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Brilon und seine 16 Dörfer

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Sauerland 2/2012 3<br />

<strong>Brilon</strong>, mit fast 26 500 Einwohnern<br />

am östlichen Rand des Sauerlandes<br />

in direkter Nachbarschaft zu Waldeck<br />

<strong>und</strong> Hessen gelegen, ist eine prosperierende<br />

Stadt, Mittelzentrum mit einem<br />

Einzugsbereich von 35 000 – 40 000<br />

Menschen.<br />

Die 1040-jährige Geschichte <strong>Brilon</strong>s<br />

füllt ganze Bücher. Die wichtigsten Fakten<br />

sollen hier zusammengetragen <strong>und</strong><br />

<strong>Brilon</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>seine</strong><br />

<strong>16</strong> <strong>Dörfer</strong><br />

Hand in Hand mit Perspektiven<br />

den Mitgliedern des Sauerländer Heimatb<strong>und</strong>es,<br />

die am 25. August 2012 ihre Mitgliederversammlung<br />

abhalten, vorgestellt<br />

werden.<br />

Geschichte<br />

von Bürgermeister Franz Schrewe<br />

Ob der Name „<strong>Brilon</strong>“ auf Kaiser Karl<br />

den Großen zurückgeht, der sich im <strong>Brilon</strong>er<br />

Wald verirrt hatte <strong>und</strong> dem ein Bauer<br />

Bett <strong>und</strong> einen Teller Brei gab, sei dahingestellt.<br />

Die Sage überliefert, dass Karl<br />

dem Bauern für diese Gastfre<strong>und</strong>schaft so<br />

viel Land <strong>und</strong> Wald schenkte, wie dieser<br />

in einem Tag mit <strong>seine</strong>m Pferd umreiten<br />

konnte.<br />

Die erste urk<strong>und</strong>liche Erwähnung <strong>Brilon</strong>s<br />

stammt von Kaiser Otto II., der 973<br />

dem Erbstift Magdeburg alle von <strong>seine</strong>m<br />

Vater verliehenen westfälischen Besitzungen<br />

bestätigte. Darunter war auch die<br />

„Villa <strong>Brilon</strong>“. Höchstwahrscheinlich handelte<br />

es sich bei dieser Erwähnung um eine<br />

wesentlich ältere Siedlung, das heutige Altenbrilon.<br />

Weitere urk<strong>und</strong>lich belegte Ortsnennungen<br />

sind Brilo, Brylon, Brule, Briloin,<br />

Brielon <strong>und</strong> Briglon. Später gelangte<br />

der <strong>Brilon</strong>er Besitz durch Tausch an die<br />

Paderborner Kirche.<br />

Um 1220 erwarb der Kölner Erzbischof<br />

Engelbert die <strong>Brilon</strong>er Gemarkung<br />

von den Brüdern Hermann <strong>und</strong> Gernand<br />

von <strong>Brilon</strong>. Engelbert legte eine befestigte<br />

Stadt mit einer Ringmauer an <strong>und</strong> verlieh<br />

ihr die Stadtrechte. Damit können die <strong>Brilon</strong>erinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Brilon</strong>er in 8 Jahren, also<br />

2020, 800 Jahre Stadtrechte feiern.<br />

Erzbischof Engelbert von Köln <strong>und</strong> die<br />

Paderborner Kirche stritten in blutigen<br />

Auseinandersetzungen um ihre Besitzrechte<br />

an <strong>Brilon</strong>. Letztlich endeten diese<br />

Auseinandersetzungen mit der Gefangennahme<br />

des Paderborner Bischofs Simon<br />

im Jahre 1254 <strong>und</strong> dessen Verzicht auf<br />

<strong>seine</strong> <strong>Brilon</strong>er Ansprüche zwei Jahre später.<br />

Die Streitigkeiten wurden vermutlich<br />

hauptsächlich aus wirtschaftlichem Interesse<br />

geführt. Es ging um Bodenschätze<br />

wie Blei, Eisen, Silber <strong>und</strong> Galmei, die<br />

im <strong>Brilon</strong>er Raum abgebaut <strong>und</strong> verhüttet<br />

wurden.<br />

Eine eigene, höchst interessante Geschichte<br />

ist die Tatsache, dass die Grenze<br />

zwischen dem Besitz der Bischöfe von Paderborn<br />

<strong>und</strong> Köln Jahrh<strong>und</strong>erte lang mitten<br />

durch das heutige <strong>Brilon</strong>er Dorf Alme<br />

ging. Die Oberalmer schützten den Besitz<br />

des Bischofs von Köln gegen die Paderborner<br />

<strong>und</strong> die Niederalmer verteidigten den<br />

Paderborner Bischof gegen die Kölner.<br />

<strong>Brilon</strong> entwickelte sich im 13. <strong>und</strong> 14.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert unter der kurkölnischen Herrschaft<br />

zu einer blühenden Stadt mit 3000<br />

Einwohnern, für die damalige Zeit eine<br />

Großstadt. Die Stadt erhielt 1252 das Privileg<br />

der Unabhängigkeit vom Freigericht<br />

<strong>und</strong> hatte ab 1256 bis 1304 eine eigene<br />

Münze. Schon im Jahre 1431 gründete<br />

sich in <strong>Brilon</strong> die Jakobus-Bruderschaft,<br />

die das erste Krankenhaus der Stadt, das<br />

Hospital des Hl. Geistes, am Markt betreute.<br />

Die wirtschaftliche Blüte im 13. <strong>und</strong> 14.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert wurde getragen von einem<br />

