Junge Erwachsene als Freiwillige in internationalen Sozialprojekten

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12.04.2015 Aufrufe

aber auch mit den Erwartungen der Patienten/Freiwilligen. So mag die Kompetenz der Ärzte in verschiedenen Ländern oder auch Kontinenten variieren, ist letztendlich aber oft eine subjektive Bewertung. Dies ist bei den unterschiedlichen Kommentaren der in Chile, Bolivien (zwei) und Indien stationierten Freiwilligen zu beachten: „In Chile habe ich mir den Arm gebrochen. Ich war in einem guten Gesundheitszentrum zum Röntgen und Eingipsen. Das war fast europäischer Standard. Der behandelnde Arzt hat in Europa studiert. Eine solche Behandlung ist eine Frage der finanziellen Mittel. Das ist für die meisten Chilenen nicht zu finanzieren. Mein Bruch ist sicher und gut ausgeheilt, aber nur weil ich einen guten Arzt bezahlen konnte, der mich schnell und professionell behandelte. In einem gewöhnlichen Krankenhaus wäre meine Behandlung viel "einfacher" gewesen. Den Arzt habe ich im Vorfeld bar bezahlt und die abgeschlossene Krankenversicherung hat die Kosten nur teilweise erstattet. Insgesamt hat die Behandlung nur ca. 250 EURO gekostet.“ „Hatte alle vorstellbaren Magen/Darmerkrankungen, sowie Pilze und andere Bakterien/Viren. Hatte aber alles in allem ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen durch kompetente Doktoren vor Ort.“ „Meine Eltern sind Ärzte, die haben alles durchgecheckt und mir auch viele Medikamente mitgegeben. Was gut war, denn wenn man dort in die Apotheke geht oder in ein Krankenhaus, dann ist man froh nicht krank geworden zu sein!“ „Weder bei der schweren Akne, die während meines Aufenthaltes auftrat, noch bei der Bindehautentzündung oder unklarem Fieber fühlte ich mich gut behandelt, obwohl ich die teuerste Alternative eines privaten Arztes genutzt habe. Jedes Medikament habe ich aus Deutschland absichern lassen oder einfach nicht genommen.“ 4.12 Therapiebedarf während der Projektzeit Der Therapiebedarf der freiwilligen Helfer ist wesentlich größer als der von Reisenden während eines Urlaubs. So benötigen Reisende in etwa 8-10% aller Fälle medizinische Hilfe während oder nach ihrem Aufenthalt in einem Entwicklungsland (Lopez-Velez and Bayas 2007) (Freedman, Weld et al. 2006). In der vorliegenden Studie nahm etwa die Hälfte der Freiwilligen eine Behandlung 82

durch einen Arzt in einer Praxis in Anspruch. Viele ließen sich aber auch ambulant in einem Krankenhaus oder in einer Gesundheitsstation/Dispensary untersuchen und behandeln. Besonders in Afrika liegt kein Häufigkeitsunterschied zwischen diesen Formen vor, da dort Ärzte in einer Praxis nur in größeren Städten zu finden sind und gerade in ländlicheren Gebieten Gesundheitsstationen oder Krankenhäuser erste Anlaufstationen darstellen. Medikamente aus eigenem Bestand wurden von fast allen der Freiwilligen mindestens einmal während der Projektzeit eingenommen. Viele der jungen Freiwilligen nahmen eigene Medikamente aber auch deutlich häufiger als einmal ein. Medikamente von anderen Personen nahmen die Freiwilligen nur in seltenen Fällen ein, eher kauften sie im Zielland selbst Medikamente neu ein. Verbandmaterial setzten mehr als 60% der jungen Freiwilligen ein, in den meisten Fällen einmalig, oft aber auch deutlich häufiger. Pflaster und Verbandmaterial wurden auch auf Trekking- Touren in den Adirondacks, USA, sehr häufig eingesetzt (Welch 1997). Freiwillige in Afrika ließen etwas häufiger Blut, Urin oder Stuhl untersuchen, litten aber auch häufiger unter Durchfallerkrankungen mit Fieber oder Blutbeimengungen. Nur wenige der Freiwilligen mussten sich einer Röntgenuntersuchung und nur 6% einem stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen. Steffen et al. berichten, dass bei Reisenden sogar weniger als 1% hospitalisiert werden (Steffen and Lobel 1994). Nur einer der Freiwilligen lag aufgrund einer akut lebensbedrohlichen Malaria auf einer Intensivstation und niemand der Freiwilligen musste operiert werden. Nichtsdestotrotz sind dies ebenfalls Themen, welche während eines Vorbereitungsseminars angesprochen werden sollten. Diese Ereignisse sind selten, es kann den Freiwilligen aber helfen und sie beruhigen, wenn eine entsprechende Situation in einem Vorbereitungsseminar einmal durchgesprochen wurde und ihnen bewusst ist, wie beispielsweise Versicherungsabläufe sind. In Mittel-/Südamerika (24,3%) und besonders in Asien (46,7%) ließen sich junge Freiwillige nach einheimischer Tradition behandeln. 10 der 153 Freiwilligen dachten während ihrer Projektzeit daran, diese aufgrund körperlicher Leiden abzubrechen; 9/10 überlegten einmal, ein Freiwilliger in Afrika sogar täglich das Projekt vorzeitig abzubrechen. 41/153 Freiwilligen, besonders in Afrika stationierte, gaben an, wegen psychischer Belastung an einen vorzeitigen Abbruch des Projekts gedacht zu haben. Hier wird die Bedeutung 83

