integration“ von Kindern mit Behinderung kommt, so die
Forderung der Kindertagesstätten. Die Integrationsfachkräfte sollen zugleich auch ihrem
Auftrag nachkommen, so wie er in den Hilfeplänen formuliert ist. Tatsächlich berichtet
aber das Fallmanagement davon, dass das Vorgehen der Integrationsfachkräfte im Ein-
72

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
zelnen nur schwer nachvollziehbar und in den gelieferten Entwicklungsberichten kaum
zu erkennen sei, inwieweit die dort formulierten Ziele handlungsleitend gewesen seien.
73

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
8. Zusammenfassung und Fazit
8.1 Hintergrund
Die Einbeziehung von Kindern mit Behinderung in Regeleinrichtungen der Kindertagesbetreuung
erfolgt in der Praxis entweder durch Einzelintegration oder durch eine
Betreuung in integrativen Gruppen. Bei einer Einzelintegration wird ein Kind mit Behinderung
in eine Regelgruppe aufgenommen und deren Kinderzahl ggf. reduziert. Bei integrativen
Gruppen werden mehrere Kinder mit Behinderung mit nicht-behinderten Kindern
zusammen betreut. Seit 2002 zeigt sich eine Verschiebung weg von der Betreuung
in integrativen Gruppen hin zu Maßnahmen der Einzelintegration.
Mitte 1999 unterzeichneten die kommunalen Spitzenverbände und der Landeswohlfahrtsverband
(LWV) in Hessen die „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“. Deren
Kernpunkt ist, dass nicht mehr unterschiedliche Betreuungsformen finanziert werden,
sondern dass der örtliche Sozialhilfeträger (Kostenträger) den einzelnen Platz für das
Kind mit Behinderung mit einer Pauschale bezuschusst.
In Wiesbaden zeigten sich in der Umsetzung der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“
nach 1999 eine Reihe von Problemen: So stiegen die Fallzahlen und die Kosten
des Einsatzes von Einzelintegrationsmaßnahmen nach Einführung der Rahmenvereinbarung
immens. Im Jahre 2003 wurde deshalb im Amt für Soziale Arbeit eine Prüfgruppe
mit der Aufgabe eingesetzt, ein alternatives Handlungskonzept zu entwickeln, welches
erlaubt, Integrationsleistungen kostengünstiger ohne Einschränkung der qualitativen Versorgung
zu erbringen. Ansatzpunkt war eine Flexibilisierung der Hilfen: Durch die Einführung
ambulanter Hilfen in Form eines „Mobilen Dienstes“ sollten mehr Beweglichkeit erreicht
und Fehlanreize eliminiert werden. Der „Mobile Dienst für Eingliederungshilfen für
behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder in Kindertagesstätten“ wurde im August
2006 mit folgenden Zielen eingeführt: Es sollen bedarfsgerechte und qualitativ
hochwertige Eingliederungshilfen erbracht werden, unter anderem dadurch, dass die
Maßnahmedauer flexibler gestaltet wird; zudem sollen Kosten gesenkt und Fallzahlen
reduziert werden. Man ging ferner davon aus, dass mit festen Arbeitsplätzen bei den
Trägern die Chance steigen würde, auch das notwendige gut qualifizierte Personal zur
Verfügung zu haben und auch langfristig zu binden, da dessen Arbeitsplätze unabhängig
von der Gestaltung der Einzelfallhilfe gesichert seien. Die bisherigen Schwierigkeiten, in
jedem Einzelfall neu und nur für einen bestimmten Zeitraum qualifiziertes Personal zu
gewinnen, sollten dadurch minimiert werden.
Diese Ziele sollen im Wesentlichen durch eine Umorganisation der Leistungsprozesse
erreicht werden. Das neue Handlungskonzept setzt darauf, die Steuerung des Leistungsprozesses
durch Fallmanagement mit der Durchführung operativer Eingliederungshilfen
durch beauftragte Dritte, nämlich den „Mobilen Dienst“, zu verknüpfen.
8.2 Auftrag und Ansatz der Evaluation
Diese Praxis war jetzt Gegenstand einer Evaluation durch das Institut für Stadt- und Regionalentwicklung
der Fachhochschule Frankfurt am Main. Diese Evaluation sollte sich
auf fünf Themenbereiche erstrecken:
▪ die Prozessqualität der neuen Verfahren,
▪ die Prozessqualität der fallbezogenen Kooperation,
▪ den Personaleinsatz und die Personalentwicklung bei den Mobilen Diensten,
▪ die Wirksamkeit der neuen Verfahren aus der Sicht der beteiligten Akteursgruppen,
▪ den Verbesserungsbedarf aus der Sicht der beteiligten Akteursgruppen.
