strukturelle veränderungen in der berliner energiewirtschaft - SNPC
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„STRUKTURELLE VERÄNDERUNGEN IN<br />
DER BERLINER ENERGIEWIRTSCHAFT“<br />
Kurzgutachten für die<br />
Industrie- und Handelskammer zu Berl<strong>in</strong>
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 E<strong>in</strong>leitung 03<br />
2 Bedeutung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Strom- und Gasverteilnetze 04 - 07<br />
2.1 Funktion und technische Grundlagen <strong>der</strong> Netze<br />
2.2 Struktur und Zustand <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Verteilnetze<br />
3 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Konzessionsvergabe 08 - 10<br />
3.1 Wegenutzungsrechte für Netzbetreiber<br />
3.2 Neuvergabe von Konzessionsverträgen<br />
3.3 Auswahl e<strong>in</strong>es Bieters<br />
3.4 Übereignung <strong>der</strong> Netze an e<strong>in</strong>en neuen Konzessions<strong>in</strong>haber<br />
4 Alternativen des Landes Berl<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> Konzessionsvergabe 11 - 13<br />
4.1 Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong>en Dritten<br />
ohne Beteiligung des Landes (wie bisher)<br />
4.2 Vollständige Rekommunalisierung<br />
4.3 Teil-Rekommunalisierung<br />
5 Mögliche Zielsetzungen des Landes Berl<strong>in</strong><br />
im Rahmen <strong>der</strong> Konzessionsvergabe 14 - 19<br />
5.1 Begründungen für staatlichen Netzbetrieb<br />
5.2 Energiepolitische Zieldimensionen im Netzbetrieb<br />
5.3 Rendite-Erzielung / Wirtschaftlichkeit für Berl<strong>in</strong><br />
5.4 Gestaltungsspielraum im Rahmen des Konzessionsvertrags<br />
5.5 Zwischenfazit<br />
6 F<strong>in</strong>anzpolitische Auswirkungen e<strong>in</strong>er Beteiligung<br />
an den Netzen für das Land Berl<strong>in</strong> 20 - 27<br />
6.1 F<strong>in</strong>anzströme an das Land Berl<strong>in</strong><br />
6.2 Investitionen <strong>in</strong> das Netz<br />
6.3 F<strong>in</strong>anzierungsmodelle und -konditionen<br />
6.4 Vere<strong>in</strong>fachte Darstellung von Auswirkungen auf den Haushalt<br />
7 Zusammenfassung und Fazit 28 - 29<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
1<br />
EINLEITUNG<br />
Deutschlandweit läuft e<strong>in</strong>e Vielzahl von Konzessionsverträgen zwischen Geme<strong>in</strong>den und den<br />
Betreibern von Strom- und Gasverteilnetzen aus. So auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>: Ende 2013 für das Gasverteilnetz<br />
und Ende 2014 für das Stromverteilnetz. Dies führt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, wie an vielen an<strong>der</strong>en<br />
Orten <strong>in</strong> Deutschland auch, zu <strong>in</strong>tensiven Diskussionen über die künftige Rolle <strong>der</strong><br />
öffentlichen Hand bei <strong>der</strong> Energieversorgung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann, wenn die Netze von privaten<br />
Unternehmen betrieben werden. Zusätzlich verstärkt und teilweise politisch überhöht wird die<br />
Diskussion durch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit für die Energiewende.<br />
In <strong>der</strong> aktuellen politischen Diskussion <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wird von verschiedenen Seiten gefor<strong>der</strong>t, im<br />
Zusammenhang mit den anstehenden Konzessionsvergaben künftig wie<strong>der</strong> mehr E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
Strom- und Gasversorgung zu gew<strong>in</strong>nen, z. B. durch e<strong>in</strong>e Beteiligung o<strong>der</strong> die vollständige Übernahme<br />
<strong>der</strong> Netze durch das Land Berl<strong>in</strong>. Dadurch soll das Land <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, die<br />
gesetzten energiepolitischen Ziele besser zu erreichen. Außerdem sei mit dem Engagement Berl<strong>in</strong>s<br />
auch e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller Vorteil verbunden.<br />
Aufgabe dieses Kurzgutachtens ist es aufzuzeigen, welchen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen das Land<br />
Berl<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> Neuvergabe <strong>der</strong> Konzessionen unterliegt und welche grundsätzlichen Handlungsmöglichkeiten<br />
zur Auswahl stehen. Zum an<strong>der</strong>en wird untersucht, ob das Land Berl<strong>in</strong> über die Vergabe<br />
<strong>der</strong> Konzessionen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Beteiligung an den Netzen energiepolitische Ziele erreichen kann.<br />
Außerdem wird vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> hohen Verschuldung und e<strong>in</strong>es hohen Haushaltsdefizits<br />
untersucht, <strong>in</strong>wieweit durch e<strong>in</strong>e Rekommunalisierung <strong>der</strong> Netze zusätzliche E<strong>in</strong>nahmen für den<br />
Haushalt erzielt werden können. Aufgabe des Gutachtens ist es ausdrücklich nicht, Bewertungen<br />
vorzunehmen o<strong>der</strong> Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise zu formulieren.<br />
Das Kurzgutachten soll damit e<strong>in</strong>en Beitrag zur Versachlichung <strong>der</strong> Diskussionen rund um die<br />
Vergabe <strong>der</strong> Konzessionen sowie den tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten von Strom- und Gasnetzbetreibern<br />
zur E<strong>in</strong>flussnahme auf die Energieversorgung leisten.<br />
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2<br />
BEDEUTUNG DER BERLINER STROM- UND GASVERTEILNETZE<br />
Bei den Netzen, über <strong>der</strong>en künftigen Betreiber das Land Berl<strong>in</strong> entscheiden kann, handelt<br />
es sich um sogenannte Verteilnetze. Die Endkunden beziehen über diese Netze ihren Strom<br />
bzw. ihr Gas. Neben zentral erzeugtem Strom wird ebenso dezentral erzeugter Strom o<strong>der</strong><br />
dezentral erzeugtes Gas <strong>in</strong> die Verteilnetze e<strong>in</strong>gespeist. Auf Grund des erwarteten Anstiegs<br />
dezentraler Energieerzeugung und <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>telligenten Steuerung<br />
des Energieverbrauchs werden hohe Investitionen <strong>in</strong> die Verteilnetze erfor<strong>der</strong>lich.<br />
2.1 FUNKTION UND TECHNISCHE GRUNDLAGEN DER NETZE<br />
Strom und Gas s<strong>in</strong>d sogenannte „leitungsgebundene Energieträger“, <strong>der</strong>en zuverlässige und<br />
kostengünstige Verfügbarkeit von fundamentaler wirtschaftlicher und schlussendlich sozialer<br />
Bedeutung für Berl<strong>in</strong> ist (Dienstleistungen <strong>der</strong> sogenannten „Dase<strong>in</strong>svorsorge“). Die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Leitungsnetze s<strong>in</strong>d somit als kritische Infrastrukturen zu betrachten, die höchsten Ansprüchen an<br />
die Versorgungssicherheit und die Verlässlichkeit sowie an die Verfügbarkeit genügen müssen.<br />
Gleichzeitig stellen die Leitungsnetze „natürliche Monopole“ dar, <strong>der</strong>en Nutzung diskrim<strong>in</strong>ierungsfrei<br />
allen Energiemarkt-Teilnehmern zu ermöglichen ist. Die Leitungsnetzte haben vergleichbare<br />
Funktionen wie Straßen und Autobahnen.<br />
Die Aufgabe <strong>der</strong> Strom- und Gasnetze besteht e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Übertragung <strong>der</strong> Energieträger Strom<br />
o<strong>der</strong> Gas über längere Distanzen, beispielsweise von Strom aus e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>dpark <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ostsee o<strong>der</strong><br />
von Gas aus Russland, zu den Verbrauchern <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Solche Netze von überregio-naler Reichweite<br />
werden als Übertragungs- bzw. Transportnetze bezeichnet. An<strong>der</strong>erseits gibt es Verteilnetze<br />
von regionaler Reichweite, die <strong>der</strong> Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> städtischen Endkunden (o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> dezentralen<br />
Energieerzeuger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt) <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Versorgungsgebiets dienen. Während z.B. die<br />
deutschen Strom-Übertragungsnetze von vier überregionalen Unternehmen betrieben werden –<br />
Berl<strong>in</strong> liegt im Netzgebiet <strong>der</strong> 50Hertz Transmission GmbH (ehem. Vattenfall) –, schließen die Kommunen<br />
<strong>in</strong> eigener Verantwortung Konzessionsverträge (vgl. Kapitel 3) mit Energieversorgungsunternehmen<br />
ab, die den Betrieb <strong>der</strong> Verteilnetze übernehmen.<br />
2.2 STRUKTUR UND ZUSTAND DER BERLINER VERTEILNETZE<br />
Das Berl<strong>in</strong>er Gasverteilnetz 1 erstreckt sich über e<strong>in</strong>e Gesamtlänge von 6.974 Kilometer (km). Es ist<br />
<strong>in</strong> drei Druckebenen geglie<strong>der</strong>t – Hochdrucknetz (11 % <strong>der</strong> gesamten Leitungslänge), Mitteldrucknetz<br />
(9 %) und Nie<strong>der</strong>drucknetz (80 %) – und versorgt über die verschiedenen Druckebenen rund<br />
160.000 Ausspeisepunkte (Entnahmestellen). Im Jahr 2010 wurde e<strong>in</strong>e Energiemenge von 30.940<br />
Gigawattstunden (GWh), entsprechend 2.787 Mio. Normkubikmeter (m n<br />
³) Gas, über das Netz zum<br />
Endverbraucher transportiert, bei e<strong>in</strong>er Jahreshöchstlast von 10,18 Gigawatt (GW).<br />
1<br />
Sofern nicht an<strong>der</strong>s gekennzeichnet, stammen alle folgenden Daten aus Angaben <strong>der</strong> Gasag bzw. ihrer Netztochter<br />
NBB, veröffentlicht auf <strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Die technische Struktur des Netzes sche<strong>in</strong>t aufgrund <strong>der</strong> historisch bed<strong>in</strong>gten Beson<strong>der</strong>heiten Berl<strong>in</strong>s<br />
(Teilung <strong>der</strong> Stadt, Investitions- und Sanierungsverhalten nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung) anspruchsvoll<br />
und <strong>in</strong>homogen zu se<strong>in</strong>. So weist <strong>der</strong> gegenwärtige Betreiber auf e<strong>in</strong>e im Bundesvergleich<br />
erhöhte Leckstellenrate wegen des hohen Anteils an Grauguss-Rohrleitungen h<strong>in</strong>: Während<br />
im Berl<strong>in</strong>er Durchschnitt 0,15 Schadensereignisse pro Jahr und Kilometer im gesamten Gasnetz<br />
auftreten, liegt diese Zahl bei e<strong>in</strong>em sehr kle<strong>in</strong>en Teil (1,5 %) <strong>der</strong> gusseisernen Rohren aufgrund <strong>der</strong><br />
nachlassenden Wirksamkeit von Sanierungsmaßnahmen deutlich darüber. Immerh<strong>in</strong> gut 20 % <strong>der</strong><br />
Berl<strong>in</strong>er Gasleitungen s<strong>in</strong>d älter als 50 Jahre, gut 10 % s<strong>in</strong>d sogar noch aus Vorkriegsbestand.<br />
Unter Experten ist umstritten, <strong>in</strong>wiefern zukünftig weiterh<strong>in</strong> drei leitungsgebundene Energieformen<br />
– Strom, Gas und Fernwärme – parallel existieren werden. Gas und Fernwärme dienen maßgeblich<br />
<strong>der</strong> Bereitstellung von Heizwärme, <strong>der</strong>en Nachfrage <strong>in</strong> den nächsten Jahrzehnten aufgrund verbesserter<br />
Gebäudedämmung und dezentraler Wärmebereitstellung s<strong>in</strong>ken dürfte. Insofern gehen<br />
Experten von e<strong>in</strong>em Verdrängungswettbewerb und s<strong>in</strong>kenden Margen aus, was <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei<br />
Investitionen <strong>in</strong> die sehr langlebigen Netz<strong>in</strong>frastrukturen erhöhte Risiken mit sich br<strong>in</strong>gt. Zum<strong>in</strong>dest<br />
auf Sicht <strong>der</strong> kommenden Jahre ist jedoch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> noch ke<strong>in</strong> signifikanter Rückgang <strong>der</strong> Fernwärme<br />
zu erwarten. 2<br />
Das Berl<strong>in</strong>er Stromverteilnetz 3 hat e<strong>in</strong>e Gesamtlänge von 34.943 km. Davon entfallen 2 % auf die<br />
Hochspannungsebene, 31 % auf das Mittelspannungsnetz und 67 % auf die Nie<strong>der</strong>spannung.<br />
Nur knappe 3 % <strong>der</strong> gesamten Netzlänge s<strong>in</strong>d als Freileitungen sichtbar, <strong>der</strong> Rest ist <strong>in</strong> Erdkabeln<br />
ausgeführt. Über alle Spannungsebenen h<strong>in</strong>weg gibt es rund 2,2 Mio. Entnahmestellen im<br />
Netz – dies entspricht ungefähr <strong>der</strong> Kundenzahl. Im Jahr 2009 betrug die entnommene Jahresarbeit<br />
14.108 GWh bei e<strong>in</strong>er Höchstentnahmelast von 2,40 GW. Mittelfristig wird e<strong>in</strong> gleichbleibendes<br />
Niveau <strong>der</strong> Gesamtlast bei lokal unterschiedlichen Zuwächsen o<strong>der</strong> Rückgängen erwartet.<br />
Die Beson<strong>der</strong>heit des Stromnetzes liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> ehemaligen Insellage West-Berl<strong>in</strong>s und <strong>der</strong> daraus<br />
resultierenden dezentralen Struktur sowie <strong>in</strong> den großen Sanierungsanstrengungen im Ostteil <strong>der</strong><br />
Stadt nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung ab 1990. Nach Angaben des Betreibers s<strong>in</strong>d Teile des Verteilnetz<br />
relativ alt und kosten<strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> <strong>der</strong> Instandhaltung, wobei die verfügbare Datenqualität zur<br />
Altersstruktur <strong>der</strong> Mittel- und Nie<strong>der</strong>spannungsebene e<strong>in</strong>geschränkt ist. Die betriebsgewöhnliche<br />
Nutzungsdauer zwischen 30 und 40 Jahren ist gemäß Angaben des Betreibers bei e<strong>in</strong>em großen<br />
