Kompression - Werner Sellmer
Kompression - Werner Sellmer
Kompression - Werner Sellmer
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<strong>Kompression</strong><br />
Pflegelexikon – die Serie zum Sammeln<br />
Einleitung<br />
Eine adäquate <strong>Kompression</strong>stherapie<br />
ist die Voraussetzung für die erfolgreiche<br />
Behandlung des Ulcus cruris venosum<br />
sowie eine erfolgreiche Rezidivprophylaxe<br />
im Anschluss an dessen<br />
Abheilung. Sie bewirkt eine Steigerung<br />
des venösen Blutrückflusses. Durch<br />
den konsequenten Druck auf die<br />
Venen wird der Durchmesser der<br />
Gefäße verengt und dadurch die Fließgeschwindigkeit<br />
zum Herzen nahezu<br />
verdoppelt. Zusätzlich bildet die <strong>Kompression</strong><br />
ein stabiles Widerlager für die<br />
Beinmuskulatur. Dies geht mit einer<br />
intensivierten Leistung der Muskelpumpe<br />
einher, was wiederum zu einer<br />
Verbesserung des venösen Rückflusses,<br />
auch in den tiefen Gefäßen, führt.<br />
Ödeme werden reduziert, der venöse<br />
Rücktransport gefördert und Stoffwechselschlackenstoffe/Metabolite<br />
abtransportiert. Es gilt: <strong>Kompression</strong><br />
kann nicht Alles, aber ohne <strong>Kompression</strong><br />
kann nichts erreicht werden!<br />
Effekte der<br />
<strong>Kompression</strong>stherapie<br />
• Beschleunigung des venösen Blutrückflusses<br />
in Richtung Herz<br />
• Wiederherstellung der Schließfunktion<br />
der Venenklappen<br />
• Reduzierung bzw. Aufhebung von<br />
Ödemen<br />
• Entstauung des umliegenden Gewebes<br />
= Reduktion der Dermatoliposklerose<br />
(Hautverhärtung) und<br />
dadurch Verbesserung des Abtransports<br />
von Stoffwechselschlackenstoffen<br />
und Gewebsflüssigkeit<br />
• Thromboseprophylaxe<br />
Indikationen<br />
• Chronisch venöse Insuffizienz Grad<br />
1–3 nach Widmer<br />
250<br />
<strong>Kompression</strong><br />
• Behandlung des Ulcus cruris venosum<br />
• Primäre und sekundäre Varikosis<br />
• Thrombophlebitis<br />
• Postthrombotisches Syndrom<br />
• Thrombose<br />
• Ödeme<br />
• Schwangerschaftsödeme<br />
• Primäres/sekundäres Lymphödem<br />
• Lipödem<br />
• Zustand nach Verletzungen und Operationen<br />
• Zustand nach inavsiver Therapie<br />
einer Varikose (z. B. Stripping, Verödung,<br />
Lasertherapie)<br />
Kontraindikationen<br />
• Dekompensierte Herzinsuffizienz<br />
• Akuter Myokardinfarkt<br />
• Entzündungen wie Erysipel, septische<br />
Phlebitis<br />
• Akute Dermatitis<br />
• Fortgeschrittene arterielle Durchblutungsstörung;<br />
Knöchel-Arm-Druck-<br />
Index < 0,5<br />
• Phlegmasia coerulea dolens (= fulminante<br />
tiefe Beinvenenthrombose, akuter<br />
massiver Beinvenenverschluss)<br />
Relative Kontraindikationen<br />
• Schwere Sensibilitätsstörung der<br />
Extremität<br />
• Fortgeschrittene periphere Neuropathie<br />
• Unverträglichkeit auf das <strong>Kompression</strong>smaterial<br />
<strong>Kompression</strong>sklassen (KKL)<br />
Die <strong>Kompression</strong>sklassen werden<br />
nach der Intensität des Andrucks in<br />
der Ruhephase auf die Extremität eingeteilt.<br />
Im Fesselbereich werden folgende<br />
Andrücke gefordert:<br />
• Klasse 1: leichte <strong>Kompression</strong>, ca.<br />
20 mmHg (18,4–21,2 mmHg); Indikation:<br />
