PDF Download - 2,7M - Kliniken des Bezirks Oberbayern
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voller Angst, aber still im Bett liegen, ihr halluzinatorisches<br />
Erleben nicht mitteilen und so den Krankenhausbetrieb<br />
nicht stören. Es wird geschätzt, dass 50 % der Delire bei<br />
älteren Patienten unerkannt bleiben (Inouye 2006). Dabei<br />
ist es sehr gefährlich, diese Zustände zu übersehen, weil<br />
sie – speziell bei älteren Patienten – nicht selten das erste<br />
und unter Umständen sogar das einzige Anzeichen einer<br />
bedrohlichen körperlichen Funktionsstörung sein können.<br />
Postoperativ sind delirante Syndrome<br />
bei Regionalanästhesie seltener als bei<br />
Allge meinnarkose?<br />
Postoperative Delire (oder „postoperative cognitive dysfunction“<br />
– POCD) treten besonders nach Eingriffen am Herz<br />
und den großen Blutgefäßen auf, sind jedoch auch bei anderen<br />
Operationen nicht ungewöhnlich. Häufig wird vermutet, dass<br />
bei einer Allgemeinnarkose (Vollnarkose) das Delirrisiko größer<br />
sei. Dementsprechend werden die verschiedenen Methoden<br />
der Regionalanästhesie favorisiert. Tatsächlich gibt es aber<br />
keinen Beleg für diese Vermutung (Bryson & Wynd 2006).<br />
Allenfalls kurzfristig nach der Operation sind die neuropsychologischen<br />
Auswirkungen durch die Allgemeinanästhesie möglicherweise<br />
etwas ausgeprägter, langfristig hingegen nicht. Andere<br />
Aspekte wie Schwere der Erkrankung, Dauer <strong>des</strong> Eingriffs und<br />
Komplikation sind offenbar bedeutsamer, daneben vor allem<br />
aber auch zahlreiche Faktoren, die die Milieugestaltung und den<br />
Umgang mit dem Patienten betreffen (Krenk et al. 2010).<br />
Geistige Leistung / Informationsverarbeitungskapazität<br />
Abbildung 1<br />
Demenz und Delir<br />
Normale Leistungsfähigkeit<br />
vorübergehende<br />
Leistungsminderung<br />
Beginnende Demenz<br />
vorübergehende<br />
Leistungsminderung<br />
Normale<br />
Anforderung<br />
Erhöhte<br />
Anforderung<br />
DELIR!<br />
Für die Auslösung deliranter Syndrome<br />
sind allein körperliche/biologische Faktoren<br />
verantwortlich?<br />
Wie das Beispiel <strong>des</strong> postoperativen Delirs zeigt, sind also nicht<br />
nur biologisch-medizinische Faktoren von Bedeutung. Zwar<br />
spielen körperliche Erkrankungen bzw. Funktionsstörungen<br />
eine sehr wichtige Rolle, jedoch sind psychosoziale und Milieufaktoren<br />
keineswegs zu vernachlässigen (Tabelle 2). Störungen<br />
<strong>des</strong> zirkadianen Rhythmus’, Schlafstörungen, Konflikte mit<br />
Bezugspersonen, Frustration, fehlende Orientierung, Mangel<br />
an Geborgenheit oder (von außen aufgezwungene) Änderung<br />
von Gewohnheiten können an der Delirentstehung beteiligt<br />
sein. Angst, Unruhe, vermehrte Irritierbarkeit, depressiv-resignativer<br />
Rückzug, Konzentrationserschwerung oder nächtlicher<br />
Albdruck stellen Prodromi bzw. Symptome <strong>des</strong> beginnenden<br />
Delirs dar. Angst und Unruhe, Stressreaktionen fachen die<br />
© Dirk K. Wolter<br />
Pathophysiologie <strong>des</strong> Delirs weiter an. Als bedrohlich erlebte<br />
Umwelteinflüsse, aber auch die Wahrnehmung eigener körperlicher<br />
Vorgänge können die Situation im Sinne eines Teufelskreises<br />
weiter verschlimmern, wobei in den Abend- und Nachtstunden<br />
die Anfälligkeit erhöht ist. Ein weiterer Teufelskreis<br />
entsteht durch verminderte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme<br />
als Folge von Angst und Rückzug (Oesterreich 1989).<br />
Ein – natürlich vereinfachen<strong>des</strong> – Modell macht klar, wieso<br />
sowohl körperliche Funktionsstörungen als auch psychosoziale<br />
Belastung ein Delir auslösen können: in allen Fällen kommt es<br />
zu einem Missverhältnis von Anforderungen einerseits und<br />
der Informationsverarbeitungskapazität andererseits, das zu<br />
einem Zusammenbruch <strong>des</strong> Systems, eben zum Delir, führt<br />
(Abbildung 1).<br />
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