Anteil <strong>der</strong> Betriebsmittel überschritten – beispielsweise 48 % bis 23 % bei Kabeln, 51 % bis 26 %<br />
bei Ortsnetzstationen – so dass <strong>in</strong> den nächsten Jahren Ersatz<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> nennenswertem Umfang<br />
zu erwarten s<strong>in</strong>d. Im Bereich <strong>der</strong> PE/VPE-isolierten Mittelspannungskabel rechnet <strong>der</strong> Betreiber<br />
sogar mit e<strong>in</strong>er Unterschreitung <strong>der</strong> betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer.<br />
2<br />
Das „Energiekonzept 2020“ <strong>der</strong> SenWTF (erstellt von <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energieagentur und dem Institut für ökologische<br />
Wirtschaftsforschung) geht im Zeitraum 2005 bis 2020 von e<strong>in</strong>em um gut 10 % s<strong>in</strong>kenden Wärmebedarf <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aus.<br />
Dabei steigt <strong>der</strong> Beitrag von Fernwärme zur Deckung des gesamten Wärmebedarfs sogar von 29,8 % auf 32,7 %; vor<br />
dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> stark s<strong>in</strong>kenden Gesamtnachfrage nach Wärme s<strong>in</strong>kt auch <strong>der</strong> absolute Energiebezug aus Fernwärme<br />
um mo<strong>der</strong>ate 2 %.<br />
3<br />
Sofern nicht an<strong>der</strong>s gekennzeichnet, stammen alle folgenden Daten aus Angaben von Vattenfall bzw. <strong>der</strong> Vattenfall<br />
Europe Distribution Berl<strong>in</strong>, veröffentlicht auf <strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Berl<strong>in</strong>er Netze bislang e<strong>in</strong>e sehr gute Versorgung<br />
gewährleisten, <strong>in</strong> Zukunft jedoch nennenswerte Investitionen <strong>in</strong> den Erhalt sowie <strong>in</strong> technische<br />
Neuerungen erfor<strong>der</strong>lich werden, die teilweise noch nicht klar abzuschätzen s<strong>in</strong>d. Im Elektrizitätsnetz<br />
können die Entwicklungen h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>telligenten Netz (Smart Grid) zur verstärkten<br />
Integration fluktuieren<strong>der</strong> erneuerbarer Erzeugung sowie zur Schaffung <strong>der</strong> Infrastruktur für Elektromobilität<br />
<strong>in</strong> den nächsten zwei Jahrzehnten e<strong>in</strong>en erheblichen Innovationsdruck entfalten. Auch das<br />
Gasnetz steht vor technologischen Unwägbarkeiten, etwa mit Blick auf die Diskussion um Powerto-Gas<br />
(Umwandlung von Strom <strong>in</strong> Gas). Vor e<strong>in</strong>er Entscheidung über e<strong>in</strong>e partielle o<strong>der</strong> sogar vollständige<br />
Rekommunalisierung <strong>der</strong> Netze sollte das Land Berl<strong>in</strong> daher e<strong>in</strong>e gründliche technische<br />
und wirtschaftliche Bewertung <strong>der</strong> Netze („Due Diligence“) durchführen, um den Zustand <strong>der</strong> Netze,<br />
den zukünftigen Investitionsbedarf und potenzielle Risiken verlässlicher e<strong>in</strong>schätzen zu können.<br />
EXKURS: Spannungsebenen im Stromnetz<br />
Elektrizität ist gekennzeichnet durch die E<strong>in</strong>heiten Strom und Spannung – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Analogie zu e<strong>in</strong>er<br />
Wasserleitung könnte man von „Wassermenge pro Zeite<strong>in</strong>heit“ und „Druck“ sprechen. Der elektrische<br />
Wi<strong>der</strong>stand e<strong>in</strong>er Leitung führt dazu, dass unvermeidlich e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> elektrischen Energie im<br />
Netz verloren geht und sich die betreffenden Leitungen im gleichen Maße erwärmen. Die Verluste<br />
kann man verr<strong>in</strong>gern, <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>e höhere Spannung wählt, e<strong>in</strong> Umstand, <strong>der</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf<br />
längeren Transportwegen möglichst hohe Spannungen erfor<strong>der</strong>lich macht. Unterschieden wird gewöhnlich<br />
zwischen Nie<strong>der</strong>spannung (weniger als 1.000 Volt), Mittelspannung (<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 6 bis 30 Kilovolt<br />
(kV), wobei perspektivisch nur noch die 10-kV-Ebene betrieben werden soll) sowie Hoch- und<br />
Höchstspannung (ab 110 kV, <strong>in</strong> Deutschland maximal 380 kV). Das Rückgrat des Berl<strong>in</strong>er Verteilnetzes<br />
s<strong>in</strong>d 110-kV-Leitungen, die über Umspannstationen <strong>in</strong> die 6-, 10- und 30-kV-Mittelspannungsebenen<br />
speisen, welche wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> den kundennahen Ortsnetzstationen auf Nie<strong>der</strong>spannung gebracht<br />
werden. Im Haushalt wird e<strong>in</strong>e Nennspannung von 230 Volt verwendet. Höchstspannungen<br />
von mehr als 110 kV s<strong>in</strong>d nur im Übertragungsnetz üblich. Für die Spannungsebenen bis 110 kV<br />
ist <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstädtischen Bereichen die Verwendung von Kabeln Stand <strong>der</strong> Technik. Höhere Spannungsebenen<br />
s<strong>in</strong>d nur noch mit extrem hohem technischem und f<strong>in</strong>anziellem Aufwand als Kabel<br />
realisierbar und daher äußerst unüblich. Limitierend wirken dabei die elektrischen Belastungsgrenzen<br />
<strong>der</strong> Kunststoffisolierungen ebenso wie die Möglichkeit zur Wärmeabfuhr (Hochspannungsleitungen<br />
erwärmen sich im Betrieb auf rund 80°C), die bei den luftgekühlten Freileitungen viel besser<br />
gegeben ist als bei Erdkabeln. E<strong>in</strong>e seltene Ausnahme ist <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den, wo e<strong>in</strong> 380-kV-Kabel<br />
mehrere Kilometer <strong>in</strong> Ost-West-Richtung unter <strong>der</strong> Stadt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em befahrbaren Kabeltunnel verläuft<br />
und künstlich gekühlt werden muss.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
EXKURS: Was ist e<strong>in</strong> Smart Grid?<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren Energien bestimmt maßgeblich auch die Herausfor<strong>der</strong>ungen, vor<br />
denen das Stromnetz <strong>in</strong> Zukunft stehen wird. Anstelle weniger Großkraftwerke, die punktuell <strong>in</strong><br />
das Netz e<strong>in</strong>speisen und über dieses ihren Strom an die Endverbraucher verteilen, wird es <strong>in</strong> zunehmendem<br />
Maße tausende kle<strong>in</strong>teilige, dezentrale Erzeuger geben – beispielsweise Solarzellen<br />
auf den Dächern o<strong>der</strong> Wärme und gleichzeitig Strom erzeugende Anlagen <strong>in</strong> den Kellern <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er<br />
Häuser. Die Konsequenz ist, dass Haushalte zu sogenannten Prosumenten (e<strong>in</strong> Kunstwort aus<br />
Produzent und Konsument) werden: solange beispielsweise die Sonne kräftig sche<strong>in</strong>t, speisen die<br />
Haushalte mit Solarzellen <strong>in</strong>s Netz e<strong>in</strong> (produzieren Strom), bei Dunkelheit h<strong>in</strong>gegen konsumieren<br />
sie Strom. Die Netze müssen künftig mit umgekehrten Lastflüssen zurechtkommen, Strom also<br />
nicht mehr nur zu den Haushalten h<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n auch von den Haushalten weg leiten, was technische<br />
Anpassungen im Netz (etwa durch regelbare Ortsnetztransformatoren und Wechselrichter,<br />
Kommunikations- und Daten<strong>in</strong>frastruktur, Netzleittechnik) 4 erfor<strong>der</strong>lich macht. Mehr noch, um fluktuierende<br />
erneuerbare Energie zu <strong>in</strong>tegrieren, sollen die Netze <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente Steuerung<br />
von Verbrauchern erlauben („Demand Side Management“), werden also <strong>in</strong> erheblichem Maße auf<br />
Informationstechnik angewiesen se<strong>in</strong>. Auch <strong>der</strong> anstehende Ausbau <strong>der</strong> Elektromobilität, etwa im<br />
Rahmen des „Schaufenster Elektromobilität“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, bedarf e<strong>in</strong>er entsprechenden Netz<strong>in</strong>frastruktur<br />
(z.B. Ausbau und Steuerung <strong>der</strong> Ladestationen). Diese Ansprüche an das Netz werden unter<br />
dem Schlagwort „Smart Grid“ (s<strong>in</strong>ngemäß „<strong>in</strong>telligentes Netz“) zusammengefasst. Der BDEW und<br />
ZVEI def<strong>in</strong>ieren Smart Grid als „e<strong>in</strong> Energienetzwerk, das das Verbrauchs- und E<strong>in</strong>speiseverhalten<br />
aller Marktteilnehmer, die mit ihm verbunden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>tegriert“. 4 Das Smart Grid wird <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
nächsten zwei Jahrzehnte Wirklichkeit werden (müssen) – <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Periode also, für die jetzt<br />
<strong>der</strong> Konzessionsvertrag des Stromnetzes verhandelt wird. Aus regulatorischer Sicht bleiben viele<br />
Fragen zu klären, etwa die Schaffung geeigneter Anreizsysteme (z. B. ARegV) und die Def<strong>in</strong>ition geeigneter<br />
Standards (Normen) 4 . Netzbetreiber bewegen sich hier also auf e<strong>in</strong>em Feld mit erheblichen<br />
Planungsunsicherheiten. Entsprechend schwer zu beziffern s<strong>in</strong>d aus jetziger Sicht die Kosten des<br />
Smart-Grid-Ausbaus. Der BDEW erklärt, die „mehr als 800 Stromnetzbetreiber und über 700 Gasnetzbetreiber<br />
s<strong>in</strong>d bereit, alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den kommenden zehn Jahren [also bis 2020, Anm. d. Redaktion]<br />
<strong>in</strong> Deutschland 40 Milliarden € zu <strong>in</strong>vestieren“, welche notwendig seien, „um die Infrastruktur <strong>in</strong><br />
‚<strong>in</strong>telligente Netze‘ umzubauen“. 5<br />
4<br />
BDEW und ZVEI, „Smart Grids <strong>in</strong> Deutschland – Handlungsfel<strong>der</strong> für Verteilnetzbetreiber auf dem Weg zu <strong>in</strong>telligenten<br />
Netzen“, 2012.<br />
5<br />
BDEW, „Intelligent, flexibel, zuverlässig: Netze <strong>der</strong> Zukunft“, 2010.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
3<br />
RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE KONZESSIONSVERGABE<br />
Die anstehende Konzessionsvergabe erlaubt dem Land Berl<strong>in</strong>, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em transparenten und<br />
diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien Verfahren die Betreiber <strong>der</strong> Strom- und Gasverteilnetze zu wählen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Freiheitsgrad ergibt sich durch die Festlegung <strong>der</strong> Laufzeit des Konzessionsvertrags,<br />
die auch kürzer als 20 Jahre se<strong>in</strong> kann.<br />
3.1 Wegenutzungsrechte für Netzbetreiber<br />
Für die Versorgung von Haushalten müssen Strom- und Gasleitungen <strong>in</strong> öffentlichen Verkehrswegen<br />
verlegt werden. Daher haben die Kommunen <strong>in</strong> Deutschland und auch Stadtstaaten wie Berl<strong>in</strong><br />
das Recht und die Pflicht, ihre Straßen, Wege und Plätze für die Verlegung und den Betrieb von<br />
Versorgungsleitungen für Letztverbraucher zur Verfügung zu stellen. Die Regelungen dazu f<strong>in</strong>den<br />
sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie <strong>in</strong> den zugehörigen Verordnungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Konzessionsabgabenverordnung (KAV).<br />
Unter bestimmten Voraussetzungen hat je<strong>der</strong> Netzbetreiber das Recht, Leitungen über o<strong>der</strong> unter<br />
öffentliche Verkehrswege zu verlegen. Beson<strong>der</strong>e Regelungen gibt es für Energieversorgungsnetze<br />
<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Versorgung, wie sie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> von Vattenfall und <strong>der</strong> Gasag betrieben werden. Der<br />
§ 46 EnWG besagt, dass die Wegenutzungsverträge für solche Netze (sogenannte Konzessionsverträge)<br />
höchstens für e<strong>in</strong>e Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden dürfen. Mit <strong>der</strong> Vergabe<br />
<strong>der</strong> Konzession ist lediglich die Entscheidung verbunden, von wem die Netze betrieben werden. Die<br />
Strom- und Gaskunden verbleiben unabhängig davon bei den Lieferanten, mit denen die Kunden<br />
Verträge abgeschlossen haben. Ebenso verbleiben die Anlagen zur Energieerzeugung bei ihren<br />
Eigentümern.<br />
3.2 Neuvergabe von Konzessionsverträgen<br />
Der § 46 EnWG regelt teilweise auch die Neuvergabe von Konzessionsverträgen, die alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, d.h. im Falle von Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Verantwortung des Landes Berl<strong>in</strong>,<br />
liegt. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d das Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie allgeme<strong>in</strong>e Vergabepr<strong>in</strong>zipien<br />
zu beachten, die sich aus den europäischen Grundfreiheiten ableiten, da die Geme<strong>in</strong>de bei <strong>der</strong><br />
Konzessionsvergabe e<strong>in</strong>e marktbeherrschende Stellung <strong>in</strong>nerhalb ihres Geme<strong>in</strong>degebiets ausübt.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund haben das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur Konstellationen<br />
beschrieben, bei denen e<strong>in</strong> Missbrauch <strong>der</strong> marktbeherrschenden Stellung gegeben ist. 6<br />
So liegt e<strong>in</strong> Missbrauch seitens <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann vor, wenn e<strong>in</strong>e Konzessionsvergabe<br />
