Im Land der Zwiebeltürme - Allianz
Im Land der Zwiebeltürme - Allianz
Im Land der Zwiebeltürme - Allianz
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ALLIANZ GROUP<br />
Journal<br />
Deutsche Ausgabe 3 | 2012<br />
13<br />
61<br />
Geschosse im Orbit<br />
Müllhalde Weltraum<br />
Erstaunlich wetterfest<br />
Neuer Anlauf in Asien<br />
<strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />
Zwiebeltürme<br />
Die <strong>Allianz</strong> in Russland
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Inhalt<br />
Die Olympischen<br />
Sommerspiele in London<br />
zogen Menschen in aller<br />
Welt in ihren Bann. Die<br />
<strong>Allianz</strong> UK hatte ihr eigenes<br />
Team am Start<br />
dpa / picture-alliance<br />
IMPRESSUM<br />
Tiefgefroren: Wenn Väterchen Frost die<br />
Muskeln spielen lässt, erstarrt Russland im<br />
Kälteschock. Auch sonst ist das <strong>Land</strong> eine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung – die <strong>Allianz</strong> Russland kann<br />
ein Lied davon singen<br />
31<br />
dpa / picture-alliance<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
(September)<br />
Zeitschrift für Mitarbeiter<br />
und Pensionäre <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />
Herausgeber <strong>Allianz</strong> SE<br />
Verantwortlich für<br />
den Herausgeber<br />
Emilio Galli-Zugaro<br />
Chefredaktion<br />
Frank Stern<br />
Layout volk:art51<br />
Produktion repromüller<br />
Anschrift <strong>der</strong> Redaktion<br />
<strong>Allianz</strong> SE<br />
Redaktion <strong>Allianz</strong> Journal<br />
Königinstraße 28<br />
80802 München<br />
Tel 089-3800-3804<br />
Fax 089-3800-2840<br />
journal@allianz.de<br />
KURZ<br />
BERICHTET<br />
GLOBAL<br />
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
31 <strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong> Zwiebeltürme<br />
Zwischen Wodka und Pussy Riot<br />
36 Sinn für Chancen<br />
Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />
39 Geschichten von <strong>der</strong> Wolga<br />
Lebenslinien: Umbruch und Neubeginn<br />
42 Unbegrenzte Möglichkeiten<br />
Schub für Industrieversicherung<br />
44 Väterchen Frost im Tank<br />
Bewährungsprobe für Pannenhelfer<br />
DEUTSCH-<br />
LAND<br />
EUROPA<br />
50 Große Rä<strong>der</strong>, kleiner Markt<br />
Zwei Erdbeben und die Folgen<br />
54 Team <strong>Allianz</strong><br />
Auf <strong>der</strong> Olympia-Welle<br />
AMERIKA<br />
58 Dienstfahrt mit Hin<strong>der</strong>nissen<br />
König Kunde? Nur wenn’s gut läuft<br />
54<br />
Das für die Herstellung<br />
des <strong>Allianz</strong> Journals<br />
verwendete Papier wird<br />
aus Holz aus nachhaltiger<br />
Waldbewirtschaftung<br />
hergestellt und wurde<br />
von <strong>der</strong> LGA InterCert<br />
Zertifizierungsgesellschaft,<br />
einem Unternehmen<br />
des TÜV Rheinland,<br />
zertifiziert.<br />
4 Neues aus <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Welt<br />
MEINUNGEN<br />
10 »Autoritäre Züge«<br />
Wohin steuert Russland?<br />
13 Geschosse im Orbit<br />
Müllhalde Weltraum<br />
17 Die Überflieger<br />
Werbung zum Abheben<br />
20 Grüner Moloch<br />
Stadt <strong>der</strong> Zukunft<br />
STRATEGIE<br />
Millionen von Objekten<br />
je<strong>der</strong> Form und Größe<br />
umkreisen die Erde – die<br />
meisten davon völlig<br />
unkontrolliert. Für Astround<br />
Kosmonauten wird<br />
es eng<br />
46 … Eltern sein dagegen sehr<br />
Wie schütze ich mein Kind?<br />
48 Begegnungen im Untergrund<br />
Konferenzzentrum unterm Rasen<br />
ASIEN<br />
61 Erstaunlich wetterfest<br />
Neuer Anlauf in Asien<br />
GESELL-<br />
SCHAFT<br />
24 »Die Vorwürfe sind unberechtigt«<br />
Jay Ralph zur Investitionspolitik <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />
26 »Das funktioniert wirklich«<br />
Hoffnung für Vertreter<br />
28 Wert und Wirkung<br />
Streitobjekt Marke<br />
Shutterstock<br />
13<br />
65 Potenzieller Lebensretter<br />
Notfallortung übers Handy<br />
67 Dilbert<br />
2<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
3
KURZ<br />
BERICHTET<br />
<strong>Allianz</strong><br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Spieglein, Spieglein<br />
an <strong>der</strong> Wand …<br />
Mit einem simplen Trick hat die <strong>Allianz</strong> in Brasilien im<br />
Sommer das Thema Alkohol am Steuer ins öffentliche<br />
Bewusstsein gerückt. Schauplatz war eine Bar in Sao<br />
Paulo, wo Mitarbeiter <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Tochter den Spiegel<br />
in einem Vorraum gegen einen Bildschirm und eine<br />
Kamera austauschten. Die Wirkung <strong>der</strong> Aktion beruhte<br />
schlicht darauf, dass eine allgemeine Gewissheit unvermittelt<br />
außer Kraft gesetzt wurde.<br />
Normalerweise lügt ein Spiegel nicht. Was er sieht, wirft<br />
er in Echtzeit zurück. Der <strong>Allianz</strong> »Spiegel« aber gab die<br />
zuvor per Kamera aufgezeichneten Bil<strong>der</strong> mit kurzer<br />
Verzögerung wie<strong>der</strong>. Wer also davor stand, sah seine<br />
Bewegungen irritieren<strong>der</strong>weise zeitversetzt. Dass es sich<br />
dabei um mehr als einen schrägen Partygag handelte,<br />
wurde allerdings schnell klar, denn wenig später erschien<br />
auf dem Bildschirm <strong>der</strong> Hinweis, dass ein Drink eine<br />
ebenso verzögernde Wirkung auf die Reaktionsfähigkeit<br />
eines Menschen hat wie gerade im Spiegel gesehen. Es<br />
folgte <strong>der</strong> Ratschlag: »Fahr nicht unter Alkoholeinfluss«.<br />
Die Marketing-Abteilung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Brasilien produzierte<br />
aus dem aufgenommenen Material ein Video, das auf<br />
YouTube innerhalb von nur zehn Tagen mehr als eine<br />
halbe Million mal aufgerufen wurde. Zahlreiche Zeitungen<br />
berichteten über die Nummer mit dem Trickspiegel,<br />
und auch auf sozialen Netzwerken wie Facebook und<br />
Twitter sorgte die Aktion für Furore.<br />
HTTP://VIMEO.COM/47171653<br />
WWW.ALLIANZ.COM.BR<br />
Preis für My Finance Coach<br />
My Finance Coach, die gemeinnützige Initiative zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> finanziellen Allgemeinbildung von Kin<strong>der</strong>n<br />
und Jugendlichen, ist mit dem Comenius EduMedia-<br />
Siegel ausgezeichnet worden. Mit dem Preis würdigt die<br />
Gesellschaft für Pädagogik und Information pädagogischinhaltlich,<br />
didaktisch-methodisch sowie gestalterisch<br />
beson<strong>der</strong>s wertvolle Bildungsmedien. Mehr als 200 Kandidaten<br />
aus 18 Län<strong>der</strong>n hatten sich in diesem Jahr um das<br />
Siegel beworben. <strong>Im</strong> vergangenen Jahr war My Finance<br />
Coach bereits von <strong>der</strong> deutschen UNESCO-Kommission<br />
ausgezeichnet worden.<br />
Seit dem Start im Jahr 2010 hat sich die gemeinnützige<br />
Initiative zu einem <strong>der</strong> erfolgreichsten privatwirtschaftlich<br />
getragenen Angebote im Bereich <strong>der</strong> finanziellen Allgemeinbildung<br />
entwickelt. Rund 500 Mitarbeiter aus den<br />
beteiligten Partner- und<br />
För<strong>der</strong>unternehmen<br />
engagieren sich mittlerweile<br />
als Finance Coaches<br />
und haben bereits über<br />
1400 Klassenbesuche bestritten.<br />
Die My Finance Coach Stiftung wird von den Partnern und<br />
För<strong>der</strong>ern <strong>Allianz</strong>, Haniel & Cie., Grey, KPMG und McKinsey<br />
getragen. Nach dem erfolgreichen Start in Deutschland<br />
findet das Modell inzwischen auch im Ausland immer mehr<br />
Anklang. In Indonesien und Malaysia ist My Finance Coach<br />
bereits aktiv. Sechs weitere Län<strong>der</strong> sollen bald folgen.<br />
WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />
Stern<br />
Der Hafen von Auckland<br />
dpa / picture-alliance<br />
<strong>Allianz</strong> Belgien<br />
kauft ein<br />
Die <strong>Allianz</strong> Belgien hat das Versicherungsgeschäft von<br />
Mensura, einem auf Arbeitsunfallversicherungen spezialisierten<br />
Unternehmen, übernommen. Die Vereinbarung<br />
wurde im Juni bekanntgegeben. Mit mehr als 30 000 Kunden<br />
hat Mensura einen Marktanteil von 14 Prozent und nimmt<br />
unter den belgischen Anbietern von Arbeitsunfallversicherungen<br />
im Privatsektor den dritten Platz ein. Die Prämieneinnahmen<br />
lagen 2011 bei 136 Millionen Euro.<br />
Die <strong>Allianz</strong> Belgien und Mensura arbeiten bereits seit Jahren<br />
im Bereich Arbeitsunfallversicherung zusammen. Mit <strong>der</strong><br />
Übernahme des Arbeitsunfallversicherungs-Geschäfts<br />
vervollständigt die <strong>Allianz</strong> Tochter ihr Produktangebot für<br />
Selbständige, Mittelstand und Großunternehmen. In Belgien<br />
ist die <strong>Allianz</strong> hauptsächlich in <strong>der</strong> Schaden- und Unfallversicherung<br />
und in <strong>der</strong> Lebensversicherung aktiv.<br />
WWW.ALLIANZ.BE<br />
Club Marine Assist für Kiwis<br />
2009 brachte <strong>Allianz</strong> Tochter Club Marine, Australiens<br />
größter Boots- und Yachtversicherer, ein Produkt auf<br />
den Markt, das Hobby-Skippern auch dann unter die<br />
Arme greift, wenn sie an <strong>Land</strong> Hilfe benötigen. Tausende<br />
australische Bootseigner haben das Angebot in <strong>der</strong><br />
Zwischenzeit in Anspruch genommen. Seit Mai gibt es<br />
den Schutzbrief nun auch in Neuseeland.<br />
Er bietet nicht nur Hilfe, wenn es auf dem Weg vom<br />
o<strong>der</strong> zum Hafen mit Auto o<strong>der</strong> Trailer Probleme gibt.<br />
Er umfasst auch Übernachtungskosten o<strong>der</strong> ein Ersatzfahrzeug,<br />
den Abschleppdienst o<strong>der</strong> die Bereitstellung<br />
von Benzin, falls man auf offener Strecke liegenbleibt.<br />
Streikt das Boot auf See und man wird von <strong>der</strong> Seenotrettung<br />
in den nächsten Hafen geschleppt, organisiert<br />
Club Marine die Rückfahrt zum Ausgangspunkt, um<br />
Auto und Anhänger zu holen. Für Clubmitglie<strong>der</strong> ist <strong>der</strong><br />
Zusatzservice kostenlos.<br />
WWW.CLUBMARINE.COM.NZ<br />
4<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
5
<strong>Allianz</strong> Mexico<br />
KURZ<br />
BERICHTET<br />
Investition in ein selbst bestimmtes<br />
Leben: Die <strong>Allianz</strong> übergab einen<br />
Scheck über 50 000 Euro an ein<br />
Straßenkin<strong>der</strong>projekt in Mexiko City<br />
Journal im Netz<br />
Das <strong>Allianz</strong> Journal geht online:<br />
Ab dieser Ausgabe steht das Mitarbeitermagazin<br />
<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe<br />
unter http://knowledge.allianz.com<br />
im Internet zur Verfügung.<br />
Auch die älteren Ausgaben des<br />
Journals sind künftig auf <strong>der</strong> Wissensseite<br />
<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> zu finden.<br />
Die Dezemberausgabe wird ausschließlich<br />
in elektronischer Form<br />
erscheinen.<br />
HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM<br />
Hilfe für Straßenkin<strong>der</strong><br />
»Originell und<br />
verständlich«<br />
Vor 19 Jahren wurde die Fundación Por<br />
Niños de la Calle gegründet. Seither hat die<br />
Stiftung Hun<strong>der</strong>te obdachlose Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche von Mexiko Citys Straßen geholt<br />
und ihnen neue Perspektiven eröffnet. Seit<br />
Juni hat die Sozialeinrichtung einen Fürsprecher<br />
mehr: Die <strong>Allianz</strong> Foundation for North<br />
America (<strong>Allianz</strong> Stiftung für Nordamerika)<br />
und die <strong>Allianz</strong> Mexico stellten sich mit einer<br />
Spende von 50 000 Euro an ihre Seite. Das Geld<br />
kommt einem Projekt zugute, das die Jungen<br />
im Alter zwischen 16 und 21 Jahren in einem<br />
Übergangsheim auf ein selbst bestimmtes<br />
Leben abseits von Missbrauch, Drogen und<br />
Prostitution vorbereiten soll. Die Erfolgsquote<br />
<strong>der</strong> Stiftung liegt bei 85 Prozent. <strong>Allianz</strong><br />
Mexico-Chef Sergio Ghibelini kündigte an,<br />
dass die <strong>Allianz</strong> neben <strong>der</strong> finanziellen Unterstützung<br />
auch Programme wie etwa Computerschulungen<br />
organisieren werde, mit<br />
denen die Jugendlichen auf dem Weg in die<br />
Unabhängigkeit unterstützt werden sollen.<br />
WWW.ALLIANZ.MX<br />
WWW.PRONINOSDELACALLE.ORG.MX<br />
Journal_1-12_dt_2202_P.indd 1<br />
ALLIANZ GROUP<br />
Journal<br />
Deutsche Ausgabe 1 | 2012 2011<br />
Raumfahrt für Anfänger<br />
Countdown in <strong>der</strong> Wüste<br />
26<br />
51<br />
Digitale Breitseite<br />
Die <strong>Allianz</strong> geht ins Netz<br />
Krokodile auf Abwegen<br />
Thailand im Kampf gegen<br />
die Fluten<br />
Das <strong>Allianz</strong> Journal zählt zu den Preisträgern des<br />
diesjährigen inkom Grand Prix <strong>der</strong> Deutschen<br />
Public Relations Gesellschaft (DPRG). Beim ältesten<br />
deutschen Wettbewerb für Mitarbeitermedien<br />
wurde das Magazin <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe mit einem<br />
Silver Award ausgezeichnet. Die neunköpfige Jury<br />
aus Medienwissenschaftlern, Kommunikationsfachleuten<br />
und Journalisten hob insbeson<strong>der</strong>e Originalität, journalistische<br />
Vielfalt und verständliche Sprache hervor. »Das Mitarbeitermedium hat Vorzeigecharakter<br />
– von <strong>der</strong> Konzeption bis zum Layout. Die Belegschaft wird professionell<br />
angesprochen«, so die Einschätzung <strong>der</strong> Jury.<br />
Die Mitarbeitermagazine <strong>der</strong> Deutschen Telekom »you and me« und <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
für Internationale Zusammenarbeit »wir« wurden mit Platin ausgezeichnet,<br />
Gold ging an Bosch, Deutsche Bank, Audi und die Bundeswehr. Die Preisverleihung<br />
fand im Juni im Axel-Springer-Haus in Hamburg statt. Seit 1995 bewertet <strong>der</strong><br />
inkom Grand Prix Mitarbeiterzeitschriften und -zeitungen, die in Deutschland<br />
von Unternehmen, Regierungsorganisationen und nichtstaatlichen Institutionen<br />
herausgegeben werden. Inzwischen kommen die Wettbewerbsteilnehmer auch<br />
aus Österreich und <strong>der</strong> Schweiz.<br />
WWW.INKOM-GRANDPRIX.DE<br />
Afrika: Zahlung per Handy<br />
Die <strong>Allianz</strong> geht in <strong>der</strong> Elfenbeinküste<br />
neue Wege bei <strong>der</strong> Prämienzahlung.<br />
<strong>Im</strong> Juni brachte die <strong>Allianz</strong> Côte<br />
d’Ivoire Assurance Vie eine Mikroversicherung<br />
für den Todesfall und<br />
ein Sparprodukt auf den Markt, für<br />
die die Mobiltelefongesellschaft des<br />
Versicherungsnehmers als Gebühreneinzugszentrale<br />
dient. Statt bar<br />
o<strong>der</strong> per Scheck zu zahlen, werden<br />
die Beiträge automatisch über das<br />
Handykonto abgebucht. Für die<br />
mobile Todesfallversicherung fallen<br />
monatlich 1,30 US-Dollar an, für den<br />
Sparplan mindestens 4,50 US-Dollar.<br />
Mit ihren Mikroversicherungen ist<br />
die <strong>Allianz</strong> mittlerweile in elf Län<strong>der</strong>n<br />
aktiv. Neben Afrika (Ägypten, Burkina<br />
Faso, Elfenbeinküste, Kamerun, Madagaskar,<br />
Mali und Senegal) werden<br />
die Versicherungen für Geringverdiener<br />
auch in Kolumbien, Indien,<br />
Indonesien und Malaysia angeboten.<br />
Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> mehr<br />
Senioren gefragt<br />
Nachdem im vergangenen Jahr rund 100 <strong>Allianz</strong><br />
Pensionäre dem Aufruf von <strong>Allianz</strong>4Good gefolgt<br />
waren, sich beim sozialen Netzwerk startsocial als<br />
Berater zu engagieren (siehe <strong>Allianz</strong> Journal 2/2012),<br />
ist das Angebot nun auf zwei weitere Organisationen<br />
ausgeweitet worden: auf die Social Entrepreneurship<br />
Akademie und My Finance Coach.<br />
Bei startsocial können sich die <strong>Allianz</strong> Senior Experten<br />
als Juroren o<strong>der</strong> Berater engagieren und sozialen<br />
Projekten bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung helfen. Die<br />
Social Entrepreneurship Akademie bietet die Möglichkeit,<br />
junge Sozialunternehmer zu unterstützen,<br />
und bei My Finance Coach geben sie ihr Wissen<br />
rund um die Themen Wirtschaft und Finanzen an<br />
Schüler weiter.<br />
»Unsere Pensionäre haben ein enormes Wissen<br />
und wertvolle Lebenserfahrung«, sagt Katharina<br />
Rauscher von <strong>Allianz</strong>4Good. »Genau das wollen wir<br />
wirksam einsetzen, um soziale Projekte professioneller<br />
zu managen und unternehmerisches Handeln<br />
mit sozialem Denken in Einklang zu bringen.«<br />
WWW.SEAKADEMIE.DE<br />
WWW.STARTSOCIAL.DE<br />
WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />
als 3,8 Millionen Mikroversicherungskunden<br />
<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> stammt aus Asien.<br />
<strong>Im</strong> Frühjahr wurden neun Männer<br />
und Frauen aus Kolumbien, Indien<br />
und Indonesien interviewt, die mit<br />
Hilfe ihrer Mikroversicherung nach<br />
einem schweren Schicksalsschlag<br />
wie<strong>der</strong> auf die Beine gekommen<br />
waren. Die Videointerviews wurden<br />
anschließend ins Internet gestellt,<br />
sie sind auf YouTube abrufbar.<br />
<strong>Allianz</strong>4Good steuerte je 2500 Euro<br />
zur Produktion <strong>der</strong> Videos bei.<br />
WWW.ALLIANZ-AFRICA.COM<br />
WWW.YOUTUBE.COM/USER/ALLIANZ<br />
→ MICROINSURANCE CLAIM<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
6<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
7
KURZ<br />
BERICHTET<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
OP-Versicherung für Pferde<br />
Haller<br />
PERSONALIEN<br />
Remi Vrignaud ist seit 1. August<br />
Chef <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>-Tiriac Asigurari in<br />
Rumänien. Zuvor war er elf Jahre<br />
lang in verschieden Funktionen<br />
für die <strong>Allianz</strong> Elementar in Wien<br />
tätig. Sein Vorgänger bei <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong>-Tiriac, Rangam Bir, hat<br />
zeitgleich die Leitung des Sachund<br />
Unfallgeschäfts bei <strong>Allianz</strong><br />
Asia Pacific übernommen und ist<br />
in das regionale Managementteam<br />
mit Sitz in Singapur gewechselt.<br />
In Deutschland gibt es rund eine Million<br />
Pferde, allerdings sind bislang nur etwa zehn<br />
Prozent davon krankenversichert. Dabei kann<br />
eine tierärztliche Behandlung von Pferden,<br />
vor allem bei Operationen, richtig teuer werden.<br />
Seit Juli bietet die <strong>Allianz</strong> Deutschland<br />
nun eine eigene Operationskostenpolice für<br />
Pferde an. Hunde und Katzen konnte man<br />
bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> bereits seit 2008 versichern.<br />
Die neue Pferdepolice gibt es in drei<br />
Varianten. Bei allen werden Kosten<br />
für bestimmte operative Eingriffe<br />
inklusive Untersuchungen am letzten<br />
Untersuchungstag vor <strong>der</strong> Operation,<br />
Medikamente sowie Verbrauchsmaterialien<br />
und Nachbehandlungen von bis zu zehn<br />
Tagen erstattet. Ebenfalls finanziell abgedeckt<br />
werden Unterbringungs- und Futterkosten<br />
bei einem eventuellen Aufenthalt des Pferdes<br />
in einer Tierklinik bis zu zehn Tagen. Für den<br />
Kunden gibt es keine Selbstbeteiligung. Pro<br />
Jahr werden von <strong>der</strong> Versicherung Kosten<br />
von bis zu 10 000 Euro übernommen. Je nach<br />
gewähltem Leistungsumfang beträgt <strong>der</strong><br />
monatliche Beitrag zwischen 13 und 30 Euro.<br />
WWW.ALLIANZ.DE<br />
<strong>Allianz</strong> France baut<br />
Maklergeschäft aus<br />
Die <strong>Allianz</strong> France hat die Schaden- und Unfallsparte von Gan Eurocourtage übernommen,<br />
einer Tochter <strong>der</strong> französischen Versicherungsgesellschaft Groupama.<br />
Darauf haben sich beide Unternehmen im Juni verständigt. Gan Eurocourtage<br />
gehört zu den führenden Schaden- und Unfallversicherungen im französischen<br />
Maklermarkt. Nach <strong>der</strong> Transaktion, die mit <strong>der</strong> Übertragung des Prämienvolumens<br />
von rund 800 Millionen Euro einhergeht, werden rund 2500 Makler zum <strong>Allianz</strong><br />
Netz in Frankreich gehören. Damit entsteht eine <strong>der</strong> größten Makler-Plattformen<br />
in Frankreich. 600 Mitarbeiter von Gan Eurocourtage werden zur <strong>Allianz</strong> wechseln.<br />
beide Fotos: Shutterstock<br />
TAM<br />
Kultur im Kleinen<br />
Seit zehn Jahren unterstützt die <strong>Allianz</strong><br />
Kulturstiftung gemeinsam mit <strong>Allianz</strong> Vertretern<br />
in Deutschland Projekte auf kommunaler<br />
Ebene, bei denen die För<strong>der</strong>ung des<br />
europäischen Gedankens im Vor<strong>der</strong>grund<br />
steht. Zwei Drittel <strong>der</strong> Projektkosten – bis zu<br />
einer Höchstsumme von 2100 Euro – werden<br />
von <strong>der</strong> Kulturstiftung übernommen, jeweils<br />
ein Drittel trägt <strong>der</strong> Vertreter. Vor einem Jahr<br />
wurde das erfolgreiche Konzept auch auf<br />
Österreich ausgeweitet, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter<br />
mittlerweile mehr als 20 solcher Initiativen<br />
gesponsert haben.<br />
Bei einer davon handelte es sich um den<br />
Integrationskin<strong>der</strong>garten »Wiener Kin<strong>der</strong>freunde«,<br />
in dem 37 Mädchen und Jungen<br />
aus zwölf Län<strong>der</strong>n betreut werden. Die<br />
Kin<strong>der</strong> lernen dort gemeinsam, Instrumente<br />
zu spielen, studieren Musik- und Theaterstücke<br />
ein und führen sie anschließend in<br />
Altenheimen und an<strong>der</strong>en sozialen Einrichtungen<br />
auf. Michael Haller, Generalvertreter<br />
aus Wien, steuerte 1000 Euro zum Ankauf<br />
von Musikinstrumenten und Spielmaterial<br />
für die Sprachför<strong>der</strong>ung bei.<br />
Ein an<strong>der</strong>es Beispiel einer gelungenen<br />
Kultur <strong>Allianz</strong> kommt aus Waidhofen in<br />
Nie<strong>der</strong>österreich, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter<br />
Andreas Hanisch die Produktion von<br />
»Träume und Albträume« am Theater an<br />
<strong>der</strong> Mauer (TAM) sponserte. In dem Theaterstück<br />
drücken die 15- bis 17-jährigen Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> TAM-Juniorgruppe ihre Träume<br />
und Sehnsüchte genauso wie ihre Zukunftsängste<br />
aus. Ein Ziel <strong>der</strong> Aktion war es, über<br />
Probleme und enttäuschte Hoffnungen offen<br />
sprechen zu lernen. Hanisch unterstützte die<br />
Produktion des Stücks sowie die Werbung<br />
in lokalen Printmedien mit 1500 Euro.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> gestiegenen Nachfrage wird<br />
die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung ihren Etat für<br />
die Kultur <strong>Allianz</strong>en im nächsten Jahr um<br />
20 Prozent auf 120 000 Euro erhöhen.<br />
WWW.ALLIANZ-KULTURSTIFTUNG.DE<br />
AUSGE-<br />
ZEICHNET<br />
<strong>Allianz</strong> Life ist vom Magazin<br />
