typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen
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ereiten, da die zwei Pfarrer demnächst in den<br />
Ruhestand gehen. „Es passieren erstaunliche<br />
Dinge“, beobachtet Ulrike Voigt. Ein Kinderkirchkreis<br />
wurde von Gemeindegliedern ins<br />
Leben gerufen, in einer anderen Gemeinde ein<br />
Hausgesprächskreis gegründet. Auch engagieren<br />
sich Gemeindeglieder kirchenmusikalisch. In<br />
einem Dorf bietet sich eine Familie als kirchlicher<br />
Ansprechpartner an. Einmal im Monat gestaltet<br />
sie einen Kindernachmittag für alle Kinder des<br />
Dorfs – auch für die nicht-<strong>evangelisch</strong>en. Alle<br />
15 Kinder des Ortes kommen. Die Christenlehre<br />
findet zentral in den Schulorten statt, weil in<br />
den jeweiligen Gemeinden keine Gruppe groß<br />
genug ist. In vielen Dörfern gibt es nur noch<br />
ganz wenige Kinder.<br />
Zukunft mit Kindern<br />
„Wir haben wenige Kinder, aber investieren<br />
überproportional in sie“, berichtet die Superintendentin.<br />
Die Frage ist jedoch, ob diese Kinder<br />
der Kirche erhalten bleiben. Es kommen viele in<br />
den Konfirmandenunterricht. Eine Austrittswelle<br />
ereignet sich beim Antritt der ersten Arbeitsstelle,<br />
wenn Kirchensteuer zu zahlen ist. Aber<br />
Ulrike Voigt ist überzeugt, dass Menschen, die<br />
im Kinder- und Jugendalter gute Erfahrungen in<br />
der Kirche gemacht haben, wiederkommen. Sie<br />
tauft jetzt die Kinder ihrer ersten Täuflinge und<br />
Konfirmanden.<br />
Ulrike Voigt ist noch im selben Dorf Pfarrerin, in<br />
dem sie vor 17 Jahren angefangen hat, nämlich<br />
in Schlepzig. 685 Einwohner, 350 Evangelische,<br />
also ein großes Dorf mit einer guten Infrastruktur:<br />
Es gibt Geschäfte, ein Hotel, Gasthäuser, der<br />
Ort ist lebendig, „da brummt es“ sagt sie zufrieden.<br />
Kinder treffen sich im Mütter-Kind-Kreis,<br />
dem so genannten „Zwergenkreis“. Auch nichtkirchliche<br />
Mütter kommen. Die Kinder werden<br />
dann in die <strong>evangelisch</strong>e Grundschule eingeschult.<br />
Es kommt vor, dass sie ganze Familien<br />
tauft.<br />
Kirche und Schule<br />
In der Schule sind Ressentiments auf beiden<br />
Seiten da. Es hat nie eine öffentliche Entschuldigung<br />
für die Repressionen gegen Christen in<br />
den DDR-Schulen gegeben. Auch heute noch<br />
gibt es starke Ablehnung von Seiten mancher<br />
Schulen gegenüber der Kirche. Deshalb ist es oft<br />
schwer, den Religionsunterricht in den Schulen<br />
zu verankern. Er ist nicht einmal ordentliches<br />
Lehrfach. „Die Einstellung hängt sehr stark vom<br />
Schulleiter aber. Wenn es Schulleiter vom alten<br />
Schlag sind, arbeiten sie dagegen. Es gibt allerdings<br />
auch Schulen, an denen der Religionsunterricht<br />
als Bereicherung erlebt wird“, sagt Ulrike<br />
Voigt.<br />
„Kleinarbeit ist nötig, so Ulrike Voigt. Die Kirche<br />
muss mit guter Qualität in die Schulen gehen,<br />
im Gespräch mit Lehrern<br />
offen reden und nicht<br />
ideologisch sein. Es geht<br />
über persönliche Kontakte.“<br />
Ulrike Voigt hat<br />