ohne die erfor<strong>der</strong>liche vorherige Bekanntmachung erfolgt und gegen europäisches Primärrecht<br />
verstoßen wird, weil ke<strong>in</strong> transparentes Verfahren durchgeführt wird, Interessenten ungleich<br />
behandelt werden (nicht „diskrim<strong>in</strong>ierungsfrei“) o<strong>der</strong> die Entscheidung nicht nachvollziehbar ist.<br />
6<br />
Geme<strong>in</strong>samer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen<br />
und zum Wechsel des Konzessionsnehmers 15. Dezember 2010.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> hat das Auslaufen <strong>der</strong> Konzessionsverträge erwartungsgemäß zwei Jahre vor<br />
Vertragsende im Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union bekannt gemacht. Trotz unterschiedlicher<br />
Vertragslaufzeiten (Gaskonzession bis 31.12.2013, Stromkonzession bis 31.12.2014) wurde die<br />
erfor<strong>der</strong>liche Bekanntmachung am 24.12.2011 für beide Konzessionen parallel veröffentlicht.<br />
Mit den Bekanntmachungen wurden Unternehmen, die Interesse am Neuabschluss e<strong>in</strong>es Konzessionsvertrags<br />
hatten, darum gebeten, bis zum 16.04.2012 e<strong>in</strong>e Interessenbekundung abzugeben. Für<br />
das Gasverteilungsnetz haben sechs Bieter Interesse bekunden: Allian<strong>der</strong> AG, Betrieb Berl<strong>in</strong>-Energie<br />
(Betrieb nach § 26 LHO), envia Mitteldeutsche Energie AG, Gasag Berl<strong>in</strong>er Gaswerke AG und<br />
<strong>der</strong>en Tochtergesellschaft NBB Netzgesellschaft Berl<strong>in</strong> Brandenburg mbH & Co. KG, Stadtwerke<br />
Schwäbisch Hall GmbH und die Thüga AG. Für das Stromverteilungsnetz haben neun Bieter Interesse<br />
bekundet: Allian<strong>der</strong> AG, Betrieb Berl<strong>in</strong>-Energie, BürgerEnergie Berl<strong>in</strong> e.G. <strong>in</strong> Gründung, envia<br />
Mitteldeutsche Energie AG, Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH, State Grid International Development<br />
Limited (Ch<strong>in</strong>a), die Thüga AG und Vattenfall Europe Distribution Berl<strong>in</strong> GmbH sowie nach <strong>der</strong><br />
offiziellen Abgabefrist e<strong>in</strong>gegangen Energieversorgung Schönau – Schwäbisch Hall GmbH. 7<br />
3.3 Auswahl e<strong>in</strong>es Bieters<br />
Bei <strong>der</strong> Auswahl des neuen Konzessionsnehmers ist die Geme<strong>in</strong>de den Zielen des § 1 EnWG nach<br />
e<strong>in</strong>er möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen<br />
leitungsgebundenen Versorgung <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend<br />
auf erneuerbaren Energien beruht, verpflichtet.<br />
Die Auswahlkriterien des Landes Berl<strong>in</strong> müssen sich daher an den Zielen des § 1 EnWG orientieren<br />
und e<strong>in</strong>en Zusammenhang mit <strong>der</strong> Konzession o<strong>der</strong> mit dem Stromverteil- bzw. Gasverteilnetz<br />
aufweisen. Der Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur weist hier neben den Vorgaben<br />
aus <strong>der</strong> KAV beispielhaft auf Vere<strong>in</strong>barungen zu Investitionen, Ausbau und Effizienzsteigerungen<br />
im Netz h<strong>in</strong>. Sachfremde Auswahlkriterien o<strong>der</strong> sachfremde Vere<strong>in</strong>barungen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Konzessionsvergabe s<strong>in</strong>d unzulässig. E<strong>in</strong> Missbrauch <strong>der</strong> marktbeherrschenden Stellung <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>de kann daher auch vorliegen, wenn e<strong>in</strong>e Auswahlentscheidung getroffen wird, die sich<br />
nicht an den Zielsetzungen des § 1 EnWG orientiert. Dies ist z. B. dann denkbar, wenn f<strong>in</strong>anzielle<br />
Chancen im Vor<strong>der</strong>grund stehen o<strong>der</strong> die Zielvorstellungen nicht ausgewogen s<strong>in</strong>d. 8<br />
Im Verfahren zur Konzessionsvergabe müssen die Auswahlkriterien und <strong>der</strong>en Gewichtung den<br />
Bietern bekannt gemacht werden. Außerdem müssen alle wichtigen Daten über das Netz zur Verfügung<br />
gestellt werden, damit die Bieter gleiche Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen (Gleichbehandlungsgrundsatz)<br />
haben. Vorabfestlegungen, wodurch <strong>der</strong> Vergabeprozess zur bloßen Formalität wird,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> aller Regel unzulässig. E<strong>in</strong> Missbrauch <strong>der</strong> marktbeherrschenden Stellung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist<br />
daher auch gegeben, wenn bei <strong>der</strong> Auswahlentscheidung für e<strong>in</strong>en Bieter von den bekanntgegebenen<br />
Auswahlkriterien abgewichen wird o<strong>der</strong> wenn e<strong>in</strong>zelne Bieter bevorzugt werden, weil sie zum<br />
7<br />
Siehe Abgeordnetenhaus von Berl<strong>in</strong>, Plenarprotokoll, 13. Sitzung, 10. Mai 2012, S. 996 und Plenarprotokoll , 14. Sitzung,<br />
24. Mai 2012, S. 1160<br />
8<br />
Siehe auch Positionspapier Konzessionsvergabe des M<strong>in</strong>isteriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-<br />
Württemberg als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligungen von Geme<strong>in</strong>den an geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen mit<br />
Energieversorgungsunternehmen sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang von wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben<br />
im Strom- und Gassektor vom 05.12.2011.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Beispiel <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gehören. Bei Unternehmen, an denen die Geme<strong>in</strong>de beteiligt ist, müssen<br />
wirtschaftliche Chancen und Risiken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em angebrachten Verhältnis zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen.<br />
Unzulässig wäre es, wenn das Land Berl<strong>in</strong> an den Gew<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es solchen Unternehmens beteiligt<br />
ist, vertraglich aber alle unternehmerischen Risiken ausschließt.<br />
Sofern sich mehrere Unternehmen um die Konzession bewerben, muss die Geme<strong>in</strong>de bei Neuabschluss<br />
o<strong>der</strong> Verlängerung <strong>der</strong> Konzessionsverträge ihre Entscheidung unter Angabe <strong>der</strong> maßgeblichen<br />
Gründe öffentlich bekanntgeben. Bei e<strong>in</strong>er Konzessionsvergabe an die Geme<strong>in</strong>de müssen e<strong>in</strong><br />
schlüssiges Konzept und Gründe im S<strong>in</strong>ne des § 1 EnWG dargelegt werden können.<br />
3.4 Übereignung <strong>der</strong> Netze an e<strong>in</strong>en neuen Konzessions<strong>in</strong>haber<br />
Wenn die Konzession an e<strong>in</strong>en Bieter vergeben wird, ist <strong>der</strong> bisherige Konzessions<strong>in</strong>haber<br />
verpflichtet, dem neuen Konzessions<strong>in</strong>haber die Netze gemäß § 46 Abs. 2 EnWG zu übereignen.<br />
Alternativ dazu kann <strong>der</strong> neue Konzessions<strong>in</strong>haber aber auch verlangen, dass ihm <strong>der</strong> Besitz an<br />
den Netzen e<strong>in</strong>geräumt wird, z. B. über e<strong>in</strong>en Pachtvertrag. Zur Höhe des Kaufpreises sagt das<br />
Gesetz nur, dass die Vergütung wirtschaftlich angemessen se<strong>in</strong> muss. Aus dieser vagen Formulierung<br />
wird deutlich, dass es über die genaue Höhe des Kaufpreises oftmals Differenzen gibt. E<strong>in</strong>en<br />
Anhaltspunkt liefert die sogenannte „Kaufer<strong>in</strong>g“-Rechtsprechung, nach <strong>der</strong> die Endschaftsbestimmung<br />
e<strong>in</strong>es Konzessionsvertrags, die für die Übertragung des Netzes e<strong>in</strong>en Kaufpreis <strong>in</strong> Höhe des<br />
Sachzeitwertes vorsieht, unwirksam ist, wenn <strong>der</strong> Sachzeitwert 9 den Ertragswert 10 des Netzes nicht<br />
unerheblich übersteigt.<br />
Der § 46 Abs. 2 EnWG besagt ferner, dass es sich bei den zu übereignenden Netzen um die für<br />
die allgeme<strong>in</strong>e Versorgung notwendigen Anlagen handelt. Im Leitfaden des Bundeskartellamtes<br />
und <strong>der</strong> Bundesnetzagentur werden dazu neben den Leitungen im Strombereich Umspannanlagen,<br />
Schaltstationen, Ortsnetzstationen sowie im Eigentum des Netzbetreibers bef<strong>in</strong>dliche Kundenstationen<br />
genannt. Im Gasbereich s<strong>in</strong>d es Gasdruckregelstationen, dazugehörige Messanlagen und<br />
Odorierungsanlagen. 11 Außerdem gehören alle technischen E<strong>in</strong>richtungen dazu, die im Zusammenhang<br />
mit Messstellen stehen und die vom Netzbetreiber betrieben werden. Ausgenommen s<strong>in</strong>d<br />
Messstellen von Kunden, die den bisherigen Netzbetreiber mit dem Betrieb beauftragt haben.<br />
9<br />
Siehe Kapitel 6.<br />
10<br />
Siehe Kapitel 6.<br />
11<br />
In Odorierungsanlagen wird das geruchslose Erdgas mit dem gastypische Geruch versetzt.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
4<br />
ALTERNATIVEN DES LANDES BERLIN<br />
BEI DER KONZESSIONSVERGABE<br />
Im Zuge <strong>der</strong> Konzessionsvergabe kann das Land Berl<strong>in</strong> auf die Umsetzung verschiedener<br />
Modelle h<strong>in</strong>wirken, wobei e<strong>in</strong>erseits die Vergabe <strong>der</strong> Konzession an e<strong>in</strong>en privaten Netzbetreiber<br />
und an<strong>der</strong>erseits die vollständige Rekommunalisierung Grenzfälle s<strong>in</strong>d.<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> hat grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten zur Vergabe <strong>der</strong> Strom- o<strong>der</strong><br />
Gasnetzkonzession:<br />
■ Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong>en Dritten ohne Beteiligung des Landes (wie bisher), wobei dieser<br />
Dritte entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> bisherige Konzessionär o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Interessent se<strong>in</strong> kann,<br />
■ Vollständige Rekommunalisierung (Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen),<br />
■ Teil-Rekommunalisierung durch Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Unternehmen des<br />
Landes Berl<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>es Energieversorgungsunternehmens o<strong>der</strong> Pacht- und Betriebsführungsmodelle<br />
unter Beteiligung des Landes Berl<strong>in</strong>.<br />
Die nachfolgenden Ausführungen gelten für die Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen,<br />
wobei für Strom und Gas unterschiedliche Wege gegangen werden können.<br />
4.1 Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong>en Dritten ohne Beteiligung des Landes (wie bisher)<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> kann die Konzession im Rahmen e<strong>in</strong>es transparenten und diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien<br />
Verfahrens wie<strong>der</strong> an e<strong>in</strong> drittes, qualifiziertes Unternehmen vergeben. 12 Dies könnte wie bisher<br />
Vattenfall für das Stromverteilnetz und die Gasag für das Gasverteilnetz se<strong>in</strong>. Sofern e<strong>in</strong> neuer Netzbetreiber<br />
ausgewählt wird, kann dieser das Netz vom bisherigen Netzbetreiber kaufen. Alternativ<br />
kann <strong>der</strong> neue Netzbetreiber gemäß § 46 Abs. 2 EnWG verlangen, dass ihm <strong>der</strong> Besitz an dem Netz<br />
e<strong>in</strong>geräumt wird (Pacht).<br />
4.2 Vollständige Rekommunalisierung<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> kann die Konzession ebenfalls im Rahmen e<strong>in</strong>es transparenten und diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien<br />
Verfahrens an e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen vergeben, das das Netz und den Netzbetrieb<br />
übernimmt. Das Unternehmen kann e<strong>in</strong> landeseigener Betrieb (z.B. Eigenbetrieb o<strong>der</strong><br />
AöR – Anstalt öffentlichen Rechts) o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e zu 100 % im Eigentum des Landes Berl<strong>in</strong> bef<strong>in</strong>dliche<br />
privatrechtliche Gesellschaft (z. B. GmbH) se<strong>in</strong>. Da das Land Berl<strong>in</strong> <strong>der</strong>zeit nicht Eigentümer <strong>der</strong><br />
Netze ist, muss e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen als neuer Konzessions<strong>in</strong>haber das betreffende<br />
Netz vom bisherigen Netzeigentümer kaufen o<strong>der</strong> pachten.<br />
12<br />
Siehe Kapitel 3.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
4.3 Teil-Rekommunalisierung<br />
Für e<strong>in</strong>e Teil-Rekommunalisierung s<strong>in</strong>d grundsätzlich Beteiligungs-, Pacht- und Betriebsführungsmodelle<br />
möglich, <strong>in</strong> denen das Eigentum an den Netzen, die Durchführung des Netzbetriebs sowie<br />
die Chancen und Risiken unterschiedlich aufgeteilt se<strong>in</strong> können.<br />
Beteiligungsmodelle<br />
Die Konzession kann an e<strong>in</strong> Unternehmen vergeben werden, an dem neben dem Land Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Dritter beteiligt ist (gemischtwirtschaftliches Unternehmen o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen). Der<br />
E<strong>in</strong>fluss des Landes Berl<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch die Höhe<br />
<strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nbeteiligung hängen davon ab, wie hoch die Beteiligungsquote ist und welche Vere<strong>in</strong>barungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesellschaftsvertrag und ggf. auch Konsortialvertrag getroffen werden. Üblicherweise<br />
verfügt e<strong>in</strong> Anteilseigner mit 25,1 % <strong>der</strong> Geschäftsanteile über e<strong>in</strong>e sogenannte Sperrm<strong>in</strong>orität,<br />
