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Autismus und Sehen « Le Syndrome de Schorderet- Munier ... - ophta

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ORIGINALIA<br />

<strong>Autismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Sehen</strong><br />

Doris Safra, St. Gallen, <strong>und</strong> Fritz Steiner, Dornach<br />

Seit <strong>de</strong>n Beschreibungen von Kanner 1 im<br />

Jahre 1943 <strong>und</strong> Asperger 2 1944 wur<strong>de</strong>n<br />

beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n letzten 20 Jahren zahlreiche<br />

Beiträge über <strong>Autismus</strong> publiziert.<br />

Z.T. sind sie mit Fallbeispielen versehen,<br />

da bei <strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r Erscheinungsformen<br />

<strong>und</strong> Ausprägungen <strong>Autismus</strong><br />

sich nicht einheitlich <strong>de</strong>finieren <strong>und</strong> beschreiben<br />

lässt.<br />

Die Diagnose <strong>Autismus</strong> wird aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Verhaltensweise <strong>de</strong>r Betroffenen<br />

gestellt, <strong>und</strong> diese hängt von ihrem<br />

geistigen Zustand ab. Die von Kanner<br />

beschriebenen frühkindlichen Autisten<br />

sind meistens geistig mittelschwer bis<br />

schwer behin<strong>de</strong>rt <strong>und</strong> wenig zugänglich<br />

bis vollkommen unansprechbar. Die von<br />

Asperger beschriebenen spätkindlichen<br />

Autisten sind meistens normal bis hoch<br />

intelligent, <strong>und</strong> ihr Verhalten kann bis<br />

zu einem gewissen Grad unauffällig sein.<br />

Die Verhaltensweisen erscheinen einem<br />

Nichtautisten unsinnig <strong>und</strong> bizarr. Eltern<br />

sind beispielsweise erschreckt, wenn<br />

das Kind auf <strong>de</strong>n Lärm <strong>de</strong>s Staubsaugers<br />

<strong>und</strong> nur auf diesen in lautes Gebrüll ausbricht<br />

o<strong>de</strong>r auf die feinste Berührung<br />

in Panik gerät. Manche zeigen schon<br />

als Säuglinge ein ungewöhnliches Verhalten,<br />

lächeln <strong>de</strong>m Gesicht <strong>de</strong>r Mutter<br />

nicht entgegen, sehen sie nicht an, wehren<br />

sich gegen zärtliche Berührungen.<br />

Allen Formen von <strong>Autismus</strong> gemeinsam<br />

sind nach Wissenschaftlern Störungen<br />

<strong>de</strong>r Kommunikation <strong>und</strong> sozialen Integration.<br />

Beobachtete Sehverhaltensweisen<br />

bei Autisten<br />

Auffällig <strong>und</strong> ebenfalls als Kommunikations<strong>de</strong>fizit<br />

interpretiert sind auch typische<br />

Sehverhaltensweisen:<br />

– <strong>de</strong>r seltene o<strong>de</strong>r ganz fehlen<strong>de</strong> Blickkontakt<br />

– das periphere <strong>Sehen</strong>, d.h. aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln<br />

schauen<br />

– die Scheu, Gesichter <strong>und</strong> Dinge zu fixieren<br />

– Den Blickkontakt, <strong>de</strong>n ein normaler<br />

Säugling schon mit 3–6 Wochen<br />

als Kommunikationsmittel einsetzt,<br />

scheint <strong>de</strong>r Autist nicht zu kennen o<strong>de</strong>r<br />

ist nach Frith 3 nicht daran interessiert.<br />

<strong>Autismus</strong>, eine angeborene psychische<br />

Störung, manifestiert sich in einer<br />

Vielfalt von Formen <strong>und</strong> Ausprägungen.<br />

Die Diagnose stellt sich auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s<br />

Verhaltens im täglichen <strong>Le</strong>ben, das<br />

bizarr <strong>und</strong> unverständlich erscheint. Als<br />

allen Formen gemeinsam ist das Fehlen<br />

<strong>de</strong>r normalen Kommunikation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

sozialen Integration. In diese Richtung<br />

wird auch das auffällige Sehverhalten<br />

<strong>de</strong>r Autisten erklärt. Es ist gekennzeichnet<br />

durch <strong>de</strong>n seltenen bis fehlen<strong>de</strong>n<br />

Blickkontakt, das nicht direkte, son<strong>de</strong>rn<br />

aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln kommen<strong>de</strong> Schauen,<br />