74

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Es ist charakteristisch für den Leistungsprozess, dass viele Akteure daran beteiligt sind:
Die Koordinationsstelle für Behindertenarbeit, die Mobilen Dienste, die Kindertagesstätten
und die Eltern. Zusätzlich haben in den Einrichtungen Leitungs- und Fachkräfte unterschiedliche
Aufgaben zu erfüllen. Die Evaluation war deshalb darauf ausgerichtet,
mittels qualitativer Verfahren (Experteninterviews, Gruppendiskussionen) die unterschiedlichen
Perspektiven zu erfassen und zu kontrastieren.
Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass eine „dichte Beschreibung“ (Clifford Geertz) eines
Sachverhalts möglich ist, dessen Grundstrukturen noch weitgehend unbekannt sind. Natürlich
sind die Auffassungen der Befragten „subjektiv“, aber dadurch nicht weniger relevant.
Durch die Kontrastierung von Aussagen unterschiedlicher Akteure wird versucht,
Konsense und Dissense festzustellen. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein,
dass auch übereinstimmende Aussagen nicht unbedingt die „Wirklichkeit“ wiedergeben,
auf alle Fälle aber Hinweise auf Sachverhalte geben, die u. U. weiter aufgeklärt werden
sollten.
Insgesamt wurden 23 Interviews und Diskussionen durchgeführt, transkribiert und inhaltsanalytisch
ausgewertet.
8.3 Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
Zielgruppe
In den Kindertagesstätten ist ein äußerst breites Spektrum an Beeinträchtigungen anzutreffen,
welches von „klassischer Behinderung“ bis hin zu unterschiedlichen Formen der
Entwicklungsverzögerung reicht. Genannt werden etwa: Autismus, Entwicklungsverzögerungen,
körperliche Behinderung (spastische Lähmung), Schwerstbehinderungen, Downsyndrom,
Behinderungen beim Sehen oder Hören.
Prozessqualität des neuen Verfahrens
Im Zuge der Einführung des neuen Handlungskonzepts „Mobiler Dienst“ in Wiesbaden
wurde bei der „Koordinationsstelle für Behindertenarbeit“ im Amt für Soziale Arbeit ein
Fallmanagement eingeführt, um die Leistungssteuerung zu verbessern. Mit der operativen
Durchführung der Eingliederungshilfen in den Kindertagesstätten wurden zwei Träger
eines „Mobilen Dienstes“ beauftragt, die Eingliederungshilfen flexibler und bedarfsgerechter
erbringen sollen als zuvor.
Mit der Einführung eines Fallmanagement sind neue Leistungsprozesse und Verfahren
installiert worden. Aus den Gesprächen wird deutlich, dass fast alle Beteiligten über die
Abläufe im Einzelnen recht gut informiert sind.
Für alle Befragten deutlich spürbar – und demgemäß in den Gesprächen thematisiert –
ist das neue umfangreiche Assessmentverfahren, in dessen Verlauf die Koordinationsstelle
für Behindertenarbeit versucht, möglichst viele Informationen über die Beeinträchtigungen
und die spezifische Situation des jeweiligen Kindes zu erhalten, um eine
qualifizierte Entscheidung hinsichtlich des Hilfebedarfs zu treffen. Im Anschluss lädt das
Fallmanagement zu einem Hilfeplangespräch ein, an dem immer Eltern und Kindertagesstätte,
oft auch Frühförderstelle oder andere am Hilfeprozess Beteiligte teilnehmen. Es wird
gemeinsam ein Hilfeplan ausgearbeitet, der Ziele und Schwerpunkte der Maßnahme benennt.
Die Änderung im Verfahren hat dazu geführt, dass die Fallzahlen zurückgegangen sind
und sich wieder auf dem früheren Niveau (zum Zeitpunkt der Einführung der „Rahmenvereinbarung
Integrationsplatz“) eingependelt haben. Aufgrund der Vielzahl der einzubeziehen-
75

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
den Informationen und Akteure zieht sich die Entscheidung allerdings oft in die Länge, und
es vergehen mindestens zwei Monate zwischen Antragsstellung und Leistungsbescheid.
Nach der Bewilligung werden die Mobilen Dienste mit der Durchführung der Hilfe betraut.
Es beginnt die Personalsuche, die ebenfalls länger andauern kann. Die unter Umständen
insgesamt doch sehr langen Wartezeiten sehen Fallmanagement, Mobile Dienste und
Kindertagesstätten gleichermaßen kritisch, denn sie verhindern, dass die Eingliederungshilfe
zeitnah ansetzen kann.
