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Dossier Werkverträge

Herausforderungen für Mitbestimmung und gewerkschaftliche Interessenvertretung

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Bezirk<br />

Küste<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Herausforderungen für Mitbestimmung<br />

und gewerkschaftliche Interessenvertretung


Die Beschäftigtenstruktur<br />

in den Betrieben verändert<br />

sich: Stammbeschäftigte<br />

werden weniger,<br />

Leiharbeit und <strong>Werkverträge</strong><br />

nehmen zu. Damit<br />

steigt der Druck auf die<br />

Beschäftigten: Im Stammbetrieb gibt<br />

es meistens Betriebsräte und Tarifverträge,<br />

in den Werkvertragsfirmen häufig<br />

nicht. Die Folge: Beschäftigte müssen<br />

zu schlechteren Bedingungen arbeiten.<br />

Die Entgelte sind häufig niedriger, die<br />

Arbeitszeiten länger.<br />

Die Unternehmen setzen auf Auslagerung<br />

und Fremdvergabe, etwa in der<br />

Logistik und den industrienahen Dienstleistungen.<br />

Die Betriebsräte können<br />

dagegen rechtlich nur wenig tun, weil<br />

»Die Beschäftigtenstruktur in<br />

den Betrieben verändert sich<br />

dramatisch. <strong>Werkverträge</strong> dringen<br />

in den Kernbereich der industriellen<br />

Wertschöpfung ein.«<br />

ihnen die Mitbestimmung fehlt. Nur<br />

selten kommen sie an Informationen,<br />

wer zu welchen Bedingungen auf dem<br />

Werksgelände arbeitet. <strong>Werkverträge</strong><br />

sind eine Black Box.<br />

Das wir da dringend hineinschauen müssen,<br />

zeigen auch die dramatischen Fälle<br />

von Missbrauch bei <strong>Werkverträge</strong>n, die<br />

die beiden Berliner Journalisten Jörn<br />

Boewe und Johannes Schulten (Journalistenbüro<br />

work in progress) für uns<br />

recherchiert haben. Arbeitgeber und<br />

Politik dürfen sich nicht aus der Verantwortung<br />

flüchten. Gemeinsam müssen<br />

wir ran an das Thema <strong>Werkverträge</strong>,<br />

damit künftig gilt: Arbeit sicher und fair<br />

– für alle.<br />

Meinhard Geiken,<br />

Bezirksleiter IG Metall Küste<br />

Papenburg<br />

Verbesserungen erreicht<br />

Nach dem Brand in einer<br />

Unterkunft mit zwei Toten<br />

im Sommer 2013 gibt es eine<br />

bundesweite Diskussion<br />

über <strong>Werkverträge</strong>.<br />

IG Metall Küste und Meyer<br />

Werft reagieren mit einem<br />

Tarifvertrag, der die Situation<br />

der Beschäftigten<br />

verbessert und dem Betriebsrat<br />

mehr Mitsprache<br />

gibt. Seite 17<br />

Bremerhaven<br />

Black Box <strong>Werkverträge</strong><br />

Ein viertel Stammbelegschaft,<br />

drei viertel <strong>Werkverträge</strong><br />

und Leiharbeit<br />

– das ist zu Spitzenzeiten<br />

das Verhältnis auf der<br />

Lloyd Werft.<br />

Seite 6<br />

Flensburg<br />

Sitzen gelassen<br />

Ohne Lohn, ohne<br />

Arbeitspapiere und<br />

ohne Krankenversicherung<br />

– so sitzen<br />

griechische Arbeiter<br />

in Flensburg fest.<br />

Seite 11<br />

Hamburg, Bremen<br />

und Stade<br />

Ausgliederung<br />

als Strategie<br />

Airbus gibt die Logistik<br />

an den Dienstleister<br />

Stute. Die Beschäftigten<br />

müssen für weniger Geld,<br />

länger und mit weniger<br />

Urlaub arbeiten. Sie<br />

stellen sich quer und erreichen<br />

mit der IG Metall<br />

einen Tarifvertrag.<br />

Seite 4<br />

Hamburg<br />

Logistik gesichert<br />

Beim Hamburger Gabelstaplerhersteller<br />

Still<br />

konnten die Logistik und<br />

weitere Tätigkeiten gesichert<br />

werden.<br />

Seite 15<br />

Hamburg<br />

Vom Leiharbeiter<br />

zum Werkvertrag<br />

Airbus in Hamburg meldet<br />

hunderte Leiharbeiter ab.<br />

Arbeitspakete werden<br />

vergeben. Leiharbeiter<br />

können daran weiter arbeiten,<br />

allerdings mit einem<br />

Vertrag beim Dienstleister –<br />

für viel weniger Geld und zu<br />

schlechteren Bedingungen.<br />

Seite 12<br />

Alles nur ein Einzelfall? Nein!<br />

Die vielen Fälle aus Norddeutschland<br />

zeigen, dass <strong>Werkverträge</strong><br />

auch in der Metall- und Elektroindustrie<br />

– auf Werften, in der<br />

Windkraftbranche und auch in<br />

der Luft- und Raumfahrtindustrie<br />

– auf breiter Front genutzt<br />

werden, um Löhne zu drücken.<br />

Groß Stieten, Rostock<br />

und Lubmin<br />

Flucht aus der Verantwortung<br />

Mehr als 100 griechische Arbeiter<br />

leben wochenlang nur von Toastbrot<br />

und Tütensuppe und wohnen<br />

in verwahrlosten Unterkünften,<br />

weil die Werkvertragsfirma kein<br />

Geld mehr zahlt. Die Auftraggeber<br />

wollen damit nichts zu tun haben.<br />

Seite 8<br />

<strong>Werkverträge</strong> Hoher Anteil an der Gesamtbeschäftigung:<br />

<strong>Werkverträge</strong> und Leiharbeit.<br />

Automobilindustrie<br />

Stammbeschäftigte<br />

Leiharbeit<br />

<strong>Werkverträge</strong><br />

Verhältnis Stammzu<br />

Randbelegschaft<br />

763.000 100.000 250.000 1 : 0,46<br />

Stahl 61.000 2.100 19.000 1 : 0,35<br />

Luftfahrtindustrie<br />

Es gibt zweifelhafte Vertragskonstruktionen.<br />

Tarifliche und auch<br />

gesetzliche Standards werden unterlaufen.<br />

Teilweise geht es auch<br />

um kriminelle Strukturen. Unser<br />

<strong>Dossier</strong> liefert dazu Beispiele aus<br />

allen fünf norddeutschen Bundesländern.<br />

72.200 10.700 6.300 1 : 0,23<br />

Schiffbau 15.200 2.500 6000 1 : 0,55<br />

Wertschöpfungsanteile <strong>Werkverträge</strong> gibt es in<br />

allen Bereichen der Wertschöpfungskette.<br />

28%<br />

19%<br />

17%<br />

16%<br />

42%<br />

38%<br />

Montage<br />

Interne Dienstleistungen<br />

Produktion<br />

Forschung, Entwicklung, Engeneering<br />

Werkzeugbau, Vorrichtungsbau<br />

Quelle: IG Metall, u.a. airreport 2014 und Schiffbauumfrage 2014 Quelle: IG Metall Betriebsrätebefragung 2012<br />

Logistik<br />

w2<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w3


Ausgliederung als Strategie<br />

Löhne und Standards drücken – der Fall Stute<br />

Bis 2003 gehörte das Lager zu Airbus. Auch die Teileversorgung und –prüfung machten<br />