Schwere- und Müdigkeitsgefühl<br />
in den Beinen, geringfügige Varikosis<br />
bei schwacher Ödemneigung, beginnende<br />
Schwangerschaftsvarikosis<br />
• Klasse 2: mittlere <strong>Kompression</strong>, ca.<br />
30 mmHg (25,1–32,1 mmHg); Indikation:<br />
stärkere Beschwerden, ausgeprägte<br />
Varikosis mit Ödemneigung,<br />
stärkere Schwangerschaftsvarikosis,<br />
posttraumatische Schwellungszustände,<br />
nach Abheilung unerheblicher<br />
Ulzerationen oder oberflächlicher<br />
Thrombophlebitiden, nach<br />
Verödung und Varizenoperation zur<br />
Fixierung des Behandlungserfolges<br />
• Klasse 3: kräftige <strong>Kompression</strong>, ca.<br />
40 mmHg (36,4–46,5 mmHg); Indikation:<br />
Folgezustände der postthrombotisch<br />
venösen Insuffizienz, schwere<br />
Ödemneigung, sekundäre Varikosis,<br />
Atrophie blanche, Dermatoliposklerose,<br />
nach Abheilung besonders<br />
rezidivierender Ulzera<br />
• Klasse 4: sehr kräftige <strong>Kompression</strong>,<br />
> 49 mmHg, meist um 60 mmHg,<br />
Indikation: bei Lymphödemen und<br />
elefantiasischen Zuständen<br />
Praxistipp: Da sich die <strong>Kompression</strong>sklassen<br />
beim Übereinanderziehen<br />
addieren, kann eine KKL 4 auch<br />
durch das Übereinanderziehen zweier<br />
Strümpfe der KKL 2 erreicht werden.<br />
Für Patienten, die physisch nicht in der<br />
Lage sind, einen <strong>Kompression</strong>sstrumpf<br />
von hoher KKL anzuziehen, ist dieses<br />
Vorgehen eine geeignete Alternative.<br />
Materialien zur<br />
<strong>Kompression</strong><br />
Solange ein Ulcus cruris venosum<br />
besteht, wird die <strong>Kompression</strong> durch<br />
eine fachgerechte Wickelung des<br />
gesamten Unterschenkels bewirkt.<br />
Alternativ sind seit einigen Jahren<br />
auch fertige Strumpfsysteme für dieses<br />
Krankheitsbild erhältlich. Beide<br />
Versorgungsmöglichkeiten werden<br />
über dem Wundverband angelegt.<br />
<strong>Kompression</strong>sstrümpfe, meist KKL 2<br />
nach Maß, sind erst nach Ulkusabhei-<br />
�
�<br />
lung als Rezidivprophylaxe ein Leben<br />
lang zu verordnen, wenn keine operative<br />
Sanierung möglich ist. Allerdings<br />
sind sowohl Strumpfsysteme wie auch<br />
die Bestrumpfung nach Maß zur Rezidiv-prophylaxe<br />
jeweils erst im<br />
Anschluss an eine erfolgreiche Entstauung<br />
sinnvoll einzusetzen.<br />
<strong>Kompression</strong>sbinden<br />
Kurzzugbinden sind unelastisch,<br />
erzielen einen hohen Arbeitsdruck<br />
und niedrigen Ruhedruck. Anwendung<br />
bei mobilen Patienten, die durch<br />
Eigenbewegung einen entsprechenden<br />
Arbeitsdruck erzeugen können.<br />
Der Arbeitsdruck ist der Druck,<br />
den der Verband bei Muskelkontraktion<br />
der Ausdehnung entgegensetzt.<br />
Durch Muskelarbeit ist der auf das<br />
Bein wirkende Druck besonders hoch.<br />
Dieser hohe Druck hat dann bis in die<br />
tiefen Venen eine rückflussfördernde<br />
Wirkung.<br />
Der Ruhedruck ist der Druck, der<br />
auf das Bein in einer Ruhepause einwirkt<br />
(niedrig). Vorteil: die arteriellen<br />
Gefäße im Kapillarbett können sich bei<br />
Muskelanspannung wieder auffüllen.<br />
Achtung: Der <strong>Kompression</strong>sverband<br />
erlangt seine volle Wirkung erst in Verbindung<br />
mit aktiver Bewegung!<br />
Langzugbinden haben ein hohes<br />
