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1/2004<br />

<strong>PLUS</strong> <strong>MINUS</strong><br />

Informationsmagazin der AIDS-Hilfen Österreichs<br />

AM ENDE BLEIBT NUR DIE SOZIALHILFE?<br />

Zur Erwerbsfähigkeit von chronisch Kranken |3<br />

PSYCHOTHERAPIE FÜR CHRONISCH KRANKE<br />

Wie HIV-Infizierte davon profitieren können |5<br />

DIE KRISE DER MATERIELLEN NOT<br />

Sozialhilfe-Richtsatzüberschreitungen bei erhöhtem<br />

Lebensbedarf |6<br />

DAS ZAUBERWORT HEISST LOHNSTEUERAUSGLEICH<br />

Was HIV-Infizierte von der Steuer absetzen können |7<br />

WAS KANN BEWEGUNG BEWEGEN?<br />

Körperliche Fitness und das Immunsystem |9<br />

HIMMLISCHE DÜFTE<br />

Aromatherapie für HIV-Patient/innen |12<br />

DIE HEILE WELT DER KONTAKTANZEIGEN<br />

Eine Präventionskampagne für Freier |13<br />

VON „LONGTERM-SURVIVORS“ ZU<br />

„PEOPLE LIVING WITH HIV / AIDS<br />

Zur Lebenswirklichkeit von Infizierten heute |14


PlusMinus 1/2004<br />

Die AIDS-Hilfen Österreichs<br />

www.aidshilfen.at<br />

Bei aller Vielfalt einem gemeinsamen Ziel verpflichtet. Verhinderung von<br />

Neuinfektionen, Reduzierung der Neuerkrankungen, Weiterbau eines<br />

von Solidarität und Toleranz geprägten Klimas für die Betroffenen.<br />

Aids Hilfe Wien · Aids Hilfe Haus · Mariahilfer Gürtel 4, A-1060 Wien<br />

Tel.: 01/ 59937, Fax: 01/ 59937-16 · E-Mail: wien@aids.at<br />

Spendenkonto: 240 115 606 00 · (Bank Austria 12 000)<br />

Aidshilfe Salzburg · Gabelsbergerstr. 20 · A-5020 Salzburg<br />

Tel.: 0662 / 88 14 88 · Fax: 0662 / 88 14 88-3<br />

E-Mail: salzburg@aidshilfen.at · Spendenkonto: 02 025 666 (Raika 35 200)<br />

aidsHilfe Kärnten · Bahnhofstr. 22/ 1 · A-9020 Klagenfurt<br />

Tel.: 0463 / 55 128 · Fax: 0463 / 51 64 92<br />

E-Mail: kaernten@hiv.at · Spendenkonto: 92 011 911 (PSK 60 000)<br />

AIDSHILFE OBERÖSTERREICH · Langgasse 12, A-4020 Linz<br />

Tel.: 0732 / 21 70 · Fax: 0732 / 21 70-20<br />

E-Mail: office@aidshilfe-ooe.at · Spendenkonto: 01 002 161 83<br />

(Hypobank 54 000)<br />

Steirische AIDS-Hilfe · Schmiedgasse 38/ 1 · A-8010 Graz<br />

Tel.: 0316 / 81 50 50 · Fax: 0316 / 81 50 506<br />

E-Mail: steirische@aids-hilfe.at · Spendenkonto: 92 011 856 (PSK 60 000)<br />

AIDS-Hilfe Tirol · Kaiser-Josef-Straße 13 · A-6020 Innsbruck<br />

Tel.: 0512 / 56 36 21 · Fax: 0512 / 56 36 219<br />

E-Mail: tirol@aidshilfen.at · Spendenkonto: 03 893 060 800 (CA 11 890)<br />

AIDS-Hilfe Vorarlberg: · Neugasse 5 · A-6900 Bregenz<br />

Tel.: 05574 / 46526 · Fax: 05574 / 4690414<br />

E-Mail: vorarlberg@aidshilfen.at · Spendenkonto: 10 193 263 114<br />

(Hypobank 58 000)<br />

Servicestellen der AIDS-Hilfen Österreichs<br />

Redaktionsbüro Aidshilfe Salzburg:<br />

Gabelsbergerstr. 20 · A-5020 Salzburg<br />

Tel.: 0662 / 88 14 88 · Fax: 0662 / 88 14 88-3<br />

E-Mail: plusminus@aidshilfen.at<br />

Medienservice Aids Hilfe Wien:<br />

Aids Hilfe Haus, Mariahilfer Gürtel 4<br />

A-1060 Wien · Tel.: 01 / 595 37 11-81<br />

Fax: 01 / 595 37 11-17<br />

E-Mail: wien@aids.at<br />

Impressum:<br />

Medieninhaber und Herausgeber:<br />

Die AIDS-Hilfen Österreichs<br />

Redaktion: Mag. Andreas Kamenik. Aidshilfe<br />

Salzburg, Gabelsbergerstr. 20, A-5020 Salzburg,<br />

Tel.: 0662/ 88 14 88, Fax: 0662/ 88 14 88-3,<br />

E-Mail: plusminus@aidshilfen.at<br />

Redaktionsbeirat (verantwortlich für den Inhalt):<br />

Dr. Lola Fleck, Steirische AIDS-Hilfe<br />

Mag. Claudia Kuderna, Aids Hilfe Wien<br />

Dr. Margit Mennert, AIDS-Hilfe Tirol<br />

Dr. Elisabeth Müllner, AIDSHILFE OBER-<br />

ÖSTERREICH<br />

Dr. Günter Nagele, aidsHilfe Kärnten<br />

Dr. Werner Pfefferkorn, AIDS-Hilfe Vorarlberg<br />

DSA Maritta Teufl-Bruckbauer, Aidshilfe Salzburg<br />

Beiträge von:<br />

Dr. Fritz Aull, Mag. Andreas Kamenik (ak),<br />

Dr. Günter Nagele, Dr. Sigrid Ofner, Dr. Wolfgang<br />

Steflitsch, DSA Maritta Teufl-Bruckbauer<br />

Grafik: Jetzt neu! · Druck: Salzburger<br />

Druckerei · Auflage: 10.000 · gedruckt auf<br />

chlorfrei gebleichtem Papier · Erscheinungsweise:<br />

vierteljährlich<br />

Cover Fotos: © 2004 Andreas H. Bitesnich<br />

PlusMinus ist das Informationsmagazin<br />

der AIDS-Hilfen Österreichs. Es richtet sich<br />

an alle, die das Thema HIV und AIDS<br />

interessiert oder berührt, an Krankenhäuser,<br />

Ärzte, Pflegeeinrichtungen, soziale<br />

Institutionen, engagierte Privatpersonen –<br />

vor allem aber an diejenigen Frauen und<br />

Männer, die unmittelbar davon betroffen<br />

sind. Praktische und wissenschaftliche<br />

Aspekte der HIV/AIDS-Prävention, Neues<br />

aus Wissenschaft und Forschung, Aktuelles<br />

zur Kombinationstherapie, politische,<br />

soziale und gesellschaftliche Fragestellungen<br />

zu HIV, AIDS und anderen<br />

sexuell übertragbaren Krankheiten, rechtliche<br />

und psychosoziale Aspekte in der<br />

Betreuung von Betroffenen, Aktuelles aus<br />

den einzelnen AIDS-Hilfen und von internationaler<br />

Ebene, Rezension, Daten, Zahlen<br />

und Termine sind Inhalt des Magazins.<br />

Unsere Leser sind herzlich dazu eingeladen,<br />

uns ihre Meinungen, Anregungen<br />

und Wünsche in Form von Leserbriefen<br />

mitzuteilen. Die Redaktion ist bemüht, so<br />

viele und so vielfältige Stimmen wie möglich<br />

zu Wort kommen zu lassen, muss<br />

sich jedoch im Einzelfall die Entscheidung<br />

über den Abdruck vorbehalten.<br />

Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen


Leben im Abseits der Erfolgsgesellschaft<br />

Schwerpunkt dieser Ausgabe sind<br />

die Lebenssituationen vieler Betroffener<br />

– insbesondere die psychosozialen<br />

Umstände. Menschen,<br />

die an dieser noch immer tabuisierten<br />

Infektion leiden, geraten oft<br />

ohne eigenes Zutun Schritt für<br />

Schritt ins soziale Abseits. Durch<br />

diese Krise der sozialen Lage und<br />

die ständige Auseinandersetzung<br />

mit der chronischen Erkrankung,<br />

leiden viele Betroffene, wie auch<br />

Untersuchungen zeigen, unter enormem<br />

Stress und an Depressionen.<br />

Oft damit allein gelassen, können sie<br />

dies kaum bewältigen. Interne Studien<br />

belegen, dass Psychotherapie von<br />

großem Nutzen sein könnte, aber<br />

von viel zu wenig Betroffenen in Anspruch<br />

genommen wird. Darüber hinaus<br />

werden in dieser Ausgabe auch<br />

Tipps gegeben, wie die materielle Situation<br />

durch Ausschöpfung möglicher<br />

Sozialleistungen und Steuererleichterungen<br />

verbessert werden kann. Voraussetzung<br />

dafür ist die Bereitschaft,<br />

die Anonymität aufzugeben. red<br />

Am Ende bleibt nur die Sozialhilfe?<br />

Zur Erwerbsfähigkeit von chronisch Kranken von Günter Nagele*<br />

Arbeit hat in unserer Gesellschaft<br />

eine zentrale Bedeutung. Wer nicht<br />

arbeitet, verdient kein Geld und ohne<br />

Einkommen ist kein menschenwürdiges<br />

Überleben gesichert. Nur eben<br />

auf diese notwendige Arbeit besteht<br />

keine gesellschaftliche Garantie. Der<br />

Arbeitsmarkt ist nach dem Prinzip<br />

der Leistungsfähigkeit strukturiert.<br />

Was passiert aber, wenn jemand seinen<br />

Arbeitsplatz durch Krankheit<br />

verliert oder einen solchen dadurch<br />

erst gar nicht findet. Soziale Netze<br />

sollen die äußersten Härten wohl<br />

verhindern, nur ob sie funktionieren,<br />

ist wiederum nicht garantiert.<br />

Diese Situation ist nicht neu und hat<br />

auch bestanden, bevor sich Menschen<br />

mit HIV ansteckten und an AIDS<br />

erkrankten. Durch das Auftauchen<br />

von AIDS und mit der Wirksamkeit<br />

der Kombinationstherapie (HAART)<br />

sind neue Probleme entstanden, auf<br />

die unser System der sozialen Sicherheit<br />

keine passende Antwort hat.<br />

Gerade der medizinische Fortschritt<br />

hat eine massive soziale Verunsicherung<br />

für die Betroffenen mit sich<br />

gebracht.<br />

Ute M. ist 34 Jahre alt. Nach ihrem<br />

Studium der Betriebswirtschaft beginnt<br />

sie in einem behördennahen<br />

Unternehmen als Direktionsassistentin<br />

und steigt in der Unternehmenshierarchie<br />