die Scheu, einen Gegenstand <strong>und</strong> vor<br />

allem ein Gesicht zu fixieren.<br />

Viele Autisten zeigen Merkmale <strong>de</strong>s<br />

Irlen-Syndroms (u.a. Lichtüberempfindlichkeit,<br />

Scheinbewegungen regelmässiger<br />

Muster, <strong>Le</strong>seschwierigkeiten), bei<br />

<strong>de</strong>m individuell ausgewählte Farbfilterbrillen<br />

die Symptome vermin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />

sogar ganz eliminieren können. Wir<br />

beschreiben frappante Wirkungen einer<br />

Farbfilterbrille bei drei Autisten, die<br />

wegen <strong>Le</strong>sestörungen Hilfe suchten, <strong>und</strong><br />

bei einem Fall aus <strong>de</strong>r Literatur.<br />

Die Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Sehwahrnehmungen<br />

dieser Autisten mit <strong>und</strong> ohne<br />

Filter lassen Zweifel an <strong>de</strong>r Kommunikationsstörung<br />

als alleinige Ursache <strong>de</strong>s<br />

Sehverhaltens aufkommen, eher scheint<br />

dies umgekehrt <strong>de</strong>r Fall. So wird z.B. ein<br />

Gesicht (ohne Farbfilter betrachtet) in<br />

einzelne, sich bewegen<strong>de</strong> Teile zerstückelt<br />

beschrieben.<br />

– Das periphere <strong>Sehen</strong>, d.h. aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln<br />

schauen, wird beson<strong>de</strong>rs<br />

bei geistig schwer behin<strong>de</strong>rten Autisten<br />

beobachtet <strong>und</strong> ebenfalls von Frith als<br />

Interesselosigkeit ge<strong>de</strong>utet.<br />

Die Fixationsscheu bezieht sich nach<br />

von Frith beschriebenen, experimentellen<br />

Untersuchungen, beim Vergleich<br />

mit Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r gleichen geistigen Stufe,<br />

nicht nur auf menschliche Gesichter,<br />

son<strong>de</strong>rn auch auf Bil<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Gegenstän<strong>de</strong><br />

<strong>und</strong> wird auch als mangeln<strong>de</strong>s Interesse<br />

ge<strong>de</strong>utet. Dahingegen berichtet die<br />

Mögliche Ursachen <strong>de</strong>r visuellen<br />

Störungen beim Irlen-Syndrom sind ein<br />

überempfindliches, überreagieren<strong>de</strong>s<br />

magnozelluläres System, primär o<strong>de</strong>r<br />

als Folge eines schwachen, das erstere<br />

ungenügend hemmen<strong>de</strong>n parvozellulären<br />

Systems; die Wirkung <strong>de</strong>r Farbfilter<br />

fin<strong>de</strong>t vermutlich in <strong>de</strong>n kortikalen Zentren<br />

statt. In Betracht kommt auch eine<br />

angeborene Systemanomalie <strong>de</strong>r kurz<br />

erregten <strong>und</strong> rasch leiten<strong>de</strong>n auditiven<br />

<strong>und</strong> somatosensorischen Nervenbahnen<br />

wie beim visuellen magnozellulären<br />

System. Es wird angeregt, autistische<br />

Kin<strong>de</strong>r, auch nicht ansprechbare, auf<br />

ihre Reaktion auf Farbfilter zu prüfen.<br />

Durch Farbfilter liesse sich eventuell ihre<br />

Kommunikationsfähigkeit verbessern.<br />

erfahrene Logopädin Maya Eichholzer, 4<br />

die sich während vielen Jahren mit autistischen<br />

Kin<strong>de</strong>rn befasst, dass diese doch<br />

an glänzen<strong>de</strong>n <strong>und</strong> sich bewegen<strong>de</strong>n<br />

Gegenstän<strong>de</strong>n, etwa einem bewegten<br />

Schlüsselb<strong>und</strong>, aber auch an einem glitzern<strong>de</strong>n<br />

Schmuckstück interessiert sind,<br />

aufstehen <strong>und</strong> es betasten, während sie<br />

sonst mit hängen<strong>de</strong>m Kopf mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger stumpf dasitzen.<br />

Margaret Creedon, 5 amerikanische <strong>Autismus</strong>forscherin,<br />

erklärt diese Sehverhaltensweisen<br />

<strong>de</strong>r Autisten als Abwehrreaktionen<br />

auf jegliche sensorische Stimuli<br />

<strong>ophta</strong> • 4|2008 257

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