Dehnungsvermögen von über 100 %<br />
(bis zu 200 %) und haben einen hohen<br />
Ruhe- und einen niedrigen Arbeitsdruck.<br />
Dies bedeutet, dass sich bei<br />
aktiver Bewegung die Binde mit ausdehnen<br />
würde und sich somit bei Muskelkontraktion<br />
kein Widerstand und<br />
somit keine rückflussfördernde Wir-<br />
kung ergeben kann. Insbesondere bei<br />
immobilen Patienten bergen Langzugbinden<br />
ein zusätzliches Risiko. Aufgrund<br />
des hohen Ruhedrucks kann es<br />
bei längeren Ruhephasen zu Einschnürungen<br />
kommen.<br />
Zinkleimbinden bewirken eine<br />
schnelle Entstauung etwa zu Beginn<br />
der Therapie. Sie werden feucht angelegt<br />
und entwickeln den <strong>Kompression</strong>sdruck<br />
durch Aushärten. Die fehlende<br />
Elastizität bewirkt eine Verminderung<br />
des Anlagedrucks bei<br />
Abnahme des Beinumfangs etwa durch<br />
eine Ödemreduktion.<br />
Fertige Bindensysteme<br />
• Zwei-, drei- oder vierlagig<br />
• Meist aus Polster-, <strong>Kompression</strong>sund<br />
Fixierbinden bestehend<br />
• Verbleiben bis zu 7 Tage<br />
• Verrutschen nicht<br />
• Anlagedruck bleibt kontinuierlich bis<br />
zum nächsten Verbandwechsel (je<br />
nach Entstauungssituation)<br />
Fertige Strumpfsysteme<br />
• Meist zwei Komponenten, wobei der<br />
Unterziehstrumpf mit einem geringeren<br />
Anlagedruck auch nachts verbleibt<br />
• Tagsüber wird mit einer Anziehhilfe<br />
ein zweiter Strumpf übergezogen und<br />
somit der notwendige <strong>Kompression</strong>sdruck,<br />
KKL 3 bei floridem Ulkus,<br />
erzeugt<br />
Bestrumpfung nach Maß<br />
• Je nach Indikation Anpassung in verschiedenen<br />
<strong>Kompression</strong>sklassen als<br />
Pflegelexikon<br />
Abbildung 1<br />
Intermittierende <strong>Kompression</strong>. Foto: K. Protz<br />
konfektioniertes Fertigprodukt oder<br />
maßangefertigter Strumpf-/Hose<br />
Apparative Intermittierende<br />
<strong>Kompression</strong> (AIK)<br />
• Verbessert die Blutzirkulation ohne<br />
Einsatz der Muskelpumpe<br />
• Eine elektrische Pumpe erzeugt in<br />
einem um das Bein angelegten Einoder<br />
Mehrkammerluftkissen einen<br />
variablen Druck (s. Abb. 1)<br />
• Gleichzeitige Druckentlastung<br />
während der Ruhephasen<br />
• Je nach Therapieplan kommt die AIK<br />
in individuell abgestimmten Intervallen<br />
und mit individuell abgestimmten<br />
Druckwerten über dem <strong>Kompression</strong>sverband<br />
des Patienten zur<br />
Anwendung.<br />
Achtung: Der Abfluss über das Lymphsystem<br />
muss sicher gewährleistet sein<br />
– ergänzend manuelle Lymphdrainage<br />
durchführen.<br />
Abbildung 2<br />
Linkes Bild: Anziehen des Schlauchverbandes, mittleres Bild: Anwickeln der Unterpolsterung, rechtes Bild: Fertige Unterpolsterung. Foto: K. Protz<br />
251
Pflegelexikon<br />
252<br />
Pütterverband<br />
(= <strong>Kompression</strong>sverband in Gegenwickeltechnik)*<br />
Schritt 1<br />
Der Verband beginnt an der Großzehe und<br />
läuft über den Fußrücken zur Kleinzehe. Die<br />
Binde wird 2- bis 3-mal zirkulär um den Vorfuß<br />
geführt.<br />
Schritt 4<br />
Dann wird wiederum über den Fußrücken in<br />
Richtung Achillessehne (Ende Fersenschloss<br />
Innenknöchel) gewickelt.<br />
Schritt 7<br />
Die Binde um das Sprunggelenk nach unten<br />
