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Psychische Belastungen im Zusammenhang mit Überwachung ...

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Workshop Gute Arbeit und<br />

Persönlichkeitsschutz<br />

<strong>Psychische</strong> <strong>Belastungen</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>Zusammenhang</strong> <strong>mit</strong> <strong>Überwachung</strong>,<br />

Leistungs- und Verhaltenskontrolle<br />

Reinhard Bechmann, DGB Technologieberatung e.V. Berlin-Brandenburg<br />

DGB Technologieberatung e.V. 19.06.2009 1


Überblick<br />

1. Wozu <strong>Überwachung</strong> und wie?<br />

2. Konsequenzen der <strong>Überwachung</strong><br />

3. Welche <strong>Belastungen</strong> durch <strong>Überwachung</strong>?<br />

4. Wodurch genau <strong>Belastungen</strong>?<br />

5. Maßnahmen gegen <strong>Belastungen</strong><br />

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Gründe für <strong>Überwachung</strong>, Leistungs- und<br />

Verhaltenskontrolle am Arbeitsplatz<br />

1. Prüfung der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungen, z.B.<br />

Mengen- und Qualitätsanforderungen an Arbeitsprodukte<br />

2. Prüfung der Einhaltung betrieblicher Regeln, Arbeitsanweisungen,<br />

z.B. Arbeitszeit/ Pausen, Umgang <strong>mit</strong> Material/ Werkzeug/<br />

Maschinen etc., Kleiderordnung o.ä.<br />

3. Schutz des betrieblichen Eigentums vor Diebstahl oder Betrug, z.B.<br />

Waren, Geld, Werkzeug etc., private Telefon-Nutzung, passive<br />

Korruption<br />

4. Schutz vor Verletzung rechtlicher Vorschriften, z.B. aktive<br />

Korruption, Missbrauch betrieblicher Mittel zu illegalen Aktionen<br />

(Internet, Telekommunikation allgemein), Spionage<br />

5. Ausforschung individueller „Schwächen“ und „Mängel“, z.B.<br />

gesundheitliche Beschwerden, kritische Bewertung des Betriebs,<br />

Gewerkschaftszugehörigkeit, Rufschädigung des Unternehmens ?<br />

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Beispiel: <strong>Überwachung</strong> <strong>im</strong> Einzelhandel<br />

„Wir müssen jedes Mal auf Bestellshop, Kundenmagazin und die<br />

Saisonartikel hinweisen und möglichst noch was Zusätzliches unterjubeln.<br />

Überprüft wird das durch Testkunden. Wenn die behaupten, dass ich sie<br />

nicht korrekt bedient habe, gibt es böse Briefe nach Hause, oder mein<br />

Bezirksleiter erklärt mich für überfordert und ungeeignet. Und ich kann mich<br />

noch nicht mal wehren, weil ich mich oft gar nicht an die Situation erinnere.<br />

Ich frage mich, wer eigentlich die Testkunden kontrolliert. Der Druck hat<br />

System, glaube ich. Wir sollen das Gefühl haben, ständig auf der<br />

Abschussrampe zu sitzen, austauschbar zu sein. Da<strong>mit</strong> sich keine traut, den<br />

Mund aufzumachen. Am Anfang habe ich mich gewundert, warum fast nur<br />

Frauen in den Läden arbeiten - bei anderen Drogerieketten ist das ja eher<br />

gemischt. Inzwischen denke ich: Auch das ist gewollt. Frauen sind oft<br />

sensibler, lassen sich leichter einschüchtern. Manche sind ja auch<br />

alleinerziehend und deshalb auf den Job angewiesen. Da arbeitet man lieber<br />

doppelt, als eine Kündigung zu riskieren.“<br />

Quelle: www.brigitte.de: <strong>Überwachung</strong> am Arbeitsplatz: Ich werde bespitzelt!<br />

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Beispiel: erkennbares Verhalten bei Telefon-/<br />

elektronischer Kommunikation<br />

1. Nutzungszeiten wann anwesend, wann und wie lange <strong>mit</strong><br />

Telefonieren/ Internet/ e-Mails beschäftigt? „Vergeudung von<br />

Arbeitszeit“?<br />

2. Kommunikationspartner <strong>mit</strong> wem kommuniziert? kritische<br />

Partner? z.B. Betriebsrat, Gewerkschaft …<br />

3. Nutzungsinhalte wo<strong>mit</strong> beschäftigt? dienstlich/ privat?<br />

kritische Inhalte? z.B. Gewerkschaftsseiten, Seiten politischer<br />

Gruppierungen …<br />

4. Fehler, Irrtümer, z.B. Rückläufer wg. falscher Mail-Adressen,<br />

Mehrfach-Versand, zu späte Antwort auf Mails …<br />

5. Verstoß gegen Sicherheitsregeln, z.B. Versand von ausführbaren<br />

Programmen, Viren, „Würmern“ …<br />

6. Call-Center: falsche Anreden/Begriffe/Gesprächsführung, zu<br />

lange Nachbearbeitungszeit/ Pausen …<br />

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Arten der <strong>Überwachung</strong><br />

1. offene persönliche <strong>Überwachung</strong>, z.B. Leistungsdokumentation<br />

(z.B. bei Akkord, Prämien), Taschenkontrolle,<br />

direktes Feedback/ mündliche Beurteilung<br />

2. summarische Bewertung/ Einschätzung, z.B. Leistungsund<br />

Verhaltens-Beurteilung, Fehlzeit-Statistik<br />

4. verdeckte Beobachtung, z.B. unsichtbare Kamera/<br />

Mikrofone, Mann hinter Lochwand, Ausforschung von<br />

E-Mails oder Telefonaten<br />

3. bekannte technische Kontrolle, z.B. erkennbare<br />

Videokamera an Kasse, regelmäßige Telefonkostenauswertung<br />

transparent<br />

he<strong>im</strong>lich<br />

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Bewertung und Konsequenzen für die<br />