Beschäftigte des Flugzeugherstellers und Leiharbeiter zu den Tarifen der Metall- und<br />

Elektroindustrie. Wie für alle anderen Festangestellten auf dem Werksgelände in<br />

Hamburg-Finkenwerder war der Airbus-Betriebsrat auch für diese zuständig. Mit<br />

dem Bau des A380 startete das Unternehmen eine gezielte Outsourcing-Strategie: Lager,<br />

Teileversorgung und -prüfung sollten an einen externen Dienstleister vergeben werden. Die<br />

Firma Stute erhielt 2003 den Zuschlag für das damals im Bau befindliche Materialwirtschaftszentrum<br />

in Hamburg-Hausbruch. Auch an anderen Standorten übernahm Stute im Auftrag der<br />

Konzernmutter Kühne & Nagel weitere Logistikaufgaben und in einer zweiten Welle gliederte<br />

Airbus insbesondere 2010 in Hausbruch, Stade, Finkenwerder und Bremen schließlich die<br />

gesamte operative Logistik aus.<br />

Bis heute einziger und allein prägender Kunde an den betreffenden<br />

Standorten ist Airbus. Dem Konzern gehören die<br />

Hallen, das Gelände, weitgehend die Betriebsmittel sowie die<br />

Software. Stute werden lediglich Nutzungsrechte eingeräumt.<br />

An den meisten Standorten bestimmt Airbus maßgeblich den<br />

Stute-Geschäftsbetrieb, was sich auch daran zeigt, dass die Stute-Beschäftigten<br />

bis zu einem halben Jahr von Airbus-Mitarbeitern<br />

angelernt wurden und nach wie vor nach Airbus-Standards<br />

(z. B. EASA-Richtlinien) arbeiten müssen.<br />

Die Vergabe der Logistik von Airbus an Stute hat zu einer Absenkung<br />

des zuvor geltenden Tarifniveaus und konkreten Einbußen<br />

für die Beschäftigten geführt. So bekamen Beschäftigte,<br />

die zuvor bei Airbus als Leiharbeitnehmer in der Logistik tätig<br />

waren, im Monat bis zu 1000 Euro brutto weniger und verloren<br />

fünf Tage Urlaub. Zudem mussten sie 40 statt vormals 35 Stunden<br />

pro Woche arbeiten. Verständlich, dass bei der Ausgliederung<br />

nahezu alle betroffenen Beschäftigten – mit Ausnahme<br />

einiger Leiharbeitnehmer – das Angebot eines Arbeitsvertrags<br />

bei Stute ablehnten. Die Mehrheit der Stute-Beschäftigten begreift<br />

sich als Teil der Airbus-Belegschaft und identifiziert sich<br />

mit dem Kunden und Endprodukt weit mehr als mit dem eigenen<br />

Unternehmen.<br />

Mit der Zeit wuchs die Kritik an den ungleichen Arbeits- und<br />

Entlohnungsbedingungen. Die Beschäftigten organisierten<br />

sich in der IG Metall und zogen die Gewerkschaft immer wieder<br />

zu Rate – so auch beim ersten Versuch zur Bildung eines<br />

Betriebsrats 2006 in Hamburg-Hausbruch, für den die Unterstützung<br />

in der Belegschaft aber noch nicht ausreichte. Gegen<br />

den teilweise massiven Widerstand der Geschäftsführung gelang<br />

es einige Jahre später schließlich an allen vier Standorten,<br />

Betriebsratswahlen durchzuführen. Von den Airbus-Betriebsräten<br />

gibt es Unterstützung.<br />

Das Unternehmen wehrte sich mit allen Mitteln gegen Tarifverhandlungen<br />

mit der IG Metall. Vor Arbeitsgerichten zweifelte<br />

es die Zuständigkeit der Gewerkschaft an, scheiterte damit<br />

aber letztlich vor dem Landesarbeitsgericht. Stute versuchte<br />

auch, den sich abzeichnenden Abschluss zu unterbieten und<br />

schloss dafür mit ver.di einen Tarifvertrag ab, der sich an der<br />

Logistikbranche orientierte. Dieser führte allerdings überwiegend<br />

zu Verschlechterungen: 80 bis 100 Prozent der Beschäftigten<br />

erhielten infolge der Neueingruppierung Besitzstandszulagen,<br />

um Entgeltverluste auszugleichen.<br />

Reiner Schönwitz,<br />

Betriebsrat Stute-Hausbruch<br />

»Die Arbeitsplätze gehörten<br />

zunächst zu Airbus. Die meisten<br />

von uns fühlen sich als Teil der<br />

Luftfahrtindustrie. Auch wir erwarten,<br />

dass bei uns tarifliche Standards<br />

gelten. Mit dem Tarifvertrag, den wir<br />

im September 2014 nach massiven<br />

Warnstreiks durchgesetzt haben, ist der<br />

Anfang gemacht. Den Arbeitgebern muss<br />

klar sein: Wenn es nur darum geht, Löhne<br />

zu drücken, stellen sich die Beschäftigten<br />

bei Ausgliederungen quer.«<br />

Durch den guten Organisationsgrad, die Aktionsbereitschaft<br />

der Beschäftigten und die Vorbereitungen auf einen Arbeitskampf<br />

war die Tarifbewegung der IG Metall letztlich erfolgreich.<br />

Nach fünf Warnstreiks und vielen Verhandlungsrunden<br />

einigten sich IG Metall und Geschäftsführung im September<br />

2014 auf einen Tarifvertrag, durch den die Monatsentgelte um<br />

250 Euro (davon 100 Euro als monatliche Einmalzahlung) stiegen.<br />

Außerdem sichert der Vertrag mindestens 28 Tage Urlaub,<br />

Zuschläge für den sechsten Werktag und die Übernahme von<br />

Auszubildenden und Leiharbeitern.<br />

<br />

w4<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w5


380<br />

Stammbelegschaft<br />

80<br />

Leiharbeiter<br />

w6<br />

Black Box <strong>Werkverträge</strong><br />

Das Beispiel Lloyd Werft in Bremerhaven<br />

September 2014: Auf dem Gelände von Lloyd in Bremerhaven arbeiten 1157 Menschen.<br />

Zur Stammbelegschaft zählen davon nur 380. Die größte Gruppe sind Werkvertragsarbeiter:<br />

Insgesamt 697 Beschäftigte von Fremdfirmen sind zu dem Zeitpunkt auf der<br />

Werft. Dazu kommen etwa 80 Leiharbeiter. Die Zahlen haben die Betriebsräte aus der<br />

