PDF Download - 2,7M - Kliniken des Bezirks Oberbayern
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Suchterkrankungen im höheren Lebensalter<br />
Besonderheiten der Behandlung<br />
Dr. med. Irmgard Paikert-Schmid, Chefärztin <strong>des</strong> Fachbereichs Gerontopsychiatrie II,<br />
Isar-Amper-Klinikum gemeinnützige GmbH, Klinikum München-Ost,<br />
Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Mit steigendem Anteil an der Gesamtbevölkerung hat die<br />
Häufigkeit von Suchterkrankungen älterer Menschen zugenommen<br />
und wird weiter zunehmen. Nach Angaben der<br />
Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht<br />
(2008) hat sich die Zahl der 65-jährigen und älteren<br />
Europäer im Laufe <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts verdreifacht und<br />
die Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Voraussichtlich<br />
wird bis zum Jahr 2020 mehr als ein Viertel der Bevölkerung<br />
Europas 65 Jahre oder älter sein.<br />
Nach Einschätzung von Mann, Laucht und Weyerer (2009)<br />
gibt es Hinweise, dass die Zahl älterer Menschen mit problematischem<br />
Substanzkonsum überproportional ansteigen<br />
wird und sich in Europa zwischen 2001 und 2020 mehr als<br />
verdoppeln könnte. Hintergrund dieser Annahme ist, dass<br />
der Substanzkonsum (Alkohol, Medikamente und Drogen)<br />
der Generation, die zwischen 1946 und 1964 geboren<br />
wurde, überdurchschnittlich hoch ist und während <strong>des</strong><br />
Lebens eingeübte Konsummuster im Alter häufig beibehalten<br />
werden. Zudem bestehen im höheren Lebensalter<br />
besondere Risiken bezüglich einer Suchtgefährdung durch<br />
Verlustereignisse, wie den Tod von Bezugspersonen, Verlust<br />
sozialer Netzwerke nach Beendigung der Berufstätigkeit<br />
und Einschränkung der finanziellen Möglichkeiten.<br />
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2006) schätzt,<br />
dass zwischen 8 und 13 % der über 60-Jährigen einen problematischen<br />
Gebrauch von psychoaktiven Medikamenten<br />
bzw. Schmerzmitteln betreiben.<br />
Bisher gibt es nur eine einzige größere Studie mit Erhebung<br />
<strong>des</strong> Alkoholkonsummusters älterer Menschen in Deutschland.<br />
Über 3.000 Hausarztpatienten im Alter von 75 Jahren<br />
und älter wurden in sechs großstädtischen Regionen<br />
Deutschlands nach ihrem Alkoholkonsum befragt:<br />
Alkoholkonsum bei 75-jährigen und älteren<br />
Hausarztpatienten in Deutschland:<br />
Alkoholkonsum<br />
Männer<br />
(n=1.107)<br />
Frauen<br />
(n=2.117)<br />
Gesamt<br />
(n=3.224)<br />
Abstinent 26,6 % 62,4 % 50,1 %<br />
Leichtes bis moderates Trinken 61,3 % 34,0 % 43,4 %<br />
Riskantes Trinken<br />
(pro Tag >20g bei Frauen 12,1 % 3,6 % 6,5 %<br />
und >30g bei Männern)<br />
nach: Weyerer et al. (2009)<br />
Neben Alkoholkonsum und seinen Folgen steigen Missbrauch<br />
und Abhängigkeit von Medikamenten – insbesondere<br />
von Benzodiazepinen (Beruhigungsmittel) und Schmerzmitteln<br />
– mit zunehmendem Alter an.<br />
Dementsprechend kommen mehr ältere Menschen<br />
aufgrund <strong>des</strong> Konsums der genannten Substanzen und<br />
seiner Folgen in stationäre Behandlung. Die primäre und<br />
sachgerechte Zuweisung zur stationären Behandlung in<br />
die Gerontopsychiatrie erfolgt jedoch nicht immer, da<br />
begleitende und chronische körperliche Erkrankungen die<br />
primäre Zuweisung in andere medizinische Fachdisziplinen<br />
triggern. Durch neue, fachübergreifende Programme wie<br />
das Akutgeriatrieprogramm <strong>des</strong> Freistaates Bayern wird<br />
eindrücklich deutlich, wie notwendig die versorgungsorientierte<br />
Abstimmung der medizinischen Fachdisziplinen und<br />
Einbindung der Gerontopsychiatrie in die Altersmedizin<br />
insgesamt ist.<br />
Die Diagnostik erfolgt in der Gerontopsychiatrie gemäß<br />
den diagnostischen Leitsymptomen nach ICD-10 für Abhängigkeiten<br />
von psychotropen Substanzen und ist ebenso<br />
wie alle therapeutischen Maßnahmen leitlinienbasiert.<br />
Bei alkoholabhängigen Patienten können entsprechend<br />
dem Krankheitsbeginn zwei Untergruppen, die auch hinsichtlich<br />
der Prognose differieren, unterschieden werden:<br />
Parameter /Kriterien<br />
Früher Beginn<br />
(early onset)<br />
Später Beginn<br />
(late onset)<br />
Alter