Mit der Entgegennahme des Auftrags verpflichten sich die Mobilen Dienste, innerhalb von
drei Monaten nach Beginn der Maßnahmen auf der Grundlage des Hilfeplans einen Förderplan
auszuarbeiten, der die konkreten Arbeitsschwerpunkte benennt und Auskunft über die
geplanten Aktivitäten sowie die Anwesenheitszeiten und den Stundenumfang gibt. Darüber
hinaus sind zunächst halbjährliche und später jährliche Entwicklungsberichte zu erstellen,
aus denen hervorgeht, wie an den Zielen gearbeitet wurde und ob eine Anpassung der Leistungen
im Hinblick auf die inhaltlichen Aspekte der pädagogischen Arbeit oder den zeitlichen
Umfang angezeigt ist.
Die Erstellung der Förderpläne und ihre turnusmäßige Überprüfung auf Grundlage der Entwicklungsberichte
ist sowohl für die Fachkräfte der Mobilen Dienste als auch für die Kindertagesstätten
und das Fallmanagement ein zentrales Thema. Die Erzieherinnen und die Leitungen
der Kindertagesstätten berichten, dass sie sich häufig als zu wenig beteiligt und eingebunden
ansehen, obwohl die getroffenen Festlegungen zur inhaltlichen Ausrichtung und
zum Stundenumfang letztlich auch die Betriebsabläufe in der Kindertagesstätte berühren.
Vom Fallmanagement wird angemerkt, dass sich die Förderpläne und Entwicklungsberichte
bisher meist nur „locker“ auf die Systematik der Hilfepläne beziehen und auf die dort festgelegten
Ziele nur unzureichend eingegangen wird. Für eine Steuerung der Leistungsprozesse,
die Grundaufgabe jeder Form des Fallmanagements ist, ist die Rückkoppelung der Leistungserbringung
an definierte Ziele jedoch zentral.
In der täglichen Umsetzung der Eingliederungshilfe vor Ort stehen die kind- und elternbezogenen
Leistungen eindeutig im Vordergrund. Alle beteiligten Akteure betonen, dass
hier mehr möglich ist als früher und mehr beim Kind ankommt. Allerdings gibt es auch
kritische Stimmen, die berichten, dass sich ein solcher auf das einzelne Kind und seine
Eltern bezogener Ansatz verselbstständigen kann und der Anschluss an Gruppenprozesse
verloren geht.
Im neuen Handlungskonzept sind auch die Kindertagesstätten als Adressaten von Leistungen
durch die Mobilen Dienste genannt. In der Praxis scheint dies aber weder verbreitet
noch hinreichend bekannt zu sein, zumindest wird in den Gesprächen mit Fachkräften
und Leitungen nur ganz selten über entsprechende Leistungen wie Teamberatung
o. ä. berichtet. Hier besteht weiterer Informations- und Abstimmungsbedarf.
Prozessqualität der Kooperation
An der Leistung „Einzelintegration“ wirken viele Beteiligte mit. Dies erfordert ein hohes
Maß an Abstimmung, Kommunikation und Kooperation, nicht nur mit Blick auf die Einbeziehung
der Eltern oder des Fallmanagements, sondern insbesondere auch dort, wo die konkrete
Leistung erbracht wird, nämlich in den Kindertagestätten. Für die alltägliche Arbeit sind
verbindliche Absprachen und ein kontinuierlicher Austausch zwischen der Integrationsfachkraft
und den Erzieherinnen sowie der Leitung essentiell. Beide Seiten betonen die hohen
Anforderungen, die an Kommunikation gestellt sind sowohl in Bezug auf die Arbeitsabläufe in
der Kindertagesstätte als auch in Bezug auf die Situation des Kindes mit Behinderung bzw.
Entwicklungsverzögerung.
Wie der Austausch von Informationen organisiert ist, scheint in hohem Maße von den beteiligten
Personen abhängig zu sein; ein gängiges Modell existiert nicht. Teils nehmen die In-
76

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
tegrationsfachkräfte bei Bedarf, teils regelmäßig und teils gar nicht an Dienstbesprechungen
und der Gruppenvorbereitung in der Kindertagesstätte teil. Häufig wird vieles nur zwischen
Tür und Angel besprochen und nur das Allernötigste ausgetauscht. Die Entwicklung entsprechender
Regularien, Verfahrensweisen und Absprachen ist unbedingt erforderlich.
