BABYLON • Reisemagazin für Abenteurer und Weltenbummler • Ausgabe 1/2015
Das Reisemagazin BABYLON erscheint viermal jährlich jeweils zum kalendarischen Jahreszeitbeginn im Verlag ePressGermany • Berlin & Eisenach. Themenschwerpunkte sind: Weltkulturerbe und Weltnaturerbe, Kulturhauptstädte in Europa, Amerika und Arabien, National Landmarks, National- und Naturparks, Historische Ereignisse und Jubiläen, Internationale Sportereignisse, Internationale Tourismusprojekte, Exotische Destinationen und Newcomer, Tourismus in Kriegs- und Krisengebieten, Weltraumtourismus, Reisesicherheit und Reiserecht, aktuelle Informationen von Fremdenverkehrsämtern und Unternehmen. Das Reisemagazin wird ausschließlich digital produziert und veröffentlicht, und zwar in einem für Tablets und Smartphones optimierten PDF-Format. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Inhaber des Verlags, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift ist Klaus-Peter Kaschke, Lic. rer. publ.
Das Reisemagazin BABYLON erscheint viermal jährlich jeweils zum kalendarischen Jahreszeitbeginn im Verlag ePressGermany • Berlin & Eisenach. Themenschwerpunkte sind: Weltkulturerbe und Weltnaturerbe, Kulturhauptstädte in Europa, Amerika und Arabien, National Landmarks, National- und Naturparks, Historische Ereignisse und Jubiläen, Internationale Sportereignisse, Internationale Tourismusprojekte, Exotische Destinationen und Newcomer, Tourismus in Kriegs- und Krisengebieten, Weltraumtourismus, Reisesicherheit und Reiserecht, aktuelle Informationen von Fremdenverkehrsämtern und Unternehmen. Das Reisemagazin wird ausschließlich digital produziert und veröffentlicht, und zwar in einem für Tablets und Smartphones optimierten PDF-Format. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Inhaber des Verlags, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift ist Klaus-Peter Kaschke, Lic. rer. publ.
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Herzlich willkommen.<br />
Nicht ganz willkürlich habe ich diese<br />
eigenwillige <strong>und</strong> mittlerweile wohl<br />
auch reichlich ungewohnte Schrift <strong>für</strong><br />
mein heutiges Editorial gewählt, soll<br />
sie doch meine Verb<strong>und</strong>enheit mit den<br />
Reiseschriftstellern des 19, <strong>und</strong> frühen<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts verdeutlichen,<br />
die bewaffnet mit einer sperrigen<br />
Schreibmaschine unterwegs waren, um<br />
ihre Erinnerungen vor Ort festzuhalten<br />
- <strong>und</strong> das in einer gleichermassen<br />
spannenden wie faszinierenden Welt<br />
voller Geheimnisse <strong>und</strong> weisser Flekken<br />
auf der Landkarte. Selbst Reisen<br />
in heute allseits beliebte Tourismusgebiete<br />
wie Nordafrika oder das Osmanische<br />
Reich standen nur einigen wenigen offen. Ihre<br />
spannenden, heute mitunter bizarr erscheinenden Reportagen<br />
wurden von den Daheimgebliebenen mit grossen Augen<br />
verschlungen ...wobei der Wahrheitsgehalt mitunter<br />
nur eine marginale Rolle spielte wie in den Erzählungen<br />
eines gewissen Karl May. An seinem literarischen<br />
Stil möchten wir uns gern orientieren; an seiner überaus<br />
üppigen Phantasie etwas weniger.<br />
Das <strong>BABYLON</strong>-Magazin wird zunächst alle drei Monate<br />
erscheinen <strong>und</strong> <strong>für</strong> Sie als Leser ein breites Spektrum an<br />
Reisegeschichten <strong>und</strong> -informationen bereithalten, wobei<br />
ein Hauptaugenmerk auf umfangreiche Berichterstattung<br />
<strong>und</strong> eine üppige Illustrierung gelegt werden soll,<br />
um so eine Brücke zwischen der traditionellen Reiseliteratur<br />
<strong>und</strong> den Sehgewohnheiten des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
zu schlagen. Und nun viel Spassß <strong>und</strong> Start frei <strong>für</strong> die<br />
erste <strong>Ausgabe</strong>. Mögen ihr<br />
noch viele weitere<br />
folgen. Ihr
Die Themen in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
Marrakesch<br />
Der Djema el Fnaa, der<br />
zentrale Marktplatz der<br />
marokkanischen Metropole,<br />
gilt als einer der größten<br />
Touristenmagnete des<br />
afrikanischen Kontinents<br />
Seite 9<br />
Färöer Inseln<br />
Nicht einmal 50.000 Menschen<br />
leben auf den Färöer<br />
Inseln im Nordatlantik.<br />
Unter Skandinavien-<br />
Insidern gelten sie als letzter<br />
großer Geheimtipp –<br />
<strong>und</strong> das in jeder Hinsicht.<br />
Seite 28<br />
Siehe auch<br />
Seite 42<br />
Jekaterinburg<br />
Zu Sowjetunion-Zeiten <strong>für</strong><br />
Ausländer komplett gesperrt,<br />
steht die Großstadt an der<br />
Grenzlinie zwischen Europa<br />
<strong>und</strong> Asien Besuchern jetzt<br />
wieder offen.<br />
Santo Domingo<br />
Die Hauptstadt der Dominikanischen<br />
Republik lädt mit<br />
einer Vielzahl an historischen<br />
Gebäuden zu spannenden<br />
Exkursionen auf den Spuren<br />
von Christoph Kolumbus ein.<br />
Mostar<br />
Die Stari Most über die Neretva<br />
wurde nach ihrer Zerstörung<br />
zwar wieder aufgebaut,<br />
der Nationalitätenkonflikt<br />
schwelt unterschwellig<br />
aber immer noch weiter.<br />
Seite 50<br />
Seite 76<br />
Seite 95
<strong>BABYLON</strong> HEFT 1<br />
FRÜHJAHR <strong>2015</strong><br />
Editorial zur Frühjahrsausgabe 2<br />
Wir über uns<br />
Warum noch ein neues Tourismusmagazin? 7<br />
Marrakesch<br />
Die Perle des Maghreb: Der Spagat zwischen 9<br />
kulturhistorisch wertvollen Baudenkmälern<br />
<strong>und</strong> billigem Touristennepp.<br />
Tajine: Die faszinierende Welt der marokka- 24<br />
nischen Küche<br />
Tajine mit Rindfleisch á la „Riad Tizguy“ 26<br />
Färöer Inseln<br />
Rauhe Schönheit in der Abgeschiedenheit 28<br />
des Nordatlantik – eine vorbehaltlose Liebes<br />
erklärung an die stolzen Färinger<br />
Nationalstolz auf Postwertzeichen: Die Brief- 42<br />
marken der „Postverk Føroya“<br />
Jekaterinburg<br />
Der lange Schatten der letzten Zarenfamilie: 50<br />
Eine Stippvisite im Mekka der russischen<br />
Monarchisten<br />
Flughafen Kolzowo: Sprungbrett nach Asien 69<br />
Santo Domingo<br />
Historische Authentizität <strong>und</strong> morbider Charme 76<br />
Nicht nur die 1521 errichtete Basilica Santa<br />
María la Menor de la Virgen de la Anunciación<br />
als älteste erbischöfliche Kathedrale auf dem<br />
amerikanischen Kontinent erinnert an die<br />
wechselvolle Geschichte der Karibikmetropole<br />
Mostar Einschußlöcher, Friedhöfe <strong>und</strong> Landminen: 95<br />
Noch immer sind die Spuren des blutigen<br />
Bürgerkrieges allgegenwärtig.
Teutoburger Wald:<br />
„Ich Germanicus – Feldherr, Priester 46<br />
Superstar“. Ausstellung zum 2000. Jubiläum<br />
der Germanicus-Schlacht im „Museum <strong>und</strong><br />
Park Kalkriese.<br />
New York:<br />
Zwei ambitionierte Projekte öffnen in diesen 72<br />
Tagen in der Millionenmetropole ihre Pforten:<br />
Vom „One World Observatory“ eröffnet sich ein<br />
atemberaubender Ausblick auf „Big Apple“,<br />
das „Whitney Museum of American Art“ zieht<br />
in sein neues Domizil im Meatpacking District“<br />
Airline News:<br />
Drei neue „Germania“-Flüge in den Iran 112<br />
„WOW air“: Für 169 Euro via Reykjavík über 113<br />
den großen Teich<br />
„Air Astana“: Preiswerte Liegemöglichkeiten 115<br />
in der „Economy Sleeper Class“<br />
„Icelandair“: „Aurora Borealis“-Lichteffekte 117<br />
„Azal Air“: Direkt von Berlin nach Baku 118<br />
Ostseeradeln:<br />
Mit dem ADFC bis nach Sankt Petersburg 119<br />
So<strong>und</strong> of Music:<br />
Ausgewählte Musikempfehlungen zu den Reise- 120<br />
themen dieser <strong>Ausgabe</strong>:<br />
Marrakesch:<br />
Jekaterinburg:<br />
Färöer Inseln:<br />
Page & Plant<br />
Nautilus Pompilius<br />
Eivør Pálsdóttir<br />
Týr<br />
Lena Anderssen<br />
Porzellanwelten Leuchtenburg:<br />
Scherben bringen Glück: Vom „Skywalk der 122<br />
Wünsche“ auf der Leuchtenburg bei Kahla<br />
können Besucher ein beschriftetes Porzellanstück<br />
in die Tiefe werfen<br />
Impressum 127
Wir über uns:<br />
Das BABY<br />
BYLO<br />
N-Konzept<br />
Am Anfang stand die ganz gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Frage: Braucht die Welt angesichts<br />
einer Vielzahl an Tourismuszeitschriften,<br />
Fachmagazinen <strong>und</strong><br />
ähnlichen Publikationen <strong>für</strong> Urlaubsreisende,<br />
Globetrotter, Business-Traveller<br />
oder Partytouristen, angesichts<br />
einer Unmenge an Blogs, Websites<br />
<strong>und</strong> Facebook-Veröffentlichungen<br />
wirklich noch eine weitere Tourismuszeitschrift?<br />
Die Antwort ist so einfach<br />
wie naheliegend: Gr<strong>und</strong>sätzlich nicht.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich brauchen wir Frieden,<br />
Völkerverständigung <strong>und</strong> Respekt voreinander,<br />
unseren verschiedenen Kulturen<br />
<strong>und</strong> der mannigfaltigen Geschichte,<br />
die uns alle mehr oder weniger<br />
verbindet…<strong>und</strong> <strong>für</strong> viele einen<br />
maßgeblichen Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> darstellt,<br />
immer wieder auf Reisen zu gehen,<br />
mitunter in die abgelegensten Gegenden<br />
der Welt, um neue Erfahrungen<br />
zu sammeln <strong>und</strong> mit Menschen in<br />
Kontakt zu kommen, die wir niemals<br />
in der U-Bahn oder im Supermarkt<br />
treffen würden. Und genau deswegen,<br />
weil es so viele verschiedene Arten des<br />
Reisens gibt, weil wir alle andere Interessen<br />
haben <strong>und</strong> eben nicht alle<br />
den gleichen Lustgewinn verspüren,<br />
wenn wir uns zwei Wochen lang ohne<br />
jegliche Betätigung auf dem Teutonengrill<br />
in Mallorca im eigenen Saft rollen,<br />
lautet die Antwort auf unsere Frage<br />
natürlich auch: Ja! Als <strong>Reisemagazin</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Abenteurer</strong> <strong>und</strong> <strong>Weltenbummler</strong><br />
wendet sich <strong>BABYLON</strong> insbesondere<br />
an jene Leser, die gern einmal<br />
ausgetretene Pfade verlassen <strong>und</strong><br />
offen sind <strong>für</strong> neue Ziele – die wir in<br />
Europa genauso finden wie in Asien,<br />
Afrika, in der Südsee oder in Nordamerika.<br />
Was nicht bedeuten soll, daß wir<br />
nur Destinationen wie Afghanistan<br />
oder Somalia unter die Lupe nehmen<br />
– ganz im Gegenteil, wie auch die erste<br />
<strong>Ausgabe</strong> mit dem Titelthema „Marrakesch“<br />
beweist, das ja nun sicherlich<br />
kein „Terra incognita“ im eigentlichen<br />
Sinne darstellt. Das umfangreiche<br />
Themenspektrum soll hier<br />
nicht noch einmal lang <strong>und</strong> breit erläutert<br />
werden, das finden Sie, liebe<br />
Leser, übersichtlich aufgegliedert in<br />
unserer Eigenanzeige auf der vorletzten<br />
Seite. Last but not least: Obwohl<br />
wir alle erfahrene Reisende <strong>und</strong> langjährige<br />
Journalisten sind, lernen wir<br />
natürlich nie aus. Deswegen sind wir<br />
fest davon überzeugt, daß jedes Heft<br />
ein bißchen besser als das vorhergehende<br />
wird. Halten Sie uns die Treue!
Nur in den Wintermonaten läßt sich von Marrakesch aus das<br />
schneebedeckte Atlasgebirge erkennen – im Sommer ist es<br />
selbst nach einem Platzregen zu staubig. Die komplette Altstadt<br />
wird von einer imposanten Mauer geschützt, die Eindringlinge<br />
abschrecken sollte (oben). Alles andere als geruhsam<br />
geht es im Souq der Millionenstadt zu (unten).
WELTKUL<br />
ULTUR<br />
TURERBE<br />
Eine Zeitreise in die Märchen aus 1001 Nacht<br />
…mit viel Licht <strong>und</strong> ebenso viel Schatten<br />
Spagat zwischen kulturhistorisch<br />
wertvollen Baudenkmälern <strong>und</strong><br />
billigem Touristen-Nepp<br />
Es muss schon ein unglaublich morbides <strong>und</strong> blutrünstiges Spektakel<br />
gewesen sein, das die mittelalterlichen Wüstenherrscher ihren treuen<br />
Untertanen in regelmäßigem Abstand auf dem weitläufigen „Djemaa<br />
el Fna“ in unmittelbarer Nähe der imposanten Koutoubia-Moschee im<br />
Herzen der marokkanischen Königsstadt Marrakesch kredenzten. Um<br />
die Stärke <strong>und</strong> Unbesiegbarkeit ihrer martialischen Truppen unter Beweis<br />
zu stellen <strong>und</strong> ihre erfolgreichen Beutezüge zu feiern, ließen die<br />
Almohaden-Sultane einer großen Zahl von Gefangenen die Köpfe abschlagen<br />
<strong>und</strong> auf langen Stangen aufspießen, bis sie irgendwann von<br />
den hungrigen, überall auf dem Marktplatz <strong>und</strong> den Dächern des angrenzenden<br />
Souq herumlungernden Raubvögeln zerfleddert wurden.<br />
So zumindest besagen es die zahllosen, traditionell mit jeder Menge<br />
orientalischer Fantasie angereicherten <strong>und</strong> ausgeschmückten Überlieferungen<br />
über den „Platz der Geköpften“, wie der „Djemaa el Fna“<br />
gern bezeichnet wird – auch wenn die eigentliche Übersetzung eher<br />
„Versammlung der Toten“ bedeuten würde.<br />
Obwohl sie bis heute nichts von ihrer maghrebinischen<br />
Exotik eingebüßt hat, geht es in der marokkanischen<br />
Berberstadt Marrakesch, die wegen<br />
ihrer Brückenfunktion zwischen dem Atlas-Gebirge<br />
<strong>und</strong> der Sahara weithin als „Tor nach<br />
Schwarzafrika“ gilt <strong>und</strong> früher eine wichtige<br />
Rolle beim Sklavenhandel spielte, mittlerweile<br />
deutlich gesitteter zu – wenngleich<br />
ein ausgiebiger Spaziergang<br />
durch den verwinkelten Souq durchaus<br />
zu klaustrophobischen Anfällen führen<br />
kann. Kilometerweit ziehen sich die<br />
11
düsteren Gänge durch den zu allen Tages<strong>und</strong><br />
Nachtzeiten belebten Basar mit seinen<br />
unzähligen Souvenirständen, Gewürzläden,<br />
Schmuck- <strong>und</strong> Bekleidungsgeschäften oder<br />
kleinen Imbissbuden. Auch zahlreiche Handwerker<br />
gehen im Souq ihrem Beruf nach,<br />
um aus dünnem Blech die beliebten marokkanischen<br />
Lampen zu fertigen oder alte Autoreifen<br />
in grobschlächtige Gebrauchsgegenstände<br />
zu verwandeln. Mittendrin hämmern<br />
Schmiede auf ihren Ambossen herum<br />
<strong>und</strong> erzeugen einen ohrenbetäubenden<br />
Lärm, der nur noch vom Knattern der Motorroller<br />
übertönt wird, die sich in schier endloser<br />
Prozession durch die engen Gänge<br />
quetschen – ohne Rücksicht auf<br />
Verluste. Vor allem in den<br />
Abendst<strong>und</strong>en gibt es fast kein<br />
Durchkommen mehr. In langen<br />
Schlangen schieben sich Heerscharen<br />
von Touristen an den<br />
Auslagen entlang, um immer<br />
mehr die Orientierung zu verlieren<br />
– ein wahres Eldorado <strong>für</strong><br />
Taschendiebe, die sich in dem<br />
beängstigenden Labyrinth bestens<br />
auskennen <strong>und</strong> innerhalb<br />
von Sek<strong>und</strong>en <strong>für</strong> immer im Nirwana<br />
verschw<strong>und</strong>en sind.<br />
Eine seltsame Metamorphose<br />
durchläuft auch der „Djemaa el<br />
Fna“, der wegen seiner Einzigartigkeit<br />
im Jahr 2001 in die UNESCO-Liste<br />
des „Mündlichen <strong>und</strong> immateriellen Welterbes“<br />
aufgenommen wurde. Schon in den frühen<br />
Morgenst<strong>und</strong>en tummeln sich neben unzähligen<br />
Einheimischen <strong>und</strong> einer ständig zunehmenden<br />
Anzahl an Touristen aus Europa,<br />
Nordamerika <strong>und</strong> Fernost auch unzählige<br />
Händler <strong>und</strong> Gaukler auf dem „Djemaa<br />
el Fna“, die farbenfroh <strong>und</strong> lautstark um Aufmerksamkeit<br />
buhlen. Um die Musiker,<br />
Schlangenbeschwörer, Vorleser <strong>und</strong> Wahrsager<br />
bilden sich schnell große Zuschaueransammlungen<br />
– doch wer das bunte Treiben<br />
fotografieren möchte, sollte immer ausreichend<br />
Kleingeld in der Tasche haben. Sobald<br />
ein Tourist die Kamera auf die Darsteller<br />
richtet, wird die Hand aufgehalten. Wer<br />
nicht bezahlt oder einen zu geringen Obolus<br />
entrichtet, kann schnell erfahren, daß es<br />
mit der scheinbar überbordenden Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
der „Künstler“ mitunter nicht<br />
weit her ist.<br />
Auch die pittoresken, mit ihren schellenbehangenen<br />
Spitzhüten weithin erkennbaren<br />
Wasserverkäufer, die auf dem „Djemaa<br />
el Fna“ inmitten des Trubels herumwuseln,<br />
wachen mit Adleraugen darüber, daß niemand<br />
sie ohne Gegenleistung in Form klingender<br />
Münze ablichtet, weil es ihre einzige<br />
wirkliche Einnahmequelle darstellt. Daß sie<br />
aus ihren schmuddeligen Gefäßen wirklich<br />
Trinkwasser an ahnungslose Passanten ver-
Impressionen vom berühmtesten Platz Marrakeschs, dem Djemaa el Fna, auf dem vom frühen<br />
Morgen bis in die späten Nachtst<strong>und</strong>en Sänger, Gaukler, Wasserträger, Droschkenkutscher,<br />
Schlangenbeschwörer <strong>und</strong> Delikatessenhändler um die Gunst <strong>und</strong> finanziellen Zuwendungen<br />
der Touristen buhlen. Die romantische Abendstimmung täuscht allerdings etwas über das<br />
mehr als rührige Treiben auf dem Marktplatz hinweg. Auf das legendäre Café „Argana“ (unten<br />
rechts) wurde im Jahr 2011 ein Bombenanschlag verübt, der zahlreichen Menschen das Leben<br />
kostete, darunter auch ausländischen Touristen.