Produktionsplanung. Sie sind eine Momentaufnahme, die das Ausmaß von <strong>Werkverträge</strong>n<br />

deutlich macht. Was dahinter steckt, zu welchen Bedingungen Leiharbeiter und Werkvertragsbeschäftigte<br />

auf der Werft arbeiten, können die Betriebsräte nur erahnen.<br />

Beschäftigungsstruktur auf dem<br />

Beschäftigungsstruktur incl.<br />

2/3 der Beschäftigten arbeiten<br />

Gelände der Lloyd Werft<br />

<strong>Werkverträge</strong> der Reederei<br />

ohne Tarif und Betriebsrat<br />

Stand: September 2014 Stand: September 2014 400 (25,7%)<br />

Stand: September 2014<br />

Werkvertragsarbeiter<br />

Reederei<br />

697<br />

Werkvertragsarbeiter<br />

380 (24,4%)<br />

Stammbelegschaft<br />

80 (5,1%)<br />

Leiharbeiter<br />

697 (44,8%)<br />

Werkvertragsarbeiter<br />

Werft<br />

500<br />

Stammbelegschaft,<br />

Leiharbeiter, Werkvertragsbeschäftigte<br />

in Unternehmen mit<br />

Betriebsrat und Tarifbindung<br />

1157<br />

Werkvertragsarbeiter<br />

ohne Betriebsrat und<br />

Tarifbindung (Auftraggeber:<br />

Werft und<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Reederei)<br />

Hinzu kommt: Reeder, deren Schiffe in Bremerhaven modernisiert<br />

werden, bringen inzwischen Teile der Arbeitskräfte für bestimmte<br />

Arbeiten, etwa die Innenausstattung, mit. Die Beschäftigten<br />

kommen mit dem Schiff, arbeiten auf dem Schiff und<br />

wohnen teilweise dort. Kontakt mit dem Betriebsrat der Werft<br />

gibt es in der Regel nicht. Die Anzahl der Beschäftigten lässt<br />

sich deshalb nur schätzen: Für den im September vergangenen<br />

Jahres laufenden Umbau des britischen Kreuzfahrtschiffes »Artania«<br />

sind etwa 400 zusätzliche Arbeiter an Bord.<br />

Auf Werften ist der Anteil von <strong>Werkverträge</strong>n schon immer hoch<br />

gewesen. Das Geschäft, besonders wenn es sich um Umbauund<br />

Reparaturwerften wie der Lloyd Werft handelt, ist starken<br />

Schwankungen unterworfen. Doch während die Stammbelegschaft<br />

immer kleiner geworden ist, haben die Betriebsräte einen<br />

deutlichen Anstieg der <strong>Werkverträge</strong> beobachtet. Vieles wurde<br />

ausgegliedert: Statt der eigenen Beschäftigten machen die Arbeiten<br />

jetzt Fremdfirmen. Das Problem: Diese haben nur selten<br />

Betriebsräte und Tarifverträge. Der Anteil ist gering: Der Betriebsratsvorsitzende<br />

der Lloyd Werft, Daniel Müller, schätzt diesen auf<br />

unter zehn Prozent.<br />

Probleme gibt es vor allem mit <strong>Werkverträge</strong>n über niedrig<br />

qualifizierte Tätigkeiten, wie etwa Sandstrahl- und Korrosionsschutzarbeiten,<br />

Reinigungsarbeiten und Inneneinrichtungsarbeiten<br />

aller Art. Nach Aussage der Betriebsräte greifen die<br />

Firmen häufig auf Arbeitskräfte aus dem ost- und südosteuropäischen<br />

Raum zurück: Polen, Bulgaren, Rumänen, Griechen und<br />

Türken – teilweise auch Russen. Um von den Werkvertragsarbeitern<br />

Informationen zu bekommen, fehlt oft die Vertrauensbasis:<br />

Viele haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie<br />

Kontakt zum Betriebsrat aufnehmen. Dazu kommen fehlende<br />

Sprach- und Rechtskenntnisse. Wenn sich der Betriebsrat in Sachen<br />

<strong>Werkverträge</strong> an den Vorstand wendet, hat das meist mit<br />

Defiziten beim Arbeits- und Gesundheitsschutz zu tun. Subunternehmer<br />

stellen oft keine geeignete Schutzkleidung.<br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

»Wir brauchen mehr Informations- und<br />

Mitbestimmungsrechte bei der Vergabe<br />

von <strong>Werkverträge</strong>n. Nur wenn wir<br />

wissen, wie viele Beschäftigte zu welchen<br />

Konditionen einen Auftrag ausführen,<br />

können wir abschätzen, ob soziale<br />

Mindeststandards wie der gesetzliche<br />

Mindestlohn eingehalten werden. Beim<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz muss das<br />

Betriebsverfassungsgesetz so geändert<br />

werden, dass wir als Betriebsrat für alle<br />

Beschäftigten im Betrieb zuständig sind<br />

– ohne Ausnahme. Eine verbindliche Regelung,<br />

die wirksame Mindeststandards<br />

einzieht, war mit dem Vorstand bislang<br />

nicht zu machen. Sie wollten nur etwas<br />

für die Galerie und verhalten sich nicht<br />

konsequent und entschlossen genug.«<br />

Daniel Müller und Nils Bothen,<br />

Betriebsräte Lloyd Werft Bremerhaven<br />

In der Vergangenheit gab es nicht genug Sanitäreinrichtungen<br />

und Sozialräume für die Werkvertragsbeschäftigten. Hier konnte<br />

der Betriebsrat durch seine Intervention beim Management<br />

Abhilfe schaffen. Aufmerksam wurde man auf diesen Missstand,<br />

»weil die Leute bei schlechtem Wetter draußen saßen und<br />

aßen«, berichten die Betriebsräte. »Wir haben dann nachgefragt<br />

und sind das Problem angegangen.« Um mögliche Missstände<br />

aufzudecken, haben sie in der neuen Wahlperiode extra einen<br />

Ausschuss für Leiharbeit und <strong>Werkverträge</strong> eingerichtet.<br />

Zudem ist der Zugang zum Werksgelände strenger reguliert.<br />

Zeitweise war eine hohe Anzahl an Werksausweisen im Umlauf.<br />

Es war schwierig zu überblicken, ob ein Missbrauch mit<br />

den Karten betrieben wurde. Auf Druck des Betriebsrates wurden<br />

deshalb neue Ausweise mit mehr eindeutig zuordenbaren<br />

Daten wie Personalausweis- oder Sozialversicherungsnummer<br />

ausgegeben. Wie und wo die zumeist osteuropäischen Hilfsarbeiter<br />

untergebracht sind, ist unklar. Es gibt zahlreiche Monteursunterkünfte<br />

im Umland von Bremerhaven, aber genauere<br />

Informationen darüber hat der Betriebsrat nicht. <br />

w7


Keiner will es<br />

gewesen sein<br />

Flucht aus der Verantwortung.<br />

August 2014, Groß Stieten und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern: Mehr als 100 Arbeiter,<br />

überwiegend aus Griechenland, wurden ohne Lohn und unter menschenunwürdigen<br />

Bedingungen zurückgelassen. 23 der Arbeiter waren in einem heruntergekommenen<br />

Wohnblock in Groß Stieten bei Wismar untergebracht. 80 weitere wohnten in Lubmin<br />

in Containern, die nach Auskunft von Zeugen »bei Regen 20 cm unter Wasser standen«. Weil<br />

sie keinen Lohn mehr bekamen und keine Reserven hatten, lebten sie wochenlang nur von<br />

Toastbrot, Marmelade und Tütensuppen. Auch in der Unterkunft in Groß Stieten stand das<br />

Wasser in den Zimmern auf dem Fußboden. An der Decke und den Wänden waren schwarze<br />

Schimmelflecken. Zur Körperreinigung nutzten sie die verbliebenen Waschmittelreste. Mehrere<br />

Kollegen erkrankten infolgedessen an Ekzemen. Sie arbeiteten an sieben Tagen in der Woche<br />

zehn bis 14 Stunden pro Tag für einen telefonisch zugesagten Stundenlohn von 14 bis 16 Euro.<br />

