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typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen

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200. Geburtstag in Wiesensteig<br />

„Seine Königliche Majestät haben vermöge Allerhöchster<br />

Resolution vom 23.ten d. M. die Errichtung einer eigenen<br />

<strong>evangelisch</strong>-lutherischen Pfarrgemeinde in Wiesensteig unter<br />

den angeführten Bestimmungen genehmigt, dabei aber<br />

verordnet, dass dadurch dem Staate keine Lasten zugehen<br />

sollen. Dem königlichen Ober-Consistorium wird diese<br />

allerhöchste Resolution eröffnet, um den Supplikanten<br />

Nachricht davon zu geben.<br />

Stuttgart, den 24.ten März 1808, Ministerium der Geistlichen<br />

Angelegenheiten“.<br />

Das ist ein Auszug aus der Gründungsurkunde der <strong>evangelisch</strong>en<br />

Kirchengemeinde in Wiesensteig, deren Entstehung<br />

sich zum 200. Mal jährt. Gewachsen ist die <strong>evangelisch</strong>e<br />

Gemeinde neben einer starken katholischen Majorität – vor<br />

allem aber zusammen mit den katholischen MitchristInnen.<br />

Das 200jährige Jubiläum steht an. Evangelischer Glaube in<br />

Wiesensteig ist aber noch weitaus älter als 200 Jahre.<br />

Von 1555 bis 1567 war Wiesensteig für zwölf Jahre <strong>evangelisch</strong><br />

– auf Basis des Grundsatzes „cuius regio, eius religio“<br />

(Wessen Herrschaft, dessen Religion), der dem Augsburger<br />

Religionsfrieden entstammte. Graf Ulrich XVII. von<br />

Helfenstein und sein Bruder Sebastian führten 1555 die<br />

Reformation in ihrer Grafschaft ein.<br />

Die zwölf folgenden Jahre waren geprägt von der Abneigung<br />

der Chorherren des Stifts und vor allem der Gemahlin<br />

Ulrichs, Katharina von Montfort, die ihren Gatten wohl<br />

auch dazu brachte, im Jahr 1564 die Rückkehr zum katholischen<br />

Bekenntnis zu beschließen und 1567 zu vollziehen.<br />

Ein sehr bekannter Prediger in Wiesensteig war der damalige<br />

Dekan in Göppingen und spätere Universitätsdirektor in<br />

Tübingen, Jakob Andreä.<br />

Ein Schnelldurchlauf bis ins Gemeindegründungsjahr 1808<br />

zeigt in der Zeit der Gegenreformation ein sehr tolerantes<br />

Nebeneinander der Konfessionen, wobei die <strong>evangelisch</strong>en<br />

Christen in einer Art Hauskreis zusammenkamen.<br />

Bis 1810 war Wiesensteig Oberamtssitz, worin im<br />

Grunde die Basis für die Gründung der <strong>evangelisch</strong>en<br />

Gemeinde liegt.<br />

Viele <strong>evangelisch</strong>e Beamte lebten zu dieser Zeit in Wiesensteig,<br />

die dann im Juni 1808 eine königliche Resolution<br />

erwirkten, in enger Absprache mit dem Gruibinger<br />

Pfarrer Lederer.<br />

Mit eigenen Mitteln wurde ein Raum hergerichtet, der<br />

sich im Erdgeschoss des Forsthofes, damals Revieramtsgebäude,<br />

befunden haben muss.<br />

„Einige Sitze, eine abgängige in Westerheim gekaufte<br />

Kanzel und eine höchst dürftige, unmelodische Orgel,<br />

welche schon vorhanden war und offenbar aus dem<br />

Frauenkloster stammte“ bildeten wohl die damalige<br />

Einrichtung. Organist und Abendmahlsgefäße kamen<br />

vermutlich aus Gruibingen herüber.<br />

Am 21. Juni 1808 fand denn die erste Wochenkinderlehre<br />

statt; am 26. Juni wurde die erste Predigt gehalten, und<br />

am 21. August das erste Abendmahl gefeiert.<br />

Auf der Kippe stand die Gemeinde, als Wiesensteig 1810<br />

den Oberamtssitz verlor und die Zahl der Evangelischen<br />

bis zum Jahr 1819 auf ganze sieben Leute zurückgegangen<br />

war. Bis 1852 stieg die Zahl aber wieder auf 147 und<br />

Wiesensteig wurde Pfarrverweserei.<br />

Wichtig ist noch das Jahr 1821, in dem die Gemeinde<br />

eine neue Kirche bekam: Die Kapelle des 1808 säkularisierten<br />

Franziskanerinnen-Klosters wurde ihr mit einigen<br />

Auflagen überlassen. Ein hölzernes Kruzifix wurde angeschafft,<br />

sowie der Altar für den <strong>evangelisch</strong>en Gottesdienst<br />

hergerichtet. Der Raum blieb der Gemeinde erhalten,<br />

bis er Anfang der 70-er Jahre verkauft und das<br />

jetzige Gemeindezentrum gebaut wurde.<br />

Gemeindeforum im Wiesensteiger Gemeindezentrum<br />

PROTESTANTISCHE VORBILDER<br />

Dorothee Sölle, geb. 30. September 1929,<br />

gestorben 27. April 2003, war eine deutsche<br />

<strong>evangelisch</strong>e Theologin und eine der<br />

weltweit bekanntesten und umstrittensten<br />

Theologinnen des 20. Jahrhunderts.<br />

Sölle war verheiratet mit dem ehemaligen<br />

Benediktinermönch Fulbert Steffensky<br />

(Professor für Religionspädagogik,<br />

Hamburg). Sie war vierfache Mutter und Großmutter.<br />

Dorothee Sölles Glaube war nach eigenen Aussagen „geprägt<br />

von dem Bewusstsein (. . .) nach Auschwitz zu leben“. Die<br />

Lehre von der Allmacht Gottes wurde so für sie zum Gegenstand<br />

kritischen Nachdenkens. Ihre Auffassung war „Gott hat<br />

keine anderen Hände als unsere.“ Sie vertrat eine politische<br />

Theologie, die sich durch eine radikale Diesseitigkeit und eine<br />

Entmythologisierung der Bibel auszeichnete. Weiterhin bestimmend<br />

war eine durch den Feminismus geprägte Mystik, die<br />

ohne die Vorstellung eines persönlichen Gottes auskam. Viele<br />

Ideen Sölles waren von der Befreiungstheologie Lateinamerikas<br />

geprägt, die durch Sölle in Deutschland erst bekannt wurde.<br />

EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

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