Derkertor, Rest der Stadtmauer<br />

regen gewerblichen <strong>und</strong> bergmännischen<br />

Leben mit weitreichenden Handelsbeziehungen.<br />

Ab 1350 zählt die Stadt 500 bis<br />

600 Häuser <strong>und</strong> nahm, genau wie Soest<br />

<strong>und</strong> Werl, eine dominierende Rolle unter<br />

den Städten des Herzogtums Westfalen<br />

ein. Nach dem Ausscheiden der Stadt Soest<br />

1444 in der so genannten „Soester<br />

Fehde“ wurde <strong>Brilon</strong> zur Siegel führenden<br />

Stadt, zur ersten der vier Hauptstädte des<br />

Herzogtums Westfalen erhoben. Wie die<br />

Geschichtsbücher belegen, fiel die Rolle<br />

der Hauptstadt <strong>Brilon</strong> ob ihrer Größe <strong>und</strong><br />

Wirtschaftskraft automatisch zu. Die Vertreter<br />

der anderen Städte sagten: „Wey<br />

stemmet ase Brylen“, wir stimmen wie<br />

<strong>Brilon</strong>. <strong>Brilon</strong> stellte bei Landtagen das<br />

Direktorium der Städtekurie, der <strong>Brilon</strong>er<br />

Stadtschreiber war dessen Protokollant,<br />

<strong>und</strong> die Verwahrung der Protokolle oblag<br />

dem <strong>Brilon</strong>er Stadtarchiv.<br />

In die frühe Blütezeit der Stadt fällt der<br />

Baubeginn der beiden ältesten heute noch<br />

stehenden <strong>Brilon</strong>er Gebäude. Im Jahre<br />

1250 begannen die <strong>Brilon</strong>er mit dem Bau<br />

ihres Rathauses, das heute als eines der ältesten<br />

Rathäuser Deutschlands gilt. Erbaut<br />

als Gildehaus nach dem Vorbild des um<br />

1232 errichteten Dortm<strong>und</strong>er Rathauses<br />

war es zunächst Verkaufsstätte der Bauern<br />

<strong>und</strong> Kaufleute <strong>und</strong> nicht zuletzt auch Ausstellungsraum<br />

für die fremde Kaufmannschaft.<br />

Ebenfalls 1250 datiert der Baubeginn<br />

der <strong>Brilon</strong>er Propsteikirche.<br />

Bis in das frühe 14. Jahrh<strong>und</strong>ert lässt<br />

sich das Alter des Marktbrunnens zurückverfolgen,<br />

des bekannten „Kumpes“. Der<br />

Kump war Endpunkt der von weither<br />

Foto: Johannes Nolte


4 Sauerland 1/2012<br />

geführten Wasserleitung, die Wasser im<br />

freien Gefälle in die Stadt transportierte.<br />

Eichene, handgebohrte Wasserrohre, die<br />

bei neueren Erdarbeiten gef<strong>und</strong>en wurde,<br />

zeugen von den schon sehr frühen technischen<br />

Erfolgen der <strong>Brilon</strong>er, ihre lebenswichtige<br />

Wasserversorgung sicherzustellen.<br />

Die Stadt war mit einem doppelten<br />

Wall, der innere davon mit einer starken<br />

Mauer befestigt. Die Gesamtstadtmauer<br />

hatte eine Länge von 2100 m. 12 Türme<br />

<strong>und</strong> 4 Stadttore schützten die Bürgerschaft<br />

von äußeren Feinden. Die Stadt <strong>Brilon</strong> galt<br />

in der damaligen Zeit als uneinnehmbar.<br />

Weil Angriffe auf die Stadt <strong>Brilon</strong> aussichtslos<br />

waren, kühlten viele Feinde ihr<br />

Mütchen an den schutz- <strong>und</strong> wehrlosen<br />

<strong>Dörfer</strong>n in der <strong>Brilon</strong>er Nachbarschaft.<br />

So wurde die Burg Scharfenberg zweimal,<br />

1359 <strong>und</strong> 1404, von den Grafen zu<br />

Waldeck zerstört. Dann brach im Jahre<br />

1473 die kölnische Stiftfehde zwischen<br />

Erzbischof Ruprecht <strong>und</strong> dem Administrator<br />

Hermann von Hessen aus. Nahezu<br />

das gesamte Herzogtum Westfalen wurde<br />

von den Kriegszügen der jeweiligen Parteigänger<br />

betroffen. Die <strong>Brilon</strong>er nutzten die<br />

scheinbar günstige Gelegenheit <strong>und</strong> fielen<br />

schon 1473 in hessisches Territorium <strong>und</strong><br />

Frankenberg/Eder ein. Zur Vergeltung zogen<br />

die Hessen nach <strong>Brilon</strong>, raubten alles<br />

Vieh vor dem Schloss Scharfenberg <strong>und</strong><br />

Schultenhaus, ein altes Ackerbürgerhaus<br />

Foto: Johannes Nolte<br />

gerieten dann in einen <strong>Brilon</strong>er Hinterhalt.<br />

Und schon ein Jahr später, 1474, rückte<br />

Landgraf Heinrich III. von Hessen wieder<br />

gegen <strong>Brilon</strong>, konnte die Stadt erneut<br />

nicht erobern <strong>und</strong> zerstörte das Schloss<br />

Scharfenberg, das danach nicht mehr aufgebaut<br />

wurde, endgültig.<br />

Wenn man die Entwicklung der Stadt<br />

<strong>Brilon</strong> weiterverfolgt, so führten bereits<br />

im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert die gerade genannten<br />

Streitigkeiten <strong>und</strong> kriegerischen Handlungen<br />

zu einem ersten wirtschaftlichen<br />

Niedergang der einst in hoher Blüte stehenden<br />

Stadt. In den folgenden Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

von Hungersnöten, Kriegen, Großbränden<br />

<strong>und</strong> zahlreichen Machtwechseln<br />

gekennzeichnet, erlahmten Handel <strong>und</strong><br />

Handwerk immer mehr. 1802 kam die<br />

Stadt an Hessen-Darmstadt <strong>und</strong> nach dem<br />

Wiener Kongress 18<strong>16</strong> an Preußen. Das<br />

Jahr 1818 stellt einen positiven Wendepunkt<br />

in der Geschichte der Stadt <strong>Brilon</strong><br />

dar, als die Stadt zur preußischen Kreisstadt<br />

ernannt wird.<br />

<strong>Brilon</strong> <strong>und</strong> die Hanse<br />

Schon im Jahre 1255 wird über den<br />

<strong>Brilon</strong>er Fernhandel mit England berichtet.<br />

Um erfolgreich das Handelsgeschäft betreiben<br />

zu können, war die Mitgliedschaft<br />

in der Hanse notwendig. Das genaue<br />

Beitrittsdatum <strong>Brilon</strong>s ist nicht belegbar.<br />

In einer Urk<strong>und</strong>e von 1255 wird der ge-<br />

meinsame Handel mit Soest erwähnt. Soest<br />

war die hansische Vierstadt <strong>und</strong> stand<br />

als solche den hansischen Beistädten in<br />

<strong>seine</strong>m Bezirk Arnsberg, Attendorn, <strong>Brilon</strong>,<br />