rasch nach oben. 1991,<br />

am Beginn einer neuen Beziehung,<br />

sucht sie die lokale AIDS-Hilfe für<br />

einen HIV-Test auf. Nicht weil sie<br />

real an die Möglichkeit einer Infektion<br />

glaubt, sondern um mit der<br />

neuen Beziehung auch einen Schlussstrich<br />

unter ihre bisherigen sexuellen<br />

Beziehungen zu ziehen.<br />

Bis hierher ist die Geschichte von<br />

Frau M. nicht ungewöhnlich. Für<br />

viele Menschen ist der Beziehungsanfang<br />

Motiv für einen Test. Er ist<br />

bzw. soll ein Zeichen für einen neuen<br />

Anfang sein. Im Gegensatz zu den<br />

meisten, ist für Ute M. der Tag des<br />

Tests aber ein Ende auf das lange<br />

kein Neuanfang folgt. 10 Tage nach<br />

der Blutabnahme wird ihr mitgeteilt,<br />

dass der HIV-Antikörperbefund<br />

positiv ist. Frau M. lässt sich nach<br />

dem Befund zwei Wochen krank<br />

schreiben. Der Rückkehr in die Arbeit<br />

fällt ihr leicht und sie atmet auf:<br />

„Es hat sich nichts verändert.“ Was<br />

bleibt, ist die Angst krank zu werden.<br />

Aber mit jeder Woche wird<br />

diese Angst kleiner, sie fasst wieder<br />

Sicherheit. Die Arbeit hilft ihr, beinahe<br />

in die Normalität zurück zu<br />

kehren. Als sie nach einem Urlaub<br />

wieder in die Firma kommt, merkt<br />

sie, dass sich etwas verändert hat.<br />

Es wird hinter ihrem Rücken getuschelt<br />

und viele ihrer „Kolleg/innen“<br />

sehen weg, sobald sie in der Nähe<br />

ist. Nach zwei Tagen wird sie von<br />

ihrem Vorgesetzten zu einem klärenden<br />

Gespräch gebeten. Was war geschehen?<br />

Wenige Tage nach der Befundrückgabe<br />

hat Ute M. ihren ehemaligen<br />

Freund angerufen und sich<br />

in der Hoffnung auf Verständnis<br />

und Anteilnahme ihre Angst und<br />

Erschütterung von der Seele geredet.<br />

Über Umwege hat eine von Ute M.s<br />

Arbeitskolleginnen von der Infektion<br />

erfahren und ein wenig unter Freunden<br />

getratscht. Damit war das geschehen,<br />

wovor Frau M. in der<br />

Befundberatung bei der AIDS-Hilfe<br />

nachdrücklich gewarnt wurde: Eine<br />

HIV Infektion kann zu lebensbedrohlichen<br />

körperlichen Erkrankungen<br />

führen. Dies jedoch nicht<br />

unmittelbar, sondern erst nach langen<br />

Jahren der Positivität. Nur<br />

neben der körperlichen Versehrtheit,<br />

die der Infektion folgen kann, kann<br />

*Dr. Günter Nagele ist<br />

seit 1991 Leiter der<br />

aidsHilfe Kärnten<br />

3


PlusMinus 1/2004<br />

es zu einer sozialen Beschädigung<br />

kommen, die zu Ausgrenzung, Verlust<br />

des Arbeitsplatzes, Vereinsamung<br />

etc. führen kann. Dies bedeutet, dass<br />

sie sehr genau darauf achten muss,<br />

wem sie ihr Geheimnis anvertraut.<br />

Durch das Getratsche und die Unruhe<br />

im Betrieb darauf aufmerksam gemacht,<br />

entschließt sich Frau M.s<br />

Vorgesetzter eine Schlussstrich unter<br />

die Affäre zu setzen, wie er es bezeichnet.<br />

Er legt ihr nahe, die einvernehmliche<br />

Kündigung anzunehmen,<br />

die er ihr anbieten kann. Sie akzeptiert<br />

ohne recht zu Wissen, was dies heißt.<br />

Zwei Jahre nach dem positiven Befund<br />

ist Frau M. erstmals arbeitslos<br />

und macht sehr schnell die Erfahrung,<br />

dass auch am AMS der Befund bekannt<br />

wird und sie in der Vermittlungsschlange<br />

weit nach hinten fällt.<br />

Sie sucht sich daher selbst einen Job<br />

und findet diesen auch in der Verwaltung<br />

eines sozialpädagogischen<br />

Betriebs. Nach einem halben Jahr,<br />

sensibilisiert auf jedes Zeichen von<br />

Ausgrenzung, entschließt sie sich,<br />

dem Verein ihre Positivität mitzuteilen.<br />

Ihre Erwartung, hier auf Verständnis<br />

zu stoßen, wird aber nachdrücklich<br />

enttäuscht. Sie ist wieder<br />

arbeitslos. Zurück im Vermittlungsgetriebe<br />

des AMS merkt sie rasch,<br />

Arbeit hat sie hier nicht zu erwarten.<br />

Nur diesmal findet sie auch selbst<br />

nichts mehr und sie wird schließlich<br />

zur hochqualifizierten Notstandsempfängerin.<br />

1995, vier Jahre nach ihrem positiven<br />

Befund, schlägt ihr das AMS vor,<br />

doch einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension<br />

zu stellen. Frau M.<br />

ist in der Zwischenzeit erkrankt,<br />

erste sogenannte opportunistische<br />

Infektionen sind bei ihr aufgetaucht.<br />

Ein halbes Jahr nach dem Antrag<br />

erhält sie den zustimmenden Bescheid<br />

der Pensionsversicherungsanstalt<br />

auf eine zweijährig befristete<br />

Berufsunfähigkeitspension. Anfang<br />

1997 wird sie auf die Kombinationstherapie<br />

eingestellt. Die Aussicht, die<br />

Infektion zu überleben, macht sie zu<br />

einer „folgsamen“ Patientin. Und der<br />

Erfolg gibt ihr Recht. Langsam kehrt<br />

ihre Vitalität wieder zurück und sie<br />

beginnt, sich wieder gesund zu fühlen.<br />

Sie verträgt den Medikamentencocktail,<br />

von geringen Nebenwirkungen<br />

abgesehen, sehr gut. Die Pension<br />

wird ihr nach Ablauf der zweijährigen<br />

Frist wieder gewährt. Sie freut sich<br />

darüber und zweifelt gleichzeitig an<br />

der Angemessenheit dieser sozialen<br />

Leistung. Es ist mittlerweile Sommer<br />

1998 und sie geht täglich schwimmen,<br />

läuft regelmäßig und ist nach ihrem<br />

Dafürhalten bei bester Kondition.<br />

Es ist eine schizophrene Situation, der<br />

sich viele HIV-infizierte Menschen<br />

gegenüber sehen: Von der Gesellschaft<br />

als nicht erwerbsfähig auf dem<br />

Abstellgleis einer Pensionsleistung<br />

zurückgelassen und gleichzeitig<br />

objektiv und im eigenen Empfinden<br />

leistungsfähig. Wie in anderen Zusammenhängen<br />

auch, weist HIV/AIDS<br />

hier auf eine Dynamik im System der<br />

sozialen Sicherheit und Integration<br />

hin, die für andere Personengruppen<br />

in gleicher Weise besteht. Der Weg in<br />

die vorzeitige Pension ist von krankheitswertigen<br />

Tatsachen bestimmt.<br />

Nur mit diesem Weg wird auch ein<br />

Überqueren der Grenze zur Erwerbsgesellschaft<br />

mit bestimmt. Der Gang<br />

zurück nach einer Genesung in eine<br />

Arbeitswelt, die sich immer stärker<br />

auf eine Risikoselektion in der Personalvermittlung<br />

verlässt, ist bei einer<br />

chronischen Infektion mit fortdauernder<br />

medizinischen Betreuung verstellt<br />

und nur wenigen gelingt es,<br />

diese Hürde zu überspringen.<br />

Das Problem von Frau M., das sie<br />

voraussichtlich noch über viele Jahre<br />

begleiten wird, gesund zu sein und<br />

sich in zweijährigen Intervallen vor<br />

dem Wegfallen der Pensionsleistung<br />

zu fürchten, wird dadurch psychisch<br />

auch immer belastender, da sie für<br />

sich selbst sieht, dass sie für die Gesellschaft,<br />

deren Mitglied sie ist,<br />

nutzbringende Arbeit leisten kann.<br />

Nur eben diese Gesellschaft schließt<br />

sie als potenzielles Risiko aus dem<br />

Prozess der Leistungserbringung aus.<br />

Somit wird ihr Status als therapiebedingt<br />

gesunde HIV-Trägerin zum<br />

finalen sozialen Risiko. Im schlimmsten<br />

Fall kann es ihr passieren, dass<br />

sie im nächsten Verfahren zur Neubewilligung<br />

der Berufsunfähigkeitspension<br />

einen abschlägigen Bescheid<br />

erhält und dieser auch nach einer allfälligen<br />

Berufung nicht aufgehoben<br />

wird. Am Ende dieser Angst steht<br />

leider die Gewissheit, dass nur noch<br />

der letzte Netzzipfel unserer sozialen<br />

Versorgung für Ute M. übrig bleibt:<br />

die Sozialhilfe.<br />

Dass dieses Szenario nicht unwahrscheinlich<br />

ist, geht bereits aus der<br />

gesetzlichen Definition von Berufsunfähigkeit<br />

hervor: „Berufsunfähigkeit<br />

liegt vor, wenn die Arbeitsfähigkeit<br />

des Versicherten infolge seines körperlichen<br />

oder geistigen Zustandes<br />

so weit gesunken ist, dass sie weniger<br />

als die Hälfte derjenigen eines<br />

gesunden Versicherten beträgt, der<br />

über eine vergleichbare Berufsausbildung<br />

und gleichwertige Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten verfügt.“