Fortune in die Liste <strong>der</strong> 100<br />
arbeitnehmerfreundlichsten US-<br />
Unternehmen (Fortune 100 Best<br />
Companies to Work For) aufgenommen<br />
worden. Die amerikanische<br />
<strong>Allianz</strong> Tochter hatte sich zum<br />
ersten Mal beworben. <strong>Land</strong>esweit<br />
schafften es nur vier Versicherungsunternehmen<br />
in die Top 100.<br />
Genialloyd, Direktkanal <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />
Italien, ist von allen italienischen<br />
Versicherern die Gesellschaft mit <strong>der</strong><br />
stärksten Präsenz in sozialen Netzwerken.<br />
Das ist das Ergebnis einer<br />
Untersuchung von OssCom, dem<br />
Forschungszentrum für Medien und<br />
Kommunikation <strong>der</strong> Katholischen<br />
Universität Mailand.<br />
<strong>Allianz</strong> SE Investor Relations ist<br />
im Juni vom IR Magazine für die<br />
beste IR-Arbeit in Deutschland und<br />
im Versicherungssektor insgesamt<br />
ausgezeichnet worden. Außerdem<br />
gewann das Team den Grand Prix<br />
als bestes IR-Team in Europa über<br />
die Branchengrenzen hinweg.<br />
Darüber hinaus wurde <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />
Einheit, Oliver Schmidt, zum besten<br />
IR Professional Europas gewählt.<br />
WWW.ALLIANZ.FR<br />
WWW.GROUPAMA.COM<br />
8<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
9
Meinungen<br />
Stiftung Wissenschaft und Politik<br />
»Autoritäre<br />
Züge«<br />
Roth<br />
Wahlbetrug, Korruption, politische Justiz – Russland macht wie<strong>der</strong> Schlagzeilen,<br />
und meist sind es keine guten. Verzerrte Wahrnehmung des Westens o<strong>der</strong> Abbild<br />
<strong>der</strong> Realität? Fragen an Professor Hans-Henning Schrö<strong>der</strong>, Leiter <strong>der</strong> Forschungsgruppe<br />
Russland <strong>der</strong> Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.<br />
INTERVIEW: FRANK STERN<br />
Herr Professor, im Oktober letzten Jahres<br />
wurde Ihnen die Einreise nach Russland<br />
trotz gültigen Visums verwehrt. Was<br />
hatten Sie verbrochen?<br />
(Lacht) Ich hatte nichts verbrochen. Wie mir<br />
<strong>der</strong> Gesandte <strong>der</strong> russischen Botschaft hier<br />
in Berlin später versicherte, handelte es sich<br />
um ein Missverständnis.<br />
Ein Missverständnis?<br />
Die Botschaft hat sich offiziell bei mir entschuldigt.<br />
Dabei würde ich es gern belassen.<br />
Vielleicht war man darüber verärgert,<br />
dass Sie die Putin-Partei Einiges Russland<br />
als Chaoshaufen bezeichnet haben.<br />
Darüber waren sie sicher nicht glücklich,<br />
aber es gibt in Russland und auch hier im<br />
Westen sehr viel schärfere Töne.<br />
Herr Professor, wohin steuert Russland?<br />
Richtung Demokratie o<strong>der</strong> Diktatur?<br />
Es gibt beide Trends. In den letzten Wochen<br />
und Monaten aber zeigt <strong>der</strong> Staat zunehmend<br />
autoritäre Züge. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite entwickelt sich in <strong>der</strong> Bevölkerung ein<br />
demokratisches und zunehmend kritisches<br />
Potenzial. Die Gesellschaft wird wacher und<br />
for<strong>der</strong>t mehr Mitsprache. Damit kann die<br />
russische Führung im Moment offensichtlich<br />
nur schwer umgehen.<br />
Wie beeinflusst dieses Unvermögen<br />
die Presse- und Meinungsfreiheit?<br />
Es gibt in Russland eigentlich keine Zensur.<br />
Wenn Sie in einen Buchladen gehen, dann<br />
finden Sie alles – von den Protokollen <strong>der</strong><br />
Weisen von Zion, also übles rechtsradikales<br />
Material, über Interviews mit Beresowski,<br />
dem Oligarchen, <strong>der</strong> jetzt aus <strong>der</strong> Emigration<br />
heraus versucht, die russische Führung zu<br />
attackieren, bis hin zu linksradikalen Schriften<br />
je<strong>der</strong> Couleur. Das Fernsehen allerdings<br />
steht weitgehend unter staatlicher Kontrolle,<br />
kritische Stimmen kommen dort kaum zu<br />
Wort. Es gibt also eine breite, sehr vielschichtige<br />
und vielstimmige Gesellschaft. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite versucht die Staatsführung,<br />
durch Manipulation <strong>der</strong> elektronischen<br />
Medien ihre Meinung zur herrschenden zu<br />
machen.<br />
Das ist in den letzten zwei Jahren allerdings<br />
immer schwieriger geworden, weil mehr<br />
und mehr Russen das Internet nutzen,<br />
das im Moment völlig unzensiert ist. Das<br />
heißt, es gibt neben dem offiziellen Informationsraum,<br />
die die Putin- und früher<br />
die Medwedjew-Administration bespielt,<br />
einen Raum, <strong>der</strong> nahezu herrschaftsfrei ist.<br />
Und das schafft natürlich eine Situation, die<br />
für die Führung zunehmend unbequem<br />
geworden ist. Deshalb wurde in den Wochen<br />
vor den Sommerferien eine ganze Reihe von<br />
Gesetzen verabschiedet, die diese Möglichkeiten<br />
einengen sollen. Wir haben also<br />
eine breite, sehr lebendige Gesellschaft mit<br />
unterschiedlichen kritischen Stimmen, und<br />
wir haben eine Führungsgruppe, die damit<br />
immer größere Schwierigkeiten hat.<br />
Wie stark ist die Opposition?<br />
Die Opposition ist schwach, und zwar vor<br />
allem deshalb, weil sie nicht geschlossen<br />
agiert. Nicht verwun<strong>der</strong>lich, denn sie reicht<br />
von rechts außen bis links außen. Sie hat<br />
keine gemeinsamen Ziele, außer, dass sie<br />
gegen Putin ist. Das, was wir bei den großen<br />
Demonstrationen in Moskau und<br />
auch in Petersburg gesehen haben, ist im<br />
Moment eine <strong>Allianz</strong> gegen das System.<br />
Aber sie hat keine positiven Ziele, und sie<br />
hat keine Führer, die von allen akzeptiert<br />
werden. Das ist ihre große Schwäche.<br />
Der zweite Schwachpunkt ist, dass sie im<br />
Moment auf die urbanen Metropolen, also<br />
Moskau und mit Abstrichen Petersburg,<br />
konzentriert ist. In <strong>der</strong> Fläche, selbst in<br />
an<strong>der</strong>en Millionenstädten wie Wolgograd,<br />
Nischni Nowgorod o<strong>der</strong> Jekaterinburg ist sie<br />
nicht präsent. Und sie wird dort auch kaum<br />
wahrgenommen. Dort sind die Sorgen <strong>der</strong><br />
Menschen an<strong>der</strong>e, sie sind viel materieller.<br />
Da geht es wirklich ums Einkommen, um<br />
soziale Sicherung und <strong>der</strong>gleichen.<br />
Wie groß ist Putins Rückhalt in <strong>der</strong><br />
Bevölkerung?<br />
Nach den Umfragen und Wahlergebnissen<br />
kann man davon ausgehen – selbst wenn<br />
man die Manipulationen und Fälschungen<br />
in Rechnung stellt –, dass deutlich über 50<br />
Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung hinter ihm stehen.<br />
Die Dumawahlen sind etwas an<strong>der</strong>es.<br />
Einiges Russland hat nur geringen Rückhalt<br />
in <strong>der</strong> Bevölkerung. Ihre Wahlergebnisse hat<br />
die Partei nur durch Fälschungen erreicht.<br />
Putin aber ist ein an<strong>der</strong>es Thema. Seine<br />
Stellung ist deshalb so stark, weil er in <strong>der</strong><br />
Bevölkerung nach wie vor große Glaubwürdigkeit<br />
genießt – auch wenn sie bröckelt. Der<br />
an<strong>der</strong>e Grund ist: Es gibt keine Alternative.<br />
We<strong>der</strong> im eigenen Lager, noch im Lager <strong>der</strong><br />
Opposition gibt es eine politische Figur, die<br />
ähnliches Vertrauen genießt wie Putin.<br />
Russlands Wohl und Wehe hängt vom<br />
Export von Öl und Gas ab. Wie stabil ist<br />
das System Putin?<br />
Ich sehe im Moment keine alternative<br />
politische Kraft, die dieses System ablösen<br />
Hans-Henning<br />
Schrö<strong>der</strong><br />
könnte. Denkbar ist dagegen, dass es sich<br />
von innen heraus reformiert, flexibler reagiert,<br />
an<strong>der</strong>en Parteien größere Spielräume<br />
einräumt. Es könnte aber auch repressiver<br />
agieren. Beide Optionen sind denkbar, und<br />
beide Muster hat es in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
schon gegeben. <strong>Im</strong> Moment deutet das<br />
Pendel auf eine eher repressive Entwicklung.<br />
Intelligenter wäre sicher ein flexibleres<br />
Einbinden <strong>der</strong> Opposition. Ich sehe bei den<br />
Mittelschichten eigentlich eher die Bereitschaft,<br />
in dem System konstruktiv mitzuarbeiten<br />
und weniger eine Totalopposition<br />
zu verfolgen. Nur hat die Putinsche Führung<br />
in den letzten Monaten kaum Anstalten<br />
gemacht, diesem Potenzial Mitwirkungsmöglichkeiten<br />
einzuräumen.<br />
Wie hat sich in den letzten Jahren die<br />
Lage <strong>der</strong> Bevölkerung entwickelt?<br />
Der Lebensstandard ist nach 1992, also nach<br />
dem Übergang zur Marktwirtschaft, geradezu<br />
abgestürzt. In den 90er Jahren unter Jelzin<br />
ging es <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> Bevölkerung extrem<br />
schlecht, etwa 30 Prozent lebten unter dem<br />
Existenzminimum. Inzwischen ist dieser Anteil<br />
auf etwa zehn Prozent gesunken. Doch<br />
gibt es auch heute noch eine große Schicht<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung, die nur knapp über dem<br />
Existenzminimum lebt. Sie leidet beson<strong>der</strong>s<br />
darunter, wenn zum Beispiel die Heizungsabgaben<br />
steigen. <strong>Im</strong> Juli sind die Gaspreise<br />
im <strong>Land</strong> um fünf Prozent erhöht worden.<br />
Insgesamt ist dadurch die Inflationsrate im<br />
Vergleich zu den Vormonaten fühlbar höher.<br />
Und dabei wird es nicht bleiben.<br />
<strong>Im</strong> Moment gibt es bei Gazprom einen deutlichen<br />
Unterschied zwischen Inlands- und<br />
Auslandspreisen. Nach dem Beitritt Russlands<br />
zur Welthandelsorganisation WTO ist das<br />
10<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
11
MEINUNGEN<br />
Global<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
nicht mehr statthaft. Es ist also abzusehen,<br />
dass die Gaspreise im Inland weiter steigen<br />
werden – und damit auch die für kommunale<br />
Dienstleistungen. Die Regierung muss die<br />
Auswirkungen durch höhere Renten, bessere<br />
Sozialleistungen und steigende Einkommen<br />
abfe<strong>der</strong>n. Das kann sie aber nur, wenn <strong>der</strong><br />
Ölpreis auf hohem Niveau bleibt. Alles hängt<br />
vom Ölpreis ab. <strong>Im</strong> Moment kalkuliert die<br />
Regierung mit 100 Dollar pro Barrel, doch<br />
wenn <strong>der</strong> Preis einbricht, könnte es zu sozialen<br />
Spannungen kommen. Es ist ein Vabanque-<br />
Spiel, das auf dem Ölpreis basiert.<br />
Gibt es Tendenzen <strong>der</strong> Abschottung gegen<br />
den Westen? Wird er als Bedrohung<br />
gesehen?<br />
Natürlich gibt es solche Stimmen, die hat<br />
es schon immer gegeben. Manch einer vermutet,<br />
<strong>der</strong> Westen sei an Russland nur als<br />
Rohstofflieferant interessiert, will das <strong>Land</strong><br />
ansonsten aber klein halten. Doch es gibt<br />
auch eine gegenläufige Tendenz, vor allem<br />
unter den Jüngeren in <strong>der</strong> Bevölkerung. Sie<br />
reisen, sie lernen Fremdsprachen und viele<br />
orientieren sich am Westen.<br />
Das Verfahren gegen die Punkband Pussy<br />
Riot hat im Westen scharfe Kritik hervorgerufen.<br />
Wie wird das in <strong>der</strong> russischen<br />
Bevölkerung wahrgenommen?<br />
Auch in Russland gab es heftige Kritik an den<br />
Urteilen, insbeson<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> Opposition.<br />
Allerdings hat eine große Mehrheit <strong>der</strong><br />
Bevölkerung den Auftritt in <strong>der</strong> Kathedrale<br />
verurteilt. Von denen sprach sich zudem<br />
ein beachtlicher Teil für eine schwere Strafe<br />
aus. Das heißt, das Gericht und diejenigen in<br />
<strong>der</strong> Kirche und in <strong>der</strong> politischen Führung,<br />
die das Gericht dazu ermutigt haben, diese<br />
Urteile zu fällen, können sich darauf berufen,<br />
eine Mehrheit zu repräsentieren.<br />
Stichwort Kirche: Welche Rolle spielt sie<br />
für Putins Herrschaft?<br />
Die russisch-orthodoxe Kirche ist sicher kein<br />
klassisches Herrschaftsinstrument. Aber sie<br />
ist neben <strong>der</strong> Armee nach wie vor die Institution,<br />
<strong>der</strong> die Russen das größte Vertrauen<br />
entgegenbringen. Die Kirche verkörpert für<br />
viele Menschen russische Identität – gleichgültig,<br />
ob sie gläubig sind o<strong>der</strong> nicht. Man<br />
muss sich vergegenwärtigen, dass <strong>der</strong> russische<br />
Staat nach 1991 völlig neu erfunden<br />
werden musste. Es hat über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
keinen russischen Staat gegeben, <strong>der</strong> über<br />
ein kleineres Territorium herrschte als <strong>der</strong><br />
jetzige. Das Zarenreich war so groß wie die<br />
Sowjetunion. Da gehörte Zentralasien dazu,<br />
die Ukraine, Weißrussland. Mit dem Zerfall<br />
<strong>der</strong> Sowjetunion hat sich die Bevölkerung<br />
quasi halbiert. Und dieses neue Russland<br />
sucht nach einer Identität. Als Sinnstifterin<br />
spielt die Kirche eine bedeutende Rolle.<br />
Sie repräsentiert russische Kontinuität,<br />
russische Identität.<br />
Ist Russland für ausländische Investoren<br />
sicheres Terrain?<br />
Ja und nein. Für große Investoren, die politischen<br />
Rückhalt in <strong>der</strong> Regierung genießen,<br />
ist es ein vergleichsweise sicheres Terrain.<br />
Für kleine und mittelständische Unternehmen<br />
ist es dagegen schwierig, weil es noch<br />
immer kein unabhängig funktionierendes<br />
Rechtssystem gibt. Die Wirtschaftsrechtssprechung<br />
in den Regionen ist weiterhin<br />
eine schwieriges Thema. Wenn es gelingt,<br />
einen Prozess auf die Bundesebene zu<br />
heben, hat man eine relativ große Chance<br />
auf ein faires Verfahren. In den Regionen,<br />
wo Oligarchen, Gouverneure und regionale<br />
Eliten ihren Einfluss ausüben, ist die Chance<br />
eher gering. Und wenn politische Interessen<br />
im Spiel sind, ist es mit <strong>der</strong> Unabhängigkeit<br />
<strong>der</strong> Richter auch auf <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Ebene<br />
nicht weit her.<br />
Könnte <strong>der</strong> Beitritt zur WTO zur Bildung<br />
einer unabhängigen Justiz beitragen?<br />
Es ist sicher ein wichtiger Schritt. Es gibt<br />
ja schon den Europäischen Gerichtshof<br />
für Menschenrechte in Straßburg und<br />
die Menschenrechtscharta, die Russland<br />
unterschrieben hat. Russen, die sich vom<br />
eigenen Gerichtssystem ungerecht behandelt<br />
fühlen, können nach Straßburg gehen.<br />
Und in vielen Fällen hat Straßburg dann auch<br />
an<strong>der</strong>s geurteilt als die russischen Gerichte.<br />
Der russische Staat hat diese Gerichtsurteile<br />
immer anerkannt. Das hat bisher allerdings<br />
nicht auf die russische Rechtssprechung<br />
selbst zurückgewirkt, aber <strong>der</strong> Staat verhält<br />
sich zumindest konform. Insofern wird er<br />
auch die WTO-Regeln einhalten. Aber bis<br />
sich das in <strong>der</strong> Rechtssprechung vor Ort<br />
nie<strong>der</strong>schlägt, wird es Zeit brauchen.<br />
In den nächsten Jahren sind in Russland<br />
riesige Infrastrukturprojekte geplant.<br />
Kann sich das <strong>Land</strong> von <strong>der</strong> Rohstoffwirtschaft<br />
emanzipieren?<br />
In den letzten 20 Jahren ist in die Infrastruktur<br />
des <strong>Land</strong>es kaum investiert worden. Pipelines,<br />
Straßen, Eisenbahnen – vieles ist in einem<br />
äußerst schlechten Zustand. Wenn Russland<br />
zu einem Staat werden will, <strong>der</strong> mehr ist als<br />
ein Rohstoffexporteur, dann muss er Geld in<br />
die Infrastruktur stecken. Viel Geld. Die Frage<br />
ist, wie effektiv diese Mittel eingesetzt werden.<br />
Es gibt Analysen, die zeigen, dass <strong>der</strong> Straßenbau<br />
in Russland um ein Vielfaches teurer ist<br />
als in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Man kann davon ausgehen,<br />
dass da viel Korruption im Spiel ist. Das<br />
heißt, dass neben dem Infrastrukturausbau<br />
auch bei <strong>der</strong> Korruptionsbekämpfung etwas<br />
getan werden muss. Dazu bräuchte man<br />
allerdings unabhängige Gerichte, die so was<br />
steuern könnten.<br />
Das allein aber wird nicht ausreichen. Der<br />
Staat müsste dafür sorgen, dass junge Ingenieure,<br />
Entwickler und Wissenschaftler nicht<br />
in Scharen das <strong>Land</strong> verlassen. In den letzten<br />
20 Jahren ist die Innovationskraft Russlands<br />
immer mehr zurückgegangen. Tausende<br />
junger, gut ausgebildeter Russen gehen ins<br />
Ausland. Es gibt tatsächlich einen Brain Drain,<br />
ein Abwan<strong>der</strong>n von Fachkräften, die für Russlands<br />
Entwicklung wichtig wären, die unter<br />
den jetzigen Umständen für sich jedoch<br />
keinen Platz im <strong>Land</strong> sehen. Eine russische<br />
Führung, die dieser Abwan<strong>der</strong>ung entgegenwirken<br />
will, müsste Lebensbedingungen<br />
schaffen, die es für junge Menschen attraktiv<br />
machen, im eigenen <strong>Land</strong> zu bleiben.<br />
WWW.SWP-BERLIN.ORG<br />
Geschosse im Orbit<br />
Am 1. Oktober 1957 läuteten die Russen mit dem Start von Sputnik 1 das<br />
Zeitalter <strong>der</strong> Weltraumfahrt ein. 55 Jahre später umkreisen bereits Millionen<br />
von Objekten je<strong>der</strong> Form und Größe die Erde – und die meisten davon völlig<br />
unkontrolliert. Für Astro- und Kosmonauten wird es eng.<br />
FRANK STERN<br />
12<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
13
GLOBAL<br />
links und Seite 13: dpa / picture-alliance | rechts: Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
SATELLITENVERSICHERUNG<br />
2011 lagen die Gesamtprämien <strong>der</strong> Branche<br />
im Bereich Satellitenversicherung weltweit bei<br />
800 Millionen Dollar, die Schäden beliefen sich<br />
auf 600 Millionen Dollar. SpaceCo’s Prämieneinnahmen<br />
aus dem Satellitengeschäft betrugen<br />
2011 rund 116 Millionen Dollar.<br />
WWW.SPACECO.EU<br />
Sonnenstürme<br />
Schon zweimal gab es in den vergangenen zwei<br />
Jahren Alarm auf <strong>der</strong> Internationalen Raumstation ISS:<br />
Bruchstücke von älteren Flugkörpern befanden sich<br />
auf Kollisionskurs, und es war reines Glück, dass sie die<br />
Station verfehlten – für ein Ausweichmanöver wäre<br />
<strong>der</strong> Crew keine Zeit mehr geblieben. Nach einer Studie,<br />
die <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty (AGCS) im<br />
Juli veröffentlicht hat, wird es solche Begegnungen in<br />
Zukunft wohl noch häufiger geben, wenn es nicht bald<br />
gelingt, den Schrotthaufen abzubauen, <strong>der</strong> sich in den<br />
letzten fünfeinhalb Jahrzehnten im erdnahen Raum<br />
angesammelt hat. Die Gefahren für die bemannte und<br />
unbemannte Raumfahrt werden größer.<br />
»Das Weltall wird immer mehr zur Müllhalde«, sagt<br />
Thierry Colliot, Chef von SpaceCo, dem <strong>Allianz</strong> Spezialisten<br />
für Satellitenversicherungen. Selbst ohne weitere<br />
Flugkörper im All würde das Problem wachsen, denn die<br />
Zahl <strong>der</strong> umher fliegenden Fragmente wird mit jedem<br />
Zusammenprall größer. Derzeit kreisen etwa 800 Geo-,<br />
Wetter- und Telekommunikationssatelliten auf einer<br />
kontrollierten Umlaufbahn um die Erde. Daneben aber<br />
sind etwa 16 000 Objekte mit einem Durchmesser von<br />
über zehn Zentimetern unterwegs, 330 000 Fragmente<br />
zwischen einem und zehn Zentimetern und 35 Millionen<br />
Minibruchstücke unter einem Zentimeter. Doch auch<br />
die können enormen Schaden anrichten, wenn sie auf<br />
einen Satelliten o<strong>der</strong> eine Raumstation treffen – mit<br />
einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Sekunde<br />
sind sie zehn mal so schnell wie eine Gewehrkugel.<br />
Kontrollierter Absturz<br />
Der kontrolliert eingeleitete Absturz von ausgedienten<br />
Satelliten, die beim Wie<strong>der</strong>eintritt in die Erdatmosphäre<br />
zum großen Teil verglühen, werde nicht ausreichen, um<br />
das Problem in den Griff zu bekommen, warnt Colliot.<br />
Zusätzlich müssten jedes Jahr zehn große Trümmer<br />
eingefangen und unschädlich gemacht werden, um<br />
die Zahl <strong>der</strong> umher fliegenden Objekte nicht noch weiter<br />
ansteigen zu lassen. 2009 stießen <strong>der</strong> russische Satellit<br />
Kosmos 2251 und <strong>der</strong> amerikanische Iridium 33 zusam-<br />
men und schleu<strong>der</strong>ten Tausende neuer Bruchstücke<br />
in die Umlaufbahn.<br />
Gefahr droht Satelliten und Raumkapseln nicht nur durch<br />
Kollisionen mit Weltraumtrümmern, auch Sonnenstürme,<br />
gewaltige Strahlungs- und Partikelausbrüche, können<br />
Fehlfunktionen und Systemausfälle auslösen. Schätzungen<br />
gehen davon aus, dass bislang rund 40 Satelliten durch<br />
Solarstürme beschädigt o<strong>der</strong> zerstört wurden. Selbst auf<br />
<strong>der</strong> Erde können Sonneneruptionen erhebliche Folgen<br />
nach sich ziehen (siehe Kasten).<br />
Kein Wun<strong>der</strong>, dass Colliot die Alarmglocken läutet.<br />
Rund ein Viertel <strong>der</strong> 800 Satelliten in <strong>der</strong> Erdumlaufbahn<br />
im Gesamtwert von 22 Milliarden US-Dollar sind gegen<br />
Schäden und Funktionsstörungen versichert. Schäden an<br />
den Geosatelliten, die 300 bis 2000 Kilometer über <strong>der</strong><br />
Erde ihre Kreise ziehen, werden meist von den betreibenden<br />
Staaten selbst getragen. Die Telekommunikationssatelliten,<br />
die in einer Höhe von 36 000 Kilometern über<br />
dem Äquator stationiert sind und von denen je<strong>der</strong> an<br />
Als die Erde 1859 von einem solaren Hurrikan getroffen wurde,<br />
war das eher ein Kuriosum, das für Polarlichter bis hinunter nach<br />
Südeuropa und Kuba sorgte und das ein paar Telegrafenstationen<br />
in Brand setzte. Heute hätte ein solcher Sonnensturm unabsehbare<br />
Konsequenzen. »Theoretisch tritt so ein Ereignis nur alle 500<br />
Jahre auf«, sagt Michael Bruch, Leiter des Bereichs Forschung und<br />
Entwicklung im Ingenieurnetzwerk von <strong>Allianz</strong> Global Corporate &<br />
Specialty. »Das heißt allerdings nicht, dass bis zum nächsten Mal<br />
noch 350 Jahre Zeit bleibt.«<br />
Mit jedem technischen Fortschritt <strong>der</strong> letzten hun<strong>der</strong>t Jahre hat<br />
sich die Menschheit immer anfälliger für die extraterrestrischen<br />
Attacken gemacht. Die Energieversorgung, das Rückgrat <strong>der</strong><br />
heutigen Industrie- und Informationsgesellschaft, ist, wenn man<br />
so will, zugleich ihre Achillesferse. Dabei braucht es nicht einmal<br />
einen Supersturm wie 1859, um auf <strong>der</strong> Erde Unheil zu stiften.<br />
<strong>Im</strong> März 1989 löste ein um den Faktor 20 mil<strong>der</strong>er Sonnensturm<br />
in Kanada <strong>der</strong>art heftige geomagnetische Schwankungen in<br />
den Überlandleitungen aus, dass das Stromnetz in <strong>der</strong> Provinz<br />
Quebec innerhalb von nur 92 Sekunden zusammenbrach und<br />
