Wild-Schadenersatz oder Wildschaden-Ersatz? Wie weit geht der ...
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<strong>Wild</strong>-<strong>Schadenersatz</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>Wild</strong>schaden-<strong>Ersatz</strong>?<br />
<strong>Wie</strong> <strong>weit</strong> <strong>geht</strong> <strong>der</strong> Anspruch auf <strong>Wild</strong>schadenersatz?<br />
Prof. Dr. Martin Moog<br />
Um Verbissschäden im Wald wird verbissen gestritten. In jüngerer<br />
Zeit haben die forstlichen Interessenvertretungen sich stark engagiert<br />
(1). Die mit <strong>der</strong> Bewertung von Verbissschäden beauftragten Gutachter<br />
kommen oft zu diametral gegensätzlichen Ergebnissen und<br />
zwangsläufig wenig sachkundige Amtsrichter müssen entscheiden,<br />
ob dem Waldbesitzer ein Kostenersatz für die Pflanzen zusteht, und<br />
damit ein relativ hoher Betrag, <strong>o<strong>der</strong></strong> nur ein <strong>Ersatz</strong> für den Ertragsverlust<br />
geltend gemacht werden kann. Es ist alles an<strong>der</strong>e als ver-<br />
1) Der Deutsche Forstwirtschaftsrat hat im Februar 2011 ein Positionspapier<br />
mit dem Titel "Für eine zeitgemäße Jagd: Wald und Schalenwild in Einklang<br />
bringen!" beschlossen (www.dfwr.de/Download/).Auchwurdeu.a.im<br />
Auftrag des DFWR von Ammer. Christian u. a. ein Gutachten mit dem Titel<br />
"Der Wald-<strong>Wild</strong>-Konflikt" erstellt. welches ebenfalls vom DFWR zur Verfügung<br />
gestellt wird (www.dfwr.de/download/).
AGRAR- UND UMWELTRECHT 8/2011 BEITRÄGE 301<br />
wun<strong>der</strong>lich, wenn die Urteile sehr unterschiedlich ausfallen, ist doch<br />
sowohl die Literatur zur Bewertung von <strong>Wild</strong>schäden im Wald als<br />
auch die Kommentierung <strong>der</strong> <strong>Wild</strong>schadensregelungen keineswegs<br />
frei von Wi<strong>der</strong>sprüchen.<br />
Der Verfasser neigt dazu, die Ursache <strong>der</strong> Verwirrung vor<br />
allem in einer zu wenig grundsätzlichen Kommentierung <strong>der</strong> <strong>Wild</strong>schadensregelungen<br />
zu sehen, die zu sehr auf die einzelnen Sätze<br />
des Gesetzestextes abstellt und den Zusammenhang, insbeson<strong>der</strong>e<br />
den wirtschaftlichen Hintergrund <strong>der</strong> Regelungen und den Rechtscharakter<br />
<strong>der</strong> Jagdgenossenschaft sowie Begrenzungen des <strong>Wild</strong>schaden-Anspruchs<br />
stark vernachlässigt, während sie etwas übereilt<br />
§§ 249ff. BGB für maßgeblich erklärt, wenn Art und Umfang des<br />
<strong>Schadenersatz</strong>es bestimmt werden müssen (2). Die wegen des Solidarausgleichs<br />
beson<strong>der</strong>s relevante Frage <strong>der</strong> Gleichbehandlung von<br />
Schäden im Wald und im Feld wird vernachlässigt, und auch <strong>der</strong><br />
Grundsatz, dass ein Geschädigter durch den <strong>Schadenersatz</strong> nicht<br />
besser gestellt werden darf, als er ohne Schaden stünde, findet keine<br />
Aufmerksamkeit.<br />
WILDSCHADENERSATZ ALS AUSGLEICH UNTER DEN<br />
JAGDGENOSSEN<br />
Der ökonomische Hintergrund des Anspruchs auf <strong>Wild</strong>schadenersatz<br />
kann als ein notwendiger Vorteilsausgleich in einer Solidargemeinschaft<br />
charakterisiert werden. Die Jagdgenossen, in <strong>der</strong> Entstehungszeit<br />