Ausgezahlt wurde aber deutlich weniger.<br />

Die Arbeiter waren bei der Firma Paan Industrie-Service GmbH<br />

aus Oldenburg/Warenburg angestellt, die den Auftrag als Subunternehmer<br />

für die Firma Krebs Korrosionsschutz Rostock<br />

(bzw. eines ihrer Schwesterunternehmen der Krebs-Unternehmensgruppe)<br />

ausführte. Im Sommer 2014 wurde die Firma<br />

Paan Ziel strafrechtlicher Ermittlungen (Verdacht auf Nichtabführung<br />

von Sozialversicherungsbeiträgen, § 266a StGB), im<br />

Juli sperrte die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Firmenkonten.<br />

Spätestens ab diesem Moment erhielten die Arbeiter, die<br />

weiter in Rostock, Lubmin und möglicherweise auch in Wismar<br />

tätig waren, keinen Lohn mehr.<br />

T. S., Arbeiter aus Griechenland:<br />

Seit 2001 für Paan/Krebs auf Werften, u.a.<br />

Lübeck und Papenburg. November/Dezember<br />

2013 in Holland, dann anderthalb Monate<br />

Rumänien, drei Monate Rendsburg, danach 22<br />

Tage Schottland, dann Rostock und Groß Stieten.<br />

Immer wieder Rückstände bei der Lohnzahlung.<br />

Auszahlung am nächsten Arbeitsort. Keine<br />

schriftlichen Verträge. Nur informelle Absprachen.<br />

Staatsanwaltschaft Oldenburg gesperrten Paan-Firmenkonten<br />

kamen nicht zustande. Stattdessen zahlte Krebs ein weiteres<br />

»freiwilliges Handgeld« in Höhe von 100 Euro aus. Insgesamt<br />

Durch einen anonymen Hinweis wurde der stellvertretende<br />

DGB-Nord-Vorsitzende Ingo Schlüter auf die prekäre Lage der<br />

Paan-Beschäftigten aufmerksam. Gemeinsam mit anderen<br />

Gewerkschaftern organisierte er Nothilfe, schaltete die Bera-<br />

erhielten die Kollegen damit 150 Euro von Krebs, knapp 61<br />

Euro aus SGB-II-Leistungen sowie 400 Euro von der IG BCE.<br />

Dabei handelte es sich um eine Teilabtretung auf die eingeklagten<br />

Lohnrückstände.<br />

tungsstelle Faire Mobilität ein, kaufte Lebensmittel und verständigte<br />

die lokale Arbeitsagentur. Über die IG BCE, die mit<br />

Beteiligte Unternehmen:<br />

dem Unternehmen Krebs seit Jahren einen Tarifvertrag hat,<br />

wurde der Rechtsschutz organisiert.<br />

Die Arbeitnehmer, die in Groß Stieten und Lubmin zurückgelassen<br />

worden sind, waren bei der Firma Paan Industrie-Ser-<br />

Nachdem der Fall öffentlich wurde, zahlte die Firma Krebs,<br />

vice GmbH beschäftigt, ansässig in Wardenburg bei Olden-<br />

Auftraggeber von Paan, den Arbeitern in Groß Stieten ein<br />

burg. Geschäftsführer ist Andreas Pachis, auf den auch eine<br />

»Handgeld« in Höhe von 50 Euro aus und bot sehr schnell und<br />

Leiharbeitsfirma eingetragen ist, die LSN Personal-Service<br />

offensiv an, die Rückflugkosten nach Griechenland zu über-<br />

GmbH. Unklar ist, welche Vertragsverhältnisse zwischen den<br />

nehmen. Die von Krebs zunächst vollmundig angekündigte<br />

Arbeitern und der Fa. Paan bestanden, ob Arbeitsverträge<br />

Teilübernahme der ausstehenden Lohnzahlungen und eine<br />

oder wiederum <strong>Werkverträge</strong> mit einzelnen Arbeitern oder<br />

diesbezügliche Vereinbarung zur Teilfreigabe der durch die<br />

Gruppen von Arbeitern. Jedenfalls ist u. a. der Verdacht der<br />

w8<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w9


Werkvertragskonstruktion<br />

Beteiligte Unternehmen<br />

EEW-SPC<br />

Bladt<br />

Industries<br />

Krebs Korrisionsschutz<br />

Unternehmensgruppe mit<br />

Betriebsstätten in Wismar, Rostock<br />

PAAN Industrieservice<br />

Liebherr-<br />

MCCtec<br />

Nordic Yards<br />

Rostock (Krebs-Halle<br />

auf Werftgelände)<br />

für die Offshore-Windindustrie. Wie das Unternehmen auf<br />

Nachfrage bestätigte, wird die Farbkonservierung »im Auftrag<br />

von Bladt« durch die Krebsgruppe ausgeführt. Diese hat<br />

– neben ihrem Wismarer und Rostocker Standort – auch in<br />

Lubmin einen Betrieb eingerichtet (als eigenständige Tochtergesellschaft<br />

Lubminer Korrosionsschutz GmbH), der sich<br />

in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätte von Bladt befindet.<br />

