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Im Land der Zwiebeltürme - Allianz

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ALLIANZ GROUP<br />

Journal<br />

Deutsche Ausgabe 3 | 2012<br />

13<br />

61<br />

Geschosse im Orbit<br />

Müllhalde Weltraum<br />

Erstaunlich wetterfest<br />

Neuer Anlauf in Asien<br />

<strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />

Zwiebeltürme<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland


<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Inhalt<br />

Die Olympischen<br />

Sommerspiele in London<br />

zogen Menschen in aller<br />

Welt in ihren Bann. Die<br />

<strong>Allianz</strong> UK hatte ihr eigenes<br />

Team am Start<br />

dpa / picture-alliance<br />

IMPRESSUM<br />

Tiefgefroren: Wenn Väterchen Frost die<br />

Muskeln spielen lässt, erstarrt Russland im<br />

Kälteschock. Auch sonst ist das <strong>Land</strong> eine<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung – die <strong>Allianz</strong> Russland kann<br />

ein Lied davon singen<br />

31<br />

dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

(September)<br />

Zeitschrift für Mitarbeiter<br />

und Pensionäre <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />

Herausgeber <strong>Allianz</strong> SE<br />

Verantwortlich für<br />

den Herausgeber<br />

Emilio Galli-Zugaro<br />

Chefredaktion<br />

Frank Stern<br />

Layout volk:art51<br />

Produktion repromüller<br />

Anschrift <strong>der</strong> Redaktion<br />

<strong>Allianz</strong> SE<br />

Redaktion <strong>Allianz</strong> Journal<br />

Königinstraße 28<br />

80802 München<br />

Tel 089-3800-3804<br />

Fax 089-3800-2840<br />

journal@allianz.de<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

GLOBAL<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

31 <strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong> Zwiebeltürme<br />

Zwischen Wodka und Pussy Riot<br />

36 Sinn für Chancen<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

39 Geschichten von <strong>der</strong> Wolga<br />

Lebenslinien: Umbruch und Neubeginn<br />

42 Unbegrenzte Möglichkeiten<br />

Schub für Industrieversicherung<br />

44 Väterchen Frost im Tank<br />

Bewährungsprobe für Pannenhelfer<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

EUROPA<br />

50 Große Rä<strong>der</strong>, kleiner Markt<br />

Zwei Erdbeben und die Folgen<br />

54 Team <strong>Allianz</strong><br />

Auf <strong>der</strong> Olympia-Welle<br />

AMERIKA<br />

58 Dienstfahrt mit Hin<strong>der</strong>nissen<br />

König Kunde? Nur wenn’s gut läuft<br />

54<br />

Das für die Herstellung<br />

des <strong>Allianz</strong> Journals<br />

verwendete Papier wird<br />

aus Holz aus nachhaltiger<br />

Waldbewirtschaftung<br />

hergestellt und wurde<br />

von <strong>der</strong> LGA InterCert<br />

Zertifizierungsgesellschaft,<br />

einem Unternehmen<br />

des TÜV Rheinland,<br />

zertifiziert.<br />

4 Neues aus <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Welt<br />

MEINUNGEN<br />

10 »Autoritäre Züge«<br />

Wohin steuert Russland?<br />

13 Geschosse im Orbit<br />

Müllhalde Weltraum<br />

17 Die Überflieger<br />

Werbung zum Abheben<br />

20 Grüner Moloch<br />

Stadt <strong>der</strong> Zukunft<br />

STRATEGIE<br />

Millionen von Objekten<br />

je<strong>der</strong> Form und Größe<br />

umkreisen die Erde – die<br />

meisten davon völlig<br />

unkontrolliert. Für Astround<br />

Kosmonauten wird<br />

es eng<br />

46 … Eltern sein dagegen sehr<br />

Wie schütze ich mein Kind?<br />

48 Begegnungen im Untergrund<br />

Konferenzzentrum unterm Rasen<br />

ASIEN<br />

61 Erstaunlich wetterfest<br />

Neuer Anlauf in Asien<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

24 »Die Vorwürfe sind unberechtigt«<br />

Jay Ralph zur Investitionspolitik <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />

26 »Das funktioniert wirklich«<br />

Hoffnung für Vertreter<br />

28 Wert und Wirkung<br />

Streitobjekt Marke<br />

Shutterstock<br />

13<br />

65 Potenzieller Lebensretter<br />

Notfallortung übers Handy<br />

67 Dilbert<br />

2<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

3


KURZ<br />

BERICHTET<br />

<strong>Allianz</strong><br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Spieglein, Spieglein<br />

an <strong>der</strong> Wand …<br />

Mit einem simplen Trick hat die <strong>Allianz</strong> in Brasilien im<br />

Sommer das Thema Alkohol am Steuer ins öffentliche<br />

Bewusstsein gerückt. Schauplatz war eine Bar in Sao<br />

Paulo, wo Mitarbeiter <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Tochter den Spiegel<br />