des Jagdrechts ganz überwiegend selbst wirtschaftende<br />
Land- und Forstwirte, nutzen das Jagdrecht gemeinsam, verteilen die<br />
Jagdpacht ggf. flächenproportional, ihre Einkommen werden aber<br />
durch <strong>Wild</strong>schäden unterschiedlich geschmälert (3). Diese unterschiedliche<br />
Belastung wird durch den Anspruch auf <strong>Wild</strong>schadenersatz<br />
ausgeglichen, selbstredend unter Berücksichtigung des Flächenanteils<br />
des Geschädigten, so<strong>weit</strong> er Grundeigentümer ist. Die<br />
Solidarität hat jedoch ihre Grenzen. Wenn auf kleiner Fläche relativ<br />
hohe Einkommen erzielt werden (Son<strong>der</strong>nutzungen z. B. Gemüseanbau)<br />
und/<strong>o<strong>der</strong></strong> die Nutzung mit einem beson<strong>der</strong>s hohen Risiko verbunden<br />
ist (z. B. seltene Baumarten), müssen die Nachbarn und<br />
Mitgenossen nur im Ausnahmefall für Schäden einstehen. Auch die<br />
Regelungen (z. B. Art. 46 Bayerisches Jagdgesetz), die den <strong>Wild</strong>schadenersatz<br />
auf einen Netto-Jahresertrag begrenzen, sind vor dem<br />
Hintergrund <strong>der</strong> möglichen Übervorteilung und Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Mitgenossen zu verstehen.<br />
Besser als <strong>der</strong> Grundeigentümer hat es <strong>der</strong> Pächter. Er genießt, in<br />
den erwähnten Grenzen, den Solidarausgleich seiner <strong>Wild</strong>schäden<br />
durch die Jagdgenossen. Das kann heute unter bestimmten Nutzungsbedingungen<br />
(Biogas), bei Unmöglichkeit <strong>der</strong> Überwälzung <strong>der</strong><br />
Verpflichtung an einen Jagdpächter und bei hoher Verpachtungsquote<br />
an einzelne Landwirte dazu führen, dass die Jagdgenossenschaft an<br />
Nichtmitglie<strong>der</strong> mehr <strong>Wild</strong>schadenersatz ausbezahlen muss, als sie<br />
als Jagdpachtschilling einnimmt. Das Jagdrecht bekommt in dieser<br />
Konstellation einen negativen Wert. Betrachtet man diese Konstellation<br />
vor dem historischen Zweck <strong>der</strong> Vorschrift, die wirtschaftlich<br />
schwachen kleinen Grundeigentümer und Pächter zu schützen, wird<br />
dieser Zweck in diesen Fällen nicht nur nicht mehr erreicht, son<strong>der</strong>n<br />
unter den heutigen Bedingungen wird sogar teilweise das Gegenteil<br />
bewirkt. Der wirtschaftlich stärkere, eine sehr große Fläche bewirtschaftende<br />
Pächter kommt in den Genuss des Anspruchs und die<br />
wirtschaftlich schwächeren Grundeigentümer müssen seine Schäden<br />
ausgleichen, obwohl durch die Bewirtschaftung <strong>der</strong> großen Fläche<br />
<strong>der</strong> Risikoausgleich praktisch erreicht ist. Umso wichtiger erscheint<br />
es, auf die dem Gesamtkontext <strong>der</strong> Vorschriften zum <strong>Wild</strong>schadenersatz<br />
zu entnehmenden Grenzen <strong>der</strong> <strong>Ersatz</strong>pflicht hinzuweisen.<br />
Ausdrücklich sieht das <strong>Wild</strong>schadensrecht vor, dass sich die<br />
Höhe des Schadens nach <strong>der</strong> Situation bei <strong>der</strong> Ernte von Bodenerzeugnissen<br />
bemessen soll und <strong>der</strong> Geschädigte ggf. zu einer<br />
Schadensmin<strong>der</strong>ung durch <strong>Wie</strong><strong>der</strong>anbau verpflichtet ist (§ 31 BJG).<br />