zum Achillessehnenansatz führen.<br />
Schritt 2<br />
Danach wird über den Fußrücken in Richtung<br />
Achillessehne gewickelt.<br />
Schritt 5<br />
Beginn Fersenschloss Außenknöchel: Am<br />
Außenknöchel verläuft die Binde im 45 ° - Winkel<br />
über das Fußgewölbe in Richtung<br />
Fußrücken.<br />
Schritt 8<br />
Anschließend in halbüberlappenden Zirkulärtouren<br />
mit konstantem Zug das Bein hinaufwickeln.<br />
Schritt 3<br />
Beginn Fersenschloss Innenknöchel: die Binde<br />
verläuft von der Achillessehne im 45 °- Winkel<br />
über das Fußgewölbe.<br />
Schritt 6<br />
Ferse schließen (Ende Fersenschloss Außenknöchel).<br />
Schritt 9<br />
Der fertige Verband der ersten Binde endet<br />
zwei Finger breit unter der Kniescheibe. Die<br />
zweite Kurzzugbinde wird über die Erste<br />
gewickelt – in gleicher Technik, allerdings in<br />
gegenläufiger Richtung. Sie beginnt an den<br />
Zehengrundgelenken, mit einer Bindentour<br />
von der Kleinzehe über den Fußrücken zur<br />
Großzehe.<br />
*Die Abbildungen sind mit freundlicher Genehmigung von der Firma Lohmann & Rauscher GmbH Co. KG, Rengsdorf zur Verfügung gestellt worden.<br />
�
�<br />
<strong>Kompression</strong>sverband nach Sigg (modifiziert)*<br />
Schritt 1<br />
Der Verband beginnt an der Großzehe und<br />
läuft über den Fußrücken zur Kleinzehe. Zwei<br />
bis drei Touren werden mit 2/3-Deckung um<br />
den Fuß gewickelt. Die nächste Bindentour<br />
schließt die Ferse ein.<br />
Schritt 4<br />
Vom Fußrücken geht es zum Fußgewölbe,<br />
hoch zum Fußrücken, Einschluss der Achillessehne,<br />
zurück zum Fußrücken und zum Fußgewölbe.<br />
Nun verläuft die Binde herauf zum Fußgelenk<br />
und um das Fußgelenk herum.<br />
Schritt 7<br />
In weiteren Achtertouren mit 1/2-Deckung<br />
gleichmäßig kniewärts wickeln.<br />
Schritt 2<br />
Nun läuft die Binde vom Fußrücken unter dem<br />
Fußgewölbe her wieder hoch zum Fußrücken.<br />
Schritt 5<br />
Dann wird die Binde in halbüberlappenden Zirkulärtouren<br />
zum Wadenansatz gewickelt. Hier<br />
endet die erste Binde.<br />
Schritt 8<br />
Zwei Finger breit unterhalb der Kniescheibe<br />
endet der Verband mit einer Zirkulärtour.<br />
Schritt 10<br />
Fertiger Schlauchverband-Überzug. Die Enden<br />
können bei Bedarf zusätzlich mit Pflasterstreifen<br />
fixiert werden.<br />
Pflegelexikon<br />
Schritt 3<br />
Weiter wird in Richtung Ferse gewickelt. Nach<br />
Einschluss der Ferse wandert die Binde wieder<br />
zum Fußrücken.<br />
Schritt 6<br />
Am Wadenmuskelansatz wird die zweite Binde<br />
angewickelt. Sie wird schräg an der Innenseite<br />
des Unterschenkels angesetzt und läuft von<br />
oben nach hinten unten und wieder nach<br />
vorne oben (Achtertour).<br />
Schritt 9<br />
Der am Knie endende Schlauchverband wird<br />
über den <strong>Kompression</strong>sverband geschlagen,<br />
der an den Zehen endende Schlauchverband<br />
wird über den Verband gezogen.<br />
*Die Abbildungen sind mit freundlicher Genehmigung von der Firma Lohmann & Rauscher GmbH Co. KG, Rengsdorf zur Verfügung gestellt worden.<br />
253
Pflegelexikon<br />
Abbildung 3<br />
Falsche, einschnürende Wickelung.<br />
Techniken der<br />
Bandagierung<br />
Bandagierung nach Pütter<br />
Nach vorheriger Unterpolsterung der<br />
zu umwickelnden Extremität mit<br />