Paan beschäftigt die griechischen und polnischen Kollegen<br />

in prekären Arbeitsverhältnissen. Im Auftrag von Krebs erledigen<br />

sie Korrosionsschutzarbeiten in der Werft- und Offshore-Windindustrie.<br />

Unmittelbare Auftraggeber von Krebs sind<br />

u. a. Bladt und Liebherr. Mittelbar involviert sind die Nordic<br />

Yards Rostock-Warnemünde, auf deren Gelände Krebs eine<br />

Halle angemietet hat und die EEW SPC als Kooperationspartner/Auftraggeber<br />

von Bladt.<br />

<br />

»Scheinselbständigkeit« nach Auskunft der Staatsanwaltschaft<br />

Oldenburg Gegenstand des laufenden Ermittlungsverfahrens<br />

(§266a StGB). Die Kontensperrung durch die Strafverfolgungsbehörde<br />

lässt jedenfalls darauf schließen, dass hier mehr als<br />

ein bloßer Anfangsverdacht vorliegt.<br />

Unmittelbarer Auftraggeber von Paan war die auf Korrosionsschutz<br />

spezialisierte Krebs-Unternehmensgruppe. Nach<br />

Angaben von Arbeitern wurden sie in Rostock-Warnemünde<br />

auf dem Gelände von Nordic Yards eingesetzt. Das zeigt auch<br />

der Werksausweis, den einer der Werkvertragsbeschäftigten<br />

vorlegte. Ausgeführt wurden die Aufträge im Auftrag des ebenfalls<br />

im Rostocker Überseehafen ansässigen Unternehmens<br />

Liebherr, das auf Schiffs-, Hafenmobil- und Offshorekrane spezialisiert<br />

ist.<br />

Griechische Werkvertragsbeschäftigte<br />

Betrieb mit Tarifbindung<br />

Betrieb ohne Tarifbindung<br />

Dienstleistungs-/<br />

Werkvertrag<br />

Arbeitsvertrag<br />

Liebherr hat auf Nachfrage bestätigt, »seit 2007 mit der Krebs<br />

Unternehmensgruppe zusammenzuarbeiten, »insbesondere<br />

um Auftragsspitzen bei Lackierarbeiten auszugleichen«.<br />

Zugleich versichert das Unternehmen, dass »bisher (...) alle<br />

Dienstleistungen für Liebherr von der Krebs Unternehmensgruppe<br />

selbst und in deren eigenen Betriebsstätten ausgeführt«<br />

worden seien und betont: »Eine Weitervergabe von<br />

Liebherr-Aufträgen an Subunternehmer hat es nicht gegeben.«<br />

Dies habe die Geschäftsführung der Krebsgruppe versichert.<br />

Ein Sprecher der Nordic Yards Gruppe bestätigte, dass Krebs<br />

regelmäßig eine Konservierungshalle auf dem Warnemünder<br />

Nordic-Gelände anmiete, um Kranteile für Liebherr zu beschichten.<br />

Die Werkvertragsarbeiter der Firma Paan, so der<br />

Sprecher, »werden da wohl gearbeitet haben«.<br />

Der größere Teil der Paan-Arbeiter war für Krebs in Lubmin<br />

tätig. Unmittelbarer Auftraggeber von Krebs war hier der<br />

dänische Windkraftanlagenzulieferer Bladt Industries A/S<br />

(Firmensitz Aalborg, DK), der in Lubmin eine Tochtergesellschaft<br />

und eine eigene Betriebsstätte unterhält. Bladt führte<br />

den Auftrag für die EEW Special Pipe Constructions<br />

GmbH, eine Tochter der Erndtebrücker Eisenwerke aus. Seit<br />

2007 fertigt sie in Rostock und Lubmin Stahlrohre (pipes)<br />

»Auch die Geschäftsführung der Werft<br />

ist in der Verantwortung: Wenn sie nur<br />

auf den Preis guckt, muss sie sich nicht<br />

wundern, wenn solche Zustände herrschen. Wir<br />

werden jetzt auf eine verbindliche Regelung<br />

zu <strong>Werkverträge</strong>n wie bei der Meyer Werft<br />

drängen. Die Geschäftsführung ist dazu<br />

bereit. Das hat sie bereits erklärt, nachdem wir<br />

die unhaltbaren Zustände mit der IG Metall<br />

öffentlich gemacht haben.«<br />

Ralf Sasse,<br />

Betriebsratsvorsitzender<br />

Flensburger Schiffbau-Gesellschaft<br />

Ohne Lohn, Arbeitspapiere und Krankenversicherung<br />

Griechische Arbeiter in Flensburg sitzen gelassen<br />

Flensburg, Mitte März 2015: Griechische<br />

Werkvertragsbeschäftigte<br />

sitzen in Flensburg fest, ohne Geld,<br />

ohne Krankenversicherung und<br />

ohne Papiere in einer heruntergekommenen<br />

Unterkunft (13 Kollegen<br />

in 3 Zimmern).<br />

Eingesetzt waren die griechischen<br />

Kollegen u. a. auf der Volkswerft<br />

Stralsund, bei Blohm und Voss in<br />

Hamburg und der FSG in Flensburg,<br />

außerdem auf der Lindøværft<br />

in Odense (Dänemark),Werft<br />

Slovenské Lodenice in Komarno<br />

(Slowakei).<br />

Bei den Werften ist die Firma Abdeh<br />

offenbar aber gar nicht bekannt, da<br />

sie lediglich als Subunternehmer für<br />

das Unternehmen Imtech Marine<br />

auftritt.<br />

T. K., 28-jähriger Grieche:<br />

S<br />

Die IG Metall Flensburg ist auf die<br />

Situation der Arbeiter aufmerksam<br />

geworden und hat diese in die Öffentlichkeit<br />

gebracht. »Es handelt<br />

sich um ein illegales Beschäftigungsverhältnis<br />

– hochgradig kriminell«,<br />

sagt der Erste Bevollmächtigte<br />

Michael Schmidt. Für die Arbeiter<br />

macht die Gewerkschaft die ausstehenden<br />

Löhne geltend und konfrontiert<br />

die beteiligten Unternehmen<br />

mit dem Fall.<br />

Einen ersten Erfolg hat es bereits gebracht:<br />

Die Flensburger Schiffbau-<br />

Gesellschaft ließ den griechischen<br />

Arbeitern je 200 Euro zukommen:<br />

»Sie wissen ja sonst nicht, wovon<br />

sie leben sollen«, sagte der FSG-<br />

Geschäftsführer Ulf Bertheau dem<br />

Flensburger Tageblatt. <br />

eit Dezember 2013 bei Abdeh, bis zu 15 Stunden am Tag, für 8 Euro<br />

(statt der versprochenen 9,90 Euro). Besser als vorher, als er mit<br />

einer anderen Firma bei Lloyd und Lürssen war: »Meine Zähne sind<br />

kaputtgegangen, vom Azeton zerfressen.« Stationen: Volkswerft<br />

Stralsund, Lindøværft im dänischen Odense, Blohm & Voss, FSG und<br />

zwischenzeitlich Slowakei<br />

Subunternehmerkette<br />

Beteiligte Unternehmen<br />

w10<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

FSG<br />

(Blohm + Voss,<br />

Volkswerft etc.)<br />

Imtech<br />

Marine<br />

Abdeh Elektromontagen<br />

w11<br />

Griechische Werkvertragsbeschäftigte


Vom Leiharbeiter zum Werkvertrag<br />

Mehr Arbeit, weniger Geld – ein neues Modell?<br />

Mehr als zwei Jahre lang arbeitete Jan M. (Name geändert) als Leiharbeiter bei<br />

Airbus in Hamburg-Finkenwerder. Von Frühjahr 2012 bis 2014 baute er Sitze in die<br />

Kabinen des Mittelstreckenflugzeugs A 320 ein, verlegte Teppiche und montierte<br />

Innenverkleidungen. Rund 150 bis 200 Beschäftigte arbeiteten an dem Projekt,<br />

aufgeteilt in sieben Gruppen in zwei Schichten. Angestellt waren sie bei an die 20 verschiedenen<br />

Zeitarbeitsfirmen. Einsatz- und Entleihbetrieb war Airbus. Ende März 2014 wurde M.<br />

mitgeteilt, dass sein Leiharbeitseinsatz zum Ende April enden würde. Gleichzeitig wurde er<br />

als Leiharbeiter an einen »Supplier«, also ein Dienstleistungsunternehmen, weiterverliehen.<br />

Seine neue Aufgabe bestand darin, Sitze im A 380 zu montieren. Für die im Grundsatz ähnliche<br />

Arbeit erhält M. als Leiharbeiter beim Dienstleister rund 50 Prozent weniger Geld als zuvor.<br />