Diese Regelung hat drei wirtschaftlich relevante Konsequenzen. Erstens<br />
erlegt sie dem Geschädigten eine beson<strong>der</strong>e Verpflichtung<br />
zur Min<strong>der</strong>ung des Schadens auf. Z<strong>weit</strong>ens weist sie das für Land- und<br />
Forstwirtschaft typische Produktionsrisiko dem Geschädigten zu (z. B.<br />
Trockenheit, Hagelschlag etc.). Drittens - und das ist ganz entscheidend<br />
- folgt aus ihr, dass ein über den Netto-Ertragsausfall und damit<br />
die Min<strong>der</strong>ung des Einkommens hinausgehen<strong>der</strong> Anspruch nicht<br />
erhoben werden kann. Auch diese Regelung lässt sich unter dem<br />
Gesichtspunkt <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Solidarität verstehen. Kann <strong>der</strong> Schaden<br />
durch <strong>Wie</strong><strong>der</strong>anbau vermin<strong>der</strong>t werden, ist den Nachbarn nicht zuzumuten,<br />
dass <strong>der</strong> Geschädigte sich nach einem Schaden zur Saatzeit<br />
den Jahresertrag ersetzen lässt, und im übrigen Jahr auf <strong>der</strong> faulen<br />
Haut liegt, während sie auf ihren Fel<strong>der</strong>n für einen noch unsicheren<br />
Ertrag schuften. Würde in einer Gemarkung die Ernte zerstört, müssten<br />
ggf. die von <strong>der</strong> Kalamität um ihr Einkommen gebrachten Jagdgenossen<br />
ihrem Nachbarn, <strong>der</strong> frühzeitig <strong>Wild</strong>schaden angemeldet hat,<br />
den Jahresertrag erstatten.<br />
WILDSCHADENERSATZ ALS EINKOMMENSAUSGLEICH,<br />
NICHT ALS KOSTEN ERSATZ<br />
Vor diesem ökonomischen Hintergrund und <strong>der</strong> expliziten<br />
Regelung in § 31 BJG ist es dem Verfasser völlig unverständlich,<br />
wie es überhaupt erwogen werden kann, einen Verbissschaden an<br />
einer Forstpflanze quasi als Substanzschaden zu behandeln und<br />
den <strong>Wild</strong>schadenersatz nach den Kosten (gleich große Pflanze<br />
plus Pflanzung) zu bemessen (4). Die Wirkung einer .Verleitfahrte"<br />
mag <strong>der</strong> erste Satz von § 29 BJG besitzen. Weil dort formuliert ist:<br />
"Wird ein Grundstück .... beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft<br />
dem Geschädigten den <strong>Wild</strong>schaden zu ersetzen", scheint es naheliegend<br />
zu folgern, <strong>der</strong> Schaden <strong>o<strong>der</strong></strong> sogar je<strong>der</strong> Schaden am<br />
Grundstück sei zu ersetzen, im Sinne des BGB - die Kommentierung<br />
verweist lapidar auf §§ 249 H. - bemessen durch die Kosten<br />
<strong>der</strong> Herstellung des vorherigen Zustands. Diese Interpretation<br />
übersieht jedoch nicht nur den § 31 BJG, son<strong>der</strong>n auch die<br />
oben genannten Grundsätze. Der erste Satz von § 29 BJG<br />
kann jedoch alternativ als reine Voraussetzung für das Entstehen<br />
des Anspruchs verstanden werden, ohne etwas über dessen<br />
Höhe zu sagen, also ohne eine Bewertung zu implizieren. Die<br />
Höhe des Anspruchs könnte dann über den anteiligen Ausgleich<br />
<strong>der</strong> Einkommensmin<strong>der</strong>ung bemessen werden, die den geschädigten<br />
Jagdgenossen trifft. Kann für Schäden an Bodenerzeugnissen<br />
höchstens <strong>der</strong> Netto-Ertragsausfall beansprucht werden, ist<br />
2) Beispielsweise verweist <strong>der</strong> BGH in einem kürzlich ergangenen Urteil<br />