Geseke, Lippstadt, Rüthen, Werl vor.<br />

Soest vertrat die gerade genannten Städte<br />

auf den jährlich in Lübeck stattfindenden<br />

Hansetagen als vollberechtigte B<strong>und</strong>esstadt.<br />

<strong>Brilon</strong> selbst vertrat wiederum die<br />

angeschlossenen Städte Fredeburg, Marsberg,<br />

Medebach, Winterberg, Schmallenberg<br />

<strong>und</strong> Hallenberg <strong>und</strong> vereinigte diese<br />

unter sich. Nicht selten trat man in solchen<br />

rührigen Unterbezirken zu kleineren Hansetagen<br />

selbst zusammen, um das Nötige<br />

für die weiteren Instanzen vorzubereiten.<br />

In Folge der „Soester Fehde“ (Folge<br />

der Abtrennung Soests von Kurköln) wird<br />

<strong>Brilon</strong> 1469 von Soest als ungehorsame<br />

Stadt aufgezählt. Von 1507 bis 1522 ist<br />

<strong>Brilon</strong> eine so genannte widerspenstige<br />

Soester Beistadt. 1579 drängt <strong>Brilon</strong> auf<br />

Beitragsermäßigung <strong>und</strong> droht mit dem<br />

Austritt aus dem Hanseb<strong>und</strong>. <strong>16</strong>14 wird<br />

<strong>Brilon</strong> zur Beitragszahlung verpflichtet,<br />

<strong>und</strong> in diesem Jahr erfolgt auch die letzte<br />

amtliche Nennung als Mitglied der mittelalterlichen<br />

Hanse. Im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

neigte sich die Zeit der Hanse ihrem Ende<br />

zu. Zum letzten Hansetag im Jahr <strong>16</strong>69<br />

erschienen in Lübeck nur noch 6 Städte.<br />

Bis dahin hatte die Hanse einen weiten<br />

Weg zurückgelegt <strong>und</strong> über viele Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

das Gesicht Europas entscheidend<br />

geprägt. 1980 gründeten 30 ehemalige<br />

Hansestädte in der niederländischen Stadt<br />

Zwolle den internationalen Hanseb<strong>und</strong> der<br />

Neuzeit. <strong>Brilon</strong> gehört zu den Gründungsmitgliedern.<br />

1983 gründete sich in Herford<br />

der Westfälische Hanseb<strong>und</strong> mit dem<br />

Ziel, die Handelsbeziehungen der Hanse<br />

auf kultureller <strong>und</strong> historischer Ebene wieder<br />

aufleben zu lassen. Auch hier gehörte<br />

die Stadt <strong>Brilon</strong> zu den Gründungsmitgliedern<br />

<strong>und</strong> konnte schon 1992 den 9.<br />

Westfälischen Hansetag im Rahmen eines<br />

großen Stadtfestes ausrichten. Der nächste<br />

große Hansetermin steht den <strong>Brilon</strong>ern im<br />

Jahr 2020 ins Haus. 1996 hat die Delegiertenversammlung<br />

des Internationalen<br />

Hanseb<strong>und</strong>es beschlossen, den 40. Internationalen<br />

Hansetag der Neuzeit zur Feier<br />

der 800-jährigen Stadtrechte in <strong>Brilon</strong><br />

durchzuführen.<br />

Die Schnad –<br />

Tradition <strong>und</strong> Moderne<br />

Über <strong>Brilon</strong> zu schreiben <strong>und</strong> zu berichten<br />

<strong>und</strong> die Schnad nicht zu erwähnen,<br />

ist schlichtweg unmöglich. Schon im Jahr<br />

1362 erließ die Stadt <strong>Brilon</strong> eine eigene<br />

Kriegsordnung, in der auch die Abwehrordnung<br />

auf der Stadtbefestigung fest-


Sauerland 1/2012 5<br />

gelegt wurde. Die Ordnung schrieb vor,<br />

dass auf Glockenschlag alle Bürger sich<br />

zu bewaffnen <strong>und</strong> vor ihrer Pforte unter<br />

die Banner zu treten hatten. Das galt für<br />

alle wehrfähigen Männer vom Knecht bis<br />

zum Bürgermeister. In diese Kriegs- <strong>und</strong><br />

Waffenordnung hinein fällt auch die Zeit<br />

der ersten Schützenstatuten in <strong>Brilon</strong> aus<br />

dem Jahr 1417. Die heutige Schützenbruderschaft<br />

St. Hubertus mit ihrer nun fast<br />

600-jährigen Schützentradition gehört zu<br />

den ältesten Schützenorganisationen in<br />

ganz Deutschland. Erst vor 2 Jahren hat<br />

die St. Hubertus-Schützenbruderschaft<br />

nunmehr schon zum dritte Male das B<strong>und</strong>esschützenfest<br />

des Sauerländer Schützenb<strong>und</strong>es<br />

ausgerichtet, <strong>und</strong> es ist allen<br />

14 000 Schützenschwestern <strong>und</strong> Schützenbrüdern,<br />

die aktiv daran teilgenommen<br />

haben, als eines der bestorganisierten <strong>und</strong><br />

stimmungsvollsten B<strong>und</strong>esschützenfeste in<br />

Erinnerung.<br />

Im Laufe der Geschichte kam es immer<br />

wieder zu Grenzstreitigkeiten, die die <strong>Brilon</strong>er<br />

vor Gericht <strong>und</strong> gelegentlich auch<br />

in handfesten kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

auszufechten hatten. Um diese<br />

Streite zu vermeiden, entstand die <strong>Brilon</strong>er<br />

Schnade, ein Grenzbegang, bei dem die<br />

Stadtgrenze abgeschritten wird. Am 24.<br />

Juni 1388 zogen die <strong>Brilon</strong>er zum ersten<br />

Mal ihre Schnad, nicht zu verwechseln<br />

mit dem heutigen Volksfest. Mit der Einführung<br />

von Gr<strong>und</strong>büchern <strong>und</strong> Katastern<br />

verloren die Schnadezüge ihren praktischen<br />

Zweck, so dass sie in den meisten<br />

Orten spätestens in den Anfangsjahren<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts eingestellt wurden<br />

Musiksommer auf dem Marktplatz<br />

Foto: Johannes Nolte<br />

<strong>und</strong> bald auch in Vergessenheit gerieten.<br />

Nur <strong>Brilon</strong> kann von sich behaupten,<br />

diesen Brauch unter penibler Einhaltung<br />

der überlieferten Regularien über die<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte hinweg <strong>und</strong> allen Widrigkeiten<br />

zum Trotz nahezu ununterbrochen<br />

aufrechterhalten zu haben. Seit fast 200<br />

Jahren ist die Schnad das <strong>Brilon</strong>er Urfest.<br />

So machen sich in den geraden Jahren<br />

jeweils am Schützenfestmontag – das<br />

Schützenfest wird für einen Tag unterbrochen<br />

– morgens zwischen 6 <strong>und</strong> 7 Uhr<br />

3000 bis 4000 Männer auf den Weg, um<br />

im Uhrzeigersinn jeweils ein Fünftel ihrer<br />

alten Stadtgrenze ohne die eingemeindeten<br />

<strong>Dörfer</strong> zu kontrollieren. Ist nach fünf<br />

Schnadezügen, mit einer Länge von 23<br />

bis 42 km die etwa 130 km lange Grenze<br />

einmal umschritten, sagt der <strong>Brilon</strong>er stolz:<br />

„Ich bin einmal rum“!<br />

Dass bei der Überprüfung der Grenze<br />

die Frauen auch heute noch nicht dabei<br />

sind, hat einen einsichtigen, keinesfalls<br />

frauenfeindlichen Hintergr<strong>und</strong>. Vor Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