zehn oder h<strong>und</strong>ert Kamele ob ihres scheinbar<br />
auffälligen Liebreizes auch noch freuen<br />
mag, spätestens bei der fünften diesbezüglichen<br />
Offerte reicht es dann aber auch der<br />
geduldigsten Seele.<br />
In den Abendst<strong>und</strong>en, unmittelbar nach<br />
Sonnenuntergang, verwandelt sich der „Platz<br />
der Gehenkten“ in eine riesige Freiluftgaststätte.<br />
Innerhalb von Minuten werden die<br />
Markstände abgebaut <strong>und</strong> durch Garküchen<br />
ersetzt, die nicht nur traditionelle marokkanische<br />
Tajine anbieten, sondern auch moderne<br />
europäische Gerichte auf ihrer Speisekarte<br />
haben. Das etwas schmuddelige Ambiente mit<br />
kaufen, dürfte eher ins Reich der Legenden<br />
gehören. Vom „Djemaa el Fna“ sind sie aber<br />
ebenso wenig wegzudenken wie die marokkanischen<br />
Tourismuspolizisten, die wenigstens<br />
<strong>für</strong> ein Fünkchen Ordnung <strong>und</strong> Sicherheit<br />
sorgen <strong>und</strong> einen wichtigen Beitrag leisten,<br />
daß Taschendiebstähle, Handgreiflichkeiten<br />
<strong>und</strong> sexuelle Übergriffe nicht überhand<br />
nehmen. Und so sehr sich manche blonde<br />
Dame beim ersten Tauschangebot gegen<br />
ungemütlichen Bierzelt-Bänken <strong>und</strong> kaltem<br />
Neonlicht ist allerdings nicht jedermanns Geschmack.<br />
Da<strong>für</strong> bieten die umliegenden Restaurant<br />
wie das legendäre „Café Argana“ mit<br />
ihren Terrassen bis weit nach Mitternacht einen<br />
hervorragenden Ausblick auf den „Djemaa<br />
el Fna“. Allerdings war das „Argana“<br />
im April 2011 Ziel eines Terroranschlags, der<br />
zunächst der Al-Qaida zugeschrieben wurde,<br />
bis heute aber als unaufgeklärt gilt. Unter den<br />
17 Menschen, die bei der Explosion einer ferngezündeten<br />
Bombe ihr Leben verloren, befanden<br />
sich 14 Touristen. Das gern beschwo-
ene <strong>und</strong> durch die Präsenz der Tourismuspolizei<br />
verstärkte Gefühl der Sicherheit ist<br />
demnach ausgesprochen trügerisch. Allerdings<br />
ist es seither in Marokko im Vergleich<br />
zu anderen arabischen Staaten vergleichsweise<br />
ruhig geblieben, da es keine revolutionären<br />
Umstürze wie in Tunesien, Libyen<br />
oder Ägypten gab – König Mohammed VI.<br />
regiert mit starker Hand <strong>und</strong> läßt wenig Widerspruch<br />
zu.<br />
Wahres Eldorado <strong>für</strong><br />
Architekturliebhaber<br />
Neben den – nicht zuletzt wegen preiswerter<br />
Flüge aus Mittel- <strong>und</strong> Nordeuropa – zunehmend<br />
in Marrakesch einfallenden Party-Touristen<br />
kommen vor allem Kenner der<br />
nordafrikanischen Architektur in der Altstadt<br />
von Marrakesch auf ihre Kosten. Zu den<br />
markantesten Sehenswürdigkeiten der „Perle<br />
des Südens“, wie die alte Oasenstadt gern<br />
bezeichnet wird, zählt die vom Almohaden-<br />
Herrscher Abd al-Mu’min errichtete <strong>und</strong> im<br />
Jahr 1158 eingeweihte Koutoubia-Moschee,<br />
die mit ihrem 77 Meter hohen Minarett alle<br />
anderen historischen Gebäude der Stadt weit<br />
überragt. Das bis zu 30 Kilometer weit sichtbare<br />
Wahrzeichen Marrakeschs wurde unmittelbar<br />
nach der Eroberung der damals<br />
noch dünn besiedelten Wüstenstadt auf dem<br />
F<strong>und</strong>ament eines früheren almoravidischen<br />
Palastes errichtet <strong>und</strong> liegt idyllisch zwischen<br />
Palmengärten <strong>und</strong> Orangenhainen. Als eine<br />
der ältesten Moscheen Marokkos war sie seit<br />
jeher ein Vorbild <strong>für</strong> viele islamische Sakralbauten<br />
in Nordafrika, so daß sich in ganz<br />
Marokko ähnlich gestaltete Minarette finden<br />
lassen. Der Zutritt ist <strong>für</strong> Nicht-Muslime allerdings<br />
ausnahmslos verboten – dies gilt<br />
übrigens <strong>für</strong> alle Moscheen in Marokko.<br />
Die Medina von Marrakesch, die bereits<br />
1985 in ihrer Gesamtheit zum UNESCO-<br />
Weltkulturerbe erhoben wurde, säumt eine<br />
imposante, zwölf Kilometer lange Stadtmauer,<br />
die von über 200 Türmen geziert wird.<br />
Durch 32 Tore fließt der Verkehr – eher be-
Das Minarett der 77 Meter hohen<br />
Koutoubia-Moschee gilt als Wahrzeichen<br />
Marrakeschs <strong>und</strong> ist bis zu<br />
30 Kilometer weit sichtbar.<br />
schaulich wie am kleinen Bab Ghemat<br />
im Norden des Souqs oder mit<br />
voller Wucht wie am Bab Nkob,<br />
durch das die Hauptschlagader der<br />
Stadt – die Avenue Mohammed V. –<br />
in die Medina strömt. Als schönstes<br />
Tor gilt das Bab Agnaou aus dem<br />
Jahr 1185 bis 1190, das den westlichen<br />
Zugang zur Kasbah bildet.<br />
Das Bab Ghemat im Norden der Altstadt ist eines<br />
der 32 Tore der imposanten, zwölf Kilometer langen<br />
Stadtmauer mit ihren mehr als 200 Türmen,<br />
die das UNESCO-Weltkulturerbe umschließt.<br />
Kulturhistorisch interessierte Marrakesch-Besucher<br />
sollten sich einen<br />
Besuch der alten Almohaden-Kasbah,<br />
die Ende des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
durch Sultan Jussuf Jakub el Mansour<br />
errichtet wurde, der Saaditengräber<br />
aus dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
sowie des Palais el Badi nicht entgehen<br />
lassen. Auch das Palais de la<br />
Bahia, in dem zu Beginn des 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts die Großwesire des<br />
Sultans residierten, bietet sich <strong>für</strong>
eine Besichtigung an. Ebenfalls zum<br />
Weltkulturerbe zählen die Agdal<strong>und</strong><br />
die Menara-Gärten. Demgegenüber<br />
hat der „Djemaa el Fnaa“<br />
wenig an architektonischen Besonderheiten<br />
zu bieten – sein Bekanntheitsgrad<br />
resultiert vor allem aus<br />
dem orientalischen Flair der Schlangenbeschwörer<br />
<strong>und</strong> Wasserträger.<br />
Der nächtliche Trubel auf dem zentralen<br />
Marktplatz läßt diesen ursprünglichen<br />
Eindruck allerdings<br />
schnell verblassen…<br />
Wer Marrakesch bereisen möchte,<br />
sollte die Hochsommermonate<br />
unbedingt meiden – trotz der Höhenlage<br />
von etwa 450 Meter <strong>und</strong><br />
dem kühlenden Einfluss der naheliegenden<br />
Bergketten wird es bis zu<br />
37° Celsius heiß, darüber hinaus ist<br />
es ausgesprochen staubig. Wegen<br />
des permanent in der Luft schwebenden<br />
Feinstaubs ist das nahegelegene<br />
Atlasgebirge nicht zu sehen, nur<br />
im Winter, wenn in Marrakesch<br />
feuchte <strong>und</strong> kühle Klimabedingunge<br />
herrschen, thronen die schneebedeckten<br />
Berggipfel über dem Horizont<br />
<strong>und</strong> verzieren das Antlitz der<br />
maghrebinischen Perle mit alpinem<br />
Flair.<br />
Etwas abseits des Djemaa el Fna läßt der geschäftige<br />
Touristenrummel deutlich nach. In den kleinen<br />
Altstadtstraßen finden sich komfortable Riads,<br />
in denen der Reisende Ruhe, Entspannung,<br />
<strong>und</strong> eine kühle Dusche findet.<br />
Standesgemäße<br />
Übernachtung im<br />
tradtionellen Riad<br />
Hotels aller Kategorien können<br />
problem- <strong>und</strong> risikolos über gängige<br />
Internetportale gebucht werden<br />
– <strong>für</strong> eine wirklich standesgemäße<br />
Übernachtung sollte sich der Besucher<br />
allerdings unbedingt <strong>für</strong> ein<br />
„Riad“ in unmittelbarer Nähe des<br />
„Djemaa el Fna“ entscheiden. Diese<br />
kleinen privaten Paläste, die von<br />
außen völlig unscheinbar wirken,<br />
bieten mit ihren ruhigen, nach oben<br />
offenen Innenhöfen einen angeneh-<br />
Typisch <strong>für</strong> die traditionellen Riads wie das gemütliche<br />
„Tizgui“ sind die nach oben offenen Innenhöfe<br />
– wahre Oasen der Ruhe <strong>und</strong> Beschaulichkeit,<br />
an die sich die traditionell eingerichteten<br />
Gästezimmer anschließen.
Von oben links im Uhrzeigersinn: Die Innenstadt von Marrakesch ist offiziell <strong>für</strong><br />
Kraftfahrzeuge gesperrt. Kutsche an der Koutoubia. Alltagsleben abseits der<br />
Touristenpfade. Beliebte Souvenirs. Straßenschild an der Avenue Mohammed V.
men Kontrapunkt zum quirligen Leben<br />
in den Straßen der Medina.<br />
Gepflegte Doppelzimmer in historischen<br />
Riads wie dem „Tizgui“ sind –<br />
zumindest außerhalb der Hauptsaison<br />
– bereits ab 40 Euro pro Nacht<br />
zu bekommen, <strong>und</strong> das inklusive<br />
Frühstück. Auf Nachfrage bieten viele<br />
Riads auch einen Kochkurs zur Zubereitung<br />
des Nationalgerichts „Tajine“<br />
– das in einem Keramik-<br />
Schmorgefäß gegart wird – <strong>und</strong> diverser<br />
Vorspeisen an, der zumeist<br />
von der Dame des Hauses geleitet<br />
wird. Für die frischen Zutaten <strong>für</strong><br />
sechs bis acht Personen sowie die<br />
Unterweisung durch eine erfahrene<br />
einheimische Köchin werden etwa<br />
50 Euro fällig (siehe Seite 26).<br />
Ein weiterer idealer Ausgangspunkt,<br />
um die Exotik dieser zauberhaften,<br />
<strong>für</strong> ihre Düfte <strong>und</strong> Klänge<br />
weltweit bekannten Stadt zu erk<strong>und</strong>en,<br />
ist das „Riad Sable Chaud“ im<br />
Bab-Doukkala-Viertel in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft des „Majorelle-<br />
Garten <strong>und</strong> dem „Djemaa el Fna“.<br />
Das „Riad Sable Chaud“ in der Medina<br />
ist ein gehobenes Bed & Breakfast<br />
im Stile eines Boutique-Hotels<br />
<strong>und</strong> verfügt neben einem w<strong>und</strong>erschönen<br />
Innenhof auch über einen<br />
exklusiven Spa-Bereich. Gäste können<br />
bei der Unterkunft zwischen fünf<br />
verschiedenen Themen-Zimmern –<br />
<strong>und</strong> zwar Beduine, Berber, Touareg,<br />
Afrika <strong>und</strong> Oase – wählen. Auf An-
frage besteht die Möglichkeit, das<br />
„Riad Sable Chaud“ auch exklusiv,<br />
beispielsweise <strong>für</strong> eine unvergeßliche<br />
Hochzeitsreise oder eine Reise-<br />
Gruppe, zu mieten. Eine weitere Besonderheit<br />
des „Riad Sable Chaud“<br />
ist, daß sich der Gast jeden Morgen<br />
sein eigenes frisches Brot bakken<br />
lassen kann, befindet sich doch<br />
gleich in der Nähe des Riad der historische<br />
Stadt-Holzofen, wo bis<br />
heute vor den Augen der wartenden<br />
K<strong>und</strong>en gebacken wird.<br />
Preislich scheint es weder nach unten<br />
noch nach oben Grenzen zu geben.<br />
So kann das Doppelzimmer im<br />
luxuriösen, allerdings etwas außerhalb<br />
liegenden Vier-Sterne-Hotel<br />
„Kasbah Chwiter“ mitunter <strong>für</strong> 19<br />
Euro inklusive Frühstück gebucht<br />
werden, auf der anderen Seite<br />
schlagen Fünf-Sterne-Häuser wie<br />
das „Ksar Char Bagh“ oder „La<br />
Sultana Marrakech“ mit über 400<br />
respektive fast 600 Euro pro Nacht<br />
<strong>und</strong> Doppelzimmer recht üppig zu<br />
Buche. Die teuersten Riads liegen<br />
Das „Riad Sable Chaud“ in der Medina verfügt über<br />
fünf verschiedene Themenzimmer sowie einen Spa-<br />
Bereich.<br />
etwa in der Mitte bei 200<br />
Euro. Als preiswertes Fünf-<br />
Sterne-Hotel gilt das „Riad<br />
Mogador Agdal Hotel“ <strong>für</strong><br />
etwa 75 Euro.<br />
Im Wachsen begriffen ist<br />
auch der ländliche Tourismus<br />
im Umfeld von Marrakesch.<br />
Bestes Beispiel<br />
da<strong>für</strong> ist das „Dar Souihla<br />
Les Dars d’Orient Hotel“<br />
etwas außerhalb des Vororts<br />
Menara. In einem ehemaligen<br />
Gestüt eingerichtet,<br />
wurden die ruhig gelegenen<br />
Hotelzimmer mit<br />
geschmackvollem, an der<br />
marokkanischen Tradition<br />
orientiertem Mobiliar ausgestaltet.<br />
Das Vier-Sterne-Hotel verfügt über einen<br />
Außen-Pool <strong>und</strong> bietet sich in den Sommermonaten<br />
<strong>für</strong> erholungssuchende Familien mit<br />
Kindern an. In den Wintermonaten ist es allerdings<br />
wenig zu empfehlen, nicht zuletzt durch<br />
die Entfernung zur Innenstadt – insbesondere,<br />
wenn kein Mietwagen zur Verfügung steht, zu-<br />
Nach Berber-Sitte gestaltete Sitzecke im<br />
„Dar Souihla Les Dars d’Orient Hotel“
mal die mehr als einstündige Fahrt im<br />
übervollen Linienbus möglichst nicht<br />
nach Sonnenuntergang unternommen<br />
werden sollte.<br />
Marrakesch – die „afrikanischste“ der<br />
vier marokkanischen Königsstädte – ist<br />
hervorragend über den internationalen<br />
Flughafen Menara zu erreichen,<br />
der sich nur vier Kilometer vom Stadtzentrum<br />
entfernt befindet <strong>und</strong> neben<br />
renommierten Carriern wie Lufthansa<br />
oder Royal Air Maroc auch von zahlreichen<br />
Low-Cost-Carriern angeflogen<br />
wird. Flüge sind bei rechtzeitiger Buchung<br />
schon <strong>für</strong> etwa 110 Euro zu bekommen,<br />
beispielsweise mit EasyJet;<br />
die Zeiten, in denen Billigflieger One-<br />
Way-Flüge <strong>für</strong> zehn Euro – <strong>und</strong> mitunter<br />
sogar weniger – anbieten konnten,<br />
scheinen allerdings der Vergangenheit<br />
anzugehören. Vom Flughafen Menara<br />
aus verkehren Linienbusse <strong>für</strong> wenige<br />
Dirham bis zur Koutoubia, die<br />
meisten Hotels bieten auch einen Shuttle-Service<br />
an.
Gern bereitet die Dame des Hauses<br />
wie hier im Riad „Tizgui“ mit<br />
ihren Gästen das gleichermaßen<br />
ges<strong>und</strong>e wie schmackhafte<br />
marokkanische Nationalgericht<br />
im irdenen Schmortopf<br />
zu. Die „Tajine“<br />
sollte bei keinem Aufenthalt<br />
in Marrakesch<br />
fehlen.<br />
Der Begriff<br />
„Tajine“<br />
steht dabei sowohl<br />
<strong>für</strong> das Kochgerät<br />
als auch <strong>für</strong> die<br />
darin zubereitete Speise.<br />
Tajine: Die faszinierende Welt<br />
der marokkanischen Küche<br />
Der traditionelle Tajine-Gartopf wird von den Berbern seit Jahrh<strong>und</strong>erten verwendet<br />
<strong>und</strong> ist <strong>für</strong> die fettarme <strong>und</strong> aromaschonende Zubereitung der in ihm<br />
gekochten Speisen mittlerweile weit über die Grenzen Nordafrikas hinaus bekannt.<br />
In Marokko gibt es zwei Arten von Tajine-Schmorgefäßen, <strong>und</strong> zwar die<br />
einfachen, unglasierten <strong>und</strong> aus Lehm oder Ton gebrannten Kasserollen mit<br />
einer rauhen Oberfläche – wie sie zumeist von den Einheimischen verwendet<br />
werden – <strong>und</strong> solche mit einer glatten Glasur, die zumindest früher jedoch<br />
relativ hohen Bleibestandteile aufweisen konnten <strong>und</strong> vor allem in Restaurants<br />
zu finden sind.<br />
Die Deckel der Tajine-Töpfe sind halbr<strong>und</strong> <strong>und</strong> verfügen am oberen Ende über<br />
ein kleines offenes Schälchen, in das kaltes Wasser eingefüllt wird. Dadurch<br />
kondensiert der beim Schmoren aufsteigende Dampf <strong>und</strong> fließt am Rand in<br />
das Kochgefäß zurück; darüber hinaus kühlt das Wasser den Griff, so daß der<br />
Deckel ohne Topflappen abgenommen werden kann. Durch die massive Bau-
weise der Tajine-Gefäße wird die Wärme gut verteilt, so daß die Speisen bei<br />
entsprechender Flüssigkeitszugabe – sofern überhaupt erforderlich – nicht<br />
anbrennen können. Charakteristisch ist eine lange <strong>und</strong> daher schonende<br />
Zubereitungszeit bei vergleichsweise geringer Wäremezufuhr.<br />
Das Essen schmort mit den Gewürzen im eigenen Saft, wodurch ein überaus<br />
intensives Geschmackserlebnis erzielt wird. Um die Kochzeit zu verringern,<br />
werden heutzutage einige der Zutaten mitunter im Schnellkochtopf vorbereitet,<br />
bevor sie in der Tajine zusammengefügt <strong>und</strong> geschmort werden. Als „Tajine“<br />
wird in Nordafrika nicht nur das traditionelle Dampfkochgefäß, sondern<br />
auch das darin zubereitete Gericht bezeichnet. Nach der Zubereitung werden<br />
die herzhaften Eintopfgerichte mit dem kompletten Gefäß serviert, jeder Gast<br />
bedient sich dann selbst.<br />
Traditionelle Tajine-Schmortöpfe sind sowohl <strong>für</strong> offenes Feuer <strong>und</strong> den<br />
Holzkohlegrill als auch <strong>für</strong> Elektro- <strong>und</strong> Gasherde geeignet, wobei bei letzteren<br />
auf eine gleichmäßige Wärmeverteilung geachtet werden muß. Auch die<br />
Verwendung auf modernen Ceran-Feldern ist möglich, nicht jedoch die Nutzung<br />
von Induktionsplatten.<br />
Für vier Personen wird ein Tajine-Topf von etwa 30 bis 35 Zentimeter Durchmesser<br />
empfohlen. Über das Internet sind unglasierte Schmortöpfe dieser<br />
Größe ab etwa 25 Euro einschließlich Versand erhältlich, glasierte Kasserollen<br />
bereits ab etwa 45 Euro; die Preise variieren stark <strong>und</strong> können bis weit<br />
über 150 Euro reichen. Empfehlenswert ist auch der Erwerb eines passenden<br />
Tajine-Stövchens.
Tajine mit Rindfleisch<br />
á la „Riad Tizguy“<br />
Empfehlung von <strong>BABYLON</strong>-Autorin <strong>und</strong> Hobbyköchin Barbara<br />
Pieper aus Berlin-Gatow, basierend auf dem bereits erwähnten<br />
Kochkurs im „Riad Tizgui“ in Marrakesch (<strong>für</strong> vier Personen):<br />
2 bis 3 Eßlöffel Kurkuma ½ Ingwerwurzel, Salz, Pfeffer, Safran<br />
(Gelbwurz), ½ Kürbis, Knoblauch, Petersilie<br />
Marokkanisches Argan- oder ½ Kürbis, 2 Kartoffeln, 4 Zwiebeln<br />
ersatzweise Sonnenblumenöl 4 kleine Zucchini, 4 Möhren<br />
500 Gramm Rindfleisch 200 Gramm Brechbohnen<br />
Zunächst die Zwiebeln in kleine Würfel<br />
schneiden, mit Salz, Pfeffer, Ingwer, Kurkuma<br />
<strong>und</strong> Knoblauch vermischen <strong>und</strong> im<br />
Arganöl (erhältlich in arabischen Lebensmittelgeschäften)<br />
anbraten. Nebenher die<br />
Möhren schälen <strong>und</strong> in Viertelstreifen<br />
schneiden. Brechbohnen waschen <strong>und</strong><br />
halbieren. Kürbis <strong>und</strong> Minizucchinis<br />
schälen <strong>und</strong> ebenfalls halbieren. Zwei<br />
Kartoffeln schälen <strong>und</strong> in Scheiben<br />
schneiden.<br />
Das Rindfleisch mit Petersilie, Salz <strong>und</strong><br />
Pfeffer würzen <strong>und</strong> nach circa zehn Minuten<br />
zu den Zwiebeln geben. Das Ganze<br />
mit etwas Safran würzen. Nach etwa<br />
20 bis 25 Minuten Öl zugeben <strong>und</strong> eventuell<br />
mit etwas Brühe auffüllen. Köcheln<br />
lassen bis das Fleisch weitgehend gar ist<br />
(dauert bis zu zwei St<strong>und</strong>en). Um Zeit zu<br />
sparen, können die Zutaten <strong>für</strong> 30 Minuten im Schnellkochtopf gegart werden.<br />
Das Fleisch zusammen mit den Bohnen <strong>und</strong> den Möhren in die Tajine geben<br />
<strong>und</strong> mit darübergestülptem Deckel auf den Herd oder das Holzkohlenfeuer<br />
stellen. Etwa 20 Minuten später kommen der Kürbis, die Kartoffeln, die<br />
Zucchinistücke <strong>und</strong> die Tomaten hinzu. Alles zusammen köcheln lassen, bis<br />
sämtliche Zutaten gar sind. Im normalen Alltag legt die marokkanische Hausfrau<br />
gern etwas Alufolie – ähnlich wie einen Bratschlauch – über die Zutaten,<br />
ren, dadurch kocht die Tajine schneller durch. Im Schmortopf servieren, dazu<br />
wird Reis oder Fladenbrot gereicht.