Max D., nach neun Jahren »Angebot«, ins work package<br />

zu wechseln, drohender Lohnverlust 2000 Euro. Er lehnt<br />

ab:»Anfang Mai haben sie mir dann mitgeteilt, dass<br />

zum 31.5. für mich Schluss ist. Zugleich wurden<br />

wir gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, im<br />

Arbeitspaket weiterzumachen. Das hätte in meinem<br />

Fall 2000 Euro weniger Gehalt bei gleichzeitiger<br />

Anhebung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40<br />

Stunden bedeutet! Außerdem bestand die Gefahr,<br />

dass man mich ›sub-sub‹ weiterverliehen hätte. Ich<br />

hab gesagt: Das ist mit mir nicht zumachen. Aber<br />

viele andere waren in einer Situation, in der ihnen<br />

nichts anderes übrig blieb.«<br />

Die Geschichte von Jan M. ist kein Einzelfall. Leiharbeiter, die<br />

teilweise jahrelang bei Airbus gearbeitet haben, berichten<br />

Jan M., nach zwei Jahren zur Werkvertragsfirma für den<br />

halben Monatslohn:<br />

»Von der Arbeitsbelastung und Qualifikation ist es<br />

der vorherigen Tätigkeit absolut vergleichbar. Der<br />

Unterschied: Ich verdiene jetzt die Hälfte weniger.<br />

Mein Stundenlohn liegt jetzt bei 13 Euro.«<br />

Dazu die Geschäftsführung von Airbus:<br />

»Uns sind keine derartigen Fälle bekannt, und<br />

wir weisen entschieden darauf hin, dass solche<br />

illegalen Praktiken bei Airbus nicht geduldet<br />

werden.<br />

In einem Schreiben an Führungskräfte erklärte die Airbus-Geschäftsführung:<br />

»Uns sind keine derartigen Fälle bekannt, und<br />

von ähnlichen Erfahrungen. Im Frühjahr und Sommer 2014<br />

wir weisen entschieden darauf hin, dass solche illegalen Prak-<br />

dringen einige dieser Fälle an die Öffentlichkeit. Es häuften<br />

tiken bei Airbus nicht geduldet werden.« Gleichzeitig wurden<br />

sich Berichte, nach denen der Flugzeugbauer Airbus in Ham-<br />

die Mitarbeiter an die Richtlinien im Umgang mit Werkver-<br />

burg-Finkenwerder <strong>Werkverträge</strong> nutzt, um die Kosten für<br />

trägen erinnert und aufgefordert, deren strikte Einhaltung zu<br />

Leiharbeit zu drücken. Das Modell sei simpel: Leiharbeiter, die<br />

überprüfen.<br />

Das Problem am Beispiel Airbus<br />

Alt: Leiharbeit als »klassisches Dreiecksverhältnis«<br />

Neu: Werkvertrags-/Leiharbeitskonstruktion<br />

als »Viererkette«<br />

zuvor direkt bei Airbus eingesetzt waren, werden jetzt von den<br />

Leiharbeitsfirmen an externe Dienstleister verliehen.<br />

Klassische Arbeitnehmerüberlassung ist ein Dreiecksverhält-<br />

IG Metall und Betriebsrat haben die Berichterstattung in den<br />

Medien zum Anlass genommen, um die Beschäftigten über die<br />

Probleme mit den <strong>Werkverträge</strong>n zu informieren und ihnen<br />

Auftraggeber Airbus<br />

rechtsverbindliche hohe<br />

tarifliche/betriebliche<br />

Standards für Leiharbeiter,<br />

z. B. »equal pay«<br />

Leiharbeitsfirma<br />

niedrige Standards,<br />

z.B. BZA/IGZ-TV<br />

Auftraggeber Airbus<br />

rechtsverbindliche hohe<br />

tarifliche/betriebliche<br />

Standards für Leiharbeiter,<br />

z. B. »equal pay«<br />

Werkvertragsfirma<br />

(Supplier)<br />

nis zwischen Leiharbeitsunternehmen, Leiharbeitnehmer und<br />

Entleihbetrieb. Bei Airbus entsteht daraus anscheinend eine<br />

Viererkette: Indem ein Werkvertragsdienstleister dazwischen<br />

Hilfestellungen angeboten, um Scheinwerkverträge zu erkennen.<br />

Der Nachweis ist allerdings äußerst kompliziert und viele<br />

Betroffene scheuen den Rechtsweg – auch aus Angst dann<br />

geschaltet ist, rutscht Airbus als Entleihbetrieb aus der Verant-<br />

den schlechter bezahlten Job bei der Werkvertragsfirma zu<br />

wortung. Für die betroffenen Leiharbeiter bedeutet dies, dass<br />

verlieren.<br />

Leih-/Werkvertrag<br />

Arbeitsvertrag<br />

Leiharbeitnehmer<br />

Anspruch auf »equal pay«,<br />

Übernahmeprüfung nach zwei<br />

Jahren u. ä. TV-Regelungen<br />

Leiharbeitnehmer<br />

Keine Ansprüche<br />

gegenüber Airbus<br />

Leiharbeitsfirma<br />

niedrige Standards,<br />

z. B. BZA/IGZ-TV<br />

sie oftmals dieselben oder ähnliche Tätigkeiten zu erheblich<br />

schlechteren Bedingungen weiterführen: Weniger Geld bei längeren<br />

Arbeitszeiten. Betriebliche und tarifliche Vereinbarungen<br />

zur Regelung der Leiharbeit gelten bei den Dienstleistern<br />

nicht. Flächentarifverträge wie zur Leiharbeit finden ebenfalls<br />

keine Anwendung.<br />

Die IG Metall Verwaltungsstelle Region Hamburg hat etwa<br />

ein Dutzend ehemalige Airbus-Leiharbeiter in diesem Zusammenhang<br />

beraten. Auf Konzernebene soll es demnächst Verhandlungen<br />

zu Leiharbeit und <strong>Werkverträge</strong>n geben. Das ist<br />

zwischen IG Metall und Unternehmen verabredet. <br />

w12<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w13


Logistik gesichert – das Beispiel Still Beim Gabelstaplerhersteller STILL in Hamburg kam die Logistik auf den<br />

Prüfstand. Die Geschäftsführung drohte mit einer Ausgliederung des gesamten Bereiches, nachdem bereits<br />

einige Logistikarbeiten von einer Drittfirma zu schlechteren Bedingungen für die Beschäftigten erledigt wurden.<br />

Doch Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall stellten sich quer.<br />