gab es, wie oben berichtet,<br />

oft handfeste Streitigkeiten, <strong>und</strong> diesen<br />

Anblick wollte man den Frauen nicht zumuten.<br />

Mittags auf dem Lagerplatz angekommen<br />

treffen sich dann die Familien<br />

<strong>und</strong> mit mehr als 10 000 Menschen ein<br />

riesiges Fest. Heute gehört der <strong>Brilon</strong>er<br />

Schnadezug zu den größten <strong>und</strong> originellsten<br />

Volksfesten Westfalens, der in jedem<br />

Jahr viele <strong>Brilon</strong>er, die Familie <strong>und</strong> Beruf<br />

in die ganze Welt geführt haben, wieder in<br />

ihre Vaterstadt zieht.<br />

Schneeläuten<br />

Alljährlich im Winter in der Zeit vom<br />

11. November bis zum 30. April ist in <strong>Brilon</strong><br />

abends um 20.55 Uhr der Klang der<br />

großen Glocken zu vernehmen. Das ist das<br />

so genannte „Schneeläuten“, das verirrten<br />

Wanderern früher den rechten Weg nach<br />

Hause weisen sollte. Die Überlieferung berichtet,<br />

dass einstmals ein <strong>Brilon</strong>er Bürger<br />

in Dunkelheit <strong>und</strong> Schneesturm den Heimweg<br />

verfehlte <strong>und</strong> durch das Läuten der<br />

Glocken in die Sicherheit der Stadtmauern<br />

zurückgef<strong>und</strong>en haben soll. Aus Dankbarkeit<br />

für die Rettung aus höchster Not habe<br />

er dann eine Stiftung ins Leben gerufen,<br />

um auch zukünftig allen in Gefahr befindlichen<br />

Menschen eine sichere Rückkehr in<br />

die Stadt zu ermöglichen.<br />

Für unsere Vorfahren war das<br />

Schneeläuten von großer Bedeutung. So<br />

weisen die <strong>Brilon</strong>er Totenbücher von 1740<br />

bis 1839 allein 21 Todesfälle aufgr<strong>und</strong> der<br />

winterlichen Witterung aus, wobei nicht<br />

feststeht, ob alle erfasst wurden. Früher<br />

wurden alle Glocken geläutet, manchmal<br />

auch über mehrere St<strong>und</strong>en oder sogar<br />

die ganze Nacht hindurch, wenn ein heftiger<br />

Schneesturm die Landschaft überzog<br />

<strong>und</strong> bekannt war, dass sich noch <strong>Brilon</strong>er<br />

außerhalb der Stadtmauern aufhielten.<br />

<strong>Brilon</strong> – Wirtschaftsstandort<br />

Elementar wichtig für eine weitere wirtschaftliche<br />

Entwicklung <strong>und</strong> gute Perspektive<br />

unseres Wirtschaftsstandortes <strong>Brilon</strong><br />

ist die Verkehrssituation um uns herum.<br />

Wer es nicht genau weiß, denkt, wenn er<br />

die Verkehrsnachrichten hört, <strong>Brilon</strong> liegt<br />

direkt an 2 Autobahnen. <strong>Brilon</strong> wird fast<br />

jeden Tag in den Verkehrsnachrichten als<br />

Autobahnstadt genannt, bei Stau oder Unfall<br />

auf der A 33 Bielefeld – <strong>Brilon</strong> oder auf<br />

der A 46 Hagen – <strong>Brilon</strong>. Dabei endet die<br />

A 46 vorerst in Velmede <strong>und</strong> wird dann als<br />

kreuzungsfreie Schnellstraße B 7n bis <strong>Brilon</strong><br />

weitergebaut, die A 33 endet vorerst<br />

am Autobahnkreuz Wünnenberg-Haaren.<br />

Die Bahn hat bei allen Streckenschließungen,<br />

die sie in Deutschland landauf<br />

landab in den vergangenen Jahrzehnten<br />

vorgenommen hat, die Strecke <strong>Brilon</strong>-<br />

Wald – <strong>Brilon</strong> für den Güterverkehr bestehen<br />

lassen <strong>und</strong> der Firma Egger eine<br />

langfristige Garantie zur Andienung gegeben.<br />

Das war wichtig. Egger bekommt viel<br />

Holz, fährt viel Holzfertigprodukte auf der<br />

Schiene ab, bekommt jeden Tag einen Zug<br />

mit Leim für die Spanplatten. Das erspart<br />

tausende von LKW-Fahrten durch unsere<br />

Stadt <strong>und</strong> ermöglichte die Wiederinbetriebnahme<br />

der Strecke auch für Perso-


6 Sauerland 1/2012<br />

nenzüge. Seit Dezember 2011 kann man<br />

wieder mit der Eisenbahn vom Bahnhof<br />

<strong>Brilon</strong>-Stadt nach <strong>Brilon</strong>-Wald <strong>und</strong> dann in<br />