Über Probleme und Schwierigkeiten in der Abstimmung wird von beiden Seiten nicht nur
bezogen auf den Einzelfall berichtet. Vielmehr ist auch die institutionelle, fallübergreifende
Kooperation zwischen den Beteiligten bislang nur wenig entwickelt. Sie konzentriert sich auf
Steuerungstreffen zwischen dem Fallmanagement und dem Mobilen Diensten. Ungeklärte
Fragen und Konflikte gibt es aber gerade auch in der Kooperation zwischen Kindertagesstätten
und Mobilen Diensten. Hier scheint (von beiden Seiten formulierter) Bedarf an größerer
Transparenz über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Mobilen Dienste zu bestehen.
Es erscheint dringlich, einen regelmäßigen Austausch zu etablieren und darüber hinaus auch
die Eltern auf institutioneller Ebene stärker mit einzubeziehen.
Personalentwicklung und Qualitätssicherung
Die Mobilen Dienste wurden in Wiesbaden auch mit dem Anspruch und der Erwartung
eingeführt, durch eine Umorganisation der Leistungsprozesse schon länger bestehende
Probleme bei der Beschaffung von Fachpersonal für die Einzelintegration zu bewältigen.
Ein weiteres Ziel war es, die Qualität der Leistungen zu steigern.
Die Personalbeschaffung ist, trotz Bündelung bei den Mobilen Diensten, auch weiterhin
ein schwieriges Geschäft. Oft vergehen nach Erteilung des Leistungsbescheids mehrere
Wochen, bis die Maßnahme beginnen kann. Da die Mobilen Dienste noch nicht in ausreichendem
Umfang auf ein Personalreservoir zurückgreifen können, muss das passende
Fachpersonal in der Regel erst gesucht werden. Das kostet Zeit, vor allem in einer
Arbeitsmarktsituation, die in Wiesbaden durch einen massiven Fachkräftemangel im pädagogischen
Bereich geprägt ist.
Ein Wechsel der Integrationsfachkraft im Verlauf der Maßnahme stößt auf Kritik sowohl seitens
der Eltern als auch seitens der Kindertagesstätten, weil bereits eingespielte und gewohnte
Abläufe neu aufzubauen sind. Ob die Personalfluktuation mit Einführung des neuen
Verfahrens zugenommen hat – wie vielfach berichtet – lässt sich hier nicht klären. Auf jeden
Fall sollte dieser Frage aber nachgegangen werden und ist zu prüfen, welche Möglichkeiten
es gibt, hierauf Einfluss zu nehmen.
Um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung sicherzustellen, sind eine Reihe von
Instrumenten zur Qualitätssicherung entwickelt worden. Im Zentrum der Qualitätsentwicklung
stand bisher die Dokumentation des Leistungsprozesses; dabei wurde vor allem
für das Assessment eine Vielzahl von Instrumenten entwickelt, die sich in der Praxis
zu bewähren scheinen – jedenfalls wurde hier mit Ausnahme der Forderung des Fallmanagements
nach einer engeren Verzahnung der Förderpläne und Entwicklungsberichte
mit den Hilfeplänen kein Veränderungsbedarf thematisiert.
Mit Blick auf die fachliche Entwicklung haben beide Mobilen Dienste jeweils eigene Konzepte
entwickelt, die sich deutlich unterscheiden. Zum festen Programm gehören u. a.
regelmäßige Teambesprechungen, Schulungs- und Fortbildungsangebote, Konzepttage
oder Supervision und Coaching.
Wirksamkeit – der Leistungsprozess aus Sicht der Eltern
Eltern und ihre Kinder sind – neben den Kindertagesstätten – die Leistungsadressaten
oder Nutzer, die das Handlungskonzept „Mobiler Dienst“ vorsieht. Für eine Einschätzung
der „Wirksamkeit“ des Handlungskonzepts ist es daher von zentraler Bedeutung, was bei
77

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Eltern und Kindern ankommt. Zu dieser Frage haben die Eltern in leitfadengestützten
Gesprächen ausführlich Auskunft gegeben.
Was ist aus Sicht der Eltern eine gelungene Integration? Wichtig ist praktisch allen Eltern,
dass ihr Kind am Gruppenleben teilnehmen kann, dass es an möglichst allen Aktivitäten der
Gruppe beteiligt wird und Kontakte zu anderen Kindern knüpfen kann. Ihr Kind soll nicht nur
nebenher „mitlaufen“. Daher gilt es, seine besondere Situation zu berücksichtigen und entsprechende
Hilfestellungen zu geben, damit das möglich wird. Wichtig ist vielen Eltern auch,
dass ihre Kinder ein möglichst hohes Maß an Selbstständigkeit erreichen. Dies könnte insbesondere
im Hinblick auf den Übergang zur Regelschule von Bedeutung sein.