da nach deutschem Gesellschaftsrecht für bestimmte Entscheidungen m<strong>in</strong>destens<br />
75 % des stimmberechtigten Kapitals erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d. Mit e<strong>in</strong>er Sperrm<strong>in</strong>orität für das Land<br />
Berl<strong>in</strong> können wichtige Entscheidungen nicht mehr gegen dessen Willen getroffen werden, wie z. B.<br />
Än<strong>der</strong>ungen des Gesellschaftsvertrags o<strong>der</strong> die Auflösung <strong>der</strong> Gesellschaft. Es ist allerd<strong>in</strong>gs möglich,<br />
Rechte für e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsgesellschafter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesellschafts- und/o<strong>der</strong> Konsortialvertrag<br />
zu vere<strong>in</strong>baren, die über die gesetzlichen Regelungen h<strong>in</strong>ausgehen.<br />
Wenn e<strong>in</strong> Anteilseigner mit 50,1 % über die Mehrheit <strong>der</strong> stimmberechtigen Geschäftsanteile<br />
verfügt, kann er die unternehmerische Führung ausüben, sofern es ke<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barungen gibt, die<br />
etwas an<strong>der</strong>es regeln. Für den Fall, dass das Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen das betreffende Netz<br />
kauft, muss sich das Land Berl<strong>in</strong> im Verhältnis zur Beteiligungshöhe am Kaufpreis beteiligen. Bei<br />
e<strong>in</strong>er Beteiligung an dem bisherigen Netzeigentümer ist e<strong>in</strong> Kaufpreis für die Unternehmensbeteiligung<br />
zu zahlen.<br />
Pachtmodelle<br />
E<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit Dritten bieten Pachtmodelle, die auf vielfältige<br />
Weise ausgestaltet werden können. Das Land Berl<strong>in</strong> kann beispielsweise die Netzkonzession an<br />
e<strong>in</strong>e Netzgesellschaft vergeben, die das Netz kauft. Diese Netzgesellschaft könnte das Netz an e<strong>in</strong>e<br />
Netzbetriebsgesellschaft verpachten. Je nach Ausgestaltung dieses Modells kann das Land Berl<strong>in</strong><br />
an <strong>der</strong> Netzgesellschaft und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Netzbetriebsgesellschaft alle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> zusammen mit e<strong>in</strong>em<br />
o<strong>der</strong> mehreren Dritten beteiligt se<strong>in</strong>. Die Netzbetriebsgesellschaft kann als Pächter des Netzes<br />
Erträge aus dem Netzbetrieb erwirtschaften. Die Netzgesellschaft kann als Verpächter Erträge aus<br />
<strong>der</strong> Pacht erwirtschaften und dabei an den Erträgen <strong>der</strong> Netzbetriebsgesellschaft beteiligt werden<br />
(Ertragspacht).<br />
Zur Höhe e<strong>in</strong>er möglichen Rendite vertritt das M<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft<br />
Baden-Württemberg als Landeskartellbehörde Energie die Position, dass diese, bezogen auf das<br />
e<strong>in</strong>gesetzte Kapital, nicht oberhalb <strong>der</strong> Rendite von festverz<strong>in</strong>slichen Wertpapieren <strong>in</strong>ländischer<br />
Emittenten zuzüglich kartellrechtlicher Zuschläge liegen darf. Bei e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong>en Pachtmodell unter<br />
geme<strong>in</strong>dlicher Beteiligung wird e<strong>in</strong>e Rendite von 5,55 % bis unter Umständen 6 % für möglich<br />
12 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
erachtet. 13 Die Höhe e<strong>in</strong>er angemessenen Rendite muss jedoch im E<strong>in</strong>zelfall, d.h. für das Land<br />
Berl<strong>in</strong> geson<strong>der</strong>t, geklärt werden. Für den Fall, dass e<strong>in</strong> Pachtmodell realisiert wird, muss die Netzgesellschaft<br />
das Netz kaufen, so dass sich das Land Berl<strong>in</strong> im Verhältnis zur Beteiligung an <strong>der</strong><br />
Netzgesellschaft am Kaufpreis beteiligen muss.<br />
Betriebsführungsmodelle<br />
Wenn das Land Berl<strong>in</strong> die Netzkonzession an e<strong>in</strong> Unternehmen vergibt, an dem es alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mit<br />
Dritten beteiligt ist und dieses Unternehmen sich zur Durchführung <strong>der</strong> Betriebsaufgaben wie<strong>der</strong>um<br />
e<strong>in</strong>es Dritten bedient, wird von e<strong>in</strong>em Betriebsführungsmodell gesprochen. Der Betriebsführer<br />
erhält für se<strong>in</strong>e Leistungen e<strong>in</strong> Dienstleistungsentgelt. Für den Fall, dass das Unternehmen das Netz<br />
kauft, muss sich das Land Berl<strong>in</strong> im Verhältnis zur Beteiligungshöhe am Kaufpreis beteiligen.<br />
Die Zusammenarbeit des Landes Berl<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em Dritten im Rahmen von geme<strong>in</strong>samen Unternehmen<br />
und Pachtmodellen muss grundsätzlich zu marktüblichen Konditionen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
Verteilung von unternehmerischen Chancen und Risiken erfolgen.<br />
13<br />
Positionspapier Konzessionsvergabe des M<strong>in</strong>isteriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg<br />
als Landeskartellbehörde Energie zur Beteiligungen von Geme<strong>in</strong>den an Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen mit Energieversorgungsunternehmen<br />
sowie zu Pachtmodellen im Zusammenhang von wegerechtsbezogenen Konzessionsvergaben<br />
im Strom- und Gassektor vom 05.12.2011, S. 8 f.<br />
13 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
5<br />
MÖGLICHE ZIELSETZUNGEN DES LANDES BERLIN<br />
IM RAHMEN DER KONZESSIONSVERGABE<br />
Zwei grundsätzliche Motive treiben die Diskussion um e<strong>in</strong>e mögliche Rekommunalisierung<br />
von Energieverteilnetzen: E<strong>in</strong>erseits die Verwirklichung strategischer energiepolitischer<br />
Ziele, an<strong>der</strong>erseits die Erwirtschaftung von Renditen für die öffentlichen Kassen. Die Möglichkeit,<br />
über die Konzessionsvergabe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Beteiligung an den Netzen Energiepolitik zu<br />
gestalten, ist unter den seit 1998 bzw. 2005 geltenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen stark begrenzt:<br />
Kunden können sich im liberalisierten Energiemarkt ihren Strom- o<strong>der</strong> Gaslieferanten frei<br />
aussuchen und die Entflechtung <strong>der</strong> Energienetze sorgt dafür, dass Netzbetreiber unabhängig<br />
von den Interessen <strong>der</strong> Energieerzeuger o<strong>der</strong> des Energievertriebs und unter strenger<br />
staatlicher Regulierung arbeiten. Sie s<strong>in</strong>d verpflichtet, dezentrale Erzeugungsanlagen und<br />
Erneuerbare-Energien-Anlagen anzuschließen und das Netz bedarfsgerecht auszubauen<br />
und zu betreiben.<br />
EXKURS: Unbundl<strong>in</strong>g und Regulierung im liberalisierten Energiemarkt<br />
Energieversorgung mit Strom und Gas erfolgt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dreistufigen Wertschöpfungskette, die mit<br />
<strong>der</strong> Exploration (z. B. von Gasfel<strong>der</strong>n) bzw. <strong>der</strong> Erzeugung (z. B. <strong>in</strong> fossil befeuerten Kraftwerken)<br />
beg<strong>in</strong>nt, gefolgt von <strong>der</strong> Übertragung und Verteilung durch die Strom- bzw. Gasnetze und<br />
schließlich mit dem Handel und Vertrieb an Großkunden bzw. Endkunden endet. Während Erzeugung<br />
und Vertrieb im liberalisierten Energiemarkt grundsätzlich wettbewerblich erfolgen, s<strong>in</strong>d<br />
und bleiben die Netze natürliche Monopole. Zur „Gewährleistung von Transparenz sowie diskrim<strong>in</strong>ierungsfreier<br />
Ausgestaltung und Abwicklung <strong>der</strong> Netzbetriebs“ (§ 6 Abs. 1 EnWG) verlangt das<br />
Energiewirtschaftsgesetz <strong>in</strong> Umsetzung europäischen Rechts die Entflechtung (Unbundl<strong>in</strong>g) des<br />
Netzbetriebs von an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>der</strong> Energieversorgung. E<strong>in</strong>e Ausnahme davon gilt im Rahmen<br />
<strong>der</strong> sogenannten de-m<strong>in</strong>imis-Regel nur für Unternehmen, die weniger als 100.000 Anschlüsse<br />
versorgen, und ist <strong>in</strong>sofern für Berl<strong>in</strong> nicht relevant. Die Verteilnetze, <strong>der</strong>en Konzessionsvergabe<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> jetzt zu diskutieren ist, s<strong>in</strong>d rechtlich und organisatorisch von den Geschäftsfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Erzeugung und des Vertriebs getrennt. E<strong>in</strong>e eventuelle Rekommunalisierung bezieht sich also ausschließlich<br />
auf die Netze, nicht jedoch auf die Wertschöpfungsstufen „Erzeugung“ und „Vertrieb“,<br />
die <strong>der</strong>zeit vom Vattenfall-Konzern und vom Gasag-Konzern ebenfalls wahrgenommen werden.<br />
Das Fernwärmenetz, das von Vattenfall betrieben wird, steht außerhalb <strong>der</strong> Netzregulierung und<br />
ist nicht Teil <strong>der</strong> anstehenden Konzessionsvergabe. Die Strom- und Gasverteilnetze unterliegen<br />
engen regulatorischen Vorgaben. Aufbauend auf dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gibt es<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Ausführungsvorschriften mit Relevanz für den Netzbetrieb, so <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />
StromNEV (Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen) und<br />
die GasNEV (Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen), die Strom-<br />
NZV (Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen) und die GasNZV (Verordnung<br />
über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen) sowie die ARegV (Verordnung über die Anreizregulierung<br />
<strong>der</strong> Energieversorgungsnetze). Letztere ist mit Blick auf die möglichen Gew<strong>in</strong>ne, die aus e<strong>in</strong>em<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Energieversorgungsnetz erwirtschaftet werden können, von zentraler Bedeutung, weil hier die<br />
zulässigen Erlösobergrenzen festgelegt werden. Diese werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em komplizierten Vergleichsverfahren<br />
bestimmt, welches Anreize für e<strong>in</strong>e möglichst hohe Kosteneffizienz im Netzbetrieb setzt.<br />
Unabhängig davon, wer letztlich den Zuschlag für den Betrieb <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Netze bekommen wird<br />
– <strong>der</strong> Eigentümer bzw. Betreiber wird das Spannungsfeld aus Effizienzzwang und Erlösregulierung<br />
e<strong>in</strong>erseits und dem Bedarf an langfristig wirksamen Investitionen (etwa Ausbau des Smart Grid)<br />
an<strong>der</strong>erseits zu überbrücken haben.<br />
5.1 Begründungen für staatlichen Netzbetrieb<br />
Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Begründungen für e<strong>in</strong>en staatlichen Netzbetrieb: E<strong>in</strong>erseits<br />
e<strong>in</strong>e unternehmerische Perspektive, <strong>in</strong>dem das Land Berl<strong>in</strong> mit dem Betrieb e<strong>in</strong>e Rendite erwirtschaften<br />
möchte. An<strong>der</strong>erseits e<strong>in</strong>e wohlfahrtsstaatliche Perspektive <strong>der</strong> Hütung des Allgeme<strong>in</strong>wohls,<br />
aus <strong>der</strong> sich energiepolitische Ziele ergeben. Diese werden üblicherweise <strong>in</strong> den Kategorien<br />
des „energiepolitischen Zieldreiecks“ aus Preisgünstiger Energieversorgung, Versorgungssicherheit<br />
und Umweltverträglichkeit systematisiert, neuerd<strong>in</strong>gs ergänzt um die Dimension „Akzeptanz“ bzw.<br />
Verbraucherfreundlichkeit.<br />
Zielsetzung e<strong>in</strong>er<br />
Rekommunalisierung<br />
Verwirklichung<br />
energiepolitischer Ziele<br />
Rendite-Erzielung<br />
Wirtschaftlichkeit für Berl<strong>in</strong><br />
Preisgünstige<br />
Energie<br />
Versorgungssicherheit<br />
Umweltverträglichkeit<br />
Akzeptanz<br />
Die Frage nach <strong>der</strong> Rendite-Erzielung ist – explizit o<strong>der</strong> verdeckt – <strong>in</strong> fast allen Überlegungen zu<br />
Rekommunalisierungen von Netzen e<strong>in</strong> ganz entscheiden<strong>der</strong> Aspekt. Kapitel 6 wird sich mit diesem<br />
Thema, ebenso wie mit <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anz- und haushaltspolitischen Betrachtung e<strong>in</strong>er möglichen<br />
Rekommunalisierung, detailliert befassen. Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nerzielungsabsicht des Landes Berl<strong>in</strong><br />
dürfte als Begründung für e<strong>in</strong>en staatlichen Netzbetrieb allerd<strong>in</strong>gs zu kurz greifen, da <strong>der</strong> Staat als<br />
Wirtschaftsakteur gewöhnlich nur dann <strong>in</strong> Konkurrenz mit Privaten treten sollte, wenn dies gemäß<br />
EU-Term<strong>in</strong>ologie e<strong>in</strong> „allgeme<strong>in</strong>es (wirtschaftliches) Interesse“ <strong>der</strong> Gesellschaft erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />
Die Legitimation e<strong>in</strong>es staatlichen Netzbetriebs bedarf also auch e<strong>in</strong>er energiepolitischen Strategie<br />
– mögliche Aspekte werden <strong>in</strong> diesem Kapitel im Überblick dargestellt – sowie e<strong>in</strong>er Erklärung,<br />
warum Private die Ziele nicht ebenso gut erfüllen könnten. Der pauschale H<strong>in</strong>weis darauf, beim<br />
Netzbetrieb handle es sich um e<strong>in</strong>e Dienstleistung <strong>der</strong> „Dase<strong>in</strong>svorsorge“, reicht hierfür nicht aus.<br />
Der unscharfe Begriff <strong>der</strong> „Dase<strong>in</strong>svorsorge“ ist ke<strong>in</strong> klarer Rechtsbegriff und umschreibt lediglich<br />