die ganze Welt fahren.<br />

Die Entwicklung der Wirtschaft war besonders<br />

in den letzten 25 Jahren in <strong>Brilon</strong><br />

außerordentlich erfolgreich. Durch gute<br />

Zusammenarbeit der Unternehmer mit Rat<br />

<strong>und</strong> Verwaltung prosperiert das wirtschaftliche<br />

Leben.<br />

Wir haben heute in <strong>Brilon</strong> insgesamt<br />

115 Industriebetriebe gemeldet. 1990 waren<br />

es 22, heute also insgesamt 93 mehr<br />

in der Stadt. Beim Handel sieht es ähnlich<br />

aus. 637 angemeldeten Firmen standen<br />

1990 396 gegenüber, heute insgesamt<br />

also 241 mehr.<br />

Die Zahl der Handwerksbetriebe ist<br />

konstant geblieben, heute 379, 1990 waren<br />

es 351. Unter die sonstigen Betriebe<br />

fallen alle, die nicht Industrie, Handel <strong>und</strong><br />

Handwerk ist, alle Gewerbebetriebe also,<br />

die man sich denken kann. Das sind heute<br />

insgesamt 1491 angemeldete sonstige Gewerbebetriebe.<br />

1990 waren es 511, heute<br />

haben wir also 980 mehr, einschließlich<br />

der vielen Produzenten von Strom durch<br />

Sonnenkollektoren.<br />

Durch die Firma Egger ist <strong>Brilon</strong> der<br />

größte Holzwerkstoff-Standort Europas,<br />

Gedenkstein<br />

für die<br />

ermordeten<br />

<strong>Brilon</strong>er<br />

jüdischen<br />

Glaubens<br />

nicht von der Anzahl der Arbeitnehmer,<br />

aber von der Verarbeitungstiefe. Vom<br />

rohen Stamm bis zum fertigen Produkt<br />

werden in keiner anderen Stadt mehr<br />

Hölzer verarbeitet als in <strong>Brilon</strong>. Egger<br />

beschäftigte bei der Gründung, die 1989<br />

große Auseinandersetzungen in der Stadt<br />

mit sich brachte, 120 Arbeitnehmer. Heu-<br />

Skihang Am Poppenberg<br />

te verdienen bei Egger 1150 Frauen <strong>und</strong><br />

Männer ihr Brot.<br />

Aber nicht nur die Firma Egger macht<br />

<strong>Brilon</strong> zu einem anerkannten Wirtschaftsstandort,<br />

sondern viele weitere bekannte<br />

<strong>und</strong> renommierte Unternehmen. Die<br />

Firma Puris Bad gehört zu den größten<br />

deutschen Badmöbelherstellern. Die Firma<br />

HOPPECKE im gleichnamigen Dorf<br />

mit ihrer 85-jährigen Firmengeschichte<br />

als Hersteller von Ladegeräten, Industriebatterien<br />

<strong>und</strong> Batteriesystemen ist weltweit<br />

tätig. Die Firma ABB <strong>Brilon</strong>, seit 1920 in<br />

unserer Stadt ist heute das weltweite Kompetenzzentrum<br />

für Gießharztransformatoren<br />

des Typs „Resibloc“, die im höchsten<br />

Gebäude der Welt in Dubai genauso<br />

zuverlässig arbeiten wie auf dem größten<br />

Kreuzfahrtschiff der Welt. Die Firma<br />

Oventrop, mit Sitz in Olsberg <strong>und</strong> großen<br />

Produktionseinheiten in <strong>Brilon</strong> ist einer<br />

der führenden europäischen Hersteller von<br />

Armaturen <strong>und</strong> Systemen der Haustechnik.<br />

Die Firma Centrotec Sustainable AG<br />

ist ein in mehr als 50 Ländern vertretenes,<br />

börsennotiertes Unternehmen, das sich<br />

auf energieeffiziente Gebäudetechnik spezialisiert<br />

hat. Die Hauptverwaltung der AG<br />

<strong>und</strong> 4 der 28 Tochterunternehmen sind in<br />

<strong>Brilon</strong> ansässig. Die Firma Rembe Safety<br />

<strong>und</strong> Control stellt hochwertige Sicherheits-<br />

<strong>und</strong> Messtechnikprodukte her <strong>und</strong> liefert<br />

an K<strong>und</strong>en in der ganzen Welt.<br />

Eine kurze <strong>und</strong> nicht den Anspruch<br />

auf Vollständigkeit erhebende Aufzählung<br />

kann das gesamte Spektrum der <strong>Brilon</strong>er<br />

Wirtschaft nicht annähernd beschreiben:<br />

Fotos: Johannes Nolte


Sauerland 1/2012 7<br />

Firma Impuls, Tochterfirma des Küchenherstellers<br />

ALNO, Firma <strong>Brilon</strong>er<br />

Montage- <strong>und</strong> Schlüsselfertigbau in Altenbüren,<br />

Normann Textilien in Scharfenberg,<br />

Firma Städtereinigung Stratmann,<br />

Firma <strong>Brilon</strong>er Leuchten, Firma Brilex<br />

Explosionsschutz, Firma Industrie Elektronik<br />

<strong>Brilon</strong>, die Steinbrüche Rheinkalk Messinghausen,<br />

Mühlenbein Rösenbeck <strong>und</strong><br />

Deuba Hoppecke, bbe Bauerzeugnisse,<br />

Variationen in Holz Frank Spiekermann<br />

GmbH, Befestigungstechnik Andreas Finger,<br />

unsere 12 Autohäuser, die <strong>16</strong> Marken<br />

vertreten, alle, auch die vielen hier aus<br />

Platzmangel nicht genannten Betriebe,<br />

tragen den guten Namen „<strong>Brilon</strong>“ hinaus<br />

ins Land <strong>und</strong> auch in die Welt <strong>und</strong>, was<br />

ganz wichtig ist, alle zusammen geben fast<br />

10 000 Menschen einen Arbeitsplatz.<br />

Neben dem Städtischen Krankenhaus<br />

„Maria Hilf“ mischen auch drei Betriebe<br />

der Stadt im Wirtschaftsleben mit. Die<br />

<strong>Brilon</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Tourismus GmbH,<br />