einem Schlauchverband und anschließender<br />
Verwendung von Watte- oder<br />
wiederverwendbaren Schaumstoffbinden<br />
(Abb. 2) werden zwei Kurzzugbinden<br />
mit einem hohen Arbeitsdruck<br />
und einem niedrigen Ruhedruck<br />
beginnend vom Großzehgrundgelenk<br />
gegenläufig angewickelt (Technik s.<br />
Seite 252). Bei der Unterpolsterung<br />
sind die Knöchelregion, die Tibiavorderkante<br />
und das Fibulaköpfchen<br />
besonders zu berücksichtigen, um ein<br />
Druckgeschwür zu vermeiden.<br />
Bandagierung nach Sigg<br />
• Unterpolsterung (s. Pütter-Technik)<br />
Die erste Kurzzugbinde beginnt nach<br />
vorheriger Unterpolsterung, am Großzehengrundgelenk<br />
und verläuft, nach<br />
Einschluss des gesamten Fußes, in<br />
kleinen überlappenden Touren von ca.<br />
1 cm Abstand bis zum unteren Teil der<br />
Wade. Dadurch wird insbesondere in<br />
der Knöchelregion ein sehr hoher<br />
Anlagedruck hergestellt. Anschließend<br />
erfolgt die Anwicklung der<br />
zweiten Kurzzugbinde, um herzwärts<br />
ein abfallendes Druckgefälle zu<br />
bewirken, in Achtertouren bis kurz<br />
unterhalb der Kniekehle. Der<br />
Schlauchverband wird abschließend<br />
über die gesamte Wickelung gestülpt<br />
und mit einem Fixierpflaster befestigt.<br />
Die zusätzliche Fixierung des<br />
Schlauchverbandes schützt die Wickelung<br />
vor frühzeitigem Verrutschen, so<br />
254<br />
Foto: K. Protz<br />
Abbildung 4<br />
Starke Schnürfurchen durch falsche Wickelung.<br />
Foto: K. Protz<br />
dass dieser Verband bis zum nächst<br />
anstehenden Verbandwechsel am<br />
Unterschenkel belassen werden<br />
kann (Technik s. Abbildungen, Seite<br />
253).<br />
Grundlagen der Wickeltechnik<br />
• Anlegen der <strong>Kompression</strong> vor dem<br />
Aufstehen oder Beine über Herzniveau<br />
vorher 30 Minuten hochlegen<br />
bzw. kalt abduschen<br />
• Beginn der Wickelung unterhalb des<br />
Großzehgrundgelenks dem weiteren<br />
Zehenlauf folgend<br />
• Vermeidung einer evtl. Spitzfußausbildung<br />
indem Fuß und Wade in<br />
einem rechten Winkel (90 °) zueinander<br />
stehen<br />
• Jede <strong>Kompression</strong> vorab gut unterpolstern<br />
(s. Abb. 2)<br />
• Bindenanfang mit zwei Kreistouren<br />
fixieren<br />
• Binde so führen, dass in den Bindenwinkel<br />
geschaut werden kann<br />
• Bindenrolle immer nah am Bein, d. h.<br />
unmittelbar auf der Haut führen, so<br />
dass sich die Binde optimal an das<br />
Bein anmodelliert<br />
• Binde nicht vom Körper wegziehen,<br />
um einen gleichmäßigen Anlagedruck<br />
zu gewährleisten (Abb. 3). Zu<br />
straffes Anziehen einzelner Bindentouren<br />
stört das Druckgefälle und<br />
kann bei Einschnürungen (Abb. 4) zu<br />
einer venösen Stauung führen<br />
(Erhöhung des Thromboserisikos).<br />
• Kein Einsatz von Verbandklammern<br />
(so genannten „Schwiegermüttern“),<br />
es besteht große Verletzungsgefahr<br />
– Pflasterfixierstreifen zum Befestigen<br />
des Bindenabschlusses verwenden<br />
• Die Bindenbreite soll nicht über dem<br />
Durchmesser des zu umwickelnden<br />
Körperteils liegen<br />
• Es werden mindestens zwei Binden<br />
zum Anlegen einer fachgerechten<br />
<strong>Kompression</strong> benötigt<br />
• Herstellung eines abnehmenden<br />
Druckgefälles von herzfern zu herznah<br />