Teilnahme am Gruppenleben, ein höheres Maß an Selbstständigkeit – vieles davon wird
tatsächlich erreicht, jedenfalls berichten die befragten Eltern oft von großen, aber auch
von kleinen Fortschritten im Entwicklungsverlauf ihrer Kinder, die sie für wichtig halten.
Die meisten Eltern schreiben dieses Ergebnis nicht einer einzelnen Leistung oder einem
einzelnen Instrument zu. Für sie ist ein erreichter Entwicklungsfortschritt das Ergebnis
einer Gemeinschaftsleistung mit diversen Beteiligten: Der Erzieherinnen, der Integrationsfachkräfte,
der Frühförderstellen, der beteiligten Therapeuten. Und selbstverständlich
sind auch die Eltern selbst beteiligt; sie sehen sich jedenfalls durch verschiedene Formen
der Kooperation gut eingebunden. Die Eltern sehen auch die besondere Rolle der
Integrationskraft als „Vermittler“ und „Übersetzer“.
Sehr häufig wird ausgeführt, dass auch die Zusammenarbeit mit den Eltern deutlich intensiviert
wurde. Die Eltern bewerten die Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft
durchgehend gut. Die Integrationsfachkräfte investieren offenbar viel Zeit in diese Kooperation.
Einige Integrationsfachkräfte sehen die Gefahr, dass die Kooperation mit Eltern
von Kindern mit Behinderung vollständig an sie abgegeben wird, obwohl dies auch
weiterhin mit eine Aufgabe der Kindertagesstätten sei.
Recht häufig wird auch davon berichtet, dass die Integrationsfachkräfte sich für eine Kooperation
mit anderen Fallbeteiligten wie Therapeuten, Ärzten, Frühförderstelle engagieren
und für die Alltagsarbeit deutlich besser nutzbar machen können als früher.
Die Kooperation mit dem Fallmanagement spielt für die Eltern eher eine zweitrangige
Rolle. Mit dem Fallmanagement haben sie zu tun, wenn der Antrag auf Eingliederungshilfe
gestellt wird und wenn, nach einer positiven Entscheidung, ein Hilfeplangespräch
ansteht. Für die Eltern scheinen dies formale Erfordernisse zu sein, die keiner weiteren
Erwähnung bedürfen.
8.4 Gesamtbewertung durch die wissenschaftliche Begleitung
Abschließend soll von Seiten der wissenschaftlichen Begleitung mit Blick auf die Themen der
Evaluation (vgl. Abschnitt 1.4.) ein kurzes Fazit gezogen werden.
Die zentrale Bewertung der Wirksamkeit, die sich in fast allen Aussagen der befragten Fachkräfte
aller am Konzept beteiligten Organisationen und aller Eltern findet, lautet: Es kommt
mehr Leistung beim einzelnen Kind an als früher! Da dies eines der zentralen Ziele der Neukonzeptionierung
war, ist der neue Leistungsprozess als Erfolg zu werten.
Mit Einführung des Assessements und der veränderten Zugangssteuerung haben sich die
Fallzahlen wieder auf dem Ausgangsniveau vor Einführung der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“
eingependelt und sind die Ausgaben für diesen Bereich deutlich zurückgegangen.
Auch dies war ein erklärtes Ziel der Verfahrensumstellung in der Leistungserbringung.
Ein weiteres Ziel war die flexible und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Hilfen. Dem wird
mit den Abstufungen im Stundenumfang und der turnusmäßigen Überprüfung der Förderpläne
auch in inhaltlicher, pädagogischer oder pflegerischer Hinsicht entsprochen.
78

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Als problematisch sind die nach wie vor vergleichsweise langen Wartenzeiten zwischen der
Antragsstellung und dem Bewilligungsbescheid anzusehen sowie die teils zu Tage tretenden
Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung, die zu weiteren Verzögerungen führen können.
Hier wurden die erwarteten Verbesserungen bislang noch nicht erzielt.
Von Schwierigkeiten und Problemen wird darüber hinaus auch bei der Abstimmung und Kooperation
berichtet. Institutionalisierte Formen eines systematischen Austauschs sind kaum
entwickelt und beschränken sich im Wesentlichen auf bilaterale Treffen des Fallmanagements
entweder mit den Mobilen Diensten oder mit den Kindertagesstätten. Ungeklärte Fragen
und Konflikte gibt es aber gerade auch in der direkten Kooperation zwischen Kindertagesstätten
und Mobilen Diensten. Hier scheint (von beiden Seiten formulierter) Bedarf an
größerer Transparenz über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Mobilen Dienste zu bestehen.