e<strong>in</strong>en politischen Auftrag zur Gewährleistung <strong>der</strong> „Dienstleistungen allgeme<strong>in</strong>en (wirtschaftlichen)<br />
Interesses“, zu denen die Versorgung mit Gas und Strom zweifellos zählt. Der Auftrag zur Gewährleistung<br />
dieser Dienstleistungen begründet aber ke<strong>in</strong>eswegs zw<strong>in</strong>gend die Eigenerledigung durch<br />
die öffentliche Hand, son<strong>der</strong>n kann ebenso durch e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Kontrolle privater Akteure<br />
erreicht werden, welche die Energieversorgung übernehmen.<br />
15 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
5.2 Energiepolitische Zieldimensionen im Netzbetrieb<br />
Überlegungen zu e<strong>in</strong>er möglichen Rekommunalisierung <strong>der</strong> Netze sollten auf e<strong>in</strong>er energiepolitischen<br />
Strategie beruhen, welche den Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des regulierten Netzbetriebs<br />
Rechnung trägt.<br />
Preisgünstige Energie<br />
Befürworter e<strong>in</strong>er Rekommunalisierung versprechen sich durch die Senkung <strong>der</strong> Netznutzungsentgelte<br />
preisdämpfende Effekte für die Endkunden sowie Fortschritte beim Umwelt- und Klimaschutz.<br />
Tatsächlich jedoch ersche<strong>in</strong>en Preissenkungen <strong>in</strong> den eng regulierten Energienetzen unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
– Spielraum ergibt sich lediglich aus <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Verwendung eventueller<br />
regulatorisch begrenzter Renditen aus dem Geschäft. Die oft zitierten Konzessionsabgaben h<strong>in</strong>gegen<br />
s<strong>in</strong>d für den Netzbetreiber e<strong>in</strong> durchlaufen<strong>der</strong> Posten – sie werden an das Land Berl<strong>in</strong> abgeführt<br />
und könnten von diesem bereits heute gesenkt werden, sofern e<strong>in</strong>e Entlastung <strong>der</strong> Kunden<br />
erreicht werden soll.<br />
Versorgungssicherheit<br />
Die Versorgungssicherheit im Berl<strong>in</strong>er Verteilnetz war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit stets hervorragend,<br />
und es gibt auch im deutschlandweiten Vergleich ke<strong>in</strong>e systematische Überlegenheit öffentlicher<br />
Netzbetreiber gegenüber privaten im H<strong>in</strong>blick auf die durchschnittlichen Versorgungsunterbrechungszeiten<br />
(SAIDI - System Average Interruption Duration Index). Damit ist allerd<strong>in</strong>gs noch ke<strong>in</strong>e<br />
Aussage über das Investitionsverhalten zur Gewährleistung <strong>der</strong> Versorgungssicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft<br />
gemacht, wobei diese Dimension hauptsächlich von <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Anreizregulierung<br />
bestimmt se<strong>in</strong> dürfte. Die Präferenz für e<strong>in</strong> kurzfristiges Gew<strong>in</strong>n<strong>in</strong>teresse anstatt für langfristig<br />
erfor<strong>der</strong>liche Investitionen, wie sie oft privaten Unternehmen unterstellt wird, kann angesichts leerer<br />
öffentlicher Kassen auch für e<strong>in</strong>en öffentlichen Anteilseigner gelten.<br />
Umweltverträglichkeit<br />
Auch bei <strong>der</strong> Verwirklichung umweltpolitischer Ziele hat <strong>der</strong> Netzbetrieb naturgemäß eher ger<strong>in</strong>ges<br />
Potenzial. Der vorrangige Anschluss von Erneuerbaren-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) durch den<br />
Netzbetreiber ist ohneh<strong>in</strong> gemäß Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gewährleistet und unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Betriebsform des Netzes 14 ; <strong>der</strong> eigentliche Ausbau von EE-Anlagen kann und darf gemäß<br />
Unbundl<strong>in</strong>g gar nicht vom Netzbetreiber forciert werden. Diese rechtliche Restriktion gilt für e<strong>in</strong>en<br />
privaten Netzbetreiber gleichermaßen wie für e<strong>in</strong> kommunales Unternehmen und bedeutet, dass<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> – wo die de-m<strong>in</strong>imis-Schwelle von 100.000 Kundenanschlüssen klar überschritten ist –<br />
<strong>der</strong> Netzbetrieb streng von den Geschäftsbereichen <strong>der</strong> Erzeugung und des Vertriebs zu trennen<br />
ist. E<strong>in</strong> unzureichendes Unbundl<strong>in</strong>g kann zur wettbewerblichen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von durchleitenden<br />
14<br />
Hierzu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e § 5 Abs. 1 EEG: „Netzbetreiber s<strong>in</strong>d verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren<br />
Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig (…) an ihr Netz anzuschließen (…)“, § 5 Abs. 4 EEG und § 9<br />
Abs. 1 EEG.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Drittlieferanten führen, so wie sie das Bundeskartellamt jüngst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er umfangreichen Studie bei<br />
vielen Gasversorgern gerügt hat. 15<br />
Akzeptanz<br />
Das Argument <strong>der</strong> gesellschaftlichen Akzeptanzsicherung und Partizipation durch die Betreiberwahl<br />
ersche<strong>in</strong>t grundsätzlich gültig, jedoch sche<strong>in</strong>en die konfliktträchtigen Themen beispielsweise<br />
des Übertragungsnetzausbaus ohneh<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> Ebene des Übertragungsnetzbetreibers und damit<br />
jenseits des Berl<strong>in</strong>er Verteilnetzes stattzuf<strong>in</strong>den. Das häufig angeführte Argument, über die Netze<br />
seien Akzeptanz für die zunehmende Dezentralität o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausbau erneuerbarer Energien zu<br />
för<strong>der</strong>n, lässt sich ebenfalls im Verteilnetz faktisch kaum verwirklichen, da die Errichtung und <strong>der</strong><br />
Betrieb <strong>der</strong>artiger Anlagen nicht Aufgabe des Netzbetreibers ist. In <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion<br />
herrscht hier vielfach noch e<strong>in</strong> Defizit an Kenntnissen über die (Un-)Möglichkeiten <strong>der</strong> Steuerung<br />
und E<strong>in</strong>flussnahme auf die Erzeugung und den Energieverbrauch durch den Netzbetrieb –<br />
schließlich ist, wie oben erläutert, gemäß EnWG <strong>der</strong> Netzbetrieb streng von an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>der</strong><br />
Energieversorgung getrennt (Unbundl<strong>in</strong>g).<br />
5.3 Rendite-Erzielung / Wirtschaftlichkeit für Berl<strong>in</strong><br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit konnten Vattenfall und Gasag mit dem Betrieb <strong>der</strong> Netze Geld verdienen; ihr<br />
Interesse an den Konzessionen – wie auch das Interesse an<strong>der</strong>er Netzbetreiber – lässt den Schluss<br />
zu, dass auch <strong>in</strong> Zukunft mit den Netzen Geld zu verdienen ist. Die Renditeerwartungen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
durch die Anreizregulierung niedrig und setzen e<strong>in</strong> effizientes Management <strong>der</strong> Netze voraus.<br />
Wie sich die Bed<strong>in</strong>gungen nach Ablauf <strong>der</strong> 2. Regulierungsperiode Ende 2018 entwickeln werden,<br />
kann <strong>der</strong>zeit nicht vorausgesagt werden. Ineffizienzen und Fehlplanungen gehen zu Lasten des<br />
Netzeigentümers und können somit auch zu Verlusten aus dem Netzbetrieb führen.<br />
Bei <strong>der</strong> Entscheidung über die Vergabe e<strong>in</strong>er Konzession an e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen darf<br />
die Gew<strong>in</strong>nerzielung aus dem Netzbetrieb ke<strong>in</strong> ausschlaggebendes Auswahlkriterium se<strong>in</strong> – gleichwohl<br />
ist die Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>e Voraussetzung für e<strong>in</strong> Engagement des Landes. Die Erzielung<br />
von E<strong>in</strong>nahmen aus Konzessionsabgaben ist ke<strong>in</strong> Differenzierungskriterium, da diese an das Land<br />
Berl<strong>in</strong> abzuführen s<strong>in</strong>d, unabhängig davon, ob es sich um e<strong>in</strong>en privaten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en landeseigenen<br />
Netzbetreiber handelt. Ebenso verhält es sich mit Gewerbesteuere<strong>in</strong>nahmen, wenn <strong>der</strong> Konzessions<strong>in</strong>haber<br />
/ Netzbetreiber se<strong>in</strong>en Standort <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> hat.<br />
Wirtschaftliche Effekte e<strong>in</strong>er Rekommunalisierung <strong>der</strong> Netze können sich auch durch Synergien mit<br />
bereits bestehenden landeseigenen Unternehmen ergeben, beispielsweise durch die Zusammen-<br />
15<br />
Bundeskartellamt, „Untersuchung Gas-Konzessionsabgaben für die Belieferung von Haushaltskunden“, April 2012.<br />
17 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
legung von Verwaltungs- o<strong>der</strong> Bau- und Instandhaltungsbereichen. Das dürfte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> angesichts<br />
<strong>der</strong> traditionellen Trennung zwischen den Betreibern <strong>der</strong> Strom- und Fernwärme-, <strong>der</strong> Gassowie<br />
<strong>der</strong> Wasser- und Abwassernetze schwer zu realisieren se<strong>in</strong>. Die Koord<strong>in</strong>ierung von Bauvorhaben<br />
verschiedener Leitungsnetze kann auch unabhängig davon erfolgen. E<strong>in</strong>en Ansatz dafür bietet<br />
bereits heute das Projekt „e-Straße“, das die elektronische Kommunikation und Abstimmung<br />
zwischen den Versorgern und <strong>der</strong> Verwaltung verbessern soll.<br />
E<strong>in</strong> weiterer wirtschaftlicher Effekt ergibt sich aus <strong>der</strong> Vergabe von Aufträgen an die lokale Wirtschaft.<br />
Auch wenn die Beauftragung von Berl<strong>in</strong>er Unternehmen wünschenswerte Effekte für die<br />
Berl<strong>in</strong>er Wirtschaft br<strong>in</strong>gt, so stößt e<strong>in</strong> <strong>der</strong>artiges Ziel – unabhängig von <strong>der</strong> Eigentümerschaft – an<br />
vergaberechtliche Grenzen.<br />
5.4 Gestaltungsspielraum im Rahmen des Konzessionsvertrags<br />
Die KAV legt zum e<strong>in</strong>en die maximal zulässige Höhe <strong>der</strong> Konzessionsabgabe fest, die je Kilowattstunde<br />
(kWh) Strom o<strong>der</strong> Gas vom Netzbetreiber an die Geme<strong>in</strong>de abgeführt werden darf. Die<br />
Konzessionsabgabe wird vom Netzbetreiber über den Strom- o<strong>der</strong> Gaslieferanten an die Kunden<br />
weitergegeben, die sie als Preisbestandteil auf <strong>der</strong> Rechnung f<strong>in</strong>den.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird <strong>in</strong> § 3 KAV festgelegt, dass „neben o<strong>der</strong> anstelle von Konzessionsabgaben“<br />
nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz eng def<strong>in</strong>ierten Rahmen weitere Leistungen an die Geme<strong>in</strong>de vere<strong>in</strong>bart o<strong>der</strong><br />
gewährt werden dürfen. Vere<strong>in</strong>bart werden dürfen z. B. Preisnachlässe <strong>in</strong> Höhe von 10 % für den<br />
Eigenverbrauch <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, die Vergütung von Kosten, die <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de bei Baumaßnahmen<br />
an Versorgungsleitungen entstehen und Verwaltungskostenbeiträge, wenn die Geme<strong>in</strong>de Leistungen<br />
für das Versorgungsunternehmen erbr<strong>in</strong>gt. Explizit ausgeschlossen s<strong>in</strong>d „sonstige F<strong>in</strong>anz- o<strong>der</strong><br />
Sachleistungen“, die außerhalb e<strong>in</strong>es unmittelbaren Netzbezugs liegen. Damit dürften beispielsweise<br />
städtebauliche Projekte, etwa im Bereich sozialer E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> des Wohnungsbaus,<br />
def<strong>in</strong>itiv außerhalb des Gestaltungsspielraums <strong>der</strong> Konzessionsvergabe liegen.<br />
In e<strong>in</strong>er Grauzone bef<strong>in</strong>det sich die vielfach angemahnte Energieeffizienzberatung. § 3 Abs. 2 Satz 1<br />
<strong>der</strong> KAV stellt dazu fest, „Leistungen <strong>der</strong> Versorgungsunternehmen bei <strong>der</strong> Aufstellung kommunaler<br />
o<strong>der</strong> regionaler Energiekonzepte o<strong>der</strong> für Maßnahmen, die dem rationellen und sparsamen sowie<br />
ressourcenschonenden Umgang mit <strong>der</strong> vertraglich vere<strong>in</strong>barten Energieart dienen“ bleiben von<br />
dem Verbot <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barung o<strong>der</strong> Gewährung sonstiger Leistungen unberührt, „soweit sie nicht<br />
im Zusammenhang mit dem Abschluss o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verlängerung von Konzessionsverträgen stehen“.<br />
In den existierenden Konzessionsverträgen mit Bewag (jetzt Vattenfall) und Gasag s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>barungen<br />
zum konzessionierten Netz <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf Energieeffizienz getroffen worden,<br />
waren aber ausgesprochen unkonkret ausgestaltet. Unter den Abschnitten „Energiepolitische Aufgaben“<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Konzessionsverträge s<strong>in</strong>d die Ziele für die Konzessionäre festgeschrieben worden. 16<br />
16<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Konzessionsverträgen Vorschriften zur Umsetzung von Baumaßnahmen gemacht und e<strong>in</strong>ige<br />
Spezialbereiche, etwa die Straßenbeleuchtung, geregelt. Von be<strong>in</strong>ahe historischem Interesse ist darüber h<strong>in</strong>aus <strong>der</strong> § 6<br />