eine <strong>evangelisch</strong>e Grundschule<br />
gegründet, weil sie<br />
erlebt hat, wie wenig veränderungsbereit<br />
die staatlichen<br />
Schulen sind.<br />
In den Familien gibt es zu<br />
wenig gelebten christlichen<br />
Alltag. An den<br />
<strong>evangelisch</strong>en Schulen<br />
können die Kinder eine<br />
christliche Sozialisation<br />
bekommen, die sie woanders<br />
nicht erhalten. Die Gesellschaft brauche<br />
Kinder mit einer nachhaltigen christlichen Erziehung.<br />
An der <strong>evangelisch</strong>en Grundschule in<br />
Lübben werden auch nichtchristliche Kinder<br />
aufgenommen. Ulrike Voigt hält dies für eine<br />
missionarische Gelegenheit. Die verschiedenen<br />
Kinder lernen sich gegenseitig wertschätzen.<br />
Staatliche Grundschulen empfinden die kirchlichen<br />
als Konkurrenz.<br />
Der Rechtsradikalismus<br />
Der Rechtsradikalismus ist nach Ulrike Voigts<br />
Erfahrung ein Problem in Lübben. „Der Rechtsradikalismus<br />
ist nicht nur ein ostdeutsches Phänomen,<br />
sondern eine Herausforderung für Kirchen<br />
und Gemeinden in ganz Deutschland, der wir<br />
uns stellen müssen“ sagt sie.<br />
PROTESTANTISCHE VORBILDER<br />
Sie ist der Auffassung, dass sich 1933 nicht<br />
wiederholen werde. Aber diese rechtsradikalen<br />
Gruppen verbreiteten Angst. Sie würden Vorurteile<br />
gegen Ausländer, Juden und Christen pflegen.<br />
Sie hätten simple Antworten auf komplexe<br />
Probleme und schafften es, ein Klima von<br />
Angst, Vorurteilen, Hass und Misstrauen zu<br />
erzeugen. Dadurch entstehe eine Bunkermentalität.<br />
Sie war eine der ersten Frauen,<br />
die Pfarrerin werden wollten.<br />
Die Methode der Rechtsradikalen sei, gesell-<br />
Doch sie wurde von der Kirche<br />
schaftliche Orte zu besetzen. Sie böten zum<br />
an die Berufsschule abge-<br />
Beispiel an, das Kriegerdenkmal zu pflegen. schoben.<br />
Dann hieße es: „So nette junge Männer“. Ina Gschlössl, 1898 geboren,<br />
Auch Jugendarbeit bieten sie an, sozusagen eine nimmt das <strong>evangelisch</strong>e Theo-<br />
Pfadfindergruppe mit rechter Einstellung. Die logiestudium im Jahr 1922 auf.<br />
Kirche müsse vor ihnen da sein und Alterna- Da gibt es zwar noch keine<br />
tivangebote haben. Die Kirche müsse das Aussicht für Frauen, fürs Pfarr-<br />
Hinsehen fordern, wenn die Menschen einamt zugelassen zu werden.<br />
Aber träumen wird man ja<br />
geschüchtert würden.<br />
wohl dürfen. Doch ihr Lebenstraum<br />
platzt. Zwar dürfen<br />
Die Zukunft der Kirche<br />
Frauen ab 1927 Vikarin wer-<br />
Wohin steuert die Kirche, was sind die<br />
den. Doch die unbequeme<br />
Gschlössl wird im November<br />
Zukunftsvisionen von Superintendentin Voigt?<br />
1927 an die Berufsschule<br />
In einem langen, nun schon 10 Jahre andauern- „abkommandiert“, wie sie selber<br />
den Veränderungsprozess wurden in Branden- bis ins hohe Alter immer wieder<br />
burgischen Landeskirche bisher 40 % der Pfarr- bitter beklagt.<br />
stellen abgebaut. Bei den Angestellten ist es so<br />
EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />
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