Die Altstadt Tinganes in<br />
Tórshavn<br />
Kirkjubøur auf der<br />
Insel Streymoy<br />
Walfänger-Fischerdorf<br />
Nólsoy
NORDLAND<br />
LANDFAHRT<br />
AHRT<br />
Føroyar: Rauhe Schönheit in<br />
der Abgeschiedenheit des<br />
Nordatlantik<br />
Eine Liebeserklärung an die kleinen Färöer<br />
Inseln mit ihren traditionsbewussten<br />
Wikinger-Nachfahren <strong>und</strong> der stolzesten<br />
Fußball-Nationalmannschaft der Welt<br />
Ganz Fußball-Europa hatte sich krumm <strong>und</strong> scheckig gelacht, als<br />
die bis dato völlig unbekannte Nationalmannschaft der kleinen <strong>und</strong><br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer abgeschiedenen Lage nicht minder unbekannten Färöer<br />
Inseln im Herbst 1990 in ihrem allerersten offiziellen Europameisterschafts-Qualifikationsspiel<br />
auf die favorisierten Österreicher<br />
traf – <strong>und</strong> die Mannen um B<strong>und</strong>esliga- <strong>und</strong> Primera-División-Stammspieler<br />
wie Toni Polster, Andreas Herzog <strong>und</strong> Peter Pacult vor gerade<br />
einmal 1265 Zuschauern mit 1:0 ins Tal der Tränen schickte.<br />
Da das Stadion in der färöischen<br />
Hauptstadt Tórshavn internationalen<br />
Ansprüchen nicht genügte, mußte<br />
das „Heimspiel“ noch dazu im<br />
schwedischen Landskrona ausgetragen<br />
werden – <strong>und</strong> die auf der gesamten<br />
nordatlantischen Inselgruppe<br />
mit knisternder Spannung erwartete<br />
Live-Übertragung des Färöischen<br />
Radios funktionierte auch<br />
nicht, weil die Leitung pünktlich zu<br />
Spielbeginn zusammengebrochen<br />
war. 10:0 würden sie gewinnen,<br />
hatten die Österreicher – immerhin<br />
Teilnehmer der Fußball-WM im gleichen<br />
Jahr in Italien – vor dem Spiel<br />
getönt. Daß es nicht so kam, da<strong>für</strong><br />
konnten sich die färöischen Amateure<br />
vor allem bei ihrem Torschützen<br />
Torkil Nielsen (gleichzeitig einer der<br />
besten Schachspieler des Landes) <strong>und</strong><br />
Torwart-Legende Jens Martin Knudsen<br />
von NSÍ Runavík bedanken. Der<br />
dreifache Meister im Turnen, Handball-Nationaltorhüter<br />
<strong>und</strong> Berufskraftfahrer<br />
einer Fischfabrik hatte<br />
mannhaft alle Schußversuche der<br />
Österreicher pariert <strong>und</strong> sie regelrecht<br />
zur Verzweiflung getrieben.<br />
Fast 20.000 Menschen feierten die<br />
Mannschaft nach ihrer Rückkehr in<br />
Tórshavn, <strong>und</strong> bis heute werden<br />
Nielsen <strong>und</strong> Knudsen von den etwa<br />
48.000 Einwohnern von Føroyar –
wie die Inselgruppe in färöischer<br />
Sprache heißt – wie stolze Helden<br />
aus einer Wikingersage verehrt.<br />
Auch wenn damals alle weiteren<br />
Qualifikationsspiele verloren gingen<br />
(bis auf ein 1:1 in Nordirland) <strong>und</strong><br />
auch später kaum noch einmal an<br />
das „W<strong>und</strong>er von Landskrona“ angeknüpft<br />
werden konnte, so hatte<br />
die von Páll Guðlaugsson trainierte<br />
Nationalmannschaft der Färöer Inseln<br />
doch nachhaltig da<strong>für</strong> gesorgt,<br />
daß zumindest Fußballfans in ganz<br />
Europa auf das kleine Land im<br />
Nordmeer aufmerksam wurden.<br />
Selbst die deutsche Fußballnationalmannschaft<br />
mußte sich ziemlich<br />
strecken, um die Färöer bei der<br />
Qualifikation zur Fußball-EM 2004<br />
zu bezwingen. In Hannover wurde<br />
mit Mühe ein 2:1-Sieg erkämpft, im<br />
schmucken Tórsvøllur-Stadion von<br />
Tórshavn gelang schließlich ein 2:0-<br />
Auswärtserfolg, nachdem es 89 Minuten<br />
lang 0:0 gestanden hatte. Da<br />
allerdings hatte sich der färöische<br />
Fußball schon deutlich weiterentwikkelt<br />
– denn mit Jens Martin Knudsen<br />
(IF Leiftur/Island <strong>und</strong> Airdrie United/<br />
Schottland) oder Todi Jónsson<br />
(mehrfacher dänischer Meister mit<br />
dem FC Kopenhagen) spielten etliche<br />
Nationalspieler als Profis im<br />
Ausland, <strong>und</strong> das nicht einmal<br />
schlecht. Und von Jahr zu Jahr werden<br />
es mehr.<br />
So kühl <strong>und</strong> distanziert die harten<br />
Nordmänner der Schafinseln, wie<br />
die Färöer übersetzt heißen, auch<br />
auf den ersten Blick erscheinen mögen,<br />
beim Fußball kommt ihr Blut<br />
in Wallung. Wenn die beiden Tórs-<br />
Hoch her geht es beim Lokalderby<br />
zwischen den beiden<br />
Tórshavner Mannschaften von<br />
HB <strong>und</strong> B36 im gemütlichen<br />
Tórsvøllur-Stadion der Hauptstadt.
Tórshavn<br />
Die kleinste<br />
Hauptstadt<br />
der Welt<br />
Die gemütliche, Tinganes genannte Altstadt der kleinen<br />
Hafenmetropole beherbergt auch den Regierungssitz<br />
der Färöer Inseln.<br />
27
Tórshavn
Der Begriff Hektik scheint auf den Färöer Inseln ein<br />
Fremdwort zu sein, entsprechend geruhsam präsentiert<br />
sich der Hafen von Tórshavn den wenigen Besuchern.<br />
Von hier aus verkehren die Fähren zu den anderen Inseln<br />
des nordatlantischen Kleinstaates. Auch das moderne<br />
Hochsee-Passagierschiff „Nörönna“ sticht von<br />
Tórshavn aus in See nach Hanstholm in Dänemark .
Die Pagan-Metal-Band „Týr“ gastiert als musikalischer Botschafter<br />
der Färöer Inseln mit ihrer am traditionellen Kettengesang<br />
angelehnten Rockmusik in ganz Europa <strong>und</strong> Nordamerika,<br />
hier bei einem gefeierten Auftritt in der thüringischen<br />
Kurstadt Bad Salzungen.<br />
havner Lokalrivalen B36 <strong>und</strong> HB<br />
aufeinandertreffen, ist das Stadion<br />
voll <strong>und</strong> die Emotionen kochen hoch<br />
– sowohl auf dem gepflegten Rasen<br />
als auch auf den Tribünen. Während<br />
sich die Spieler gegenseitig gepflegt<br />
die Gräten weghauen, tobt sich das<br />
Publikum auf den Rängen aus <strong>und</strong><br />
legt sich lautstark mit dem Schiedsrichter<br />
an, die Spielerfrauen an vorderster<br />
Front. Hart wird um jeden<br />
Ball gekämpft, nur im Notfall zurückgezogen<br />
– bis zum Pausenpfiff, dann<br />
darf der Nachwuchs ran <strong>und</strong> nach<br />
Herzenslust bolzen, es gibt Kaffee,<br />
Kuchen oder ein kühles Føroya Bjór,<br />
die landestypische Hopfenkaltschale<br />
aus der Brauerei in Klaksvík. Ebenso<br />
schnell, wie die Stimmung explodiert,<br />
schwillt sie wieder ab.<br />
Denn die Bewohner der Färöer<br />
sind eigentlich alles andere als heißblütige<br />
Choleriker – in der Ruhe liegt<br />
die Kraft. Und in der unberührten<br />
Natur, die sie über alles lieben,<br />
ebenso wie ihre uralte, tatsächlich<br />
noch auf die Wikinger zurückgehende<br />
Kultur, ihre Mythen <strong>und</strong> Legenden<br />
<strong>und</strong> nicht zuletzt ihre einzigartige,<br />
nur auf Føroyar gesprochene<br />
altnordische Sprache, eng mit dem<br />
Isländischen verwandt. Für deren<br />
weltweite Verbreitung sorgte nicht<br />
zuletzt die Viking-Metal-Band „Týr“<br />
um Heri Joensen aus Runavík, die<br />
vor allem in den USA vor ausverkauften<br />
Hallen spielt <strong>und</strong> alte färöische<br />
Weisen mit Heavy Metal verbindet,<br />
um die uralten Sagen wieder<br />
zum Leben zu erwecken. Wäh-
end „Týr“ auch in Deutschland auf<br />
eine ganz passable Zahl an treuen<br />
Fans verweisen kann, beschränkt<br />
sich der Bekanntheitsgrad anderer<br />
färöischer Musiker wie Eivør Pálsdóttir,<br />
Lena Anderssen, Høgni Lisberg,<br />
Kristian Blak, Kári Sverrisson, Teitur<br />
Lassen, Teenie-Star Brandur Ennie<br />
oder von Bands wie „Yggdrasil“,<br />
„Ennek“, „Clickhaze“ beziehungsweise<br />
„Tveyh<strong>und</strong>rað“ eher auf den<br />
färöisch- <strong>und</strong> dänischsprachigen<br />
Raum…wobei selbst diese Aufzählung<br />
nur die Spitze des färöischen<br />
Musikeisberges darstellt. Die heimischen<br />
Musiker treten in schöner Regelmäßigkeit<br />
mit ihrer am traditionellen<br />
färöischen Kettengesang orientierten<br />
Songs <strong>und</strong> Kompositionen im<br />
schmucken „Norðurlandahúsið“ auf,<br />
dem „Haus des Nordens“ in der<br />
Hauptstadt Tórshavn. Das geräumige,<br />
vom Nordischen Rat großzügig<br />
mitfinanzierte Kultur- <strong>und</strong> Kongreßzentrum<br />
mit seiner eigenwilligen Architektur<br />
<strong>und</strong> dem in die Landschaft<br />
integrierten Grasdach wurde von<br />
Färingern bei einer Abstimmung zu<br />
einem der sieben färöischen W<strong>und</strong>er<br />
erkoren.<br />
Lohnende<br />
Ausflugsziele:<br />
Kirkjubøur, Risin og<br />
Kellingin oder<br />
Slættaratindur<br />
Zwar erweist sich Tórshavn – angeblich<br />
die kleinste Hauptstadt der<br />
Welt – als moderne Kommune mit<br />
einem gut ausgestatteten Hafen,<br />
Schiffswerft, Universität, einem kleinen<br />
Parlamentsgebäude, etlichen<br />
urigen Kneipen <strong>und</strong> einer sehenswerten<br />
Altstadt, doch außerhalb der<br />
12.000-Einwohner-Ansiedlung geht<br />
es bis heute sehr gemütlich zu. Auf<br />
der Hauptinsel Streymoy befindet<br />
sich nicht nur die kleine Metropole<br />
mit ihrer pittoresken Altstadt, sondern<br />
auch der wildromantische frühere<br />
Bischofssitz Kirkjubøur, von<br />
dem heute noch die Ruine der Magnuskathedrale<br />
aus dem 13. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
sowie der Kirkjubøurgarður,<br />
ein aus der Wikingerzeit stammender<br />
Bauernhof, kündet. 17 der 18<br />
Inseln der Färöer sind bewohnt,<br />
manchmal nur von einer Familie.<br />
Während auf den beiden Hauptinseln<br />
Streymoy <strong>und</strong> Eysturoy über<br />
32.000 Menschen wohnen, leben<br />
auf der Tórshavn vorgelagerten Insel<br />
Koltur gerade einmal zwei Leute,<br />
weitere sechs Inseln haben jeweils<br />
weniger als 100 Bewohner. Eine einzige,<br />
Lítla Dímun, ist gänzlich unbewohnt.<br />
Von der etwas anmaßenden Bezeichnung<br />
„Nabel der Welt“ <strong>für</strong> ihre<br />
Inselgruppe einmal abgesehen, sind<br />
die Färöer eher bescheidene, bodenständige<br />
Menschen, denen Superlative<br />
fremd zu sein scheinen –<br />
wenn auch ohne Gr<strong>und</strong>. Zwar steht<br />
außer Frage, daß die höchste Erhebung<br />
der Inseln, der Slættaratindur,<br />
mit seinen 882 Metern Höhe dem<br />
Mount Everest nicht annähernd das<br />
Wasser reichen kann, doch mit dem<br />
Kap Enniberg können die Färöer<br />
Inseln auf das höchste senkrecht aus<br />
dem Meer ragende Kliff der Welt verweisen<br />
– 754 Meter sind es von der<br />
Felskante bis zur Wasseroberfläche,<br />
knapp zwölf Sek<strong>und</strong>en dauert der<br />
freie Fall, rein rechnerisch…eine<br />
kleine Ewigkeit. Fast 1300 Kilometer<br />
lang ist die Küstenlinie der Färöer,<br />
ein Großteil davon ist rauhe, brachiale<br />
Steilküste, deren Höhe einem<br />
erst so richtig bewusst wird, wenn<br />
man mit einem Kabeljau-Kutter unter<br />
den Felswänden entlangschippert<br />
oder sich zwischen den einzelnstehende<br />
Basaltsäulen an der Küste wie<br />
dem Naturdenkmal „Risin og Kellingin“<br />
(„Riese <strong>und</strong> Weib“) durch-
Kirkjubøur
Risin og<br />
Kellingin<br />
schlängelt. Der Mensch verschmilzt<br />
mit der Natur, mit der urtümlichen<br />
Felslandschaft <strong>und</strong> dem eiskalten<br />
Nordmeer, das so vielen Seefahrern<br />
den nassen Tod gebracht hat. Immer<br />
wieder sind Boote, aber auch<br />
Ozeandampfer im Orkan an den<br />
Steilküsten zerschellt – meist fanden<br />
die Anwohner dann noch ein paar<br />
Bretter, selten mehr.<br />
Manche der rustikalen Häuser auf<br />
den Färöer Inseln sind komplett aus<br />
Strandgut errichtet, das Unwetter<br />
von Holzfrachtern gerissen hatten<br />
<strong>und</strong> dann an der Küste angeschwemmt<br />
wurde – bestes Bauholz<br />
auf einer fast baumleeren Inselgruppe.<br />
Die Bewohner der Färöer Inseln<br />
waren schon immer ein Volk, das<br />
eng mit dem Meer verb<strong>und</strong>en ist;<br />
kein W<strong>und</strong>er, gibt es doch keinen<br />
Punkt, der weiter als fünf Kilometer<br />
von der Küste entfernt liegt. Als Fischer<br />
trotzten sie Wind, Wetter <strong>und</strong><br />
Wellengang, um Kabeljau zu fangen<br />
<strong>und</strong> Wale zu harpunieren. Davon<br />
zeugt beispielsweise das weiße<br />
Ortseinganstor am Hafen der Insel<br />
Nólsoy, das aus einer Walrippe gefertigt<br />
wurde. Angesichts ihrer Verb<strong>und</strong>enheit<br />
mit der Wikingertradition<br />
– allesamt große Jäger <strong>und</strong><br />
Krieger – hält sich ihr Verständnis<br />
<strong>für</strong> das internationale Walfangverbot<br />
in Grenzen, zumal die Jagd auf die<br />
riesigen Meeressäuger den nordamerikanischen<br />
Inuit erlaubt worden<br />
ist.<br />
Was die Europäische Union dazu<br />
sagt, interessiert die Färinger herzlich<br />
wenig: Mit dem Mutterland Dänemark<br />
über ein Assoziationsabkommen<br />
verb<strong>und</strong>en, ansonsten<br />
aber weitgehend autonom mit eige-
Eine Kappe aus Wolken ziert die Insel Hestur, die wie die meisten<br />
Eilande der Faröer Inseln nur von wenigen Menschen bewohnt wird.<br />
nem Regierungschef (den man auch<br />
mal mit Plastiktüte beim Bierholen<br />
im Supermarkt treffen kann), eigenem<br />
Parlament, Nationalhymne,<br />
Fahne <strong>und</strong> Banknoten, hatte das<br />
färöische Løgting – eines der ältesten<br />
Parlamente der Welt – sich <strong>für</strong><br />
einen Austritt der Inselgruppe aus<br />
der Europäischen Union entschieden,<br />
als die Dänen EU-Mitglied wurden.<br />
Grönland übrigens auch. Trotz<br />
internationaler Proteste von Tierschützern<br />
wurde an 17 Strandabschnitten<br />
unter anderem in Sandur,<br />
Fuglafjørður <strong>und</strong> Hvalvík munter<br />
weiter blutige Jagd auf Grindwale<br />
gemacht, so denn welche gesichtet<br />
wurden <strong>und</strong> sich die Tiere vom Meer<br />
aus an das Ufer treiben ließen, wo<br />
sie dann allesamt abgeschlachtet<br />
wurden. Erst vor einigen Jahren<br />
schob die färöische Regierung dem<br />
archaischen „Grindadráp“ einen<br />
Riegel vor – aber nur, weil im Walfleisch<br />
außerordentlich hohe Quecksilber-<br />
<strong>und</strong> PCB-Konzentrationen<br />
gef<strong>und</strong>en worden waren, die beim<br />
Menschen durch den Verzehr Auswirkungen<br />
auf das Nervensystem<br />
haben könnten.<br />
Vom „National Geographic Traveller“<br />
als touristisch wertvollste Insel<br />
der Welt ausgezeichnet, erweisen<br />
sich die Färöer als wirklich interessantes<br />
<strong>und</strong> abwechslungsreiches<br />
Reiseziel – das unendlich viel zu bieten<br />
hat, trotz seiner geringen Größe.<br />
Sei es die uralte Wikinger-Geschichte,<br />
die in den Menschen weiterlebt,<br />
die unberührten Landschaften<br />
oder die einzigartige Fauna <strong>und</strong><br />
Flora mit bunten Papageientauchern,<br />
quirligen Robben oder der
Nólsoy<br />
An die jahrh<strong>und</strong>ertealte Geschichte als Walfängergemeinde erinnert das Tor<br />
am Hafen von Nólsoy, das aus einer einzigen Walrippe gefertigt wurde.
größten Sturmschwalbenkolonie der<br />
Welt weit über dem Meeresspiegel<br />
auf Nólsoy. Vom Hafen aus steht den<br />
Ornithologen, die von weither zum<br />
Beobachten der scheuen Vögel anreisen,<br />
ein gut zweistündiger Fußmarsch<br />
bevor, um das Hochplateau<br />
in 370 Metern zu erreichen – immer<br />
knapp am Abgr<strong>und</strong> entlang.<br />
Dann heißt es warten, bis tief in die<br />
Nacht. Es wird kühl, meistens zieht<br />
Nebel auf, es ist extrem still – <strong>und</strong><br />
tief unter plätschern die riesigen<br />
Wellen an die Felsen.<br />
Im fahlen Licht der Mittsommernächte<br />
ziehen die Wolkenberge über<br />
die kleine Insel, bilden seltsame Figuren<br />
<strong>und</strong> Erscheinungen – riesige<br />
Gestalten, die sich permanent verändern<br />
<strong>und</strong> in Verbindung mit den<br />
eigenwilligen Geräuschen des auf<strong>und</strong><br />
abwallenden Sturmes die heidnische<br />
Geschichte wieder aufleben<br />
lassen. Thor, der Beschützer von<br />
Midgard, erscheint mit seinem magischen<br />
Mjölnír in der Hand, um mit<br />
dem rotbärtigen Wikingerhäuptling<br />
Tróndur í Gøtu zu verschmelzen <strong>und</strong><br />
dann wieder <strong>für</strong> einen kurzen Augenblick<br />
den Blick aufs offene Meer<br />
freizugeben…nur ein paar Kilometer<br />
weg von der Zivilisation mit ihren<br />
Handys <strong>und</strong> Computern <strong>und</strong><br />
doch so weit entfernt wie der Mond,<br />
der das Geschehen mit seinem fahlen<br />
Licht illuminiert. In solchen seltenen<br />
Momenten, umgeben von<br />
Milliarden <strong>und</strong> Abermilliarden Litern<br />
eiskalten Nordpolar-Meerwassers,<br />
wird einem erst so richtig bewusst,<br />
welch unermeßlichen Schatz diese<br />
kleinen Inseln mit ihren ständigen<br />
Wetterwechseln, den peitschenden<br />
Regenfällen <strong>und</strong> der unberechenbaren<br />
See in sich bergen, warum die<br />
Menschen ihre weltabgeschiedene<br />
Heimat so unendlich lieben…<strong>und</strong><br />
soooo stolz sind auf ihre Nationalmannschaft<br />
mit all den Helden von<br />
nebenan wie Torkil Nielsen <strong>und</strong> Jens<br />
Martin Knudsen!<br />
Anreise mit „Atlantic<br />
Airways“ oder der<br />
„Smyril Line“<br />
Die Anreise auf die Färöer Inseln<br />
ist aufgr<strong>und</strong> deren Lage im Nordatlantik<br />
nicht ganz preiswert, wenngleich<br />
doch relativ unkompliziert.<br />
Der erst im vergangenen Jahr mit<br />
einem modernen Abfertigungsgebäude<br />
ausgestattete Flughafen in<br />
Vagár unweit der Gemeinde Sørvágur<br />
wird täglich von der dänischen<br />
Hauptstadt Kopenhagen aus durch<br />
die einzig noch existierende Fluggesellschaft<br />
der Färöer Inseln, die<br />
„Atlantic Airways“, bedient. Frühere<br />
Flugverbindungen durch die dänische<br />
„Mærsk Air“ sowie die färingische<br />
„FaroeJet“ mußten aus Rentabilitätsgründen<br />
eingestellt werden.<br />
Durch das Monopol ist die „Atlantic<br />
Airways“ allerdings sonderlich preiswert.<br />
Die Anreise per RoRo-Fähre ist<br />
zweimal wöchentlich vom dänischen<br />
Hafen Hanstholm als auch vom isländischen<br />
Seyðisfjörður möglich,<br />
letzteres allerdings nur in den Sommermonaten.<br />
In den Wintermonaten<br />
verkehrt die Fähre zwischen den<br />
Färöer Inseln <strong>und</strong> Island ausschließlich<br />
als Frachtfähre, nimmt also keine<br />
Passagiere mit. Die in Lübeck gebaute<br />
<strong>und</strong> 2003 in Dienst gestellte<br />
„Nörönna“ der Schiffahrtsgesellschaft<br />
„Smyril Line“ ist als Auto- <strong>und</strong><br />
Personenfähre konzipiert.