Psychotherapie für chronisch Kranke<br />

HIV-Positive und an AIDS erkrankte Menschen profitieren von einer<br />

psychotherapeutischen Unterstützung von Maritta Teufl-Bruckbauer*<br />

Nach Aussagen von US-Forschern<br />

hilft Psychotherapie chronisch kranken<br />

Menschen, mit Stress, Panikattacken<br />

und Depressionen besser<br />

umgehen zu lernen. Die aktuellen<br />

Studien besagen, dass Stress, Ängste<br />

und unbehandelte Depressionen die<br />

Abwehrkräfte schwächen. Somit<br />

können sie einen nachteiligen Einfluss<br />

auf das Immunsystem haben.<br />

Obwohl die Infektionskrankheit behandelbar<br />

geworden ist, geht es vielen<br />

Betroffenen psychisch sehr schlecht.<br />

Menschen mit HIV/AIDS müssen<br />

sich ständig mit ihrer Krankheit auseinandersetzen,<br />

obwohl es ihnen<br />

somatisch oft durch die Erfolge der<br />

Kombinationstherapie gut geht.<br />

Doch ihre Gedanken kreisen verständlicherweise<br />

um Therapie und<br />

Krankheit. Wie lange wird sie wirken,<br />

wie bald kommen Resistenzen<br />

oder schwere Nebenwirkungen.<br />

Am Ende der Gedankenkette steht<br />

das Fortschreiten der Krankheit, das<br />

Ende des Lebens, der Tod. Das sind<br />

die Probleme, mit denen sich HIVpositive<br />

und AIDS-kranke Menschen<br />

auseinandersetzen müssen. Oft sind<br />

sie mit ihren Gedanken alleine gelassen,<br />

weil sie niemanden belasten wollen<br />

und oft auch niemanden haben,<br />

der der Krankheit vorurteilsfrei gegenübersteht.<br />

Das schafft andauernden<br />

Stress und emotionalen Druck.<br />

Tatsache ist leider, dass, obwohl bei<br />

vielen österreichischen Patient/innen<br />

akute Depressionen oder sonstige<br />

psychopathologische Erkrankungen<br />

diagnostiziert werden, nur sehr<br />

wenige Betroffene psychotherapeutische<br />

Hilfe in Anspruch nehmen.<br />

Woran mag das liegen?<br />

Das liegt vielleicht daran, dass Psychotherapie<br />

und ihre Wirkungen zu<br />

wenig bekannt sind oder daran, dass<br />

der gesamte Berufsstand der Psychotherapeuten<br />

zu wenig akzeptiert wird<br />

und der Volksmund noch immer<br />

besagt, man muss schon sehr „irre“<br />

sein, um sich in Psychotherapie zu<br />

begeben. Die Volksmeinung irrt, wie<br />

so oft. Tatsächlich ist es so, wenn<br />

man den richtigen Therapeuten zur<br />

richtigen Zeit aufsucht, dass die<br />

Lebensqualität eines chronisch kranken<br />

Menschen und sogar die Lebenserwartung<br />

erhöht werden kann.<br />

Wie kommt man zum richtigen<br />

Therapeuten?<br />

In den letzten Jahrzehnten haben sich<br />

eine Reihe von psychoanalytischen<br />

Behandlungsmethoden entwickelt.<br />

Auch gibt es eine genügende Anzahl<br />

an Therapeut/innen, die sich auf<br />

chronisch Kranke spezialisiert haben.<br />

Probieren geht über Studieren. Auch<br />

die AIDS-Hilfen Österreichs und die<br />

Spezialambulanzen können bei der<br />

Auswahl eines geeigneten Therapeuten<br />

behilflich sein.<br />

Welche Kosten sind zu erwarten?<br />

Auch hier hat sich in den letzten<br />

Jahren eine Menge zum Besseren<br />

bewegt. Es gibt zwar in Österreich<br />

noch immer keine einheitliche<br />

Regelung für Psychotherapie. Auch<br />

die Forderung nach Psychotherapie<br />

auf Krankenschein ist bundesweit<br />

noch immer nicht Realität geworden,<br />

obwohl es schon einzelne Erfolge<br />

gibt. Aber jede Krankenkasse<br />

zahlt mittlerweile wenigstens einen<br />

Kostenzuschuss. Um einen Kostenzuschuss<br />

zu erhalten, muss eine<br />

krankheitswertige Störung vorliegen.<br />

Dies ist bei HIV/AIDS-Patient/<br />

innen sowieso der Fall und verursacht<br />

keine weiteren Probleme.<br />

Voraussetzung für einen Kostenzuschuss<br />

ist weiterhin, dass der Therapeut<br />

bei der jeweiligen Krankenkasse<br />

eingetragen und zugelassen ist.<br />

Aber auch das ist kein Problem, es<br />

gibt mittlerweile deren viele.<br />

Die meisten Krankenkassen leisten<br />

einen Zuschuss pro Stunde von EUR<br />

21,80. Für einen Kostenzuschuss für<br />

die ersten 10 Sitzungen ist es ausreichend,<br />

neben der ärztlichen Bestätigung<br />

die Honorarnote des Psychotherapeuten<br />

vorzulegen. Wenn weitere<br />

Sitzungen gewünscht werden,<br />

was meist sinnvoll ist, muss ein Antrag<br />

vom jeweiligen Psychotherapeuten<br />

gestellt werden. In diesem Antrag<br />

hat der Psychotherapeut einige<br />

fallbezogene Fragen zu beantworten.<br />

Die Krankenkasse prüft dann den<br />

Antrag und gewährt in der Regel<br />

einen Kostenzuschuss für weitere 50<br />

Sitzungen. Sollte der übrig bleibende<br />

Selbstbehalt das Budget zu sehr<br />

belasten, kann man bei den Landesregierungen<br />

einen Antrag auf Übernahme<br />

der restlichen Kosten stellen.<br />

Wenn die zulässige Einkommensgrenze<br />

nicht überschritten wird,<br />

kann man davon ausgehen, dass<br />

auch diese Kosten gedeckt werden.<br />

Weitere Informationen zu Psychotherapie<br />

und ihren Methoden sowie<br />

ausführliche Listen über die zur<br />

Verfügung stehenden Psychotherapeut/innen,<br />

geordnet nach Bundesländern,<br />

erhalten Sie unter der<br />

Internetadresse www.psyonline.at<br />

*DSA Maritta Teufl-<br />

Bruckbauer ist seit 1991<br />

Leiterin der Aidshilfe<br />

Salzburg<br />

5


PlusMinus 1/2004<br />

Die Krise der materiellen Not<br />

Sozialhilfe-Richtsatzüberschreitungen bei erhöhtem Lebensbedarf von Maritta Teufl-Bruckbauer*<br />

