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typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen

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Aus dem <strong>Kirchenbezirk</strong><br />

Lobby für Kinder<br />

Die Evangelischen Kindergärten<br />

YASNA CRÜSEMANN<br />

„Angenommen du würdest verhaftet, weil du Christ bist:<br />

Gäbe es genügend Gründe, dich zu überführen?“ Diese<br />

Frage, über die es sich nicht nur als Jugendliche nachzudenken<br />

lohnt, lässt sich auch auf die <strong>evangelisch</strong>en Kindergärten<br />

übertragen: Angenommen, jemand kommt in<br />

einen <strong>evangelisch</strong>en Kindergarten. Gäbe es genügend<br />

Merkmale, diesen als <strong>evangelisch</strong>en Kindergarten zu<br />

„überführen“? Anders gefragt: Was ist <strong>evangelisch</strong> am<br />

<strong>evangelisch</strong>en Kindergarten? Wenn <strong>evangelisch</strong>e Kindergärten<br />

nämlich sind wie die anderen, wer braucht uns<br />

dann? Evangelisch heißt ja auch protestantisch und das<br />

heißt sein eigenes, unverwechselbares Gesicht zum<br />

Ausdruck bringen.<br />

Entscheidend ist dabei nicht, uns von anderen abzugrenzen,<br />

sondern uns klar zu machen, warum wir „aus gutem<br />

Grund“ <strong>evangelisch</strong>e Kindergärten betreiben und brauchen.<br />

Was <strong>evangelisch</strong> meint, lässt sich an den vier<br />

Grundeinsichten der Reformation durchbuchstabieren:<br />

allein Christus (solus Christus) – allein durch Gnade (sola<br />

gratia) – allein durch den Glauben (sola fide) – allein die<br />

Schrift (sola scriptura). Was können sie für die <strong>evangelisch</strong>e<br />

Kindergartenarbeit, die qualifiziert öffentliche<br />

Bildungsverantwortung übernimmt, bedeuten?<br />

Allein Christus<br />

Das heißt: Wer wissen will, wie Gott ist, muss auf Christus<br />

schauen, der uns Gottes Wesen zeigt. Die Zuwendung<br />

Jesu zu den Kindern ist Grundlage <strong>evangelisch</strong>er<br />

Kindergartenarbeit: „Lasset die Kinder zu mir kommen<br />

und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich<br />

Gottes!“ (Markus 10, 13). Die Zuwendung Jesu zu den<br />

Kindern bietet keine beschauliche Kinderidylle, sondern<br />

steht in krassem Gegensatz zum Umgang mit den Kindern<br />

in der antiken Welt, wo Kinderhandel und -sklaverei<br />

verbreitet waren. Die Haltung Jesu, der die Kinder in die<br />

Mitte der Jünger – und damit in die Mitte der Gemeinde –<br />

stellt und segnet, bietet ein konkretes Gegenmodell zur<br />

ausbeuterischen gesellschaftlichen Praxis damals. Ein<br />

Gegenmodell zur heutigen gesellschaftlichen Praxis<br />

könnte demzufolge sein, Kinder nicht als „Humanressourcen“<br />

zu sehen, in die man „für die Zukunft investiert“,<br />

sondern sie so zu sehen, wie es das Leitbild der <strong>evangelisch</strong>en<br />

Kindergärten in <strong>Geislingen</strong> formuliert: „Jedes Kind<br />

ist ein von Gott geliebtes und<br />

gewolltes einzigartiges und<br />

einmaliges Geschöpf. In einer<br />

Atmosphäre von Vertrauen<br />

und Geborgenheit erfahren die<br />

Kinder, dass sie von Gott<br />

bedingungslos angenommen<br />

und geliebt sind und dass sie<br />

unter Gottes Schutz und Segen<br />

stehen“. Damit ist die zweite<br />

reformatorische Grundeinsicht<br />

bereits angesprochen:<br />

30 EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

Allein durch Gnade<br />

Das heißt: Gottes Liebe gilt allen Menschen ohne Vorbedingungen.<br />

Diese Liebe Gottes soll im Kindergarten<br />

erfahrbar werden, in den Beziehungen zwischen Mitarbeiterinnen,<br />

Eltern, Kindern und Trägern. Sie soll erfahrbar<br />

werden im Umgang mit den Geschöpfen, der Natur, den<br />

Tieren, den Ressourcen und der Erde, aber auch in den<br />

Krisen und Störungen, in denen das Gespräch miteinander<br />

und Hilfen zur Bewältigung gesucht werden. Sich<br />

selbst als Gottes Ebenbild angenommen und geliebt zu<br />

wissen, ermöglicht auch andere Menschen anzunehmen,<br />

offen auf sie zuzugehen und auch Andersgläubigen mit<br />

Respekt und Achtung zu begegnen. Die Zuwendung Jesu<br />

zu den Kindern ist Teil seiner Zuwendung zu den Schwachen.<br />

Die Solidarität mit den Armen und Schwachen<br />

gehört daher zu den Wesensmerkmalen <strong>evangelisch</strong>er<br />

Kindergartenarbeit. Sie drückt sich nicht zuletzt auch in<br />

solidarischen Kindergartengebühren aus.<br />

Allein durch Glauben<br />

Die Grunderfahrung, angenommen und geliebt zu sein, ist<br />

die Voraussetzung für Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit,<br />

dem Bildungsziel aller Kindergärten. Weil<br />

Menschen Gottes Liebe als Grund ihres Daseins erfahren,<br />

hängt ihre Würde und Anerkennung nicht von ihren<br />

Leistungen, ihrem Können und Wissen ab. Das ist auch<br />

wichtig im Hinblick auf die zunehmende Verschulung der<br />

Kindergartenarbeit, der Tests und „screenings“, die auf<br />

Defizite starren, Kinder immer mehr zu Förderobjekten<br />

degradieren und auch Eltern immer stärker unter Druck<br />

setzen. Erst wer sich bedingungslos angenommen weiß<br />

und sich bewusst ist, dass nicht alles von der eigenen<br />

Leistung abhängt, kann seine Fähigkeiten voll entfalten.<br />

Die <strong>evangelisch</strong>e Kindergartenarbeit macht darum Angebote<br />

im spielerischen und spirituellen Bereich, die den<br />

Totalansprüchen der Konsum- und Leistungsgesellschaft<br />

entgegenwirken.<br />

Allein die Schrift<br />

Eigenständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit braucht eine<br />

Wurzel, eine Quelle, aus der sie schöpft. Diese Rückbindung<br />

(re-ligio) finden wir im Glauben an Gott, wie er uns<br />

in der Bibel begegnet. Dass Gott liebt, befreit, hilft, vergibt<br />

und segnet, erfahren Kinder in verlässlichen Beziehungen,<br />

aber auch in Geschichten, Liedern, Ritualen und Festen, in<br />

denen sie einer Weltsicht und einem Raum begegnen, in<br />

dem man sich bergen kann. Kinder brauchen Ausdrucksformen<br />

gelebter Religiosität, Freiräume für religiöse Erfahrungen<br />

und Deutungen, Menschen, die mit ihnen über die<br />

großen Fragen des Lebens ins Gespräch kommen. Dort,<br />

wo von Gott die Rede ist und wo es Ausdrucksformen<br />

gelebter Spiritualität gibt, kann ein Kind seine eigene<br />

Theologie entwickeln. Staatliche Kindergärten, die weltanschaulich<br />

neutral sein müssen, können keinen öffentlichen<br />

Raum für solche Orientierungen und Ausdrucksmöglichkeiten<br />

bieten. Die Aufgabe <strong>evangelisch</strong>er Kindergärten ist

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