FÄRÖER INSELN<br />
(FØROYAR)<br />
Fläche:<br />
1395,74 km²<br />
Einwohner: 48.345<br />
Hauptstadt:<br />
Tórshavn<br />
Amtssprache:<br />
Färöisch <strong>und</strong> Dänisch<br />
Kfz-Kennzeichen:<br />
FO<br />
Internet-TLD:<br />
.fo<br />
Unabhängigkeit: 1948<br />
Färöische Fußball-Nationalmannschaft:<br />
FIFA-Rangliste:<br />
105<br />
Erstes offizielles Spiel:<br />
1:0 gegen Österreich<br />
Höchster Sieg:<br />
6:0 gegen Grönland<br />
Höchste Niederlage:<br />
0:10 gegen Island<br />
Rekordnationalspieler:<br />
Óli Johannesen<br />
(TB Tvøroyri/83)<br />
Rekordtorschütze:<br />
Rógvi Jacobsen<br />
(ÍF Fuglafjørðu/10)
Beliebtes Spezialsammelgebiet<br />
<strong>für</strong> Philatelisten<br />
aus aller Welt<br />
Unter Briefmarkensammlern gleichermaßen beliebt wie begehrt sind die Postwertzeichen des<br />
1975 gegründeten Unternehmens „Postverk Føroya<br />
øroya“, “, die häufig die Geschichte der Inselgrup-<br />
pe thematisieren oder alte Vikingerlegenden illustrieren. Eine Vielzahl von Briefmarken zeigt<br />
darüber hinaus Motive aus Fauna <strong>und</strong> Flora, architektonisch oder historisch interessante Ge-<br />
bäude sowie Szenen aus Schiffahrt <strong>und</strong> Fischerei sowie der nordischen Mythologie. Auch Werke<br />
der bildenden Kunst finden sich häufig auf den Postwertzeichen wieder. . Mittlerweile legendär<br />
sind die färöischen Weihnachtsmarken sowie Blöcke mit zusätzlichen Aufklebern im Briefmarken-<br />
format mit Advents- - <strong>und</strong> Neujahrswünschen (folgende Seite).<br />
Um die nicht selten beschwerliche<br />
Zustellung der Post auf die entlegenen<br />
Inseln zu gewährleisten, hatte<br />
die dänische Verwaltung Mitte des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts in den einzelnen<br />
Kommunen einen sogenannten<br />
Posthalter ernannt, der die Aufstellung<br />
einer Schiffsmannschaft zu befehligen<br />
hatte, die dann die Post,<br />
aber auch Personen <strong>und</strong> Pakete von<br />
Insel zu Insel transportierte. Alle ges<strong>und</strong>en<br />
Männer zwischen 15 <strong>und</strong> 50<br />
Jahren waren per Gesetz verpflichtet,<br />
sich an der Postbeförderung zu<br />
beteiligen; jede Verweigerung hätte<br />
eine Strafe nach sich gezogen. 1974<br />
beschloß das Parlament, eine nationale<br />
färöische Post aufzubauen, die<br />
ab 1975 ihre eigenen Briefmarken<br />
editierte.<br />
Der Nennwert der Marken wird in<br />
Färöischen Kronen angegeben, die<br />
jedoch identisch mit der dänischen<br />
Währung ist. Zu den namhaftesten<br />
Briefmarkengestaltern der Färöer Inseln<br />
zählen unter anderem der Maler,<br />
Grafiker <strong>und</strong> Kunstbuchautor<br />
Bárður Jákupsson, Edward Fuglø,<br />
Anker Eli Petersen oder der Photograph,<br />
Buchautor <strong>und</strong> Marathonläufer<br />
Absalon Hansen.
Blockausgaben wie hier zum Ersten Weltkrieg, dem Bootsbau<br />
oder zum Fischfang gehören bei Postverk Føroya eher<br />
zur Regel als zur Ausnahme. Zur Zeit ist der Block über den<br />
englischen Reiseberichterstatter George Clayton Atkinson<br />
an den Postschaltern erhältlich (unten)
Hochkarätiges Ausstellungs-Event zum<br />
2000. Jubiläum der Germanicus-Schlacht<br />
im „Museum <strong>und</strong> Park Kalkriese“<br />
Obwohl er sich den rauhbeinigen germanischen Völkern weit überlegen fühlte,<br />
mußte der römische Senator <strong>und</strong> Historiker Publius Cornelius Tacitus in seinem<br />
legendären Geschichtswerk „Germania“ als auch in den wesentlich umfangreicheren<br />
„Annalen“ unumw<strong>und</strong>en einräumen, daß die Truppen des Varus in der mit<br />
großer List <strong>und</strong> Tücke geführten „Schlacht im Teutoburger Wald“ dem Heer von<br />
Armin dem Cherusker hilflos unterlegen waren – eine Schande, die Tacitus mit<br />
Spott, Häme <strong>und</strong> harscher Kritik kommentierte. Geschickt die topographischen Bedingungen<br />
der dicht bewaldeten <strong>und</strong> von tiefen, unzugänglichen Tälern durchzogenen<br />
Landschaft <strong>für</strong> sich nutzend, hatten die Brukterer, Cherusker, Marser <strong>und</strong><br />
Kämpfer anderer germanischer Stämme die Streitmacht des Publius Quinctilius Varus<br />
in eine Falle gelockt.
Die römischen Kohorten bei der Nachstellung der Varusschlacht<br />
vermitteln einen Eindruck von der ausgefeilten<br />
Waffentechnik der damaligen Zeit – doch die schweren<br />
Rüstungen gerieten den Söldnern beim Angriff der<br />
Germanen eher zum Nachteil.<br />
Fotos: Heinz Hoppe | Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH
Dadurch ihre waffentechnische<br />
Unterlegenheit ausgleichend, konnten<br />
die Germanen in einer frühen<br />
asymmetrischen Attacke nahezu die<br />
gesamte – zwar gut gerüstete, aber<br />
dennoch weitgehend unbewegliche<br />
– römische Streitmacht besiegen.<br />
Drei komplette römische Legionen<br />
sowie einheimische Hilfskämpfer –<br />
die sogenannten Auxiliartruppen –<br />
wurden nahezu ausgelöscht; bis zu<br />
20.000 Legionäre <strong>und</strong> Kombattanten,<br />
also etwa ein Achtel der gesamten<br />
römischen Streitmacht, verloren<br />
bei der „Clades Variana“ ihr Leben.<br />
»Quintilius Varus, gib die Legionen<br />
zurück!«, soll Kaiser Augustus ausgerufen<br />
haben, als er die Nachricht<br />
von der Niederlage seines Statthalters<br />
in Germanien erhielt…dieser<br />
Wunsch blieb ihm aber verwehrt.<br />
Im Jahr 15 nach Christus wurde<br />
schließlich der Feldherr Nero Claudius<br />
Germanicus in Marsch gesetzt,<br />
um die Niederlage in der „Varusschlacht“<br />
vergessen zu machen.<br />
Doch auch der Adoptivsohn von<br />
Kaiser Tiberius scheitere bei seinem<br />
Rachefeldzug am zähen Widerstand<br />
der Germanen.<br />
Dem ersten Sieg der germanischen<br />
Krieger unter „Hermann dem Cherusker“<br />
hatte das Museum <strong>und</strong> Park<br />
Kalkriese vor sechs Jahren zum<br />
2000. Jahrestag der Schlacht eine<br />
international viel beachtete Ausstellung<br />
gewidmet. Nun erfahren Besucher<br />
zwischen dem 20. Juni <strong>und</strong><br />
dem 1. November dieses Jahres,<br />
warum auch Germanicus scheiterte,<br />
obwohl ein Drittel der römischen<br />
Streitkräfte unter seinem Befehl<br />
stand.<br />
Wer zudem erleben will, wie der<br />
Alltag von Römern <strong>und</strong> Germanen<br />
vor 2000 Jahren aussah, sollte etwas<br />
Zeit mitbringen, denn auch<br />
dazu bieten Museum <strong>und</strong> Park Kalkriese<br />
Gelegenheit. Das archäologische<br />
Museum im Bramscher Stadtteil<br />
Kalkriese, wo Historiker den<br />
Schauplatz der Varusschlacht anhand<br />
zahlreicher F<strong>und</strong>stücke vermuten,<br />
verfügt über eine weitläufige<br />
Freiluftanlage, in der unter anderem<br />
auch die Ausgrabung historischer<br />
Artefakte gezeigt wird.<br />
kalkriese-varusschlacht.de<br />
Literaturtip:<br />
Die „Germania“ von Tacitus ist<br />
als antiquarische <strong>Ausgabe</strong> bereits<br />
<strong>für</strong> weniger als fünf Euro<br />
erhältlich.
4720
BUSINESS TRAVELLER<br />
Stippvisite im Mekka der<br />
russischen Monarchisten<br />
Nur etwa 20 Kilometer östlich des Urals liegend <strong>und</strong> damit die erste<br />
Großstadt der Russischen Föderation auf dem asiatischen Teil des<br />
Vielvölkerstaates, hat die Stadt Jekaterinburg trotz ihrer Größe von<br />
mehr als 1,3 Millionen Einwohnern außerhalb Rußlands bis heute<br />
kaum einen nennenswerten Bekanntheitsgrad erlangen können. Und<br />
das, obwohl sie in der jüngeren Geschichte der Sowjetunion gleich<br />
in mehrfacher Hinsicht eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Allerdings<br />
war sie bis 1991 komplett <strong>für</strong> Ausländer gesperrt. Seit einigen<br />
Jahren öffnet sich die quirlige Stadt an der Ostflanke des Urals –<br />
eine der Hochburgen der russischen Monarchisten – sowohl internationalen<br />
Investoren als auch Reisenden aus aller Welt.
Vom Dach des 198 Meter hohen „Wyssozki-Turms“ –<br />
dem nördlichsten Wolkenkratzer der Welt – bietet sich<br />
ein atemberaubender Ausblick auf Jekaterinburg (Seite<br />
52). Die Kathedrale auf dem Blut wurde über jenem Keller<br />
errichtet, in dem die Zarenfamilie erschossen wurde.<br />
Im Winter schmücken Eisfiguren mit religiösen Motiven<br />
die Außenanlage des orthodoxen Gotteshauses.
Wenn nach den größten Städten<br />
Rußlands gefragt wird, kommt die<br />
Antwort <strong>für</strong> Platz eins <strong>und</strong> zwei meist<br />
wie aus der Pistole geschossen. Moskau,<br />
Sankt Petersburg. Und dann?<br />
Platz drei nimmt Nowosibirsk ein,<br />
auf Platz vier folgt schon Jekaterinburg<br />
<strong>und</strong> damit eine bis heute im<br />
westlichen Ausland weitgehend unbekannte<br />
Millionenstadt, die nicht<br />
zuletzt deshalb „Terra incognita“ geblieben<br />
ist, weil sie zu Sowjetzeiten<br />
<strong>für</strong> Ausländer, aber auch <strong>für</strong> einen<br />
Großteil der Staatsbürger der UdSSR<br />
gesperrt <strong>und</strong> daher völlig unzugänglich<br />
war. Die Sperrung der 1723 von<br />
Wassili Tatischtschew <strong>und</strong> dem<br />
deutschstämmigen Offizier Georg<br />
Wilhelm Henning (russisch: Gennin)<br />
gegründeten, nach Zargemahlin Katharina<br />
I. benannten <strong>und</strong> von 1924<br />
bis 1991 zu Ehren des gleichnamigen<br />
Bolschewiken-Revolutionäres in<br />
Swerdlowsk umgewidmeten Stadt<br />
hatte zwei gewichtige Gründe: Zum<br />
einen stellt Jekaterinburg bis heute<br />
eine der größten Rüstungsschmieden<br />
des Landes dar, nicht zuletzt weil<br />
erhebliche Stückzahlen der weltkriegsentscheidenden<br />
T-34-Panzer<br />
<strong>und</strong> dessen Nachfolger hier gefertigt<br />
wurden. Eine große Rolle spielt<br />
darüber hinaus die Metallverhüttung<br />
<strong>und</strong> -verarbeitung.<br />
Der zweite Gr<strong>und</strong> ist unmittelbar<br />
mit der Geschichte der damals noch<br />
jungen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken<br />
verknüpft. An der<br />
Stelle, an der seit 2003 die stattliche<br />
Kathedrale auf dem Blut über<br />
der Innenstadt thront, war in der<br />
Nacht vom 16. zum 17. Juli 1918<br />
durch die Bolschewiki die letzte Zarenfamilie<br />
ermordet <strong>und</strong> damit das<br />
Haus Romanow ausgelöscht worden.<br />
Nach seiner Abdankung im<br />
März 1917 – <strong>und</strong> damit noch ein<br />
gutes halbes Jahr vor der Oktoberrevolution<br />
– inhaftierte die nach der<br />
Februarrevolution ausgerufene provisorische<br />
Regierung sowohl Zar<br />
Nikolaus II. als auch einige der engeren<br />
Familienmitglieder, um sie im<br />
Alexanderpalast in der Kleinstadt<br />
Zarskoje Selo unter Hausarrest zu<br />
stellen…nicht zuletzt, um sie vor aufgebrachten<br />
Revolutionären zu beschützen,<br />
die mehrfach Anschläge<br />
angekündigt hatten. Im August<br />
1917 nach Tobolsk in Sibirien deportiert,<br />
sollte der Zar im Jahr 1918<br />
von den gerade erst an die Macht<br />
gekommenen Kommunisten um<br />
Wladimir Iljitsch Lenin ursprünglich<br />
vor Gericht gestellt werden, um ihn<br />
in der neuen Hauptstadt Moskau in<br />
einem Schauprozeß <strong>für</strong> vermeintliche<br />
Verbrechen am russischen Volk<br />
zu verurteilen. Aufgr<strong>und</strong> des angegriffenen<br />
Ges<strong>und</strong>heitszustands des<br />
schwächlichen Thronfolgers Alexej,<br />
der an einer ausgeprägten Bluterkrankheit<br />
litt, mußte der mit der<br />
Überführung beauftrage Volkskommissar<br />
mit Zar<br />
Nikolaus II.,<br />
seiner Ehefrau<br />
Alexan-<br />
Foto: Archiv der Stadtverwaltung Jekaterinburg.
Foto: Wikipedia<br />
dra Fjodorowna sowie Tochter Maria<br />
in Jekaterinburg Station machen,<br />
wo sie bereits von einer wütenden<br />
Menge am Bahnhof erwartet wurden,<br />
bevor sie im sogenannten Ipatjew-Haus<br />
– dem enteigneten <strong>und</strong><br />
militärisch abgesicherten Anwesen<br />
eines Ingenieurs, das vom tschekistischen<br />
Sicherheitsdienst als „Haus<br />
zur besonderen Verwendung“ bezeichnet<br />
wurde – einquartiert werden<br />
konnten. Erst einige Wochen<br />
später wurde der Rest der Familie<br />
mit der verbliebenen Dienerschaft in<br />
die ursprünglich ausgesprochen attraktive,<br />
von den Sicherheitskräften<br />
jedoch massiv veränderte Villa in<br />
Jekaterinburg überstellt, um dort in<br />
der festen Überzeugung auszuharren,<br />
in Bälde nach Moskau deportiert<br />
zu werden.<br />
Hinrichtung im Keller<br />
des Ipatjew-Hauses<br />
Dazu allerdings sollte es nicht<br />
mehr kommen: Da Lenin <strong>und</strong> seinem<br />
Mitstreiter Swerdlow die Durchführung<br />
eines Prozesses gegen den<br />
Zaren als zu riskant erschien, weil<br />
sie an einem Schuldspruch zweifelten,<br />
beschloß der Rat der Volkskommissare<br />
im Hochsommer 1918 die<br />
Exekution der gesamten Familie. Zudem<br />
hatten die Weißgardisten, die<br />
den Bolschewiki 1918 noch erheblichen<br />
Widerstand leisteten <strong>und</strong> zumindest<br />
zum Teil monarchistisch gesinnt<br />
waren, die Stadt Jekaterinburg<br />
weitgehend eingekesselt; ihnen im<br />
Fall einer Niederlage den Zaren <strong>und</strong><br />
seine Familie als triumphales Beutegut<br />
zu überlassen, hätte <strong>für</strong> die<br />
damals noch ausgesprochen instabile<br />
Lenin’sche Regierung einen herben<br />
Gesichtsverlust bedeutet.<br />
In diesem Kellerraum des Ipatjew-Hauses wurde<br />
1918 der letzte russische Zar mit seiner Familie<br />
durch ein Erschießungskommando hingerichtet.<br />
Das Gebäude wurde in den 70er Jahren auf Weisung<br />
Moskaus dem Erdboden gleichgemacht.<br />
Von der Tscheka in der Nacht aus<br />
dem Schlaf gerissen <strong>und</strong> unter einem<br />
Vorwand in einen eigens da<strong>für</strong><br />
hergerichteten Kellerraum des Ipatjew-Hauses<br />
verbracht, wo sich die<br />
Zarenfamilie <strong>für</strong> ein vermeintliches<br />
Foto in zwei Reihen aufstellen sollte.<br />
Unmittelbar nachdem der verantwortliche<br />
Kommandeur Jakow Michailowitsch<br />
Jurowski den Anwesenden<br />
das Todesurteil verlesen hatte,<br />
betrat ein aus vier Bolschewiken <strong>und</strong><br />
sieben ungarischen Kriegsgefangenen<br />
bestehendes Erschießungskommando<br />
den kleinen Raum. Nach Augenzeugenberichten<br />
soll Jurowski eigenhändig<br />
Nikolaus II. hingerichtet<br />
haben, während das Feuer auf die<br />
anderen Delinquenten eröffnet wurde.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, daß die<br />
Zarenkinder einen Teil ihres wertvollen<br />
Schmuckes in die Mieder <strong>und</strong>
Im notdürftig militärisch gesicherten Haus des Ingenieurs Ipatjew hatten die<br />
Bolschewiken die Zaren-Familie interniert. Um den Kontakt zur Außenwelt weitgehend<br />
einzuschränken, wurden sogar die Fenster weiß angestrichen. Das Gebäude<br />
wurde 1977 von Boris Jelzin, dem damaligen Sekretär des Gebietssowjets<br />
der KPdSU, abgerissen. Foto Seite 57: Die Kathedrale auf dem Blut.<br />
Unterwäsche eingenäht hatten <strong>und</strong><br />
ihn so auch während der Hinrichtung<br />
am Körper trugen, prallten etliche<br />
Schüsse ab. Alexej <strong>und</strong> seine<br />
drei Schwestern sollen den Kugelhagel<br />
um etwa 20 Minuten überlebt<br />
haben, bevor sie schließlich durch<br />
Bajonettstöße getötet wurden.<br />
Noch am gleichen Tag wurden die<br />
sterblichen Überreste der Zarenfamilie,<br />
ihres Leibarztes sowie der Diener<br />
entkleidet <strong>und</strong> in einem Bergwerksschacht<br />
bei Jekaterinburg verscharrt.<br />
Doch damit nicht genug:<br />
Um buchstäblich Gras über die leidige<br />
Angelegenheit wachsen zu lassen,<br />
wurden die Leichen am Folgetag<br />
erneut geborgen, der Zar <strong>und</strong><br />
seine Gemahlin verbrannt <strong>und</strong> die<br />
anderen Körper mit Schwefelsäure<br />
übergossen, bevor sie in einer mehrfach<br />
abgedeckten Grube ihre vorerst<br />
letzte Ruhestätte fanden.<br />
Obwohl die Erschießung des Zaren<br />
– nicht jedoch seiner Familie –<br />
in einer offiziellen Todesanzeige der<br />
Bolschewiken bestätigt wurde, kursierten<br />
im Nachgang zahlreiche Gerüchte<br />
über den Verbleib der Romanows,<br />
die erst nach der Einnahme<br />
Jekaterinburgs <strong>und</strong> der Einsetzung<br />
einer offiziellen Untersuchungskommission<br />
der Weißgardisten abflauten.<br />
Zu Zeiten der Sowjetunion wurde<br />
dann absolutes Stillschweigen<br />
über die Ereignisse verordnet.<br />
Foto: Wikipedia.
Bis 1977 stand das als Museum<br />
genutzte Ipatjew-Haus noch, bis es<br />
auf Weisung aus Moskau abgerissen.<br />
Federführend vor Ort war ein<br />
KPdSU-Funktionär, der später noch<br />
Geschichte schreiben sollte…Gebietssowjet-Sekretär<br />
Boris Jelzin, der<br />
wohl bedeutendste, wenn auch alles<br />
andere als vorbehaltlos geliebte<br />
Sohn der Stadt Swerdlowsk respektive<br />
Jekaterinburg.<br />
Erst nach dem Zusammenbruch<br />
der Sowjetunion war eine Würdigung<br />
der Ereignisse des Sommers<br />
1918 <strong>und</strong> der ermordeten Zarenfamilie<br />
wieder möglich. Bereits Ende<br />
der siebziger Jahren hatten ein Geologe<br />
<strong>und</strong> ein Filmemacher anhand<br />
alter Fotografien das Grab der Romanows<br />
entdeckt, sogar einige der<br />
Gebeine <strong>für</strong> Untersuchungen entnommen,<br />
ihr Wissen aber <strong>für</strong> sich<br />
behalten, weil die eine Einebnung<br />
des Geländes durch den KGB be<strong>für</strong>chteten.<br />
Erst 1991 wurde die Zarenfamilie<br />
schließlich exhumiert <strong>und</strong><br />
nach Jekaterinburg überführt.<br />
An der Stelle, an der ursprünglich<br />
das Ipatjew-Haus stand, errichtete<br />
die Russisch-Orthodoxe Kirche die<br />
monumentale, in sakralem Weiß erstrahlende<br />
Kathedrale auf dem Blut,<br />
in der heute die Gebeine der in den<br />
90er Jahren heiliggesprochenen Zarenfamilie<br />
aufbewahrt <strong>und</strong> vor allem<br />
von monarchistischen Russen –<br />
von denen es gar nicht so wenige<br />
gibt – als Reliquien verehrt. Der<br />
Hauptaltar der fast 2800 Quadratmeter<br />
großen Kathedrale befindet<br />
sich direkt über dem ehemaligen<br />
Keller des Ipatjew-Hauses, vom dem<br />
allerdings keine Relikte mehr existieren.<br />
In den Wintermonaten zieren<br />
Skulpturen aus Eis mit religiösen<br />
Darstellungen die Außenanlage der<br />
Kathedrale auf dem Blut, die sich<br />
mittlerweile zum größten Touristenmagnet<br />
in Jekaterinburg entwickelt<br />
hat. Beim Betreten der ausgesprochen<br />
traditionell eingerichteten Heilig-Blut-Kathedrale,<br />
bei deren Errichtung<br />
auf moderne Gestaltungselemente<br />
weitgehend verzichtet wurde,<br />
ist auf angemessene Kleidung zu<br />
achten, weibliche Besucher jeden<br />
Alters müssen der russischen Tradition<br />
folgend unbedingt ein Kopftuch<br />
tragen. Die opulente Ikonostase der<br />
Kathedrale auf dem Blut ist neu <strong>und</strong><br />
besteht zu einem beträchtlichen Teil<br />
aus Geschenken anderer Russisch-<br />
Orthodoxer Kirchen. Gegenüber
Der Fluß Isset trennt die Jekaterinburger Altstadt vom modernen<br />
Geschäftsviertel, das in den letzten Jahren entstanden ist.<br />
Bei der Fertigstellung des Gebäudes der Stadtverwaltung (unten)<br />
im stalinistischen Zuckerbäckerstil wurden deutsche<br />
Kriegsgefangene eingesetzt.<br />
Fotos: Stadtverwaltung Jekaterinburg.