eine 100%ige Tochter der Stadt <strong>Brilon</strong>, ist<br />

zuständig für die Wirtschaftsförderung <strong>und</strong><br />

den gesamten Bereich des Tourismus sowie<br />

die Veranstaltungen im kulturellen Bereich,<br />

wie die seit vielen Jahren bekannten<br />

Konzerte des <strong>Brilon</strong>er Musiksommers.<br />

Die Stadtwerke <strong>Brilon</strong> AöR, hervorgegangen<br />

aus dem Wasserwerk <strong>Brilon</strong> <strong>und</strong><br />

dem späteren Eigenbetrieb Stadtwerke,<br />

wird seit 2003 in der Rechtsform einer<br />

Anstalt des öffentlichen Rechts geführt.<br />

Warum als AöR? Weil die Stadt die Stadtwerke<br />

stärken wollte, um sie nicht zum<br />

Spielball werden zu lassen von irgendwelchen<br />

Multis, von Firmen, die privat geführt<br />

mit Riesenmillionen Beträgen ausgestattet,<br />

durchs Land ziehen <strong>und</strong> kleine Stadtwerke<br />

aufkaufen, zwar die Beiträge für die Bürger<br />

vorerst noch auf dem Niveau lassen wie sie<br />

vorher waren, dann aber erbarmungslos<br />

zuschlagen bei der Gebührenkalkulation.<br />

Unsere Stadtwerke sind ein Betrieb der<br />

Stadt <strong>Brilon</strong>, selbständig, kontrolliert vom<br />

Rat der Stadt, vom Verwaltungsrat der<br />

Stadtwerke.<br />

Die Stadtwerke <strong>Brilon</strong> liefern Wasser<br />

zum billigsten Wasserpreis im ganzen Land<br />

Nordrhein-Westfalen: 1000 Liter für 0,87<br />

€. Sie entsorgen das Abwasser, 1 cbm für<br />

2,66 € Euro <strong>und</strong> je nach angeschlossener<br />

Gr<strong>und</strong>stücksfläche pro qm für 64 Cent.<br />

Dafür unterhalten die Stadtwerke ein Abwassernetz<br />

von 286 km <strong>und</strong> ein Leitungsnetz<br />

für unser Wasser von 327 km.<br />

Außerdem betreiben die Stadtwerke für<br />

einige öffentliche Gebäude die Nahwärme-<br />

Versorgung <strong>und</strong> neuerdings mit einem<br />

Krankenhaus Maria Hilf,<br />

einziges kommunales Krankenhaus im Hochsauerlandkreis<br />

Hackschnitzel-Heizwerk am Berufsschulzentrum<br />

auch eine Fernwärme-Anlage zur<br />

Energieversorgung zweier Schulen, des<br />

städtischen Hallenbades, eines Seniorenzentrums,<br />

eines Hotels <strong>und</strong> einiger Privathäuser.<br />

Die jüngste städtische Firma ist die<br />

Stadtwerke <strong>Brilon</strong> Energie GmbH, ein<br />

gemeinsam mit der Energieversorgung<br />

Waldeck Frankenberg GmbH gegründetes<br />

Unternehmen zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes<br />

in der Stadt <strong>und</strong> zur Belieferung<br />

der Bürger mit Gas.<br />

Ges<strong>und</strong>heitsstandort<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Tourismus – Tourismus<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit – sind nicht jede für sich<br />

ein Markt, sondern sind ein Markt, der<br />

in Kombination als Ges<strong>und</strong>heitstourismus<br />

wächst <strong>und</strong> wächst. Im <strong>Brilon</strong>er Süden,<br />

wo der Tourismus zuhause ist, sind auch<br />

die Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen der Stadt<br />

angesiedelt. Das Städtische Krankenhaus<br />

Maria-Hilf gGmbH, als einziges kommunales<br />

Krankenhaus im gesamten Hochsauerlandkreis,<br />

ist mit 200 Betten längst<br />

auf dem Weg zu einem überregionalen<br />

Ges<strong>und</strong>heitszentrum. Das Krankenhaus<br />

sichert mit einem interdisziplinären Netzwerk<br />

aus über 60 Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzten in<br />

32 medizinischen Fachrichtungen im <strong>und</strong><br />

am Krankenhaus eine umfassende ambulante<br />

<strong>und</strong> stationäre Ges<strong>und</strong>heitsversorgung.<br />

Das Kursanatorium des Landesverbandes<br />

der Kriegsblinden mit 70 Betten<br />

<strong>und</strong> einigen Dauerwohnplätzen gehört seit<br />

Foto: Florian Schreckenberg<br />

Jahrzehnten zu den hervorragenden <strong>Brilon</strong>er<br />

Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen genau wie<br />

das Haus am Kurpark des Sozialverbandes<br />

Deutschland mit 170 Betten <strong>und</strong> die Klinik<br />

der Suchtnachsorge in <strong>Brilon</strong>-Wald mit<br />

140 Betten. Alles in allem sichern diese<br />

vier <strong>Brilon</strong>er Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen<br />

mehr als 500 Arbeitsplätze.<br />

<strong>Brilon</strong> – Tourismusstandort<br />

Der Spagat zwischen dem Industrie-<br />

<strong>und</strong> Gewerbestandort <strong>Brilon</strong> <strong>und</strong> dem<br />

Tourismusstandort <strong>Brilon</strong> ist in den letzten<br />

Jahren immer besser gelungen. Die Bedeutung<br />

des Fremdenverkehrs (ein hässliches<br />

Wort) wurde bereits früh erkannt.<br />

Die <strong>Brilon</strong>er gründeten schon 1927 den<br />

Verkehrsverein. Die eigentliche Entwicklung<br />

des Tourismus setzte jedoch erst nach<br />

dem Krieg ein. <strong>Brilon</strong> ist seit 1974 staatlich<br />

anerkannter Luftkurort <strong>und</strong> seit 2000<br />

der bisher letzte in Nordrhein-Westfalen<br />

ernannte Kneippkurort. Die <strong>Brilon</strong>er Hotels<br />

haben in den letzten Jahren mächtig<br />

investiert <strong>und</strong> Größe <strong>und</strong> Aufnahmekapazität<br />

sowie ihre Standards verbessert. In den<br />

Häusern über 9 Betten – nur die werden<br />

statistisch erfasst – wurden im letzten Jahr<br />

ca. 175 000 Übernachtungen gezählt. Insgesamt<br />

kann man davon ausgehen, dass in<br />

den kleineren Betrieben <strong>und</strong> in den Ferienwohnungen,<br />

die statistisch nicht erfasst<br />

werden, noch einmal r<strong>und</strong> 85 000 Übernachtungen<br />

hinzukommen. Die Perspektive<br />

im Sauerlandtourismus ist für <strong>Brilon</strong><br />

nicht schlecht. <strong>Brilon</strong> zählte über 50 000<br />

Gästeankünfte in Betrieben über 9 Betten.<br />

Das neueröffnete Museum Haus Höve-


8 Sauerland 1/2012<br />

ner im Stadtzentrum am Markt, das Rathaus,<br />

die Kirchen der Kernstadt, die Propsteikirche,<br />

die evangelische Stadtkirche<br />

<strong>und</strong> die Nikolaikirche <strong>und</strong> das Derkertor,<br />

letztes Zeugnis einer großen Befestigungsanlage<br />

der Stadt, begeistern bei den angebotenen<br />

Altstadt-R<strong>und</strong>gängen die vielen<br />

Touristen immer wieder.<br />

Aber auch die <strong>16</strong> <strong>Dörfer</strong> der Stadt <strong>Brilon</strong><br />

lohnen immer wieder einen Ausflug.<br />

So gehört die Pfarrkirche in Scharfenberg<br />

zu den schönsten Barockkirchen des Sauerlandes.<br />

Die Almequellen mit ihren 104<br />

Quell-Austritten sind mit einer mittleren<br />

Schüttung von ca. 400 Liter in der Sek<strong>und</strong>e<br />

die größte Quellschüttung Europas. Das<br />

Quellgebiet der Alme liegt am Nordrand<br />

der <strong>Brilon</strong>er Hochfläche, die aus stark zerklüftetem<br />

Kalkstein mit einer Dicke von<br />

600 – 1400 m besteht. Oberirdische Fließgewässer<br />

versickern durch die Klüfte <strong>und</strong><br />

lösen den Kalk auf, wodurch im Untergr<strong>und</strong><br />

der Hochfläche große Hohlräume<br />

entstanden sind. Im <strong>Brilon</strong>er Dorf Alme<br />

tritt das unterirdisch fließende Wasser an<br />

der niedrigsten Stelle in Form von Überlaufquellen<br />

wieder an die Oberfläche. Die<br />

Alme-Quellen sind ein Anziehungspunkt<br />

für Einheimische <strong>und</strong> Gäste.<br />

<strong>Brilon</strong> – Stadt des Waldes<br />

<strong>Brilon</strong> ist heute mit einer Gemarkungsfläche<br />

von 229 qkm nach Köln, Münster,<br />

Freibad<br />

Foto: Johannes Nolte<br />

Schmallenberg, Dortm<strong>und</strong>, Bad Berleburg,<br />

Bielefeld <strong>und</strong> Duisburg die 8-flächengrößte<br />

Stadt des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen. Von diesen 229 qkm Fläche<br />

