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typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen

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schöpfungsmäßige Unterschied zwischen Mann und Frau<br />

Leitungsaufgaben allein Männern vorbehalte. Besonders<br />

schwer vorstellbar schien es, dass eine verheiratete Frau<br />

Pfarrerin sein könnte, womöglich gar als Mutter von Kindern.<br />

Deswegen gab es für Vikarinnen – wie ab 1948 die<br />

Theologinnen im Gemeindedienst ihr Leben lang tituliert<br />

wurden – eine Zölibatsklausel: mit der Eheschließung<br />

wurden die Frauen in der Regel aus dem kirchlichen<br />

Dienst entlassen.<br />

Dennoch wurde die Zahl der Theologinnen immer größer<br />

und ihre Arbeit immer mehr geschätzt. Deshalb musste<br />

man Regelungen finden, wie theologisch ausgebildete<br />

Frauen in der Kirche arbeiten können. Den Frauen zuzugestehen,<br />

dass sie ordentliche Pfarrerinnen mit Talar und<br />

allen Kompetenzen sein können, fiel vor allem den männlichen<br />

Kollegen schwer; die Gemeinden hatten damit<br />

erheblich weniger Probleme. Vielen Menschen in den<br />

Gemeinden schien es irgendwann nicht mehr plausibel,<br />

dass Frauen keine Pfarrerinnen sein sollten.<br />

Die Wende<br />

Das Jahr 1968 brachte dann den Theologinnen in Württemberg<br />

die Feststellung: „Der Dienst der Theologin und<br />

des Theologen sind gleichwertig.“ Nun konnten Frauen<br />

ins Pfarramt ordiniert werden, durften öffentlich in<br />

Gemeindegottesdiensten das Wort verkündigen, Kinder<br />

taufen und Abendmahlsgottesdienste feiern. Nur in der<br />

Bezahlung waren Theologinnen und Theologen noch 10<br />

weitere Jahre nicht gleichgestellt.<br />

1970 wurde Heide Kast als erste Gemeindepfarrerin unserer<br />

Landeskirche in Ludwigsburg eingesetzt und Marianne<br />

Koch wurde 1984 in Weikersheim erste Dekanin.<br />

Ein Hauch von Progressivität –<br />

Pfarrerinnen im <strong>Kirchenbezirk</strong> <strong>Geislingen</strong><br />

Vermutlich gab es im <strong>Kirchenbezirk</strong> <strong>Geislingen</strong> vor und<br />

während des 2. Weltkrieges noch keine Theologinnen,<br />

aber bereits 1951 kam eine Vikarin nach <strong>Geislingen</strong>: Ruth<br />

Wöhr. Sie muss wohl eine begabte Theologin gewesen<br />

sein, hatte offenbar aber im Umgang mit Menschen<br />

wenig Ausstrahlung. Sie war über 20 Jahre, von 1951 bis<br />

1975 in <strong>Geislingen</strong> tätig, vor allem als Klinikseelsorgerin;<br />

ein Gemeindepfarramt hatte sie nie inne.<br />

Seit den 1980er Jahren waren dann immer wieder Ausbildungsvikarinnen<br />

im <strong>Kirchenbezirk</strong>. Die erste Gemeindepfarrerin<br />

kam erst 1992: Annegret Maurer in Gruibingen.<br />

1995 wurde mit Gerlinde Hühn zum zweiten Mal in der<br />

Württembergischen Kirchengeschichte eine Frau zur<br />

Dekanin gewählt, jetzt in <strong>Geislingen</strong>. Das Württembergische<br />