Fotos: Stadtverwaltung Jekaterinburg.<br />
Blick über den Fluß Isset zur Kathedrale auf dem Blut (oben). Das<br />
filigran verzierte Haus des Kaufmanns Sewastjanow wurde mit<br />
großer Liebe zum Detail restauriert <strong>und</strong> erstrahlt nun wieder in<br />
alter Schönheit (unten).
dem Hauptaltar befindet sich eine<br />
Wand mit den Portraits der Zarenfamilie<br />
<strong>und</strong> biographischen Angaben,<br />
die die Romanows in einem<br />
ausgesprochen positiven Licht darstellen<br />
<strong>und</strong> keinerlei Kritik zulassen<br />
– was allerdings an einer Wallfahrtsstätte<br />
zur Huldigung der russischen<br />
Monarchie auch kaum anders zu erwarten<br />
sein dürfte. Inbrünstig werden<br />
Zar Nikolaus II. <strong>und</strong> seine Familienangehörigen<br />
von den Führerinnen<br />
der Kirche als Heilige verklärt,<br />
die frei von Fehl <strong>und</strong> Tadel kein Wässerchen<br />
trüben konnten; auf die<br />
nicht unbedeutende Rolle, die der<br />
russische Alleinherrscher beim Ausbruch<br />
des Ersten Weltkriegs einnahm<br />
<strong>und</strong> h<strong>und</strong>erttausenden von Söhnen<br />
des Volkes das Leben kostete, wird<br />
mit keiner Silbe eingegangen, auch<br />
auf Nachfrage nicht.<br />
Zwar bekreuzigt sich die Dolmetscherin<br />
wiederholt auf demonstrative<br />
Weise beim Betreten <strong>und</strong> Verlassen<br />
der Kathedrale, um dann aber<br />
ebenso deutlich klarzustellen, daß<br />
ihr die Heiligsprechung der Monarchenfamilie<br />
ziemlich gegen den<br />
Strich gehe – in der Schule habe sie<br />
die russische Historie ganz anders<br />
gelernt <strong>und</strong> eigentlich sehe sie keinen<br />
Gr<strong>und</strong>, daran zu zweifeln. Die<br />
gleichermaßen bedrückende wie<br />
verworrene Geschichte, die sich vor<br />
dem interessierten Betrachter in der<br />
opulent ausgestatteten Kathedrale<br />
ausbreitet, dokumentiert nicht zuletzt<br />
die tiefen Gräben, die sich durch die<br />
lange Jahre allein auf atheistische<br />
Werte fokussierte Gesellschaft ziehen.<br />
Angesichts der Beliebtheit der<br />
Monarchie in Rußland, die sich nicht<br />
zuletzt in der starken Zustimmung<br />
zur straffen Regierung von Präsident<br />
Wladimir Putin <strong>und</strong> der immer wieder<br />
geäußerten Meinung, die Russen<br />
würden eine starke Hand benötigen,<br />
wenn das Land halbwegs<br />
funktionieren soll, festmachen läßt,<br />
bildet die Kathedrale auf dem Blut<br />
den Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt des Tourismus<br />
in Jekaterinburg. Weitere sehenswerte<br />
Russisch-Orthodoxe Gotteshäuser<br />
wie die Swjato-Wosnjesenski-Kathedrale<br />
gehen daneben<br />
weitgehend unter, anders die Heilige<br />
Dreifaltigkeits-Kathedrale, die<br />
wiederum vor allem <strong>für</strong> Russen eine<br />
wichtige Erinnerungskultstätte darstellt,<br />
hatte hier doch in seinen<br />
Jugendjahren der später als enger<br />
Vertrauter des Zarenhofes geltende<br />
W<strong>und</strong>erheiler <strong>und</strong> Wanderprediger<br />
Grigori Jefimowitsch Rasputin als<br />
Mönch gewirkt.<br />
Zahlreiche Relikte aus<br />
der Epoche vor dem<br />
Zusammenbruch<br />
der UdSSR<br />
Die im stalinistischen „Zuckerbäkkerstil“<br />
errichtete Oper <strong>und</strong> das Rathaus<br />
stellen darüber hinaus herausragende<br />
Beispiele des in der gesamten<br />
Sowjetunion weitverbreiteten<br />
„Sozialistischen Klassizismus“ <strong>und</strong><br />
des in den 30er Jahren daraus abgeleiteten<br />
„Konstruktivismus“ dar. Bis<br />
in die 50er Jahre bestanden in<br />
Jekaterinburg zwei große Gefangenenlager<br />
<strong>für</strong> inhaftierte Wehrmachtssoldaten,<br />
die vorrangig im<br />
Bauwesen eingesetzt wurden. Sowohl<br />
das Zentralstadion als auch<br />
zahlreiche Regierungsgebäude in<br />
der Innenstadt wie die imposante<br />
Stadtverwaltung mit ihrem dem<br />
Kreml nachempf<strong>und</strong>enen Turm waren<br />
damals von deutschen Kriegsgefangenen<br />
errichtet worden.<br />
Mit dem „Dom Kontor“ oder dem<br />
„Prombank“-Gebäude in der Stra-
ße des 8. März lassen sich zudem<br />
markante Beispiele der Bauhaus-<br />
Architektur im Stadtbild entdecken.<br />
In der eigentlichen Altstadt wurden<br />
zahlreiche im traditionellen russischen<br />
Stil erbaute Wohnhäuser aus<br />
dem 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wie<br />
das filigran verzierte Sewastjanow-<br />
Haus am Platz der Arbeit, das ehemalige<br />
„Amerikanische Hotel“ oder<br />
das Backsteingebäude des Mädchengymnasiums<br />
– beide in der<br />
Karl-Liebknecht-Straße – aufwendig<br />
saniert. Für eine postsowjetische Industrie-<br />
<strong>und</strong> Bergbaumetropole erweist<br />
sich Jekaterinburg ohnehin als<br />
überaus gepflegte, saubere <strong>und</strong> gut<br />
strukturierte Stadt, die eine überraschende<br />
Vielfalt an architektonisch<br />
interessanten Profanbauten <strong>und</strong> sakralen<br />
Bauwerken aufweist, von denen<br />
viele vor dem Zerfall der Sowjetunion<br />
allerdings zweckentfremdet<br />
genutzt <strong>und</strong> zuweilen genau deswegen<br />
vor dem allgegenwärtigen<br />
Verfall geschützt wurden.<br />
Unweit des historischen <strong>und</strong> gut<br />
erhaltenen Stadtkerns am Fluß Isset<br />
entsteht das neue, moderne Geschäftszentrum<br />
Jekaterinburgs, wohin<br />
auch die Teile der Stadtverwaltung<br />
ausgelagert wurden. Inmitten<br />
der gläsernen Hochhäuser findet<br />
sich – wenngleich relativ versteckt<br />
<strong>und</strong> bescheiden – das etwa zehn<br />
Meter hohe Denkmal zur Erinnerung<br />
an Boris Jelzin. Wenn auch nicht direkt<br />
in Jekaterinburg, sondern im<br />
kleinen Dorf Budka geboren, genießt<br />
Jelzin als Sohn der Stadt <strong>und</strong><br />
Retter der Sowjetunion beim Armee-<br />
In den eiskalten Wintermonaten mit Tageshöchsttemperaturen von minus<br />
20 Grad erstarrt nicht nur der Isset unter einem dicken Eispanzer. Auch das<br />
öffentliche Leben findet weitgehend hinter verschlossenen Türen statt. Das<br />
große Chaos bricht allerdings nicht aus, selbst der öffentliche Personennahverkehr<br />
funktioniert reibungslos.
putsch vom August 1991 hohe Wertschätzung,<br />
auf der anderen Seite<br />
wird ihm unterschwellig sein Vergehen<br />
beim Abriß des Ipatjew-Hauses<br />
<strong>und</strong> – ebenso wie Generalsekretär<br />
Michail Gorbatschow, der bis heute<br />
bei seinen Landsleuten einen schweren<br />
Stand hat – die tatkräftige Mitwirkung<br />
am Zerfall der glorreichen<br />
UdSSR angekreidet.<br />
Auch an das Abdriften der Russischen<br />
Föderation auf Drittwelt-Niveau<br />
zu Regierungszeiten von Boris<br />
Jelzin, insbesondere in Bezug auf die<br />
militärische Stärke des Landes, die<br />
unzureichende weltwirtschaftliche<br />
Schlagkraft <strong>und</strong> die ausufernde Kriminalität<br />
auf allen Ebenen der Gesellschaft,<br />
möchte heute in Jekaterinburg<br />
niemand mehr erinnert werden,<br />
nicht zuletzt, weil die Stadt in<br />
den letzten 15 Jahren einen stürmischen<br />
Aufschwung genommen hat.<br />
Eine der maßgeblichen Ursachen<br />
da<strong>für</strong> ist die beachtliche Aufrüstung<br />
der russischen Streitkräfte unter den<br />
Regierungen von Wladimir Putin <strong>und</strong><br />
Dimitri Medwedjew, die <strong>für</strong> gut gefüllte<br />
Auftragsbücher der in <strong>und</strong> um<br />
Jekaterinburg angesiedelten Rüstungsbetriebe<br />
geführt hat…<strong>und</strong> zu<br />
einer offiziellen Arbeitslosenquote<br />
von sage <strong>und</strong> schreibe 0,47 Prozent.<br />
Da der Umschwung in der früheren<br />
Sowjetunion wesentlich schleichender<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> nicht<br />
mit einem drastischen Schnitt mit der<br />
eigenen Vergangenheit einhergegangen<br />
ist, wie in der ehemaligen<br />
DDR, finden sich in Jekaterinburg<br />
heute noch zahlreiche Relikte aus<br />
der kommunistischen Periode. Vor<br />
dem Militärhauptquartier in der Leninallee<br />
grüßt Weltkriegsmarschall,<br />
Generalstabschef <strong>und</strong> Verteidigungsminister<br />
Georgi Schukow –<br />
der 1945 die bedingungslose Kapitulation<br />
der nationalsozialistischen<br />
Rumpfregierung in Empfang genommen<br />
hatte – als Sieger der<br />
Schlacht um Berlin hoch zu Roß die<br />
Vorübergehenden, am Oborony-<br />
Platz wird an die Heldentaten der<br />
Soldaten aus dem Ural bei der Verteidigung<br />
der UdSSR erinnert <strong>und</strong><br />
am Platz der Komsomolzen an die<br />
sozialistische Jugendorganisation.<br />
Selbstverständlich darf auch ein<br />
stattliches Lenindenkmal nicht fehlen;<br />
das 1933 unweit davon errichtete<br />
Stalin-Monument aus Granit fiel<br />
jedoch den Säuberungen nach seinem<br />
Tod zum Opfer.<br />
Überragt wird die Silhouette der<br />
„Hauptstadt des Ural“ seit einigen<br />
Jahren vom 198 Meter hohen<br />
„Wyssozki“-Turm, einem modernen<br />
Geschäftsgebäude, das als „nördlichster<br />
Wolkenkratzer der Welt“<br />
gefeiert wird. In den oberen Stockwerken<br />
des Turms befindet sich ein<br />
gepflegtes Restaurant, in dem sich<br />
auch gern die Schickeria von Jekaterinburg<br />
<strong>und</strong> manchmal die Halbwelt<br />
trifft, um nach guter russischer<br />
Sitte die Puppen tanzen zu lassen.<br />
Sowohl vom Restaurant als auch<br />
vom Dach des nach dem populären<br />
sowjetischen Dichter <strong>und</strong> Liedermacher<br />
Wladimir Wyssozki benannten<br />
Hochhauses bietet sich eine exzellente<br />
Panoramasicht auf das gesamte<br />
Stadtgebiet, den Fluß Isset,<br />
die großen Parkanlagen <strong>und</strong> natürlich<br />
auf das stolze Wahrzeichen Jekaterinburgs,<br />
die Kathedrale auf<br />
dem Blut.<br />
Um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern,<br />
hatte sich Jekaterinburg neben<br />
Dubai, Izmir (Türkei) <strong>und</strong> São<br />
Paulo (Brasilien) als Ausrichter der<br />
Weltausstellung im Jahr 2020 beworben,<br />
war aber gnadenlos an der<br />
Hauptstadt der Vereinigten Arabischen<br />
Emirate gescheitert. Da<strong>für</strong><br />
wird zumindest das knapp 45.000
Zuschauer fassende Zentralstadion<br />
von Jekaterinburg, in dem der Fußballverein<br />
„Ural“ seine Heimspiele<br />
austrägt, im Sommer 2018 im Fokus<br />
des internationalen Interesses<br />
stehen, finden hier doch einige Vorr<strong>und</strong>enspiele<br />
der Fußball-Weltmeisterschaft<br />
in Rußland statt.<br />
Schwelle zwischen<br />
Europa <strong>und</strong> Asien<br />
Ein beliebtes Ausflugsziel von<br />
Jekaterinburg aus ist die Grenze<br />
zwischen Europa <strong>und</strong> Asien, die über<br />
eine gut ausgebaute Hauptstraße in<br />
etwa einer halben St<strong>und</strong>e zu erreichen<br />
ist. Gleich neben der Straße<br />
weist ein 2004 errichtetes Denkmal<br />
aus Stahl auf die ominöse Grenzlinie<br />
zwischen den beiden Kontinenten<br />
hin. Wer möchte, kann sich also<br />
mit einem Bein auf den europäischen<br />
Teil stellen <strong>und</strong> mit dem anderen<br />
auf den asiatischen…kaum<br />
ein Tourist, der sich diese Chance<br />
entgehen läßt. Am Denkmal wurden<br />
zwei Felsen aufgestellt, die vom portugiesischen<br />
Cabo da Roca – dem<br />
westlichsten Punkt Europas – <strong>und</strong><br />
dem Kap Deschnew als östlichstem<br />
Punkt Asiens stammen <strong>und</strong> die enge<br />
Verbindung der beiden Erdteile symbolisieren<br />
sollen. Viele Hochzeitspaare<br />
kommen an das Denkmal,<br />
um im angrenzenden Wald ein buntes<br />
Bändchen an einen Baum zu<br />
knüpfen, was Glück bringen soll.<br />
Begrüßt werden die Besucher mit<br />
Brot, Salz <strong>und</strong> reichlich Wodka von<br />
der singenden „Königin der Kupferberge“<br />
<strong>und</strong> erhalten später ein Zertifikat,<br />
das das Überschreiten der<br />
Grenze bestätigt. Im Winter werden<br />
H<strong>und</strong>eschlittenfahrten angeboten.
Angesichts der Entfernung von<br />
Deutschland <strong>und</strong> der Dominanz<br />
Moskaus <strong>und</strong> Sankt Petersburgs als<br />
die Destinationen <strong>für</strong> Städtereisen in<br />
Rußland dürfte Jekaterinburg bei<br />
allen Initiativen, aus dem Schatten<br />
der beiden Schwergewichte herauszutreten,<br />
auch zukünftig hauptsächlich<br />
ein Ziel <strong>für</strong> Geschäftsreisende<br />
sowie <strong>für</strong> Fahrgäste der Transsibirischen<br />
Eisenbahn bleiben, die auf<br />
ihrem 8998 Kilometer langen Weg<br />
von Moskau nach Wladiwostok am<br />
Kilometer 1769 in Jekaterinburg<br />
eintrifft. Einmal wöchentlich gibt es<br />
sogar einen durchgehenden Kurswagen<br />
der Russischen Staatsbahn<br />
von Berlin nach Jekaterinburg.<br />
Wesentlich einfacher ist Jekaterinburg<br />
über den modernen internationalen<br />
Flughafen Kolzowo (etwa<br />
vier Millionen Passagiere pro Jahr,<br />
Tendenz steigend) zu erreichen, der<br />
Hauptsitz <strong>und</strong> Ausbildungszentrum<br />
der hier ansässigen Fluggesellschaft<br />
„Ural Airlines“ ist (siehe nächste Seite).<br />
Eine direkte Flugverbindung besteht<br />
von München. Erschwerend <strong>für</strong><br />
Individualreisen sind die restriktiven<br />
Visaregelungen der Russischen Föderation,<br />
die <strong>für</strong> die Erteilung eines<br />
kostenpflichtigen Einreisevisums die<br />
Einladung eines Gastgebers oder<br />
Reiseunternehmens sowie die Einreichung<br />
zahlreicher Dokumente wie<br />
Arbeitsplatz- oder Einkommensbescheinigung<br />
verlangt.<br />
russische-botschaft.de<br />
Der Zeitraum <strong>für</strong> Reisen nach Jekaterinburg<br />
<strong>und</strong> in den Ural bleibt<br />
wegen des trockenen Kontinentalklimas<br />
weitgehend auf die Monate Mai<br />
bis September beschränkt. Im kurzen<br />
Hochsommer kann es jedoch in<br />
der Westsibirischen Tiefebene ausgesprochen<br />
heiß werden. Der Winter<br />
dauert etwa sechs Monate, dann<br />
herrschen nicht selten Temperaturen<br />
von minus 25° Celsius, die<br />
nachts auf deutlich unter 40 Grad<br />
absinken können.