sind insgesamt 111 qkm = 11 100 ha mit<br />

Wald bestanden. 7750 ha davon gehören<br />

der Stadt <strong>Brilon</strong> <strong>und</strong> machen die Stadt zur<br />

größten Wald besitzenden Gemeinde der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Vom ersten<br />

Wald, den der Sage nach ein <strong>Brilon</strong>er Bauer<br />

von Kaiser Karl dem Großen erhalten<br />

hat, bis zum heutigen Waldbesitz verging<br />

eine lange Zeit. Bis zur Gründung der<br />

Stadt <strong>und</strong> der Verleihung der Stadtrechte<br />

1220 durch den Erzbischof Engelbert von<br />

Köln war <strong>Brilon</strong> nur in geringem Umfang<br />

mit Gr<strong>und</strong>besitz, so genannten Feld- <strong>und</strong><br />

Waldmarken, ausgestattet. Die Stadt betrieb<br />

jedoch eine konsequente Politik zur<br />

Ausdehnung ihrer Marken. So verloren<br />

beispielsweise die Marken der umliegenden<br />

Eigentümer durch die einsetzende<br />

Landflucht der Bevölkerung, die die Vorteile<br />

<strong>und</strong> die Sicherheit des Lebens hinter<br />

den Stadtmauern suchte, stark an Wert.<br />

Die Stadt <strong>Brilon</strong> konnte systematisch<br />

die freiwerdenden Ländereien aufkaufen.<br />

Die Äcker wurden an die Bürger in Pacht<br />

gegeben, den Wald behielt man in der eigenen<br />

Hand. Ferner räumte sich die Stadt<br />

<strong>Brilon</strong> eine Art Vorkaufsrecht auf alle freiwerdenden<br />

Erbgüter der Bürger, Bürgerfrauen<br />

<strong>und</strong> Bürgerkinder ein. Als Ergebnis<br />

dieser zielstrebigen Erweiterungspolitik<br />

erstreckten sich um 1530 die Grenzen<br />

der Stadt <strong>Brilon</strong> über die heutigen Grenzen<br />

hinaus. Auch heute finden sich noch<br />

Waldflächen im benachbarten B<strong>und</strong>esland<br />

Hessen im Eigentum der Stadt.<br />

Im Laufe des <strong>16</strong>. Jahrh<strong>und</strong>erts verlor<br />

<strong>Brilon</strong> <strong>seine</strong> einstige politische <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Bedeutung <strong>und</strong> wandelte sich<br />

mehr <strong>und</strong> mehr in eine Ackerbürgerstadt.<br />

Die Waldmarken erfüllten dabei die Ansprüche<br />

an Waldweide, Streu <strong>und</strong> Holz.<br />

Dabei übernahm die Stadt die Verwaltung,<br />

indem sie Jagd- <strong>und</strong> Forstaufseher einstellte,<br />

Markenordnungen erließ <strong>und</strong> landesherrliche<br />

Verordnungen durchsetzte.<br />

Gegen Ende des <strong>16</strong>. Jahrh<strong>und</strong>erts war der<br />

Wandel von Markenwald in städtischen<br />

Gemeindewald vollzogen.<br />

Dieser städtische Gemeindewald hatte<br />

in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar<br />

2007 <strong>seine</strong> größte Bewährungsprobe zu<br />

bestehen. Da fegte KYRILL, der schwerste<br />

Orkan, der seit Beginn der Wetteraufzeichnungen<br />

in unserem Land Nordrhein-Westfalen<br />

gemessen wurde, über das Sauerland<br />

hinweg <strong>und</strong> machte bei <strong>seine</strong>r zerstörerischen<br />

Wirkung keinen Unterschied zwischen<br />

den verschiedenen Waldbesitzarten,<br />

Privatwald, Staatswald <strong>und</strong> Kommunalwald.<br />

Als größte waldbesitzende Gemeinde<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland haben<br />

wir, man könnte sagen, eigentlich ganz<br />

logisch, auch den größten Schaden aller<br />

betroffenen Städte <strong>und</strong> Gemeinden zu<br />

bilanzieren. Kyrill hat es geschafft, in den<br />

wenigen St<strong>und</strong>en <strong>seine</strong>s Wirkens 500 000<br />

Festmeter gebrochenen <strong>und</strong> geworfenen<br />

Holzes in unserem Stadtforst zu hinterlassen.<br />

Das ist das Zehnfache des jährlichen<br />

Holzeinschlages unseres Betriebes. Während<br />

in vielen anderen Städten <strong>und</strong> Gemeinden<br />

kleine Flächen in Mitleidenschaft<br />

gezogen wurden, hatten wir, Gott sei es<br />

geklagt, in <strong>Brilon</strong> entwaldete Flächen von<br />

insgesamt 1000 ha zu verzeichnen.<br />

Wie hoch der Gesamtschaden für unseren<br />

Forstbetrieb, für unsere Stadt, ja<br />

letztlich auch für die Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger<br />

