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SPORT DES SÜDENS<br />
wir können keine deutsche WM in Brasilien veranstalten. Das<br />
heißt: keine Stadien bauen, sondern nur die bestehenden erneuern.<br />
Dass es eine WM zu volksnahen Preisen sein soll, wie<br />
Joseph Blatter gesagt hat, kann ich nicht so recht glauben - es<br />
wäre das erste Mal seit langer Zeit. Wenn die WM-Tickets aber<br />
auf dem bisherigen Preisniveau bleiben, wäre in Brasilien der<br />
Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen.<br />
Apropos Spielerexporte: Bei Inter Porto Alegre gab es nach<br />
dem Weltpokalsieg 2006 den großen Ausverkauf. Jetzt ist der<br />
Verein nur Mittelmaß. Ein typisches Beispiel?<br />
Ja, eigentlich darf der Fan gar nicht hoffen, dass seine Mannschaft<br />
zu gut wird, denn sonst werden die Leute woanders<br />
hellhörig und zerstören sie. Schon nach dem Sieg im Libertadores-Pokal<br />
wurde Inter bedrängt, und gute Spieler wanderten<br />
ab. Mit einem schwächeren Team wurden sie Weltpokalsieger,<br />
und danach war es vorbei. Das zeigt, wie pervers das Management<br />
im brasilianischen Fußball ist. Ein Weltpokalsieger, selbst<br />
wenn er zu den modernsten Clubs in Brasilien zählt, kann nicht<br />
mit mittelmäßigen europäischen Vereinen mithalten, denn dort<br />
sind die meisten Inter-Spieler gelandet.<br />
Fußballverband gegen Spitzenclubs<br />
Anderen Clubs geht es ähnlich. Wie wirkt sich dieser Aderlass<br />
auf den Fußball in Brasilien aus?<br />
Rohstoffexporteure waren wir schon immer – heute exportieren<br />
wir auch Arbeitskräfte. Schuld daran ist das unprofessionelle<br />
Management der brasilianischen Vereine. Schlimmer<br />
noch: Dieses perverse Modell wird vom CBF gefördert, denn<br />
ihm gehört das Markenzeichen der besten Mannschaft der<br />
Welt – der Seleção. Der CBF hat kein Interesse daran, mit Spitzenclubs<br />
zu konkurrieren, wie in den 60er Jahren, als Santos<br />
mit Pelé oder Botafogo mit Garrincha durch die Welt getourt<br />
sind und dem zweifachen Weltmeister Brasilien Konkurrenz<br />
gemacht haben.<br />
Außerdem hat die Seleção vom technischen Standpunkt aus<br />
ein Interesse daran, dass die Spieler in Europa spielen, weil sie<br />
dort andere Erfahrungen sammeln.<br />
Früher hat man in Brasilien viel davon geredet, wie es ist, gegen<br />
stärkere Spieler anzutreten, gegen „bärenstarke“ Deutsche,<br />
Engländer oder Italiener. Damit ist es vorbei, denn heute<br />
leben unsere Spieler mit diesen Athleten zusammen, im selben<br />
Club oder in derselben Liga, im selben Pokal – sie spielen drei,<br />
vier Mal pro Jahr gegeneinander.<br />
Bildquelle: „Brasil Soccer Ball“, Autor: Daniel Dash (www.istockphoto.com)<br />
Werden <strong>des</strong>halb auch so viele verschiedene Spieler in der<br />
Seleção aufgestellt?<br />
Ja, wer nominiert wird, hat schon einen Fuß außerhalb <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong>. Die Nationaltrainer machen das aus „ideologischen“<br />
Gründen – oder weil sie dabei mitverdienen.<br />
Was bedeutet das für die Vereine?<br />
Mittel- und langfristig gelingt es den Clubs nicht, ein hohes Niveau<br />
zu halten. Es ist wie bei der Henne und dem Ei: Sind die<br />
brasilianischen Stadien leer, weil die Idole im Ausland spielen,<br />
oder ist es umgekehrt? Ersteres ist wahrscheinlicher, aber natürlich<br />
muss man auch die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen<br />
Brasilien und Europa berücksichtigen. Brasilien exportiert<br />
jedoch auch Spieler in die Ukraine, in die Türkei, in Länder also,<br />
die ökonomisch nicht so stark sind wie Brasilien. Und: Vergleicht<br />
man den Umsatz in der Werbebranche bei uns mit jenem<br />
in Italien oder Spanien, ist der Unterschied nicht so groß.<br />
Reiche Bosse, arme Vereine<br />
Wenn also unsere Vereine kompetenter geführt würden, gingen<br />
unsere Spieler womöglich später weg, zum Beispiel, nachdem<br />
sie bei einer WM geglänzt haben. Aber jetzt verlieren wir<br />
sie zu früh. Ein Ronaldo etwa würde weggekauft, nachdem er<br />
sich bei einer WM ausgezeichnet hat – sagen wir für 70 Millionen<br />
Dollar, so wie es auf dem europäischen Markt passiert.<br />
In Brasilien gibt es wenige große Millionentransfers. Denílson,<br />
für den 35 Millionen gezahlt wurden, ist eine Ausnahme. Normalerweise<br />
geht es um 8 oder 10 Millionen Dollar, Beträge,<br />
die bei Transfers innerhalb Europas absolut alltäglich sind – für<br />
gute Spieler, aber nicht für die großen Stars.<br />
Wer verdient also an den Robinhos und Ronaldinhos?<br />
Die „cartolas“, die „Zylinder“ <strong>des</strong> brasilianischen Fußballs, wie<br />
wir die Vereinsbosse nennen. Das sind sehr reiche Leute. Die<br />
Clubs hingegen sind bankrott.<br />
Nun sind ja nicht alle Fußballlegionäre große Stars. Was bringt<br />
so viele Spieler dazu, ihr Glück im Ausland zu versuchen?<br />
Am meisten zählt die Versuchung. Ein Spieler, der weiß, wie<br />
schwer es ist, in Brasilien ein Star zu werden, erhofft sich in<br />
einem technisch schwächeren Umfeld größere Chancen. Dazu<br />
kommt die Art und Weise, wie die brasilianischen Spieler auf<br />
der ganzen Welt wahrgenommen werden – als potenzielle<br />
Pelés.<br />
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