Der Peter 3. Ausgabe Sommer 2015:
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Vor knapp 15 Jahren, im<br />
September 2000, begann<br />
die deutschlandweite<br />
Mordserie des Nationalsozialistischen<br />
Untergrundes<br />
( NSU) an zehn<br />
Mitgliedern unserer Gesellschaft.<br />
Auch Sprengstoffanschläge<br />
und Raubüberfälle werden<br />
dem Täterkreis zugeordnet.<br />
İsmail Yaşar, ermordet<br />
vor 10 Jahren, bei uns!<br />
In Nürnberg wurden drei<br />
Männer ermordet: der<br />
Blumenhändler Enver<br />
Şimşek, der Schneider<br />
Abdurrahim Özüdoğru und<br />
der Imbissbetreiber<br />
İsmail Yaşar.<br />
<strong>Der</strong> Mord an İsmail Yaşar geschah<br />
in unserem Viertel, in<br />
St. <strong>Peter</strong> in der Scharrerstraße.<br />
Dort betrieb das Opfer<br />
einen Imbiss. Die Kinder der gegenüberliegenden<br />
Scharrerschule<br />
beschreiben ihn als einen sehr netten<br />
Menschen, fast wie einen Onkel,<br />
der ihnen Eis und, wenn es<br />
kalt war, heißen Tee geschenkt habe.<br />
İsmail Yaşar kam aus Südostanatolien,<br />
dort wurde er 1955<br />
geboren.<br />
Mensch aus unserer Mitte<br />
Er lebte schon seit 1978 in<br />
Deutschland, getrennt von seiner<br />
Frau, und hat einen Sohn. Er hatte<br />
in verschiedenen Nürnberger Betrieben<br />
als Schweißer gearbeitet,<br />
bis er sich 1999 mit dem Imbiss<br />
selbstständig machte. Er war erst<br />
50, als er sterben musste. Das war<br />
am 09. Juni 2005. Die erste Kugel<br />
streifte sein Ohr und durchschlug<br />
die Hintertür. Yaşar versuchte, in<br />
Deckung zu gehen. Dann traf ihn<br />
aber der tödliche Schuss direkt in<br />
den Kopf. <strong>Der</strong> Mord an diesem<br />
Morgen ist von außergewöhnlich<br />
vielen Zeugen beobachtet worden,<br />
welche seit Mai 2013 am Oberlandesgericht<br />
in München zur Aussage<br />
gebeten werden. Dort steht u.a.<br />
Beate Zschäpe, die Freundin der<br />
Täter, wegen des Verdachtes auf<br />
Mittäterschaft an den Morden, vor<br />
Gericht.<br />
Schüsse gehört<br />
Die meisten Zeugen hatten die<br />
Täter Uwe Mundlos und Uwe<br />
Böhnhardt vor oder nach dem<br />
Mord gesehen, hatten sogar<br />
Schüsse gehört, die Polizei aber<br />
nicht verständigt. Welcher von beiden<br />
den Imbissbetreiber erschossen<br />
hat, ist bis heute nicht<br />
aufgeklärt.<br />
Nach den Aussagen und gemachten<br />
Phantombildern konnten zur<br />
damaligen Zeit erstmals Verbindungen<br />
zu anderen ungeklärten<br />
Straftaten hergestellt werden.<br />
Trotzdem wurden von der Polizei<br />
keine weitreichenden Schlüsse gezogen.<br />
Die Sicherheitsbehörden<br />
sprachen sich zu wenig miteinander<br />
ab, Akten wurden vernichtet<br />
und gingen im Behördenwirrwarr<br />
unter. Informationen machten an<br />
Landes- und Behördengrenzen<br />
halt. Mehrere Verfassungsschutzchefs<br />
mussten ihren Posten räumen.<br />
NSU Prozess läuft noch<br />
Dem andauernden NSU-Prozess<br />
zu folgen, ist schwierig, da wenige<br />
Informationen den Verhandlungssaal<br />
verlassen. In den vergangenen<br />
Wochen wurden Zeugen aus der<br />
rechtsextremen Szene und V-Männer<br />
des Verfassungsschutzes befragt.<br />
Diese gaben leider wenig<br />
hinreichende und helfende Aussagen<br />
zu Protokoll.<br />
Das Medieninteresse an der 40-<br />
jährigen Angeklagten ist ungebrochen.<br />
Falls sie, die bis heute kein<br />
Wort ausgesagt hat, aufgrund der<br />
Anspannungen für verhandlungsunfähig<br />
erklärt werden würde,<br />
könnte das den NSU-Prozess zum<br />
Platzen bringen. Nach den Osterferien<br />
wird es wöchentlich nur<br />
noch zwei Verhandlungstage geben.<br />
Deswegen kann der Prozess<br />
bis Januar 2016 andauern.<br />
Sandra Dichtl<br />
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DER PETER NR. 3 — SOMMER <strong>2015</strong>