als Steuerzahler ist, wird sich nie endgültig<br />

feststellen lassen. Ausgehen können<br />

wir auf jeden Fall von einer Gesamtschadenssumme<br />

von mehr als 40 Millionen<br />

Euro. Und das ist keine Phantasiezahl,<br />

sondern harte Realität.<br />

Sie summiert sich aus der Aufarbeitung<br />

des gebrochenen <strong>und</strong> geworfenen Holzes,<br />

aus dem damals aktuellen Mindererlös<br />

durch den Preisverfall beim Verkauf des<br />

Holzes, den Kosten für die Räumung der


Sauerland 1/2012 9<br />

Flächen <strong>und</strong> den Kosten der anschließenden<br />

Aufforstungsarbeiten. Einfließen in<br />

die Kosten muss auch die Reparatur des<br />

riesigen Waldwegenetzes, wir haben einige<br />

Wege zwei- <strong>und</strong> dreimal wiederherstellen<br />

müssen.<br />

Und auch die Generationen unserer<br />

Kinder, Enkel <strong>und</strong> Urenkel werden noch<br />

die Kyrill-Folgen zu tragen haben. Denn<br />

die nach Kyrill als Sturmholz <strong>und</strong> Schadholz<br />

verkauften Bäume stehen in vielen<br />

Jahrzehnten dem Markt nicht mehr als<br />

Qualitätsholz zur Verfügung. In der oben<br />

bilanzierten Schadenssumme sind die<br />

Schäden der Tourismuseinrichtungen <strong>und</strong><br />

auch die Ertragsausfälle der Tourismuswirtschaft<br />

in unserer Stadt nicht enthalten.<br />

Heute wird der Wald so bewirtschaftet,<br />

dass er auch weiterhin einen beachtlichen<br />

Anteil zum Stadthaushalt beisteuert. Ebenso<br />

wichtig ist es, den Waldbestand so zu<br />

sichern <strong>und</strong> zu entwickeln, dass er auch<br />

zukünftig die Aufgaben zum Schutz der<br />

Landschaft, des Wassers, des Bodens <strong>und</strong><br />

des Klimas <strong>und</strong> der Stätte einer ruhigen Erholung<br />

der Menschen bestmöglich erfüllen<br />

kann.<br />

Wenige Tage nach Kyrill…<br />

<strong>Brilon</strong> heute<br />

Die Stadt <strong>Brilon</strong> besteht seit der kommunalen<br />

Neugliederung zum 1. Januar<br />

1975 aus der Kernstadt sowie den immer<br />

schon zu <strong>Brilon</strong> gehörenden <strong>Dörfer</strong>n<br />

Gudenhagen-Petersborn <strong>und</strong> <strong>Brilon</strong>-Wald.<br />

Vom ehemaligen Amt Bigge kamen die<br />

selbständigen Gemeinden Altenbüren <strong>und</strong><br />

Esshoff zur Stadt <strong>Brilon</strong> <strong>und</strong> die 12 Gemeinden<br />

des Amtes Thülen: Alme, Bontkirchen,<br />

Hoppecke, Madfeld, Messinghausen,<br />

Nehden, Radlinghausen, Rixen,<br />

Rösenbeck, Scharfenberg, Thülen <strong>und</strong><br />

Wülfte. Unsere Stadt <strong>Brilon</strong> ist wirtschaftlicher<br />

Mittelpunkt einer ganzen Region<br />

mit 13 566 Einwohnern in der Kernstadt<br />

<strong>und</strong> 12 646 Einwohnern in den <strong>16</strong> <strong>Dörfer</strong>n.<br />

Vom kleinsten Dorf Esshoff bis zum<br />

größten Alme, vom jüngsten Gudenhagen-<br />

Petersborn bis zum ältesten Thülen haben<br />

alle ihre eigene Geschichte <strong>und</strong> ihre eigene<br />

Bedeutung bei der kommunalen Neugliederung<br />

1975 in die gemeinsame Stadt <strong>Brilon</strong><br />

eingebracht. Alle gemeinsam machen<br />

heute unsere Stadt <strong>Brilon</strong> aus. Die Kernstadt<br />

<strong>und</strong> die <strong>Dörfer</strong> sind in den letzten 37<br />

Jahren zusammen gewachsen, aber alle<br />

haben ihre Eigenarten dabei bewahrt. Deshalb<br />

können die Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger<br />

von <strong>Brilon</strong> stolz sein, auf dem gemeinsam<br />

Foto: Reinhard Witteler<br />

zurückgelegten Weg ein „Wir-Gefühl“ entwickelt<br />

zu haben.<br />

<strong>Brilon</strong> ist eine Stadt, die mit dem Fleiß<br />

ihrer Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger eine Entwicklung<br />

genommen hat, auf die alle stolz<br />

sein können. Schwierige Zeiten <strong>und</strong> Situationen<br />

konnten zusammen bewältigt<br />

werden, so dass <strong>Brilon</strong> heute eine Stadt<br />

ist, in der es sich gut leben lässt <strong>und</strong> die<br />

den Wandel von einer landwirtschaftlich<br />

geprägten Stadt zu einem modernen <strong>und</strong><br />

leistungsfähigen Gewerbe- <strong>und</strong> Industriestandort,<br />

Tourismusstandort <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsstandort<br />

vollzogen hat.<br />

Einen breiten Raum nimmt in <strong>Brilon</strong><br />

der große Bereich der Kultur ein. Kultur<br />

in <strong>Brilon</strong> heißt, ohne eine Wertung der<br />

Reihenfolge vorzunehmen, unter Mithilfe<br />

von Sponsoren, von Brauereien <strong>und</strong> großen<br />

Firmen große Musikereignisse wie den<br />

<strong>Brilon</strong>er Musiksommer, der im Umkreis<br />

von 100 km um <strong>Brilon</strong> herum Tausende<br />

von Menschen an lauen Sommerabenden<br />

nach <strong>Brilon</strong> zieht, an 8 Abenden für die<br />

Besucher kostenlos auf die Bühne zu bringen.<br />

Kultur heißt von der Kulturabteilung<br />

der Stadt organisierte Konzerte mit überregional<br />

bekannten Künstlern <strong>und</strong> die pro-


10 Sauerland 1/2012<br />

fessionelle Jazznacht in der Aula. Kultur<br />

heißt Theater- <strong>und</strong> Musikveranstaltungen<br />

des Besucherrings, Kleinkunst <strong>und</strong> Theater<br />

von KULIBRI, von Schülergruppen des<br />

Gymnasiums <strong>und</strong> der Marienschule <strong>und</strong><br />

von hervorragenden Laienspielgruppen.<br />

Kultur heißt nicht zuletzt Konzerte der 10<br />

Musikvereine, der 3 Seniorenkapellen, der<br />

3 Spielmannszüge <strong>und</strong> 2 Seniorentambourkorps<br />

unserer Stadt <strong>und</strong> Konzerte der<br />

Sängerinnen <strong>und</strong> Sänger der 8 Männergesangvereine,<br />

2 Frauenchöre <strong>und</strong> 7 gemischten<br />

Chöre.<br />

Die positive Entwicklung der letzten<br />

Jahrzehnte in <strong>Brilon</strong> wird sich durch die<br />

Zusammenarbeit der Bürgerinnen <strong>und</strong><br />

Bürger, der Unternehmerinnen <strong>und</strong> Unternehmer<br />

<strong>und</strong> des Rates <strong>und</strong> der Verwaltung<br />

der Stadt weiter fortsetzen.<br />

Kyrilltor<br />

Foto: Johannes Nolte

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