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typisch evangelisch - Kirchenbezirk Geislingen

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Aus Kirche und Gesellschaft<br />

Evangelische Kirche –<br />

„nicht Kirche im eigentlichen Sinn“?<br />

FRANK OTFRIED JULY<br />

Landesbischof<br />

Frank Otfried July<br />

12 EVANG. KIRCHENBEZIRKSZEITUNG<br />

Eine Veröffentlichung des vergangenen<br />

Jahres hat in besonderer<br />

Weise in den <strong>evangelisch</strong>en<br />

Kirchen für Aufregung<br />

und Verstimmung gesorgt.<br />

„Gemeinschaften, die aus der<br />

Reformation des 16. Jahrhunderts<br />

hervorgegangen sind,<br />

können nicht Kirchen im<br />

eigentlichen Sinn genannt<br />

werden.“ So formulierte es<br />

die vatikanische Kongregation<br />

für Glaubenslehre in einer<br />

Schrift vom 29. Juni 2007 1 .<br />

In dieser Schrift, die von<br />

Papst Benedikt XVI. befürwortet wurde, wird in fünf<br />

Abschnitten das Selbstverständnis der römisch-katholischen<br />

Kirche dargestellt.<br />

Der Satz ist nicht neu. Im Jahr 2000 hatte die Glaubenskongregation<br />

unter dem Vorsitz von Joseph Kardinal<br />

Ratzinger dem Protestantismus schon einmal die volle<br />

Kirchlichkeit abgesprochen. 2<br />

Warum können – nach römisch-katholischem Verständnis<br />

– Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts<br />

hervorgegangen sind, nicht Kirchen im eigentlichen<br />

Sinn genannt werden? Wichtige „Kennzeichen“ von<br />

Kirche fehlten diesen Gemeinschaften, z. B. das sakramentale<br />

Priestertum, die apostolische Sukzession, die Anerkennung<br />

des Primates des Papstes und die „ursprüngliche<br />

und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums“,<br />

wie es in dem Papier heißt. Schon im Jahr 2000<br />

fanden viele ökumenisch Gesonnene auf beiden Seiten<br />

diese Formulierungen missglückt und missverständlich.<br />

Das katholische Kirchenverständnis<br />

Der Dialog der römisch-katholischen mit der <strong>evangelisch</strong>en<br />

Kirche hat ganz besonders die Frage nach dem<br />

geistlichen Amt und der „Successio“, der Nachfolge in<br />

diesem Amt, im Blick. Hier genügt zum Beispiel nicht die<br />

bloße Beauftragung als Voraussetzung für eine gültige<br />

Abendmahlsfeier, sondern es braucht den sakramental<br />

geweihten Priester für diesen Dienst. Ein weiterer Streitpunkt<br />

ist die regelgerechte Nachfolge im Bischofsamt. Ein<br />

Bischof muss nach römisch-katholischem Verständnis von<br />

einem anderen Bischof eingesetzt sein, der sich in direkter<br />

Linie zurückführen lässt auf jene Bischöfe, die von den<br />

Aposteln mit der Autorität Christi in den einzelnen Kirchen<br />

eingesetzt worden seien. Nur so steht er in der apostolischen<br />

Nachfolge. Zusammenfassend kann man das in<br />

einem Text des II. Vatikanischen Konzils lesen. 3 Wenn<br />

diese Grundaussagen ernst genommen werden, kann die<br />

römisch-katholische Kirche die <strong>evangelisch</strong>en Kirchen gar<br />

nicht Kirchen im eigentlichen Sinne nennen.<br />

Das <strong>evangelisch</strong>e Kirchenverständnis<br />

Das <strong>evangelisch</strong>e Kirchenverständnis aber ist von Grund<br />

auf anders. Martin Luther schreibt in den Schmalkaldischen<br />

Artikeln 1537 4 : „Es weiß – Gott Lob! – ein Kind<br />

von sieben Jahren, was die Kirche sei: die heiligen Gläubigen<br />

und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören.“<br />

Kirche konstituiert sich nach <strong>evangelisch</strong>em Verständnis<br />

also durch das Evangelium und durch den Glauben, der<br />

aus dem Evangelium folgt. Kirche ist somit eine verborgene<br />

Größe. Natürlich muss sie für den Dienst an Wort<br />

und Sakrament und für die Verwirklichung der christlichen<br />

Jüngerschaft auch sichtbare Strukturen schaffen. Aber<br />

diese Strukturen sind nicht heilsnotwendig. Wahre Kirche<br />

ist überall dort zu finden, wo das Evangelium rein gepredigt<br />

wird und die Sakramente evangeliumsgemäß gereicht<br />

werden. Das ist der Grund, weshalb nicht eine Kirche<br />

allein, sondern die vielen miteinander die eine Kirche Jesu<br />

Christi verwirklichen.<br />

Der christliche Glaube<br />

Aus Luthers Äußerungen zur Kirche kann man zusammenfassend<br />

vier wichtige Merkmale für den christlichen<br />

Glauben ableiten: Er ist schriftgebunden, er ist katholisch,<br />

er ist protestantisch und er ist <strong>evangelisch</strong> 5 . Das muss<br />

man genauer erläutern:<br />

Christlicher Glaube ist schriftgebunden, weil für alles, was<br />

die Kirche verkündigt und lehrt und woraus sie lebt, die<br />

Heilige Schrift die alles bestimmende Grundlage ist. Sie<br />

gehört daher auch in die Hand jedes Christen und ist<br />

nicht besonders autorisierten Menschen vorbehalten.<br />

Das Zentrum dieser Schrift ist Jesus Christus. Von ihm<br />

und von seiner Verkündigung aus legt sich ihr gesamter<br />

Inhalt aus.<br />

Christlicher Glaube ist vom griechischen Ursprung des<br />

Wortes her katholisch. Das Wort heißt auf Deutsch „allgemein“.<br />

Gott ist der Vater aller Menschen und er nimmt<br />

alle Menschen in die Pflicht, weltweit. Durch die Taufe<br />

will er Gott aller Christen sein, und von daher gelten<br />

unter ihnen keinerlei Unterschiede mehr, weder hinsichtlich<br />

des Bildungsstandes noch hinsichtlich der von außen<br />

wahrgenommenen Frömmigkeit. Das bedeutet ganz konkret:<br />

Jeder getaufte Christ ist vor Gott ein Priester mit<br />

allen Rechten und Pflichten.<br />

Dass christlicher Glaube protestantisch ist, bedeutet:<br />

Zuständige Verfassungsorgane und alle einzelnen Christen<br />

haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, kritisch<br />

Rechenschaft abzugeben über das eigene Handeln und

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