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PDF Download - 2,7M - Kliniken des Bezirks Oberbayern

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Die Gefahren deliranter Syndrome werden<br />

durch die moderne Medizin verringert?<br />

Leider bietet uns die moderne Medizin nicht nur immer<br />

bessere Möglichkeiten, Delire wirksam zu behandeln.<br />

Vielmehr kommt es im Gegenteil häufig als Folge medizinischer<br />

Maßnahmen zu deliranten Zuständen (Tabelle 2).<br />

Hier ist vor allem die Polypharmazie zu nennen, das heißt<br />

der gleichzeitige Einsatz einer Vielzahl verschiedener Arzneimittel.<br />

Besonders risikoreich sind dabei Medikamente<br />

mit anticholinerger und dopaminerger Wirkkomponente,<br />

die auch in vielen Arzneimitteln enthalten sind, bei denen<br />

es nicht vermutet wird. Es sind keineswegs nur Psychopharmaka<br />

zu beachten, sondern auch andere Substanzen.<br />

Außerdem ist eine Delirentstehung auch über andere pathophysiologische<br />

Mechanismen möglich (Austrocknung<br />

durch Herz-Kreislauf-Medikamente, Elektrolytentgleisungen<br />

und andere). Doch auch andere medizinische Maßnahmen<br />

können delirauslösend bzw. verstärkend wirken,<br />

zum Beispiel Blasenkatheter oder Fixierungsmaßnahmen.<br />

Reizüberflutung auf der Intensivstation ist ebenso ungünstig<br />

wie sensorische Deprivation (Entzug von sensorischen<br />

Reizen).<br />

Einmal erkannt, sind delirante Syndrome<br />

harmlos?<br />

Delirien sind lebensbedrohliche Erkrankungen: Das<br />

Sterblichkeitsrisiko liegt in derselben Größenordnung<br />

wie beim Herzinfarkt (Inouye 2006). Besonders gefährdet<br />

sind die Patienten mit hypoaktivem Erscheinungsbild,<br />

weil bei ihnen der bedrohliche Zustand leicht übersehen<br />

wird und die notwendige Behandlung <strong>des</strong>halb<br />

unterbleibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten<br />

aus dem Krankenhaus nicht nach Hause, sondern in ein<br />

Heim entlassen werden, ist bei einem Delir fast verdreifacht<br />

(NICE 2010), bei Heimaufnahme weisen bis<br />

zu 40 % der Patienten ein Delir auf (von Guntern &<br />

Mosimann 2010). Dabei dürften besonders die Patienten<br />

betroffen sein, bei denen das Delir nicht akkurat<br />

diagnostiziert wurde bzw. bei denen es nicht innerhalb<br />

weniger Tage vollständig abklingt. In vielen Fällen kommt<br />

es zu länger andauernden oder sogar bleibenden Funktionseinbußen<br />

in Bezug auf die Alltagsbewältigung (Hewer<br />

2003).<br />

Tabelle 2<br />

Delir: Auslösende Faktoren<br />

• spezifische Medikamente<br />

(vor allem solche mit anticholinerger und dopaminerger Wirkung)<br />

• Polypharmazie/Multimedikation<br />

• Alkohol-/Medikamentenentzug<br />

• akute neurologische Erkrankungen (Schlaganfall, Hirnblutung)<br />

• Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfekt)<br />

• schwere akute Erkrankungen<br />

• Dehydration, metabolische Entgleisung (Blutzucker, Elektrolyte)<br />

• chirurgische Eingriffe<br />

• Schmerzzustände<br />

• Schlafmangel<br />

• Aufnahme auf Intensivstation<br />

• Blasenkatheter<br />

• Fixierung<br />

• Umgebungswechsel<br />

• Reizüberflutung<br />

• beängstigende Umgebung<br />

• fehlende Orientierungsmöglichkeiten<br />

• sensorische Deprivation<br />

(nach: Hewer et al. 2009, Oesterreich 1989, Rapp 2009 – modifiziert)<br />

Deliranten Syndromen kann man nicht<br />

vorbeugen?<br />

Delirien sind keine schicksalhaft eintretenden Ereignisse.<br />

Man muss nicht warten, bis das Kind in den Brunnen<br />

gefallen ist. Im Gegenteil stellen die unterschiedlichen<br />

identifizierbaren delirauslösenden Faktoren Ansatzpunkte<br />

für präventive Maßnahmen dar (Tabelle 3). Durch solche<br />

multidimensionalen Ansätze und nicht-pharmakologische<br />

Interventionen lässt sich die Häufigkeit von deliranten<br />

Syndromen deutlich senken (Tabet & Howard 2009a,<br />

NICE 2010). Ein Modell in Deutschland, das <strong>des</strong> Geriatrie-Teams<br />

der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin<br />

am St. Franziskus-Hospital Münster, kann dabei<br />

eine deutlichere Reduktion vorweisen als vielfach in der<br />

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