• Zur Herstellung dieses Druckgefälles<br />
Binden mit gleichbleibendem Andruck<br />
(Zug) anlegen<br />
• Bei zu geringem Andruck unterbleibt<br />
die angestrebte Förderung des venösen<br />
Rückstroms<br />
<strong>Kompression</strong>sdruckmessung<br />
Die Feststellung des exakten Drucks<br />
der <strong>Kompression</strong> ist bei einem manuell<br />
angewickelten Verband nur abzuschätzen.<br />
Die erzeugten Druckwerte<br />
entscheiden über Erfolg oder Misserfolg<br />
der Therapie. In der ärztlichen<br />
Verordnung sind exakte Druckwerte<br />
anzugeben, denn relative Begriffe wie<br />
„milde, leichte oder kräftige“ <strong>Kompression</strong><br />
obliegen der relativen Einschätzung<br />
und sind deshalb nicht<br />
praktikabel. Ein <strong>Kompression</strong>sdruck-<br />
Messgerät wie z. B. Kikuhime ® ermöglicht<br />
die Bestimmung des exakten<br />
<strong>Kompression</strong>sdrucks. Eine schmale<br />
Messsonde wird hierbei unter die Binden<br />
geführt (Abb. 5). Auf einem angeschlossenen<br />
Monitor ist anschließend<br />
der ausgeübte Druck ablesbar, den der<br />
<strong>Kompression</strong>sverband verursacht.<br />
Bestrumpfung<br />
<strong>Kompression</strong>sstrümpfe<br />
nach Maß<br />
• <strong>Kompression</strong>sstrümpfe KKL 1 bis 4<br />
nach Maß (je nach Indikation, meist<br />
als Kniestrümpfe)<br />
• Werden über Nacht ausgezogen<br />
• Freie Farbwahl möglich (insbesondere<br />
in KKL 1 und 2, große Auswahl an<br />
modischen Farben)<br />
• Generell sind pro Halbjahr nur ein<br />
Paar <strong>Kompression</strong>sstrümpfe verschreibungs-<br />
und von der gesetzlichen<br />
Krankenkasse erstattungsfähig;<br />
Ausnahme: Früher Verschleiß,<br />
besondere Beanspruchung, Veränderung<br />
des Krankheitsbildes oder<br />
�
�<br />
Abbildung 5<br />
Messung des <strong>Kompression</strong>sdruckes am Innenknöchel.<br />
Foto: K. Protz<br />
hygienische Gründe können eine<br />
vorzeitige oder eine Mehrfach- Verschreibung<br />
rechtfertigen<br />
• Bei Erstausstattung besteht die Möglichkeit,<br />
einmalig zwei Paare zu verordnen<br />
und abzurechnen<br />
• Da sich die Beine im Umfang verändern,<br />
steht bei Folgeverordnung, eine<br />
erneute Vermessung an.<br />
Tipp: Spezielle Anziehhilfen erleichtern<br />
das Anlegen der Strümpfe und<br />
sind als Hilfsmittel verordnungsfähig.<br />
Wenn keine Anziehhilfe zur Hand ist,<br />
erleichtern auch genoppte Haushaltshandschuhe<br />
das Anziehen der <strong>Kompression</strong>sstrümpfe.<br />
Verordnungsrelevante Angaben<br />
• Diagnose<br />
• Anzahl der Strümpfe (Stück oder<br />
Paar)<br />
• <strong>Kompression</strong>sklasse<br />
• Länge der Strümpfe (Wadenstrumpf<br />
A–D, Halbschenkelstrumpf A–F,<br />
Schenkelstrumpf A–G, <strong>Kompression</strong>sstrumpfhose<br />
A–T)<br />
• Offene oder geschlossene Fußspitze<br />
• Bei Bedarf der Zusatz „nach<br />
Maß/Maßanfertigung“ oder „flachgestrickt“*<br />
• Bei Bedarf Verordnung von Befestigungen<br />
wie Hautkleber/Klebestift,<br />
Haftband, Hüftbefestigung oder weitere<br />
Zusätze wie Hosenschlitz, <strong>Kompression</strong>spelotten,<br />
Reisverschluss,<br />
Leibteil mit <strong>Kompression</strong><br />
• Bei Bedarf zusätzliche Verordnung<br />
von Anziehhilfen<br />