erst nach neun Stunden wie<strong>der</strong> hergestellt werden konnte.<br />
14<br />
<br />
<br />
<br />
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15
GLOBAL<br />
dpa / picture-alliance<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Die Überflieger<br />
Außer Kontrolle<br />
die 200 Millionen US-Dollar kostet, sind zum großen<br />
Teil von privaten Anbietern gedeckt. Jedes Jahr gehen<br />
weitere 20 bis 25 kommerzielle Satelliten mit Versicherungsschutz<br />
an den Start.<br />
Abschuss per Laser<br />
<strong>Im</strong> April dieses Jahres verlor die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) den Kontakt zu ihrem Erdbeobachtungssatelliten<br />
Envisat, ein Trumm von acht Tonnen, <strong>der</strong> nun ohne Steuerung in 790 Kilometern<br />
Höhe seine Runden dreht. Nach heutigen Schätzungen könnte Envisat noch 150 Jahre unkontrolliert<br />
durchs All trudeln, bevor er auf dem Weg zur Erde verglüht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zuvor mit<br />
einem an<strong>der</strong>en Objekt kollidiert, liegt allerdings bei 30 Prozent. In diesem Fall wäre auf <strong>der</strong> orbitalen<br />
Müllhalde für reichlich Nachschub gesorgt.<br />
Letztes Jahr stürzte <strong>der</strong> US-Satellit UARS vor <strong>der</strong> kanadischen<br />
Küste unkontrolliert in den Pazifik. Auch <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>eintrittskurs <strong>der</strong> russischen Raumsonde Phobos-<br />
Grunt, die im Januar dieses Jahres über dem Ostpazifik<br />
nie<strong>der</strong>ging, konnte nur grob geschätzt werden. So was<br />
könnte auch mal schiefgehen.<br />
Der Mann hetzt durch<br />
das überfüllte Flughafengebäude<br />
und wirft<br />
gestresst einen Blick auf<br />
die Uhr: nur noch fünf<br />
Minuten, um für seinen<br />
Flug nach Frankfurt einzuchecken.<br />
Das Meeting<br />
dort darf er auf keinen Fall<br />
verpassen, ein wichtiges<br />
Geschäft steht auf dem<br />
Spiel. Das genau ist <strong>der</strong><br />
Typ, auf den die aktuelle<br />
<strong>Allianz</strong> Kampagne an<br />
Flughäfen zielt – und sie<br />
macht Eindruck.<br />
Mittlerweile sind Satellitenbetreiber verpflichtet, nach Ablauf<br />
<strong>der</strong> Mission sämtliches Weltraumgerät aus dem Orbit<br />
zu holen. Allerdings verfügt nur die neueste Satellitengeneration<br />
über <strong>der</strong>artige Rückführungsprogramme,<br />
wovon <strong>der</strong> kontrollierte Absturz die häufigste Methode<br />
ist. Beim Wie<strong>der</strong>eintritt in die Erdatmosphäre verglüht<br />
<strong>der</strong> Großteil des Weltraumschrotts, <strong>der</strong> Rest geht gezielt<br />
über unbewohntem Gebiet o<strong>der</strong> über dem Meer nie<strong>der</strong>.<br />
Meistens jedenfalls.<br />
Inzwischen gibt es vielversprechende Ansätze, wie abgeworfene<br />
Raketenstufen, ausgediente Raumkapseln<br />
und Satelliten aus dem Orbit entfernt werden könnten.<br />
Diskutiert wird <strong>der</strong> Einsatz von Lasern o<strong>der</strong> das Andocken<br />
von Satelliten, die dann den gezielten Absturz<br />
des Tandems einleiten. Eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit wäre,<br />
Satelliten im All wie<strong>der</strong> aufzutanken, um sie auf ihrer<br />
Umlaufbahn zu halten. »Es gibt interessante Konzepte«,<br />
meint Colliot, »allerdings sind die Kosten dafür sehr hoch.<br />
Ein wirklicher Durchbruch ist bislang nicht in Sicht.«<br />
LOIS HOYAL<br />
© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />
Katrin Green, Sprinter<br />
Believe in yourself.<br />
allianz.com/believe2<br />
With you from A-Z<br />
Partner of the International<br />
Paralympic Committee.<br />
16<br />
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<br />
17
GLOBAL<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Reisende erleben am Flughafen nicht selten eine emotionale<br />
Achterbahnfahrt: Stress wegen des Zeitdrucks,<br />
ein mulmiges Gefühl, was die bevorstehende Reise mit<br />
sich bringt und was am Ziel auf sie wartet, und dann<br />
wie<strong>der</strong> die nervige Warterei am Flugsteig. In so einer<br />
Umgebung die Aufmerksamkeit von internationalen<br />
Geschäftsreisenden auf sich zu ziehen, ist nicht ganz<br />
einfach, aber genau das will die aktuelle Flughafenwerbung<br />
<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> erreichen.<br />
»Flughäfen waren schon immer bevorzugte Orte für<br />
die globale Markenbildung«, sagt Christian Deuringer,<br />
Leiter des Global Brand Management <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> SE.<br />
Die neue Kampagne setzt mehr auf digitale Technologien<br />
und integriert verschiedene Werbeansätze<br />
von großen Bannern bis hin zu interaktiven Postern.<br />
<strong>Im</strong> Mai an Flughäfen in Europa und Asien gestartet,<br />
darunter Paris, München, Frankfurt, London, Seoul,<br />
Hongkong, Singapur und Jakarta, läuft sie noch bis<br />
zum Dezember dieses Jahres.<br />
Die Werbung richtet sich vorwiegend an Reisende,<br />
die pro Jahr mehr als drei mal im Ausland geschäftlich<br />
unterwegs sind, das heißt, bei ihnen handelt es sich um<br />
gut ausgebildete Meinungsführer und Entscheidungsträger.<br />
»Gerade bei dieser Zielgruppe wollen wir das<br />
Bewusstsein für die Marke <strong>Allianz</strong> deutlich stärken«,<br />
erklärt Matthias Fichtl von <strong>Allianz</strong> Group Market Management,<br />
»denn sie üben einen großen Einfluss auf an<strong>der</strong>e<br />
aus und treffen wichtige Geschäftsentscheidungen.«<br />
Die verschiedenen Aspekte <strong>der</strong> Flughafenkampagne, wie<br />
etwa die Pannenhilfe von <strong>Allianz</strong> Global Assistance, das<br />
© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />
Catherine Porte Arondelle, <strong>Allianz</strong> Global Assistance Doctor<br />
Bewusstsein für die Marke stärken: Die Flughafenkampagne nutzt kurze Ratschläge und aussagekräftige Botschaften<br />
<strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />
Helping people in over<br />
230 countries and territories.<br />
allianz-assistance.com<br />
With you from A-Z<br />
Über dieses Quick Response-Feld<br />
gelangen Nutzer direkt auf ein<br />
Video, in dem die Geschichte einer<br />
<strong>der</strong> Paralympics-Teilnehmerinnen<br />
erzählt wird<br />
»Flughäfen waren schon immer bevorzugte Orte<br />
für die globale Markenbildung.«<br />
Christian Deuringer<br />
Sponsering <strong>der</strong> Paralympischen Spiele o<strong>der</strong> das Thema<br />
finanzielle Stabilität, sollen das Interesse gerade dieses<br />
Publikums wecken.<br />
Auf dem Pannenhilfeposter zum Beispiel wird ein junger<br />
Deutscher vorgestellt, <strong>der</strong> gerade dabei ist, in seinem<br />
Camper eine Reise um die Welt anzutreten. »Indem wir<br />
in unserer Kampagne diese Angebote vorstellen, können<br />
wir die Stärken unserer Marke und unsere Kompetenz<br />
in diesem Bereich hervorheben«, sagt Sophy Rigommier<br />
Hunter von <strong>Allianz</strong> Global Assistance. »Das sind Situationen,<br />
in denen sich internationale Geschäftsreisende im<br />
Ausland wie<strong>der</strong>finden können, und wir wollen sie davon<br />
überzeugen, dass <strong>Allianz</strong> Global Assistance dafür die<br />
richtige Wahl ist.«<br />
Die verschiedenen Werbeauftritte richten sich sowohl<br />
an Reisende, die in Eile sind, aber auch an solche, die<br />
mehr Zeit haben, die am Flugsteig warten müssen und<br />
für etwas Ablenkung ganz dankbar sind. Für die unter<br />
Zeitdruck eignen sich am besten große Werbeflächen<br />
mit kurzen Ratschlägen und aussagekräftigen Botschaften,<br />
während für die an<strong>der</strong>en interaktive Poster angeboten<br />
werden, die Elemente wie Internetlinks und die so<br />
genannten QR-Codes enthalten (Quick Response/schnelle<br />
Antwort). Über sie haben Reisende Zugriff auf Webseiten<br />
o<strong>der</strong> sie scannen den Code in ihr Smartphone und laden<br />
MyTravelAid herunter. MyTravelAid ist eine Anwendung,<br />
die nützliche Reisetipps und Informationen bietet, unter<br />
an<strong>der</strong>em internationale Notfallnummern, einen Arzneimittel-Übersetzer,<br />
ein Erste-Hilfe-Wörterbuch sowie ein<br />
internationales Krankenhausverzeichnis.<br />
18<br />
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19
GLOBAL<br />
Je<strong>der</strong> kennt die Bil<strong>der</strong> aus den Elendsvierteln dieser Welt:<br />
schäbige Wellblechhütten, verdreckte Abwasserkanäle,<br />
vernachlässigte Kin<strong>der</strong>. Nach Angaben <strong>der</strong> UN lebt ein<br />
Drittel <strong>der</strong> heutigen Stadtbevölkerung in Slums – über<br />
eine Millarde Menschen. Und doch, die Attraktivität <strong>der</strong><br />
urbanen Verheißung scheint ungebrochen.<br />
Um den Run auf die Städte zu bewältigen, werden<br />
in den nächsten Jahren enorme Investitionen in die<br />
Infrastruktur nötig. Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> hat man schon mal<br />
angefangen zu rechnen.<br />
FRANK STERN<br />
Gardens by the Bay in Singapur. Der erste Teil des Megaparks<br />
wurde im Juni eröffnet. Kosten bislang: 650 Millionen Euro<br />
20<br />
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21
GLOBAL<br />
Shutterstock | Seite 20/21: Ibrahim<br />
Roth<br />
Erkundungstour im Neuland: Trendanalyst Peter Köferl<br />
Ein Drittel <strong>der</strong> städtischen Weltbevölkerung lebt in Slums<br />
Intelligent sollen sie sein, umwelt- und familienfreundlich, die Folgen<br />
des Klimawandels sollen sie abfe<strong>der</strong>n, Mobilität erlauben, aber in<br />
Maßen, Energie – selbstverständlich aus grünen Quellen – möglichst<br />
effizient nutzen, den Wasserverbrauch niedrig halten, mit den Alten<br />
menschlich umgehen und den Jungen Spielräume lassen – kurz:<br />
die Städte <strong>der</strong> Zukunft werden das Paradies auf Erden. Zumindest<br />
wenn es nach den Visionären geht, den Planern und Entwicklern, den<br />
Politikern und Unternehmenslenkern, die im Juli in Singapur auf dem<br />
WorldCitiesSummit 2012 zusammengesessen haben.<br />
Was am Ende von den Reißbrettträumen übrig bleibt, hängt nicht zuletzt<br />
davon ab, ob sich genügend private Geldgeber finden, die das<br />
Geschäftspotenzial dahinter erkennen. Die öffentliche Hand jedenfalls<br />
fällt als Investor mangels Masse in weiten Teilen aus. Das ist mehr<br />
als fatal, denn ohne Erneuerung, Aus- und Neubau <strong>der</strong> Infrastruktur<br />
drohen die Megacitys dieser Welt im Chaos zu versinken. Der Zustrom<br />
vom <strong>Land</strong> jedenfalls reißt nicht ab: <strong>Im</strong> Jahr 2050 werden rund 70 Prozent<br />
<strong>der</strong> Weltbevölkerung in Städten leben. Heute ist es noch je<strong>der</strong><br />
Zweite <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit sieben Milliarden Erdbewohner. Sie sind die Träger<br />
des wirtschaftlichen Wachstums und erzeugen zwischen 60 und<br />
80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines <strong>Land</strong>es. Allerdings blasen<br />
sie auch 70 Prozent <strong>der</strong> Treibhausgase in die Luft und verbrauchen<br />
schon jetzt fast 80 Prozent <strong>der</strong> weltweiten Energiereserven.<br />
Manche Schätzungen gehen davon aus, dass für die umweltgerechte<br />
und nachhaltige Anpassung, Erneuerung und Erweiterung <strong>der</strong> städtischen<br />
Infrastruktur in den nächsten 25 Jahren weltweit Investitionen<br />
von rund 40 Billionen US-Dollar nötig sein werden. 40 Billionen! Dabei<br />
schweben Stadtplanern und Politikern integrierte Lösungen vor, die<br />
alles umfassen, was zum Leben in <strong>der</strong> Stadt dazugehört – von <strong>der</strong><br />
Energie- und Wasserversorgung bis zur öffentlichen Sicherheit, vom<br />
Nahverkehr, über Schulen, Unis, Krankenhäuser und Pflegheime bis<br />
hin zur Abfallbeseitigung. Wobei <strong>der</strong> klimafreundliche Generalumbau<br />
einer gewachsenen Metropole ungleich schwieriger und teurer ist als<br />
die Errichtung einer neuen Stadt auf <strong>der</strong> grünen Wiese.<br />
Die ideale Stadt<br />
Peter Köferl, im Bereich Unternehmensentwicklung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> unter<br />
an<strong>der</strong>em für Zukunfts- und Trendanalysen zuständig, spricht von<br />
<strong>der</strong> grünen Transformation <strong>der</strong> urbanen <strong>Land</strong>schaft. Mancherorts<br />
hat sie schon begonnen: London war Gastgeber <strong>der</strong> ersten »grünen«<br />
Olympischen Spiele, Kopenhagen will 2025 die erste klimaneutrale<br />
Großstadt sein, München sich im selben Jahr vollständig aus erneuerbaren<br />
Energien versorgen.<br />
Als Musterbeispiel für die ideale Stadt gilt vielen Experten aber Singapur.<br />
»Wegen <strong>der</strong> Insellage kann die Stadt nicht einfach weiter wachsen,<br />
sie muss sich immer neu erfinden«, hob etwa Siemens-Vorstand<br />
Roland Busch, Chef des Geschäftsfelds »Infrastructure & Cities«, im<br />
April in einem Interview mit <strong>der</strong> Frankfurter Rundschau hervor. »Das<br />
geschieht dort auf intelligente Weise.«<br />
Singapur zeigt, dass sich mit innovativen Modellen etwa zu Wasseraufbereitung<br />
und Recycling auch eine hohe Bevölkerungskonzentration<br />
managen lässt, dass die Versorgung <strong>der</strong> Städter gegenüber<br />
dem <strong>Land</strong> mit seinen langen Wegen und <strong>der</strong> geringen Vernetzung<br />
sogar effizienter und umweltschonen<strong>der</strong> möglich ist. Zugegeben,<br />
die Löwenstadt gehört zu den wenigen, die sich die Intelligenz<br />
leisten können, und verglichen mit Megacitys wie Tokio, New York,<br />
Sao Paulo, Bombay o<strong>der</strong> Manila ist <strong>der</strong> Stadtstaat mit seinen fünf<br />
Millionen Einwohnern auch recht überschaubar. Doch Effizienz und<br />
intelligenter Mitteleinsatz sind auch in größeren Dimensionen nicht<br />
völlig utopisch. Allerdings stellt sich die Frage, woher das nötige Geld<br />
für die Milliardenprojekte kommen soll angesichts weithin knapper<br />
öffentlicher Kassen.<br />
Vor diesem Hintergrund könnte man <strong>der</strong> Finanzkrise sogar eine<br />
gute Seite abgewinnen. Die anhaltend niedrigen Zinsen haben dazu<br />
geführt, dass Investoren wie Lebensversicherer und Pensionsfonds,<br />
die das Geld ihrer Kunden langfristig, gewinnbringend und sicher anlegen<br />
sollen, hän<strong>der</strong>ingend nach rentablen Ausweichmöglichkeiten<br />
Ausschau halten. Investitionen in den nachhaltigen Um- und Neubau<br />
urbaner Infrastruktur – wie gesagt, es geht um ein Volumen von<br />
40 Billionen Dollar in den nächsten 25 Jahren – könnten eine Antwort<br />
liefern. Zumal sie über die zum Teil mehrere Jahrzehnte andauernde<br />
Laufzeit <strong>der</strong> Projekte stabile Renditen bieten, die relativ wenig vom<br />
Auf und Ab <strong>der</strong> Kapitalmärkte beeinflusst werden. Die notorisch<br />
klammen Kommunen hätten die Möglichkeit, eine staatsunabhängige<br />
Geldquelle anzuzapfen, Investoren könnten langfristig planen und<br />
direkt in künftiges Wachstum investieren.<br />
Die Zeit <strong>der</strong> Traumrenditen ist zwar vorbei, die neue Normalität mit<br />
ihren bescheidenen Kapitalgewinnen hat Einzug gehalten. Doch<br />
sieben Prozent wären mit grünen Entwicklungsprojekten durchaus<br />
drin, meinen Experten. Und das langfristig. »Allerdings ist das Ganze<br />
für Investoren weitgehend Neuland«, sagt Peter Köferl. »Bislang gibt<br />
es die klimafreundliche urbane Infrastruktur als eigene Anlageklasse<br />
noch nicht.« Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> lotet man gerade aus, wie eine passende<br />
Investitionsform aussehen könnte. Grüne Infrastruktur- o<strong>der</strong> auch<br />
Energieeffizienzfonds wären zwei Möglichkeiten. Voraussetzung für<br />
den Einstieg wäre allerdings, dass die Politik für die nötige Investitionssicherheit<br />
und stabile Rahmenbedingungen sorgt.<br />
Holpriger Weg in die Zukunft<br />
An Projekten, die für Investoren von Interesse sein könnten, wird es<br />
auf absehbare Zeit kaum mangeln, allerdings dürfte <strong>der</strong> Weg in die<br />
grün-urbane Zukunft noch ziemlich holprig werden. Einerseits wird<br />
auf Klimakonferenzen seit Jahren darauf gedrängt, den Kohlendioxidausstoß<br />
massiv herunterzufahren, was auf kommunaler Ebene zum<br />
Beispiel durch den Umbau des städtischen Verkehrssystems, die<br />
Umstellung <strong>der</strong> Energieversorgung o<strong>der</strong> die energetische Sanierung<br />
von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden unterstützt werden<br />
könnte. An<strong>der</strong>erseits scheint die kohlenstofffreie Welt gerade in den<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n Asiens noch in weiter Ferne. China und Indien<br />
etwa befeuern ihr Wirtschaftswachstum weiter massiv mit Kohle,<br />
Indien produziert mittlerweile massenhaft Billigautos, die auch für<br />
die wachsende Mittelschicht erschwinglich sind.<br />
Wie die urbane Zukunft letztlich auch aussieht, welche Strategien<br />
bei <strong>der</strong> Abfe<strong>der</strong>ung des Klimawandels zum Zuge kommen, welche<br />
Transportsysteme Vorrang erhalten, wie die Wasserversorgung so<br />
sichergestellt wird, dass <strong>der</strong> Grundwasserspiegel stabil bleibt – die<br />
Antworten auf all diese Fragen könnten schon bald auch von privaten<br />
Investoren mitformuliert werden.<br />
22<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
23
Strategie<br />
»Die Vorwürfe sind<br />
unberechtigt«<br />
<strong>Allianz</strong><br />
Jay Ralph<br />
Als erstes Unternehmen weltweit hat die <strong>Allianz</strong> im Juli auf Vorstandsebene ein Gremium<br />
eingerichtet, das für eine stärkere Einbeziehung von ökologischen und sozial-gesellschaftlichen<br />
Aspekten bei Unternehmensentscheidungen sorgen soll. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden<br />
des ESG Boards (Environmental, Social, Governance/Ökologisch, Sozial, Unternehmensführung),<br />
Jay Ralph, über die Hintergründe.<br />
INTERVIEW: MICHAEL GRIMM<br />
Mr. Ralph, war die Einrichtung des ESG<br />
Boards eine Reaktion auf die Kritik von<br />
Nichtregierungsorganisationen an den<br />
Investitionen <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> in Kohleunternehmen<br />
in China und in Agrarfonds?<br />
Die Vorwürfe auf unserer Hauptversammlung<br />
im Mai waren nicht <strong>der</strong> Auslöser, aber<br />
sie haben die Einrichtung des ESG Boards<br />
beschleunigt. Wir haben als Versicherer und<br />
Vermögensmanager Einfluss auf wichtige<br />
Themen. Diesen Einfluss wollen wir bewusst<br />
Shutterstock<br />
und verantwortungsvoll nutzen und durch<br />
das ESG Board steuern.<br />
Wird die <strong>Allianz</strong> nun aus diesen<br />
Investitionen aussteigen?<br />
Als erste »Amtshandlung« des ESG Boards<br />
haben wir mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen<br />
den Dialog aufgenommen.<br />
Mit Greenpeace haben wir uns im Juli in<br />
Hongkong getroffen und mit Oxfam in Berlin.<br />
Die Investments in China sind eine relativ<br />
kleine Position. Gemeinsam mit Greenpeace<br />
wägen wir nun ab, ob wir diese Anteile<br />
verkaufen, o<strong>der</strong> wie wir als Aktionär <strong>der</strong><br />
Kohleunternehmen auf besseres Umweltmanagement<br />
drängen können.<br />
Von Oxfam haben wir uns ihre Bedenken<br />
erklären lassen, danach zusammen mit<br />
unseren Experten von PIMCO unsere Anlagestrategie<br />
erläutert und detailliert zu<br />
allen Vorwürfen Stellung genommen.<br />
Außer <strong>der</strong> pauschalen Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />
Kritik haben wir von Oxfam allerdings keine<br />
Antwort auf unsere Erklärungen erhalten.<br />
Was sagt die <strong>Allianz</strong> denn im Detail zu<br />
den Vorwürfen von Oxfam?<br />
Die Vorwürfe sind unberechtigt. Manche<br />
lassen sich sehr einfach wi<strong>der</strong>legen, für an<strong>der</strong>e<br />
muss man etwas tiefer in die Materie<br />
einsteigen. Bereits auf unserer Hauptversammlung<br />
im Mai haben wir klarstellen<br />
können, dass die Gel<strong>der</strong> unserer Versicherungskunden<br />
nicht in Rohstoffe o<strong>der</strong> in<br />
Rohstoff-Indexfonds investiert sind. Bei dem<br />
Thema geht es ausschließlich um Investitionen<br />
von Kunden unserer Vermögensverwalter<br />
PIMCO und <strong>Allianz</strong> Global Investors, von denen<br />
<strong>der</strong>zeit etwa zwei Prozent in Rohstoff-Index-<br />
fonds investiert sind. Knapp ein Drittel davon<br />
lassen sich Agrarrohstoffen zuordnen. Diese<br />
Anlagen dienen dazu, Bauern gegen schwankende<br />
Preise abzusichern. Die Bauern wollen<br />
sichergehen, dass sie einen bestimmten Preis<br />
für ihre Ernte erzielen. Wer sich das Risiko mit<br />
einem Partner teilen kann, investiert eher in<br />
Saatgut, Maschinen und Arbeitskräfte. Das<br />
verspricht bessere Ernten in <strong>der</strong> Zukunft und<br />
davon profitieren sowohl die Bauern als auch<br />
die Anleger.<br />
Für diese Investments unserer Kunden gilt:<br />
Sie sind langfristiger Natur, sie führen dem<br />
Markt keine realen Rohstoffe zu o<strong>der</strong> entziehen<br />
sie ihm, sie können bei steigenden und<br />
bei fallenden Preisen Erträge erwirtschaften<br />
und nehmen nicht am Handel im Liefermonat<br />
<strong>der</strong> Rohstoffe teil – dann sind am<br />
ehesten Preisschwankungen zu beobachten.<br />
Hinzu kommt, dass unsere Kunden bisher<br />
eher antizyklisch investieren, was dabei hilft,<br />
den Markt zu stabilisieren. Ein Rückzug dieser<br />
Investoren hätte daher negative Folgen<br />
für die Bauern und für die Preise.<br />
Wer ist denn dann schuld am Preisanstieg<br />
bei Nahrungsmitteln?<br />
Hauptursachen für die steigenden Nahrungsmittelpreise<br />
sind laut UN, FAO und OECD<br />
vor allem das Bevölkerungswachstum, <strong>der</strong><br />
steigende Konsum in Schwellenlän<strong>der</strong>n,<br />
Handelsbarrieren, Klimaeinflüsse und die zunehmende<br />
Verwendung landwirtschaftlicher<br />
Flächen für die Produktion von Biosprit. Das<br />
lässt sich auch an den aktuellen Preissteigerungen<br />
bei Weizen, Mais und Soja aufgrund<br />
<strong>der</strong> Dürre in den USA verfolgen. Wir sind<br />
daher gemeinsam mit vielen Experten überzeugt,<br />
dass die Preise an den Warenterminmärkten<br />
den realen Rohstoffpreisen folgen,<br />
nicht umgekehrt. Das ist die Aufgabe und die<br />
Logik dieses Marktes. Aber selbst <strong>der</strong>jenige,<br />
<strong>der</strong> diese Logik bezweifelt, müsste die negativen<br />
Folgen eines Ausstiegs von Investoren<br />
erkennen, die wie unsere Kunden handeln.<br />
Was kann die <strong>Allianz</strong> tun, um die<br />
Folgen steigen<strong>der</strong> Nahrungsmittelpreise<br />
zu begrenzen?<br />
Ein Rückzug als Investor wäre fatal. Die<br />