Was bleibt übrig?<br />

Nach Durchsicht und Studium der<br />

Landes-Sozialhilfesysteme – Sozialhilfeangelegenheiten<br />

sind Landessache<br />

und werden nicht bundesweit<br />

geregelt – kann man ersehen, dass es<br />

doch in den meisten Bundesländern<br />

vom rechtlichen Standpunkt aus<br />

Möglichkeiten gibt, Sozialhilfe über<br />

den Richtsatz hinaus zu erhalten.<br />

Vor allem wenn aufgrund persönlicher<br />

Verhältnisse, insbesondere<br />

durch Krankheit oder Behinderung,<br />

ein erhöhter Lebensaufwand nachweisbar<br />

ist.<br />

*DSA Maritta Teufl-<br />

Bruckbauer ist seit 1991<br />

Leiterin der Aidshilfe<br />

Salzburg<br />

Menschen mit HIV/AIDS sind oft<br />

gezwungen, Sozialleistungen in Anspruch<br />

zu nehmen, da sie in der<br />

Regel in jungen bis mittleren Jahren<br />

von der Krankheit betroffen sind<br />

und dadurch ihre Arbeitsleistung<br />

nicht mehr erbringen können. Die<br />

Folge davon ist, dass sie um Berufsunfähigkeits-<br />

bzw. Invaliditätspension<br />

ansuchen müssen. Leider kann<br />

es auch passieren, dass die erforderlichen<br />

Vorbedingungen für eine Frühpension<br />

gar nicht erbracht werden<br />

können und sie so zum Sozialfall<br />

werden und mit nichts als der Sozialhilfe<br />

als Einkommen auskommen<br />

müssen. Aber auch Menschen, die<br />

eine Frühpension erhalten, werden<br />

zum Sozialfall, wenn ihre Pension<br />

aufgrund der wenigen Versicherungsjahre<br />

und des geringen Arbeitseinkommens<br />

so gering ausfällt, dass sie<br />

ihre monatlichen Ausgaben ohne<br />

staatliche Unterstützung nicht erbringen<br />

können.<br />

Es bedeutet eine enorme Belastung,<br />

auf Dauer mit einem Einkommen<br />

auskommen zu müssen, das als Existenzminimum<br />

bezeichnet wird. Jede<br />

Zusatzausgabe wie z.B. ein neues<br />

Fernsehgerät, ein Theaterbesuch,<br />

notwendige Reparaturen, ganz zu<br />

schweigen von ein paar Tagen Urlaub,<br />

bedeuten ein dickes Minus auf<br />

dem Bankkonto. In den allermeisten<br />

Fällen ist das dann gar nicht möglich,<br />

weil die Banken bei niedrigen Einkommen<br />

keinen Überziehungsrahmen<br />

gewähren. Neben der somatischen<br />

und psychosomatischen Belastung<br />

durch die Krankheit bedeutet daher<br />

der meist lebenslängliche, für gut<br />

Situierte kaum vorstellbare Zustand<br />

der existenziellen Not eine extreme<br />

Belastung für die Betroffenen.<br />

Es gibt einige Hilfsfonds in Österreich,<br />

die Betroffene in finanziellen<br />

Notlagen unterstützen, ohne deren<br />

vorbildliches Engagement für viele<br />

die Lage noch aussichtsloser wäre.<br />

Aber auch diese Hilfestellungen bieten<br />

keine dauerhafte Lösung für die<br />

laufende „Krise“. Auch die Möglichkeit<br />

eines Zusatzverdienstes, der<br />

laut Pensionsgesetz ja möglich wäre,<br />

wenn die Höchstgrenze pro Monat<br />

nicht überschritten wird, ist im Hinblick<br />

auf die schlechte Arbeitsmarktlage<br />

meist nur eine theoretische.<br />

Manche Bundesländer sind Vorreiter<br />

in der Unterstützung von HIV-positiven<br />

und an AIDS erkrankten Menschen.<br />

So gibt es in Salzburg beispielsweise<br />

schon viele Jahre eine<br />

Ernährungszulage, die je nach Krankheitsfortschritt<br />

in drei Stufen geregelt<br />

ist:<br />

Stufe 1 – HIV-Positive<br />

EUR 54,14/monatlich<br />

Stufe 2 – HIV-Positive im ARC-Stadium<br />

EUR 87,21/monatlich<br />

Stufe 3 – AIDS-Kranke<br />

EUR 174,41/monatlich (Stand 2003)<br />

Voraussetzung für die Genehmigung<br />

dieser monatlichen Pauschale<br />

ist ein Amtsarztbesuch beim Sozialamt,<br />

wobei es von unabdingbarer<br />

Voraussetzung ist, dass entsprechende<br />

Befunde beigelegt werden<br />

können.<br />

Auch in Tirol gibt es eine monatliche<br />

Pauschale für Menschen, die an<br />

AIDS erkrankt sind in der Höhe von<br />

EUR 72,67 (Stand 2003).<br />

Alle anderen Bundesländer haben<br />

keine extra ausgewiesene Hilfe für<br />

Menschen mit HIV/AIDS. Um eine


Richtsatzüberschreitung durchsetzen<br />

zu können, muss daher in diesen<br />

Bundesländern ein erhöhter Lebensbedarf<br />

aufgrund von Krankheit nachgewiesen<br />

werden.<br />

Da viele Betroffene zusätzliche gesundheitsbezogene<br />

Maßnahmen zur<br />

Stärkung des Immunsystems ergreifen<br />

müssen, und viele Mangelerscheinungen<br />

durch Nahrungsergänzung<br />

ausgleichen müssen, und dies tatsächliche<br />

Mehrkosten verursacht, ist<br />

der Nachweis über diese Ausgaben<br />

wichtig, wenn es um das Durchsetzen<br />

des erhöhten Lebensbedarfes<br />

geht. Selbstverständlich können<br />

auch andere Mehraufwendungen,<br />

die durch die Krankheit verursacht<br />

werden, eingereicht werden. Sollte<br />

man Hilfe bei der Durchsetzung dieser<br />

Ansprüche benötigen, so kann<br />

man sich an die Sozialarbeiter/innen<br />

der AIDS-Hilfe des jeweiligen Bundeslandes<br />

wenden.<br />

Abschließend bleibt zu hoffen, und<br />

weitere Bemühungen sind dazu sicher<br />

erforderlich, dass sich in allen Bundesländern<br />

in Zukunft Regelungen durchsetzen<br />

werden, die eine prinzipielle<br />

Zulage allen von Armut betroffenen<br />

HIV-positiven und an AIDS erkrankten<br />

Menschen gewährleisten.<br />

Das Zauberwort heißt Lohnsteuerausgleich<br />

Was HIV-Infizierte von der Steuer absetzen können von Maritta Teufl-Bruckbauer*<br />

Obwohl viele Österreicher/innen<br />

unter den zunehmenden Steuerbelastungen<br />

leiden, verschenken sie<br />

jährlich viele Millionen Euro an den<br />

Finanzminister. Statt sich das Geld<br />

auf das eigene Konto gutschreiben<br />

zu lassen, versäumen sie ihn, vergessen<br />

ihn, oder machen ihn nur mangelhaft:<br />

den Lohnsteuerausgleich.<br />

*DSA Maritta Teufl-<br />

Bruckbauer ist seit 1991<br />

Leiterin der Aidshilfe<br />

Salzburg<br />

Gerade auch für HIV-positive und<br />

an AIDS erkrankte Menschen, die<br />

wahrlich nicht zu den Wohlhabendsten<br />

gehören, wäre es ein Leichtes,<br />

sich einen Teil der einbezahlten<br />

Lohnsteuer wieder zurückzuholen.<br />

Auch wenn der Formularendschungel<br />

nicht einfach zu durchschauen<br />

und diese Arbeit nicht lustig ist, es<br />

lohnt sich doch, sich damit auseinanderzusetzen.<br />

Vor allem im Bereich der „Außergewöhnlichen<br />

Belastungen“ ist für<br />

jeden Betroffenen, der lohnsteuerpflichtig<br />

ist, etwas zurückzuholen.<br />

Das gilt für Personen, die im aktiven<br />

Berufsleben stehen, genauso wie für<br />

Personen, die in Pension sind.<br />

Voraussetzung ist allerdings, dass<br />

das Einkommen lohnsteuerpflichtig<br />

ist. Personen, die z.B. eine so geringe<br />

Pension beziehen, dass keine Lohnsteuer<br />

zu zahlen ist, haben keine<br />

Möglichkeit etwas zurückzufordern.<br />

Außergewöhnliche Belastungen bei<br />

Behinderungen<br />

Bei Vorliegen von körperlichen oder<br />

geistigen Behinderungen vermindern<br />

besondere Pauschalbeträge ohne<br />

Selbstbehalt das Einkommen. Ein<br />

Steuerpflichtiger gilt als behindert,<br />

wenn der Grad der Behinderung mindestens<br />

25% beträgt. Der Pauschalbetrag<br />

ist abhängig vom Grad der<br />

7


PlusMinus 1/2004<br />

Behinderung und beträgt jährlich bei<br />

einer Behinderung von::<br />

25% bis 34% 75,00 EUR<br />

35% bis 44% 99,00 EUR<br />

45% bis 54% 243,00 EUR<br />

55% bis 64% 294,00 EUR<br />

65% bis 74% 363,00 EUR<br />

75% bis 84% 435,00 EUR<br />

85% bis 94% 507,00 EUR<br />

ab 95%<br />

726,00 EUR<br />

(Quelle: Das Steuerbuch 2002)<br />

Achtung: Bei ganzjährigem Bezug<br />

von Pflegegeld steht der Pauschalbetrag<br />

nicht zu!<br />

Die Behinderung und ihr Ausmaß<br />

muss vom örtlich zuständigen Gesundheitsamt<br />

bestätigt werden.<br />

Im Bereich der Stadt Wien ist der<br />

Amtsarzt des jeweiligen Bezirkspolizeikommissariats<br />

zuständig. Die<br />

Bestätigung muss auf dem Formular<br />

L 38 erfolgen, welches vom Wohnsitzfinanzamt<br />

angefordert oder aus<br />

dem Internet (www.bmf.gv.at) heruntergelanden<br />

werden kann. Um<br />

also unnötige Wege zu vermeiden<br />

gilt es zuerst, sich das Formular zu<br />

besorgen. Dann aktuelle medizinische<br />

Befunde vom behandelnden<br />

Arzt einholen, möglichst auch solche,<br />

aus denen ersichtlich ist, wann<br />

die HIV-Infektion bzw. AIDS-Erkrankung<br />

und ev. andere Krankheiten<br />

das erste Mal diagnostiziert<br />

wurden. Mit dem Formular und den<br />

Befunden abschließend zum Gesundheitsamt<br />

bzw. Amtsarzt gehen.<br />

Als außergewöhnliche Belastungen<br />

anerkannt und beim Finanzamt geltend<br />

gemacht werden können auch<br />

folgende Aufwendungen, vorausgesetzt<br />

diese können mit Belegen nachgewiesen<br />

werden:<br />

• Arzt- und Spitalskosten (soweit sie<br />

nicht von gesetzlichen Krankenversicherungen<br />

abgedeckt werden)<br />

• Fahrtkosten zum Arzt oder ins<br />

Krankenhaus<br />

• Kosten für Zahnersatz bzw.<br />

Zahnbehandlung<br />

• Kur- und Therapiekosten<br />

• Kosten für Medikamente (auch<br />

homöopathische Präparate,<br />

Rezeptgebühren, Behandlungsbeiträge<br />

einschl. Psychotherapie<br />

und Akupunktur)<br />

• Kosten für Heilbehelfe und Hilfsmittel<br />

Krankheitskosten (Diätkosten)<br />

Eine eigene Pauschale gibt es, wenn<br />

eine spezielle Diätverpflegung aufgrund<br />

von Krankheit notwendig ist:<br />

Krankheit monatliche Pauschale<br />

Aids<br />

70,00 EUR<br />

Diabetes 70,00 EUR<br />

Leberleiden 51,00 EUR<br />

Tuberkulose 70,00 EUR<br />

Nierenleiden 51,00 EUR<br />

Gallenleiden 51,00 EUR<br />

Zöliakie 70,00 EUR<br />

andere vom Arzt verordnete Diäten<br />

wegen innerer Krankheiten (Magen,<br />

Herz) 42,00 EUR<br />

(Quelle: Das Steuerbuch 2002)<br />

Für den Antrag auf Durchführung<br />

eines Lohnsteuerausgleiches hat man<br />

fünf Jahre Zeit. D.h. bis Ende<br />

Dezember 2004 kann man Anträge<br />

rückwirkend betreffend die Jahre<br />

1999, 2000, 2001, 2002 und 2003<br />

stellen. Sollten schon Lohnsteuerausgleiche<br />

für diese Jahre beantragt<br />

und abgewickelt, jedoch die außergewöhnlichen<br />

Belastungen aufgrund<br />

von Krankheit nicht eingebracht<br />

worden sein, so kann man einen<br />

Antrag auf Wiedereinsetzung des<br />

Verfahrens stellen.