„Abnahme- und Durchleitungspflichten“ im Konzessionsvertrag mit <strong>der</strong> Bewag, <strong>in</strong> dem bereits e<strong>in</strong> knappes Jahrzehnt<br />
vor Inkrafttreten des EEG für die Bewag Pflichten zur Aufnahme und Vergütung von erneuerbaren Energien festgeschrieben<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
18 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
In § 14 des Konzessionsvertrags mit <strong>der</strong> Bewag ist bereits e<strong>in</strong> Fokus auf Maßnahmen zur<br />
Beför<strong>der</strong>ung von Energiee<strong>in</strong>sparungen zu erkennen (Erbr<strong>in</strong>gung von Energiedienstleistungen,<br />
Unterstützung des Landes Berl<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> Erstellung von Energiekonzepten, För<strong>der</strong>ung von Energiesparmaßnahmen,<br />
Anreize zur Lastverlagerung <strong>in</strong> lastschwache Zeiten, Entwicklung von Kraft-<br />
Wärme-Kopplung). Alle Ziele s<strong>in</strong>d jedoch auffallend unscharf und kaum messbar def<strong>in</strong>iert – oftmals<br />
als „Soll“-Bestimmungen o<strong>der</strong> „im Rahmen <strong>der</strong> Möglichkeiten“. In § 12 des Konzessionsvertrags<br />
mit <strong>der</strong> Gasag s<strong>in</strong>d die meisten Zielsetzungen <strong>in</strong>halts- o<strong>der</strong> sogar wortgleich mit denjenigen im Vertrag<br />
<strong>der</strong> Bewag. H<strong>in</strong>zu tritt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Verpflichtung <strong>der</strong> Gasag, „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em angemessenen und<br />
wirtschaftlich vertretbaren Umfang“ Forschung und Entwicklung zu betreiben, e<strong>in</strong>en eigenständigen<br />
Unternehmensbereich zur Energiee<strong>in</strong>sparung e<strong>in</strong>zurichten und Formen regenerativer und dezentraler<br />
Energieerzeugung zu för<strong>der</strong>n. Das Land Berl<strong>in</strong> hat also im Rahmen <strong>der</strong> Konzessionsvergabe an<br />
e<strong>in</strong>en privaten Konzessionär durchaus die Möglichkeit, ex ante e<strong>in</strong>en energiepolitischen Rahmen<br />
zu def<strong>in</strong>ieren und auf die Verwirklichung e<strong>in</strong>er Innovations- und Investitionsstrategie h<strong>in</strong>zuwirken.<br />
Diese sollte jedoch h<strong>in</strong>reichend klar def<strong>in</strong>iert und mit konkreten, messbaren Zielen verbunden se<strong>in</strong>.<br />
5.5 Zwischenfazit<br />
Energiepolitischer Gestaltungsspielraum <strong>in</strong> den Netzen liegt vor allem im Bereich <strong>der</strong> netzbezogenen<br />
Investitions- und Innovationspolitik (z. B. Entwicklung <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>es „Smart Grid“, Fragen<br />
des Netzausbaus). Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur stellen <strong>in</strong> ihrem Geme<strong>in</strong>samen<br />
Leitfaden fest, dass im Rahmen e<strong>in</strong>er Konzessionsgewährung „auch Vere<strong>in</strong>barungen zum<br />
konzessionierten Netz (z. B. Investitionen, Ausbau, Effizienzsteigerung) getroffen werden können“.<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> kann also mit dem Konzessionsnehmer bestimmte <strong>in</strong>fra<strong>strukturelle</strong> Ziele vere<strong>in</strong>baren,<br />
welche im Rahmen e<strong>in</strong>er Energiestrategie zu konkretisieren bleiben. Nicht zulässig ist es<br />
h<strong>in</strong>gegen, wenn das Land Berl<strong>in</strong> „im Rahmen <strong>der</strong> Konzessionsvergabe Gegenleistungen for<strong>der</strong>t<br />
o<strong>der</strong> sich zusagen lässt, die im Wi<strong>der</strong>spruch zur KAV stehen“.<br />
Der Vorteil e<strong>in</strong>er vollständigen o<strong>der</strong> teilweisen Übernahme <strong>der</strong> Netze durch das Land Berl<strong>in</strong> könnte<br />
dar<strong>in</strong> liegen, während <strong>der</strong> Laufzeit des Konzessionsvertrags e<strong>in</strong>en unmittelbareren E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Strategie zur Umsetzung <strong>der</strong> <strong>in</strong>fra<strong>strukturelle</strong>n Ziele zu haben. Ob<br />
dieser Vorteil tatsächlich den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Netzgeschäft rechtfertigt bzw. nicht auch auf an<strong>der</strong>em<br />
Wege erreichbar ist (z. B. durch vertragliche E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten auf Investitionsentscheidungen,<br />
verkürzte Konzessionslaufzeit o<strong>der</strong> die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung des Konzessionsvertrags,<br />
wenn Vere<strong>in</strong>barungen nicht e<strong>in</strong>gehalten wurden), sollten die Entscheidungsträger sehr<br />
gründlich prüfen.<br />
19 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
6<br />
FINANZPOLITISCHE AUSWIRKUNGEN EINER BETEILIGUNG<br />
AN DEN NETZEN FÜR DAS LAND BERLIN<br />
Für die f<strong>in</strong>anz- und haushaltspolitische Bewertung s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Kaufpreis des Netzes sowie die<br />
F<strong>in</strong>anzierungskonditionen von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Im ersten Schritt – <strong>der</strong> hier nur<br />
anhand von Modellannahmen simuliert werden kann – muss <strong>der</strong> Kaufpreis <strong>der</strong> Netze<br />
bestimmt werden. Im zweiten Schritt s<strong>in</strong>d, sofern das Land Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Kauf <strong>in</strong> Betracht<br />
zieht, mögliche F<strong>in</strong>anzierungsoptionen zu prüfen. Im dritten Schritt ist die Auswirkung <strong>der</strong><br />
jeweiligen F<strong>in</strong>anzierung auf den Berl<strong>in</strong>er Landeshaushalt und die politischen Wirkungen e<strong>in</strong>er<br />
Kreditaufnahme zu bewerten. Es besteht ke<strong>in</strong>e belastbare Datengrundlage, so dass die<br />
Untersuchung auf Basis von Szenarien erfolgt. Dabei zeigen sich neben unternehmerischen<br />
Chancen auch f<strong>in</strong>anzielle Risiken.<br />
Der Konzessionsvertrag über das Stromnetz mit <strong>der</strong> Bewag vom 15. März 1994 – ebenso gültig für<br />
die Rechtsnachfolger<strong>in</strong> Vattenfall Distribution Berl<strong>in</strong> GmbH – sieht im Falle e<strong>in</strong>es Auslaufens <strong>der</strong><br />
Konzession und <strong>der</strong> Rücknahme des Netzes sowie <strong>der</strong> dazugehörigen Anlagen durch das Land<br />
Berl<strong>in</strong> die Ermittlung und „Erstattung ihres angemessenen Wertes“ vor (§ 16 Konzessionsvertrag<br />
Stromnetz). Gleiches gilt für den Konzessionsvertrag über das Gasnetz mit <strong>der</strong> Gasag AG vom<br />
24. September 1993 (§ 14 Konzessionsvertrag Gasnetz). Die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetz<br />
(§ 46 Abs. 2 S. 2 EnWG) s<strong>in</strong>d ebenfalls nicht präziser und legen fest, dass dem neuen<br />
Konzessions<strong>in</strong>haber das Netz– „gegen Zahlung e<strong>in</strong>er wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ an<br />
den alten Konzessionär – zu übereignen ist. Diese unpräzisen Vorgaben bieten Raum für unterschiedliche<br />
Auffassungen zur tatsächlichen Höhe des fairen Kaufpreises sowie über das anzuwendende<br />
Verfahren zur Bewertung. Dies wird auch deutlich, wenn man die <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
diskutierten Werte für das Stromnetz verfolgt, die zwischen 261 bis 370 Mio. € (Gutachten <strong>der</strong><br />
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen – ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Hochspannungsebene<br />
17 ), 400 Mio. € (Energietisch 18 ) und 3 Mrd. € (Vattenfall 19 ) liegen. Für die Wertermittlung<br />
des Gasnetzes liegen <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e Indikationen vor. Der Buchwert des Anlagevermögens ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Bilanz <strong>der</strong> Gasag mit rund 1,3 Mrd. € angegeben; <strong>der</strong> Buchwert <strong>der</strong> Netze dürfte etwas niedriger<br />
liegen.<br />
Es ist nicht Aufgabe dieses Gutachtens, den Wert <strong>der</strong> Netze zu ermitteln. E<strong>in</strong>e Netzwertberechnung<br />
<strong>der</strong> Strom- und Gasnetze kann auch nicht durchgeführt werden, da für die Ermittlung des<br />
tatsächlichen Wertes die erfor<strong>der</strong>lichen Daten nicht vorliegen. Dennoch sollen die f<strong>in</strong>anziellen Auswirkungen<br />
auf den Landeshaushalt auf Basis von Modellprämissen und Annahmen – u.a. bezüglich<br />
des Kaufpreises – simuliert werden. Entscheidend ist dabei, Kriterien für e<strong>in</strong>en systematischen<br />
Entscheidungsprozess zu beschreiben, nicht jedoch, die Ergebnisse e<strong>in</strong>er gründlichen technischen<br />
und wirtschaftlichen Bewertung <strong>der</strong> Netze (Due Diligence) zu antizipieren.<br />
17<br />
Gutachten: http://www.l<strong>in</strong>ksfraktion-berl<strong>in</strong>.de/fileadm<strong>in</strong>/l<strong>in</strong>ksfraktion/download/2012/Bewertung_Strom-_und_Fernwaermenetze_Berl<strong>in</strong>.pdf,<br />
Abruf vom 29.05.2012.<br />
18<br />
http://berl<strong>in</strong>er-energietisch.net/argumente/faqs, Abruf vom 29.05.2012.<br />
19<br />
Siehe TAZ vom 06.03.2012, „Vattenfall verkauft sich zu teuer“.<br />
20 | 29
Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
EXKURS: Verfahren zur Ermittlung des Kaufpreises<br />
Durch die fehlenden rechtlichen Grundlagen s<strong>in</strong>d gerichtliche Entscheidungen für die Wertermittlung<br />
maßgebend. An erster Stelle sei hier auf das „Kaufer<strong>in</strong>g-Urteil“ des Bundesgerichtshofes zur<br />
Wertermittlung mithilfe des Ertrags- und Sachzeitwertes verwiesen. 20 Der Ertragswert ist <strong>der</strong> Gegenwartswert<br />
<strong>der</strong> künftigen E<strong>in</strong>zahlungsüberschüsse aus <strong>der</strong> unternehmerischen Tätigkeit. Man<br />
erhält ihn durch Abz<strong>in</strong>sen <strong>der</strong> künftig erwarteten Zahlungen. 21 Der BGH stellt fest, dass <strong>der</strong> Sachzeitwert<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Energiewirtschaft als <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Grundlage des Tagesneuwertes unter Berücksichtigung<br />
se<strong>in</strong>es Alters und se<strong>in</strong>es Zustandes ermittelte Restwert e<strong>in</strong>es Wirtschaftsgutes verstanden<br />
wird. 22 Nach allgeme<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung ist jedoch für die Bestimmung des angemessenen Preises<br />
e<strong>in</strong>es Strom- und Gasnetzes <strong>der</strong> aus den kalkulatorischen Restwerten <strong>der</strong> Anlagen abgeleitete<br />
Ertragswert das maßgebliche Verfahren. Dabei wird bewertet, welche Erträge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft aus<br />
<strong>der</strong> Bewirtschaftung des Netzes unter E<strong>in</strong>beziehung von kalkulatorischen Größen zu erzielen se<strong>in</strong><br />
werden. 23 Im Rahmen des Ertragswertverfahrens stellen die maximalen Netzerlöse gemäß ARegV<br />
und damit die durch Netzentgelte ref<strong>in</strong>anzierbaren Kosten die Kalkulationsgrundlage dar. Kalkulatorische<br />
Größen s<strong>in</strong>d etwa die kalkulatorische Eigenkapital- und die Fremdkapitalverz<strong>in</strong>sung,<br />
kalkulatorische Abschreibungen und kalkulatorische Gewerbesteuern. H<strong>in</strong>zu kommen weitere<br />
Kostengrößen wie Material- und Personalaufwand und sonstige betriebliche Aufwendungen<br />
(Vgl. § 5ff. StromNEV und GasNEV).<br />
Überhöhte Kaufpreise und <strong>der</strong>en F<strong>in</strong>anzierungskosten können nicht im Rahmen <strong>der</strong> Anreiz-<br />
regulierung geltend gemacht werden und stellen e<strong>in</strong> unternehmerisches Risiko zu Lasten <strong>der</strong><br />
Eigentümer dar. 24<br />
6.1 F<strong>in</strong>anzströme an das Land Berl<strong>in</strong><br />
Das Land Berl<strong>in</strong> erzielt bereits jetzt E<strong>in</strong>nahmen aus dem Netzbetrieb durch die Erhebung <strong>der</strong><br />
Konzessionsabgabe und <strong>der</strong> Gewerbesteuer. Durch e<strong>in</strong>e (Teil-)Rekommunalisierung besteht für das<br />
Land die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en zusätzlichen F<strong>in</strong>anzstrom zu generieren, <strong>in</strong> dem es durch unternehmerische<br />
Tätigkeit als Netzbetreiber Gew<strong>in</strong>ne erzielt.<br />
Konzessionsabgabe<br />
Grundsätzlich ist die Erhebung von Konzessionsabgaben durch die KAV auf Bundesebene geregelt<br />
und unabhängig von <strong>der</strong> Eigentümerschaft <strong>der</strong> Netze. Bei allen Konzessions<strong>in</strong>habern wird sich<br />
die Konzessionsabgabe am oberen Ende <strong>der</strong> möglichen Bandbreite bewegen und so e<strong>in</strong>e signifikante<br />
E<strong>in</strong>nahme für den Landeshaushalt darstellen.<br />
20<br />
BGH, Urteil vom 16.11.1999 - KZR 12/97 - Endschaftsbestimmung; OLG München.<br />
21<br />
Gablers Wirtschaftslexikon, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Def<strong>in</strong>ition/ertragswert.html, Abruf vom 18.06.2012.<br />
22<br />
BGH, Urteil vom 16.11.1999 - KZR 12/ 97 – Endschaftsbestimmung; Nr. 19.<br />
23<br />
Geme<strong>in</strong>samer Leitfaden des Bundeskartellamts und <strong>der</strong> Bundesnetzagentur, 2010, S. 14.<br />
24<br />
Geme<strong>in</strong>samer Leitfaden des Bundeskartellamts und <strong>der</strong> Bundesnetzagentur, 2010, S. 15.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Die Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen erwartet gemäß <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzplanung bis 2015 e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahme aus<br />