steigenden Preise zeigen, dass die Lücke<br />
zwischen Angebot und Nachfrage weiter<br />
wächst. Um dem zu begegnen, brauchen wir<br />
nicht weniger, son<strong>der</strong>n mehr Investitionen<br />
in die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Agrarwirtschaft,<br />
<strong>der</strong> Nahrungsmittelproduktion und ihren<br />
Vertrieb. Ein Rückzug <strong>der</strong> langfristigen Investoren<br />
aus den Rohstoff- und Indexfonds<br />
wäre ebenso schädlich.<br />
Die Bauern in den USA sind gegen die Folgen<br />
und Risiken einer Dürre durch Ernteversicherungen<br />
und die Liquidität an den<br />
Warenterminbörsen gut abgesichert. Die<br />
meisten Bauern in den Entwicklungs- und<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>n haben diese Möglichkeit<br />
bisher nicht. Wir diskutieren <strong>der</strong>zeit, ob<br />
Mikro-Versicherungen und ein Mikro-<br />
Warenterminmarkt Bauern und Kunden in<br />
den Entwicklungslän<strong>der</strong>n helfen könnte.<br />
Wenn das <strong>der</strong> Fall ist, werden wir überlegen,<br />
wie wir dazu beitragen können.<br />
Ist <strong>der</strong> Disput damit für die <strong>Allianz</strong><br />
erledigt?<br />
Der Dialog mit Oxfam scheint am Ende, das<br />
Thema dagegen ist für uns nicht erledigt.<br />
Oxfam vertritt ein wichtiges Anliegen, das<br />
wir teilen. Die wachsende Lücke in <strong>der</strong> Versorgung<br />
mit Nahrungsmitteln ist aus unserer<br />
Sicht neben dem Klimawandel und <strong>der</strong><br />
demographischen Entwicklung eine <strong>der</strong><br />
drei größten Herausfor<strong>der</strong>ungen, zu <strong>der</strong>en<br />
Lösung wir beitragen können.<br />
Welche Rolle soll dabei das ESG Board<br />
konkret spielen?<br />
Das ESG Board wird sicherstellen, dass wir im<br />
Dialog mit internen und externen Fachleuten<br />
die wichtigen sozialen und ökologischen Themen<br />
rechtzeitig erkennen, richtig einschätzen<br />
und pragmatische Umsetzungsmöglichkeiten<br />
entwickeln. Wir werden dabei nicht für jedes<br />
Thema eine einheitliche Umsetzung finden,<br />
weil Gesetze, Kulturen und das Selbstverständnis<br />
<strong>der</strong> Beteiligten in unseren über<br />
70 Märkten weltweit unterschiedlich sind.<br />
Aber wir möchten unseren Kunden mit den<br />
bestmöglichen nachhaltigen Produkten<br />
und Dienstleistungen zur Seite stehen. Das<br />
ESG Board wird daher den <strong>Allianz</strong> Unternehmen<br />
vor Ort inhaltliche Orientierung für<br />
ihr Handeln geben, um auf die Bedürfnisse<br />
<strong>der</strong> Kunden und <strong>der</strong> Gesellschaft gleichermaßen<br />
eingehen zu können. Es wird bei<br />
einigen Themen allerdings auch allgemein<br />
verbindliche Regeln geben, wie dem bereits<br />
geltenden Ausschluss von Geschäften mit<br />
bestimmten Waffenherstellern o<strong>der</strong> jeglicher<br />
Waffengeschäfte in Krisenregionen.<br />
Das ESG Board wird aber nicht nur Geschäfte<br />
verhin<strong>der</strong>n, es wird auch Geschäfte gezielt<br />
durch Koordination för<strong>der</strong>n. Dazu zählen<br />
auch Ansätze, die wir im Dialog mit Oxfam<br />
entwickelt haben und unabhängig weiter<br />
verfolgen werden, wie die Verknüpfung<br />
unserer Mikroversicherung mit <strong>der</strong> satellitengestützten<br />
Ernteanalyse und die Idee<br />
eines Mikro-Warenterminmarktes für<br />
Bauern in Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
24<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
25
STRATEGIE<br />
Roth<br />
AGENCY FUTURE PROGRAM (AFP)<br />
Das AFP ist ein neues Geschäftsmodell für den Agenturvertrieb<br />
und ist aus einer Vielzahl von Vorschlägen und Ideen<br />
aus verschiedenen Gruppengesellschaften hervorgegangen.<br />
Es unterstützt die beteiligten Gruppengesellschaften mit<br />
einer gründlichen Analyse ihres Agenturvertriebs und passt<br />
den Ansatz auf die lokalen Eigenheiten und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Märkte an. Das Programm ist inzwischen<br />
in Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Österreich, <strong>der</strong><br />
Schweiz, Spanien und Tschechien im Einsatz.<br />
Louis de Montferrand (li.) und Johan van Tholen<br />
»Das funktioniert wirklich«<br />
Noch sorgen sie für den größten Umsatz in <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe: 2011 fuhren <strong>Allianz</strong><br />
Vertreter weltweit Prämieneinnahmen von rund 34 Milliarden Euro ein, 30 Milliarden<br />
davon in Europa. Doch die Einnahmen bröckeln, die Kundenzahlen gehen zurück –<br />
seit Jahren schon. Ein neues Geschäftsmodell soll den Abwärtstrend stoppen.<br />
FRANK STERN<br />
Es ist nicht <strong>der</strong> erste Anlauf, mit dem die<br />
<strong>Allianz</strong> ihren Vertreterkanal wie<strong>der</strong> auf<br />
Wachstum trimmen will. In <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
gab es in Tochtergesellschaften und<br />
auf Gruppenebene schon etliche Projekte,<br />
aber den erhofften Durchbruch hat keines<br />
gebracht. Mit dem Agency Future Program<br />
(AFP), davon jedenfalls ist Projektleiter Johan<br />
van Tholen überzeugt, könnte sich das än<strong>der</strong>n.<br />
»Wir haben das Programm zusammen<br />
mit verschiedenen Gruppengesellschaften<br />
entwickelt und es in Deutschland und Frankreich<br />
ausgiebig getestet«, sagt er, »und es<br />
funktioniert wirklich.« Ein wenig klingt es so,<br />
als sei er davon selbst überrascht.<br />
Bevor das AFP Ende 2010 gestartet wurde,<br />
hatten van Tholen und sein internationales<br />
Team die aktuellen Defizite im europäischen<br />
Agenturvertrieb eingehend analysiert. Dabei<br />
stießen sie auf zwei grundlegende Probleme:<br />
Zum einen fehlen häufig aussagekräftige<br />
Kundendaten, die eine bedarfsgerechte<br />
Beratung erlauben. Zum an<strong>der</strong>en werden<br />
Kunden zu selten persönlich angesprochen,<br />
weil ihre Vertreter mit Verwaltungsarbeit<br />
eingedeckt sind. <strong>Im</strong> Schnitt wird gerade mal<br />
je<strong>der</strong> fünfte Versicherungsnehmer umfassend<br />
betreut, <strong>der</strong> Rest kennt seinen Vertreter oft<br />
nur vom Hörensagen. Bei diesen Kunden ist<br />
die Gefahr, dass sie zur Konkurrenz wechseln,<br />
beson<strong>der</strong>s groß.<br />
Dabei sind persönlicher Kontakt und individuelle<br />
Beratung die eigentlichen Stärken des<br />
Vertretervertriebs. »Das ist <strong>der</strong> Mehrwert,<br />
den kein an<strong>der</strong>er Vertriebsweg bietet«, hebt<br />
Louis de Montferrand hervor, <strong>der</strong> sämtliche<br />
Vertriebsinitiativen innerhalb <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />
Gruppe leitet. »Wenn das nicht funktioniert,<br />
stellt sich irgendwann die Frage, wozu<br />
man diesen Verkaufskanal eigentlich noch<br />
braucht.« Möglichkeiten, sich an<strong>der</strong>weitig<br />
zu orientieren, gebe es schließlich genug.<br />
Genau an dieser Stelle setzt das AFP an.<br />
Wenn <strong>der</strong> Vertretervertrieb langfristig<br />
überleben soll, dann muss er nach Meinung<br />
von Vertriebsexperten sicherstellen, dass<br />
Shutterstock<br />
<strong>der</strong> Anteil jener Kunden mit mehr als einer<br />
Police deutlich steigt. Sie halten einem<br />
Unternehmen nicht nur länger die Treue, es<br />
rechnet sich auch eher, mehrere Verträge zu<br />
verwalten als mit fast demselben Aufwand<br />
nur einen. In den großen europäischen<br />
Märkten Deutschland, Frankreich und Italien<br />
gibt es da noch einigen Spielraum: Bislang<br />
verfügen die meisten <strong>Allianz</strong> Kunden dort<br />
über nur eine Versicherung.<br />
Auf dem Sofa<br />
Das Rezept dafür klingt relativ einfach: Mit<br />
<strong>der</strong> Verlagerung von Verwaltungsaufgaben<br />
in den Innendienst – von <strong>der</strong> Schadenaufnahme<br />
über die Terminvereinbarung bis<br />
hin zur Eingabe von Kundendaten – soll den<br />
Vertretern Luft verschafft werden, um sich<br />
mehr ihrer eigentlichen Aufgabe widmen<br />
zu können, <strong>der</strong> persönlichen Kundenbetreuung.<br />
»Damit besinnen wir uns wie<strong>der</strong> auf die<br />
Stärken des Agenturkanals«, sagt van Tholen.<br />
Und das Konzept scheint aufzugehen: Die<br />
Testphase in Deutschland und Frankreich hat<br />
gezeigt, dass sich mit <strong>der</strong> Umorganisation<br />
in den Agenturen eine Produktivitätssteigerung<br />
von über 25 Prozent erreichen lässt.<br />
Mehr Zeit auf dem Sofa allein dürfte allerdings<br />
kaum ausreichen, um Kunden bei <strong>der</strong><br />
Stange zu halten. Nach Ansicht van Tholens,<br />
<strong>der</strong> wie alle seine Teamkollegen früher selbst<br />
im Vertrieb tätig war, muss sich am Beratungsund<br />
Verkaufsprozess etwas än<strong>der</strong>n. Aktuell<br />
sei <strong>der</strong> weniger auf Interessen und Bedarf<br />
des Kunden ausgerichtet als auf den Absatz<br />
von Policen, bemängelt <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong>.<br />
»Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein.<br />
Die genaue Analyse <strong>der</strong> Kundensituation<br />
ist das wichtigste Element des AFP. Es ist die<br />
Basis für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung.«<br />
Was seine Kunden wirklich brauchen,<br />
erfährt ein Vertreter freilich nur, wenn er mit<br />
ihnen in engem Kontakt steht und nicht nur<br />
alle Jubeljahre mal einen Infobrief verschickt.<br />
Um jedoch mit einiger Aussicht auf Erfolg in<br />
ein Kundengespräch zu gehen, müssen verlässliche<br />
Kundendaten zur Verfügung stehen.<br />
Auch so ein Schwachpunkt. Klare Regeln<br />
zum Sammeln und Verwalten von Kundeninformationen<br />
gibt es bislang ebenso wenig<br />
wie den automatischen Datenaustausch<br />
zwischen Innendienst und Agenturen.<br />
Die digitale Welt eröffnet für den Vertrieb<br />
enorme Chancen. Beispiel Frankreich: Dort<br />
erhalten Vertreter zu Anfang je<strong>der</strong> Woche<br />
über das Agentursystem Lagon eine Liste<br />
jener Kunden, die sich nach Datenlage für<br />
ein Verkaufsgespräch beson<strong>der</strong>s anbieten.<br />
Das System zeigt sogar <strong>der</strong>en Kaufneigung<br />
für bestimmte Produkte an, so dass sie gezielt<br />
darauf angesprochen werden können.<br />
Dass die Leute in Zeiten von Internet und<br />
Direktvertrieb lieber auf den Vertreterkontakt<br />
verzichten, lässt sich nach van Tholens<br />
Beobachtung so nicht bestätigen. »Viele sind<br />
weiterhin an einer professionellen Beratung<br />
interessiert, gerade bei komplizierten Lebensfragen«,<br />
sagt er. »Da geht es auch um Vertrauen<br />
– die Domäne des Agenturvertriebs.«<br />
Diese Stärke aber lasse sich nur dann richtig<br />
nutzen, wenn ein Vertreter weiß, mit wem<br />
er es zu tun hat.<br />
Pläne und Wünsche<br />
Die <strong>Allianz</strong> Österreich hat schon vor einigen<br />
Jahren damit begonnen, dafür ganz systematisch<br />
die Basis zu schaffen. Mit ihrem Life<br />
Check-Modell rückte sie damals die Kundenberatung<br />
wie<strong>der</strong> in den Mittelpunkt des Verkaufsprozesses.<br />
Seither werden gezielt und<br />
strukturiert Informationen zur persönlichen<br />
Situation des Versicherungsnehmers abgefragt,<br />
ausführlich seine Pläne und Wünsche<br />
besprochen und Lösungen aufgezeigt, wie<br />
sie sich verwirklichen lassen.<br />
Der erfolgreiche Beratungsansatz <strong>der</strong><br />
Österreicher beeinflusste die Entwicklung<br />
des Agency Future Program maßgeblich.<br />
In Deutschland ist er inzwischen als Pro3<br />
im Breiteneinsatz, in Frankreich unter dem<br />
Namen S’Energy. Erste Testläufe haben auch<br />
dort deutlich bessere Verkaufsergebnisse<br />
und steigende Kundenzufriedenheitswerte<br />
ergeben. In Tschechien wurde das AFP-<br />
Projekt im April gestartet, im Mai in Spanien<br />
und Indien. »Das Konzept funktioniert<br />
überall«, sagt van Tholen. »Damit bleibt <strong>der</strong><br />
Agenturvertrieb auch in Zukunft einer <strong>der</strong><br />
wichtigsten Erfolgsgaranten <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>.«<br />
JOHAN.VAN_THOLEN@ALLIANZ.COM<br />
26<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
27
STRATEGIE<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Die Markenwächter:<br />
Tobias Unterguggenberger,<br />
Patricia Schulz-<br />
Moll, Steffen<br />
Drögsler (v.l.)<br />
MARKENWERTE<br />
Die Top 10 Finanzdienstleister, 2010<br />
Milliarden US Dollar 0 3<br />
6 9 12 15<br />
American Express<br />
JP Morgan<br />
HSBC<br />
Goldman Sachs<br />
Citi<br />
Axa<br />
Morgan Stanley<br />
<strong>Allianz</strong><br />
Timmich<br />
Markenrechte wir in dem jeweiligen <strong>Land</strong> verfügen«,<br />
sagt Unterguggenberger. 2011 konnte die <strong>Allianz</strong> Unternehmen<br />
und Organisationen in Brasilien, Deutschland,<br />
Frankreich, <strong>der</strong> Slowakei, <strong>der</strong> Türkei und den USA<br />
überzeugen, auf die Verwendung des Begriffs <strong>Allianz</strong>,<br />
Alliance o<strong>der</strong> Alianza als Marke o<strong>der</strong> Namen zu verzichten.<br />
In einigen Fällen entschieden den Namensstreit<br />
Markenämter und Gerichte. »Unsere rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten<br />
unterscheiden sich von <strong>Land</strong> zu<br />
<strong>Land</strong>, je nachdem wie stark und etabliert unsere eigene<br />
Marke ist und für welche Geschäftsbereiche sie dort<br />
verwendet wird«, erklärt Steffen Drögsler.<br />
Santan<strong>der</strong><br />
Visa<br />
Quelle: Interbrand<br />
Unter den Versicherern rangiert die <strong>Allianz</strong> beim Markenwert hinter Axa an zweiter Position,<br />
nimmt man die Banken mit in die Übersicht, an achter. Spitzenreiter unter allen Finanzdienstleistern<br />
ist American Express. Wertvollste Marke aller Branchen ist Coca Cola, die von Interbrand<br />
auf knapp 72 Milliarden Dollar taxiert wird<br />
Wert und Wirkung<br />
Vor mehr als zehn Jahren begann die <strong>Allianz</strong> damit, Tochtergesellschaften, die<br />
noch unter ihrer lokalen Marke auftraten, Schritt für Schritt unter ihr Markendach zu<br />
holen – in den meisten Län<strong>der</strong>n kein Problem, in manchen ein Fall für die Gerichte.<br />
FRANK STERN<br />
Bevor die kolumbianische Colseguros im Mai dieses<br />
Jahres in <strong>Allianz</strong> Colombia umbenannt werden konnte,<br />
hatten die Juristen <strong>der</strong> Rechtsabteilung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> SE<br />
(Group Legal & Compliance) erstmal gut zu tun. Die<br />
Alianza Fiduciara, ein kleiner Vermögensverwalter aus<br />
Bogota, hatte wegen Verwechslungsgefahr geklagt –<br />
und er konnte auf ältere Markenrechte verweisen.<br />
»Normalerweise ist es an<strong>der</strong>s rum«, sagt Tobias Unterguggenberger,<br />
<strong>der</strong> bei Group Legal zusammen mit<br />
Steffen Drögsler für Markenschutz zuständig ist. Am<br />
Ende einigten sich beide Seiten auf eine außergerichtliche<br />
Lösung.<br />
So enden Markenkonflikte häufig. Nicht selten aber<br />
geht die <strong>Allianz</strong> auch als Sieger vom Platz. »Oft reicht<br />
es schon, wenn wir deutlich machen, über welche<br />
Die <strong>Allianz</strong> hat ihre Marke inzwischen in <strong>der</strong> ganzen<br />
Welt registrieren lassen – außer in Län<strong>der</strong>n, in denen<br />
es generell keinen Markenschutz gibt, wie in Eritrea<br />
o<strong>der</strong> Somalia. Seit sie ernst macht mit ihrer Ein-Marken-<br />
Strategie, wurden bereits zahlreiche Tochterunternehmen<br />
auf die <strong>Allianz</strong> Marke umgestellt. 2007 kam Italien,<br />
2009 Frankreich unters blaue Dach – wichtige Stationen<br />
auf dem Weg zu einer globalen Marke. Mittlerweile<br />
werden 80 Prozent des Umsatzes <strong>der</strong> Gruppe unter <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong> Marke erwirtschaftet. 2007 waren es noch 65 Prozent.<br />
»Wir wollen in eine starke Marke investieren, statt<br />
die Kräfte auf fünf o<strong>der</strong> zehn aufzuteilen«, sagt Patricia<br />
Schulz-Moll von Group Market Management.<br />
Etablierte Marken sind so etwas wie ein Versprechen,<br />
eines, das Orientierung gibt und Vertrauen weckt und<br />
für das Kunden auch bereit sind, tiefer in die Tasche zu<br />
greifen. Bis sie im Bewusstsein <strong>der</strong> Menschen verankert<br />
sind, können allerdings Jahre vergehen. »Man muss<br />
bereit sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen und die<br />
Marke als Wert betrachten«, erklärt Schulz-Moll. »Und<br />
man muss für dieses Ziel mitunter auch eine etablierte,<br />
lokale Marke aufgeben.«<br />
Beispiel Russland. Dort operierte die <strong>Allianz</strong> bis Anfang<br />
dieses Jahres mit drei Tochtergesellschaften unter<br />
verschiedenen Marken. Eine davon war Rosno, eines <strong>der</strong><br />
bekanntesten Versicherungsunternehmen des <strong>Land</strong>es.<br />
Nach <strong>der</strong> Verschmelzung mit Industrieversicherer <strong>Allianz</strong><br />
Russia und Sachversicherer Progress Garant tritt Rosno<br />
seit April als <strong>Allianz</strong> Russland auf.<br />
Eine Umstellung, die ihre eigenen Risiken birgt. »In<br />
Russland machen wir uns für eine Übergangszeit weiter<br />
die Bekanntheit <strong>der</strong> lokalen Marke Rosno zunutze. Nach<br />
zwei Jahren steigen wir dann vollständig auf <strong>Allianz</strong><br />
um«, erläutert Schulz-Moll. Dabei konnte man nicht<br />
sicher sein, dass <strong>der</strong> Wechsel bei den Kunden auf ungeteilte<br />
Zustimmung stößt. Doch auch die Russen wissen<br />
Finanzstärke, internationales Renommee, Vertrauen<br />
und Zuverlässigkeit zu schätzen – gerade in unsicheren<br />
Zeiten wie diesen. In ihrer Markenkampagne hatte<br />
die <strong>Allianz</strong> diese Werte beson<strong>der</strong>s herausgestellt. »Eine<br />
Kampagne mit russischem Feeling«, so Drögsler.<br />
28<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
29
STRATEGIE<br />
beide Fotos: <strong>Allianz</strong><br />
Russland<br />
spezial<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Umfirmierung mit Hin<strong>der</strong>nissen – in<br />
Kolumbien klagte ein Vermögensverwalter<br />
gegen die Verwendung <strong>der</strong> Marke <strong>Allianz</strong>.<br />
Auch beim Wechsel von Mondial auf <strong>Allianz</strong><br />
Global Assistance geht nicht immer alles glatt<br />
<strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />
Zwiebeltürme<br />
Dass sich Investitionen in eine globale Marke auszahlen,<br />
lässt sich an dem Beitrag ablesen, den sie zum Unternehmenswert<br />
leisten kann. Laut Ranking des Markenberaters<br />
Interbrand Best Global Brands 2011 ist die <strong>Allianz</strong><br />
Marke rund 5,4 Milliarden Euro wert und verzeichnete<br />
im letzten Jahr den höchsten Wertzuwachs unter den<br />
europäischen Finanzdienstleistern. Unter den globalen<br />
Versicherern wird nur Axa höher eingeschätzt (6,7 Milliarden<br />
Euro). Gut nachvollziehbar also, warum Unterguggenberger<br />
und seine Kollegen mit Argusaugen über<br />
die Marke wachen. Eine Verwässerung würden Wert<br />
und Wirkung erheblich min<strong>der</strong>n.<br />
<strong>Im</strong> Moment sind die Markenwächter noch mit <strong>der</strong><br />
Umstellung von Mondial Assistance auf <strong>Allianz</strong> Global<br />
Assistance beschäftigt. Der Wechsel von Rot auf<br />
Blau in 28 Län<strong>der</strong>n erstreckt sich über mehrere Jahre.<br />
»Klar, dass ein Rebranding in diesen Dimensionen<br />
mitunter Son<strong>der</strong>lösungen erfor<strong>der</strong>t«, erläutert Tobias<br />
Unterguggenberger.<br />
In Italien etwa wird <strong>der</strong> Reiseversicherer und Pannenhelfer<br />
nur als <strong>Allianz</strong> Assistance auftreten: Um sich nicht<br />
mit dem dortigen Wettbewerber Global Assistance ins<br />
Gehege zu kommen, verzichtet man dort auf den Zusatz<br />
Global. Zudem bleibt für einige ausgewählte Großkunden<br />
die Marke Mondial Assistance erhalten, weil sie, wie<br />
etwa Air France, mit an<strong>der</strong>en Versicherern verbunden<br />
sind. Ein Link von <strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> französischen<br />
Fluglinie auf das Portal eines Reiseversicherers unter<br />
dem <strong>Allianz</strong> Logo käme da nicht beson<strong>der</strong>s gut an.<br />
Solche Son<strong>der</strong>lösungen könnten bald noch häufiger<br />
nötig werden, denn mit ihrem Assistance-Unternehmen<br />
will die <strong>Allianz</strong> in Zukunft auch in neue Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
vorstoßen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich. »Da«,<br />
glaubt Unterguggenberger, »warten dann wie<strong>der</strong> neue<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Markenführung.«<br />
WWW.INTERBRAND.COM<br />
30<br />
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31
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
Russland – ein <strong>Land</strong>, das es sich leisten kann, zwei Zeitzonen abzuschaffen<br />
und dann immer noch neun davon zu haben; ein <strong>Land</strong>, in dem die Zwiebeltürme<br />
aus dem Boden schießen wie Pilze nach einem Sommerregen; ein<br />
<strong>Land</strong>, in dem es den Männern gelungen ist, ihre Lebenserwartung mit Wodka<br />
und Tabak auf 62 Jahre zu drücken, in dem <strong>der</strong> Präsident und <strong>der</strong> Regierungschef<br />
in regelmäßigen Abständen die Ämter tauschen und Autos in bar<br />
bezahlt werden. Reise in ein <strong>Land</strong>, das mit dem Verstand nicht zu fassen ist.<br />
TEXTE: FRANK STERN<br />
Shutterstock alle Fotos | auch Seite 35: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Birken. Birken, so weit das Auge reicht. Wer sich mit<br />
dem Zug in die russische Provinz aufmacht – und die<br />
beginnt gleich am Stadtrand von Moskau –, landet<br />
unweigerlich im Birkenwald. Die Kanadier haben ihren<br />
Ahorn, die Deutschen ihre Eiche. Die Russen haben<br />
Birken. »Die halten viel aus«, sagt Olga, unsere Begleiterin.<br />
Die meisten Russinnen heißen übrigens Olga.<br />
Vera Alexandrowna Emelina ist eine <strong>der</strong> wenigen<br />
Ausnahmen. Doch dazu später.<br />
Ein weiteres prägendes Element des <strong>Land</strong>es, in dem<br />
weniger Menschen als in Bangladesh auf einem mehr<br />
als hun<strong>der</strong>tmal so großen Territorium leben, sind die<br />
Zwiebeltürme. Bunt und golden, verspielt und prall<br />
kugeln sie in immer größerer Zahl in den russischen<br />
Himmel und künden nach Jahrzehnten frevelhafter<br />
Gottlosigkeit von <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>auferstehung <strong>der</strong> russischorthodoxen<br />
Kirche. Keine Bibelseite passt zwischen ihr<br />
Oberhaupt, Patriarch Kirill, und Russlands Präsidenten<br />
Wladimir Putin, den <strong>der</strong> Kirchenmann auch schon mal<br />
gern als Geschenk Gottes preist.<br />