(11 ZR 45/10, verkündet am 4. November 2010) auf diese Kommentierung.<br />
Die in Kommentaren häufige Charakterisierung des <strong>Wild</strong>schadenersatzanspruchs<br />
als Gefährdungshaftung, was eine Parallelität zu<br />
privatrechtlichen Haftungsverhältnissen andeutet, war beispielsweise<br />
von Anfang an sehr zweifelhaft, denn die Jagdgenossenschaft schafft<br />
offenbar keine Gefahr. So wurde dieser Begriff von Mitzschke und<br />
Schäfer in <strong>der</strong> Kommentierung des Reichsjagdgesetzesauch in Anführungszeichen<br />
gesetzt (Kommentar zum Reichsjagdgesetz. 1942. Verlag<br />
von Paul Parey, Berlin, Seite 191). Bei späteren Uberarbeitungen verschwanden<br />
diese Anführungszeichen, und offenbar verfestigte sich die<br />
Ansicht, es handele sich um einen privatrechtlichen Haftungsanspruch.<br />
Schon an an<strong>der</strong>er Stelle (Moog und Wittmann, Strittige Fragen<br />
<strong>der</strong> <strong>Wild</strong>schaden bewertung. Erwi<strong>der</strong>ung zur Stellungnahme von<br />
G. Oesten und A. Wurz, Forstarchiv, Band 74, 2003, S. 141-149)<br />
wurde auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des Anspruchs auf<br />
<strong>Wild</strong>schadenersatz hingewiesen.<br />
3) Diese Begründung findet sich u. a. schon in einem Beitrag von Adam<br />
Schwappach aus dem Jahr 1894 (Hand- und Lehrbuch <strong>der</strong> Staatswissenschaften,<br />
Erste Abteilung: Volkswirtschaftslehre. X. Band, Forstpolitik.<br />
Jagd- und Fischereipolitik, Verlag von CL. Hirschfeld, Leipzig,<br />
S.317f.).<br />
4) Vgl. Schmitz, W. u. a. Einfaches Verfahren zur Bewertung von Verbissschäden<br />
in den Wäl<strong>der</strong>n von Rheinland-Pfalz. Forst und Holz,<br />
61. Jg. 2006, Nr. 5, Seite 1-3.
302 BEITRÄGE AGRAR- UND UMWELTRECHT 8/2011<br />
schwerlich einzusehen, dass für an<strong>der</strong>e Schäden dem Geschädigten<br />
mehr als die Ertragsmin<strong>der</strong>ung zustehen soll (5).<br />
Am Beispiel des Verbisses in einer Fichten-Naturverjüngung können<br />
die Konsequenzen <strong>der</strong> alternativen Auslegungen dargestellt werden.<br />
Auf einem Hektar mögen 100.000 Pflänzchen stehen. Davon seien<br />
10 Prozent verbissen. Eine Auslegung läuft darauf hinaus, hier eine<br />
Beschädigung des Grundstücks festzustellen, und dem Waldeigentümer<br />
unter Verweis auf die Regelungen zum <strong>Schadenersatz</strong> im BGB einen<br />
Anspruch auf <strong>Ersatz</strong> <strong>der</strong> Kosten zuzugestehen, die notwendig sind, um<br />
10.000 Bäumchen gleicher Größe zu pflanzen. Das kann - als willkürliches<br />
Beispiel gewählt - ein Betrag in Höhe von € 5.000 sein. Dies konkurriert<br />
mit <strong>der</strong> Auslegung, in Fichtenholz ein Bodenprodukt zu sehen<br />
und die Frage zu stellen, ob durch die Beschädigung <strong>der</strong> grünen Triebe<br />
eine Wirkung auf die zu erwartende Ernte überhaupt plausibel begründet<br />
werden kann. Das wäre praktisch gleichbedeutend mit <strong>der</strong> Frage,<br />
ob durch die Beschädigung <strong>der</strong> Triebe das zukünftige Einkommen des<br />
Forstwirtes vermin<strong>der</strong>t wird. Nehmen wir an, dies sei bei richtiger forstfachlicher<br />
Beurteilung wegen kompensatorischer Wirkungen nicht <strong>der</strong><br />