Eine konzeptionelle Weiterentwicklung an dieser Stelle könnte dafür sorgen, dass
Beispiele gelungener Kooperation nicht mehr vorwiegend Resultat personenbezogener
„Passung“ sind.
Zusammengefasst zeigt sich somit eine eigentümliche Schieflage: Einer hohen Zufriedenheit
auf der Ebene der Einzelfälle steht viel Kritik auf der Systemebene gegenüber. Hier besteht
dringender Verbesserungsbedarf, damit die benannten Defizite auf der Systemebene nicht
über kurz oder lang auf die Einzelfallebene durchschlagen.
Wir sehen hier eine Korrespondenz zu den Aufgaben des Fallmanagements. In Bezug auf
die Einzelfälle erscheint es sinnvoll, über das Assessement und die Zugangssteuerung hinaus
den Gesamtprozess der Leistungserbringung und Leistungsanpassung stärker im Auge
zu behalten. Außerdem sollte das Fallmanagement eine gewichtigere Rolle im Hinblick auf
die fallübergreifenden Elemente des Konzeptes erhalten und stärker auf der Systemebene
ansetzen als dies bisher der Fall ist. Hierzu ist es erforderlich, geeignete Steuerungsinstrumente
und -organe zu entwickeln. Zudem scheint es für die Weiterentwicklung des Handlungskonzeptes
und die Klärung grundsätzlicher Fragen wichtig zu sein, eine Art Runden
Tisch zu etablieren, an dem alle Beteiligten – auch die Eltern – vertreten sind.
79

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Anhang
Umfang und Bedarfe der Zielgruppe – Auswertung vorliegender Daten
Karin Knaup, Amt für Soziale Arbeit, Landeshauptstadt Wiesbaden
Ein wesentlicher Anlass für die Einführung eines neuen Handlungskonzepts zur Bereitstellung
von Maßnahmen der Einzelintegration in Kindertagesstätten war, wie weiter
oben ausgeführt, die Entwicklung der Fallzahlen im Anschluss an die Umsetzung der
„Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“. Die Fallzahlen hatten sich in Wiesbaden innerhalb
weniger Jahre – bis ca. 2002 / 2003 – verdoppelt, vor allem weil die Zahl der Kinder
mit Diagnose Entwicklungsverzögerung zunahm. Eines der Ziele des neuen Handlungskonzepts
„Mobile Dienste“ war es daher unter anderem, durch eine verbesserte Bedarfsfeststellung
und Zugangssteuerung die Fallzahlen auch wieder zurückzuführen.
Zudem sollten Maßnahmen flexibler gestaltet werden. Auf der Grundlage des verfügbaren
Datenmaterials soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wieweit es gelungen
ist, diese Ziele zu erreichen.
Im Rahmen der amtlichen Statistik der Kinder- und Jugendhilfe werden bundesweit in
regelmäßigen Abständen Angaben zu den Kindern in Tagesstätten erhoben. Hierbei wird
neben dem Geschlecht und Alter der einzelnen Kinder u. a. auch erfasst, ob dem Kind
innerhalb der Einrichtung Eingliederungshilfe gewährt wird. Ergänzend hierzu werden in
Wiesbaden weitere Zusatzangaben abgefragt, beispielsweise die Erwerbstätigkeit der
Eltern.
2002 wurden von den Kindertagesstätten in Wiesbaden 281 Integrationskinder im Alter
zwischen drei und sechs Jahren gemeldet. Diese verteilten sich auf 56 von 146 Einrichtungen
(38,4 %), wobei die Anzahl in den einzelnen Kindertagesstätten zwischen einem
Kind und 27 Kindern variierte. Gut ein Drittel der Kinder (108) besuchte eine von fünf
Einrichtungen mit 17 oder mehr Integrationsplätzen.
Zum Stand 15. März 2009 bezogen in Wiesbaden 108 Kinder zwischen drei und sechs
Jahren Eingliederungshilfe in Kindertagesstätten. Diese verteilten sich auf 50 Einrichtungen,
was einem Anteil von 31,9 % an allen 157 Kindertagesstätten in Wiesbaden entspricht.
Gemessen an der maximal möglichen Verteilung (108 Kinder in 108 unterschiedlichen
Einrichtungen) errechnet sich ein Anteilswert von 46,3 %. Die Zahl der Kinder, denen
Maßnahmen zur Integration in Kindertagesstätten gewährt wurde, reichte von einem
Kind pro Einrichtung bis hin zu maximal neun Kindern pro Einrichtung. Insgesamt ist somit
ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, sowohl was die Fallzahlen als auch die
Konzentration auf einzelne Einrichtungen betrifft.