Nicht je<strong>der</strong> im <strong>Land</strong> hält den aktuellen Präsidenten für<br />
einen Segen, zumindest in <strong>der</strong> Hauptstadt des Riesenreichs<br />
hat sich spürbare Opposition gegen Putins System<br />
<strong>der</strong> »gelenkten Demokratie« formiert. Doch hinter den<br />
Birkenwäl<strong>der</strong>n scheint <strong>der</strong> Rückhalt für den einstigen<br />
KGB-Offizier ungebrochen. Auch wenn er nicht alles<br />
gutheiße, was <strong>der</strong> Kreml verordne, könne man nicht<br />
leugnen, dass Putin dem <strong>Land</strong> ein gewisses Maß an<br />
Stabilität verschafft habe, meint einer unserer Gesprächspartner.<br />
»Außer ihm ist <strong>der</strong>zeit niemand in Sicht, <strong>der</strong><br />
das <strong>Land</strong> führen könnte.«<br />
Extrem anfällig<br />
Mit <strong>der</strong> Stabilität freilich könnte es schnell vorbei sein,<br />
wenn die Weltmarktpreise für Öl und Gas in den Keller<br />
gehen, an die Wohl und Wehe Russlands gekoppelt sind,<br />
sagt Professor Hans-Henning Schrö<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Stiftung<br />
Wissenschaft und Politik in Berlin (siehe Interview Seite 10).<br />
Die Rohstoffwirtschaft macht das <strong>Land</strong> extrem anfällig<br />
für Konjunkturschwankungen auf dem Weltmarkt. Als<br />
vor drei Jahren die Preise für Rohöl an den internationalen<br />
Börsen einbrachen, sank das Bruttoinlandsprodukt Russlands<br />
um acht Prozent.<br />
Doch keiner bestreitet, dass das <strong>Land</strong>, von dem <strong>der</strong><br />
Lyriker Fjodor Tjutschew einst meinte, es sei mit dem<br />
Verstand nicht zu fassen, über ein ungeheures Potenzial<br />
32<br />
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33
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
Müller<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
verfügt. Viele westliche Unternehmen jedenfalls setzen<br />
auf anhaltenden Aufschwung und nehmen bereits<br />
gezielt die wachsende Riege wohlhaben<strong>der</strong> Russen ins<br />
Visier. Bei einem Pressetermin im Juli in St. Petersburg<br />
schätzte BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson die Zahl<br />
<strong>der</strong> russischen Haushalte mit einem Jahreseinkommen<br />
von mindestens 60 000 Dollar auf sieben Millionen.<br />
Robertson rechnet damit, dass sich das Kontingent<br />
zahlungskräftiger Russen bis 2025 verdoppeln wird.<br />
In diesem Jahr peilt BMW den Absatz von 30 000 Fahrzeugen<br />
in Russland an, zehnmal so viele wie 2003.<br />
Wie viele an<strong>der</strong>e westliche Firmen setzt auch BMW auf die wachsende Schicht<br />
wohlhaben<strong>der</strong> Russen. In diesem Jahr will <strong>der</strong> deutsche Autobauer in Russland<br />
30 000 Fahrzeuge verkaufen<br />
Die Christ-Erlöser-Kathedrale an <strong>der</strong> Moskwa (Bild oben) war im Februar Bühne<br />
eines Anti-Putin-Auftritts <strong>der</strong> Gruppe Pussy Riot. Avantgarde, Dekadenz und Flower<br />
Power liegen in Moskau nah beieinan<strong>der</strong><br />
Der Grad des Fortschritts lässt sich auch an einem<br />
an<strong>der</strong>en Indikator ablesen, weniger spektakulär als<br />
eine deutsche Luxuskarosse, doch für die Zukunft des<br />
140 Millionen-Volkes wohl von größerer Bedeutung: die<br />
Zahl <strong>der</strong> Lebensversicherungen im <strong>Land</strong>. Viele Russen<br />
sind heute im Alter auf die Unterstützung ihrer Kin<strong>der</strong><br />
angewiesen. Wo die fehlt, wird es eng – die staatliche<br />
Unterstützung ist minimal. Private Vorsorge könnte<br />
Abhilfe schaffen, doch mit acht Dollar pro Kopf und Jahr<br />
bewegt sich die Lebensversicherung noch immer auf<br />
äußerst niedrigem Niveau. Sachversicherungen, vor<br />
allem die fürs Auto, lassen sich die Russen dagegen<br />
jährlich im Schnitt 295 Dollar kosten, die meist bar an<br />
die Versicherungsvertreter gezahlt werden. Russland<br />
ist nach wie vor eine Cash-Gesellschaft. Nach etlichen<br />
Finanzkrisen, bei denen viele Menschen all ihr Erspartes<br />
verloren, tendiert das Vertrauen in Banken gegen null.<br />
Selbst <strong>der</strong> Kaufpreis fürs Auto – für einen BMW geht das<br />
schon mal locker über die 100 000 Euro-Grenze – wird<br />
gelegentlich bar beglichen, »mit Rubel aus <strong>der</strong> Plastiktüte«,<br />
wie ein Journalist neulich notierte. Doch das hat<br />
vermutlich an<strong>der</strong>e Gründe.<br />
Für internationale Firmen ist <strong>der</strong> russische Markt seit<br />
jeher schwieriges Terrain. So schwierig, dass etliche<br />
Auslandsunternehmen die Segel inzwischen schon<br />
wie<strong>der</strong> gestrichen haben. Hakan Danielsson, seit Juli<br />
2011 Chef <strong>der</strong> russischen <strong>Allianz</strong> Tochter Rosno, kennt<br />
die Hürden, wie zum Beispiel, dass mancher Industriebereich<br />
für ausländische Versicherer tabu ist – aus<br />
Gründen <strong>der</strong> nationalen Sicherheit. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
steht Danielsson mit Behörden und Branchenvertretern<br />
durchaus in regem Austausch. »Die Russen sind sehr an<br />
unseren Erfahrungen aus an<strong>der</strong>en Märkten interessiert«,<br />
sagt <strong>der</strong> Schwede. »Welche Versicherungen sollten zur<br />
Pflicht gemacht werden, welche nicht? Wie lässt sich<br />
eine nachhaltige Altersvorsorge etablieren, wie die Krankenversicherung<br />
entwickeln – alles Fragen, zu denen sie<br />
unsere Meinung hören wollen.«<br />
Willfährige Justiz<br />
Reformbedarf gibt es nicht nur im Versicherungsbereich,<br />
auch das russische Justizwesen hinkt <strong>der</strong> Entwicklung<br />
hinterher. »Zu Sowjetzeiten waren die Gerichte ein<br />
Instrument des Staates«, sagt Danielsson. »Und auch<br />
heute sind sie nicht wirklich unabhängig. Das ist ein<br />
Problem.« Von dem gerade erfolgten Beitritt Russlands<br />
zur Welthandelsorganisation WTO – nach 18 Jahren Verhandlungen<br />
– versprechen sich ausländische Investoren<br />
nun eine deutliche Verbesserung des Geschäftsklimas<br />
und größere Rechtssicherheit. Russische Unternehmen<br />
dagegen sehen <strong>der</strong> Marktöffnung mit gemischten Gefühlen<br />
entgegen, müssen sie sich doch künftig gegen<br />
internationale Konkurrenz behaupten.<br />
Die Sommerabende an <strong>der</strong> Moskwa versöhnen für ein<br />
paar Stunden mit all den Unzulänglichkeiten, die ein<br />
<strong>Land</strong> prägen, das seit mehr als 25 Jahren einen Umbruch<br />
nach dem an<strong>der</strong>en durchlebt hat. Vergessen das Chaos<br />
am Flughafen, die Staus auf den Straßen, die runtergekommenen<br />
Plattensiedlungen. Moskau ist jung und laut<br />
und schrill. Die neureiche Schicht haut die Rubel in den<br />
34<br />
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<br />
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35
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
angesagten Restaurants raus, als gäbe es kein Morgen,<br />
die an<strong>der</strong>en treffen sich auf ein paar Bier im Park und<br />
machen Musik. Es scheint, als wolle die Zehn-Millionen-<br />
Metropole die westliche Entwicklung <strong>der</strong> vergangenen<br />
Jahrzehnte im Zeitraffer nachholen. Avantgarde und<br />
Dekadenz und Flower Power – alles liegt nah beieinan<strong>der</strong>.<br />
Hinter <strong>der</strong> Christ-Erlöserkirche auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
<strong>der</strong> Moskwa geht die Sonne unter und taucht den Fluss<br />
in ein weiches Licht. <strong>Im</strong> Februar hatten dort drüben<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Frauenpunkband Pussy Riot den Altar<br />
gestürmt und die Muttergottes angefleht, Russland von<br />
Putin zu erlösen. Monatelang saßen drei von ihnen in<br />
Untersuchungshaft. Patriarch Kirill hatte in dem Stunt<br />
den Teufel höchstselbst am Werk gesehen.<br />
Ein paar irre Motorradfahrer jagen mit Überschallgeschwindigkeit<br />
die Uferstraße entlang, Stretchlimos<br />
fahren betont langsam vorbei, und auf <strong>der</strong> Moskwa-<br />
Brücke entledigt sich ein junges Mädchen ihres T-Shirts,<br />
um barbusig ihre Chance auf eine billige Mitfahrgelegenheit<br />
zu erhöhen. Taxis kosten in Moskau ein Vermögen.<br />
Lange warten muss sie nicht.<br />
Seit April tritt die frühere Rosno zusammen mit <strong>der</strong> Industrieversicherungssparte<br />
und Progress Garant als <strong>Allianz</strong> Russland auf<br />
Sinn für<br />
Chancen<br />
Wie man einen Marktführer lenkt,<br />
hat Hakan Danielsson schon vorgemacht.<br />
Jetzt soll er zeigen, wie man<br />
einer wird. Da hat er einiges vor sich:<br />
Noch ist die <strong>Allianz</strong> in Russland von<br />
<strong>der</strong> Spitze ein gutes Stück entfernt.<br />
»Schweden ist echt langweilig«, sagt Hakan Danielsson<br />
über seine Heimat. »Alles dort ist so geordnet und stabil.«<br />
Nichts für einen Mann, für den <strong>der</strong> Weg das Ziel ist. Inzwischen<br />
kann sich <strong>der</strong> 51-Jährige über Langeweile nicht<br />
mehr beklagen. Ordnung und Stabilität jedenfalls sind<br />
eher nicht die Attribute, die einem auf Anhieb zu Russland<br />
einfallen würden, wo Danielsson seit gut einem Jahr<br />
lebt. Bevor er nach Moskau kam, war er einige Jahre Chef<br />
von Länsförsänkringar – Marktführer unter Schwedens<br />
Sachversicherern. »Wenn wir unseren Anteil um 0,2 Prozent<br />
ausbauen konnten, war das schon ein Grund zum<br />
Feiern«, erzählt er. »So was macht einfach keinen Spaß.«<br />
Vor gut einem Jahr holte ihn <strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann<br />
an die Spitze von Unternehmenstochter Rosno.<br />
Obwohl in Russland weithin ein Begriff, liegt Rosno im<br />
Sachgeschäft aktuell nur auf Rang acht, in <strong>der</strong> Lebensversicherung<br />
auf Platz sechs – außerhalb des Bereichs,<br />
den Diekmann für ein Weltunternehmen für angemessen<br />
hält.<br />
alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
Hakan Danielsson<br />
»Wir haben das Ziel, unter den ersten drei zu sein«,<br />
erklärte er im Juli in einem Interview mit <strong>der</strong> russischen<br />
Zeitung Vedomosti. Nur dann sei man in einer Position,<br />
den Markt aktiv mitzugestalten. Allerdings müsse Russland<br />
auch bereit sein, <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> eine solche Position<br />
zuzugestehen, so Diekmann weiter. »Wir wissen wie’s<br />
geht. Wir wissen wie man das Versicherungsgeschäft<br />
nachhaltig betreibt und können unsere ganze Expertise<br />
einbringen.«<br />
Auch beim Thema saubere Unternehmensführung.<br />
Aktuell steht Russland im Korruptionsindex von Transparency<br />
International an Position 143. Durchstechereien<br />
sind in <strong>der</strong> russischen Geschäftswelt gang und gäbe,<br />
und wer das Spiel nicht mitspielt, hat nicht selten das<br />
Nachsehen. »Zuweilen geht uns dadurch Geschäft<br />
verloren«, bestätigt Hakan Danielsson. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite suchten gerade internationale Unternehmen Geschäftspartner<br />
mit weißer Weste. »Solche wie uns.«<br />
Bei einem Treffen mit rund 500 Mitarbeitern verschiedener<br />
Gruppengesellschaften im Juli in Moskau unterstrich<br />
Michael Diekmann die Bedeutung von <strong>Im</strong>age und<br />
Reputation, gerade in Zeiten, da Finanzdienstleistern<br />
weithin Misstrauen entgegenschlägt. Er würde eher<br />
auf ein lukratives Geschäft verzichten, als den Ruf des<br />
Unternehmens aufs Spiel zu setzen, hob <strong>der</strong> Konzernchef<br />
hervor. Dass Rosno seit April landesweit unter dem<br />
Namen <strong>Allianz</strong> auftritt, sieht Diekmann daher auch als<br />
Verpflichtung für das Management vor Ort. »Es gibt in<br />
<strong>der</strong> Geschäftswelt keinen größeren Vertrauensbeweis als<br />
die Übertragung <strong>der</strong> Markenrechte an ein Tochterunternehmen«,<br />
sagt er.<br />
Gleichzeitig mit <strong>der</strong> Umfirmierung wurden die Sach- und<br />
Industrieversicherer Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia<br />
mit Rosno zusammengeführt. Dass dabei nicht alles<br />
rund lief, daraus macht Hakan Danielsson keinen Hehl.<br />
Etliche Mitarbeiter sind im Zuge <strong>der</strong> Neustrukturierung<br />
denn auch abgesprungen, und es waren nicht immer die<br />
schlechtesten. Danielsson will nun ein neues Kapitel aufschlagen,<br />
und er scheint den richtigen Ton zu treffen –<br />
im wahrsten Sinne: Schon nach einem Jahr beherrschte<br />
<strong>der</strong> studierte Mathematiker erstaunlich gut Russisch.<br />
»Nicht perfekt«, sagt er, »aber die Leute verstehen mich.«<br />
Monatelang hatte er dafür nach <strong>der</strong> Arbeit noch bis in<br />
die Nacht gebüffelt.<br />
Der Vater eines Sohns und einer Tochter mag die Sprache,<br />
und er hat einen guten Draht zu den Menschen.<br />
»Schweden und Russen haben viel gemeinsam«, findet<br />
er. »Wir spielen Eishockey, wir lieben die Jagd und gehen<br />
fischen. Wir haben unsere Datschen im Wald und wir<br />
haben unsere Saunen. Man könnte sagen, Schweden ist<br />
eine Miniversion von Russland.« Nur, wie schon erwähnt,<br />
um einiges langweiliger. Danielsson zieht Wachstumsmärkte<br />
wie Russland vor. »Es passiert einfach mehr – in<br />
positiver wie in negativer Hinsicht«, sagt er. »Und man<br />
kann stärker Einfluss auf Entwicklungen nehmen.«<br />
<strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann stellte sich in Moskau den Fragen <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
zur Zukunft <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> in Russland<br />
Sjukow<br />
36<br />
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37
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
Mittlerweile hat er sich im ganzen <strong>Land</strong> umgesehen und<br />
sich den Mitarbeitern in vielen <strong>der</strong> 92 Nie<strong>der</strong>lassungen<br />
zwischen Kaliningrad und Kamtschatka vorgestellt.<br />
Gefragt, welcher Ort ihm bei seinen Reisen am besten<br />
gefallen hat, muss er nicht lange überlegen: »Wladiwostok«,<br />
sagt er, die Stadt ganz fern im Osten am<br />
Japanischen Meer. »Es sieht aus wie San Francisco«,<br />
schwärmt Danielsson. »Sonne auf den schneebedeckten<br />
Hügeln, unten <strong>der</strong> Hafen – unbeschreiblich.«<br />
Bei seinen Begegnungen sei er bei den Russen auf einen<br />
enormen Unternehmergeist getroffen, preist er die<br />
Qualitäten <strong>der</strong> Einheimischen. Und als sein deutscher<br />
Gesprächspartner dies mit einem ungläubigen Blick<br />
quittiert – eine russische Autorin hat ihr <strong>Land</strong> erst<br />
kürzlich wie<strong>der</strong> als groß und träge beschrieben –, legt<br />
Danielsson nach. An<strong>der</strong>s als die Deutschen seien die<br />
Russen weit experimentierfreudiger, sagt er: »Sie probieren<br />
Dinge aus, und wenn sie nicht klappen, versuchen<br />
sie einen an<strong>der</strong>en Weg. Russen haben einen Sinn für<br />
Chancen, die Deutschen bilden eine Arbeitsgruppe und<br />
entwickeln Pläne.«<br />
Das wäre also auch geklärt.<br />
WWW.ALLIANZ.RU<br />
alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
Geschichten<br />
von <strong>der</strong> Wolga<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />
Moskau<br />
RUSSLAND<br />
1991 Gründung <strong>der</strong> Ost-West <strong>Allianz</strong><br />
(später <strong>Allianz</strong> Russia)<br />
2002 die <strong>Allianz</strong> beteiligt sich mit 45 Prozent<br />
an Rosno<br />
2003 Gründung <strong>der</strong> Rosno Lebensversicherung<br />
2007 die <strong>Allianz</strong> wird alleiniger Eigentümer von Rosno<br />
2010 die <strong>Allianz</strong> startet das Pensionsfondsgeschäft in Russland<br />
2012 Rosno, Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia werden<br />
zusammengeführt und treten im Markt gemeinsam<br />
unter <strong>der</strong> Marke <strong>Allianz</strong> auf<br />
SACHVERSICHERUNG ROSNO<br />
• Umsatz 2011 535 Millionen Euro<br />
• Marktposition acht<br />
• 5400 Mitarbeiter<br />
• 10 000 Vertreter<br />
LEBENSVERSICHERUNG ALLIANZ ROSNO LIFE<br />
• Umsatz 2011 60 Millionen Euro<br />
• Marktposition sechs<br />
• 370 Mitarbeiter<br />
• 4500 Vertreter<br />
(Angaben: <strong>Allianz</strong> Russland)<br />
Versicherungsmarkt Russland<br />
Bevölkerung 140 Millionen<br />
Territorium<br />
17 Millionen Quadratkilometer<br />
VERSICHERUNGSDURCHDRINGUNG<br />
(Prämien in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2011)<br />
• Gesamtgeschäft 2,4 Prozent<br />
• Lebensgeschäft 0,1 Prozent<br />
• Sachgeschäft 2,3 Prozent<br />
• Position weltweit 53<br />
VERSICHERUNGSDICHTE 2011<br />
Prämien Lebensversicherung pro Kopf acht US-Dollar<br />
Prämien Sachversicherung pro Kopf 295 US-Dollar<br />
(Angaben: Swiss Re, sigma Nr. 3/2012)<br />
Die Wolga ist mit mehr<br />
als 3500 Kilometern <strong>der</strong><br />
längste Fluss Europas<br />
Bei einem ihrer ersten Kundenbesuche flog Vera Alexandrowna<br />
Emelina gleich wie<strong>der</strong> raus, kaum dass sie das Wort Versicherung auch<br />
nur ausgesprochen hatte. Heute ist die studierte Physikerin Chefin des<br />
Wolga-Direktorats <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Russland. Das Gebiet ist größer als Polen.<br />
Es gab Zeiten, da arbeitete Vera Alexandrowna Emelina<br />
als Ingenieurin am sowjetischen Raumfahrtprogramm<br />
mit. Zehn Jahre lang. Dann hob Michail Gorbatschow<br />
die Welt aus den Angeln, das Sowjetreich zerbrach, und<br />
Emelina, die ihr Fach theoretische Physik an <strong>der</strong> Uni einst<br />
mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, verlor ihren Job.<br />
Für den Griff nach den Sternen hatte das <strong>Land</strong> kein<br />
Geld mehr.<br />
Vera Emelina gehört zu jener Generation von Russen,<br />
<strong>der</strong>en Lebensplanung durch den gesellschaftlichen<br />
Umbruch vor 20 Jahren auf den Kopf gestellt wurde.<br />
»Mit <strong>der</strong> Perestroika än<strong>der</strong>te sich alles«, sagt sie. »Und<br />
eher zum Besseren.« Emelina versuchte, in <strong>der</strong> neuen<br />
Ordnung einen Platz zu finden, sattelte um und schlug<br />
sich in ihrer Heimatstadt Nischni Nowgorod zunächst<br />
mit dem Verkauf von Versicherungen durch. Sie ließ<br />
38<br />
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<br />
39
privat<br />
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
»Russische Frauen können alles«,<br />
findet Vera Emelina, »auch schwierige<br />
Kunden erweichen. Männer sind zu<br />
undiplomatisch und zu wenig kompromissbereit.«<br />
Irina Petrjankina,<br />
Marina Pogudina und Tatjana Pintschuk<br />
(v.l.) sind ihre besten Verkäuferinnen<br />
Vera Emelina<br />
In Jaroslawl können sich Sergej Milykh (li.) und Ilja Muraschow dagegen ganz<br />
gut neben <strong>der</strong> Topverkäuferin Elena Balnikowa behaupten<br />
alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
Wie seine Kollegin Emelina in Nischni Nowgorod hat<br />
auch Garin nie daran gedacht, seine Stadt Richtung<br />
Moskau zu verlassen, obwohl das Gehaltsniveau in <strong>der</strong><br />
Hauptstadt zwei- bis dreimal höher ist als in <strong>der</strong> Provinz.<br />
Die paar mal, die er zu Besprechungen in die Zentrale<br />
muss, reichen ihm vollkommen, sagt <strong>der</strong> 44-Jährige.<br />
Garin liebt die Wolga, <strong>der</strong> Traum eines jeden Anglers.<br />
Seine Datscha liegt 70 Kilometer von <strong>der</strong> Stadt entfernt,<br />
das Brennholz für Ofen und Sauna schlägt er selbst.<br />
<strong>Im</strong> Winter – die Temperaturen können dann locker die<br />
Marke von minus 20 Grad unterschreiten – geht er mit<br />
seiner Tochter Eisbaden. Der dreijährige Sohn ist für<br />
solche Abenteuer noch zu klein.<br />
Man könnte sagen, Garin hat es geschafft. Nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />
dass er die neue Zeit als Befreiung empfindet.<br />
Waren die Lebensumstände <strong>der</strong> meisten früher annähernd<br />
gleich, gibt es heute allerdings massive Unterschiede.<br />
Dennoch zieht Garin ein System vor, in dem es je<strong>der</strong> selbst<br />
in <strong>der</strong> Hand hat, etwas aus seinem Leben zu machen. »Es<br />
geht gar nicht darum, reich zu sein«, sagt er. »Viel wichtiger<br />
ist die Freiheit, über sein Leben selbst zu bestimmen<br />
und Chancen zu nutzen.« Die jüngere Generation hat da<br />
oft etwas an<strong>der</strong>e Vorstellungen. »Die sind zum Teil schon<br />
sehr for<strong>der</strong>nd«, hat Garin festgestellt. Die Anspruchshaltung<br />
des potenziellen Nachwuchses macht es ihm<br />
jedenfalls nicht immer leicht, neue Mitarbeiter zu finden:<br />
»Die Jungen wollen alles auf einmal – und das sofort.«<br />
Renaissance des Glaubens<br />
Vera Emelina, Direktionsleiterin in Nischni Nowgorod,<br />
400 Kilometer die Wolga stromabwärts, hat mit dem<br />
Nachwuchs weniger Probleme. Sie rekrutiert viele Mitarbeiter<br />
direkt von <strong>der</strong> Uni, das Gros ihrer Vertreter hat<br />
einen höheren Schulabschluss. »Die meisten jungen Leute<br />
bleiben hier«, sagt sie, »Nachwuchssorgen haben wir<br />
keine.« Was auch für die Bevölkerung insgesamt gilt. Die<br />
Renaissance des Glaubens habe dazu geführt, dass sich<br />
Familien wie<strong>der</strong> für mehr Kin<strong>der</strong> entschieden, sagt die<br />
Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen. Ihre jüngste<br />
Tochter hat sie aus einem Waisenhaus adoptiert.<br />
14 Geschäftsfilialen mit insgesamt 1200 Vertretern<br />
gehören zu Emelinas Reich. Und wo an<strong>der</strong>e zu kämpfen<br />
haben, damit verdient sie Geld. »Die Autoversicherung<br />
ist unser profitabelstes Geschäftssegment«, sagt die<br />
Direktionschefin, die mit Nischni Nowgorod gleichzeitig<br />
auch die erfolgreichste Filiale <strong>der</strong> Region führt. »Das<br />
funktioniert natürlich nur, wenn man die richtige Risiko-<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Jewgeni Garin<br />
In Jaroslawl, 300 Kilometer nordöstlich von Moskau an <strong>der</strong> Mündung des Flusses Kotorosl in die Wolga gelegen, leben heute fast 600 000 Einwohner<br />
sich auch von Rückschlägen wie bei jenem Chef einer<br />
Bäckerei nicht abschrecken, <strong>der</strong> sie, kaum dass sie den<br />
Fuß in <strong>der</strong> Tür hatte, wie<strong>der</strong> rauswarf. »Er hatte mit seiner<br />
alten Versicherungsgesellschaft ziemlich schlechte<br />
Erfahrungen gemacht«, erzählt sie. »War ein ungünstiger<br />
Zeitpunkt.« Heute ist er einer ihrer treuesten Kunden.<br />
Auch Jewgeni Garin, Leiter <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Agentur in Jaroslawl<br />
an <strong>der</strong> Wolga, knapp 300 Kilometer nordöstlich<br />
von Moskau, ist ein Quereinsteiger. Nach dem Studium,<br />
das er noch unterm roten Stern begonnen hatte, stand<br />