Beschäftigten<br />

Bewertung<br />

++ + 0 -<br />

--<br />

Verstoß<br />

Leistung<br />

sehr hoch<br />

gering<br />

indiskutabel<br />

Qualität<br />

sehr gut<br />

schlecht<br />

(Nacharbeit)<br />

Ausschuss<br />

Verhalten<br />

sehr korrekt<br />

sehr loyal<br />

schlecht<br />

illoyal<br />

regelwidrig,<br />

illegal<br />

Konsequenz<br />

Lob,<br />

Beförderung<br />

Tadel, Androhung<br />

von<br />

Sanktionen<br />

Entlassung,<br />

Anklage<br />

objektive Fakten/ subjektiver Eindruck?<br />

(Nach-) Schulung<br />

Bewertung <strong>mit</strong> zweierlei Maß? Aufbauschen von Lappalien?<br />

Unterschieben/ Konstruieren<br />

von Fehlern?<br />

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Folgen negativer Bewertung<br />

negative Bewertung oder festgestellter Regelverstoß kann<br />

vom Arbeitgeber genutzt werden zu<br />

• (Nach-) Schulung<br />

• Rücknahme von Vergünstigungen<br />

• Ausschluss von Beförderung<br />

• Ermahnung, Abmahnung<br />

• Versetzung<br />

• Schadensersatzforderung<br />

• Kündigung<br />

• Strafanzeige<br />

konkrete Konsequenzen<br />

sind<br />

abhängig von<br />

• Betriebskultur<br />

• Branche<br />

• Austauschbarkeit<br />

der Mitarbeiter/in<br />

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mögliche Konsequenzen der <strong>Überwachung</strong><br />

für die Psyche<br />

1. Angst vor Entdeckung von Fehlern oder Schwächen und<br />

daraus folgender Kritik → Vorwürfen → Sanktionen durch<br />

Führungskräfte oder Kolleginnen/ Kollegen<br />

2. Strategie zur Vermeidung von Anlässen zur Kritik durch<br />

• erhöhten Einsatz für korrekte, fehlerfreie Arbeit<br />

• hohe Leistung, um betrieblich gesetzte Ziele zu erreichen<br />

• Vermeiden kleinster Regelverstöße und eigener kritischer<br />

Äußerungen gegenüber Führungskräften („angepasstes<br />

Verhalten“)<br />

3. psychische (und evt. physische) Überforderung durch<br />

übertriebene Vorsicht und Sorgfalt bei der Arbeit<br />

4. verstärkte Kritik an anderen Beschäftigten<br />

DGB Technologieberatung e.V. 19.06.2009 9


mögliche gesundheitliche Konsequenzen<br />

1. erhöhte Arbeitsintensität und Anspannung<br />

2. he<strong>im</strong>liche/ unbezahlte Mehrarbeit<br />

3. gesundheitliche Überlastung, z.B. Kopf-, Muskel-/Skelett-<br />

Schmerzen, Schlafstörungen<br />

4. Stillschweigen über eigene Fehler und Schwächen<br />

gegenüber Kolleg/innen → Entsolidarisierung<br />

5. Angst- oder depressive Zustände<br />

6. Motivationsverlust, innere Kündigung<br />

7. Leistungsblockaden, d.h. physische und/ oder psychische<br />

Erkrankung → erhöhte Fehlzeiten<br />

Diese Konsequenzen müssen nicht zwangsläufig eintreten!<br />

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Gründe für psychische <strong>Belastungen</strong> durch<br />

<strong>Überwachung</strong><br />

1. eingesetzte <strong>Überwachung</strong>smethoden nicht näher bekannt/<br />

fehlende Vereinbarungen zum Einsatz technischer<br />

Systeme<br />

2. Erlebnis subjektiver Bewertungen/ Bewertung <strong>mit</strong> zweierlei<br />

Maß <strong>im</strong> Kollegenkreis/ bei sich selbst<br />

3. geringe Offenheit und Solidarität unter den Kolleg/innen<br />

4. bei Fehlern eher kritische/ strafende Reaktion statt<br />

fördernde Maßnahmen seitens der Führungskräfte<br />

5. harte Sanktionen durch Führungskräfte bei geringfügigem<br />

Fehlverhalten bzw. kaum nachvollziehbaren Vorwürfen<br />

(Beispiel „Emily“)<br />

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Anforderungen an fairen Einsatz von<br />

<strong>Überwachung</strong><br />

1. transparente <strong>mit</strong>best<strong>im</strong>mte Bewertungsverfahren für Qualität<br />

und Leistung unter Beteiligung der Kolleg/innen, d.h. auch für<br />

Beförderung/ Höhergruppierung u.ä.<br />

2. Einsatz betrieblicher Sicherheits- und Kontrollsysteme (z.B.<br />

Zugangskontrolle, Kassenkontrolle, Lagerkontrolle) nur <strong>im</strong><br />

erforderlichen Rahmen unter Mitbest<strong>im</strong>mung und Kontrolle des<br />

BR/PRs<br />

3. <strong>mit</strong>best<strong>im</strong>mte Informationen an alle Beschäftigten über diese<br />

Systeme<br />

4. verständliche Vereinbarungen über Einsatz und Kontrolle<br />

anderer technischer Systeme (Datenschutz!)<br />

5. bei Fehlern Schulungs-Maßnahmen anbieten statt Kritik oder<br />

Strafe – ausgenommen erhebliche Schädigung des Betriebs<br />

(faire Bagatellgrenze definieren !)<br />

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Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!<br />

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