Schmuckstücke 2015

Mein Pferd und ich
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Tina Hildebrandt erklärt ein für alle Mal, was so toll
ist am Reiten.
Zum Beispiel: Man fühlt sich wie früher, nur besser.
Früher nahmen sich Männer, wenn
sie in die Midlife-Crisis kamen, gerne
eine Geliebte. Doch seit 60 das neue
40 und 50 das neue 30 ist, ist das
Fahrrad die neue Geliebte. Der mittelalte
Mann kauft sich also ein teures
Manufaktur-Bike nebst edlem Zubehör,
radelt sich den Hintern wund
und der eigenen Jugend hinterher,
ohne sie je zu erreichen.
Frauen haben es da, wie so oft, besser.
Reiten ist nämlich eine der wenigen
Jugendbeschäftigungen, mit
denen man auch als erwachsener, gar
mittelalter Mensch wieder anfangen
kann, ohne mit der ernüchternden
Einsicht konfrontiert, zu werden: Es
lief schon mal besser. Im Gegenteil:
Da Reiten mindestens so viel mit dem
Kopf zu tun hat wie mit dem Hintern,
läuft es oft sogar eher besser als früher,
als man sich noch mit sinnlosem
Ehrgeiz (Ich hätte so gerne das silberne
Reitabzeichen) und den üblichen
Teenagersorgen (sehe ich in
weißen Reithosen dick aus?) plagte.
Man fühlt sich wie früher, nur besser.
Das alleine ist schon mal eine ziemlich
tolle Sache.
Das Tollste am Reiten sind natürlich
die Pferde. Pferde sind schön, viel
schöner als zum Beispiel Kühe oder
Ziegen. Das wird jeder halbwegs ästhetisch
begabte Mensch einräumen.
Pferde sind aber auch lustig und rührend.
Von ihrer eigenen Größe und
Kraft haben sie nicht mal annähernd
eine Vorstellung. Weil Pferde als
Fluchttiere zwar sehr weiträumig
sehen, aber nicht sehr gut, erschrekken
sie sehr leicht, manchmal sogar
vor ihren eigenen Fürzen. Pferde sind
so sensibel, dass sie merken, wenn
eine Fliege auf ihrem Fell landet.
Der Reitstall, ist nicht nur eine der wenigen
Welten, in denen es noch ziemlich
militärisch-autoritär zugeht, es ist
auch ein Bereich, der ohne Twitter,
Facebook oder elektronische Pulsmesser
auskommt. Es ist eine Welt, die
nach Leder riecht, von mir aus auch
nach Mist, eine Welt, in der man sich
schmutzig macht und das Arbeiten
lernt und eine Menge über das richtige
Maß zwischen Härte und Nachgiebigkeit,
über Druck und
Gegendruck.
Wenn ich meinem Pferd die Augen
putzen will, versucht es sich in seiner
Box vor mir zu verstecken und verzieht
das Gesicht, wirklich, nicht nur
die Nüstern, das Fell unter den Augen
legt sich in Falten. Ich denke dann,
das Pferd hat mehr Mimik als Sahra
Wagenknecht. Das ist einer der wenigen
Momente, in denen ich an die
Politik, überhaupt an die Welt da
draußen denke, und es sagt vermutlich
mehr über mein Pferd als über