er erstmal auf <strong>der</strong> Straße. Wie viele an<strong>der</strong>e damals versuchte<br />
er sein Glück als fliegen<strong>der</strong> Händler. Alles, was<br />
sich irgendwie zu Geld machen ließ, Garin kaufte und<br />
verkaufte. Keine schlechte Schule: 1996, nach drei Jahren<br />
Durststrecke, schaffte er es in die Vertriebsabteilung<br />
einer lokalen Brauerei. Seit 2007 leitet er die Rosno-Filiale<br />
in Jaroslawl. Inzwischen leuchtet am Bürogebäude das<br />
<strong>Allianz</strong> Logo.<br />
64 Millionen Rubel, rund 1,6 Millionen Euro, haben er<br />
und seine 25 Mitarbeiter in Jaroslawl und Umgebung im<br />
letzten Jahr an Prämien eingenommen. Mit 27 Millionen<br />
Rubel ist die Firmenversicherung <strong>der</strong> größte Beitragsposten<br />
– Energie, Chemie, Transport. Jaroslawl, eine<br />
alte Handelsmetropole mit tausendjähriger Geschichte,<br />
ist nicht nur beliebtes Touristenziel, son<strong>der</strong>n auch ein<br />
wichtiger Industriestandort. In diesem Jahr will Garin die<br />
Prämieneinnahmen um zehn Millionen Rubel steigern.<br />
Bar auf die Hand<br />
Während Firmen in Russland ihre Versicherungsprämien<br />
per Bank überweisen, zahlen Privatkunden ihre Beiträge<br />
dem Vertreter bar auf die Hand. Der liefert das Geld<br />
regelmäßig in <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Filiale ab, wo es zunächst im<br />
Tresor und dann auf <strong>der</strong> Bank landet. Es ist ein aufwändiges<br />
und intransparentes Verfahren, das auch <strong>Allianz</strong><br />
Russland-Chef Hakan Danielsson Kopfschmerzen bereitet:<br />
»Solche Geldströme sind nur schwer zu kontrollieren.«<br />
Er setzt darauf, dass mit fortschreiten<strong>der</strong> Verbreitung<br />
des Internets immer mehr Kunden auf Online-Banking<br />
umsteigen. Dann könnte Garin seinen Safe ausmustern.<br />
40<br />
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41
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
Photos obere Reihe: dpa / picture-alliance<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />
auswahl trifft«, sagt sie. So ist zum Beispiel <strong>der</strong> gesamte<br />
Fuhrpark <strong>der</strong> Regionalverwaltung von Nischni Nowgorod<br />
über Emelinas Geschäftsstelle versichert – 18 Millionen<br />
Rubel an Prämieneinnahmen pro Jahr. Schadenmeldungen<br />
gibt es so gut wie keine: Werden die Beamten in einen Verkehrsunfall<br />
verwickelt, haben immer die an<strong>der</strong>en schuld.<br />
Weniger glücklich ist die Direktionschefin mit dem<br />
Bereich Agrarversicherung. »Das ist ein sehr risikoreiches<br />
Geschäft, mit dem sich kaum Geld verdienen lässt«,<br />
lautet ihr Resümee. »Sämtliche Einnahmen müssen wir<br />
an Schäden wie<strong>der</strong> auszahlen.« Auch dieses Jahr gab es<br />
keine Entspannung: Entlang <strong>der</strong> Wolga, im Süd-Ural und<br />
in Westsibirien verursachte anhaltende Dürre schwere<br />
Ernteausfälle. An einigen Orten holten sich Gebietsfunktionäre<br />
und Bauern in ihrer Verzweiflung göttlichen<br />
Beistand an die Seite: Priester <strong>der</strong> orthodoxen Kirche<br />
hielten öffentliche Messen ab, in denen die versammelte<br />
Gemeinde für Regen betete.<br />
Von einem durchschlagenden Erfolg geht das russische<br />
<strong>Land</strong>wirtschaftsministerium offenbar nicht aus. Für<br />
dieses Jahr hat es seine Prognosen für die Getreideernte<br />
auf 80 bis 85 Millionen Tonnen gesenkt – zehn bis 15<br />
Millionen Tonnen weniger als 2011.<br />
Denkmäler für Minin und Poscharski, den Anführern des<br />
Volksaufstandes 1611 gegen die polnische Invasion, finden sich<br />
wie hier in Nischni Nowgorod in vielen Städten Russlands<br />
Unbegrenzte<br />
Möglichkeiten<br />
Für einen Industrieversicherer wie <strong>Allianz</strong> Global<br />
Corporate & Specialty (AGCS) ist Russland so etwas wie<br />
das <strong>Land</strong> <strong>der</strong> unbegrenzten Möglichkeiten. Theoretisch<br />
zumindest. In <strong>der</strong> Praxis tun sich bislang allerdings doch<br />
etliche Hürden auf. Eine davon ist <strong>der</strong> weiterhin beträchtliche<br />
staatliche Einfluss und die Abschottung verschiedener<br />
Wirtschaftsbereiche gegen ausländische Anbieter.<br />
Zudem decken viele Großkonzerne ihre Risiken intern<br />
über so genannte Captives, was dem Versicherungsmarkt<br />
einen Großteil des Geschäfts entzieht. An<strong>der</strong>e, wie<br />
Gazprom, mischen selbst im Versicherungsmarkt mit.<br />
Ein weiteres Handicap ist die generell geringe Neigung<br />
<strong>der</strong> Russen, sich gegen mögliche Gefahren abzusichern.<br />
Das gilt nicht nur für den kleinen Mann auf <strong>der</strong> Straße.<br />
Auch viele Firmen sind entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> notorisch<br />
unterversichert, sagt Willy Schaugg, <strong>Land</strong>esmanager<br />
<strong>der</strong> AGCS für Russland, die bisher als <strong>Allianz</strong> Russia auftrat<br />
und seit April unter dem Dach <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Russland<br />
angesiedelt ist.<br />
Trotz <strong>der</strong> schwierigen Ausgangslage ist es <strong>der</strong> russischen<br />
Industrieversicherungssparte <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> zwischen 2006<br />
und 2011 gelungen, den Umsatz von 38 Millionen Dollar<br />
auf 100 Millionen Dollar zu steigern. Und das keineswegs<br />
nur durch die Kooperation mit Auslandsunternehmen,<br />
die von ihr in Russland betreut werden wie Toyota o<strong>der</strong><br />
VW o<strong>der</strong> Siemens. Mittlerweile ist AGCS auch in <strong>der</strong><br />
russischen Wirtschaft eine gefragte Adresse. Von <strong>der</strong><br />
engeren Anbindung <strong>der</strong> Industriesparte an die <strong>Allianz</strong><br />
Russland verspricht sich <strong>der</strong>en Chef Hakan Danielsson<br />
für die Zukunft noch größere Durchschlagskraft.<br />
»Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das in Wladiwostok<br />
eine Produktionsstätte errichten will«, entwickelt <strong>der</strong><br />
Schwede ein mögliches Szenario. »Einer unserer lokalen<br />
Repräsentanten steht als direkter Kontakt vor Ort zur Verfügung,<br />
und am nächsten Tag fliegt ein <strong>Allianz</strong> Experte<br />
aus den USA ein, um die für diesen Betrieb spezifischen<br />
Risiken zu analysieren.« Das sei ein wirklich starkes Signal<br />
in den Markt, so Danielsson. Kein an<strong>der</strong>es Unternehmen<br />
könne mit einer solchen Kombination aus lokaler Präsenz<br />
und globalem Know-how aufwarten.<br />
Trotz <strong>der</strong> noch vorhandenen Hürden: Werner Lellinger,<br />
bis April Geschäftsführer <strong>der</strong> Industriesparte <strong>Allianz</strong><br />
Russia, sieht deutliche Fortschritte. »Der Markt öffnet<br />
sich immer mehr. Nicht zuletzt, weil auch für russische<br />
Unternehmen die finanzielle Stabilität ihrer Versicherung<br />
zunehmend zum Thema wird«, beschreibt er die Lage.<br />
»Sie schätzen das hohe Rating <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>.« Mit rund<br />
60 <strong>der</strong> 150 größten, an <strong>der</strong> russischen Börse notierten<br />
Unternehmen hat die <strong>Allianz</strong> inzwischen Versicherungsverträge<br />
abgeschlossen, darunter Sovcomflot, eines <strong>der</strong><br />
weltweit größten Tankerunternehmen, o<strong>der</strong> mit den<br />
Energiegiganten Gazprom, Lukoil und Rosneft.<br />
Einen Schub erwarten sich Schaugg und Lellinger auch von<br />
den sportlichen Großereignissen, die in den kommenden<br />
Jahren in Russland anstehen: die Weltsommerspiele <strong>der</strong><br />
Studenten 2013, die Olympischen Winterspiele 2014, die<br />
Eishockey-WM 2016 und die Fußball-Weltmeisterschaft<br />
2018. Allein für die Fußball-WM beziffert das russische<br />
Sportministerium den Investitionsbedarf auf knapp<br />
16 Milliarden Euro. Die <strong>Allianz</strong> ist unter an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong><br />
Rückversicherung für den Bau des Zenit-Stadions in<br />
Die <strong>Allianz</strong> ist an <strong>der</strong> Versicherung des neuen<br />
Zenit-Stadions in St. Petersburg (Bild links) und<br />
des Olympischen Dorfs in Sotschi beteiligt<br />
Russland will in den nächsten Jahren Milliarden in den Ausbau des Streckennetzes<br />
und den Kauf mo<strong>der</strong>ner Züge stecken. Der Sapsan von Siemens verkehrt bislang nur<br />
auf den Strecken Moskau – St. Petersburg und Moskau – Nischni Nowgorod<br />
St. Petersburg beteiligt, und auch einige Projekte für die<br />
Winterspiele in Sotschi, wie die Eishockeyarena und das<br />
Olympische Dorf, stehen auf ihrer Liste.<br />
Doch die Perspektiven gehen über die mit solchen<br />
Großveranstaltungen verbundenen Investitionen hinaus.<br />
In den kommenden Jahren wird Russland enorme<br />
Summen in seine marode Infrastruktur stecken müssen,<br />
will es im Wettbewerb mit an<strong>der</strong>en Staaten nicht<br />
zurückfallen. Allein für Ausbau und Erneuerung des<br />
Schienennetzes und die Anschaffung neuer Züge will<br />
die Regierung bis 2030 rund 380 Milliarden Euro aufbringen<br />
– ein Konjunkturprogramm, von dem auch die<br />
Versicherungswirtschaft profitieren dürfte.<br />
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43
RUSSLAND<br />
SPEZIAL<br />
dpa / picture-alliance<br />
Stern<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Väterchen Frost<br />
im Tank<br />
Russische Winter haben es in sich. »Bei minus 40 Grad gefriert auch <strong>der</strong><br />
beste Diesel«, sagt Nicholas Hall, Chef von Mondial Assistance in Moskau.<br />
Für eine Firma, die sich auf Pannen spezialisiert hat, ist das wie Werbung.<br />
»<strong>Im</strong> Winter«, sagt Hall, »brummt das Geschäft.«<br />
Dieses Video, in dem ein BBC-Reporter irgendwo in<br />
Sibirien den Kaffee aus seiner Tasse in die Luft schüttet<br />
und das eben noch kochend heiße Getränk wie Schnee<br />
zur Erde rieselt – plastischer kann man nach Ansicht von<br />
Nicholas Hall nicht darstellen, was Winter in Russland<br />
bedeutet. »Bei den extremen Temperaturen haben<br />
manchmal sogar unsere Techniker Probleme, bis zu<br />
einem liegen gebliebenen Fahrzeug vorzudringen«,<br />
berichtet <strong>der</strong> Brite. Von <strong>der</strong> Vor-Ort-Reparatur ganz zu<br />
schweigen. »Wer bei dieser Kälte die Handschuhe auszieht,<br />
dem frieren die Finger ab«, sagt Hall. In so einem<br />
Fall bleibt nur eine Option: Auto an den Haken und ab<br />
in die Werkstatt.<br />
2011 gingen in <strong>der</strong> Telefonzentrale von Mondial Assistance<br />
in Moskau 45 000 Pannennotrufe ein. Vor allem<br />
im Winter, wenn Väterchen Frost so richtig die Muskeln<br />
spielen lässt, laufen die Drähte heiß. Dann wird die Mitarbeiterzahl<br />
von den üblichen 75 auf mehr als 100 aufgestockt.<br />
Viele internationale Automarken wie BMW,<br />
Mitsubishi, Volvo, Peugeot und Lamborghini setzen auf<br />
den Service <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Tochter, die 2008 in Russland<br />
an den Start gegangen ist. <strong>Im</strong> letztem Jahr hat sie ihren<br />
Aktionsradius auch auf die Ukraine, nach Kasachstan<br />
und Weißrussland ausgedehnt.<br />
Aktuell sind etwa 550 000 Fahrzeuge in Russland über<br />
Mondial Assistance gegen frostgeschockte Autobatterien<br />
und an<strong>der</strong>e Unbilden abgesichert, die einen auf Russlands<br />
Straßen ereilen können. Kein an<strong>der</strong>er Anbieter deckt<br />
mehr Fahrzeuge ab. Gegenwärtig macht die Pannenhilfe<br />
noch den größten Teil des Mondial-Umsatzes aus, <strong>der</strong> im<br />
vergangenen Jahr 5,5 Millionen Euro erreichte – 75 Prozent<br />
mehr als ein Jahr zuvor. In diesem Jahr könnten es um<br />
die acht Millionen Euro werden, und wenn es weitergeht<br />
wie geplant, sagt Hall, könnten es in drei, vier Jahren<br />
schon 15 bis 17 Millionen Euro sein.<br />
Nicholas Hall<br />
Den Markt dominieren russische Anbieter, die nicht selten<br />
mit Dumpingpreisen Newcomer auf Abstand halten. Allerdings<br />
beginnt sich im Markt immer mehr die Erkenntnis<br />
durchzusetzen, dass Qualität nicht für Dumpingpreise zu<br />
haben ist. »Wir positionieren uns bewusst als Unternehmen,<br />
das zwar nicht zu den billigsten zählt, dafür aber<br />
exzellenten Service bietet«, sagt Hall. »Und das zahlt<br />
sich aus.«<br />
<strong>Im</strong> Bereich Pannenhilfe arbeitet Mondial Assistance<br />
Russland, die ab Oktober als <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />
firmieren wird, <strong>der</strong>zeit landesweit mit Serviceunternehmen<br />
in 110 größeren Städten zusammen. Deren<br />
Reichweite beschränkt sich allerdings auf einen überschaubaren<br />
Radius und deckt nicht jeden Winkel des<br />
Riesenreiches ab. Wer also irgendwo in <strong>der</strong> Wildnis<br />
in Kamtschatka liegenbleibt, für den könnte die Rückführung<br />
seines Fahrzeugs richtig teuer werden.<br />
Wie groß Russland ist, davon hat sich Hall bei Reisen<br />
nach St. Petersburg und Irkutsk, nach Nowosibirsk und<br />
Samara selbst einen Eindruck verschaffen können.<br />
»Es sind völlig an<strong>der</strong>e Dimensionen, als wir sie gewohnt<br />
sind«, sagt <strong>der</strong> 55-Jährige, dessen Familie in Großbritannien<br />
lebt. Auch mit seinem aktuellen Arbeitsplatz<br />
Moskau hat er sich mittlerweile angefreundet. »Ich fühle<br />
mich hier sicherer als in London«, sagt er. »In London<br />
haben sie überall Kameras installiert. Die sind nützlich,<br />
aber im Ernstfall ist man tot, bevor jemand zu Hilfe<br />
kommt. Hier in Moskau sind einfach mehr Polizisten<br />
auf <strong>der</strong> Straße.«<br />
Dass das Gefühl von Sicherheit trügerisch sein kann, zeigte<br />
sich einmal mehr im Januar 2011, als Terroristen auf dem<br />
Moskauer Flughafen Domodejevo einen Bombenanschlag<br />
verübten, bei dem 36 Menschen getötet wurden. Querbeet:<br />
Russen, Kirgisen, Tadschiken, Usbeken, Deutsche,<br />
Englän<strong>der</strong>, Österreicher. Über 150 Menschen wurden verletzt.<br />
Zwei von Halls Kollegen befanden sich zum Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Explosion in unmittelbarer Nähe. Doch sie hatten<br />
Glück – beide blieben unverletzt.<br />
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Deutschland<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
... Eltern sein<br />
Jedes Jahr verunglücken in Deutschland<br />
Shutterstock<br />
Wenn es darum geht, ihre Kin<strong>der</strong> vor den Fährnissen des Lebens zu schützen,<br />
lassen sich die Deutschen von kaum einem Volk übertreffen. Fahrradhelm,<br />
Steckdosensicherung, Schutzimpfung – nichts wird dem Zufall überlassen.<br />
Auf den Ernstfall sind sie trotzdem nur unzureichend vorbereitet.<br />
FRANK STERN<br />
dagegen sehr<br />
Welche Befürchtungen haben Eltern mit kleinen Kin<strong>der</strong>n<br />
und wie sichern sie sich ab? Dieser Frage sind die <strong>Allianz</strong><br />
Deutschland und die Zeitschrift ELTERN Anfang dieses<br />
Jahres in einer repräsentativen Untersuchung nachgegangen.<br />
Befragt wurden 1000 Frauen und Männer in<br />
Deutschland, <strong>der</strong>en erstes Kind unter vier Jahre alt war.<br />
Das Ergebnis: Fast drei Viertel <strong>der</strong> Teilnehmer fühlen sich<br />
gut abgesichert, doch eine Risikolebensversicherung, die<br />
die Angehörigen für den Fall des Todes absichert, hatte<br />
von ihnen lediglich ein gutes Drittel (35 Prozent). Bei <strong>der</strong><br />
Berufsunfähigkeitsversicherung waren es 28 Prozent.<br />
Nicht besser sieht es bei <strong>der</strong> Versicherung für den Nachwuchs<br />
aus. Nicht einmal je<strong>der</strong> Zweite schließt für sein<br />
Kind überhaupt eine Police ab. Nur 31 Prozent <strong>der</strong> Eltern<br />
haben eine Kin<strong>der</strong>unfallversicherung, gerade mal zwölf<br />
Prozent eine Kin<strong>der</strong>invaliditätsversicherung. Zu wenig<br />
Geld ist meist nicht <strong>der</strong> Grund. »Vielmehr verdrängen<br />
Eltern oft den Gedanken, gerade ihr Kind könnte an Krebs<br />
o<strong>der</strong> Epilepsie erkranken«, sagt <strong>Allianz</strong> Deutschland-<br />
Vorstand Severin Moser. »Für den Ernstfall sind sie<br />
schlecht vorbereitet.«<br />
Wie eine Parallelumfrage <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Suisse zeigte, sind<br />
Schweizer Eltern in dieser Beziehung besser gerüstet.<br />
Sie blicken nicht nur optimistischer in die Zukunft als<br />
die Deutschen, sie sichern ihre Kin<strong>der</strong> auch besser ab.<br />
82 Prozent <strong>der</strong> Befragten gaben an, dass sie sich schon<br />
vor <strong>der</strong> Geburt ihres Kindes über den optimalen Versicherungsschutz<br />
informiert hätten, bei den Nachbarn<br />
im Norden waren es nur 62 Prozent.<br />
Mit Informieren allein lassen es die Eidgenossen nicht<br />
bewenden: Fast je<strong>der</strong> Zweite hat eine Kin<strong>der</strong>unfallversicherung<br />
abgeschlossen, je<strong>der</strong> fünfte eine Kin<strong>der</strong>invaliditätsversicherung.<br />
Auch insgesamt wenden die<br />
Schweizer mehr für ihre Sicherheit und die ihrer Familie<br />
auf. Während die Deutschen monatlich im Schnitt<br />
113 Euro für Versicherungen ausgeben, sind es rund<br />
ums Matterhorn fast 280 Euro.<br />
rund 1,67 Millionen Kin<strong>der</strong>, mehr als<br />
537 000 von ihnen im Heim- und<br />
Freizeitbereich. Damit gehören Unfälle zu den<br />
größten Gesundheitsrisiken für Kin<strong>der</strong>.<br />
(Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kin<strong>der</strong>)<br />
Bei <strong>der</strong> Angst vor Arbeitslosigkeit, Armut und sozialem<br />
Abstieg, auch das hat die Studie ergeben, liegen dann<br />
wie<strong>der</strong> die Deutschen vorn, genau wie bei <strong>der</strong> alltäglichen<br />
Sorge um den Nachwuchs. Sie mahnen öfter, nicht mit<br />
Fremden mitzugehen, sie verplomben Steckdosen und<br />
Schubladen, sperren Treppen mit Schutzgittern vor kindlichem<br />
Zutritt und lassen die Kleinen auf dem Spielplatz<br />
keine Minute aus den Augen. Die Schweizer sind da<br />
etwas lockerer. Zwar führt auch bei ihnen die Furcht vor<br />
dem Tod des eigenen Kindes o<strong>der</strong> vor einem schweren<br />
Unfall die Hitliste <strong>der</strong> Ängste an, doch sind sie bei ihnen<br />
weniger ausgeprägt. Nur die Befürchtung, dass ihr Kind<br />
gemobbt werden könnte, ist in <strong>der</strong> Alpenrepublik größer<br />
als in Deutschland.<br />
Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel<br />
Fürsorge kann die Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n auch hemmen.<br />
Sagt jedenfalls Kin<strong>der</strong>psychiater Professor Michael<br />
Schulte-Markwort, den das Magazin ELTERN zum Thema<br />
»Wie viel Sicherheit braucht mein Kind?« befragt hat. »Ich<br />
muss einem Kind auch negative Erfahrungen zugestehen«,<br />
meint <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie<br />
am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ob nun das<br />
Dreijährige mal von <strong>der</strong> Schaukel fällt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zehnjährige<br />
sich in einem unbekannten Stadtteil verirrt, an solchen<br />
Erfahrungen wachse ein Kind, sagt <strong>der</strong> Mediziner.<br />
Wenn man es denn lässt: Schon heute ist zu beobachten,<br />
dass Kin<strong>der</strong> und Jugendliche motorisch deutlich weniger<br />
geschickt sind als vor 30 Jahren. Laut Schulte-Markwort<br />
eine Folge <strong>der</strong> Überfürsorge.<br />
WWW.KINDERSICHERHEIT.DE<br />
»Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel Fürsorge<br />
kann die Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n auch hemmen.«<br />
Prof. Michael Schulte-Markwort<br />
46<br />
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DEUTSCH-<br />
LAND<br />
Manche setzen klotzige Glaspaläste in die Welt,<br />
um Größe und Anspruch zu symbolisieren. Die <strong>Allianz</strong><br />
versenkt ihr neues Konferenzzentrum im Keller.<br />
alle Abbildungen: WKP / Dan Pearlman<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
FRANK STERN<br />
Begegnungen<br />
im Untergrund<br />
Die <strong>Allianz</strong> ist einer <strong>der</strong> größten Finanzdienstleister <strong>der</strong><br />
Welt, doch einen angemessenen Versammlungsort an<br />
ihrem Stammplatz München konnte sie bislang nicht<br />
vorweisen. Seit letztem Mai entsteht nun direkt am<br />
Englischen Garten im Herzen <strong>der</strong> bayerischen <strong>Land</strong>eshauptstadt<br />
ein Bau, <strong>der</strong> für Abhilfe sorgen soll – und<br />
das weitgehend unter Tage.<br />
Am äußeren Erscheinungsbild <strong>der</strong> unter Denkmalschutz<br />
stehenden Konzernzentrale, die 1954 im Beisein<br />
von Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnet wurde,<br />
wird sich also kaum etwas än<strong>der</strong>n. Doch unterhalb <strong>der</strong><br />
Grasnarbe errichten Bautrupps <strong>der</strong>zeit nach den Plänen<br />
des Münchner Architekturbüros Weickenmeier, Kunz +<br />
Partner und <strong>der</strong> Berliner Markenarchitekturagentur dan<br />
pearlman einen hochmo<strong>der</strong>nen Konferenzsaal, <strong>der</strong> für<br />
bis zu 300 Plätze ausgelegt ist. Die Eröffnung des <strong>Allianz</strong><br />
Auditoriums ist für Herbst nächsten Jahres geplant.<br />
Der Bau – die Kosten liegen im unteren zweistelligen<br />
Millionenbereich – soll Offenheit und Leichtigkeit ausstrahlen<br />
und den kreativen Gedankenaustausch sowohl<br />
innerhalb <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gemeinschaft als auch darüber<br />
hinaus anregen. Für ein Gebäude im Kellergeschoss<br />
klingt das reichlich ambitioniert. Und doch, Konzept<br />
und Design des Konferenzzentrums wirken originell<br />
und großzügig, nichts daran schwer o<strong>der</strong> bedrückend.<br />
So wenig wie <strong>der</strong> Außenauftritt hat das Innendesign<br />
etwas Prunkvolles an sich. Zeitlos soll es sein, qualitätsvoll<br />
und technisch auf dem neuesten Stand, doch we<strong>der</strong><br />
verschwen<strong>der</strong>isch noch übertrieben edel.<br />
Besuchern Raum zur Begegnung bieten und eine möglichst<br />
flexible Nutzung ermöglichen – vom Stehempfang<br />
bis hin zum informellen Austausch von Arbeitsgruppen.<br />
Auf <strong>der</strong> Rückseite entsteht eine Terrasse, die sich zum<br />
Englischen Garten hin öffnet.<br />
Während im ersten Stock des Gebäudes verschiedene<br />
Besprechungszimmer vorgesehen sind, wird das<br />
Auditorium selbst künftig die Möglichkeit bieten, auch<br />
größere Veranstaltungen wie etwa das jährliche Treffen<br />
des internationalen Top-Managements, das <strong>Allianz</strong><br />
International (AZI), abzuhalten. Als Halbzylin<strong>der</strong> mit<br />
Hubpodien konzipiert, lässt sich <strong>der</strong> Saal in eine Art<br />
Amphitheater verwandeln. Mobile Trennwände erlauben<br />