Was kann Bewegung bewegen?<br />

Körperliche Fitness und das Immunsystem von Sigrid Ofner*<br />

Körperliche Fitness steigert sowohl<br />

das physische als auch das psychische<br />

Wohlbefinden. Bei HIV-positiven<br />

Menschen ebenso wie bei HIVnegativen.<br />

Unabhängig vom HIV-<br />

Status gilt daher: Wer es einmal ausprobiert<br />

hat, wird nicht mehr auf<br />

Bewegung verzichten wollen.<br />

*Dr. Sigrid Ofner zeichnet<br />

seit 1999 für die medizinische<br />

Information und<br />

Dokumentation der AIDS-<br />

Hilfen Österreichs verantwortlich.<br />

Vor Beginn eines gezielten Trainings<br />

ist es in jedem Falle empfehlenswert,<br />

sich von einem Arzt/einer Ärztin<br />

durchchecken und hinsichtlich Zusammenstellung<br />

und Intensität des<br />

geeigneten Fitnessplans beraten zu<br />

lassen. Eine Infektion mit dem HI-<br />

Virus bzw. das Einnehmen antiretroviraler<br />

Medikamente stellen an und<br />

für sich kein Hindernis für körperliche<br />

Bewegung dar. Möglicherweise lässt<br />

sich durch Sport das Immunsystem<br />

verbessern und das Auftreten von<br />

Stoffwechselstörungen verhindern.<br />

Sicherheit gegeben<br />

In einer der ersten Studien über körperliche<br />

Bewegung bei Menschen<br />

mit HIV-Infektion resultierte moderates<br />

Training dreimal wöchentlich<br />

über je 45 Minuten in einer Zunahme<br />

der CD4-Zellen. Und in einem 1997<br />

verfassten Review äußern die Autor/<br />

innen die Meinung, körperliche<br />

Übungen könnten bei allen HIV 1-<br />

Patient/innen, abgesehen von jenen,<br />

die bereits an AIDS erkrankt sind,<br />

zu einem Anstieg der CD4-Zellzahl<br />

führen 1 . Weitere Untersuchungen<br />

haben diese Ergebnisse zwar nicht<br />

bestätigt, andererseits aber gezeigt,<br />

dass auch kein Risiko in Form einer<br />

Abnahme der CD4-Zellen besteht 2 .<br />

Eine Aktivierung des Immunsystems<br />

durch Bewegung könnte sich durch<br />

eine Beschleunigung der viralen Replikation<br />

theoretisch auch negativ<br />

auswirken. Entwarnung konnte diesbezüglich<br />

allerdings durch eine belgische<br />

Untersuchung 3 gegeben werden.<br />

Die Viruslast der 9 teilnehmenden<br />

HIV-positiven Männer veränderte<br />

sich durch die Betätigung am<br />

Ergometer nicht signifikant.<br />

Divergierende Ergebnisse<br />

Vor allem zur Klärung des Einflusses<br />

von Bewegung auf Fettstoffwechselstörungen<br />

bzw. im Hinblick auf deren<br />

Linderung laufen häufig Studien.<br />

Eine vor kurzem publizierte, in den<br />

USA durchgeführte Untersuchung 4 ,<br />

in die 120 HIV-positive Teilnehmer/innen<br />

aufgenommen wurden,<br />

die bereits mindestens 6 Monate mit<br />

einer hochaktiven antiretroviralen<br />

Therapie (HAART) behandelt worden<br />

waren, zeigte, dass die Triglyzeridwerte<br />

negativ mit dem Trainingsausmaß<br />

korrelierten. Für LDLoder<br />

HDL-Cholesterin konnte jedoch<br />

in dieser Studie kein ähnlicher<br />

Zusammenhang gesehen werden. In<br />

einer anderen Studie 5 , deren 6 Teilnehmer/innen<br />

etwa 90 Minuten pro<br />

Woche 10 Wochen lang trainierten,<br />

9


PlusMinus 1/2004<br />

sank das Gesamtcholesterin hingegen<br />

signifikant. Sieht man sich eine<br />

dritte Studie an, stößt man auf wieder<br />

ein anderes Ergebnis: Birk 6 und<br />

Kollegen hielten fünf Teilnehmer/<br />

innen ein Jahr lang jede Woche dreimal<br />

zu 40 Minuten Bewegung an.<br />

Die Auswirkungen auf das Gesamtcholesterin<br />

waren nicht signifikant,<br />

die Triglyzeridlevel stiegen jedoch an.<br />

Anders als bei den Blutfettwerten<br />

besteht hinsichtlich der Möglichkeiten,<br />

durch Bewegung Gewicht<br />

und Körperfettanteil zu verringern<br />

und den Body Mass Index zu verbessern,<br />

Übereinstimmung 7 .<br />

Vorsicht ist geboten, wenn Menschen<br />

mit HIV/AIDS – z.B. auf Grund<br />

eines Wasting-Syndroms – ungewollt<br />

Gewicht verlieren. Körperliche Bewegung<br />

könnte dazu führen, dass<br />

der Muskelabbau beschleunigt wird.<br />

Wenn durch Training der Aufbau<br />

von Muskeln erreicht werde soll,<br />

müssen die Übungen intensiv genug<br />

sein, um die Muskelbildung effektiv<br />

anzuregen, dürfen aber nicht so intensiv<br />

sein, dass sie den Muskelaufbau<br />

verhindern. Bewegung kann<br />

neuen Studienergebnissen zu Folge<br />

sowohl zur Prävention als auch zum<br />

Kampf gegen das Wasting eingesetzt<br />

werden. Roubenoff 8 und Kolleg/innen<br />

berichten, dass die Fähigkeit, durch<br />

Bewegung die Proteinsynthese anzuregen,<br />

beim HIV-Wasting erhalten<br />

bleibt, und Zinna 9 et al. vertreten die<br />

Ansicht, dass regelmäßiges Training<br />

die Abnahme von Muskelprotein<br />

abschwächen kann.<br />

Lebensqualität steigt<br />

Sich zu bewegen kann neben den<br />

möglichen körperlichen Veränderungen<br />

nachgewiesenermaßen auch<br />

positive Auswirkungen auf die Psyche<br />

haben. In einer 1998 durchgeführten<br />

Untersuchung 10 füllten die HIVpositiven<br />

Teilnehmer/innen zu Beginn<br />

und am Ende einen Fragebogen<br />

zur Lebensqualität aus. Bei jenen,<br />

die sich während der Studiendauer<br />

am Training beteiligten, verbesserte<br />

sich die Lebensqualität in allen Bereichen.<br />

Wichtig, um sich durch<br />

Bewegung wohler zu fühlen, ist es,<br />

sich nicht zu überfordern, sondern<br />

es langsam anzugehen. Pausen sind<br />

ebenso nötig wie Trainingseinheiten.<br />

Der Körper braucht Ruhe, um<br />

Muskeln aufbauen zu können und<br />

Kontinuität – also regelmäßiges<br />

Training, damit gemachte Fortschritte<br />

erhalten werden. Denn sobald<br />

man mit dem Training aufhört,<br />

geht die Wirkung leider wieder verloren.<br />

1 LaPeirriere A et al. "Change in CD4+ cell enumeration<br />

following aerobic exercise training in HIV-1<br />

disease:possible mechanisms and practical applications."<br />

Int J Sports Med 18 (Suppl 1): 56-61, 1997<br />

2 Bopp C et al. "Clinical implications of therapeutic<br />

exercise in HIV/AIDS", Journal of the Association<br />

of Nurses in AIDS Care, 14(1): 73-78, 2003<br />

3 Simons P et al. "No influence of exercise on HIV-<br />

1 viral load"; P118, 8th European Conference on<br />

Clinical Aspects and Treatment of HIV Infection,<br />

Athen 28.-31. Oktober 2001<br />

4 Gavrila A et al. "Exercise and vitamin E intake<br />

are independently associated with metabolic<br />

abnormalities in human immunodeficiency viruspositive<br />

subjects: a cross-sectional study", Clinical<br />

Infectious Diseases 36: 1593-1601, 2003<br />

5 Jones S et al. "Short-term exercise training<br />

improves body composition and hyperlipidaemia<br />

in HIV-positive individuals with lipodystrophy",<br />

AIDS, 15(15): 2049-2051, 2001<br />

6 Birk T et al. "Aerobic exercise fails to lower<br />

hypertriglyeridemia levels in persons with advanced<br />

HIV-1 infection", Journal of Nurses in AIDS<br />

Care: 13(6): 20-24, 2002<br />

7 Smith B et al. "Aerobic exercise: Effects on parameters<br />

related to fatigue, dyspnea, weight and<br />

body composition in HIV-infected adults", AIDS,<br />

15(6): 693-701, 2001<br />

Roubenoff R et al. "A pilot study of exercise training<br />

to reduce trunk fat in adults wth HIV-associated<br />

fat redistribution", AIDS, 13(11): 1373-1375<br />

8 Roubenoff R et al. "Effect of acquired immune<br />

deficiency syndrome wasting on the protein metabolic<br />

response to acute exercise", Metabolism:<br />

Clinical & Experimental, 50(3), 288-292, 2001<br />

9 Zinna E et al. "Exercise treatment to counteract<br />

protein wasting of chronic diseases", Current<br />

Opinion in Clinical Nutrtion and Metabolic Care,<br />

6(1): 87-93, 2003<br />

10 Stringer W et al. "The effect of exercise training<br />

on aerobbic fitness, immune indices, and quality of<br />

life in HIV+ patients", Medicine & Science in<br />

Sports & Exercise, 30(1): 11-16, 1998


Fun & Info<br />

AIDS-Information im Museum<br />

Die Aids Hilfe Wien und das Kunst-<br />

HausWien führen eine „Fun & Info“-<br />

Aktion (eine Kombination aus Ausstellungsbesuch<br />

und HIV-Prävention)<br />

im Rahmen der Andreas H. Bitesnich-<br />

Ausstellung von 12. Februar bis 9.<br />

Mai 2004 im KunstHausWien durch.<br />

Für den Informationsteil zum Thema<br />

HIV/AIDS steht ein speziell geschultes<br />

Team von freien Referent/innen<br />

der Aids Hilfe Wien zur Verfügung.<br />

Zielgruppen sind Schüler/innen ab<br />

der 9. Schulstufe. In den Veranstaltungen<br />