Gemeindeblatt titelte damals: „Ein Hauch von Neuerung<br />

durchweht den Bezirk“. Und es war und ist noch<br />

immer etwas Besonderes, wenn eine Frau in der Kirche<br />

ein solches Leitungsamt übernimmt.<br />

In den 51 württembergischen <strong>Kirchenbezirk</strong>en gibt es<br />

heute gerade mal 6 Dekaninnen. An der mangelnden<br />

Begabung von Frauen kann das kaum liegen. Dass Frauen<br />

für das Dekaninnenamt genauso qualifiziert und begabt<br />

sind wie Männer, ist wohl keine Frage mehr. Ob es die<br />

qualifizierten Frauen selber sind oder die sie umgebenden<br />

Männer, die ihnen die Übernahme eines so machtvollen<br />

Amtes nicht zutrauen, kann man nur mutmaßen. Es<br />

gibt darüber keine Untersuchungen.<br />

Auch das Pfarramt hat landeskirchenweit noch mehrheitlich<br />

ein männliches Gesicht. Einen einzigen <strong>Kirchenbezirk</strong><br />

in der Landeskirche gibt es, in dem genauso viele Frauen<br />

wie Männer im Pfarramt sind: unseren <strong>Kirchenbezirk</strong> <strong>Geislingen</strong>.<br />

Die Vision der frühen Theologinnen, dass Frauen<br />

gleichberechtigt Pfarrerinnen sein können, ist bei uns im<br />

<strong>Kirchenbezirk</strong> Wirklichkeit.<br />

Die Zukunft der <strong>evangelisch</strong>en Kirche:<br />

Der Pfarrberuf als Frauenberuf?<br />

Auch wenn heute noch – von <strong>Geislingen</strong> einmal abgesehen<br />

– Pfarrer mehrheitlich Männer sind, beginnen manche<br />

Menschen sich darüber Gedanken zu machen, ob und<br />

warum der Pfarrberuf zum Frauenberuf wird. Schaut man<br />

sich die Entwicklung an den Universitäten an, dann kann<br />

man in der Theologie seit vielen Jahren einen kontinuierlichen<br />

Anstieg der Zahl der Studentinnen sehen. An der<br />

Universität Tübingen haben an der Evangelisch-theologischen<br />

Fakultät die Frauen die Männer überholt. Im letzten<br />

Wintersemester 2007/08 studierten dort 55% Frauen und<br />

nur noch 45% Männer. So wird es in ein paar Jahren vermutlich<br />

mehr Vikarinnen als Vikare und in ein paar Jahrzehnten<br />

mehr Pfarrerinnen als Pfarrer geben.<br />

Aber nicht erst dann werden die Frauen dem Pfarramt ein<br />

neues Gesicht geben. Das geschieht bereits jetzt. Denn<br />

mit dem Einzug von Pfarrerinnen in die <strong>evangelisch</strong>en<br />

Pfarrhäuser sind die Lebensformen im Pfarrhaus vielfältiger<br />

geworden. Das traditionelle Modell des Pfarrers, dessen<br />

Frau als Pfarrfrau aktiv das Gemeindeleben mitgestaltet,<br />

ist immer seltener zu finden. Stattdessen findet man Ehepaare,<br />

die in Stellenteilung ein Pfarramt versehen, oder<br />

Pfarrerinnen, deren Ehemänner ihren eigenen Berufen<br />

nachgehen. Auch gibt es inzwischen Männer, die mit Teilauftrag<br />

Pfarrer sind, weil sie sich an der Erziehung ihrer<br />

Kinder intensiv und gleichberechtigt beteiligen wollen.<br />

Wie wird sich das Pfarramt wohl weiter entwickeln,<br />

wenn immer mehr Frauen Pfarrerinnen werden? Wir werden<br />

es sehen. Aber das weibliche Gesicht des Pfarramtes<br />

ist aus der <strong>evangelisch</strong>en Kirche nicht mehr wegzudenken.<br />

Für die Gemeinden und die Kirche ist es ein Segen,<br />

dass Frauen Pfarrerinnen sind.<br />

Wenn das Weib nicht mehr schweigt… wie arm wäre die<br />

Kirche, wenn sie auf die Gaben ihrer Pfarrerinnen<br />

verzichten würde!<br />

Sabine Bayreuther<br />

ist Vikarin in Donzdorf<br />

40 Jahre Frauenordination – dieses Jubiläum<br />

wird begangen mit einem Gottesdienst im<br />

Ulmer Münster mit Prälatin Gabriele Wulz am<br />

15. November 2008 um 15.00 Uhr<br />

EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

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