• Kennzeichnung des Feldes „7“ für<br />
Hilfsmittel<br />
Vorteile der Strümpfe gegenüber<br />
<strong>Kompression</strong>sbinden<br />
• Erzeugen einen konstanten Anlagedruck<br />
• Kein unangenehmes verrutschen<br />
oder auftragen<br />
• Keine Einschränkung bei der Schuhwahl<br />
Achtung: Faltenfreies Anziehen beachten,<br />
um Druckstellen oder Schnürfurchen<br />
zu vermeiden.<br />
Patient sollte auf sorgfältig<br />
geschnittene bzw. gefeilte Zehennägel<br />
sowie regelmäßige Hornhautentfernung<br />
achten, um die Strümpfe nicht zu<br />
beschädigen.<br />
Die Haut unterhalb der <strong>Kompression</strong>sstrümpfe<br />
bedarf aufgrund der Belastung<br />
und des krankheitsbedingt<br />
schlechten Zustandes einer speziellen<br />
Pflege.<br />
Pflegehinweise<br />
• Herstellerangaben beachten<br />
• Strümpfe täglich waschen: Handwäsche<br />
oder Maschine im Feinwaschprogramm<br />
(meist bis 40 °C) unter<br />
Verwendung von Feinwaschmittel<br />
(ggf. separat im Wäschenetz)<br />
• Keine Verwendung von Vollwaschmittel<br />
oder Weichspüler<br />
• Trocknen auf der Leine; keine Nutzung<br />
von Wäschetrockner oder Heizung<br />
= kann der Elastizität oder einer<br />
eventuellen Beschichtung schaden<br />
• Strümpfe nicht bügeln, chloren oder<br />
chemisch reinigen<br />
Risiken<br />
<strong>Kompression</strong>stherapie<br />
• Unsachgemäße <strong>Kompression</strong> oder zu<br />
enge bzw. nicht passende Strümpfe<br />
können zu Hautschädigungen,<br />
Schnürfurchen, Drucknekrosen und<br />
nervalen Druckschäden führen.<br />
Quellen und<br />
Kontaktadressen<br />
1. Leitlinie „Medizinische <strong>Kompression</strong>sstrümpfe“<br />
der Deutschen Gesellschaft für<br />
Phlebologie: http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/037-004.htm<br />
2. Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses<br />
der Produktgruppe 17 (Hilfsmittel zur<br />
<strong>Kompression</strong>stherapie) nach § 128 SGB V im<br />
Bundesanzeiger Nr. 3 vom 5. Januar 2006<br />
durch die Spitzenverbände der Krankenkassen<br />
veröffentlicht: www.g-k-v.com<br />
3. Eurocom (2007): Venenerkrankungen und<br />
ihre Therapie (2.überarbeitete Auflage 2007),<br />
Redaktion: eurocom e.V., Düren,<br />
www.eurocom-info.de<br />
4. Dissemond J (2005): Ulcus cruris – Genese,<br />
Diagnostik und Therapie, UNI-MED Verlag<br />
AG, Bremen (ISBN 3-89599-872-9)<br />
5. Münter, K-C et al. (2005): Fortschritte in der<br />
modernen Wundversorgung, UNI-MED Verlag<br />
AG, Bremen (ISBN 3895999059)<br />
6. Protz, K (2007): Moderne Wundversorgung,<br />
Praxiswissen, 4.Auflage, Verlag Urban &<br />
Fischer, München (ISBN 3-437-27880-0)<br />
7. Deutsche Venen-Liga e.V.:<br />
www.venenliga.de<br />
Pflegelexikon<br />
8. Wundzentrum Hamburg e.V.: www.wundzentrum-hamburg.de;<br />
Standards zum<br />
kostenlosen Download als pdf-Datei<br />
Kerstin Protz, Managerin im Sozial- und<br />
Gesundheitswesen, examinierte Krankenschwester,<br />
Wundexpertin ICW e.V.<br />
*Flachgestrickt mit Naht: zum Einsatz insbesondere bei Lymphödemen, sehr passgenau, mit großer <strong>Kompression</strong>sstärke herzustellen.<br />
Rundgestrickt ohne Naht: zur Therapie von Venenerkrankungen; Grenzen bei der Formgebung; insbesondere bei starken Variationen in<br />
den Extremitätenumfängen.<br />
255