Sie drängten auf eine Lösung im Sinne der Beschäftigten und<br />

setzten einen Tarifvertrag durch. Erreicht wurde, dass die Logistik<br />

bei STILL bleibt und sogar der fremd vergebene Logistikteil<br />

wieder in den Betrieb zurückgeholt worden ist. Die Leiharbeit<br />

wurde stark eingegrenzt und die Stammbelegschaft dadurch geschützt.<br />

Außerdem wurde der Werkschutz wieder zurück in den<br />

Betrieb geholt.<br />

Allerdings sieht der Tarifvertrag für Teile der Beschäftigten in<br />

den Dienstleistungsbereichen längere Arbeitszeiten und eine geringere<br />

Bezahlung als nach dem Tarifvertrag für die Metall- und<br />

Elektroindustrie vor.<br />

»Die Betriebsräte und Vertrauensleute haben für eine Alternative<br />

gekämpft und die Pläne der Geschäftsführung nicht einfach<br />

hingenommen«, berichtet IG Metall-Tarifsekretär Kunz. »Und<br />

weil sie sich bis in die Details eingearbeitet haben, konnten wir<br />

in dem Tarifvertrag sogar die Fertigungsinhalte und Kernkompetenzen<br />

festschreiben. Damit sichern wir die Arbeitsplätze und<br />

den Standort Hamburg langfristig.«<br />

<br />

Einsatzbereiche von <strong>Werkverträge</strong>n<br />

in der Luftfahrtindustrie<br />

16%<br />

Engineering/<br />

Entwicklung<br />

51%<br />

sonstige<br />

Bereiche<br />

14%<br />

IT-Dienstleistungen<br />

14%<br />

Instandhaltung<br />

11%<br />

Design &<br />

Konstruktion<br />

Quelle: AIRREPORT 2014<br />

AAA: Werkvertragsfirma beschäftigt ehemalige<br />

Airbus-Leiharbeiter<br />

Eines dieser Dienstleistungsunternehmen<br />

ist die AAA GmbH – ein 100-prozentiges<br />

Tochterunternehmen des französischen<br />

Konzerns Assistance Aéronautique & Aérospatiale<br />

(AAA), einem Dienstleister für<br />

Auftragsarbeiten im Flugzeugbau. Im Juni<br />

2008 eröffnete das Unternehmen seine<br />

Deutschlandzentrale am Standort des<br />

Hauptkunden Airbus in Hamburg-Finkenwerder.<br />

Weltweit beschäftigt die AAA Gruppe nach<br />

eigenen Angaben insgesamt 1700 Monteure,<br />

Techniker, Ingenieure und Manager, die<br />

im Geschäftsjahr 2010 einen Jahresumsatz<br />

von 74 Millionen Euro erarbeiteten.<br />

Deutschland-Geschäftsführer Jean-Philippe<br />

Tosti beschreibt seine Firma als »reines<br />

Dienstleitungsunternehmen«: »Wir kreieren<br />

keine Designs und entwickeln auch<br />

keine Produkte. Wir erledigen anfallende<br />

Arbeiten im Auftrag nach Vorgabe und Plänen<br />

der Kunden.«<br />

AAA führt für Airbus Arbeiten in den Bereichen<br />

Struktur, Mechanik, Elektrik und Innenausstattung<br />

aus, überwiegend direkt<br />

auf dem Gelände des Auftraggebers in<br />

Hamburg-Finkenwerder. Dort haben auch<br />

die AAA -Projektmanager ihre Büros.<br />

Laut Tosti bestehen mit Airbus Vereinbarungen,<br />

die auch sensible Arbeiten, wie<br />

den Einbau von Testinstrumenten in die<br />

Tragflächen sowie den An- und Abbau von<br />

Triebwerken vorsehen. Zudem darf AAA<br />

selbstständig Unterauftragnehmer beschäftigen.<br />

Ein Vorteil für den Auftraggeber<br />

sei »der flexible Zugriff auf Ressourcen<br />

der gesamten AAA Gruppe«, heißt es auf<br />

dem Internetauftritt des Unternehmens<br />

(www.aaa-aero.com). So könne »bei eiligen<br />

Produktionen kurzfristig zusätzliches Personal<br />

an gewünschte Einsatzorte gebracht<br />

und damit temporäre Engpässe bewältigt<br />

werden«.<br />

Uns liegen sieben dokumentierte Fälle von<br />

bei AAA eingesetzten Leiharbeitern vor, die<br />

alle zuvor über Zeiträume von anderthalb<br />

bis acht Jahren direkt bei Airbus eingesetzt<br />

waren – als Strukturmechaniker, Maler/<br />

Lackierer und in der Vormontage und Montage<br />

der Kabinenausstattung. Bei allen<br />

wurde der Leiharbeitseinsatz bei Airbus<br />

zwischen Sommer 2013 und Frühjahr 2014<br />

beendet. Mitte Mai 2014 beschäftigte AAA<br />

in Hamburg 162 Mitarbeiter. Davon waren<br />

112 Personen Zeitarbeitnehmer – dies entspricht<br />

einer Leiharbeitsquote von fast 70<br />

Prozent.<br />

»Alle waren froh, dass sie wieder oder weiterhin STILL-Beschäftigte<br />

sind. Alle bekommen die Sonderleistungen des Unternehmens<br />

wie Bonus- oder Rentenzahlungen«, sagt Kay Pietsch, Betriebsrat<br />

bei STILL in Hamburg.<br />

w14<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w15


<strong>Werkverträge</strong> ufern aus – was tut die IG Metall<br />

dagegen?<br />

Meinhard Geiken: Es gibt viele Ansatzpunkte. Fangen wir im<br />

Stammbetrieb an: Aufsichtsräte und Betriebsräte müssen sich<br />

einmischen, wenn die Geschäftsführung an Ausgliederungen<br />

geht. Sie dürfen diese nicht einfach hinnehmen – vor allem<br />

nicht, wenn es darum geht, auf diesem Weg Standards zu drücken.<br />

Wir müssen die Ränder sichern: Mich freut es, wenn wir<br />

dank guter Vereinbarungen, die Logistik oder den Werkschutz<br />

im Betrieb halten – wie zum Beispiel bei Still in Hamburg. Das<br />

Problem allerdings: Bei der Fremdvergabe haben wir bisher nur<br />

in wenigen Betrieben Mitbestimmung. Ein Beispiel: Bei Daimler<br />

in Bremen gab es massive Proteste gegen die Ausgliederung der<br />

Logistik, die Geschäftsführung hat es trotzdem gemacht.<br />

Arbeitgeber und Politik in die<br />

Verantwortung nehmen<br />

Ein Interview mit Meinhard Geiken,<br />

Bezirksleiter der IG Metall Küste<br />

Das <strong>Dossier</strong> zeigt: <strong>Werkverträge</strong> haben viele Gesichter. Darauf<br />

müssen wir unterschiedlich reagieren. Gefordert sind wir als<br />

IG Metall und Betriebsräte, aber auch Arbeitgeber und die<br />

Politik sind in der Verantwortung.<br />

Und wie geht’s weiter, wenn bereits<br />

ausgegliedert ist?<br />

Meinhard Geiken: Dann müssen wir bei den Dienstleitern<br />

dafür sorgen, dass die Standards nicht weiter sinken. Meistens<br />

geht mit der Ausgliederung eine Verschlechterung des Entgeltniveaus<br />

und der Arbeitsbedingungen einher. Das dürfen<br />

wir nicht hinnehmen, weil das die tariflichen Standards und<br />

die Mitbestimmung insgesamt in Gefahr bringt. Unser Ziel<br />

sind deshalb Tarifverträge beim Dienstleister. Dafür müssen<br />

wir die Beschäftigten erreichen und sie in der IG Metall organisieren.<br />

Das gilt insbesondere für die Kontraktlogistik und<br />

Entwicklungsdienstleister, die Teil der Wertschöpfungskette in<br />

unseren Betrieben ist. Beim Airbus-Dienstleister Stute ist uns<br />

das ja bereits gelungen.<br />

Wie hat die IG Metall auf die eklatanten Fälle<br />

von Missbrauch bei <strong>Werkverträge</strong>n wie im<br />

vergangenen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern<br />

oder zuletzt in Schleswig-Holstein reagiert?<br />

Meinhard Geiken: Wir sind auf die Auftraggeber zugegangen,<br />

also auf die Betriebe aus unseren Branchen, die ganz<br />

oben in der Subunternehmerkette stehen. Auch sie sind in<br />

der Verantwortung für das, was auf ihrem Gelände oder in<br />

ihrem Namen passiert. Konkrete Vereinbarungen sind daraus<br />

nicht entstanden. (Fortsetzung Seite 18)<br />

Bei einem Brand in einer Unterkunft in Papenburg starben im Juli 2013<br />

zwei rumänische Arbeiter, die auf der Meyer Werft von einer Werkvertragsfirma<br />

eingesetzt waren. Das führte zu einer bundesweiten Diskussion<br />

über <strong>Werkverträge</strong>.<br />

Die IG Metall Küste und das Unternehmen einigten<br />

sich schließlich im September 2013 auf einen Tarifvertrag,<br />

der die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten<br />

mit Werkvertrag sowie Informations-, Kontroll- und<br />

Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei der Vergabe<br />

von <strong>Werkverträge</strong>n regelt. Im März dieses Jahres<br />

wurde der Vertrag bis mindestens Ende Februar 2017<br />

verlängert.<br />

Nach dem Tarifvertrag werden die Werkvertragsunternehmen<br />

zur Einhaltung von sozialen Mindeststandards<br />

verpflichtet, u.a. gesetzliche Arbeitszeiten, Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutz, eine angemessene Unterbringung<br />