Drehkreuz<br />
zwischen Europa<br />
<strong>und</strong> Asien: Flughafen<br />
Jekaterinburg-Kolzowo<br />
Nicht zuletzt durch die Zunahme des Flugverkehrs vom europäischen Teil Rußlands<br />
nach Asien konnte sich der Flughafen Kolzowo als wichtiges Drehkreuz<br />
<strong>und</strong> Premium-Airport etablieren. Seit seiner Gründung vor 22 Jahren hat die<br />
„Ural Airlines“ als sechstgrößte russische Linienfluggesellschaft – hinter dem<br />
Branchenprimus Aeroflot sowie Transaero, UtAir, S7 <strong>und</strong> Rossiya – in Jekaterinburg<br />
ihren Sitz.<br />
Das historische Empfangsgebäude des Flughafens<br />
Kolzowo wurde ebenfalls im typisch<br />
sowjetischen Baustil errichtet.<br />
Dank der modernen Flotte, die<br />
ausschließlich aus Maschinen der<br />
A320-Familie besteht, genießt die<br />
am 28. Dezember 1993 aus der<br />
„Swerdlovsk Air“ ausgegründete<br />
„Ural Airlines“ innerhalb des Landes<br />
hohes Ansehen, worauf auf die starke<br />
Steigerung der Passagierzahlen<br />
auf mehr als 3,5 Millionen schließen<br />
lässt. Derzeit umfasst die Flotte<br />
mehr als 30 Maschinen, weitere<br />
sechs sind bereits geordert, um die<br />
Zahl der Flugziele in Europa <strong>und</strong><br />
Asien weiter zu erhöhen. Von München<br />
<strong>und</strong> saisonal auch Österreich<br />
aus direkt zu erreichen, bietet sich<br />
vom Flughafen Kolzowo aus die Gelegenheit,<br />
acht der ehemaligen So-
wjetrepubliken sowie Ziele in China<br />
<strong>und</strong> der Mongolei mit nur einem<br />
Zwischenstop zu erreichen. Über ostasiatische<br />
Partner wie Hainan Airlines,<br />
Air China <strong>und</strong> China Southern<br />
werden auch nahezu alle chinesischen<br />
Metropolen angeboten. Die<br />
28 Inlandsflugziele reichen von<br />
Norilsk <strong>und</strong> Jakutsk im Norden,<br />
Petropawlowsk-Kamtschatky <strong>und</strong><br />
Wladiwostok im Osten bis hin zu<br />
Moskau (sieben Flüge pro Tag) <strong>und</strong><br />
Sankt Petersburg im Westen. Codeshare-Partner<br />
in Mitteleuropa ist die<br />
Czech Airlines.<br />
Preiswerte Flüge bietet Ural Airlines<br />
insbesondere auf der Route von<br />
München nach Moskau-Domodjedowo<br />
an. One-Way-Tickets sind<br />
über die Website uralairlines.ru bereits<br />
ab 40 Euro erhältlich. Die Lufthansa<br />
hat ihre Direktflüge von<br />
Frankfurt nach Jekaterinburg aus<br />
Kostengründen eingestellt.<br />
Als eine der wenigen russischen<br />
Airlines verfügt Ural Airlines am Unternehmensstandort<br />
am Flughafen<br />
Kolzowo über ein modernes Ausbildungszentrum<br />
mit einem Airbus-Simulator,<br />
auf dem die Piloten regelmäßig<br />
bei der Bewältigung diverser<br />
Gefahrensituationen geschult werden.<br />
Zudem stellt „Ural Airlines“ den<br />
2012 in Betrieb genommenen Simulator<br />
anderen Fluggesellschaften <strong>für</strong><br />
deren Ausbildung zur Verfügung.<br />
Auch ein Trainingszentrum <strong>für</strong> die<br />
Kabinencrews wurde eingerichtet.<br />
uralairlines.ru
Leuchttürme moderner Architektur<br />
in „Big Apple“<br />
Hoch über Manhatten öffnet das „One World<br />
Observatory“ seine Pforten, im Meatpacking District<br />
wird das neunstöckige Gebäude des „Whitney Museum<br />
of American Art“ seiner Bestimmung übergeben.<br />
„One World Observatory“, das sehnlichst erwartete Ausflugsziel<br />
<strong>und</strong> „Kronjuwel“ des 541 Meter hohen „One World Trade Centers“,<br />
wird nach seiner Fertigstellung im späten Frühjahr dieses Jahres<br />
eröffnet. Unterhalb der Spitze des architektonischen W<strong>und</strong>erwerks<br />
gelegen, <strong>und</strong> zwar vom 100. bis zum 102. Stockwerk, bietet die<br />
dreistöckige Aussichtsplattform einen unvergleichlichen Panorama-<br />
Ausblick auf New York City, Lower Manhatten <strong>und</strong> die die Millionenmetropole<br />
umgebenden Gewässer. Insgesamt fünf Aufzüge, die sogenannten<br />
„Sky Pods“, bringen die Besucher in weniger als 60 Sek<strong>und</strong>en<br />
an die Spitze des Wolkenkratzers, der wie seine Vorgänger<br />
die Skyline der Stadt dominiert <strong>und</strong> von seinen Erbauern als „Leuchtfeuer<br />
der Hoffnung sowie als monumentales Symbol der Erneuerung<br />
<strong>und</strong> Wiedergeburt“ gepriesen wird.<br />
Foto: NYC & Company | nycgo.com
Das mit innovativen Technologien<br />
ausgestattete „One World Observatory“<br />
wird sich über insgesamt 11000<br />
Quadratmeter erstrecken <strong>und</strong> unter<br />
anderem mehrere Restaurants beherbergen,<br />
aber auch über die Architektur<br />
des Gebäudes <strong>und</strong> die am<br />
Bau beteiligten Arbeiter aus aller<br />
Welt informieren. Der „City Pulse“<br />
in der 100. Etage soll als „Interaktiver<br />
Botschafter“ fungieren, der die<br />
Sehenswürdigkeiten der Stadt erklärt<br />
<strong>und</strong> auf Fragen der Besucher eingeht.<br />
In der untersten Etage des<br />
„One World Observatory“ befindet<br />
sich auch das „Sky Portal“, ein etwa<br />
fünf Meter großer Glasboden, durch<br />
den sich ein einzigartiger Blick auf<br />
die Straßen unter den Füßen des<br />
Betrachters werfen läßt – allerdings<br />
in Echtzeit <strong>und</strong> HD auf die Scheibe<br />
projiziert.<br />
Eintrittskarten <strong>für</strong> das „One World<br />
Observatory“ können bereits jetzt<br />
online gebucht werden. Ganz billig<br />
ist das Vergnügen allerdings nicht:<br />
Der Eintrittspreis beträgt <strong>für</strong> Erwachsene<br />
ab 13 Jahre 32 Dollar, Kinder<br />
im Alter zwischen sechs <strong>und</strong> zwölf<br />
Jahren bezahlen 26 Dollar, Senioren<br />
im Alter über 65 immerhin noch<br />
30 Dollar. Für Kinder unter sechs<br />
Jahren ist der Eintritt frei.<br />
oneworldobservatory.com<br />
Foto: NYC & Company | nycgo.com
Fotos: NYC & Company | nycgo.com<br />
Auch das neue Gebäude des<br />
„Whitney Museum of American Art“<br />
im Meatpacking District – eines der<br />
ambitioniertesten Kulturprojekte in<br />
New York in diesem Jahrzehnt – öffnet<br />
seine Pforten am 1. Mai. Das<br />
von Stararchitekt Renzo Piano entworfene<br />
Gebäude befindet sich an<br />
der Gansevoort Street zwischen High<br />
Line <strong>und</strong> Hudson River <strong>und</strong> beherbergt<br />
einen Großteil der umfangreichen<br />
Whitney-Sammlung an moderner<br />
<strong>und</strong> zeitgenössischer amerikanischer<br />
Kunst des 20. <strong>und</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Das neunstöckige Gebäude<br />
ermöglicht eine enorme Erweiterung<br />
der bislang eingeschränkten<br />
Ausstellungs- <strong>und</strong> Arbeitsmöglichkeiten,<br />
bietet es doch mit einer Fläche<br />
von 20.500 Quadratmetern<br />
eine etwa doppelt so große Platzkapazität<br />
wie sein Vorgänger. Das<br />
Gebäude verfügt neben einem Ausbildungszentrum<br />
auch über ein<br />
Mehrzweck-Theater, eine Galerie <strong>für</strong><br />
Film- <strong>und</strong> Video-Performances, ein<br />
Restaurierungslabor sowie eine umfangreiche<br />
Bibliothek.<br />
Für die eigentliche Ausstellung stehen 4600<br />
Quadratmeter zur Verfügung, darunter die größte<br />
stützenfreie Museumsgalerie in New York mit<br />
etwa 1200 Quadratmetern. Das 1931 von Gertrude<br />
Vanderbilt Whitney gegründete Museum<br />
verzeichnet in seiner Sammlung etwa 20.000<br />
Kunstwerke von über 2800 Künstlern, darunter<br />
neben Gemälden, Zeichnungen <strong>und</strong> Drucken<br />
auch Skulpturen, Fotografien, Installationen <strong>und</strong><br />
Videokunst. Ausgestellt werden unter anderem<br />
Arbeiten von Edward Hopper, Andy Warhol, Roy<br />
Lichtenstein, Keith Haring, Joan Mitchell <strong>und</strong> Robert<br />
Rauschenberg. whitney.org
WELTKULTURERBE<br />
Bei einer Entdeckungsreise auf den<br />
Spuren von Christoph Kolumbus erweist<br />
sich die pulsierende Millionenstadt<br />
als architektonische Schatzkammer<br />
Nur sechs Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph<br />
Kolumbus’ jüngeren Bruder Bartolomeo gegründet, gilt Santo Domingo<br />
de Guzmán, die Hauptstadt der Dominikanischen Republik,<br />
als eine der geschichtsträchtigsten, vor allem aber neben Havanna<br />
authentischsten Karibik-Metropolen. An der Mündung des Rio Ozama<br />
errichtet, strahlen die bulligen Trutzburgen aus dem frühen 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
bis heute eine einzigartige Faszination aus <strong>und</strong> vermitteln<br />
einen Eindruck von jener legendenumwobenen Epoche, als der<br />
genuesisch-spanische Seefahrer erstmals in der „Neuen Welt“ seinen<br />
Anker warf – <strong>und</strong> damit die bis weit ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert andauernde<br />
Versklavung <strong>und</strong> Ausrottung zahlloser indigener Völker zwischen<br />
Alaska <strong>und</strong> Feuerland in Gang setzte.<br />
Während sich am Tag zahllose, mit<br />
klimatisierten Reisebussen aus ihren<br />
gepflegten Urlaubsressorts an der<br />
Küste herangekarrte Touristengruppen<br />
aus Europa <strong>und</strong> den USA durch<br />
die engen Straßen der Altstadt von<br />
Santo Domingo kämpfen, um einen<br />
Blick auf die 500 Jahre alten Sehenswürdigkeiten<br />
aus der Zeit der<br />
Kolumbus-Brüder zu werfen, schwillt<br />
das pulsierende karibische Treiben<br />
in den Abendst<strong>und</strong>en merklich ab.<br />
Nach Sonnenuntergang schlendern<br />
nur noch wenige Menschen über die<br />
Plaza de la Hispanidad, die vom<br />
stattlichen Alcázar de Cólon, dem<br />
früheren Palast des spanischen Vizekönigs,<br />
gesäumt wird – da<strong>für</strong> stöbern<br />
wahre Heerscharen von streunenden<br />
H<strong>und</strong>en auf der immerwährenden<br />
Suche nach etwas Nahrung<br />
durch die angrenzenden Grünanlagen.<br />
Der Anfang des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
von Diego Kolumbus, dem ältesten<br />
Sohn des Seefahrers, erbaute<br />
Palast diente der spanischen Kro-
ne ein paar Jahrzehnte lang als Residenz<br />
<strong>und</strong> rottete dann vor sich hin;<br />
erst Mitte des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
liebevoll restauriert, beherbergt<br />
er heute eines der besten Museen<br />
des Landes.<br />
Nach Sonnenuntergang versammeln<br />
sich die Bewohner der angrenzenden<br />
Viertel an den seewärts zeigenden<br />
Kanonen, um ein bißchen<br />
Baseball zu spielen, zu flirten oder<br />
einfach nur zeitungslesend die letzten<br />
Strahlen zu genießen, bevor sich<br />
die abendliche Kühle über die quirlige<br />
Karibik-Millionenstadt senkt.<br />
Da<strong>für</strong> pulsiert in den kleinen Kneipen<br />
das pralle dominikanische Alltagsleben.<br />
Ausgelassen <strong>und</strong> unbeobachtet<br />
von ausländischen Handy-<br />
Kameras <strong>und</strong> verrückt grinsenden<br />
Selfie-Profilneurotikern schwingen<br />
die jungen Tänzer zu schwülstigen<br />
Merengue- <strong>und</strong> Bachata-Klängen<br />
ihre Hüften <strong>und</strong> lassen lautstark bis<br />
in die frühen Morgenst<strong>und</strong>en die<br />
Flaschen kreisen. Nur im morgendlichen<br />
Dämmerlicht, unmittelbar vor<br />
dem Sonnenaufgang, scheint die<br />
riesige Stadt in einen kurzen Sek<strong>und</strong>enschlaf<br />
zu verfallen, der fast beängstigend<br />
wirkt, bevor die unerschütterliche<br />
Lebensfreude der Einwohner<br />
von Santo Domingo dieser<br />
scheinbaren Stagnation ein Ende<br />
bereitet.<br />
Weltkulturerbe<br />
der UNESCO seit mehr<br />
als zwei Jahrzehnten<br />
Von der UNESCO schon vor über<br />
20 Jahren zum Weltkulturerbe erhoben,<br />
vermittelt die koloniale Altstadt<br />
von Santo Domingo de Guzmán –<br />
wie die Metropole der República<br />
Dominicana mit ihren schätzungsweise<br />
drei Millionen Einwohnern offiziell<br />
heißt – mit ihren wehrhaften<br />
Mauern <strong>und</strong> Festungsanlagen einen<br />
beredten Eindruck davon, mit welcher<br />
Vehemenz die spanischen Eroberer<br />
den neuen Kolonien ihren<br />
Stempel aufdrückten. Bereits 1502,<br />
also nur weitere sechs Jahre nach<br />
der Gründung von Santo Domingo,<br />
wurde das massive Fortaleza Ozama<br />
errichtet, das heute als älteste<br />
noch existierende Verteidigungsanlage<br />
der Spanier in Amerika gilt<br />
<strong>und</strong> ausgesprochen gut erhalten ist.<br />
Vom Torre del Homenaje, dem imposanten<br />
Turm der Festung, bietet<br />
sich ein hervorragender Ausblick<br />
über den namensgebenden Rio<br />
Ozama, der in Santo Domingo in<br />
das karibische Meer mündet, sowie<br />
große Teile der Altstadt.<br />
Nur ein paar Minuten entfernt befindet<br />
sich mit der zwischen 1521<br />
<strong>und</strong> 1540 errichteten Basilica Santa<br />
María la Menor de la Virgen de la<br />
Anunciación die älteste erzbischöfliche<br />
Kathedrale der Neuen Welt.<br />
Daß sie <strong>für</strong> ein katholisches Gotteshaus<br />
vergleichsweise spartanisch<br />
ausgestattet ist, liegt nicht zuletzt
Die 1521 errichtete Basilica Santa María la Menor de la Virgen de la Anunciación<br />
in Santo Domingo ist die älteste erzbischöfliche Kathedrale auf dem amerikanischen<br />
Kontinent (auch Seite 82). Die Fotos auf den vorherigen Seiten zeigen<br />
verrostete Kanonen im Fortaleza Ozama (Seite 80) <strong>und</strong> die Silhouette des Kolumbus-Denkmals<br />
(Seite 79). Gelegentlich musiziert vor der Kathedrale ein Ensemble<br />
des Militärs. Fernab der Touristenströme findet das Leben in Santo Domingo<br />
auch heute noch mehr oder weniger auf der Straße statt (Seite 77).<br />
daran, daß Santo Domingo immer<br />
wieder von Piraten <strong>und</strong> Freibeutern<br />
besetzt <strong>und</strong> ausgeplündert wurde.<br />
Auch der berühmt-berüchtigte Francis<br />
Drake stattete der Stadt im Jahr<br />
1586 einen zweifelhaften Besuch ab<br />
<strong>und</strong> gab sie erst wieder frei, als die<br />
Einwohner ihr Hab <strong>und</strong> Gut abgeliefert<br />
hatten. Bis zum 500. Jahrestag<br />
der Entdeckung Amerikas im<br />
Jahr 1992 beherbergte die Basilika<br />
auch die Gebeine von Christoph<br />
Kolumbus. Dann wurden sie in den<br />
modernen Faro a Colón – den sogenannten<br />
„Kolumbus-Leuchtturm“<br />
– in Santo Domingo Este überführt,<br />
der an die Christianisierung Amerikas<br />
erinnern soll. Vor dem Eingang<br />
des überdimensionalen Betonbauwerks<br />
steht das „Papamobil“, mit<br />
dem Papst Johannes Paul II. die Dominikanische<br />
Republik bereiste. Gegenüber<br />
der Kathedrale Santa María<br />
la Menor überragt das Kolumbus-
Daß die Basilica Santa María la Menor de la Virgen de la Anunciación vergleichsweise<br />
spartanisch wirkt, liegt daran, daß sie in der Vergangenheit immer wieder<br />
von Seeräubern überfallen <strong>und</strong> geplündert wurde. In den Mittagsst<strong>und</strong>en warten<br />
Souvenirverkäufer im Schatten der tropischen Laubbäume vor der Kathedrale<br />
auf ausländische K<strong>und</strong>en, während die meisten Bewohner Santo Domingos<br />
um diese Zeit ihre Siesta genießen.
Denkmal die tropischen Bäume am<br />
Parque de Cólon, in deren erholsamen<br />
Schatten die wartenden Fremdenführer<br />
in den glühendheißen Mittagsst<strong>und</strong>en<br />
ihre Siesta genießen<br />
<strong>und</strong> nicht ohne Mitleid die durch die<br />
drückende Hitze marschierenden<br />
Touristen beobachten.<br />
Ungeachtet der iberischen Tradition<br />
der Mittagsruhe kennt die wichtigste<br />
Fußgängerzone <strong>und</strong> Einkaufsmeile<br />
der Stadt, die direkt am Parque<br />
de Colón beginnende Calle El Conde,<br />
mit ihren unzähligen Souvenir<strong>und</strong><br />
Textilläden, Cafés <strong>und</strong> Restaurants<br />
keinen Stillstand. Bis tief in die<br />
Nacht bieten Händler ihre Waren<br />
oder zwielichtige Gesellen ihre Mädchen<br />
an. In einigen der Tabakwarenläden<br />
drehen die fingerfertigen „Torquedors“<br />
vor den Augen der K<strong>und</strong>schaft<br />
auf traditionelle Weise ihre<br />
würzigen Zigarren, die seit jeher zu<br />
den beliebtesten Mitbringseln aus<br />
der Dominikanischen Republik zählen<br />
<strong>und</strong> sich weltweit wachsender<br />
Beliebtheit erfreuen – nicht zuletzt als<br />
adäquater Ersatz <strong>für</strong> die in den Vereinigten<br />
Staaten bislang nur unter<br />
der Hand erhältlichen Havanna-<br />
Glimmstengel.<br />
Wie nah Licht <strong>und</strong> Schatten in Santo<br />
Domingo beieinander liegen,<br />
zeigt sich bei einem kurzen Spaziergang<br />
über eine der Brücken über<br />
den Rio Ozama. Auf dem Weg zum<br />
Faro a Colón schweift der Blick über<br />
eines der vielen Elendsviertel, die<br />
sich wie ein Krebsgeschwür durch<br />
ganz Santo Domingo Este ziehen.
Ein Abstecher in die rauhe Welt<br />
der Wellblechhütten ist alles andere<br />
als ratsam, in den Slums regiert das<br />
Gesetz der Straße, vor allem nachts<br />
trauen sich selbst dominikanische<br />
Polizisten nur mit kugelsicheren Westen<br />
in das Labyrinth. Wie blutig <strong>und</strong><br />
gnadenlos es in den verwinkelten<br />
Gassen zugeht, davon weiß „Redimido“,<br />
der bekannteste Hip-Hop<strong>und</strong><br />
Reggaeton-Musiker der Dominikanischen<br />
Republik, mehr als nur<br />
ein Lied zu singen. Schon als achtjähriger<br />
Junge in den Sumpf des<br />
Drogenhandels geraten, mußte er<br />
miterleben, wie drei seiner Brüder<br />
dem brutalen Bandenkrieg zum Opfer<br />
fielen – <strong>und</strong> sich wenig später<br />
auch noch seine Mutter das Leben<br />
nahm. Zum Christentum bekehrt,<br />
fing „Redimido“ schließlich an, eigene<br />
Texte zu vertonen <strong>und</strong> dem<br />
Elend eine musikalische Stimme zu<br />
verleihen.<br />
Eingangsportal zum Fortaleza Ozama (oben).<br />
Das von Kolumbus’ Bruder Bartololmeo errichtete<br />
Alcázar de Cólon an der Plaza de la<br />
Hispanidad (Seite 87 oben) diente einstmals<br />
als Palast des spanischen Vizekönigs <strong>und</strong> drohte<br />
im späten 20. Jahrh<strong>und</strong>ert komplett zu verrotten,<br />
bevor die dominikanische Regierung<br />
es sanieren ließ. Es beherbergt heute eines der<br />
besten Museen Mittelamerikas. Junge Straßenmusiker<br />
hoffen auf eine kleine finanzielle Zuwendung<br />
der Touristen (Seite 86 unten).<br />
Selbst von Armut geplagt, blicken<br />
viele Dominikaner auf der anderen<br />
Seite überaus arrogant <strong>und</strong> rassistisch<br />
auf die Armutsflüchtlinge aus<br />
dem Nachbarland Haïti herab, die<br />
vor allem in der Hauptstadt eine beachtliche<br />
Minderheit bilden <strong>und</strong> von<br />
den Einheimischen mitunter wie Zukkerrohrsklaven<br />
behandelt werden.<br />
Gern <strong>und</strong> mit zornigem Selbstbewußtsein<br />
betrachtet sich der durchschnittliche<br />
Einwohner der Dominikanischen<br />
Republik ungeachtet seiner<br />
wahren Hautfarbe als Abkömmling<br />
der Spanier, also als Weißer,<br />
während die Haïtianer als vermeintliche<br />
Schwarzen froh sein können,<br />
überhaupt geduldet zu werden.<br />
Auch wenn Santo Domingo direkt<br />
am Karibischen Meer liegt, gibt es<br />
in der Stadt kaum nennenswerte<br />
Strände – ein Großteil des Ufers ist<br />
felsig, die wenigen Sandstrände<br />
werden von den Nobelhotels beansprucht.<br />
Da<strong>für</strong> lohnt sich ein Ausflug<br />
zum Badeort Boca Chica, etwa<br />
30 Kilometer von Santo Domingo<br />
entfernt <strong>und</strong> preiswert mit dem Linienbus<br />
zu erreichen. Ursprünglich<br />
diente Boca Chica mit seinem feinen<br />
Sandstrand wohlhabenden einheimischen<br />
Zuckerrohrfarmern sowie<br />
dem früheren Diktator Raffael
Wilde tropische Blütenpracht im Fortaleza<br />
Ozama (oben). Das mittlerweile ausrangierte<br />
Papamobil nutze Papst Johannes Paul II. bei<br />
seinem umjubelten Besuch in der Dominikanischen<br />
Republik (unten). Es steht heute vor<br />
dem Haupteingang zum Faro a Cólon, einem<br />
1992 anläßlich des 500. Jahrestags der Entdeckung<br />
Amerikas durch Christoph Kolumbus<br />
errichteten kreuzförmigen Monumentalbau<br />
außerhalb des Stadtzentrums von Santo Domingo.<br />
In dem pompösen Denkmal im Inneren<br />
(Seite 89) sollen die Gebeine des Seefahrers<br />
liegen.
Trujillo – der die Hauptstadt von<br />
1936 bis 1961 selbstherrlich in „Ciudad<br />
Trujillo“ umbenennen ließ, bevor<br />
er von verzweifelten Verschwörern<br />
durch einen Maschinengewehr-<br />
Kugelhagel ins Jenseits befördert<br />
wurde – als noble Sommerresidenz,<br />
die nur über eine Privatstraße zu<br />
erreichen war. Nach Fidel Castros<br />
Revolution auf Kuba hatte Trujillo<br />
dem abgesetzten Diktatoren-Fre<strong>und</strong><br />
Fulgencio Batista in seinem Hotel in<br />
Boca Chica Asyl gewährt.<br />
Die Dominikanische Republik ist<br />
von Deutschland aus relativ gut <strong>und</strong><br />
preiswert zu erreichen, zumal seit<br />
etlichen Jahren neben den Touristenairports<br />
in Punta Cana <strong>und</strong> Puerto<br />
Plata auch der „Aeropuerto Internacional<br />
de Las Américas“ in Santo<br />
Domingo regelmäßig angeflogen<br />
wird. Darüber hinaus verfügt die<br />
Dominikanische Republik über ein<br />
gut ausgebautes Linienbusnetz, so<br />
daß Individualreisende aus den<br />
Touristenzentren im Norden <strong>und</strong><br />
Westen des Landes bequem <strong>für</strong> ein<br />
paar Euro in die Hauptstadt reisen<br />
können. Von Santo Domingo aus<br />
lassen sich Ausflüge in die tropischen<br />
Nationalparks des Landes wie den<br />
Parque Nacional Jaragua (Foto unten)<br />
mit seinen riesigen Flamingo-<br />
Kolonien organisieren. Auch nach<br />
Haïti verkehren Linienbusse – ein<br />
Abstecher in das vom Erdbeben gezeichnete<br />
Land sollte bei aller Entdeckerfreude<br />
derzeit allerdings nicht<br />
einmal ansatzweise in Erwägung gezogen<br />
werden, die Sicherheitslage<br />
insbesondere in der Hauptstadt Portau-Prince<br />
ist seit Jahrzehnten absolut<br />
katastrophal!
TERRA INCOGNITA<br />
Aufkeimende Hoffnung<br />
zwischen blutigen Spuren<br />
eines unbewältigten<br />
Bürgerkrieges<br />
Denkmalschützern <strong>und</strong> Kulturhistorikern auf der ganzen Welt dürfte am<br />
9. November 1993 vor Entsetzen die Kinnlade heruntergeklappt sein, als<br />
sie die Fernsehbilder aus dem damals vollkommen unzugänglichen Bürgerkriegsgebiet<br />
Bosnien-Herzegowina betrachteten. Um den wichtigsten<br />
<strong>und</strong> symbolträchtigsten Zugang vom kroatischen zum bosniakischen Teil<br />
der 75.000-Einwohner-Provinzhauptstadt Mostar zu unterbrechen, hatten<br />
kroatische Truppen die 1556 bis 1566 durch den osmanischen Baumeister<br />
Mimar Hajrudin im Auftrag von Sultan Süleyman I. errichtete<br />
Stari Most mit Granaten beschossen <strong>und</strong> schließlich zum Einsturz gebracht.<br />
1892
Mittlerweile wurde die imposante<br />
Bogenbrücke mit Unterstützung von<br />
UNESCO <strong>und</strong> Weltbank neu aufgebaut<br />
<strong>und</strong> vor elf Jahren mit einer feierlichen<br />
Zeremonie ihrer Bestimmung<br />
übergeben. Seither pilgern<br />
wieder tausende Touristen pro Tag<br />
über das historische Bauwerk, um<br />
von einem Teil der Altstadt in den<br />
anderen zu gelangen oder den Brükkenspringern<br />
zuzuschauen, die sich<br />
todesmutig von der Stari Most in die<br />
Tiefe stürzen, um ins eiskalte Wasser<br />
der wildromantischen Neretva<br />
abzutauchen <strong>und</strong> auf diese Weise<br />
ihren Mut <strong>und</strong> ihre Männlichkeit zu<br />
beweisen – gegen einen angemessenen<br />
Obolus der Zuschauer, versteht<br />
sich.<br />
Um die zwölf Meter hohe Brücke<br />
ranken sich unzählige Legenden.<br />
Weil Hajrudin angedroht worden<br />
war, daß ihm bei einem Einsturz der<br />
unter anderem aus Schafwolle, Eiern<br />
<strong>und</strong> Honig errichteten Stari Most<br />
der Kopf abgeschlagen würde, hatte<br />
er erst ein kleines Modell – die<br />
Kriva Cuprija – errichten lassen, die<br />
heute noch begangen werden kann<br />
<strong>und</strong> den Neretva-Zufluß Radobolja<br />
überspannt. Als seine Handwerker<br />
das stützende Gerüst entfernten, hatte<br />
sich der Architekt ins sichere Hinterland<br />
begeben <strong>und</strong> war nach<br />
Überbringung der Nachricht, daß<br />
sich seine Konstruktion als stabil erwiesen<br />
hatte, sofort in Richtung Türkei<br />
losgeritten, die er aber nie erreichte.<br />
Während der beschwerlichen<br />
Reise an einer Gelbsucht erkrankt,<br />
starb der Baumeister, ohne<br />
sein fertiggestelltes Meisterwerk jemals<br />
gesehen zu haben.