werden in lockerer Atmosphäre<br />

(FUN) das Thema HIV/AIDS<br />

und die Fakten näher gebracht (INFO).<br />

Dabei sollen vor allem praktisch<br />

relevante Hinweise nicht zu kurz<br />

kommen, sowie persönliche Denkanstöße<br />

vermittelt werden. Alle Fragen<br />

können und sollen gestellt werden –<br />

Lehrpersonen können daher am<br />

Workshop nicht teilnehmen!<br />

Für Lehrer/innen findet zum Thema<br />

„sexuelle Gesundheit bei Jugendlichen“<br />

am 30. 4. 2003 von 9.00 bis<br />

13.00 Uhr eine Spezialfortbildung in<br />

der Aids Hilfe Wien statt. Dr. Wolfgang<br />

Dür (LBI für Gesundheitssoziologie)<br />

spricht unter dem Titel<br />

„Harry Potter, Hermine Granger und<br />

der Stein der Weisen“ zum Thema<br />

Jugendsexualität, anschließend diskutieren<br />

Expert/innen die Situation<br />

der Sexualpädagogik im Schulwesen.<br />

Mit einer Führung für Lehrer/innen<br />

durch die Ausstellung im KunstHaus<br />

Wien endet das Programm.<br />

Weitere informationen finden Sie auf<br />

www.aids.at oder Sie wenden sich<br />

unter wien@aids.at direkt an die<br />

Aids Hilfe Wien.<br />

red<br />

Andreas H. Bitesnich. Photography.<br />

12. Februar bis 9. Mai 2004, täglich von<br />

10.00 bis 19.00 Uhr im KunstHausWien<br />

Im KunstHausWien wird erstmals in<br />

Österreich eine Werkschau mit 110<br />

Exponaten des Wiener Fotografen<br />

Andreas H. Bitesnich aus den vier<br />

Themenbereichen seiner bisher erschienen<br />

Bücher „Nudes“, „Woman“,<br />

„Travel“ und „On Form“ präsentiert.<br />

Sowohl bei seinen berühmten Aktfotografien,<br />

die eine kühle, distanzierte<br />

Erotik verströmen, als auch bei seinen<br />

Reiseimpressionen oder Arbeiten für<br />

Werbung und Portraits geht es ihm<br />

immer um Perfektion im Spiel von Form<br />

und Balance, um das bestmögliche<br />

Bild. In Österreich besonders bekannt<br />

sind Bitesnichs Fotos für die Anti-AIDS-<br />

Kampagnen der Aids Hilfe Wien (u.a.<br />

mit Elke Winkens). Die Fotografie ist für<br />

ihn ein Universum – und er ein Entdecker<br />

aller Möglichkeiten.<br />

Nähere Informationen gibt es unter<br />

www.bitesnich.com oder www.kunsthauswien.com.<br />

© 2004<br />

Andreas H. Bitesnich<br />

11


PlusMinus 1/2004<br />

Himmlische Düfte<br />

Aromatherapie für HIV-Patient/innen von Wolfgang Steflitsch*<br />

*Dr. Wolfgang Steflitsch<br />

ist Lungenfacharzt im<br />

Otto-Wagner-Spital in<br />

Wien, Redakteur der<br />

Ärztewoche und arztlicher<br />

Leiter von HIVmobil.<br />

Die Aromapflege folgt den Prinzipien<br />

der Naturheilkunde und wirkt gleichermaßen<br />

auf Körper und Seele.<br />

Die ätherischen Öle besitzen einzigartige<br />

Eigenschaften, aus denen sich<br />

ihre Wirkungsweise und die verschiedenen<br />

Anwendungsmöglichkeiten<br />

ergeben.<br />

Menschen mit HIV/AIDS leiden oft<br />

durch die HIV-Infektion selbst,<br />

durch andere Infektionen aufgrund<br />

ihrer Immunschwäche oder durch<br />

unerwünschte Nebenwirkungen der<br />

antiretroviralen Kombinationstherapie<br />

an zahlreichen physischen Beschwerden<br />

und psychischen Befindlichkeitsstörungen.<br />

Mit Hilfe der<br />

Aromatherapie können sowohl viele<br />

Beschwerde- und Krankheitsbilder<br />

als auch die Körperabwehr günstig<br />

beeinflusst werden. Bei fachgerechter,<br />

individuell abgestimmter Auswahl<br />

der ätherischen Öle können<br />

die erwünschten Wirkungen praktisch<br />

ohne unerwünschte Nebenwirkungen<br />

erzielt werden.<br />

Ätherische Öle sind Duftstoffe, die<br />

Pflanzen in Form von winzigen Öltröpfchen<br />

in Blüten, Blättern, Stängeln<br />

und Wurzeln einlagern. Die<br />

„Himmlischen Düfte“ befinden sich<br />

dort in Ölzellen, Ölgängen, Harzkanälen<br />

oder Öldrüsenhaaren. Die<br />

Gewinnung der ätherischen, flüchtigen<br />

Essenzen scheint schon vor etwa<br />

5000 Jahren gelöst worden zu sein.<br />

Archäologen fanden ein mesopotamisches<br />

Destilliergerät, das zur Herstellung<br />

von Essenzen diente. Und<br />

die Ägypter verwendeten 4000 Jahre<br />

vor der Zeitwende Essenzen aus<br />

Zedernholz, Zimt, Terpentin, Dill,<br />

Basilikum und Koriander zur Mumifizierung,<br />

zum Heilen und für die<br />

Kosmetik. Chinesen und Inder stellten<br />

zu ältesten Zeiten vor allem Rosenöl,<br />

Kalmusöl und Andropogonöl<br />

her. Der große Arzt und Alchemist<br />

Paracelsus (1493 – 1541) förderte<br />

die Herstellung und den medizinischen<br />

Gebrauch ätherischer Öle.<br />

Die Aromatherapie ist die Erbin<br />

einer Jahrtausend währenden Tradition.<br />

Die moderne Aromatherapie<br />

beginnt mit dem Mann, der ihr den<br />

Namen gegeben hat, Rene Maurice<br />

Gattefosse, ein Chemiker und Parfumeur<br />

aus Lyon. Seine besondere<br />

historische Leistung war es, die verschiedenen<br />

Anwendungsformen<br />

unter dem Begriff „Aromatherapie“<br />

zusammenzufassen. In seinem wichtigsten<br />

Buch „Aromatherapie“ beschreibt<br />

er 1937 das gesamte Wissen<br />

seiner Zeit über die Heilwirkung<br />

ätherischer Öle. Die Gewinnung der<br />

ätherischen Öle erfolgt durch Wasserdampfdestillation,<br />

Kaltpressung, Enfleurage<br />

(Einlegen der Pflanzenteile<br />

in Fett, Alkoholextraktion), chemische<br />

Lösungsmittel oder Alkohol<br />

(Absolues) sowie durch Kohlendioxid-Extraktion.<br />

Man benötigt eine<br />

sehr große Menge von Pflanzen zur<br />

Herstellung einer kleinen Menge an<br />

Essenz. Ätherische Öle setzen sich<br />

aus einer Vielzahl verschiedener biochemischer<br />

Substanzen zusammen.<br />

Dieses „Vielstoffgemisch“ mit seiner<br />

breitgefächerten Wirkung kann weit<br />

über 100 Komponenten enthalten.<br />

Die Wirkung der ätherischen Öle ist<br />

nur gesichert, wenn qualitativ hochwertige<br />

Öle zum Einsatz kommen.<br />

Die Aromatherapie folgt den Prinzipien<br />

der Naturheilkunde. Sie will<br />

die Lebenskraft und Selbstheilungskräfte<br />

der Patient/innen wecken und<br />

stärken. Die Essenzen haben tiefe<br />

Wirkung auf das psychische Gleichgewicht.<br />

Sie bewirken eine seelische<br />

Umstimmung, regulieren aus der<br />

Balance Geratenes und entziehen<br />

einer Krankheit den eigentlichen<br />

Nährboden. Sie wirken gleichermaßen<br />

auf den Körper und die<br />

Seele, also im ganzheitlichen Sinne.<br />

Durch ihre unmittelbare Wirkung<br />

auf das Gehirn und von dort aus auf<br />

Steuermechanismen regulieren ätherische<br />

Öle psychische und physische<br />

Vorgänge. Aus diesem Grunde wird<br />

das Aufnehmen der Düfte oft über<br />

Duftlampe, Aerosolgerät und Inhalation<br />

praktiziert. Die flüchtigen<br />

ätherischen Öle beeinflussen das<br />

Limbische System, den Hypothalamus<br />

und das vegetative Nervensystem.<br />

Besonders in der Psycho-<br />

Aromatherapie gebraucht man diese<br />

Anwendungsart zur Linderung von<br />

Depressionen, Schlafstörungen,<br />

Stress-Symptomen und Angst. Die<br />

Essenzen können die Haut durchdringen<br />

und über Bindegewebe und<br />

Lymphe in den Blutkreislauf eintreten.<br />

Von dort aus erreichen sie die<br />

ihnen zugeordneten Organe. Über<br />

Nieren und Lunge werden sie wieder<br />

ausgeschieden. Durch den Kontakt<br />

mit der Haut, unserem größten<br />

Organ, unterstützen die Essenzen<br />

diese in ihrer vielfältigen Funktion.<br />

Sie werden in Form von Einreibungen,<br />

Bädern und Kompressen verdünnt<br />

auf die Haut gebracht und<br />

wirken so nicht nur auf die Haut,<br />

sondern auch auf Körper und Psyche.<br />

Quelle: Aromapflege:<br />

Aromatologin DGKS Evelyn Deutsch, Wien:<br />

Tel.: 0664-14 33 871; Fax: 02233- 57 845; Email:<br />

e.deutsch@aromapflege.at;<br />

Homepage: www.aromapflege.at<br />

Susanne Fischer-Rizzi: Himmlische Düfte – Aromatherapie,<br />

Anwendung wohlriechender Pflanzenessenzen<br />

und ihre Wirkung auf Körper und Seele;<br />

2002, AT Verlag, Aarau, Schweiz;<br />

www.at-verlag.ch · www.susanne-fischer-rizzi.de<br />

PlusMinus wird unterstützt von


Die heile Welt der Kontaktanzeigen<br />

Eine Präventionskampagne für Freier von Andreas Kamenik*<br />

Beim Lesen von Kontaktanzeigen<br />

(insbesondere von kommerziellen<br />

Anzeigen) und Konsumieren von<br />

Produkten der Pornoindustrie hat<br />

man oft den Eindruck, dass es HIV/<br />

AIDS und andere sexuell übertragbare<br />

Krankheiten nicht gibt bzw.<br />

das Thema der sexuellen Gesundheit<br />

generell keiner Erwähnung bedarf.<br />

Spätestens seit das Fernsehen entdeckt<br />

hat, dass man mit Berichter-<br />