Wie aus der nachfolgenden Übersicht zum Stand März 2009 hervorgeht, liegt der
Schwerpunkt der Gewährung von Eingliederungshilfe in den Kindertagesstätten bei der
Altersgruppe der Fünfjährigen mit einem Anteil von 42,6 %. Jüngere, insbesondere dreijährige
Kinder sind vergleichsweise selten vertreten. Unklar bleibt, ob die Kinder selbst
schon älter sind, wenn sie eine Kindertagesstätte besuchen, oder ob es eine Zeit dauert,
bis das Verfahren der Antragstellung und Hilfegewährung in Gang kommt.
Unter den Kindern, die Maßnahmen der Eingliederungshilfe in Kindertagesstätten erhalten,
sind mit einem Anteil von knapp 60 % überdurchschnittliche viele Jungen. Deutliche
Unterschiede zeigen sich auch im Hinblick auf den Anteil der Kinder mit allein erziehenden
Elternteilen (23,1 % der Kinder mit Eingliederungshilfemaßnahmen gegenüber
13,9 % aller Kinder), die Häufigkeit einer Erwerbstätigkeit beider Elternteile (33,3 % gegenüber
50,3 % insgesamt) sowie die Häufigkeit des Bezugs von SGB II-Leistungen
(40,7 % gegenüber 22,1 % insgesamt).
82

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Übersicht: Merkmale der Zielgruppe
Kinder mit
Einzelintegrationsmaßnahmen
Kinder ohne
Einzelintegrationsmaßnahmen
Kinder insgesamt
abs. % abs. % abs. %
Alter 3 Jahre 15 13,9 1.920 24,0 1.935 23,9
4 Jahre 28 25,9 2.454 30,7 2.482 30,6
5 Jahre 46 42,6 2.304 28,8 2.350 29,0
6 Jahre 19 17,6 1.312 16,4 1.331 16,4
Geschlecht Weiblich 43 39,8 3,882 48,6 3.925 48,5
Männlich 64 59,3 4.102 51,3 4.166 51,4
Unbekannt 1 0,9 6 0,1 7 0,1
Ausländische Her- Ja 58 53,7 4.153 52,0 4.211 52,0
kunft mind. eines Nein 48 44,4 3,717 46,5 3,765 46,5
Elternteil Unbekannt 2 1,9 120 1,5 122 1,5
Allein erziehendes Ja 25 23,1 1.104 13,8 1.129 13,9
Elternteil Nein 82 75,9 6.632 83,0 6.714 82,9
Unbekannt 1 0,9 254 3,1 255 3,1
Beide Eltern erw.- Ja 36 33,3 4.040 50,6 4.076 50,3
tätig/ erw.-tätige Nein 71 65,7 3.685 46,1 3.756 46,4
allein Erziehende Unbekannt 1 0,9 265 3,3 266 3,3
Bezug von SGB II- Ja 44 40,7 1.749 21,9 1.793 22,1
Leistungen Nein 61 56,5 5.971 74,7 6.032 74,5
Unbekannt 3 2,8 270 3,3 263 3,4
Betreuungszeiten bis zu 5 Std. 20 18,5 1.183 14,8 1.203 14,9
5-7 Std. 16 14,8 1.161 14,5 1.177 14,5
7-10 Std. 66 61,1 5.159 64,5 5.225 64,5
mehr als 10 Std. 0 0,0 10 0,1 10 0,1
Vor- und nachmittags,
3 2,8 343 4,3 346 4,3
ohne
Mittagsbetreuung
Unbekannt 3 2,8 144 1,8 147 1,8
Kinder insgesamt 108 100,0 7.990 100,0 8.098 100,0
Quelle: KT-Strukturdatenerhebung des Amtes für Soziale Arbeit Wiesbaden, Stand 15.03.2009.
Beim Migrationshintergrund – gemessen an der ausländischen Herkunft mindestens eines
Elternteils – sowie den Angaben zu den individuellen Betreuungszeiten des Kindes
zeigen sich keine Unterschiede. Etwa die Hälfte aller Kinder zwischen drei und sechs
Jahren, die in Wiesbaden eine Kindertagesstätte besuchen, hat mindestens ein Elternteil
mit ausländischer Herkunft und knapp zwei Drittel nutzen das Angebot der Kindertagesstätte
zwischen sieben und zehn Stunden am Tag.