sowie einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Um die<br />

Einhaltung zu kontrollieren, gibt es eine dauerhafte<br />

»Auch wenn weiterhin Handlungsbedarf<br />

besteht, die Situation für Beschäftigte<br />

mit Werkvertrag ist auf der Werft besser<br />

geworden: Vor allem bei der Unterbringung<br />

hat sich was getan. Wenn wir Hinweise auf<br />

Missstände bekommen, werden die Firmen<br />

von der Geschäftsführung überprüft. Auf<br />

unser Drängen wurde die Zusammenarbeit mit<br />

einzelnen Unternehmen auch bereits beendet.«<br />

Arbeitsgruppe aus Betriebsrat und Geschäftsführung.<br />

Diese berät gegebenenfalls über eine Auflösung des<br />

Vertrages mit Werkvertragsunternehmen. Bei Streitigkeiten<br />

über den Umfang von <strong>Werkverträge</strong>n kann die<br />

betriebliche Einigungsstelle angerufen werden.<br />

Außerdem hat sich das Unternehmen verpflichtet, den<br />

Betriebsrat künftig detailliert über die <strong>Werkverträge</strong> zu<br />

informieren und mit dem Betriebsrat die Produktionsund<br />

Personalplanung bei Werkvertragsvergaben zu beraten.<br />

Auf Verlangen der Arbeitnehmervertreter sind<br />

Unterlagen wie z.B. zugrundeliegende Verträge sowie<br />

zu Umfang und Art der Arbeiten vorzulegen. Eine Regelung<br />

zu <strong>Werkverträge</strong>n wie auf der Meyer Werft gilt<br />

inzwischen auch bei Neptun in Rostock. <br />

w16<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Ibrahim Ergin,<br />

Betriebsratsvorsitzender der Meyer Werft<br />

w17


<strong>Werkverträge</strong>/ Industrienahe Dienstleistungen<br />

Tarif-/Betriebspolitische Ansätze im Bezirk Küste<br />

n AIRBUS<br />

n Claas Guss<br />

n Lloyd-Werft<br />

n Rhenus<br />

Daimler<br />

n Stute<br />

AIRBUS<br />

Mehr<br />

Mitbestimmung/<br />

Beteiligung bei<br />

Fremdvergabe<br />

Tarifvertrag beim<br />

Dienstleister<br />

Sicherung<br />

der »Ränder«<br />

im Betrieb<br />

Regeln im<br />

Einsatzbetrieb<br />

n STILL<br />

Kantine, Logistik,<br />

Werkschutz<br />

n DRÄGER<br />

Logistik, Gebäudeservice<br />

n Neptun Logistik<br />

Logistik<br />

n Meyer Werft<br />

n Neptun<br />

Mindestlohn,<br />

Arbeitsschutz,<br />

Erweiterung der<br />

Mitbestimmung<br />

»Der Trend zu Ausgliederungen und<br />

<strong>Werkverträge</strong>n ist für die IG Metall eine<br />

Herausforderung. Wo es geht, halten<br />

wir dagegen und sichern Standards. Aber<br />

wir brauchen auch die Unterstützung<br />

des Gesetzgebers: Nur wenn unsere<br />

Betriebsräte mehr Mitbestimmungsrechte<br />

bekommen, haben sie die Chance,<br />

die Auswüchse zu begrenzen und zu<br />

kontrollieren.«<br />

Meinhard Geiken,<br />

Bezirksleiter IG Metall Küste<br />

(Fortsetzung von Seite 16)<br />

Und was muss auf Bundesebene passieren?<br />

Wenn überhaupt wollten die Geschäftsführer nur etwas für<br />

die Galerie. Einzige Ausnahmen sind die Meyer Werft in Papenburg<br />

und Neptun in Rostock: Dort haben wir Tarifverträge,<br />

die Mindeststandards für Werkvertragsbeschäftigte sichern<br />

und dem Betriebsrat mehr Kontroll- und Mitspracherecht geben.<br />

Auch in der Stahlindustrie haben wir inzwischen eine<br />

Regelung zu <strong>Werkverträge</strong>n.<br />

Meinhard Geiken: Die Koalition von CDU/CSU und SPD hat<br />

sich im Koalitionsvertrag festgelegt: Sie will den Missbrauch<br />

von <strong>Werkverträge</strong>n verhindern. Dazu wird Bundesarbeitsministerin<br />

Andrea Nahles (SPD) bald einen Gesetzesentwurf vorlegen.<br />

Entscheidend wird sein, welche Mitbestimmungsrechte<br />

Betriebsräte beim Thema <strong>Werkverträge</strong> bekommen. Mit Informationsrechten<br />

allein kommen wir nicht weiter. Betriebsräte<br />

müssen auch Nein sagen können, wenn <strong>Werkverträge</strong> nur<br />

dazu dienen, tarifliche Standards zu unterlaufen. Außerdem<br />

Was kann die Politik tun?<br />

muss die Unterscheidung zwischen Leiharbeit und Werkver-<br />

Meinhard Geiken: Bei solchen krassen Fällen, wo die Not der<br />

trägen konkretisiert werden: Eine Verleiherlaubnis auf Vorrat,<br />

Menschen ausgenutzt wird, geht es zunächst um kurzfristige<br />

wie sie viele Werkvertragsfirmen heute haben, darf es nicht<br />

Maßnahmen: Mobile Beratungsstellen für Werkvertragsbeschäftigte<br />

müssen flächendeckend eingerichtet werden. Und<br />

wir brauchen strengere Richtlinien und Kontrollen der Unterkünfte.<br />

In Niedersachsen ist nach dem Brand in einer Unterkunft<br />

von Werkvertragsbeschäftigten, die auf der Meyer Werft<br />

in Papenburg eingesetzt waren, einiges passiert. Die anderen<br />

Nordländer zeigen da noch zu wenig Bereitschaft.<br />

mehr geben. Und wir müssen die Kette von Sub-Subunternehmen<br />

zerschlagen, in dem auch der Generalunternehmer in Haftung<br />

genommen wird. Selbstverständlich muss das alles auch<br />

kontrolliert werden. Dafür müssen die Kontrollen von Zoll und<br />

Gewerbeaufsicht ausgeweitet werden. Unser Ziel als IG Metall<br />

ist: Arbeit – sicher und fair – für alle.<br />

<br />

Impressum<br />

Herausgeber: IG Metall Bezirk Küste, Kurt-Schumacher-Allee 10,<br />

20097 Hamburg, bezirk.kueste@igmetall.de, verantwortlich:<br />

Meinhard Geiken, Bezirksleiter, Redaktion: Heiko Messerschmidt,<br />

Recherche: Jörn Boewe und Johannes Schulten / Journalistenbüro<br />

work in progress, Fotos: Markus Scholz (S. 4), Heiko Messerschmidt<br />

(S. 5-7), Jörg Böthling (S. 8-10), Peter Bisping (S. 11, 12, 14, 16), Michael<br />

Wessels (S. 17) Layout: Peter Bisping, Druck: drucktechnikaltona.de,<br />

Stand: 4-2015<br />

w18<br />

<strong>Dossier</strong> <strong>Werkverträge</strong><br />

Tarif- und betriebspolitische Herausforderungen<br />

w19


Gute Arbeit – Gutes Leben<br />

Vetrauensleute Küste: Zukunft gestalten<br />

Bezirk<br />

Küste

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