verkauft sich besser. Bekannt ist<br />

auch, dass sich Sexworker aus den<br />

verschiedensten Gründen diesem<br />

wirtschaftlichen Druck oft beugen<br />

müssen. Zielführend wäre es also,<br />

bei Freiern ein stärkeres Bewusstsein<br />

für die eigene sexuelle Gesundheit<br />

zu schaffen. Erschwerend hierbei ist,<br />

dass diese Zielgruppe durch herkömmliche<br />

Präventionsstrategien<br />

nur sehr schwer erreichbar ist.<br />

*Mag. Andreas Kamenik<br />

ist seit 1999 für das<br />

Redaktionsbüro der AIDS-<br />

Hilfen Österreichs als<br />

Redakteur tätig.<br />

stattungen über die Pornoindustrie<br />

Einschaltquoten ergattern kann und<br />

es Sendungen wie Lilo Wanders<br />

„Wa(h)re Liebe“ gibt, weiß man,<br />

dass dies nicht völlig richtig ist und<br />

beispielsweise HIV-Tests als Arbeitsbedingung<br />

für Pornodarsteller nicht<br />

ungewöhnlich sind. Die Kenntnis um<br />

die Wichtigkeit sexueller Gesundheit<br />

ist also durchaus vorhanden.<br />

Trotzdem werden in Pornofilmen<br />

(für Heterosexuelle) kaum Kondome<br />

verwendet und in Kontaktanzeigen<br />

wird mit unsafen Praktiken wie dem<br />

Schlucken von Sperma gelockt.<br />

Beinharte Rechner wissen, dass sich<br />

das einfach besser verkauft, weil es<br />

den Phantasien der Konsumenten<br />

entspricht. Bei Produkten, die hauptsächlich<br />

für den alleinigen Konsum<br />

gedacht sind, ist dies auch nicht<br />

wirklich bedenklich, obwohl natürlich<br />

auch hier eine Vorbildwirkung<br />

wünschenswert wäre. Fraglich wird<br />

es allerdings, wenn persönliche Kontakte<br />

angestrebt werden. Die Vermutung<br />

liegt nahe, dass das Versprochene<br />

auch eingefordert werden will<br />

und viele dieser Kontakte deshalb<br />

ungeschützt ablaufen. Denn es ist<br />

nicht nur das Angebot an sich<br />

verlockender, sondern auch die<br />

praktische Umsetzung des Angebots<br />

Die AIDS-Hilfen Österreich haben<br />

deshalb zum Welt AIDS Tag 2003<br />

eine großangelegte Präventionskampagne<br />

gestartet, in der die Themen<br />

HIV/AIDS bzw. sexuelle Gesundheit<br />

im allgemeinen thematisiert werden.<br />

In Österreichs gängigsten Kontaktmagazinen<br />

werden über einen Zeitraum<br />

von insgesamt 6 Monaten Anzeigen<br />

geschaltet, die auf das Thema<br />

HIV/AIDS aufmerksam machen und<br />

darauf hinweisen, wie sich die Leser<br />

der Magazine eingehender zum<br />

Thema informieren können. Dies<br />

geschieht einerseits durch Inserate,<br />

die sich durch ihr einfaches grafisches<br />

Design stark von den übrigen<br />

Werbungen abheben und damit ein<br />

deutlicher „eye catcher“ sind.<br />

Andererseits werden auch Wortanzeigen<br />

geschaltet, die sich in den<br />

übrigen Inseraten „verstecken“,<br />

sodass auch die Leser (und Leserinnen)<br />

erreicht werden, die sich<br />

intensiv den Kontaktanzeigen widmen.<br />

Zunächst von Dezember 2003<br />

bis März 2004 werden in jeder Ausgabe<br />

5 Inserate mit 2 verschiedenen<br />

Sujets geschaltet und etwa 15 Wortanzeigen<br />

gleichmäßig auf die verschiedenen<br />

Rubriken der Magazine<br />

verteilt. Nach einer etwa 3-monatigen<br />

Pause werden die Schaltungen<br />

noch einmal für 3 Monate wiederholt.<br />

Wir danken den<br />

Magazinen, ÖKM, BKM<br />

und Nachtbote, die durch<br />

ihre Unterstützung diese<br />

Kampagne möglich gemacht<br />

haben.<br />

13


PlusMinus 1/2004<br />

Von „Longterm-survivors“ zu<br />

„People living with HIV/AIDS“<br />

Zur Lebenswirklichkeit von Infizierten heute Von Fritz Aull*<br />

*Dr. Fritz Aull arbeitet seit<br />

1993 als Psychologe in<br />

der AIDS-Hilfe Tirol in den<br />

Bereichen Beratung und<br />

Prävention<br />

1 Zippel, Stefan(Hg):<br />

Antiretrovirale Kombinationstherapie.<br />

Auswirkungen in der<br />

psychosozialen Praxis.<br />

Antworten und Fragen.<br />

München 1998<br />

Benennungen, Begriffe und Zuschreibungen<br />

auf ihre Entstehung<br />

und Bedeutungsgehalte hin näher zu<br />

betrachten, kann zu einem vertiefenden<br />

Verständnis dessen, was sie bezeichnen<br />

sollen, beitragen. Mit diesem<br />

Text möchte ich anhand zweier<br />

im HIV/AIDS-Zusammenhang geprägter<br />

Termini die Lebensbedingungen<br />

HIV-Positiver beleuchten –<br />

und wie diese sich im Lauf der letzten<br />

Jahre verändert haben.<br />

Erfahrungen aus Gesprächen mit<br />

Klienten aus telefonischen wie persönlichen<br />

Beratungen fließen dabei<br />

in verdichteter Form ein.<br />

Schauen wir zunächst zurück, zurück<br />

in die Zeit vor 1996, als die<br />

antiretrovirale Therapie noch nicht<br />

verfügbar war. Ohne Zweifel war<br />

die Wirklichkeit um AIDS durch<br />

sehr hohe Mortalitätsraten gekennzeichnet.<br />

Wie eng die HIV-Infektion<br />

und AIDS-Erkrankung mit Sterben<br />

und Tod assoziiert waren, belegt auf<br />

eigenartige Weise der Ausdruck<br />

„longterm-survivor“. Er ist ein das<br />

Individuum nicht berücksichtigendes<br />

Etikett, angebracht und aufgedrückt<br />

durch die medizinische Fachwelt, die<br />

AIDS damals ja nahezu ohnmächtig<br />

gegenüberstand.<br />

Leben als Ausnahmezustand<br />

Der Begriff „Longterm-survivor“<br />

implizierte eine genormte, auf eine<br />

begrenzte Dauer ausgerichtete,<br />

knappe Lebenszeit für Infizierte und<br />

Kranke. Wie sehr diese nur mehr<br />

unter dem Aspekt der Immunschwächekrankheit<br />

wahrgenommen<br />

wurden, macht der Begriff ebenfalls<br />

deutlich: Das Leben wird den Betroffenen<br />

in gewisser Weise abgesprochen,<br />

ist per se in Frage gestellt.<br />

Das Vorhersehbare, das Einkalkulierte<br />

ist das Sterben, Leben wird als<br />

Überleben verstanden und auch nur<br />

als solches zugestanden. Longtermsurvivor<br />

beinhaltet demgemäß, dass<br />

HIV-Positive respektive AIDS-Kranke<br />

noch leben. Ein Infizierter brachte es<br />

so auf den Punkt: „Was anderes, als<br />

dass ich das zeitgerechte Sterben an<br />

AIDS nicht eingehalten habe, soll<br />

mir der Begriff sagen?“ – Leben,<br />

Weiterleben als Ausnahme, als Umstand<br />

der einer Legitimation bedarf.<br />

Für jene, die mit diesem Etikett versehen<br />

waren, bestand die große<br />

Herausforderung nicht allein in der<br />

individuellen Bewältigung von Infektion<br />

und Erkrankung, sie mussten<br />

auch dieser Zuschreibung Leben und<br />

Lebenssinn gleichsam abtrotzen<br />

bzw. entgegensetzen. Noch einmal:<br />

Longterm-survivor bekräftigt hauptsächlich<br />

die Tatsache, dass die betreffende<br />

Person wider Erwarten<br />

am Leben ist. Die Frage, wie dieses<br />

Leben aussieht, welche Lebensqualität<br />

es beinhaltet, bleibt weitgehend<br />

ausgeblendet.<br />

Zurück ins Leben<br />

Natürlich führten die so genannten<br />

Longterm-survivors ein Leben mit<br />

HIV/AIDS, jedoch vor einem ganz<br />

anderen Hintergrund als gegenwärtig<br />

die „People living with HIV/AIDS“,<br />

um den jetzt gültigen und gebräuchlichen<br />

Begriff einzuführen.<br />

Ausgehend von der durch die HAART<br />

bedingten verbesserten medizinischen<br />

Behandelbarkeit haben sich im gewandelten<br />

Phänomen AIDS auch<br />

Perspektiven grundlegend verändert.<br />

Plakativ könnte man es so umreißen:<br />

Nicht an der tödlichen Immunschwäche<br />

sterben, sondern mit HIV<br />

und AIDS leben. Wie einschneidend,<br />

umwälzend diese Veränderung war,<br />

welch grosse Adaptionsleistungen<br />

sie erforderte, wissen vor allem jene<br />

Betroffenen, die innerhalb ihrer Biografie<br />

sowohl die Zeit vor als auch<br />

die nach Einführung der Kombinationstherapie<br />

erlebten bzw. erleben.<br />

Aus einem Leben trotz schlechter<br />

Prognose, trotz Erkrankung, einem<br />

Leben angesichts verkürzter Lebenserwartung<br />

und mehr oder weniger<br />

deutlich realisierter Todesnähe ist<br />

ein Leben mit geweiteter Perspektive<br />

und Versprechen auf Zukunft geworden.<br />

Dass diese Veränderung der<br />

grundlegenden Lebensbedingungen<br />

erhebliche Ambivalenzen auszulösen<br />

imstande war, zeigt das Zitat einer<br />

AIDS-kranken Frau:<br />

„Da war in der Entscheidungszeit<br />

außerdem noch das Gefühl, dass<br />

man sich nun jahrelang auf den baldigen<br />

Tod eingestellt hat, sich mit<br />

ihm auseinandergesetzt und ihn<br />

dann akzeptiert, ja angenommen hat<br />

– und dass man nun plötzlich leben<br />

könnte, sollte – und müsste.( ) Jetzt<br />

muss ich wieder neu anfangen. Was<br />

mache ich nun mit meiner bitter<br />