darüber hinaus die Anpassung <strong>der</strong> Raumgröße an die jeweilige<br />
Teilnehmerzahl. Zudem wird er mit mo<strong>der</strong>nster<br />
Digitaltechnik ausgestattet, über die per Videokonferenz<br />
und Live-Übertragung die Verbindung zur <strong>Allianz</strong> Welt<br />
hergestellt werden kann.<br />
Das neue Konferenzzentrum, das barrierefrei und behin<strong>der</strong>tengerecht<br />
gestaltet wird, ist als Ort <strong>der</strong> Gemeinschaftsbildung<br />
und Inspiration angelegt, an dem auch<br />
die Öffentlichkeit teilhaben soll. Die Ausstattung erlaubt<br />
die flexible Anpassung an verschiedene Anfor<strong>der</strong>ungen –<br />
von <strong>der</strong> Aufsichtsratssitzung mit 30 Plätzen bis zur Großkonferenz,<br />
vom Analystenmeeting über Pressekonferenzen<br />
und Podiumsdiskussionen bis hin zu Karrieretagen,<br />
Kunstausstellungen o<strong>der</strong> Public Viewing-Veranstaltungen<br />
wie etwa die Übertragung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Sports.<br />
<strong>Im</strong> Herbst 2013 geht die <strong>Allianz</strong> in den Untergrund.<br />
Nach außen hin – die Auflagen von Denkmal- und<br />
<strong>Land</strong>schaftsschutz hatten Verän<strong>der</strong>ungen an Gebäudeensemble<br />
und angrenzendem Park ausgeschlossen –<br />
bleibt wie gesagt alles beim Alten. Doch <strong>der</strong> C-Bau, ein<br />
etwas nach hinten versetzter Seitenflügel, in dem in den<br />
50er Jahren die Lochkartenabteilung und später das Pressereferat<br />
des Konzerns untergebracht waren, erhält eine<br />
völlig neue Funktion und wird künftig als Foyer und Zugang<br />
zum Auditorium dienen. Zudem soll er Mitarbeitern und<br />
48<br />
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Europa<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Große Rä<strong>der</strong>, kleiner<br />
Markt<br />
Titan Italia<br />
Titan Italia ist europäischer Marktführer für die Herstellung von<br />
Rä<strong>der</strong>n für <strong>Land</strong>maschinen, Traktoren, Mähdrescher und Bewässerungsanlagen.<br />
An seinen Produktionsstandorten Crespellano<br />
(Bologna), Finale Emilia (Modena) and Jesi (Ancona) beschäftigt<br />
das Unternehmen über 500 Mitarbeiter. Titan Italia ist eine Tochtergesellschaft<br />
von Titan Europe, die für die Entwicklung von Rä<strong>der</strong>n<br />
und Fahrwerkkomponenten für geländegängige Raupen- und<br />
Radfahrzeuge bekannt ist. Die Gruppe ist in aller Welt vertreten,<br />
mit Standorten in Großbritannien, Italien, Frankreich, Deutschland,<br />
Spanien, <strong>der</strong> Türkei, Südafrika, den USA, Brasilien, Chile,<br />
Peru, Australien, Indonesien, China und Japan.<br />
links: dpa / picture-alliance | rechts: Ciulla<br />
WWW.TITANEUROPE.COM<br />
Die norditalienische Fabrik von Titan Italia SpA<br />
in Finale Emilia war im Mai durch zwei Erdbeben stark<br />
beschädigt worden<br />
Erdbeben in Italien<br />
Bei zwei Erdbeben in <strong>der</strong> norditalienischen<br />
Emilia Romagna sind im Mai 26 Menschen<br />
ums Leben gekommen, 400 Personen<br />
wurden verletzt, 15 000 obdachlos. Viele<br />
historische Gebäude und Kirchen fielen in<br />
Trümmer, einige kleinere Städte wurden<br />
von ihren Bewohnern aufgegeben. Die vom<br />
Beben betroffene Region ist hoch industrialisiert,<br />
viele biomedizinische Unternehmen<br />
haben in <strong>der</strong> Emilia Romagna ihren Sitz, wo<br />
zahlreiche Lagerhallen und Produktionsstätten<br />
einstürzten o<strong>der</strong> stark beschädigt<br />
wurden. Viele Opfer starben an ihrem<br />
Arbeitsplatz, was Fragen nach <strong>der</strong> Sicherheit<br />
<strong>der</strong> zum Teil neuen Industrieanlagen<br />
ausgelöst hat.<br />
Die <strong>Allianz</strong> Italien hatte keine Opfer unter<br />
Mitarbeitern und Vertretern zu beklagen,<br />
doch wurden vier Agenturen im Erdbebengebiet<br />
schwer in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Damit die Vertreter ihre Arbeit wie<strong>der</strong><br />
aufnehmen und Kunden vor Ort zur Seite<br />
stehen konnten, stellte ihnen die <strong>Allianz</strong><br />
Wohnmobile als provisorische Ausweichbüros<br />
zur Verfügung. Zudem wurde für<br />
Versicherungsnehmer die Zahlungsfrist für<br />
ausstehende Auto- und Sachversicherungsbeiträge<br />
in <strong>der</strong> betroffenen Region verlängert.<br />
Daneben organisierten die Mitarbeiter<br />
<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Italien eine Spendensammlung<br />
für die Opfer, bei <strong>der</strong> über 66 000 Euro<br />
zusammenkamen.<br />
Die Summe wurde von <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Italien<br />
verdoppelt und an das italienische Rote<br />
Kreuz übergeben. Darüber hinaus initiierte<br />
Gian Marco Diani vom <strong>Allianz</strong> Investment<br />
Management in Mailand eine Hilfsaktion<br />
für Produktionsbetriebe des berühmten<br />
Parmesankäses. Viele Käserä<strong>der</strong> waren bei<br />
dem Naturereignis so beschädigt worden,<br />
dass sie nicht mehr als Ganzes vermarktet<br />
werden konnten. Diani holte knapp 300 Kilogramm<br />
Käse aus Piacenza und verkaufte ihn<br />
stückweise an Kollegen. Selbst im Ausland<br />
fanden sich Abnehmer.<br />
WWW.ALLIANZ.IT<br />
dpa / picture-alliance<br />
<strong>Im</strong> Mai dieses Jahres erschütterten zwei heftige Erdbeben die<br />
Region Emilia Romagna in Norditalien. Auch eine Fabrik von Titan<br />
Italia, Marktführer bei Traktorrä<strong>der</strong>n, wurde getroffen, wochenlang<br />
stand die Produktion still. Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer<br />
bei <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty, war vor Ort.<br />
HEIDI POLKE<br />
Ein, zwei, drei Felgen, jede mit knapp einem Meter<br />
Durchmesser, liegen am Boden. Eine magere Ausbeute,<br />
normalerweise laufen hier täglich knapp 2000 Stück<br />
vom Band. Doch Produktionsleiter Massimo Columbini<br />
ist ausgesprochen zufrieden. Die drei Felgen, die probe-<br />
weise gefertigt wurden, haben die Qualitätsprüfung<br />
bestanden. Offenbar sind die beiden exakt justierten<br />
Produktionsroboter bei den Beben nicht beschädigt<br />
worden. Ein gutes Zeichen, denn in Kürze soll die<br />
Fertigung wie<strong>der</strong> anlaufen.<br />
50<br />
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EUROPA<br />
beide Fotos: dpa / picture-alliance<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Mitten ins Herz<br />
Der gesamte Nordosten des Mittelmeerraums von Italien<br />
bis zur Türkei ist von Erdbeben bedroht – hier treffen die<br />
afrikanische und die eurasische Erdplatte aufeinan<strong>der</strong><br />
Verona<br />
Padua<br />
Venedig<br />
Die Produkte <strong>der</strong> Emilia Romagna gelten als Inbegriff von »italianitá« und sind<br />
Exportschlager des <strong>Land</strong>es: In <strong>der</strong> fruchtbaren Tiefebene nördlich des Apennin<br />
werden Parmesan und Grana Padano ebenso hergestellt wie Parma-Schinken,<br />
Aceto balsamico und Lambrusco-Wein. Nach einer Schätzung des <strong>Land</strong>wirtschaftsverbandes<br />
Coldirette beläuft sich <strong>der</strong> durch die Beben entstandene Schaden auf<br />
500 Millionen Euro. Rund 300 000 Laibe Parmesankäse wurden zerstört, ein Zehntel<br />
<strong>der</strong> Jahresproduktion. Die turmhohen Regale, auf denen die bis zu 40 Kilo schweren<br />
Käserä<strong>der</strong> reifen, waren umgestürzt. Auch zahlreiche Essigfabriken wurden beschädigt,<br />
viele Fässer mit teilweise mehrere Jahre altem Aceto balsamico liefen aus.<br />
Neben <strong>der</strong> <strong>Land</strong>wirtschaft wurde auch die Industrie getroffen. In <strong>der</strong> Po-Ebene sind<br />
viele Automobilhersteller und -zulieferer angesiedelt – nicht umsonst trägt die Region<br />
auch den Beinamen <strong>Land</strong> <strong>der</strong> Motoren. Fabriken und Warenhäuser wurden beson<strong>der</strong>s<br />
stark in Mitleidenschaft gezogen, da eine erdbebensichere Bauweise in <strong>der</strong><br />
Region erst seit 2003 vorgeschrieben ist. Dagegen hielten private Wohnhäuser den<br />
Erschütterungen besser stand. Die versicherten Schäden schätzt die Branchenorganisation<br />
<strong>der</strong> italienischen Versicherer ANIA auf 700 bis 800 Millionen Euro.<br />
Parma<br />
Finale Emilia<br />
ADRIA<br />
Modena<br />
ITALIEN<br />
Bologna<br />
Ravenna<br />
40 km<br />
Fast sechs Wochen lang standen die Maschinen im Werk<br />
von Titan Italia in Finale Emilia still. Dort fertigt Europas<br />
führen<strong>der</strong> Zulieferer von Rä<strong>der</strong>n für Traktoren und landwirtschaftliche<br />
Nutzfahrzeuge. Das Epizentrum <strong>der</strong> beiden<br />
Erdbeben, die im Mai mit Stärken von 6,0 und 5,9 auf<br />
<strong>der</strong> Richterskala die Provinz Emilia Romagna erschüttert<br />
hatten, lag nicht weit von Finale Emilia entfernt.<br />
Nach dem zweiten Beben am 29. Mai untersagten<br />
die Behörden aus Sicherheitsgründen den Zutritt zur<br />
Fabrik. Teile des Dachs waren herabgestürzt, viele<br />
Stützsäulen beschädigt. Das Risiko für die 250 Arbeiter<br />
wäre zu hoch gewesen. Keiner <strong>der</strong> Beschäftigten war<br />
bei den Beben verletzt worden, doch die Belastung vor<br />
allem in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Nachbeben – bis zu 60 am Tag –<br />
war groß: Viele schliefen in ihren Autos o<strong>der</strong> in Zelten,<br />
weil sie sich nicht mehr in ihre Häuser trauten o<strong>der</strong><br />
diese zerstört waren.<br />
Quelle: USGS<br />
Die Erdbeben in <strong>der</strong> Emilia Romagna kamen für Seismologen<br />
nicht überraschend – die Erde in Italien wackelt immer<br />
mal wie<strong>der</strong>. Allerdings galt die Gegend um Modena<br />
als weniger gefährdet. »Wir waren natürlich geschockt«,<br />
sagt Maria Cecilia la Manna, Geschäftsführerin von Titan<br />
Italia. »Aber wir sind sofort aktiv geworden und haben<br />
alles getan, damit wir so schnell wie möglich wie<strong>der</strong><br />
produzieren können.«<br />
Bereits Anfang Juli war das Werk wie<strong>der</strong> so sicher, dass<br />
sich Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer bei <strong>Allianz</strong><br />
Global Corporate & Specialty, einen Eindruck von <strong>der</strong><br />
Lage verschaffen konnte. Hufenreuter begutachtet<br />
weltweit industrielle Großschäden und ist häufig mit<br />
den Folgen von Naturkatastrophen konfrontiert. Er weiß:<br />
»Nach einem Erdbeben geht es zunächst immer um<br />
die provisorische Stabilisierung <strong>der</strong> Gebäude, erst dann<br />
können die eigentlichen Reparaturen beginnen.«<br />
Der Sachschaden für die Reparatur <strong>der</strong> Produktionshalle<br />
und <strong>der</strong> Maschinen beläuft sich auf einen zweistelligen<br />
Millionenbetrag. Größere Sorgen bereitet dem Titan-<br />
Management indes <strong>der</strong> Betriebsausfall. Das Werk in<br />
Finale Emilia ist das Herzstück des Produktionsverbunds<br />
aus drei Werken: Es ist alleiniger Produzent <strong>der</strong> Felgen,<br />
die an den Nachbarstandorten in Crespellano und<br />
Jesi mit Innenscheiben verschweißt und dann bereift<br />
werden. »Große Rä<strong>der</strong> sind ein kleiner Markt. Unsere<br />
Wettbewerber lauern schon«, erklärt Gary Chesteron,<br />
Finanzchef von Titan Europe. »Daher tun wir alles, um<br />
unsere Kunden weiterhin beliefern zu können, koste<br />
es was es wolle.«<br />
Eine Arbeitsgruppe entwickelte eine Reihe von Maßnahmen,<br />
um den Produktionsstopp zu begrenzen.<br />
Teile <strong>der</strong> Felgenproduktion – und mit ihr auch <strong>der</strong><br />
Belegschaft – wurden an die beiden an<strong>der</strong>en Standorte<br />
verlagert, wo in drei Schichten rund um die<br />
Uhr gearbeitet wurde. Zudem lieferten die Titan-<br />
Nie<strong>der</strong>lassungen in <strong>der</strong> Türkei und Frankreich Felgen<br />
zu. Die üblichen Betriebsferien im August wurden<br />
gestrichen. Doch damit ließ sich die Lücke noch nicht<br />
ganz schließen – einen Teil <strong>der</strong> Felgen musste Titan<br />
von an<strong>der</strong>en Produzenten hinzukaufen.<br />
»Nicht alle Unternehmen werden nach einem<br />
Schaden selbst so schnell und professionell aktiv«,<br />
meint Hufenreuter. Dabei lasse sich oft nur ein Teil des<br />
Ausfallschadens – beispielsweise durch entgangenen<br />
Umsatz, höheren Mehraufwand für Ersatzbeschaffungen<br />
o<strong>der</strong> Kundenverlust – über Versicherungen decken,<br />
sagt er. Ganz abgesehen davon, dass einmal verlorene<br />
Marktanteile ein Unternehmen langfristig schwächen<br />
können. Hufenreuther: »Eine aktive Schadenbegrenzung<br />
dient also beiden Seiten – dem Versicherer wie dem<br />
Unternehmen.«<br />
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM<br />
52<br />
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53
EUROPA<br />
alle Fotos: <strong>Allianz</strong> UK<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Team <strong>Allianz</strong><br />
Die Olympischen Spiele in London waren ein Riesenerfolg. Milliarden<br />
Menschen auf <strong>der</strong> ganzen Welt verfolgten gebannt die Wettbewerbe.<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> UK gab es doppelt Grund, mitzufiebern. Sie hatte mit<br />
dem Team <strong>Allianz</strong> eine eigene Mannschaft am Start.<br />
DAVID KEEL<br />
Aaron Cook, Nummer 1 <strong>der</strong> Weltrangliste im Taekwondo, war einer <strong>der</strong> Top-Sportler im Team <strong>Allianz</strong><br />
Andy Turner, Europameister über 110 Meter Hürden, schaffte es bei Olympia bis ins Halbfinale<br />
Zum Kern des Team <strong>Allianz</strong> gehörten elf olympische<br />
und paralympische Leichtathletik-, Schwimm-, Rad-, Reit-,<br />
Ru<strong>der</strong>-, Triathlon- und Taekwondosportler. Angeführt<br />
wurde das Team von den beiden Olympiamedaillengewinnern<br />
und Fernsehmo<strong>der</strong>atoren Steve Cram und<br />
Sharron Davies sowie von Rebecca Romero, <strong>der</strong> einzigen<br />
britischen Sportlerin, die jemals Olympiamedaillen in<br />
zwei unterschiedlichen Sportarten gewinnen konnte.<br />
Die Sportler wurden aber nicht nur aufgrund ihrer sportlichen<br />
Leistungen für das <strong>Allianz</strong> Team ausgewählt.<br />
Über einen Zeitraum von zwei Jahren hatten Mitarbeiter<br />
und Geschäftspartner <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gelegenheit, die Vorbereitungen<br />
<strong>der</strong> Sportler auf die Olympischen Spiele<br />
2012 in London vom Training bis hin zur Qualifizierung<br />
mitverfolgen. Zunächst wurden die Mitglie<strong>der</strong> des Team<br />
<strong>Allianz</strong> durch eine Reihe von Videos, im Intranet sowie<br />
auf einer eigenen Maklerwebseite vorgestellt. <strong>Allianz</strong><br />
Mitarbeiter interviewten die Sportler und gaben Einblicke<br />
in das Training und die Motivation. Die Videos<br />
waren so gut, dass sie es sogar in die Endauswahl des<br />
Wettbewerbs Cannes Lions 2011 für kreative Kommunikation<br />
schafften.<br />
Gleichzeitig ging ein Olympia-Bus auf Tournee durch<br />
Großbritannien. An über 20 <strong>Allianz</strong> Standorten wurde<br />
den Besuchern einiges an Unterhaltung geboten. Sie<br />
konnten an einem Handrad Kraft und Ausdauer unter<br />
Beweis stellen, an einem an<strong>der</strong>en Gerät wurden Reflexe<br />
getestet und bei einem Quiz waren die grauen Zellen<br />
gefragt. Die Ergebnisse <strong>der</strong> verschiedenen Teams wurden<br />
elektronisch aufgezeichnet und zusammen mit Fotos<br />
und Aufnahmen von Mitarbeitern und Sportlern online<br />
veröffentlicht.<br />
Die Geschäftsstellen, die auf <strong>der</strong> Route des Olympiabusses<br />
lagen, nutzten die Chance, um ihrerseits<br />
Veranstaltungen zu organisieren, bei denen Mitarbeiter<br />
und Geschäftspartner gegeneinan<strong>der</strong> antreten konnten.<br />
Außerdem gab es Gelegenheit, die Sportler von Team<br />
54<br />
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55
EUROPA<br />
alle Fotos: <strong>Allianz</strong> UK<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
<strong>Allianz</strong> persönlich kennenzulernen. Die Besuche waren<br />
zwanglos, die Sportler schauten in den Büros vorbei,<br />
gaben Autogramme und standen Rede und Antwort.<br />
Das Programm 2011 wurde schließlich mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
einer Reihe von Videos abgerundet, in denen die<br />
Sportler über ihren Weg an die Spitze berichteten.<br />
Das Thema Höchstleistungen wurde vom Team <strong>Allianz</strong><br />
auch im Jahr 2012 weiterverfolgt. <strong>Im</strong> März wurden einhun<strong>der</strong>t<br />
von ihren Abteilungsleitern vorgeschlagene Mitarbeiter<br />
für ihre hervorragenden Leistungen mit einem<br />
Essen in einem Londoner 5-Sterne-Hotel ausgezeichnet.<br />
Auch die Team <strong>Allianz</strong>-Sportler waren anwesend und<br />
beantworteten Fragen über ihre Hoffnungen und Ängste<br />
für die Olympischen und Paralympischen Spiele. Bei<br />
einer Tombola gab es zudem Karten für olympische<br />
Wettbewerbe zu gewinnen.<br />
Eines <strong>der</strong> beliebtesten Elemente des Programms war eine<br />
Reihe von Meisterkursen, bei denen vielversprechende<br />
Sportler aus <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> mit den Elitesportlern zusammen<br />
trainieren durften. Zu den Sportarten zählten Reiten,<br />
Schwimmen, Radfahren und Leichtathletik. Für den Rest<br />
des Jahres sind weitere Kurse geplant. Zu den weiteren<br />
Highlights gehörten Vorführungen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Nummer 1 <strong>der</strong> Weltrangliste im Taekwondo, Aaron Cook.<br />
Lei<strong>der</strong> war Cook einer <strong>der</strong> Sportler, die aufgrund einer<br />
kontroversen Entscheidung nicht für die Spiele nominiert<br />
wurden. Eine an<strong>der</strong>e Olympiahoffnung, Sprinterin Jodie<br />
Williams, verletzte sich noch vor den Spielen bei einem<br />
Wettkampf in Birmingham.<br />
Insgesamt schafften es vier <strong>der</strong> Team <strong>Allianz</strong>-Sportler,<br />
sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Reitstar<br />
William Fox-Pitt gewann die erste Medaille des Team<br />
<strong>Allianz</strong> – Silber in <strong>der</strong> Vielseitigkeitsprüfung <strong>der</strong> Reiter,<br />
es folgte Andy Hodge mit Gold im Ru<strong>der</strong>-Vierer. Den<br />
Rebecca Romero gewann bei den Olympischen Spielen 2004 Silber im Ru<strong>der</strong>-Doppelvierer,<br />
vier Jahre später Gold in <strong>der</strong> 3000 Meter-Einerverfolgung auf dem Rad. Links: die Olympiasieger<br />
Alistair Brownlee (Triathlon) und Andy Hodges (Ru<strong>der</strong>-Vierer)<br />
Glanzpunkt setzte Alistair Brownlee, <strong>der</strong> den Triathlon<br />
unangefochten für sich entschied, und das, obwohl er<br />
sich Anfang des Jahres eine schwere Verletzung zugezogen<br />
hatte. Höchstleistung in Aktion!<br />
Zwei weitere Sportler aus dem Team <strong>Allianz</strong> qualifizierten<br />
sich für die Paralympischen Spiele: <strong>der</strong> Rennrollstuhlfahrer<br />
David Weir und die Schwimmerin Ellie Simmonds,<br />
beide Medaillengewinner in Peking.<br />
WWW.TEAMALLIANZ.CO.UK<br />
USERNAME: TEAMALLIANZ → PASSWORD: GOLDMEDAL<br />
56<br />
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57
Amerika<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Dienstfahrt mit<br />
Hin<strong>der</strong>nissen<br />
Stern<br />
Der Kunde ist König? Nur wenn er Glück hat. Nancy Jones,<br />
Marketingchefin von <strong>Allianz</strong> Life in Minneapolis, hat mit<br />
dem Thema ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht.<br />
Hier ihr Bericht.<br />
NANCY JONES<br />
Die Reisebranche hat es nicht leicht. Vor<br />
allem nicht im Internetzeitalter. Oft wird<br />
sie in den sozialen Medien zur Zielscheibe<br />
von Spott und Kritik. Wer kennt nicht das<br />
YouTube-Video »United macht Gitarren<br />
kaputt«? Es wurde inzwischen schon über<br />
zwölf Millionen Mal aufgerufen. Während<br />
das Video für alle, die nicht bei United<br />
arbeiten, sehr unterhaltsam ist, ist es für<br />
den Ruf <strong>der</strong> Fluggesellschaft natürlich<br />
verheerend.<br />
In den Fällen, von denen ich berichten<br />
möchte, geht es um ein Taxiunternehmen<br />
und eine Autovermietung. Zuerst zur Sache<br />
mit dem Taxi: Vor nicht allzu langer Zeit<br />
fuhr ich wie immer mit Airport Taxi zum<br />
Flughafen in Minneapolis. Statt meine<br />
Tasche im Kofferraum zu verstauen, ließ<br />
sie <strong>der</strong> Fahrer in <strong>der</strong> Auffahrt zu meinem<br />
Wohnblock stehen. Nach Eintreffen am<br />
Flughafen und einer kurzen Panikattacke<br />
rief ich Airport Taxi an. Sie schickten ein<br />
an<strong>der</strong>es Taxi, um die Tasche zu holen und<br />
58<br />
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<br />
59
AMERIKA<br />
Asien<br />
Stern<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
privat<br />
Nancy Jones<br />
am Flughafen abzuliefern. Ich müsste erst<br />
einmal auch dieses Taxi bezahlen, hieß es,<br />
aber nach meiner Rückkehr werde man<br />
sich mit mir wegen <strong>der</strong> Rückerstattung in<br />
Verbindung setzen.<br />
Ich war natürlich froh, dass ich meine Tasche<br />
wie<strong>der</strong> hatte, auch wenn in <strong>der</strong> Auffahrt ein<br />
an<strong>der</strong>es Auto drüber gefahren war (aber das<br />
ist eine an<strong>der</strong>e Geschichte). Meinen Flug erwischte<br />
ich auf den letzten Drücker und war<br />
natürlich etwas gestresst. Sehr gestresst,<br />
um ehrlich zu sein: Ich stürmte wie eine<br />
Verrückte zum Flugsteig und schaffte es<br />
gerade noch vorm Schließen <strong>der</strong> Türen<br />
in die Kabine, die Hände verschmiert mit<br />
Creme und Öl aus <strong>der</strong> überfahrenen Tasche.<br />
managers und hinterließ eine Nachricht.<br />
Kein Rückruf. Ich rief wie<strong>der</strong> an. Wie<strong>der</strong><br />
Anrufbeantworter, diesmal von einem an<strong>der</strong>en<br />
Kundenbetreuer. So ging das einige<br />
Male – von Kundendienst keine Spur. Beim<br />
sechsten Mal hatte ich dann schließlich eine<br />
ausgesprochen nette Mitarbeiterin in <strong>der</strong><br />
Leitung, die mir versprach, dass das Geld für<br />
beide Taxis zurückerstattet und obendrein<br />
mein beschädigter Koffer ersetzt werden<br />
würde. Insgesamt beliefen sich die Kosten<br />
auf 250 Dollar.<br />
Kurz darauf erhielt ich einen Anruf von<br />
Kundendienstmanager Nummer eins, <strong>der</strong><br />
erklärte, dass er nicht für den ausgebliebenen<br />
Rückruf verantwortlich gewesen sei, da<br />
er mich an Betreuer Nummer zwei weitergeleitet<br />
habe. Einige Tage später rief mich<br />
dann Manager Nummer zwei an, um mir<br />
mitzuteilen, dass es keine Rückerstattung<br />
geben werde und dass ich eine Reiseversicherung<br />