2005 in die Welterbeliste aufgenommen,<br />
gilt die Stari Most heute<br />
offiziell als Symbol <strong>für</strong> die friedliche<br />
Koexistenz der Völker von Bosnien-<br />
Herzegowina. Dank der bereits abgeschlossenen<br />
beziehungsweise in<br />
abgespeckter Form nach wie vor andauernden<br />
militärischen Präsenz der<br />
SFOR- <strong>und</strong> später EUFOR-Truppen,<br />
die seit dem Ende des vierjährigen<br />
Bosnienkrieges im Vielvölker-Balkanstaat<br />
präsent sind, scheint sich<br />
langsam aber sicher so etwas wie<br />
eine vorsichtige Annäherung der<br />
unterschiedlichen Nationalitäten zu<br />
entwickeln – was bleibt, ist der immer<br />
wieder aufschwelende Religionskonflikt,<br />
der momentan allerdings<br />
nur auf schwacher Flamme zu<br />
köcheln scheint. Nicht zuletzt, weil<br />
muslimische Bosniaken, katholische<br />
Kroaten <strong>und</strong> die wenigen verbliebenen<br />
orthodoxen Serben gleichermaßen<br />
vom wachsenden, aber noch<br />
deutlich entwicklungsfähigen Fremdenverkehr<br />
profitieren, wobei ein<br />
Großteil der Besucher als Tagestouristen<br />
von der kroatischen Adriaküste<br />
anreist <strong>und</strong> nicht in Mostar<br />
übernachtet, so daß viele Hotels,<br />
Pensionen <strong>und</strong> Restaurants am Rande<br />
des Existenzminimums oder weit<br />
darunter vegetieren.<br />
Allerdings: Normalität wird in Mostar<br />
ebenso wenig wie in ganz Bosnien-Herzegowina<br />
einziehen, so lange<br />
bewaffnete Soldaten zwischen<br />
den Touristen patrouillieren, die gemütlich<br />
durch die Altstadt pilgern<br />
oder im gemütlichen Restaurant<br />
„Kriva Cuprija“ am Flüßchen Radobolja<br />
ein kühles „Sarajevsko Pivo“<br />
zischen. Zumal die W<strong>und</strong>en, die der
lutige <strong>und</strong> durch unübersichtliche<br />
Frontverläufe geprägte Bürgerkrieg<br />
in der früheren jugoslawischen Teilrepublik,<br />
die 1991 ihre Unabhängigkeit<br />
erklärte, hinterlassen hat, bis<br />
heute noch deutlich zu sehen sind.<br />
Sowohl im kroatischen Teil auf dem<br />
westlichen Neretva-Ufer als auch in<br />
der bosniakischen Altstadt finden<br />
sich unzählige Ruinen, die durch<br />
schweren Beschuß zerstört wurden<br />
<strong>und</strong> das Stadtbild prägen – durchzogen<br />
von meterhohen Bäumen <strong>und</strong><br />
Sträuchern, die in den Schuttbergen<br />
prächtig gedeihen.<br />
„Smrt Faschismu“,<br />
Einschußlöcher <strong>und</strong><br />
Landminen<br />
R<strong>und</strong> um die Fenster bewohnter<br />
Häuser reihen sich unverputzte Einschußlöcher,<br />
die darauf hinweisen,<br />
daß von hier aus ein Heckenschütze<br />
auf frühere Nachbarn angelegt<br />
hatte, während an anderen Hausfassaden<br />
der kyrillische Schriftzug<br />
„Smrt Faschismu“ (Tod dem Faschismus)<br />
prangt. Durch die Belagerung<br />
<strong>und</strong> Einkesselung der Innenstadt<br />
konnten viele der im Bosnienkrieg<br />
gefallenen Männer, Frauen <strong>und</strong> Kinder<br />
nicht beerdigt werden, weil es<br />
einfach keinen Zugang zu den Friedhöfen<br />
mehr gab. Als einziger Ausweg<br />
blieb der Bevölkerung, die kleinen<br />
Parks in der Altstadt umzupflügen<br />
<strong>und</strong> enge, überfüllte Gräber<br />
anzulegen. Liebevoll gepflegt, werden<br />
sie auch dann noch auf einen<br />
sinnlosen Bürgerkrieg hinweisen,<br />
wenn der Rest der Stadt irgendwann<br />
einmal in ferner Zukunft wieder völlig<br />
aufgebaut ist…vorausgesetzt, es<br />
bleibt friedlich.<br />
Die Kämpfe haben einen extrem<br />
hohen Blutzoll gekostet: 250.000<br />
Todesopfer, davon 40 Prozent Zivilisten,<br />
sind zu beklagen; 2,2 Millio-
nen Menschen wurden durch die<br />
ethnischen Säuberungen aus ihren<br />
Heimatorten vertrieben, 50.000 vor<br />
allem bosniakische Frauen systematisch<br />
vergewaltigt – genaue Zahlen<br />
gibt es nicht, weil viele der Betroffenen<br />
aus Scham schweigen. Die Hälfte<br />
der Gebäude des Landes fiel dem<br />
Beschuß zum Opfer, darunter viele<br />
Kirchen, Moscheen <strong>und</strong> Kulturdenkmäler.<br />
Ganz Bosnien-Herzegowina<br />
ist ein großes Minenfeld, überall<br />
warnen Schilder davor, die befestigten<br />
Straßen zu verlassen. Jedes Jahr<br />
sterben immer noch zwischen zehn<br />
<strong>und</strong> zwanzig Menschen durch Landminen<br />
– wie sie jemals beseitigt werden<br />
sollen, weiß auch zwei Jahrzehnte<br />
nach dem Friedensschluß<br />
von Daytona niemand. Denn die<br />
ethnischen Spannungen, die den<br />
Zerfall Jugoslawiens in die sechs<br />
heute unabhängigen Teilrepubliken<br />
Kroatien, Slowenien, Serbien, Mazedonien,<br />
Montenegro <strong>und</strong> eben<br />
Bosnien-Herzegowina beschleunigt<br />
hatten, schwelen weiter <strong>und</strong> werden<br />
von ausländischen Interessengruppen<br />
befeuert.<br />
Nachdem die frühere autonome<br />
Region Kosovë ihre Unabhängigkeit<br />
von Serbien erklärt hat <strong>und</strong> international<br />
anerkannt wurde, überlegt in<br />
schöner Regelmäßigkeit auch die<br />
Regierung der bosnischen Teilrepublik<br />
Srpska, die 49 Prozent des Territoriums<br />
einnimmt, über eine Abspaltung<br />
nach. Ruhe wird so bald in<br />
Bosnien-Herzegowina nicht einkeh-<br />
Sämtliche Parks in der Innenstadt<br />
mußten während des Bürgerkrieges in<br />
Friedhöfe verwandelt werden, um die<br />
Gefallenen der Häuserkämpfe begraben<br />
zu können (links). Die Spuren des<br />
Krieges sind bis heute deutlich sichtbar<br />
(rechts). Die Fotos auf den vorigen<br />
Seiten zeigen sie Stari Most, wie<br />
sie sich heute den Besuchern zeigt.
en – schon allein, weil auch die<br />
wirtschaftliche Lage alles andere als<br />
zukunftsweisend ist. Geschätzt 40<br />
Prozent der Einwohner sind arbeitslos,<br />
die wirtschaftliche Entwicklung<br />
nimmt sich auf dem Papier zwar<br />
positiv aus, stagniert aber auf niedrigem<br />
Niveau. Positiv wirkt sich <strong>für</strong><br />
die Wirtschaft aus, daß Bosnien-<br />
Herzegowina seine Währung in den<br />
90er Jahren auf die D-Mark umgestellt<br />
hat. Nach der Euro-Umstellung<br />
ist es dabei geblieben, auch heute<br />
noch wird in Bosnien mit der „Marka“<br />
bezahlt.<br />
Doch von Depression ist in Mostar<br />
nicht viel zu verspüren: Abend <strong>für</strong><br />
Abend flanieren die Einwohner <strong>und</strong><br />
wenigen Touristen, die über Nacht<br />
in der im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert gegründeten<br />
Stadt bleiben, durch die romantisch<br />
beleuchteten Altstadtstraßen<br />
<strong>und</strong> über die schmucke Stari<br />
Most, über die ein kühler Hauch<br />
aus den tiefen Gebirgsschluchten<br />
hinweg zieht, von denen<br />
Mostar umgeben ist.<br />
Motto…<strong>und</strong> manchmal bringen die<br />
st<strong>und</strong>enlangen nächtlichen Spaziergänge<br />
der jungen Leute auch die<br />
eine oder andere pfiffige Idee zutage,<br />
deren Umsetzung weltweit <strong>für</strong><br />
Aufmerksamkeit sorgt wie die Enthüllung<br />
einer Bruce-Lee-Statue<br />
durch die Mostarer Jugendgruppe<br />
„Städtische Bewegung“. Die Wahl<br />
war auf den verstorbenen Kung-Fu-<br />
Helden aus dem fernen Hongkong<br />
gefallen, weil er eine jener wenigen<br />
Figuren sei, mit denen sich alle Völker<br />
Bosnien-Herzegowinas gleichermaßen<br />
identifizieren können. Und<br />
wenn Bruce Lee nun sicher auch<br />
nicht der Inbegriff von Frieden <strong>und</strong><br />
Pazifismus ist: Wenn das Bekenntnis<br />
der bosnischen Jugend zum fernöstlichen<br />
Handkanten-Virtuosen dazu<br />
beiträgt, auch zukünftig kriegerische<br />
Handlungen zu verhindern, dann ist<br />
sicher allen geholfen. Zumindest bislang<br />
scheint es funktioniert zu haben,<br />
die Waffen schweigen.<br />
Sehen <strong>und</strong> gesehen<br />
werden,<br />
lautet das
Stari Most
Nur im Touristenviertel sind die Spuren<br />
des Krieges weitgehend beseitigt<br />
(oben), während das Land nach wie vor<br />
von Armut <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit geprägt<br />
ist (unten). Die Stari Most verbindet<br />
den bosniakischen Teil Mostars,<br />
ber sie trennt die beiden so unterschiedlichen<br />
Bevölkerungsgruppen<br />
auch voneinander – nach wie vor hegen<br />
sie ein gehöriges Maß an Mißtrauen<br />
gegeneinander. Die Originalsteine<br />
liegen noch am Ufer der Neretva (Seite<br />
105).
Bosnien <strong>und</strong> Herzegowina<br />
(Bosna i Hercegovina)<br />
Hauptstadt: Sarajevo<br />
Fläche:<br />
51.129 km²<br />
Einwohner: 3.791.000 (48% Bosniaken,<br />
37% Serben, 14% Kroaten)<br />
Unabhängigkeit: 15. Oktober 1991<br />
Amtsprachen: Bosnisch, serbisch <strong>und</strong> kroatisch<br />
Währung: 1 Konvertible Mark = 100<br />
Fenninga<br />
Kfz-Kennzeichen: BiH<br />
Internet:<br />
ba<br />
Größte Städte: Sarajevo, Banja Luka, Tuzla,<br />
Zenica, Mostar<br />
Nachbarstaaten: Serbien, Kroatien, Montenegro<br />
Amtierender Fußball-<br />
Meister:<br />
Zrijnski Mostar<br />
Pokalsieger: FK Sarajevo<br />
Mostar<br />
Fläche:<br />
1175 km²<br />
Einwohner: 111.200<br />
Visafreie Einreise nach<br />
Bosnien-Herzegowina mit<br />
Reisepaß der Europäischen<br />
Union, beispielsweise über<br />
den bosnisch-kroatischen<br />
Grenzübergang Gradiška.
Innenhof einer kleinen Moschee im<br />
muslimischen Teil von Mostar (oben)<br />
Restaurant an der Kriva Cuprija, dem<br />
Modell der Stari Most.
Blick von der Stari Most auf den<br />
muslimischen Stadtteil von Mostar.<br />
Die Neretva bildete im Bürgerkrieg<br />
den hart umkämpften Frontverlauf.
„Germania“ nimmt drei neue<br />
Direktverbindungen in den Iran auf<br />
Oneway-Tickets nach Teheran <strong>und</strong> in die<br />
Pilgerstadt Stadt Mashhad bereits ab 99 Euro<br />
Neue Verbindung von Hauptstadt zu Hauptstadt: Die Fluggesellschaft „Germania“<br />
fliegt ab sofort zweimal wöchentlich immer mittwochs <strong>und</strong> sonntags von Berlin nonstop<br />
nach Teheran. Der Erstflug startete Ende Februar vom Flughafen Schönefeld<br />
zum Imam-Khomeini-Airport unweit der iranischen Hauptstadt.<br />
»Mit der Aufnahme der neuen Flugverbindung nach Teheran stärken wir nicht nur unseren<br />
Heimatflughafen, sondern leisten auch ein weiteres Bekenntnis zum Standort Berlin«, so Karsten<br />
Balke, Chief Executive Officer von „Germania“. Ergänzt wird das Angebot durch einen<br />
Germania-Direktflug von Düsseldorf nach Teheran. Die Strecke von Düsseldorf zum Imam-<br />
Khomeini-Airport wird künftig zweimal wöchentlich – <strong>und</strong> zwar montags <strong>und</strong> donnerstags –<br />
bedient. Teheran ist ein idealer Ausgangspunkt zur Besichtigung der zahlreichen iranischen<br />
UNESCO-Welterbestätten wie dem antiken Persepolis, durch die das touristisch überaus kontrastreiche<br />
<strong>und</strong> wirtschaftlich aufstrebende zentralasiatische Land immer stärker in den Fokus<br />
von Studien- <strong>und</strong> Individualreisenden sowie von Geschäftsreisenden rückt. Ebenfalls seit Ende<br />
Februar fliegt „Germania“ auch von Hamburg in die heilige Stadt Mashhad im nordöstlichen<br />
B<strong>und</strong>esstaat Razavi-Chorasan, <strong>und</strong> zwar einmal pro Woche.<br />
Flüge <strong>für</strong> alle drei Strecken sind oneway bereits ab 99 Euro inklusive Steuern <strong>und</strong> Gebühren<br />
über flygermania.de buchbar. Das Foto zeigt die Maschine des Hamburger Erstfluges.<br />
Fotos: Flughafen Hamburg
„Azal“: Ab Mai nonstop<br />
von Baku nach Berlin<br />
Der aserbaidschanische National-Carrier<br />
verbindet die beiden Hauptstädte<br />
reisenden, die auf Entdeckungstour<br />
entlang der alten Seidenstraße gehen<br />
<strong>und</strong> sich vom Mix aus Tradition<br />
<strong>und</strong> Moderne in Baku begeistern<br />
lassen. Auch Teile der faszinierenden<br />
Bergwelt werden touristisch erschlossen.<br />
Am Shahdag, dem zweithöchsten<br />
Berg des Landes, ist in den<br />
letzten Jahren ein Skiresort entstanden,<br />
das sich in den kommenden<br />
Jahren als Alternative zu herkömmlichen<br />
Skigebieten etablieren soll.<br />
Foto: Wikipedia<br />
Aserbaidschan wächst noch näher<br />
mit Europa zusammen: Die aserbai-<br />
dschanische Airline „Azal“ verbindet<br />
Baku ab 2. Mai zweimal wö-<br />
chentlich nonstop mit Berlin <strong>und</strong> bie-<br />
tet damit erstmals Direktflüge nach<br />
Deutschland an. Jeweils mittwochs<br />
<strong>und</strong> samstags bedient die Airline die<br />
Strecke von Hauptstadt zu Haupt-<br />
stadt mit einem Airbus A 319.<br />
Nicht nur Geschäftsreisende zieht<br />
es verstärkt ans Kaspische Meer: Die<br />
Südkaukasusrepublik wird auch als<br />
Urlaubsziel von immer mehr Touristen<br />
entdeckt, vor allem von Studien-<br />
Die Flugverbindungen starten<br />
pünktlich zu den Europaspielen in<br />
Baku. Vom 12. bis 28. Juni <strong>2015</strong><br />
rückt die aserbaidschanische Hauptstadt<br />
als Austragungsort der ersten<br />
Edition der Multisport-Veranstaltung<br />
ins Rampenlicht. Über 6.000 Athleten<br />
aus 49 Nationen werden Wettkämpfe<br />
in 20 olympischen wie auch<br />
nicht-olympischen Disziplinen austragen.<br />
In elf Sportarten geht es dabei<br />
auch um die Qualifikation <strong>für</strong><br />
die Olympischen Spiele 2016 in Rio<br />
de Janeiro, darunter Ringen, Boxen<br />
oder Schwimmen.<br />
azerbaijan.travel
Mit „WOW air“ <strong>für</strong> 169 Euro über<br />
den großen Teich<br />
Erstmals Flüge ab Berlin nach Boston <strong>und</strong> Washington D.C.
Vom 4. Juni an fliegt Islands Low Cost-Airline WOW air erstmals von Berlin-Schönefeld<br />
über das Drehkreuz Reykjavík nach Boston <strong>und</strong> Washington D.C. Die Flüge<br />
sind bereits jetzt auf der online buchbar. Mit den beiden neuen Reisezielen nimmt<br />
WOW air erstmals Verbindungen von Deutschland in die USA auf. Berlin <strong>und</strong><br />
Boston verbindet WOW air zwischen 4. Juni bis Ende August fünf Mal pro Woche<br />
mit einem bequemen Umstieg auf Island; von September bis März 2016 vier Mal<br />
wöchentlich. Nach Washington D.C. via der isländischen Hauptstadt fliegt die<br />
Airline ab dem 4. Juni vier Mal pro Woche ab Berlin-Schönefeld.<br />
Flughafen Keflavík<br />
Fotos: WOW Air<br />
Auf der ersten Etappe der Reise von Berlin<br />
zum Drehkreuz Reykjavík setzt WOW air<br />
den Flugzeugtyp Airbus A320 ein. Die Flüge<br />
von der Inselhauptstadt in die Vereinigten<br />
Staaten werden mit dem Flugzeugtyp<br />
Airbus A321 Extended Range betrieben, die<br />
von Islands einzigem Low-Cost-Carrier speziell<br />
<strong>für</strong> die neu ins Programm genommenen<br />
Atlantiküberquerung angeschafft <strong>und</strong><br />
Mitte März ausgeliefert wurden.<br />
»Wir sind sehr stolz darauf, unsere Flotte<br />
um zwei brandneue Airbus A321-Jets zu<br />
erweitern«, sagt WOW air CEO <strong>und</strong> Gründer<br />
Skúli Mogensen. »Mit dem niedrigen<br />
Kraftstoffverbrauch <strong>und</strong> der modernen<br />
Kabinenausstattung mit 200 Sitzplätzen<br />
können wir unseren Passagieren eine sehr<br />
komfortable Reise zu einem unschlagbaren<br />
Preis bieten.« Die neuen Jets vom Typ Airbus<br />
A321 sind mit Winglets ausgestattet.<br />
Diese speziellen Flügelelemente verringern<br />
den Luftwiderstand der Tragflächen <strong>und</strong><br />
senken den Treibstoffverbrauch auf 2,2 Liter<br />
pro Person auf 100 Kilometer.<br />
»Unsere neuen Flüge ab Deutschland in<br />
die Vereinigten Staaten sind ein wichtiger<br />
Meilenstein <strong>für</strong> uns«, kommentiert Skúli<br />
Mogensen, Gründer <strong>und</strong> CEO von WOW<br />
air. »Wir freuen uns, den Flughafen Keflavík<br />
<strong>für</strong> WOW air mehr <strong>und</strong> mehr zu einem internationalen<br />
Drehkreuz auszubauen <strong>und</strong><br />
Reisenden nun auch transatlantische Flüge<br />
zu einem günstigen Preis anbieten zu können.«<br />
Derzeit bietet WOW air Verbindungen ab<br />
Berlin-Schönefeld, Stuttgart, Düsseldorf <strong>und</strong><br />
Salzburg sowie 14 weiteren Destinationen<br />
in Europa zur isländischen Hauptstadt Reykjavík.<br />
Ab Berlin startet der isländische Low<br />
Cost-Carrier ganzjährig drei bis vier Mal pro<br />
Woche <strong>und</strong> in den Sommermonaten von<br />
Juni bis August sechs Mal wöchentlich nach<br />
Reykjavík. wow-air.de
„Economy Sleeper Class“<br />
bei „Air Astana“<br />
Preiswerte Liegemöglichkeiten auf<br />
Strecken von Europa nach Kasachstan<br />
<strong>und</strong> Ausbau des Stop-Over-Programms<br />
Air Astana, die mehrfach ausgezeichnete Fluglinie Kasachstans, hat<br />
die neue Beförderungsklasse Economy Sleeper Class auf Flügen von<br />
Frankfurt, Paris <strong>und</strong> London zum Astana International Airport mit<br />
der Boeing 757 eingeführt. Die Economy Sleeper Class ermöglicht<br />
es Passagieren, sich auf drei Economy-Class-Sitzen nebeneinander<br />
in Liegeposition zu entspannen <strong>und</strong> zu schlafen. Die von den Business-<br />
<strong>und</strong> Economy-Class-Kabinen abgetrennte Economy-Class-<br />
Sleeper-Kabine verfügt über bis zu zwölf Plätze pro Flug. Den Passagieren<br />
wird dazu ein Economy-Sleeper-Class-Kit mit spezieller Matratze<br />
sowie Kissen <strong>und</strong> Decke aus der Business-Class bereitgestellt,<br />
darüber hinaus genießen sie weitere Annehmlichkeiten wie Priority-Check-In<br />
<strong>und</strong> -Boarding, zusätzliches Freigepäck oder Zugang<br />
zur Business-Class-Lounge im Airport.