erarbeiteten, ruhigen und friedlichen<br />

Todesnähe? Wie kann ich sie und<br />

vor allem die Leichtigkeit in dieses<br />

neue Leben neu integrieren?<br />

Eigenartig, dass Zukunft und Weiterleben<br />

nicht nur eine überfließende<br />

und bejahende Bewegung und Freude<br />

auslöst, sondern auch Angst. Die<br />

Angst, dass man die Leichtigkeit<br />

verliert und wieder in die Mühlen<br />

der kalten, leistungsorientierten und<br />

todesfernen Welt gerät.“<br />

(Martine, 1997, S.98) 1<br />

Widersprüchliche Lebensbedingungen<br />

Menschen wie Martine erfuhren den<br />

Wandel in der AIDS-Wirklichkeit


am eigenen Leib. Andere, welche zu<br />

den eher Neu-Infizierten zählen, finden<br />

von Beginn an eine nicht so<br />

schicksalhaft geprägte Folie vor, auf<br />

der sie ihr je individuelles Leben mit<br />

der HIV-Infektion gestalten.<br />

Dennoch – auch dieses Leben im<br />

„neuen AIDS-Zeitalter“ ist eines mit<br />

vielen Widersprüchen. Das liegt zunächst<br />

daran, dass die Gesellschaft –<br />

repräsentiert durch ihre verschiedenen<br />

Körperschaften und offiziellen<br />

Organe – von HIV-Infizierten einerseits<br />

„Normalität“ einfordert und<br />

sie auch verspricht, sie andererseits<br />

mit einer Sonderrolle belegt und<br />

ungleich behandelt. Beispielsweise<br />

wird heute, da die HIV-Infektion in<br />

zunehmendem Maß als eine unter<br />

vielen chronischen Erkrankungen<br />

gilt, die Berufstätigkeit von Infizierten<br />

als selbstverständlich gesehen,<br />

gleichzeitig sind HIV und AIDS in<br />

den meisten Fällen Tabuthemen am<br />

Arbeitsplatz.<br />

Volle Leistungsfähigkeit wird erwartet,<br />

auf der anderen Seite gibt es genügend<br />

Beispiele von Sonderbehandlung<br />

und Schlechterstellung: Am<br />

Versicherungssektor, in finanziellen<br />

Belangen (z.B. Darlehen), Einreiserestriktionen,<br />

Beschränkungen am<br />

Jobsektor, die einem Berufsverbot<br />

gleichkommen, etc. Gerade die unterschiedlichen<br />

diskriminierenden Erfahrungen<br />

stören die Selbstverständlichkeit,<br />

mit der sich HIV-Positive<br />

als Gleiche, vor allem als Gleichwertige<br />

in ihrem gesellschaftlichen<br />

Umfeld bewegen möchten. Es ist<br />

„wie ein Schatten, der mich verfolgt“<br />

sagte kürzlich ein Klient als er<br />

vom schon länger zurückliegenden,<br />

durch das Bekanntwerden seiner<br />

HIV-Infektion bedingten Verlust<br />

eines Arbeitsplatzes berichtete.<br />

Heute hat er zwar wieder einen Job,<br />

eine unterschwellige Angst vor wiederkehrender<br />

Diskriminierung ist<br />

seither aber sein ständiger Begleiter.<br />

Beispiele wie diese machen deutlich,<br />

wie unter solchen Umständen – trotz<br />

physischen Wohlbefindens – die HIV-<br />

Infektion zur psychischen Dauerbelastung<br />

wird. Wenn die Medikamente<br />

der Kombinationstherapie optimal<br />

wirken, erfreuen sich Infizierte guter<br />

Gesundheit, welche ja generell eine<br />

wichtige Basis zur Lebensgestaltung<br />

darstellt. Was Infizierte jedoch ebenso<br />

stark benötigen, worauf sie ein<br />

Recht haben, ist nicht nur der Zugang<br />

zu adäquater medizinischer<br />

Versorgung, sondern auch eine offene,<br />

vorurteilsfreie Umgebung, die<br />

HIV weder ignorant gegenübersteht<br />

noch mit Ausgrenzung, Stigmatisierung,<br />

Hysterie oder Mitleid reagiert.<br />

Das ist die Voraussetzung dafür,<br />

dass sich HIV-Positive wirklich<br />

als „People living with HIV/AIDS“<br />

identifizieren können. Bis dahin ist<br />

es, so scheint es mir jedenfalls, noch<br />

ein weiter Weg.<br />

15


PlusMinus 1/2004<br />

P.b.b. · Verlagspostamt 5020 Salzburg · GZ 02Z032017 M<br />

Rezensionen<br />

Brigitte Weingart. Ansteckende<br />

Wörter. Repräsentationen von<br />

AIDS. Frankfurt: edition suhrkamp,<br />

2002. 330 S. € 10.–<br />

Das vorliegende Buch untersucht<br />

die Auseinandersetzung mit dem<br />

Thema AIDS aus einer kultur- und<br />

sprachwissenschaftlichen Perspektive<br />

und rekonstruiert, wie sich das<br />

Bild einer Krankheit in Politik,<br />

Literatur und Film im Laufe der<br />

Zeit verändert hat. Vor allem in<br />

den 80er-Jahren zu Beginn der Epidemie<br />

wurde das Kürzel AIDS mit<br />

unterschiedlichen Sinnzuweisungen<br />

befrachtet (Schwulenseuche, Strafe<br />

Gottes, Ausdruck moralischer<br />

Verwerflichkeit), von der es sich bis<br />

heute nicht erholt hat. In den 90er<br />

Jahren, als die Seuche in den afrikanischen<br />

Ländern epochale Ausmaße<br />

annahm, kamen neue Sinnzusammenhänge<br />

hinzu. Die Autorin spricht<br />

in diesem Zusammenhang von einer<br />

„Bedeutungsepidemie“. In exemplarischen<br />

Lektüren nimmt die Autorin<br />

künstlerische Arbeiten in den Blick<br />

und beschreibt, wie sich die Repräsentationen<br />

von AIDS, ähnlich dem<br />

Virus im Körper, in Kultur und<br />

Gesellschaft zunächst unbemerkt<br />

einnisten und dort einen Schaden<br />

anrichten, der (bis jetzt) nicht wieder<br />

gut zu machen (heilbar) ist. Mit<br />

Einführung der Kombinationstherapie<br />

ändert sich sowohl die medizinische<br />

als auch die kulturelle Sichtweise.<br />

AIDS verwandelt sich medizinisch<br />

von einer tödlichen Bedrohung<br />

in eine behandelbare chronische<br />

Krankheit, und soziokulturell<br />

verschiebt sich die Bedrohung in die<br />

Dritte Welt. Ähnlich also wie sich<br />

die gesundheitliche Bedrohung zeitlich<br />

entfernt, verlagert sich die gesellschaftliche<br />

geografisch. Brigitte<br />

Weingert, 1971 geboren, arbeitet<br />

als Literatur- und Kulturwissenschaftlerin<br />

an der Universität Köln<br />

mit den Arbeitsschwerpunkten zeitgenössische<br />

Literatur und Theorie,<br />

Mediendiskurse, Text-Bild Verhältnisse<br />

und Popkultur. Für das Lesen<br />

dieser Studie sollte man auf jeden<br />

Fall den Willen zur wissenschaftlichen<br />

Auseinandersetzung mitbringen.<br />

Als Bettlektüre sind die komplexen,<br />

sprachlich aufwändigen<br />

Darstellungen nicht geeignet.<br />

ak<br />

Ursula Meissner, Heinz Metlitzky.<br />

Todestanz. Sex und Aids in Afrika.<br />

Frankfurt am Main: Eichborn,<br />

2003. 168 S. € 20,50<br />

Die Infektionszahlen in Afrika sind<br />

dramatischer denn je. Beinahe 27<br />

Millionen Menschen leben südlich<br />

der Sahara mit HIV/AIDS. Allein<br />

2003 haben sich 3,2 Millionen neu<br />

infiziert, ein Rückgang der Infektionszahlen<br />

ist für dieses Jahr nicht<br />

zu erwarten. In einigen Ländern<br />

Afrikas ist ein Viertel der Bevölkerung<br />

HIV-infiziert bzw. an AIDS<br />

erkrankt. 2003 sind ca. 2,3 Millionen<br />

Menschen an den Folgen von<br />

AIDS gestorben. Der langjährige<br />

Auslandskorrespondent des ZDF,<br />

Heinz Metlitzky, und seine Frau<br />

Ursula Meissner, die in den letzten<br />

Jahren vor allem als Kriegsfotografin<br />

bekannt geworden ist, haben<br />

für diese Reportage einige der am<br />

stärksten betroffenen Länder bereist<br />

und Hilfsorganisationen vor Ort<br />

besucht. Auf der Suche nach den<br />

Ursachen für die Epidemie kommen<br />

sie zu dem provokativen Schluss:<br />

Nur eine sexuelle Revolution kann<br />

die Katastrophe eindämmen. Für<br />

uns Menschen, die wir in der westlichen,<br />

unserer Ansicht nach aufgeklärten,<br />

Welt leben, ist es oft nur<br />

schwer zu begreifen, warum eine<br />

Krankheit, deren Übertragungswege<br />

bekannt sind, und vor der man sich<br />

durch (für uns) einfache Mittel<br />

schützen kann, sich zu einer Epidemie<br />

solchen Ausmaßes ausbreiten<br />

kann. Das vorliegende Buch gibt<br />

einen Einblick in die soziokulturellen<br />

Bedingungen in den einzelnen<br />

Ländern und erklärt dem Leser/der<br />

Leserin recht anschaulich, warum<br />

das Instrumentarium, das den westlichen<br />

Ländern im Kampf gegen<br />

HIV/AIDS zur Verfügung steht, in<br />

Afrika nicht greift. Dem Autor und<br />

der Autorin gelingt es, ein vorurteilsfreies<br />

Bild der Lebensumstände<br />

in den von ihnen besuchten Ländern<br />

zu zeichnen. Sie zeigen die (politischen)<br />

Um- und Missstände auf, die<br />

dazu beigetragen haben, dass die<br />

Epidemie dieses Ausmaß erreichen<br />

konnte, ohne dabei den belehrenden<br />

Zeigefinger zu erheben. Sie beschreiben<br />

auch die Erfolge, die im Kampf<br />

gegen HIV/AIDS bereits erzielt wurden.<br />

Wobei vor allem dadurch auch<br />

deutlich wird, dass noch ein weiter<br />

Weg zu gehen ist.<br />

ak

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