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Transferarbeit Dokumentationsprofil oder Samplebildung?

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1. Problemstellung<br />

Der Ulmer Archivar Bodo Uhl stellte 1994 in einem Aufsatz über die Ursachen neuer<br />

Fragestellungen in der einhundertjährigen Geschichte der Bewertungsdiskussion fest, dass<br />

„Erschütterungen [...] regelmäßig nur dann [auftraten], wenn die pragmatischen Instrumente nicht<br />

ausreichten, die hereindrängenden Aktenmassen in angemessener Zeit in den Griff zu<br />

bekommen.“ 1 Die aktuelle archivische Bewertungsdiskussion wird heute – zehn Jahre nach dem<br />

Urteil von Uhl – aber nicht mehr allein durch den Anstieg der so genannten „Massenakten“,<br />

sondern vielmehr durch die knappen öffentlichen Kassen in Bund und Ländern und den engen,<br />

von den einzelnen Haushalten diktierten Vorgaben beeinflusst. Mehr denn je hinterfragt die<br />

Politik die gesetzlich festgelegten Aufgaben der Archive und ihre bisherigen Prinzipien der<br />

archivischen Überlieferungsbildung. 2<br />

Die gewachsene Bedeutung betriebswirtschaftlichen Denkens im Archivalltag wird im<br />

Falle der nordrhein-westfälischen Archive besonders deutlich. So waren es zwei Untersuchungen<br />

einer Unternehmensberatung, die die Grundlage für die Schaffung des „Landesarchivs Nordrhein-<br />

Westfalen“ (LAV-NRW) als neue Einrichtung des Landes NRW am 1. Januar 2004 bildeten. 3 Die<br />

Beraterfirma „Mummert und Partner“ stellte das ganze Spektrum archivischer Tätigkeiten auf den<br />

Prüfstand, um umfangreiche Synergieeffekte zu erzielen. Außerdem wurde der Umfang der<br />

Erschließungsrückstände bestimmt, der Arbeitsaufwand für das Verzeichnen verschiedener Arten<br />

von Archivalien eingeschätzt, der Gesamtaufwand für das Verzeichnen der Rückstände berechnet<br />

und diese in die Größen „Stellen“ und „Jahresaufwand“ für den Zeitraum von 20 Jahren<br />

(„Mannjahren“) umgewandelt. 4 Für das Düsseldorfer Parlament bedeuteten die Berechnungen,<br />

dass sich die Staatsarchive auf weitgreifende und in der Bundesrepublik bis dahin unbekannte<br />

Konsequenzen einstellen mussten. Dem neugegründeten LAV-NRW wurden zwar keine<br />

Empfehlungen für grundlegende Veränderungen der bisherigen regionalen und fachlichen<br />

Zuständigkeiten mit auf den Weg gegeben, jedoch wurde die Übernahmequote für das angebotene<br />

staatliche und nichtstaatliche Schriftgut durch Kabinettsbeschluss vom 28. Mai 2002 auf jährlich<br />

durchschnittlich 1 % begrenzt. 5 In der anschließenden Kabinettsvorlage zur Auswertung der<br />

1 B. Uhl, Die Geschichte der Bewertungsdiskussion: Wann gab es neue Fragestellungen und warum?, in: A. Wettmann<br />

(Hrsg.), Bilanz und Perspektiven archivischer Bewertung. Beiträge eines archivwissenschaftlichen Kolloquiums,<br />

(Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 21), Marburg 1994, S. 11-35, hier S. 34.<br />

2 Erinnert sei nur an den im Oktober 2003 veröffentlichten sächsischen Rechnungshofbericht, der für Dr. Gerd Schneider der<br />

Ausgangspunkt war, auf notwendige Veränderungen in den Archiven aufmerksam zu machen. Siehe: G. Schneider,<br />

„Archivare aufgewacht!“ Anmerkungen eines Externen zur gegenwärtigen Situation des deutschen Archivwesens, in: Der<br />

Archivar 57 (2004), S. 37-44.<br />

3 Nach dem Geschäftsverteilungsplan vom 01.01.2005 ist das LAV-NRW eine Stablinienorganisation mit folgender<br />

Verteilung der einzelnen Abteilungen: Abteilung 1 Zentrale Dienste, Abteilung 2 Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Abteilung 3 Technisches Zentrum, Abteilung 4 Hauptsstaatsarchiv Düsseldorf (im Folgenden HSA), Abteilung 5<br />

Staatsarchiv Münster (StaMs), Abteilung 6 Staats- und Personenstandsarchiv Detmold (StADt) und Abteilung 7<br />

Personenstandsarchiv Brühl.<br />

4 Siehe: Powerpoint-Präsentation der Unternehmensberatung „Mummert Consulting“ an der Archivschule in Marburg vom<br />

01. November 2004. Zur Einrichtung des LAV-NRW nach dem Landesorganisationsgesetz § 14 vgl. Bekanntmachung des<br />

Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 14.11.2003 I.1.0200 in: www.archive.nrw.de/archive/<br />

staatl/lav/errichtungserlass.html. Vgl. auch die ausführliche Fassung zur Errichtung des Landesarchivs in NRW in: Der<br />

Archivar 57 (2004), S. 295-305.<br />

5 Daneben gab es weitere Veränderungen für das LAV. So wurde unter anderem das Personal wegen der gestiegenen<br />

Aufgaben auf 194 Stellen aufgestockt und erhebliche Mittel für die Bestandserhaltung bewilligt. Zum Kabinettsbeschluss zur<br />

„Zukunft der Archivverwaltung in NRW“ siehe: Der Archivar 57 (2004), S. 295-305.<br />

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