Fall. Dann besitzt <strong>der</strong> Waldbesitzer nach <strong>der</strong> alternativen Auslegung keinen<br />
Anspruch auf Geld gegenüber seinen Mitgenossen. Setzt sich die<br />
erste Auslegung durch, dann hat <strong>der</strong> Waldbesitzer trotz ungeschmälerter<br />
zukünftiger Einkommenschancen gegen seine Nachbarn Anspruch<br />
auf Zahlung eines beachtlichen Geldbetrages, <strong>der</strong> sein Einkommen<br />
sofort erhöht.<br />
GLEICHE ANSPRÜCHE UND BEWERTUNGSGRUNDSÄTZE<br />
BEI UNTERSCHIEDLICHER BODENNUTZUNG<br />
Naheliegend ist natürlich die Frage, ob eine Auslegung <strong>der</strong> Regelungen<br />
zum <strong>Wild</strong>schadenersatz im Hinblick auf die Art <strong>der</strong> Bodennutzung<br />
neutral ist, <strong>o<strong>der</strong></strong> ob bestimmte Bodennutzungen (bzw. die Nutzer) ggf.<br />
durch diese Auslegung gegenüber an<strong>der</strong>en systematisch begünstigt<br />
werden. Ein Wintergerste anbauen<strong>der</strong> Bauer, auf dessen Saat Rehe<br />
äsen, besitzt nur für einen Min<strong>der</strong>ertrag an Korn und nicht für das vom<br />
<strong>Wild</strong> aufgenommene Grün einen Ausgleichsanspruch. Die Fragen, ob<br />
hier nicht erstens <strong>der</strong> Forstwirt in <strong>der</strong> jagdgenossenschaft offenbar besser<br />
behandelt wird als <strong>der</strong> Landwirt und ob z<strong>weit</strong>ens <strong>der</strong> Forstwirt durch<br />
den <strong>Schadenersatz</strong> nicht deutlich besser gestellt wird, als er ohne die<br />
Beschädigung <strong>der</strong> grünen Triebe stünde, drängen sich offenbar auf.<br />
Bleibt man bei <strong>der</strong> ersten Auslegung, müsste ein Waldbesitzer auch<br />
den Verbiss an einer Birke und sogar an Weidenröschen und Gräsern<br />
und Kräutern in einer Fichtenkultur als <strong>Wild</strong>schaden anmelden können<br />
und seinen Anspruch über die Höhe <strong>der</strong> zum Naturalersatz notwendigen<br />
Kosten beziffern dürfen. Auch in diesem Fall dürfte <strong>der</strong> Einwand,<br />
eine Ernte sei ja gar nicht geplant, Birken würden - im Gegenteil- regelmäßig<br />
als .Unholzer" beseitigt, dem Anspruch nicht entgegenstehen.<br />
Vor dem oben dargelegten ökonomischen Hintergrund <strong>der</strong> Regelung<br />
läge es nach Meinung des Verfassers näher, den Begriff des "<strong>Wild</strong>schadenersatzes"<br />
als ,,wildschaden-<strong>Ersatz</strong>" und damit als eine Kompensation<br />
für entgangenes Einkommen statt als ,,wild-<strong>Schadenersatz</strong>" und<br />
damit als <strong>Schadenersatz</strong> für durch <strong>Wild</strong>tiere verursachte Beschädigungen<br />
zu interpretieren. Es ist nicht zu bestreiten, dass die aufgeworfene<br />
Frage des Umfangs des Anspruchs einer Klärung bedarf, bevor Forstgutachter<br />
mit <strong>der</strong> Bewertung von Verbissschäden beauftragt werden, und<br />
es wäre für die Rechtsprechung hilfreich, wenn die Kommentierung des<br />
jagdrechts ihr konsistentere Leitlinien für die Urteilsfindung gäbe.<br />
VERÄNDERTE ÖKONOMISCHE RAHMENBEDINGUNGEN<br />
UND DIE ZUKUNFT DES WILDSCHADENERSATZES<br />
Was die Zukunft des <strong>Wild</strong>schadenersatzanspruches anbelangt, werden<br />
aus ökonomischer Sicht die Entwicklungen <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />
Nutzungen von größerem Gewicht sein als die Forstwirtschaft. Die landwirtschaftliche<br />
Fläche ist größer als die Waldfläche und vor allem sind<br />
die flächenbezogenen Erträge und damit die möglichen Schäden deutlich<br />
höher. Bei steigenden <strong>Ersatz</strong>for<strong>der</strong>ungen z. B. zum Ausgleich für von<br />
Schwarzwild verursachte Schäden an Mais, von sehr großflächig wirtschaftenden<br />
Landwirten und <strong>der</strong> Durchsetzung von Gewinnmin<strong>der</strong>ungen<br />
aus vertikal integrierter Produktion (z. B. Biogas) als Schadensbe-<br />
standteil, steigen die <strong>Wild</strong>schadens-For<strong>der</strong>ungen zumindest potenziell<br />
stark an und gleichzeitig wird es für die jagdgenossenschaften deutlich<br />
schwerer werden, die Verpflichtung zum <strong>Wild</strong>schadenersatz über die<br />
jagdpachtverträge auf die jagdpächter abzuwälzen. Da dann jedoch bei<br />
<strong>der</strong> heutigen Rechtslage die wirtschaftlich schwächeren Grundeigentümer<br />
die Schäden ersetzen müssen und <strong>der</strong> Wert des jagdrechts dadurch<br />
oft negativ werden dürfte, ist mit For<strong>der</strong>ungen zur Än<strong>der</strong>ung des <strong>Wild</strong>schadenersatzanspruchs<br />
aus dem Bereich <strong>der</strong> Eigentümer verpachteter<br />
landwirtschaftlich genutzter Flächen zu rechnen. Dies wird mindestens<br />
in die Richtung gehen, den Kreis <strong>der</strong> Anspruchsberechtigten auf die<br />
jagdgenossen zu begrenzen, es kann aber auch mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
gerechnet werden, den Anspruch <strong>weit</strong>er zu begrenzen <strong>o<strong>der</strong></strong> ganz zu tilgen.<br />
Eine Begrenzung könnte im Ausschluss von <strong>Ersatz</strong> für Gewinneinbußen<br />
in vertikal integrierten Betrieben bestehen. Eine dahingehende<br />
Aus<strong>weit</strong>ung des Anspruchs durch die Rechtsprechung wi<strong>der</strong>spricht<br />
offenkundig <strong>der</strong> ökonomischen Idee des jagdgesetzes, einen Ausgleich<br />
für die normalen landwirtschaftlichen Erträge zu gewährleisten, die Risiken<br />
für die jagdgenossenschaft als ganze aber zu begrenzen, indem<br />
Son<strong>der</strong>kulturen ausgeschlossen wurden. Da die ursprünglichen Zielsetzungen<br />
<strong>der</strong> <strong>Wild</strong>schadenersatz-Regelung durch die Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Rahmenbedingungen heute <strong>weit</strong>gehend obsolet geworden sind und die<br />
praktische Handhabung - Vorverfahren durch die im Gegensatz zu früher<br />
heute regelmäßig nicht über eigene Sachkunde verfügenden<br />
Gemeinden - deutlich schwieriger und teurer geworden ist, wäre dies<br />
die konsequente Lösung.<br />
ZUSAMMENFASSUNG DER THESEN<br />
Der Anspruch auf <strong>Wild</strong>schadenersatz ist ein öffentlich-rechtlicher<br />
Anspruch, <strong>der</strong> den Ausgleich von durch <strong>Wild</strong> verursachten Einkommenseinbußen<br />
unter den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> jagdgenossenschaft bewirken<br />
soll und auf den Grundgedanken <strong>der</strong> Solidarität und dem Schutz kleiner<br />
Grundeigentümer herrührt. Dies begründet eine beson<strong>der</strong>e Pflicht zur<br />