Ergänzend und vertiefend zu den Angaben der KT-Strukturdatenerhebung stehen für
Auswertungszwecke darüber hinaus auch Daten aus der internen Dokumentation des
Fallmanagements zur Verfügung. Nach diesen Daten erhielten im August 2009 128 Kinder
Eingliederungshilfe in Kindertagesstätten, wobei die Gruppe zu etwa gleichen Teilen
von den beiden Mobilen Diensten betreut wurde (Mobiler Dienst 1: 62 Kinder, Mobiler
Dienst 2: 66 Kinder).
83

Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Ein wichtiges Ziel des neuen Handlungskonzepts war es, Eingliederungsmaßnahmen
flexibler zu gestalten und strikter an den Bedarf im Einzelfall zu knüpfen. Während nach
der alten Regelung immer pauschal ein Integrationsplatz mit 15 Stunden bewilligt wurde
– also unabhängig von Art und Grad der Behinderung –, sollte es nunmehr möglich sein,
je nach Bedarfslage unterschiedliche Hilfen bereitzustellen, also die Hilfe in einem unterschiedlichen
Umfang an Fachkraftstunden zu bemessen und sie im Fallverlauf auch zu
variieren. Wie sieht die Praxis tatsächlich aus? Die folgende Übersicht gibt hierzu einige
Informationen.
Übersicht: Verteilung des Stundenumfangs
40
35
36
30
27
25
24
20
15
10
13
11
11
6
5
0
0
bis 9 Stunden 10 bis 15 Stunden über 16 Stunden Fehlende Angabe
Mobiler Dienst 1 Mobiler Dienst 2
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis einer internen Dokumentation des Fallmanagements der
Koordinationsstelle für Behindertenarbeit im Amt für Soziale Arbeit Wiesbaden.
Für die Auswertung wurden pragmatisch drei Gruppen voneinander abgegrenzt: Kleiner
Bedarf mit bis zu neun Stunden Betreuung in der Woche, mittlerer Bedarf mit zehn bis 15
Stunden Betreuung in der Woche sowie hoher Bedarf von über 16 Stunden. Für die
meisten Kinder mit Behinderung wird ein mittlerer Bedarf festgestellt, und sie werden
zwischen zehn und 15 Stunden betreut. Es folgt die Gruppe der Kinder mit hohem Bedarf
von über 16 Stunden; am kleinsten ist die Gruppe der Kinder mit Behinderung, die
bis zu neun Stunden in der Woche durch eine Integrationsfachkraft unterstützt werden.
Das Schaubild zeigt auch, dass es beim Stundenumfang deutliche Unterschiede zwischen
den beiden Mobilen Diensten gibt. Lässt man die fehlenden Angaben außer Acht,
dann sieht es so aus, dass der Mobile Dienst 1 keine Kinder mit kleinem Bedarf betreut,
aber eine vergleichsweise große Gruppe von Kindern, die über 15 Stunden und mehr in
der Woche in der Kindertagesstätte zu betreuen sind. Bei dem Mobilen Dienst 2 verhält
es sich anders: Es gibt hier auch eine relevante Gruppe mit kleinem Stundenumfang bis
zu neun Stunden, und der Anteil der Kinder, die in einem großen Umfang zu betreuen
sind, ist etwa nur halb so groß wie beim Mobilen Dienst 1.
Die folgende Übersicht informiert darüber, wie häufig der Umfang der Betreuung im Verlauf
der Maßnahme angepasst wird.
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Evaluation „Mobiler Dienst“ Wiesbaden _________________________________________________
Übersicht: Anpassung des Stundenumfangs
Mobiler Dienst 1 Mobiler Dienst 2 Gesamt
Gleichbleibend 85,5 % (53) 69,7 % (46) 77,3 % (99)
Anpassung
Stundenumfang
Weniger Stunden 11,3 % (7) 6,1 % (4) 8,6 % (11)
Mehr Stunden 3,2 % (2) 24,2 % (16) 14,1 % (18)
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis einer internen Dokumentation des Fallmanagements der
Koordinationsstelle für Behindertenarbeit im Amt für Soziale Arbeit Wiesbaden.
Die Übersicht zeigt, dass sich der Umfang der Betreuung für die große Mehrheit der Kinder
mit Behinderung im Verlauf der Maßnahme nicht verändert. Dieser Anteil ist beim
Mobilen Dienst 1 mit 85,5 % besonders groß. Wenn der Umfang der Betreuung angepasst
wird, dann werden die Stunden beim Mobilen Dienst 1 eher verringert (bei etwa
jedem zehnten Kind) und beim Mobilen Dienst 2 eher erhöht (bei einem Viertel der betreuten
Kinder).
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