typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen
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Aus Kirche und Gesellschaft<br />
Wenn das Weib nicht mehr schweigt . . .<br />
Württemberg ordinierte vor 40 Jahren die ersten Pfarrerinnen<br />
SABINE BAYREUTHER<br />
Typisch <strong>evangelisch</strong>? Im Gegenüber zur römisch-katholischen<br />
und auch zu manchen anderen Kirchen sind Pfarrerinnen<br />
<strong>typisch</strong> <strong>evangelisch</strong>: Frauen im Talar, Frauen auf der<br />
Kanzel, Frauen als Leiterinnen einer Gemeinde oder eines<br />
<strong>Kirchenbezirk</strong>s.<br />
Das war nicht immer so und ist auch heute noch - weltweit<br />
betrachtet – nicht in allen <strong>evangelisch</strong>en Kirchen so.<br />
Die Geschichte der Pfarrerinnen ist noch jung: Vor gerade<br />
einmal 40 Jahren, im berühmten Jahr 1968, wurde in der<br />
Württembergischen Landeskirche die Frauenordination<br />
eingeführt. Und erst vor 30 Jahren, 1978, erreichten die<br />
Pfarrerinnen in der EKD die volle rechtliche Gleichstellung<br />
gegenüber ihren männlichen Kollegen.<br />
„Während Sie da oben stehen,<br />
ist die Kanzel keine Kanzel.“<br />
Man kann wohl nicht genug Hochachtung haben vor<br />
dem Mut und dem Glauben der ersten Theologinnen! In<br />
den ersten Jahren, als Frauen zum Theologiestudium<br />
zugelassen waren, gab es noch keine vorgezeichnete Laufbahn<br />
als Theologin. Zwar konnten Frauen ab 1904 in<br />
Württemberg Theologie studieren, die übliche Abschlussprüfung,<br />
die bei der Kirche abgelegt wurde, war ihnen<br />
jedoch verwehrt. Als 1927 Elisabeth Mack als erste Frau<br />
in Württemberg die 1. Theologische Dienstprüfung<br />
ablegte, musste sie ihre Examenspredigt unter der<br />
Bezeichnung „biblische Ansprache“ nur vor der Prüfungskommission<br />
unter Ausschluss der Öffentlichkeit und nicht<br />
von einer Kanzel halten. Als zwei Jahre später die Theologin<br />
Else Breuning ihren Abschluss machte, war der<br />
Winter so kalt, dass die Prüflinge ihre Examenspredigten<br />
nicht im Kirchenraum, sondern in der Sakristei der Tübinger<br />
Schlosskirche halten mussten. Da in der Sakristei<br />
einzig eine Kanzel zum Predigen zur Verfügung stand,<br />
definierte einer der Prüfer kurzerhand: „Während Sie da<br />
oben stehen, ist die Kanzel keine Kanzel.“ Es darf eben<br />
nicht sein, was mancher nicht wahr haben will.<br />
Der Weg ins Pfarramt<br />
Der „ordentliche“ Weg auf die Kanzel war Ende der<br />
1920er Jahre für Frauen noch weit entfernt. Den Theologinnen<br />
wurde ab 1927 der Dienst als Religionslehrerin<br />
gestattet, sie wurden dafür mit dem Titel ausgestattet:<br />
„Höher geprüfte kirchliche Religionshilfslehrerin“ – wohlgemerkt:<br />
die Frauen hatten alle ein Universitätsstudium<br />
erfolgreich absolviert. Ihre männlichen Kollegen, mit<br />
denen sie gemeinsam studiert und das Examen abgelegt<br />
hatten, wurden Vikare und Pfarrer.<br />
Hinnehmen wollten diesen Zustand schon damals einige<br />
Frauen nicht und schlossen sich zu einer „Vereinigung<br />
Evangelischer Theologinnen“ zusammen. Ihr Ziel war das<br />
volle, ordentliche Pfarramt für Frauen. Für die Mehrheit der<br />
26 EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />
v.l.n.r.: Annette Leube, Donzdorf; Ingeborg Brüning,<br />
Steinenkirch; Edeltraud Meyer, Stubersheim; Helga Striebel,<br />
Türkheim; Dekanin Gerlinde Hühn, Gertraude Reich-<br />
Bochtler, Aufhausen; Susanne Jutz, Bad Überkingen;<br />
Claudia Kupfer-Feine, Altenheime; Sabine Kluger,<br />
<strong>Geislingen</strong>-Pauluskirche; Sabine Bayreuther, Donzdorf,<br />
Eva Zähringer, Deggingen-Bad Ditzenbach<br />
Männer in der Kirche war das jedoch noch undenkbar. Ab<br />
1937 wurden Theologinnen zwar für einen Dienst in der<br />
Kirche eingesegnet, dieser Dienst war jedoch nicht der<br />
Pfarrdienst und die Einsegnung war nicht die Ordination,<br />
wie Pfarrer sie erhielten. Frauen durften nur für Frauen<br />
und für Kinder die Schrift auslegen und konnten in Kirchengemeinden<br />
als Pfarrgehilfinnen arbeiten. Rechtlich<br />
war ihre Tätigkeit nicht abgesichert: sie erhielten ein minimales<br />
Einkommen und waren nicht sozialversichert.<br />
Frauen als Notnagel<br />
Die Notzeit des 2. Weltkrieges führte dann dazu, dass<br />
Theologinnen in der Praxis alle Aufgaben eines Pfarrers<br />
inklusive der Leitung von Gemeinden übernehmen mussten.<br />
Als immer mehr Vikare und Pfarrer zum Kriegsdienst<br />
eingezogen wurden, sollte das gottesdienstliche und<br />
gemeindliche Leben weitergehen: Kinder waren zu taufen,<br />
Gottesdienste für Erwachsene und Kinder sollten gehalten<br />
werden, Verstorbene mussten bestattet werden. Damit<br />
dies alles möglich blieb, wurden Laien, also geeignete Personen<br />
ohne theologische Ausbildung, für diesen Dienst<br />
beauftragt; und in den Gemeinden, in denen es sogenannte<br />
Pfarrgehilfinnen gab, übernahmen diese Theologinnen<br />
in der Regel die Arbeit des Pfarrers – ohne<br />
offizielle Beauftragung. Die Gemeinden konnten so die<br />
Erfahrung machen, dass es gut ist, wenn Frauen den<br />
Dienst des Pfarrers übernehmen.<br />
„Mit dem Wesen der Frau unvereinbar“<br />
Als nach 1945 die Pfarrer und Vikare zurückkamen, mussten<br />
die Frauen das Feld wieder räumen. Was in der Notzeit<br />
möglich gewesen war, dass Frauen öffentlich das<br />
Wort verkündigen, Abendmahlsgottesdienste feiern und<br />
eine Gemeinde leiten, war nun von einem Tag auf den<br />
anderen mit dem Wesen der Frau nicht mehr vereinbar. Es<br />
wurde tatsächlich 1948 ausdrücklich festgestellt, dass der