Konzessionsabgaben für Gas und Strom <strong>in</strong> Höhe von ca. 140-150 Mio. €. 25<br />
Tabelle 1: Konzessionsabgabe für Strom und Gas<br />
(Quelle: Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen; * ab 2012 Planungswerte <strong>der</strong> Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen)<br />
Gewerbesteuer<br />
Aus dem Betrieb des Netzes ergeben sich steuerpflichtige Umsätze auf die Erträge. Zu den Ertragsteuern<br />
gehören die Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuer. Dem Land Berl<strong>in</strong> fließen die<br />
Gewerbesteuere<strong>in</strong>nahmen zu. Zu <strong>der</strong>en Höhe können im Rahmen dieses Gutachtens ke<strong>in</strong>e Aussagen<br />
getroffen werden, da <strong>der</strong> Netzbetreiber des Stromnetzes Vattenfall Distribution Berl<strong>in</strong> GmbH im<br />
Konzernverbund mit Vattenfall Europe konsolidiert wird und e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelausweis nicht erfolgt. Bei <strong>der</strong><br />
Gasag erfolgt ebenfalls e<strong>in</strong>e Konsolidierung auf Konzernebene.<br />
Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung aus unternehmerischer Tätigkeit<br />
Aus <strong>der</strong> möglichen unternehmerischen Tätigkeit des Landes Berl<strong>in</strong> als Betreiber <strong>der</strong> Gas- und<br />
Stromverteilnetze kann sich e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>nahmepotenzial für den Landeshaushalt ergeben. Die Höhe wird<br />
wesentlich durch die erwirtschafteten Erträge aus <strong>der</strong> Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung und den gegenüberstehenden<br />
F<strong>in</strong>anzierungsaufwendungen bee<strong>in</strong>flusst. Für das Gasnetz sieht die Regulierung gemäß<br />
ARegV ab dem 1. Januar 2013 e<strong>in</strong>e Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung für Altanlagen vor Körperschaftsteuer<br />
von 7,14 % und für Neuanlagen von 9,05 % als angemessen vor. Die gleichen Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sungen<br />
gelten für das Stromnetz ab dem 1. Januar 2014. 26<br />
In <strong>der</strong> Öffentlichkeit werden Höhe und Erreichbarkeit <strong>der</strong> Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sungssätze teilweise<br />
kritisch diskutiert. Festzuhalten ist, dass die Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität nicht gleich<br />
dem Gew<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Netzgesellschaft ist, son<strong>der</strong>n dieser von Faktoren – wie etwa <strong>der</strong> Effizienz des<br />
Netzbetriebes – abhängt. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) weist darauf h<strong>in</strong>, dass die<br />
maximale Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung selbst von 100 % effizienten Netzbetreibern nicht erreicht wird<br />
und somit niedriger liegt. 27<br />
25<br />
Angaben <strong>der</strong> Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen.<br />
26<br />
Beschluss <strong>der</strong> BNetzA vom 31.10.2011.<br />
27<br />
VKU-Gutachten: 7-Punkte-Plan zur Nachsteuerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anreizregulierung, 2011, S. 3.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
6.2 Investitionen <strong>in</strong> das Netz<br />
Das Netz erfor<strong>der</strong>t ständige Investitionen <strong>in</strong> die Infrastruktur. Im Falle e<strong>in</strong>er Rekommunalisierung<br />
<strong>der</strong> Energienetze können die Investitionen für Mo<strong>der</strong>nisierungen, z.B. durch den Umbau zu e<strong>in</strong>em<br />
Smart Grid o<strong>der</strong> unerwartet hohe Erneuerungen, den Landeshaushalt zum<strong>in</strong>dest kurzzeitig zusätzlich<br />
belasten. Bei Investitionen <strong>in</strong> die Netze kommt es bei <strong>der</strong> Geltendmachung <strong>der</strong> Kosten zu Zeitverzügen.<br />
Die Regulierung sieht hierfür Investitionsbudgets vor, die den Zeitverzug auf bis zu zwei<br />
Jahre begrenzen. Gel<strong>in</strong>gt es nicht, die Voraussetzungen für Investitionsbudgets zu erfüllen, können<br />
Zeitverzüge von bis zu fünf Jahren entstehen. 28<br />
6.3 F<strong>in</strong>anzierungsmodelle und -konditionen<br />
Kommunalen Entschei<strong>der</strong>n stehen verschiedene F<strong>in</strong>anzierungsmodelle für Investitionen zur Verfügung.<br />
E<strong>in</strong>er Studie <strong>der</strong> KfW ist zu entnehmen, dass 94 % <strong>der</strong> Kommunen (Geme<strong>in</strong>den und Landkreise)<br />
<strong>in</strong> Deutschland Eigenmittel als F<strong>in</strong>anzierungsbestandteil verwenden. Ebenso viele Kommunen<br />
nutzen Zuwendungen von Bund und Län<strong>der</strong>n. 60 % <strong>der</strong> Kommunen setzen Kredite e<strong>in</strong>, die<br />
wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>en Anteil von 27 % am kommunalen Gesamt<strong>in</strong>vestitionsvolumen <strong>in</strong> Deutschland haben.<br />
Die KfW weist auf e<strong>in</strong>en klaren Trend h<strong>in</strong>: mit steigen<strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Kommune s<strong>in</strong>kt <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> Eigenmittel am Investitionsvolumen. Korrespondierend steigt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Kommunalkredite<br />
an <strong>der</strong> Investitionsf<strong>in</strong>anzierung. Kommunale Anleihen, Schuldsche<strong>in</strong>e und weitere F<strong>in</strong>anzierungsquellen<br />
spielen zur F<strong>in</strong>anzierung von Investitionen e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. 29<br />
Die KfW weist darauf h<strong>in</strong>, dass sich im Rahmen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung und Umsetzung <strong>der</strong> neuen Bankenregulierungsvorschriften<br />
(Basel III) strengere Anfor<strong>der</strong>ungen für die Aufnahme von Kommunalkrediten<br />
ergeben könnten. Das hätte zur Folge, dass sich die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften<br />
für Kredite an Kommunen und kommunale Unternehmen verschärfen. 30 Die Banken müssten<br />
demnach ab 2013 schrittweise ihren Eigenkapitalanteil für Kommunalkredite nach oben anpassen<br />
und mit mehr Liquidität h<strong>in</strong>terlegen. Die sich damit ergebenden höheren Ref<strong>in</strong>anzierungskosten<br />
würden letztlich an die Kommunen weitergegeben und könnten zu e<strong>in</strong>er Verschlechterung <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierungskonditionen führen. 31<br />
28<br />
Brunekreeft/Meyer <strong>in</strong> Energiewirtschaftliche Tagesfragen 61. Jg. (2011) Heft 1/2.<br />
29<br />
Vgl. KfW-Kommunalpanel S. 62, 2012.<br />
30<br />
KfW-Kommunalpanel 2011, S. 58.<br />
31<br />
Positionspapier des Bankenverbandes zur Kommunalf<strong>in</strong>anzierung, 4. April 2012.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Nachfolgend werden die Kommunalkredite genauer betrachtet und h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Konditionen<br />
untersucht. 32<br />
Tabelle 2: Überblick zu Kreditmodellen und –konditionen (eigene Darstellung)<br />
F<strong>in</strong>anzierungen über Kommunalkredite s<strong>in</strong>d zurzeit sehr attraktiv- sie stellen die wahrsche<strong>in</strong>lichste<br />
F<strong>in</strong>anzierungsvariante dar. Das <strong>der</strong>zeit allgeme<strong>in</strong> niedrige Z<strong>in</strong>sniveau spiegelt sich <strong>in</strong> den günstigen<br />
Kreditkonditionen wie<strong>der</strong>. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit steigen<strong>der</strong> Laufzeit des Kredites<br />
auch das Z<strong>in</strong>sniveau steigt, korrespondierend aber auch die Z<strong>in</strong>sb<strong>in</strong>dung festgeschrieben wird.<br />
Man kann <strong>der</strong>zeit davon ausgehen, dass das Land Berl<strong>in</strong> die Bonitätskriterien für die Beantragung<br />
e<strong>in</strong>es solchen Kredites für e<strong>in</strong>en Rückkauf <strong>der</strong> Netze erfüllt und e<strong>in</strong>en Kommunalkredit erhalten<br />
würde.<br />
Das auf den ersten Blick attraktivste Modell stellt <strong>der</strong> KfW-Kredit dar. Mit se<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Verz<strong>in</strong>sung<br />
von ca. 2 % und <strong>der</strong> langen Laufzeit bietet er hervorragende F<strong>in</strong>anzierungskonditionen. Die Z<strong>in</strong>sb<strong>in</strong>dung<br />
für den Kredit beträgt 10 Jahre. Nach Ablauf <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>sb<strong>in</strong>dungsfrist macht die KfW e<strong>in</strong><br />
Prolongationsangebot zu marktnahen – d.h. gegebenenfalls verschlechterten – Konditionen. Der<br />
F<strong>in</strong>anzierungsanteil von Kreditbeträgen über 2 Mio. € beträgt maximal 50 % <strong>der</strong> för<strong>der</strong>fähigen<br />
Kosten, z. B. <strong>der</strong> Kosten für den Kaufpreis. Das Land Berl<strong>in</strong> kann maximal 150 Mio. € pro Jahr<br />
beantragen. Trotz <strong>der</strong> günstigen F<strong>in</strong>anzierungsbed<strong>in</strong>gungen ist die Inanspruchnahme von KfW-<br />
Krediten für e<strong>in</strong>e Rekommunalisierung aufgrund <strong>der</strong> kürzeren Z<strong>in</strong>sb<strong>in</strong>dung und des nicht ausreichenden<br />
Kreditvolumens eher unwahrsche<strong>in</strong>lich bzw. nur teilweise möglich.<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>es Rückkaufs durch die E<strong>in</strong>beziehung von Bundes- und EU-Mitteln ist nach<br />
<strong>der</strong>zeitiger E<strong>in</strong>schätzung nicht möglich.<br />
32<br />
Konditionen: Abfrage und Plausibilisierung: http://www.kfw.de/kfw/de/Inlandsfoer<strong>der</strong>ung/Programmuebersicht/IKK_-_<br />
KfW-Investitionskredit_Kommunen/Konditionen.jsp, Abruf am 14.05.2012;<br />
http://www.dghyp.de/oeffentliche-f<strong>in</strong>anzierungen/kommunale-kredite/konditionen/, Abruf am 14.05.2012; Aussagen<br />
Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
6.4 Vere<strong>in</strong>fachte Darstellung von Auswirkungen auf den Haushalt<br />
In e<strong>in</strong>er vere<strong>in</strong>fachten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werden <strong>in</strong> drei Szenarien die Auswirkungen<br />
e<strong>in</strong>er Rekommunalisierung auf den Haushalt des Landes Berl<strong>in</strong> am Beispiel des Stromnetzes<br />
untersucht. Angesichts <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anzierung über die KfW wird dafür e<strong>in</strong>e<br />
F<strong>in</strong>anzierung zu Kommunalkreditkonditionen dargestellt. Die simulierten Kaufpreise für das Stromnetz<br />
entsprechen den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit diskutierten Werten des Energietischs (400 Mio. €) und<br />
von Vattenfall (3.000 Mio. €) sowie e<strong>in</strong>em zusätzlichen mittleren Szenario (1.000 Mio. €) <strong>in</strong> Analogie<br />
zur Bewertung <strong>der</strong> Netze <strong>in</strong> Hamburg. 33 Das Heranziehen e<strong>in</strong>er Analogie zu Hamburg lässt ke<strong>in</strong>e<br />
Aussage über den tatsächlichen Wert des Berl<strong>in</strong>er Stromverteilnetzes zu; dieser muss im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen und technischen Bewertung ermittelt werden.<br />
Modellannahmen<br />
Das Modell geht vom bestehenden Regulierungsrahmen aus und berücksichtigt ke<strong>in</strong>e etwaigen<br />
Än<strong>der</strong>ungen nach Ablauf <strong>der</strong> zweiten Regulierungsperiode. Im Modell erfolgt die Realisierung über<br />
e<strong>in</strong>e Beteiligungsgesellschaft. Das Land Berl<strong>in</strong> kauft das Netz über e<strong>in</strong>e Beteiligungsgesellschaft,<br />
die es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Netzgesellschaft e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Die F<strong>in</strong>anzierung erfolgt zu 40 % aus Eigenkapital, das<br />
vom Land Berl<strong>in</strong> vorher am Kapitalmarkt über e<strong>in</strong>en Kommunalkredit aufgenommen wurde. Das<br />
Eigenkapital <strong>der</strong> Netzgesellschaft wird durch die Beteiligungsgesellschaft e<strong>in</strong>gelegt. Die Beteiligungsgesellschaft<br />
f<strong>in</strong>anziert es zu 2,6 % und tilgt <strong>in</strong> Raten über 20 Jahre. 34 Zu 60 % wird die<br />
Netzgesellschaft mit Fremdkapital ausgestattet, das von <strong>der</strong> Netzgesellschaft aufgenommen und<br />
durch e<strong>in</strong>en marktüblichen Kredit f<strong>in</strong>anziert wird. Die Verz<strong>in</strong>sung für das Fremdkapital auf Ebene<br />
<strong>der</strong> Netzgesellschaft kann vollständig auf die Kosten zur Ermittlung <strong>der</strong> Erlösobergrenze umgelegt<br />
werden und wird im Modell vernachlässigt. Die Tilgung erfolgt nach 20 Jahren endfällig – danach<br />
erfolgt e<strong>in</strong>e Anschlussf<strong>in</strong>anzierung. Der Kaufpreis des Netzes entspricht dem Ertragswert auf Basis<br />
<strong>der</strong> kalkulatorischen Restwerte. Die Effizienz des Netzbetriebes für die kalkulierten Perioden beträgt<br />
100 %. Der Anteil an Neuanlagen beträgt 30 %, 70 % s<strong>in</strong>d Altanlagen; die gewichtete Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung<br />
beträgt 7,71 %. Die Höhe <strong>der</strong> Abschreibungen entspricht im Modell <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Investitionen<br />
– höhere Investitionen würden bei unverän<strong>der</strong>ten Abschreibungen zu kurzfristig ger<strong>in</strong>geren<br />
Cashflows führen.<br />
Alle Kostenpositionen <strong>der</strong> Netzgesellschaft s<strong>in</strong>d aufwandsgleich mit den Kostenpositionen zur<br />