Schadenmin<strong>der</strong>ung und legt den Gedanken nahe, dass nur <strong>der</strong> <strong>Ersatz</strong><br />
für solche Beschädigungen von Pflanzen gefor<strong>der</strong>t werden kann, die<br />
auch eine Einkommenseinbuße erwarten lassen. Eine Kalkulation des<br />
Schadens über Kosten wird in diesem Kontext und vor allem auch unter<br />
dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> jagdgenossen unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Art des Anbaus nur dann infrage kommen, wenn erstens<br />
eine Einkommenseinbuße zu erwarten ist und z<strong>weit</strong>ens <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong><br />
Kosten geeignet ist, um den Schaden gegenüber einer Erstattung <strong>der</strong><br />
Einkommenseinbuße geringer zu halten.<br />
Erstens wegen <strong>der</strong> schon <strong>weit</strong>gehend erfolgten Umkehrung des wirtschaftlichen<br />
Kräfteverhältnisses zwischen Grundbesitzern und Pächtern<br />
zugunsten Letzterer und z<strong>weit</strong>ens wegen <strong>der</strong> heute in aller Regel großflächig<br />
erfolgenden Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen hat die<br />
<strong>Wild</strong>schadenregelung im jagdgesetz ihre Berechtigung verloren. Wird<br />
durch <strong>Wild</strong>schadenverpflichtungen <strong>der</strong> Wert des jagdrechts negativ, ist<br />
mit For<strong>der</strong>ungen zur Än<strong>der</strong>ung seitens <strong>der</strong> Grundeigentümer zu rechnen.<br />
5) Als Exkurs sei darauf verwiesen, dass es mit <strong>der</strong> hier aus <strong>der</strong> Rücksichtnahme<br />
auf die Mitgenossen erklärten Beschränkung des <strong>Ersatz</strong>es für<br />
Bodenerzeugnisse auf den Netto-Ertragsausfall nicht konsistent wäre, dem<br />
Eigentümer eines Stückes Unland, auf dem von Sauen gebrochen wurde,<br />
wegen dieser Beschädigung des Grundstücks (§ 29 BJG) die Kosten einer<br />
<strong>Wie</strong><strong>der</strong>herstellung des ursprünglichen Zustandes (§ 24911. BGB) als <strong>Wild</strong>schadenersatz<br />
zuzugestehen. Während <strong>der</strong> als Landwirt wirtschaftende<br />
Jagdgenosse auf den Netto-Ertragsausfall nach Risiken verwiesen würde,<br />
würde <strong>der</strong> nichtwirtschaftende, aus dem Land außer <strong>der</strong> Jagdpacht kein<br />
Einkommen erzielende Jagdgenosse über den <strong>Wild</strong>schadenersatz auf Kosten<br />
seiner Nachbarn ein zusätzliches Geldeinkommen erzielen. So<strong>weit</strong> <strong>der</strong><br />
Nutzung des Grundstücks dienende Einrichtungen zerstört werden (z. B.<br />
Zäune <strong>o<strong>der</strong></strong> Stützmauern in Weinbergen) läge eine Beeinträchtigung des<br />
Einkommens des Bewirtschafters vor, so dass - die Erfüllung <strong>der</strong> Bedingung<br />
<strong>der</strong> Beschädigung des Grundstücks vorausgesetzt - ein Kostenersatz<br />
für die <strong>Wie</strong><strong>der</strong>herstellung als <strong>Wild</strong>schadenersatz in Betracht käme. Bei lohnen<strong>der</strong><br />
Bewirtschaftung wäre <strong>der</strong> <strong>Ersatz</strong> <strong>der</strong> Kosten geringer als <strong>der</strong> volle<br />
Ausgleich <strong>der</strong> Einkommenseinbußen. Es entspräche <strong>der</strong> Pflicht zur Schadenmin<strong>der</strong>ung,<br />
die Kosten aufzuwenden und geltend zu machen.