aber auch mit den Erwartungen der Patienten/<strong>Freiwillige</strong>n. So mag die Kompetenz<br />

der Ärzte <strong>in</strong> verschiedenen Ländern oder auch Kont<strong>in</strong>enten variieren, ist<br />

letztendlich aber oft e<strong>in</strong>e subjektive Bewertung. Dies ist bei den unterschiedlichen<br />

Kommentaren der <strong>in</strong> Chile, Bolivien (zwei) und Indien stationierten <strong>Freiwillige</strong>n<br />

zu beachten:<br />

„In Chile habe ich mir den Arm gebrochen. Ich war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten Gesundheitszentrum<br />

zum Röntgen und E<strong>in</strong>gipsen. Das war fast europäischer Standard.<br />

Der behandelnde Arzt hat <strong>in</strong> Europa studiert. E<strong>in</strong>e solche Behandlung ist e<strong>in</strong>e<br />

Frage der f<strong>in</strong>anziellen Mittel. Das ist für die meisten Chilenen nicht zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Me<strong>in</strong> Bruch ist sicher und gut ausgeheilt, aber nur weil ich e<strong>in</strong>en guten Arzt<br />

bezahlen konnte, der mich schnell und professionell behandelte. In e<strong>in</strong>em gewöhnlichen<br />

Krankenhaus wäre me<strong>in</strong>e Behandlung viel "e<strong>in</strong>facher" gewesen.<br />

Den Arzt habe ich im Vorfeld bar bezahlt und die abgeschlossene Krankenversicherung<br />

hat die Kosten nur teilweise erstattet. Insgesamt hat die Behandlung<br />

nur ca. 250 EURO gekostet.“<br />

„Hatte alle vorstellbaren Magen/Darmerkrankungen, sowie Pilze und andere<br />

Bakterien/Viren. Hatte aber alles <strong>in</strong> allem e<strong>in</strong> freundschaftliches Verhältnis zu<br />

ihnen durch kompetente Doktoren vor Ort.“<br />

„Me<strong>in</strong>e Eltern s<strong>in</strong>d Ärzte, die haben alles durchgecheckt und mir auch viele Medikamente<br />

mitgegeben. Was gut war, denn wenn man dort <strong>in</strong> die Apotheke geht<br />

oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus, dann ist man froh nicht krank geworden zu se<strong>in</strong>!“<br />

„Weder bei der schweren Akne, die während me<strong>in</strong>es Aufenthaltes auftrat, noch<br />

bei der B<strong>in</strong>dehautentzündung oder unklarem Fieber fühlte ich mich gut behandelt,<br />

obwohl ich die teuerste Alternative e<strong>in</strong>es privaten Arztes genutzt habe. Jedes<br />

Medikament habe ich aus Deutschland absichern lassen oder e<strong>in</strong>fach nicht<br />

genommen.“<br />

4.12 Therapiebedarf während der Projektzeit<br />

Der Therapiebedarf der freiwilligen Helfer ist wesentlich größer <strong>als</strong> der von Reisenden<br />

während e<strong>in</strong>es Urlaubs. So benötigen Reisende <strong>in</strong> etwa 8-10% aller<br />

Fälle mediz<strong>in</strong>ische Hilfe während oder nach ihrem Aufenthalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entwicklungsland<br />

(Lopez-Velez and Bayas 2007) (Freedman, Weld et al. 2006). In der<br />

vorliegenden Studie nahm etwa die Hälfte der <strong>Freiwillige</strong>n e<strong>in</strong>e Behandlung<br />

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