PDF Download - 2,7M - Kliniken des Bezirks Oberbayern
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Nur ein bisschen verwirrt?<br />
Das Delir im Alter besser erkennen und behandeln<br />
Dr. med. Dirk K. Wolter, Chefarzt <strong>des</strong> Fachbereichs Gerontopsychiatrie,<br />
Inn-Salzach-Klinikum gemeinnützige GmbH,<br />
Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Um Missverständnissen vorzubeugen: es geht hier nicht<br />
um das Alkoholentzugsdelir, das „Delirium tremens“. Zwar<br />
wurde in der deutschen Psychiatrietradition die Bezeichnung<br />
Delir lange Zeit praktisch nur in diesem Sinne verwendet,<br />
heute aber hat der Begriff entsprechend dem internationalen<br />
Sprachgebrauch eine sehr viel weitere Bedeutung und<br />
bezeichnet ganz allgemein akute Ver wirrt heitszustände. Verwandte<br />
Begriffe mit synonymer oder ähnlicher Bedeutung<br />
sind „Delirium“, „delirantes Syndrom“, „Dämmerzustand“,<br />
„Durchgangssyndrom“, „akuter exo gener Reaktionstyp“,<br />
„akutes hirnorganisches Psychosyndrom“ oder im Englischen<br />
„acute brain syndrome“ oder „clouded state“ bzw. „confusional<br />
state“.<br />
Kardinalsymptome <strong>des</strong> Delirs sind neben globalen Einschränkungen<br />
der geistigen Leistungsfähigkeit (wie man sie auch bei<br />
der Demenz findet):<br />
• Bewusstseinsstörung (verminderte Klarheit der Umgebungswahrnehmung;<br />
gestörte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit<br />
zu fokussieren, aufrecht zu erhalten und umzustellen;<br />
verminderte Fähigkeit zur adäquaten Reaktion auf Umweltreize;<br />
Beeinträchtigung <strong>des</strong> Immediatgedächtnisses);<br />
• Störungen der Psychomotorik (vermehrte oder verminderte<br />
Aktivität, vermehrter oder verminderter Redefluss,<br />
verlängerte Reaktionszeit oder verstärkte Schreckreaktion);<br />
• Störungen <strong>des</strong> Schlaf-Wach-Rhythmus’ mit nächtlicher<br />
Verschlimmerung der Symptome oder Albträumen, die<br />
nach dem Erwachen als illusionäre Verkennungen weiterbestehen<br />
können;<br />
• rascher Beginn und fluktuierender Verlauf.<br />
Weitere Symptome wie Angst, Halluzinationen oder körperlich-vegetative<br />
Auffälligkeiten und andere können hinzutreten,<br />
sind jedoch für die Diagnose nicht zwingend erforderlich.<br />
Allgemein betrachtet ist ein Delir eine akute unspezifische<br />
Reaktion der Person – das heißt eine Reaktion von Geist,<br />
Seele und Körper – auf schädigende Einflüsse (Noxen)<br />
unterschiedlicher Art. Ist das Gehirn vorgeschädigt, genügt<br />
bereits eine geringfügige Noxe zur Auslösung eines Delirs,<br />
und umgekehrt. Das eingangs erwähnte Alkoholentzugsdelir<br />
(Delirium tremens) ist damit ein Spezialfall <strong>des</strong> Delirs, womit<br />
ein mögliches Missverständnis ausgeräumt ist. Doch es gibt<br />
weitere Missverständnisse rund um den Begriff Delir, und<br />
möglicherweise lässt sich das Thema entlang dieser Missverständnisse<br />
sogar am besten entfalten:<br />
Tabelle 1<br />
Delir: Prädisponierende Faktoren/Risikokonstellationen<br />
• Alter<br />
• männliches Geschlecht<br />
• Demenz (proportional zum Schweregrad)<br />
• sensorische Einschränkungen (Seh-/Hörminderung)<br />
• Depression<br />
• funktionelle Defizite (Aktivitäten <strong>des</strong> täglichen Lebens)<br />
• Immobilität<br />
• Dehydration, Mangelernährung<br />
• Vorbehandlung mit psychotropen Medikamenten<br />
• Polypharmazie/Multimedikation<br />
• Alkoholabhängigkeit<br />
• Multimorbidität<br />
• Frakturen/Traumata<br />
(nach: Hewer et al. 2009, Rapp 2009 – modifiziert)<br />
Delir oder Demenz?<br />
In vielen Büchern und Zeitschriften finden sich Übersichtstabellen<br />
zur Differenzialdiagnose von Demenz und<br />
Delir. Solche Tabellen suggerieren, dass es sich um ein<br />
Entweder-oder handele. Tatsächlich ist dies aber nicht der<br />
Fall. Vielmehr ist eine vorbestehende, unter Umständen<br />
erst beginnende und noch nicht diagnostizierte Demenz<br />
ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung eines<br />
Delirs. Das im Rahmen der Demenzerkrankung vorgeschädigte<br />
Gehirn ist empfindlicher, die Reservekapazität<br />
ist geringer. Delire treten also häufig als Komplikation<br />
einer Demenz auf. Die ICD-10 sieht hierfür die Kategorie<br />
F05.1 „Delir bei Demenz“ vor.<br />
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