hätte abschließen sollen. Echt? Für<br />
eine Fahrt zum Flughafen? Ich fragte nach,<br />
ob <strong>der</strong> Kundendienst von Airport Taxi die<br />
Telefongespräche aufzeichnet und klärte ihn<br />
darüber auf, dass mir zwei seiner Kollegen<br />
eine Rückerstattung zugesichert hatten.<br />
Die werden gefeuert, antwortete er.<br />
Ich entschloss mich also zu einer drastischen<br />
Aktion und teilte die Geschichte über die<br />
sozialen Netzwerke allen meinen Bekannten<br />
mit. Airport Taxi wird mich nie wie<strong>der</strong>sehen.<br />
Sie haben mich angelogen und darüber hinaus<br />
ihre Mitarbeiter, die richtig vorgegangen<br />
sind, mies behandelt. Wie teuer sind Airport<br />
Taxi diese 250 Dollar am Ende zu stehen<br />
gekommen?<br />
Es gibt auch an<strong>der</strong>e Beispiele. Eines habe<br />
ich mit einer Autovermietung erlebt. Ich war<br />
mit drei Kollegen in einem Mietwagen von<br />
Hertz unterwegs. Als wir den Wagen nach<br />
ungefähr sechs Stunden zurückbrachten,<br />
Von Airport Taxi hörte ich danach natürlich<br />
nichts mehr. Also rief ich an. Ich landete auf<br />
dem Anrufbeantworter eines Kundendienstbetrug<br />
die Rechnung fast 350 Dollar. Ich<br />
zahlte, aber als ich mit den Kollegen das<br />
Gelände von Hertz verließ, unterhielten<br />
wir uns über den übertrieben hohen Preis.<br />
Davon hätten wir uns auch einen Lamborghini<br />
leisten können, meinte einer. Das<br />
müssen zwei Hertz-Mitarbeiter gehört<br />
haben, jedenfalls kamen sie hinter uns her,<br />
schnappten sich die Rechnung und stellten<br />
uns eine neue über 100 Dollar aus.<br />
Seitdem buche ich nur noch bei Hertz.<br />
Und ich erzähle die Geschichte allen, die ich<br />
kenne. Ich schickte dem Unternehmen auch<br />
eine kurze Mitteilung mit einem Lob für<br />
seine hilfreichen Mitarbeiter und erhielt eine<br />
sehr nette Antwort. Keine Rede davon, die<br />
Mitarbeiter wegen einer Entscheidung im<br />
Wert von 250 Dollar zu feuern. Denn diese<br />
250 Dollar machen sich für das Unternehmen<br />
in Zukunft bezahlt.<br />
Ein positives Erlebnis ist schnell erzählt, noch<br />
schneller aber verbreitet sich eine negative<br />
Geschichte. Es ist heutzutage so einfach,<br />
Tausenden von Leuten ein negatives Erlebnis<br />
mitzuteilen – ob durch einen Artikel wie<br />
diesem o<strong>der</strong> über Facebook, LinkedIn o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e soziale Netzwerke. Wie viel sind<br />
250 Dollar am Ende wirklich wert? Airport<br />
Taxi hat eine treue Kundin verloren, die<br />
weit mehr als 250 Dollar im Jahr an Umsatz<br />
brachte. Hertz dagegen hat eine Kundin<br />
gewonnen. Was also sind Kundentreue und<br />
Geschichten, die einem Unternehmen einen<br />
guten o<strong>der</strong> einen schlechten Ruf eintragen,<br />
wert? Es ist schwer, eine konkrete Zahl zu<br />
nennen, aber in beiden Fällen dürfte es sich<br />
auf Tausende von Dollar summieren.<br />
NANCY.JONES@ALLIANZLIFE.COM<br />
WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?<br />
V=5YGC4ZOQOZO<br />
Während sich Europa weiter mit <strong>der</strong> Finanzkrise<br />
herumschlägt, zeigen sich die Län<strong>der</strong> Asiens gegenüber<br />
den Turbulenzen auf den Finanzmärkten<br />
erstaunlich wetterfest. Die <strong>Allianz</strong> Gesellschaften in<br />
<strong>der</strong> Region haben es eher mit an<strong>der</strong>en Problemen<br />
zu tun. Wir sprachen mit David Fried, seit Februar<br />
Chef von <strong>Allianz</strong> Asia Pacific, über Behin<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Geschäftstätigkeit im Allgemeinen und über China<br />
im Beson<strong>der</strong>en.<br />
FRANK STERN<br />
Erstaunlich wetterfest<br />
Mr. Fried, nach 27 Jahren bei HSBC sind<br />
Sie zu einer schwierigen Zeit zur <strong>Allianz</strong><br />
gewechselt. Die Märkte sind unberechenbarer<br />
denn je, die <strong>Allianz</strong> musste eine<br />
Serie an Naturkatastrophen verdauen<br />
und wird in einigen Län<strong>der</strong>n Asiens<br />
durch die Gesetzgebung behin<strong>der</strong>t.<br />
Wie wollen Sie daraus eine Erfolgsgeschichte<br />
machen?<br />
David Fried<br />
Mich hat immer die Stärke <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />
beeindruckt. Das war ein Grund, warum<br />
ich gewechselt bin. Und weil ich und meine<br />
Kollegen bei HSBC die <strong>Allianz</strong> immer als<br />
großartigen Partner kennengelernt haben.<br />
Ich bin überzeugt, dass die <strong>Allianz</strong> einer <strong>der</strong><br />
führenden Anbieter in Asien werden kann,<br />
weit stärker als sie es bisher ist. Es stimmt,<br />
es sind unsichere Zeiten, aber die <strong>Allianz</strong> ist<br />
einer <strong>der</strong> stabilsten Versicherer weltweit,<br />
60<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
61
ASIEN<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
SOUTH<br />
SÜDKOREA<br />
JAPAN<br />
C HINA CHINA<br />
Stern<br />
Das Art Science-Museum in Singapur<br />
PAK<br />
PAKISTAN<br />
ISTAN<br />
TAIW TAIWAN A N<br />
INDIEN<br />
INDIA<br />
LAOS<br />
LAOS<br />
THAILA<br />
THAILAND<br />
A ND<br />
PHILIPPINES<br />
PHILIPPINEN<br />
SRI LANKA<br />
SRI LANKA<br />
MALAYSIA<br />
MALAYS<br />
IA<br />
SINGA<br />
SINGAPORE<br />
GAPUR<br />
und sie hat das auch in den jüngsten Turbulenzen<br />
immer wie<strong>der</strong> unter Beweis gestellt.<br />
Und was Naturkatastrophen angeht – das<br />
ist es doch, wofür wir da sind, o<strong>der</strong>? Wenn<br />
Kunden bei uns eine Police abschließen,<br />
dann kaufen sie das Versprechen, dass sie<br />
im Schadensfall auf uns bauen können.<br />
Ich habe in den letzten Monaten live erlebt,<br />
mit welchem Einsatz unsere Kollegen in<br />
Thailand ihren Job gemacht haben, nachdem<br />
das <strong>Land</strong> von <strong>der</strong> Flutkatastrophe<br />
getroffen wurde. Dass sie auch bei widrigsten<br />
Umständen rausgegangen sind,<br />
um Schäden zu begutachten und dafür zu<br />
sorgen, dass unsere Kunden angemessen<br />
entschädigt werden.<br />
Da konnte man ein Unternehmen in Aktion<br />
sehen, das all seine Fähigkeiten in schwierigster<br />
Zeit unter Beweis stellt. Das hat mich<br />
von Anfang an an <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> beeindruckt.<br />
Ich bin überzeugt, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien<br />
zum Erfolg wird, wenn alle Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
dabei zusammenarbeiten, eine gemeinsame<br />
Strategie zu entwickeln und mit einer Stimme<br />
zu sprechen, und wenn es uns gelingt,<br />
die Stärken unserer globalen Einheiten wie<br />
Euler Hermes, <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />
o<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty<br />
zu nutzen.<br />
Die <strong>Allianz</strong> begann ihre Expansion nach<br />
Asien vor über 20 Jahren. Die Ergebnisse<br />
bislang sind eher bescheiden.<br />
Viele Leute sprechen von Asien, als handele<br />
es sich dabei um ein <strong>Land</strong>. Doch Asien ist<br />
vielfältig und weist eine Reihe von sehr unterschiedlichen<br />
Län<strong>der</strong>n auf. Ich teile sie grob<br />
in vier Kategorien ein: in die Schwellenlän<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> ASEAN-Gruppe, in entwickelte Staaten<br />
wie Japan, Korea und Taiwan, in Stadtstaaten<br />
wie Hongkong und Singapur und in die<br />
Kolosse China und Indien.<br />
In den ASEAN-Län<strong>der</strong>n verfügen wir <strong>der</strong>zeit<br />
über einige sehr starke Geschäftseinheiten<br />
mit wachsendem Marktanteil. Sicher, auch<br />
sie sind in letzter Zeit in schwierigeres Fahrwasser<br />
geraten. Vor allem das Sachgeschäft<br />
in Indonesien und Thailand, aber auch in<br />
Indien hatte mit Widrigkeiten zu kämpfen,<br />
angefangen bei verän<strong>der</strong>ten gesetzlichen<br />
Bestimmungen bis hin zu schweren<br />
Überschwemmungen. Dennoch sind es<br />
Einheiten, die in den Wachstumsmärkten<br />
weiterhin eine starke Marktstellung haben.<br />
Bei China wie<strong>der</strong>um haben wir es mit dem<br />
wohl schwierigsten Markt in Asien zu tun.<br />
Bislang war die <strong>Allianz</strong> dort nicht sehr erfolgreich.<br />
Aber an<strong>der</strong>e ausländische Versicherer<br />
auch nicht. Für uns stellt sich jetzt die Frage,<br />
ob wir für China eine erfolgversprechende<br />
Strategie entwickeln können.<br />
Und wie soll die aussehen?<br />
Angefangen von einer völligen Neustrukturierung<br />
des Geschäfts über die Einführung<br />
neuer Managementstrukturen bis hin zur<br />
Etablierung neuer Partnerschaften mit an<strong>der</strong>en<br />
Gesellschaften ist alles auf dem Tisch.<br />
Als ich zur <strong>Allianz</strong> kam, wurde mir gesagt,<br />
dass China ganz oben auf <strong>der</strong> Agenda steht.<br />
Es gibt noch an<strong>der</strong>e Fel<strong>der</strong>, wo es einiges<br />
zu tun gibt. Zum Beispiel müssen wir unser<br />
Risikoprofil verbessern, um Kapital sinnvoller<br />
für Wachstum einzusetzen. Doch auf China<br />
werden wir in nächster Zeit unser Hauptaugenmerk<br />
richten.<br />
Manche Experten sagen, China behandele<br />
ausländische Unternehmen unfair.<br />
China bietet keine gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen.<br />
Kein ausländisches Joint<br />
Venture kann sich dort so entwickeln wie in<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Wenn man in Indien eine<br />
Geschäftslizenz erhält, kann man als Unternehmen<br />
im ganzen <strong>Land</strong> von Nord nach Süd<br />
und Ost nach West operieren. In China muss<br />
man sich von Stadt zu Stadt vorarbeiten.<br />
Und typischerweise erhält man nicht mehr<br />
als eine Lizenz pro Jahr. Die inländischen Gesellschaften<br />
haben diese Restriktionen nicht.<br />
Laut Vorschrift muss man zudem in je<strong>der</strong><br />
neuen Stadt eine eigene Gesellschaft gründen,<br />
was natürlich die Kosten hochtreibt.<br />
Unter diesen Bedingungen einen Gewinn zu<br />
erwirtschaften, ist äußerst schwierig.<br />
Der nächste Punkt ist, dass die lokalen<br />
Marktführer wie China Life, PICC o<strong>der</strong> Ping<br />
An eine halbe bis eine Million Vertreter<br />
ins Feld schicken können. Sie haben Bankkooperationen<br />
und manche verfügen über<br />
ein ausgezeichnetes Telemarketing. Sie<br />
haben die kritische Masse, um schnell zu<br />
expandieren. All das macht es für ausländische<br />
Anbieter so schwer, diese kritische<br />
Masse zu erreichen und profitabel zu<br />
arbeiten. Uns eingeschlossen.<br />
Was erwarten Sie sich von <strong>der</strong> Öffnung<br />
des Kfz-Versicherungsmarktes, die<br />
die chinesische Regierung im Mai angekündigt<br />
hat?<br />
Es ist ein positives Zeichen, bringt für unser<br />
Produktangebot allerdings keine große<br />
Verän<strong>der</strong>ung. Durch unsere Kooperation mit<br />
dem lokalen Versicherer Taiping konnten<br />
wir auch bisher schon Kfz-Haftpflichtpolicen<br />
anbieten. Das holen wir jetzt nur unter unser<br />
INDONESIEN<br />
INDONESIA<br />
NE E N<br />
eigenes Dach. Für unser Geschäft hat das<br />
keine großen Auswirkungen. Wir haben<br />
weiter mit denselben Einschränkungen zu<br />
kämpfen und müssen trotzdem überall erst<br />
eine Geschäftslizenz beantragen.<br />
Gibt es ein Geschäftsfeld in China, wo<br />
die <strong>Allianz</strong> <strong>der</strong>zeit Geld verdient?<br />
Nicht wirklich. Der Grund liegt zum einen<br />
darin, dass wir in <strong>der</strong> Vergangenheit zunächst<br />
in den Aufbau unserer Geschäftseinheiten<br />
investieren mussten, zum an<strong>der</strong>en in die<br />
Expansion unseres Vertriebskanals. Das ist<br />
nötig, um die kritische Masse zu erreichen,<br />
die es uns erlaubt, die Vertriebskosten<br />
auszugleichen. <strong>Im</strong> Moment sind wir dabei,<br />
ein Geschäftsmodell zu entwickeln, dass<br />
unseren Lebens- und Sachversicherungsgesellschaften<br />
Querverkäufe erlaubt. Die<br />
dafür nötigen Investitionen und die gesetzlichen<br />
Vorgaben werden den Gewinn noch<br />
für einige Zeit schmälern.<br />
62<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
63
ASIEN<br />
Gesellschaft<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Zur Person<br />
David Fried (50) ist seit 27 Jahren im Versicherungsgeschäft tätig. Bevor<br />
er zu <strong>Allianz</strong> Asia Pacific nach Singapur wechselte, war <strong>der</strong> gebürtige<br />
Amerikaner für das Versicherungsgeschäft <strong>der</strong> HSBC-Bank mit Sitz in<br />
Hongkong zuständig, ein Geschäftsfeld, das unter an<strong>der</strong>em die Bereiche<br />
Lebens- und Sachversicherung, Rückversicherung sowie Makler- und<br />
Agenturgeschäft in Asien, Amerika, Großbritannien und im Nahen Osten<br />
umfasste – insgesamt 54 Län<strong>der</strong>. Fried ist verheiratet und hat zwei Kin<strong>der</strong>.<br />
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise<br />
in Europa auf die asiatischen<br />
Volkswirtschaften? Wird Asien am Ende<br />
<strong>der</strong> Krise stärker und Europa schwächer<br />
dastehen?<br />
Außer Japan sind alle asiatischen Volkswirtschaften<br />
trotz <strong>der</strong> Finanzkrise weiter<br />
gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong><br />
ASEAN-Staaten wird in diesem Jahr um fünf<br />
Prozent steigen. Chinas Wachstum verlangsamt<br />
sich etwas, aber die Prognosen sagen<br />
dennoch acht Prozent plus für 2012 voraus.<br />
Indien steckt auch etwas zurück, doch sechs<br />
bis sieben Prozent sind auch hier drin. Das<br />
sind immer noch ziemlich hohe Steigerungsraten,<br />
die für weiteres Wachstum <strong>der</strong><br />
Mittelschicht sorgen und den Regierungen<br />
erlauben werden, noch stärker die Werbetrommel<br />
für private Rücklagen und Altersvorsorge<br />
in einer immer älter werdenden<br />
Bevölkerung zu rühren.<br />
Obwohl die europäische Finanzkrise natürlich<br />
auch hier nicht ohne Auswirkungen bleibt,<br />
haben sich die asiatischen Volkswirtschaften<br />
doch erstaunlich wi<strong>der</strong>standsfähig gezeigt.<br />
Was zum großen Teil damit zu tun hat, dass<br />
<strong>der</strong> interasiatische Handel in den letzten fünf<br />
Jahren beträchtlich zugelegt hat. Früher waren<br />
Europa und die USA die größten Handelspartner,<br />
inzwischen wurden sie vom interasiatischen<br />
Handel abgelöst. Die Län<strong>der</strong> Asiens<br />
haben gelernt, enger zusammenzuarbeiten.<br />
Das nützt ihrer eigenen Entwicklung und<br />
versetzt sie in die Lage, die Auswirkungen<br />
<strong>der</strong> europäischen Finanzkrise zu dämpfen.<br />
Um in Asien erfolgreich zu sein,<br />
werden Sie den Vertrieb ausbauen<br />
müssen. In welchem Kanal sind die<br />
Erfolgsaussichten am größten?<br />
Wir nutzen verschiedene Vertriebskanäle,<br />
aber im Moment liegt ein Schwerpunkt auf<br />
dem Bankenbereich. Er könnte für uns zu<br />
einem ganz entscheidenden Vertriebsweg<br />
im Bereich Vermögens- und Lebensversicherungsprodukte<br />
werden und uns in die Lage<br />
versetzen, das dichte Netzwerk und die<br />
Kundenbasis <strong>der</strong> Banken für das Wachstum<br />
unserer Gesellschaften in Asien zu nutzen.<br />
Dadurch könnten wir das ganze Gewicht <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong> in Asien besser zur Geltung bringen.<br />
Das ist uns in <strong>der</strong> Vergangenheit nicht<br />
genügend gelungen.<br />
Inwiefern?<br />
Nach Umsatz und operativem Gewinn<br />
ist die <strong>Allianz</strong> <strong>der</strong> größte Versicherer <strong>der</strong><br />
Welt. Sie ist auch <strong>der</strong> einzige Versicherer<br />
mit einem AA-Rating. Eigentlich verfügt<br />
die <strong>Allianz</strong> über eine Position <strong>der</strong> Stärke,<br />
nur nicht hier in Asien. In Asien gibt es nur<br />
eine Tochtergesellschaft, nämlich unsere<br />
Sachversicherung in Malaysia, die den Markt<br />
mit einem Anteil von mehr als zehn Prozent<br />
anführt. Normalerweise rangieren unsere<br />
Gesellschaften bei einem Marktanteil von<br />
drei bis fünf Prozent zwischen Position sechs<br />
und zehn.<br />
Und wie wollen Sie das än<strong>der</strong>n?<br />
Ich möchte, dass wir in unseren Märkten <strong>der</strong><br />
führende internationale Anbieter werden und<br />
unter allen Marktteilnehmern – internationalen<br />
und lokalen – in <strong>der</strong> Liga <strong>der</strong> Top 5<br />
mitspielen. Dazu sind Investitionen in den<br />
Vertrieb nötig und vielleicht auch in das<br />
organische Wachstum von innen heraus.<br />
Mein Ziel ist es, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien<br />
als einer <strong>der</strong> führenden Finanzdienstleister<br />
wahrgenommen wird. Von Kunden und<br />
Investoren.<br />
WWW.ALLIANZ.COM.SG<br />
Potenzieller Lebensretter<br />
Schiffe navigieren zielsicher durch die Weiten des Ozeans, Flugzeuge landen selbst<br />
bei schlechter Sicht punktgenau auf <strong>der</strong> Rollbahn – ohne GPS wäre das kaum denkbar.<br />
Doch das Global Positioning System kann mehr. Die <strong>Allianz</strong> OrtungsServices GmbH<br />
nutzt es, um Menschenleben zu retten. Mit <strong>der</strong> Notfallortung ist die Palette <strong>der</strong><br />
Anwendungsmöglichkeiten allerdings noch längst nicht ausgeschöpft.<br />
FRANK STERN<br />
Hilfe aus dem All – die <strong>Allianz</strong> OrtungsServices<br />
Hätte Wendong Wang im Oktober 2010 kein Handy<br />
dabei gehabt, wäre es für ihn womöglich eng geworden.<br />
Der 38-Jährige war mit einem akuten Hirninfarkt zusammengebrochen<br />
und gerade noch in <strong>der</strong> Lage gewesen,<br />
die Notrufnummer 112 zu wählen. Da er aber we<strong>der</strong><br />
Deutsch noch Englisch sprach, konnte er seinen genauen<br />
Standort nicht durchgeben. Doch über die Plattform <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong> OrtungsServices (AOS) gelang es <strong>der</strong> Leitstelle<br />
<strong>der</strong> Düsseldorfer Feuerwehr, ihn schnell zu lokalisieren.<br />
Binnen weniger Minuten war ein Rettungsteam vor<br />
64<br />
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65
GESELL-<br />
SCHAFT<br />
<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />
Roth<br />
Tobias Fritsch<br />
Ort und konnte ihn noch rechtzeitig ins Krankenhaus<br />
bringen.<br />
Seit 2006 betreibt die AOS eine Plattform zur Handyortung,<br />
anfangs noch auf <strong>der</strong> Basis von LBS (Location<br />
Based Services). Das System hatte allerdings den Nachteil,<br />
dass es nur den Bereich einer Funkzelle, aus dem<br />
ein Notruf abgesetzt wird, ausmachen kann. Gerade in<br />
ländlichen Gebieten, wo die Basisstationen zum Teil weit<br />
auseinan<strong>der</strong> liegen, ist diese Methode oft zu ungenau.<br />
Mit <strong>der</strong> netzunabhängigen, weltweit verfügbaren GPS-<br />
Technologie dagegen ist eine fast metergenaue Ortung<br />
möglich. Bei einem Notfall kann das unter Umständen<br />
über Leben und Tod entscheiden.<br />
Voraussetzung für die schnelle Ortung ist allerdings, dass<br />
<strong>der</strong> Betroffene über ein GPS-fähiges Handy verfügt, das<br />
mit einer speziellen, von AOS entwickelten Software ausgestattet<br />
ist. »<strong>Im</strong> Notfall werden über unsere kostenlose<br />
Help-App die per Satellit ermittelten GPS-Koordinaten<br />
sekundenschnell an die Rettungsleitstellen weitergeleitet«,<br />
erläutert AOS-Geschäftsführer Tobias Fritsch<br />
das Verfahren. Mittlerweile verfügen bundesweit rund<br />
10 000 Nutzer über den potenziellen Lebensretter.<br />
Doch die AOS-Notfallortung, die heute von 95 Prozent<br />
aller Rettungsleitstellen in Deutschland genutzt wird, ist<br />
längst nicht das einzige Einsatzgebiet. Vom entlaufenen<br />
Pferd über den vermissten Bergsteiger bis zur abhanden<br />
gekommenen Oma – mit AOS lassen sich binnen<br />
kürzester Zeit alle wie<strong>der</strong>finden.<br />
Auch Energieriese RWE und <strong>der</strong> Automobilclub von<br />
Deutschland (AvD) setzen mittlerweile auf das AOS-<br />
Notfallsystem. Die einen, um ihre Reparaturspezialisten<br />
von Hochspannungsleitungen bei einer Havarie möglichst<br />
schnell lokalisieren zu können, die an<strong>der</strong>en, um ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />
einen zusätzlichen Sicherheitsservice zu bieten.<br />
Der schließt zudem die Möglichkeit ein, eine digitale<br />
Notfallakte anzulegen, in <strong>der</strong> medizinische Daten und<br />
Befunde sowie Informationen zu bestehenden Gesundheitsrisiken,<br />
Allergien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> aktuellen Medikation<br />
verzeichnet sind, die bei Bedarf direkt an die Rettungsleitstellen<br />
übermittelt werden. So ist ab <strong>der</strong> ersten<br />
Sekunde eine optimale Erstversorgung sichergestellt.<br />
Welche Daten im Notfall zur Verfügung stehen sollen,<br />
entscheidet <strong>der</strong> Kunde.<br />
Kombinieren ließe sich die Notfallakte auch mit dem<br />
eCall-System mo<strong>der</strong>ner Fahrzeuge, das bei einem Unfall<br />
automatisch die nächste Rettungsleitstelle alarmiert.<br />
Neben Informationen zu Unfallzeitpunkt, Unfallort und<br />
Schweregrad des Unfalls können auch gesundheitsrelevante<br />
Daten <strong>der</strong> Fahrzeuginsassen übermittelt<br />
werden. »Die Möglichkeiten sind damit aber bei weitem<br />
noch nicht ausgereizt«, sagt Fritsch. »Wir haben die IT-<br />
Plattform, wir haben das Netz, wir haben die Expertise,<br />
die wir auch an<strong>der</strong>en <strong>Allianz</strong> Gesellschaften anbieten<br />
können. Sie müssen nur darauf zugreifen.«<br />
Denkbar wäre zum Beispiel eine App, die Kunden <strong>der</strong><br />
<strong>Allianz</strong> Privaten Krankenversicherung bei einer Fahrt ins<br />
Ausland per SMS automatisch an eine Auslandsreiseversicherung<br />
erinnert – Abschluss per Knopfdruck. Auch<br />
die Servicepalette von <strong>Allianz</strong> Global Assistance o<strong>der</strong><br />
von <strong>Allianz</strong> Global Automotive ließe sich mit dem AOS-<br />
System erweitern. »So könnten wir uns im Wettbewerb<br />
noch besser aufzustellen«, hebt Fritsch hervor.<br />
Und das bei Wahrung höchster Informationssicherheit.<br />
»Datenschutz steht bei uns an erster Stelle«, versichert<br />
<strong>der</strong> AOS-Chef. »Gegen den Zugriff von außen ist unser<br />
Service bestens abgeschirmt. <strong>Im</strong> Notfallbereich können<br />
nur Leitstellenmitarbeiter auf die Plattform zugreifen, jede<br />
Ortung wird nachvollziehbar gespeichert, um Missbrauch<br />
auszuschließen.« Den untreuen Ehemann mit dem<br />
AOS-Tool auf den Fersen zu bleiben, dürfte also kaum<br />
gelingen, schließlich müsste er zuvor sein Einverständnis<br />
zur Ortung geben. Ist eher unwahrscheinlich.<br />
WWW.ALLIANZ-ORTUNG.DE<br />
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20. Oktober 2012.<br />
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