»Als Teil der stetigen Weiterentwicklung<br />
von Produkt <strong>und</strong> Service freut<br />
sich „Air Astana“ darüber, die neue<br />
Economy Sleeper Class einzuführen,<br />
die viele Annehmlichkeiten der Business<br />
Class bietet, jedoch preislich<br />
dem Tarifgefüge der Economy Class<br />
entspricht«, so Richard Ledger, Vice<br />
President Worldwide Sales bei „Air<br />
Astana“. »Ich bin zuversichtlich, daß<br />
unsere anspruchsvollen Passagiere,<br />
die zwischen europäischen Destinationen<br />
<strong>und</strong> Astana fliegen, dieses<br />
neue Reiseerlebnis sowie unseren<br />
mit vier Sternen ausgezeichneten<br />
Service genießen werden.«<br />
Zwischenzeitlich hat „Air Astana“<br />
begonnen, das Stopover-Programm<br />
seiner Tochtergesellschaft „Air Astana<br />
Holidays“ deutlich auszubauen.<br />
Statt zuvor acht enthält das Programm<br />
nunmehr 19 Hotels in der<br />
hochmodernen Hauptstadt Astana<br />
sowie in der Millionenmetropole Almaty<br />
(ehemals Alma Ata). Das erweiterte<br />
Programm bietet Passagieren<br />
einen zusätzlichen Anreiz zu einem<br />
Kurzaufenthalt in den beiden<br />
Städten, bevor sie mit „Air Astana“<br />
zu anderen Destinationen weiterfliegen,<br />
<strong>und</strong> schließt Hotelaufenthalte<br />
in den beiden Städten, Transfers<br />
vom <strong>und</strong> zum Flughafen im Privatwagen<br />
sowie optional eine halbtägige<br />
geführte City-Tour ein. Das Programm<br />
ist jeden Tag verfügbar <strong>und</strong><br />
kann von allen „Air Astana“-Passagieren,<br />
die in Astana oder Almaty<br />
ankommen, in Anspruch genommen<br />
werden. Die Package-Preise<br />
beginnen bei 100 US-Dollar pro<br />
Person in der Drei-Sterne-Hotelkategorie.<br />
Wintersportlern hält die<br />
Stadt Almaty ein eintägiges kostenloses<br />
Ski-Paket bereit, das in die<br />
stadtnahe Olympia-Region Shymbulak<br />
führt, die Miete <strong>für</strong> Skiausrüstung<br />
<strong>und</strong> einen Paß <strong>für</strong> die Skilifte einschließt.<br />
airastana.com
„Icelandair“: Nordlichter das ganze<br />
Jahr erleben<br />
Transatlantik-Flüge mit stylischem<br />
Aurora-Borealis-Flugzeug<br />
Das einzigartige Naturschauspiel der tanzenden Nordlich-<br />
ter konnte bisher nur an klaren <strong>und</strong> kalten Nächten im<br />
hohen Norden beobachtet werden. Mit „Icelandair“, der<br />
nationalen Airline Islands, können Reisende ab sofort den<br />
magischen Reigen der Nordlichter nun auch dann bestau-<br />
nen, wenn die äußeren Bedingungen es eigentlich nicht<br />
zulassen.<br />
Mit ihrem offiziellen Erstflug am 4. Februar wurde eine<br />
ganz besondere Maschine Teil der „Icelandair“-Flotte: Die<br />
auf Transatlantikflügen eingesetzte „Hekla Aurora“ verzaubert<br />
künftig den Himmel mit ihrer einzigartigen Nordlichter-Sonderlackierung.<br />
Doch nicht nur ihr Äußeres ist sommers<br />
wie winters Zeuge dieses einmaligen Lichtertanzes:<br />
Dank ausgeklügelter Beleuchtung<br />
huschen auch im Inneren Nordlichter<br />
durch die Boeing 757-200.<br />
Ein LED-System läßt statt der üblichen<br />
Beleuchtung auf einzigartige<br />
<strong>und</strong> zugleich realistische Weise<br />
bunte Lichter durch das Flugzeug<br />
tanzen. Der Inititationsflug der<br />
„Hekla Aurora“ führte am Wahrzeichen<br />
Reykjavik vorbei, der im<br />
Rahmen des „Winter Light Festivals“<br />
ebenfalls kunstvoll illuminierten<br />
Hallgrimskirkja. Mit an Bord<br />
war Birta Lif Kristindottir, eine bekannte<br />
isländische Meteorologin<br />
<strong>und</strong> frühere „Icelandair“-Pilotin, die<br />
den Passagieren die Hintergründe<br />
zum berühmten Naturphänomen erläuterte.<br />
Ab sofort wird die Nordlicht-Maschine<br />
auf sämtlichen Transatlantikstrecken<br />
zwischen Europa<br />
<strong>und</strong> Nordamerika eingesetzt.<br />
Mit der Wahl des Nordlicht-Themas<br />
betont „Icelandair“ nach eigenen<br />
Angaben die starke Verbindung<br />
zum Heimatflughafen. Die Kampagne<br />
ist Teil der erweiterten Stopover-<br />
Angebotes von „Icelandair“: Auf<br />
sämtlichen USA- <strong>und</strong> Kanadaflügen<br />
können Reisende einen bis zu siebentägigen<br />
Stopover-Aufenthalt in<br />
Island einlegen, ohne dass sich der<br />
Flugpreis erhöht.<br />
icelandair.de<br />
.de<br />
Fotos: Icelandair
Bis nach Sankt Petersburg: Ostsee-Radeln<br />
mit ADFC Hamburg <strong>und</strong> „Die Landpartie“<br />
1700 Kilometer Radvergnügen<br />
entlang der europäischen Ostsee<br />
erwartet wieder die Teilnehmer<br />
der geführten Reise „Von Hamburg<br />
nach St. Petersburg“, die<br />
bereits im vierten Jahr vom ADFC<br />
Hamburg <strong>und</strong> der „Landpartie<br />
Radeln <strong>und</strong> Reisen“ angeboten<br />
wird. Die mit der Goldenen Palme<br />
ausgezeichnete Tour, die im<br />
Juli startet, verbindet die reiche<br />
Kultur <strong>und</strong> die schönsten Ostsee-<br />
Strände von sechs Ländern Europas<br />
auf einzigartige Weise.<br />
Weiter als das Auge reicht: Europas Ostseeküste<br />
(oben links). Unberührte Natur zwischen Danzig <strong>und</strong><br />
Riga (rechts). Ankunft einer Gruppe in Sankt Petersburg<br />
(unten).<br />
Deutschland, Estland, Lettland, Litauen,<br />
Polen <strong>und</strong> Rußland verfügen<br />
alle über einzigartige Naturräume,<br />
eine reiche Kultur <strong>und</strong> die schönsten<br />
Ostsee-Strände. Das war Gr<strong>und</strong><br />
genug <strong>für</strong> den ADFC Hamburg <strong>und</strong><br />
den Oldenburger Veranstalter „Die<br />
Landpartie Radeln <strong>und</strong> Reisen“, diese<br />
sechs Länder in einer Radtour<br />
zusammenzuführen. »Unsere Reiseidee<br />
ist seit dem Start 2011 zu einem<br />
Bestseller geworden«, freut sich<br />
„Landpartie“-Geschäftsführer Thorsten<br />
Haase.<br />
Die Radreise Hamburg – Sankt<br />
Petersburg ist in drei Etappen eingeteilt,<br />
die über drei Jahre hinweg<br />
bereist werden können: Der erste Teil<br />
der Reiseroute führt von Hamburg<br />
nach Danzig. Im zweiten Teil radeln<br />
die Teilnehmer von Danzig nach<br />
Riga, im dritten bieten sich von Riga<br />
nach St. Petersburg weitere außergewöhnliche<br />
Erlebnisse. Damit es<br />
allen Radlern möglich ist, die ganze<br />
Strecke zu radeln, erhalten alle Teilnehmer<br />
ein Vorreservierungsrecht<br />
<strong>für</strong> die nächste Etappe. Die einzelnen<br />
Streckenabschnitte sind zwischen<br />
37 <strong>und</strong> 75 Kilometer lang.<br />
Übernachtet wird in Komforthotels.<br />
dielandpartie.de/radreisen-adfc<br />
Fotos: Landpartie Radeln <strong>und</strong> Reisen
Passend zu den Themen dieser Frühjahrsausgabe möchte das<br />
<strong>Reisemagazin</strong> <strong>BABYLON</strong> einige markante Musikproduktionen<br />
aus den betreffenden Ländern vorstellen. Bei allen Alben handelt<br />
es sich nicht um aktuelle Neuerscheinungen, sondern um<br />
Veröffentlichungen aus den Jahren 1994 bis 2011.<br />
Marrakesch: Fast schien es nach der Auflösung der legendären<br />
Rockband „Led Zeppelin“ unmöglich, die Musiker wieder zusammen<br />
auf die Bühne zu bringen. Dies gelang MTV mit dem „No<br />
Quarter“-Projekt, bei dem Sänger Jimmy Page <strong>und</strong> Gitarrist Roger<br />
Plant eine Reihe von Songs aufnahmen, die deutlich maghrebinische<br />
Einflüsse erkennen lassen. Unter tatkräftiger Mitwirkung<br />
nordafrikanischer Gnawa-Musiker, die Songs wie „Wah<br />
Wah“ oder „Yallah“ mit ihren traditionellen Instrumenten bereichern,<br />
entstand dabei ein atemberaubendes Akustik-Album, das<br />
sowohl in England <strong>und</strong> Wales als auch in Marokko eingespielt<br />
wurde. Bis heute unvergessen sind die Live-Aufnahmen von „City<br />
Don’t Cry“, bereits erwähntem „Wah Wah“ oder „Yallah“ auf dem<br />
nächtlichen Djemaa el Fna in Marrakesch. Das Album „No Quarter“<br />
von Jimmy Page <strong>und</strong> Robert Plant erschien 1994 bei Atlantic<br />
Records <strong>und</strong> zählt bis heute zu den wegweisendsten Einspielungen im Spannungsfeld<br />
von Rock- <strong>und</strong> Weltmusik, die DVD wurde erst im Jahr 2004<br />
nachgeschoben.<br />
Jekaterinburg: Zu den Rockmusik-Urgesteinen der Sowjetunion dürfen zweifelsohne die vier<br />
Herren von „Nautilus Pompilius“ zählen. Die wohl bekanntesten Vertreter des „Swerdlowsker<br />
Rocks“ genossen wegen ihrer gleichermaßen melancholischen wie kraftvollen<br />
Songs, die mitunter an eine rockige Variante von Gilbert Bécaud<br />
erinnern <strong>und</strong> dann wieder aus der Feder von Nina Hagen stammen<br />
könnten, bereits lange vor dem Zusammenbruch der UdSSR unerschütterlichen<br />
Kultstatus im gesamten Land. Mit ihren „Glasnost-Hymnen“<br />
konnten sich „Nautilus Pompilius“ den überdurchschnittlich hohen Bekanntheitsgrad<br />
auch noch ein paar Jahre darüber hinaus bewahren,<br />
bis letztendlich das Lesen zwischen den Zeilen, das die Popmusik der<br />
Ostblockstaaten über Jahrzehnte hinweg geprägt hatte, angesichts der<br />
über Rußland hinwegschwappenden westlichen Einflüsse kaum noch<br />
gefragt war. Nach 15 Jahren <strong>und</strong> 13 Alben löste sich die Band um<br />
Wjatscheslaw Butussow im Jahr 1997 auf, Nachfolgeprojekt ist das Quartett<br />
„Ju-Piter“. Das letzte Album von „Nautilus Pompilius“ mit dem Titel<br />
„Jablokitai“ erschien ebenfalls 1997.<br />
91
Färöer Inseln: Eigentlich ist es erstaunlich,<br />
welche Bandbreite an Musik<br />
die kleinen Färöer Inseln in den<br />
letzten Jahren hervorgebracht haben.<br />
Auch wenn die filigrane Liedermacherin<br />
Eivør Pálsdóttir gern als<br />
färöische Björk bezeichnet wird, hat<br />
die Sängerin <strong>und</strong> Gitarristin einen<br />
ganz eigenen Stil entwickelt, der sich<br />
am historischen Kettengesang der<br />
Färinger orientiert, aber auch moderne<br />
Pop- <strong>und</strong> Jazzeinsprengsel erkennen<br />
lässt. Anders als bei ihrer isländischen<br />
Kollegin strahlen die in<br />
färöischer Sprache gesungenen Lieder<br />
von Eivør Pálsdóttir – die auch<br />
als Sängerin in der Band „Clickhaze“<br />
mitwirkte – eine unglaubliche Ruhe<br />
<strong>und</strong> Gelassenheit aus, die mitunter<br />
fast zum Stillstand zu kommen<br />
scheint.<br />
1998 in Kopenhagen gegründete<br />
Band um Sänger Heri Joensen das<br />
Album „Valkyria“ (2013 bei „Metalblade“).<br />
Ausschließlich in englischer Sprache<br />
singt hingegen die Pop-Songwriterin<br />
Lena Anderssen, nicht zuletzt, weil<br />
sie in Kanada aufgewachsen <strong>und</strong><br />
erst im Alter von 17 Jahren auf die<br />
Färöer Inseln zurückgekehrt ist. Ihre<br />
jüngste, im Jahr 2011 erschienene<br />
CD „Letters from the Faroes“ wurde<br />
damals zum „Album des Jahres“<br />
gewählt. Bekannt wurde Lena Anderssen<br />
nicht zuletzt dadurch, daß<br />
sie zahlreiche Songs zu amerikanischen<br />
Erfolgsfernsehserien wie „90<br />
210“ oder „Scrubs“ beisteuerte.<br />
Alle hier genannten Alben sind über<br />
den Versandhandel erhältlich.<br />
Deutlich robuster <strong>und</strong> handgreiflicher<br />
geht es bei der färöischen<br />
Pagan- <strong>und</strong> Viking-Metal-Band „Týr“<br />
zu, die mittlerweile sechs Alben auf<br />
den Markt gebracht hat <strong>und</strong> deren<br />
Songs ebenfalls vom Kettengesang<br />
inspiriert sind. Vor allem auf den früheren<br />
Werke wie „Eric the Red“ <strong>und</strong><br />
„Ragnarok“ finden sich neben englischen<br />
Stücken auch etliche Songs<br />
in ihrer Heimatsprache, aber auch<br />
in Isländisch <strong>und</strong> Gøtudanskt. Als<br />
letztes Album veröffentlichte die
Auf dem „Skywalk der Wünsche“ können die<br />
Besucher der „Porzellanwelten Leuchtenburg“<br />
über dem Saaletal schweben<br />
Scherben bringen Glück<br />
Am internationalen Tag des Glücks eröffneten mit „Prolog“ <strong>und</strong> „Archiv<br />
der Wünsche“ die letzten zwei von insgesamt sieben Porzellanwelten<br />
auf der mittelalterlichen Leuchtenburg bei Kahla <strong>und</strong> mit ihnen<br />
gleich drei neue Besuchermagnete: die größte Vase der Welt mit<br />
einer Höhe von acht Metern, das kleinste, nur wenige Millimeter große<br />
Porzellangefäß sowie als besonderer Höhepunkt der „Skywalk der Wünsche“.<br />
»Wir präsentieren auf unserer Leuchtenburg in sieben Erlebnisräumen<br />
die Geschichte des Porzellans auf innovative Weise. Zugleich<br />
zeigen wir mit unseren neuen spektakulären Attraktionen, zu welchen<br />
Höhenflügen der Werkstoff Porzellan fähig ist <strong>und</strong> wie modern, vielfältig<br />
<strong>und</strong> faszinierend das Material ist«, erläutert Stiftungsvorstand <strong>und</strong><br />
Ideengeber Sven-Erik Hitzer.<br />
Foto: Porzellanwelten Leuchtenburg
Der 20 Meter über die mittelalterlichen<br />
Burgmauern hinausragende<br />
„Skywalk der Wünsche“<br />
aus Glas <strong>und</strong> Stahl ist ein neuer<br />
spektakulärer Aussichtspunkt<br />
in Thüringen. Über der<br />
Landschaft schwebend, können<br />
Besucher nach der Devise<br />
„Scherben bringen Glück“ ein<br />
Stück Porzellan in die Tiefe werfen,<br />
auf das sie vorher ihre Wünsche<br />
geschrieben haben. Die<br />
spektakuläre Installation ist Teil<br />
der neueröffneten Porzellanwelt<br />
„Archiv der Wünsche“.<br />
Eine bislang einmalige Verbindung<br />
von Kunst, Technik <strong>und</strong><br />
Statik präsentiert die Leuchtenburg<br />
mit der größten Vase der<br />
Welt. Die acht Meter hohe, säulenförmige<br />
Vase besteht aus 360<br />
Waben, die in der nahegelegenen<br />
Porzellanmanufaktur Reichenbach<br />
hergestellt wurden.<br />
Diese wurden vom mehrfach<br />
Lucas Cranach d.Ä.: Katharina von<br />
Bora, 1526. Unten: Wartburg.<br />
Foto: Porzellanwelten Leuchtenburg<br />
preisgekrönten, aus dem russischen<br />
Nordkaukasus stammenden Künstler<br />
Alim Pasht-Han mit kobaltblauen Motiven<br />
bemalt <strong>und</strong> teilweise mit Gold dekoriert.<br />
»Porzellan ist zart, zerbrechlich<br />
<strong>und</strong> irgendwie zickig«, so Pasht-Han.<br />
»Mich hat es fasziniert, aus diesem besonderen<br />
Stoff etwas Großes <strong>und</strong> bislang<br />
Einmaliges zu schaffen, das die<br />
Stärke dieses über Jahrtausende verwendeten<br />
Werkstoffs zum Ausdruck<br />
bringt«. Technik <strong>und</strong> Porzellan verbinden<br />
sich auch beim kleinsten Porzellan<br />
der Welt. Die nur wenige Millimeter<br />
große Maßanfertigung entstand in<br />
Kooperation mit dem Karlsruher Institut<br />
<strong>für</strong> Technologie (KIT). »Hier gab es<br />
eine zweifache Herausforderung: Wo<br />
liegt im Mikrobereich die Grenze <strong>für</strong> die<br />
Herstellung von Porzellan, <strong>und</strong> was ist<br />
mit moderner Technik trotzdem möglich«,<br />
so Sven-Erik Hitzer.
Foto: Porzellanwelten Leuchtenburg<br />
Alchemistenlabor
Foto: Porzellanwelten Leuchtenburg<br />
Am Brennofen (oben) entscheidet sich, ob ein kostbares Exponat<br />
entsteht…oder Ausschuß. Im schummrigen Alchemistenlabor kann<br />
sich jeder selbst an der richtigen Porzellanmischung probieren.
Mit der vollständigen Eröffnung<br />
der sieben „Porzellanwelten<br />
Leuchtenburg“ können Erlebnis-<br />
<strong>und</strong> Kulturbegeisterte aller<br />
Altersklassen eine spannende<br />
Zeitreise durch die faszinierende<br />
Welt des „weißen Goldes“<br />
erleben.<br />
Die von renommierten Ausstellungsgestaltern<br />
wie Libeskind-Schüler<br />
Michel J. Brown<br />
erschaffenen Erlebnisräume laden<br />
zum Staunen, Begreifen<br />
<strong>und</strong> Mitmachen ein – vom Herkunftsland<br />
des Porzellans („Das<br />
Fremde“), über die Entdeckung<br />
seiner Rezeptur in Europa („Das<br />
Rätsel“), dem weißen Gold als<br />
Status <strong>und</strong> Machtsymbol an den<br />
europäischen Höfen („Das Kostbare“)<br />
bis hin zum Einzug des<br />
Porzellans in das Alltagsleben<br />
(„Das Alltägliche“).<br />
Den Schwerpunkt der Porzellanwelten<br />
bildet die über 250-<br />
jährige Geschichte des Thüringer<br />
Porzellans: Was mit Georg<br />
Heinrich Macheleid, dem Gründer<br />
der „Aeltesten Volkstedter<br />
Porzellanmanufaktur“ begann,<br />
wandelte sich vom exklusiven<br />
Einzelstück zum bezahlbaren<br />
Produkt <strong>für</strong> alle. Ende des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts waren Thüringer<br />
Hersteller führend auf dem<br />
Markt; ihre Produkte wie Tischporzellan<br />
oder Isolatoren wurden<br />
in alle Welt geliefert. Bis<br />
1902 entstanden über 300 Porzellanmanufakturen.<br />
Am 11. <strong>und</strong> 12. April feiert der<br />
Freistaat seine Porzellantradition<br />
mit dem zweiten „Tag des<br />
Thüringer Porzellans“.<br />
leuchtenburg.de<br />
Foto: Porzellanwelten Leuchtenburg<br />
Prominenter Besuch: Hollywood-Star Kevin Costner (rechts) schenkte<br />
den „Porzellanwelten Leuchtenburg“ im vergangenen Jahr eine wertvolle<br />
Ming-Vase.
Kultur.<strong>•</strong>Tourismus. Geschichte.<br />
Akribisch recherchierte Reportagen aus<br />
Deutschland, Europa <strong>und</strong> Übersee.<br />
Kompakt <strong>und</strong> anspruchsvoll,<br />
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Vier <strong>Ausgabe</strong>n pro Jahr,<br />
illustriert mit authentischen Fotos.<br />
Das deutschsprachige<br />
Informationsmagazin <strong>für</strong> anspruchsvolle<br />
<strong>und</strong> gebildete Individualreisende.<br />
Themenschwerpunkte:<br />
Weltkulturerbe <strong>und</strong> Weltnaturerbe<br />
Kulturhauptstädte in Europa, Amerika <strong>und</strong> Arabien<br />
National Landmarks <strong>•</strong> National- <strong>und</strong> Naturparks<br />
Historische Ereignisse <strong>und</strong> Jubiläen<br />
Internationale Sportereignisse<br />
Grenzüberschreitende Tourismusprojekte<br />
Exotische Destinationen <strong>und</strong> Newcomer<br />
Tourismus in Kriegs- <strong>und</strong> Krisengebieten<br />
Weltraumtourismus<br />
Reisesicherheit <strong>und</strong> Reiserecht<br />
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Fremdenverkehrsämtern <strong>und</strong> Unternehmen<br />
<strong>BABYLON</strong><br />
erscheint zunächst viermal jährlich<br />
jeweils zum Beginn der kalendarischen<br />
Jahreszeiten. Alle<br />
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Beiträge stellen die Meinung des<br />
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Redaktion übereinstimmen muß.<br />
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befinden sich – sofern<br />
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Nummer 1<strong>•</strong><strong>2015</strong> dienen ausschließlich<br />
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