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JOURNAL 2015-03

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BERUFSBILDUNG<br />

ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.<br />

Lehrabgänger ohne Weiterbildung wären<br />

zu vergleichen mit Maturanden ohne<br />

Weiterbildung. Und Universitätsabgänger<br />

wären zu vergleichen mit Fachhochschulabgängern.<br />

Für Letzteres geben die<br />

Absolventenbefragungen gewisse Hinweise.<br />

Gemessen an der Beschäftigung<br />

stehen Fachhochschulabgänger fünf<br />

Jahre nach dem Abschluss leicht besser<br />

da als Universitätsabgänger (inkl. ETH).<br />

Gemessen an den Löhnen schneiden<br />

Fachhochschul-Bachelor im Mittel etwas<br />

besser ab als Universitäts-Bachelor, aber<br />

etwas schlechter als Universitäts-Master.<br />

Eine ältere Dissertation deutet auf insgesamt<br />

etwa gleiche Arbeitsmarkterfolge<br />

von Fachhochschul- und Universitätsabgängern.<br />

Gemäss Lohnstrukturerhebung<br />

lag 2012 der monatliche Medianlohn<br />

der Universitätsabgänger mit knapp<br />

10 200 Fr. über der Marke der Fachhochschulabgänger<br />

(9000 Fr.). Dies berücksichtigt<br />

allerdings nicht die zum Teil<br />

deutlich längere Ausbildungszeit der Universitätsabgänger<br />

sowie mögliche Selektionseffekte.<br />

Wer die Güte der beiden<br />

Ausbildungswege einschätzen will, müsste<br />

leistungsmässig ähnliche Jugendliche<br />

mit unterschiedlichen Bildungswegen<br />

vergleichen und die Lebens einkommen<br />

errechnen. Genau dies tat 2011 eine vielbeachtete<br />

(wenn auch methodisch nicht<br />

unproblematische) Studie über 18 Länder.<br />

In der Schweiz kam im Unterschied zu<br />

anderen Staaten der Berufsbildungsweg<br />

vor allem wegen höherer Beschäftigung<br />

in den jüngeren Jahren etwas besser<br />

weg als der gymnasiale Weg. Schweizer<br />

Bildungsforscher wie Stefan Wolter, Jürg<br />

Schweri (Hochschulinstitut für Berufsbildung<br />

in Zollikofen) und Ursula Renold<br />

(Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich,<br />

Ex-Direktorin des Bundesamts für<br />

Berufsbildung und Technologie) machen<br />

ebenso wie Vertreter der Arbeitgeber im<br />

Gespräch deutlich, dass sie den Berufsbildungsweg<br />

als mindestens gleichwertig<br />

mit dem gymnasialen Weg betrachten.<br />

Wer den Mangel an Flexibilität von Lehrabgängern<br />

kritisiere, habe die Reformen<br />

der Berufsbildung in den letzten zwanzig<br />

Jahren nicht zur Kenntnis genommen, betont<br />

Ursula Renold. Der Anteil allgemeiner<br />

Kompetenzen wie etwa Sozial- und<br />

Methodenkompetenzen sei erhöht worden,<br />

heute seien alle 230 Grundberufe<br />

auf dem neusten Stand. Und die Nähe<br />

zu Akteuren am Arbeitsmarkt sorge dafür,<br />

dass auch künftige Änderungen der<br />

Bedürfnisse an die Berufsbildung auf die<br />

Lehrpläne durchschlagen würden. Dass<br />

Lehrabgänger weniger flexibel seien als<br />

Akademiker, «stimmt gemäss unseren<br />

Erkenntnissen nicht», sagt auch Jürg<br />

Schweri vom Institut für Berufsbildung.<br />

Sein Institut publiziere demnächst eine<br />

neue Analyse, welche zeige, dass die Diskrepanz<br />

zwischen Qualifikationen und<br />

Berufsanforderungen («mismatch») bei<br />

den Lehrabgängern nicht höher sei als<br />

bei den Akademikern. Studien über Berufs-<br />

und Stellenwechsel lassen ebenfalls<br />

vermuten, dass «Wechsler» einen grossen<br />

Teil ihrer Kompetenzen an den neuen<br />

Ort übertragen können. Laut Schweri ist<br />

es ein Trugschluss zu glauben, dass Berufskunde<br />

generell «eng» sei und Allgemeinbildung<br />

generell «breit» verwendbar<br />

sei; unter Umständen sei schulische<br />

Allgemeinbildung überhaupt nicht für<br />

den Beruf verwendbar. In der Berufslehre<br />

lernen Jugendliche derweil wichtige<br />

allgemeine Kompetenzen wie Kundendienst,<br />

Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit<br />

und Freundlichkeit. Die Lehre fördert<br />

auch stärker als die Schule die Entwicklung<br />

persönlicher Reife.<br />

Sache des Prestiges<br />

Nicht nur Bildungsforscher, sondern auch<br />

viele Eltern scheinen die Berufslehre als<br />

vielversprechenden Start zu betrachten.<br />

In einer Umfrage von 2012 bei rund<br />

2800 Erwachsenen sagten 35%, dass<br />

man mit einer Berufsbildung besser für<br />

den Arbeitsmarkt gerüstet sei als mit<br />

Gymnasium/Universität, und nur 18%<br />

sahen es umgekehrt (der Rest votierte für<br />

Gleichwertigkeit). Gleichzeitig sprachen<br />

aber weit mehr Befragte dem gymnasialen<br />

Weg ein höheres soziales Ansehen<br />

zu als der Berufsbildung. Bemerkenswert<br />

ist die Kombination der Antworten<br />

«bessere Chancen für Berufsbildung»<br />

und «höheres soziales Ansehen für Allgemeinbildung».<br />

Diese Kombination gab<br />

es besonders oft bei Schweizer Akademikern<br />

– was die These erlaubt, dass in<br />

dieser Gruppe viele Eltern ihre Kinder<br />

vor allem aus Prestigegründen im Gymnasium<br />

sehen wollen. Für Kinder, die sich<br />

aufgrund ihrer Fähigkeiten für beide Ausbildungswege<br />

eignen, ist keiner der Wege<br />

a priori besser. Für intellektuell leistungsfähige<br />

Jugendliche, die sich für die Lehre<br />

entscheiden, empfiehlt sich aber eine<br />

intellektuell herausfordernde Lehre sowie<br />

die Berufsmatur; zusammen ist dies mindestens<br />

so anspruchsvoll wie ein Gymnasium<br />

und lässt alle Studienwege offen.<br />

Gemäss einschlägigen Einteilungen gehören<br />

zum Beispiel Elektroniker, Kauffrau,<br />

Informatiker, Grafiker, Medizinlaborant,<br />

Polymechaniker und Mediamatiker<br />

(nebst vielen mehr) zu den intellektuell<br />

anforderungsreichen Berufen. Einigkeit<br />

herrscht bei Fachleuten überdies darin,<br />

dass für die Berufslehre das Gleiche gilt<br />

wie für das Gymnasium: Der Abschluss<br />

sollte noch lange nicht das Ende des Bildungswegs<br />

sein.<br />

SWISSMECHANIC 3/<strong>2015</strong> 31

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