Ermittlung <strong>der</strong> Erlösobergrenze. Die wesentliche E<strong>in</strong>nahme ist die Verz<strong>in</strong>sung des Eigenkapitals,<br />
das mit dem gewichteten Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sungssatz multipliziert wird. Für die Ermittlung e<strong>in</strong>es<br />
ausschüttungsfähigen Ergebnisses auf Ebene <strong>der</strong> Netzgesellschaft erfolgt e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>zurechnung <strong>der</strong><br />
Steuern, die erst auf Ebene <strong>der</strong> Beteiligungsgesellschaft abgeführt werden.<br />
33<br />
Es ergeben sich Beträge <strong>in</strong> Höhe von rund 710 Mio. € (auf Basis Netzlänge) o<strong>der</strong> 1,15 Mrd. € (auf Basis <strong>der</strong> Anzahl<br />
Entnahmestellen); Netzstrukturdaten Vattenfall Europe Distribution Hamburg GmbH, Vattenfall Europe Distribution<br />
Berl<strong>in</strong> GmbH, 2011.<br />
34<br />
Entspricht aktuellen F<strong>in</strong>anzierungsbed<strong>in</strong>gungen nach Aussage <strong>der</strong> Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Das ausschüttungsfähige Ergebnis <strong>der</strong> Netzgesellschaft wird an die Beteiligungsgesellschaft ausgeschüttet<br />
und stellt dort e<strong>in</strong>en Beteiligungsgew<strong>in</strong>n dar, <strong>der</strong> <strong>in</strong>s EBIT e<strong>in</strong>fließt. Um die Auswirkungen<br />
<strong>der</strong> Zahlungen im Landeshaushalt darzustellen, wird <strong>der</strong> Cashflow nach Bedienung des Kredites für<br />
das Eigenkapital auf Ebene <strong>der</strong> Beteiligungsgesellschaft dargestellt. Aus Vere<strong>in</strong>fachungsgründen<br />
wird unterstellt, dass das Ergebnis nach Z<strong>in</strong>sen und Steuern auf Ebene <strong>der</strong> Beteiligungsgesellschaft<br />
dem Cashflow entspricht. Es erfolgt e<strong>in</strong> Abzug <strong>der</strong> für das aufgenommene Eigenkapital zu zahlenden<br />
Z<strong>in</strong>sen und Steuern. Der Cashflow nach Z<strong>in</strong>sen und Steuern steht für die Tilgung des Kredites<br />
für das Eigenkapital zur Verfügung. Der verbleibende Cashflow nach Tilgung stellt e<strong>in</strong>en Mittelzuo<strong>der</strong><br />
-abfluss für den Landeshaushalt dar.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Ergebnis<br />
Die stark vere<strong>in</strong>fachte Rechnung zeigt, dass unter den oben beschriebenen idealen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
über den Zeitraum von 20 Jahren e<strong>in</strong> positiver Zahlungsstrom (Cashflow) für den Landeshaushalt<br />
erzielt werden kann. Die Rendite auf das e<strong>in</strong>gesetzte Eigenkapital ist im Verhältnis zum (unternehmerischen)<br />
Risiko des Landes sehr ger<strong>in</strong>g und beträgt für die ersten 20 Jahre im Durchschnitt<br />
weniger als 0,2 %. Bereits e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Abweichung vom Idealzustand kann eventuell zu Belastungen<br />
für den Landeshaushalt führen. Sollten etwa zukünftig höhere Investitionen notwendig werden, die<br />
über den Abschreibungen liegen, ergibt sich kurzfristig e<strong>in</strong> negativer Effekt für den Cashflow – wie<br />
beispielsweise <strong>in</strong> den Jahren 2009 bis 2011 bei Vattenfall Distribution geschehen.<br />
Erst nach 20 Jahren, wenn <strong>der</strong> Kredit für das Eigenkapital getilgt ist, erfolgen Zahlungszugänge <strong>in</strong><br />
Höhe <strong>der</strong> Eigenkapitalverz<strong>in</strong>sung nach Steuern. Dies zeigt, dass durch e<strong>in</strong>e Rekommunalisierung<br />
<strong>der</strong> Netze über 20 Jahre ke<strong>in</strong>e wesentlichen E<strong>in</strong>nahmen für den Landeshaushalt erzielt werden<br />
können und deshalb das Entscheidungskriterium e<strong>in</strong>er Haushaltsentlastung aus Sicht des Landes<br />
Berl<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Relevanz für die zu treffende Entscheidung über die Konzessionsvergabe haben dürfte.<br />
Vielmehr bedeutet e<strong>in</strong>e Investition des Landes Berl<strong>in</strong> durch die Rekommunalisierung bei den diskutierten<br />
Werten e<strong>in</strong>e zusätzliche Pro-Kopf Verschuldung zwischen 290 und 870 € pro E<strong>in</strong>wohner. 35<br />
Aufgrund des hohen Schuldenstandes verfügt das Land Berl<strong>in</strong> über ke<strong>in</strong>e Rücklagen, die für<br />
e<strong>in</strong>en Kauf <strong>der</strong> Netze verwendet werden könnten. Zum 31.12.2011 betrug die Verschuldung<br />
62,453 Mrd. €, das entspricht e<strong>in</strong>er Pro-Kopf Verschuldung von über 18.000 €. Für das Jahr 2012<br />
rechnet die Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen mit e<strong>in</strong>er Nettokreditaufnahme <strong>in</strong> Höhe von weiteren<br />
1,010 Mrd. €. 36 Dennoch dürfte es ke<strong>in</strong> Problem se<strong>in</strong>, sich die notwendigen f<strong>in</strong>anziellen Mittel zu<br />
beschaffen, was aber – unabhängig von eventuell kreativen F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten – zu e<strong>in</strong>er<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Gesamtverschuldung führen würde.<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> muss bis 2019 se<strong>in</strong>e <strong>strukturelle</strong>n Defizite abbauen und e<strong>in</strong>en ausgeglichenen<br />
Haushalt aufweisen (Schuldenbremse). 37 Für die F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>er (Teil-)Rekommunalisierung hat<br />
die Schuldenbremse nach herrschen<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung ke<strong>in</strong>e Auswirkungen – da für die Ermittlung des<br />
F<strong>in</strong>anzierungssaldos des Landes Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Beteiligungskauf nicht e<strong>in</strong>bezogen wird. 38 Allerd<strong>in</strong>gs<br />
haben bereits jetzt Z<strong>in</strong>sen und Tilgung e<strong>in</strong>en großen Anteil am Landeshaushalt. Durch e<strong>in</strong>e Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Verschuldung dürfte sich die Abhängigkeit Berl<strong>in</strong>s von den F<strong>in</strong>anzmärkten weiter erhöhen<br />
und <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzielle Spielraum für Kredite und Investitionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft weiter verr<strong>in</strong>gern. Sollte<br />
<strong>der</strong> Kredit nicht getilgt werden können, werden weitere Schulden für die nächsten Generationen<br />
angehäuft.<br />
35<br />
Berechnet auf 3.460.725 E<strong>in</strong>wohner (Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 31.10.2010).<br />
36<br />
Senatsverwaltung für F<strong>in</strong>anzen: http://www.berl<strong>in</strong>.de/sen/f<strong>in</strong>anzen/kredite/<strong>in</strong>dex.html, Abruf am 30.05.12.<br />
37<br />
F<strong>in</strong>anzplanung von Berl<strong>in</strong> 2011-2015.<br />
38<br />
Verwaltungsvere<strong>in</strong>barung zum Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen § 2 Abs. 1.<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
7<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT<br />
Mit <strong>der</strong> anstehenden Konzessionsvergabe entscheidet das Land Berl<strong>in</strong> über das Eigentum an den<br />
Strom- und Gasverteilnetzen und wer sie künftig betreiben soll. Die Anlagen zur Energieerzeugung<br />
und die Lieferverträge <strong>der</strong> Endkunden für Strom und Gas bleiben davon grundsätzlich unberührt.<br />
Das Land Berl<strong>in</strong> muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em transparenten und diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien Verfahren e<strong>in</strong>en Netzbetreiber<br />
auswählen, <strong>der</strong> am besten geeignet ist, im S<strong>in</strong>ne des Energiewirtschaftsgesetzes e<strong>in</strong>en<br />
möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen<br />
Netzbetrieb zu ermöglichen. Die Konzessionsvergabe an e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen mit <strong>der</strong><br />
ausschlaggebenden Begründung, dadurch zusätzliche E<strong>in</strong>nahmen für den Haushalt erzielen zu<br />
können, steht beispielsweise nicht <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Zielen des Energiewirtschaftsgesetzes;<br />
e<strong>in</strong>e solche Begründung für die Vergabeentscheidung könnte ggf. als Benachteiligung<br />
an<strong>der</strong>er Bieter angesehen werden.<br />
E<strong>in</strong>e „Rekommunalisierung“ <strong>der</strong> Netze ist grundsätzlich möglich, eröffnet jedoch kaum energiepolitischen<br />
Gestaltungsspielraum, <strong>der</strong> über die geltende gesetzliche Regulierung bzw. über die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>es Konzessionsvertrags mit e<strong>in</strong>em privaten Konzessionär<br />
h<strong>in</strong>ausgeht. Heute ist je<strong>der</strong> Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet, dezentrale Erzeugungsanlagen<br />
anzuschließen und das Netz bedarfsgerecht auszubauen. Se<strong>in</strong>e Unabhängigkeit und die diskrim<strong>in</strong>ierungsfreie<br />
Bereitstellung des Netzes für Energieerzeuger und Verbraucher werden von <strong>der</strong><br />
Bundesnetzagentur streng überwacht. Ziele des Klimaschutzes, des Energiemixes und <strong>der</strong> Preiswürdigkeit<br />
lassen sich damit durch den Betrieb des Verteilnetzes, jenseits <strong>der</strong> rechtlich gegebenen<br />
Verpflichtungen, allenfalls marg<strong>in</strong>al unterstützen.<br />
Sollte das Land Berl<strong>in</strong> zu dem Ergebnis kommen, dass e<strong>in</strong> landeseigenes Unternehmen die gesetzten<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen besser erfüllen kann, stellt sich die Frage nach <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit. Für e<strong>in</strong>e<br />
Übernahme <strong>der</strong> Netze spricht, dass e<strong>in</strong> gut geführtes Unternehmen mit dem Betrieb <strong>der</strong> Netze e<strong>in</strong>e<br />
mo<strong>der</strong>ate Rendite erwirtschaften kann. Allerd<strong>in</strong>gs müssen dabei Aufwendungen und Risiken beachtet<br />
werden, wie z.B. heute nicht abschließend bestimmbare Investitionen <strong>in</strong> die Erneuerung,<br />
Erweiterung und die qualitative Verbesserung <strong>der</strong> Netz<strong>in</strong>frastruktur h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Smart Grid. Auch<br />
Investitionen müssten gegebenenfalls aus Krediten f<strong>in</strong>anziert sowie Z<strong>in</strong>sen und Tilgung bedient<br />
werden. In Folge dessen können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Jahren deutlich niedrigere Renditen o<strong>der</strong> sogar Verluste<br />
erzielt werden. Wird für den Kauf <strong>der</strong> Netze e<strong>in</strong> Kredit aufgenommen, wird dessen Tilgung die<br />
ohneh<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ate Rendite reduzieren, wodurch Risiken schneller zu negativen Ergebnissen führen<br />
können.<br />
Zurzeit werden alle<strong>in</strong> für das Stromnetz Werte diskutiert, die von hohen dreistelligen Millionenbeträgen<br />
bis zu Milliardenbeträgen reichen. Die Höhe e<strong>in</strong>es Kaufpreises für das Strom- und/o<strong>der</strong> Gasverteilnetz<br />
wäre mit den heutigen Eigentümern zu verhandeln, wobei es im Streitfall erfahrungsgemäß<br />
auch zu e<strong>in</strong>er langjährigen gerichtlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung kommen kann.<br />
Sofern für die Übernahme des Strom- und/o<strong>der</strong> Gasverteilnetzes e<strong>in</strong> fairer Kaufpreis zugrunde gelegt<br />
werden kann, ist die erreichbare Rendite nahezu unabhängig von dessen Höhe. Unter den Annahmen,<br />
dass <strong>der</strong> Kredit zur F<strong>in</strong>anzierung des Eigenkapitalanteils über 20 Jahre getilgt wird und bei 100 %<br />
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Kurzgutachten zur <strong>strukturelle</strong>n Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Energiewirtschaft<br />
Effizienz des Netzbetreibers ergibt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>fachten Modellrechnung e<strong>in</strong>e durchschnittliche<br />
Rendite des Eigenkapitals von deutlich weniger als 1 %. Nach erfolgter Tilgung kann die Rendite<br />
des Eigenkapitals im 21. Jahr dann auf etwas über 6 % ansteigen.<br />
Gegen die Übernahme <strong>der</strong> Netze spricht, dass das Land Berl<strong>in</strong> nicht über die erfor<strong>der</strong>lichen f<strong>in</strong>anziellen<br />
Mittel verfügt, son<strong>der</strong>n bereits heute mit 63 Mrd. € sehr hoch verschuldet ist. Unabhängig von<br />
kreativen F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten des Landes und e<strong>in</strong>em historisch niedrigen Z<strong>in</strong>sniveau wird<br />
die Verschuldung weiter ansteigen, die Abhängigkeit Berl<strong>in</strong>s von den F<strong>in</strong>anzmärkten dürfte sich<br />
weiter erhöhen und <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzielle Spielraum für Kredite und Investitionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft ger<strong>in</strong>ger<br />
werden.<br />
Juni 2012<br />
An dem Kurzgutachten haben mitgewirkt:<br />
Robert Krock<br />
Christian Hoffmann<br />
Markus Graebig<br />
<strong>SNPC</strong> GmbH<br />
Knesebeckstraße 59 - 61<br />
10719 Berl<strong>in</strong><br />
Telefon 030 / 89 06 93-0<br />
Fax 030 / 89 06 93-99<br />
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Alle Rechte vorbehalten, auch die fotomechanische<br />
Wie<strong>der</strong>gabe und Speicherung <strong>in</strong> elektronischen Medien<br />
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