in einem Vorraum gegen einen Bildschirm und eine<br />

Kamera austauschten. Die Wirkung <strong>der</strong> Aktion beruhte<br />

schlicht darauf, dass eine allgemeine Gewissheit unvermittelt<br />

außer Kraft gesetzt wurde.<br />

Normalerweise lügt ein Spiegel nicht. Was er sieht, wirft<br />

er in Echtzeit zurück. Der <strong>Allianz</strong> »Spiegel« aber gab die<br />

zuvor per Kamera aufgezeichneten Bil<strong>der</strong> mit kurzer<br />

Verzögerung wie<strong>der</strong>. Wer also davor stand, sah seine<br />

Bewegungen irritieren<strong>der</strong>weise zeitversetzt. Dass es sich<br />

dabei um mehr als einen schrägen Partygag handelte,<br />

wurde allerdings schnell klar, denn wenig später erschien<br />

auf dem Bildschirm <strong>der</strong> Hinweis, dass ein Drink eine<br />

ebenso verzögernde Wirkung auf die Reaktionsfähigkeit<br />

eines Menschen hat wie gerade im Spiegel gesehen. Es<br />

folgte <strong>der</strong> Ratschlag: »Fahr nicht unter Alkoholeinfluss«.<br />

Die Marketing-Abteilung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Brasilien produzierte<br />

aus dem aufgenommenen Material ein Video, das auf<br />

YouTube innerhalb von nur zehn Tagen mehr als eine<br />

halbe Million mal aufgerufen wurde. Zahlreiche Zeitungen<br />

berichteten über die Nummer mit dem Trickspiegel,<br />

und auch auf sozialen Netzwerken wie Facebook und<br />

Twitter sorgte die Aktion für Furore.<br />

HTTP://VIMEO.COM/47171653<br />

WWW.ALLIANZ.COM.BR<br />

Preis für My Finance Coach<br />

My Finance Coach, die gemeinnützige Initiative zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> finanziellen Allgemeinbildung von Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen, ist mit dem Comenius EduMedia-<br />

Siegel ausgezeichnet worden. Mit dem Preis würdigt die<br />

Gesellschaft für Pädagogik und Information pädagogischinhaltlich,<br />

didaktisch-methodisch sowie gestalterisch<br />

beson<strong>der</strong>s wertvolle Bildungsmedien. Mehr als 200 Kandidaten<br />

aus 18 Län<strong>der</strong>n hatten sich in diesem Jahr um das<br />

Siegel beworben. <strong>Im</strong> vergangenen Jahr war My Finance<br />

Coach bereits von <strong>der</strong> deutschen UNESCO-Kommission<br />

ausgezeichnet worden.<br />

Seit dem Start im Jahr 2010 hat sich die gemeinnützige<br />

Initiative zu einem <strong>der</strong> erfolgreichsten privatwirtschaftlich<br />

getragenen Angebote im Bereich <strong>der</strong> finanziellen Allgemeinbildung<br />

entwickelt. Rund 500 Mitarbeiter aus den<br />

beteiligten Partner- und<br />

För<strong>der</strong>unternehmen<br />

engagieren sich mittlerweile<br />

als Finance Coaches<br />

und haben bereits über<br />

1400 Klassenbesuche bestritten.<br />

Die My Finance Coach Stiftung wird von den Partnern und<br />

För<strong>der</strong>ern <strong>Allianz</strong>, Haniel & Cie., Grey, KPMG und McKinsey<br />

getragen. Nach dem erfolgreichen Start in Deutschland<br />

findet das Modell inzwischen auch im Ausland immer mehr<br />

Anklang. In Indonesien und Malaysia ist My Finance Coach<br />

bereits aktiv. Sechs weitere Län<strong>der</strong> sollen bald folgen.<br />

WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />

Stern<br />

Der Hafen von Auckland<br />

dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Belgien<br />

kauft ein<br />

Die <strong>Allianz</strong> Belgien hat das Versicherungsgeschäft von<br />

Mensura, einem auf Arbeitsunfallversicherungen spezialisierten<br />

Unternehmen, übernommen. Die Vereinbarung<br />

wurde im Juni bekanntgegeben. Mit mehr als 30 000 Kunden<br />

hat Mensura einen Marktanteil von 14 Prozent und nimmt<br />

unter den belgischen Anbietern von Arbeitsunfallversicherungen<br />

im Privatsektor den dritten Platz ein. Die Prämieneinnahmen<br />

lagen 2011 bei 136 Millionen Euro.<br />

Die <strong>Allianz</strong> Belgien und Mensura arbeiten bereits seit Jahren<br />

im Bereich Arbeitsunfallversicherung zusammen. Mit <strong>der</strong><br />

Übernahme des Arbeitsunfallversicherungs-Geschäfts<br />

vervollständigt die <strong>Allianz</strong> Tochter ihr Produktangebot für<br />

Selbständige, Mittelstand und Großunternehmen. In Belgien<br />

ist die <strong>Allianz</strong> hauptsächlich in <strong>der</strong> Schaden- und Unfallversicherung<br />

und in <strong>der</strong> Lebensversicherung aktiv.<br />

WWW.ALLIANZ.BE<br />

Club Marine Assist für Kiwis<br />

2009 brachte <strong>Allianz</strong> Tochter Club Marine, Australiens<br />

größter Boots- und Yachtversicherer, ein Produkt auf<br />

den Markt, das Hobby-Skippern auch dann unter die<br />

Arme greift, wenn sie an <strong>Land</strong> Hilfe benötigen. Tausende<br />

australische Bootseigner haben das Angebot in <strong>der</strong><br />

Zwischenzeit in Anspruch genommen. Seit Mai gibt es<br />

den Schutzbrief nun auch in Neuseeland.<br />

Er bietet nicht nur Hilfe, wenn es auf dem Weg vom<br />

o<strong>der</strong> zum Hafen mit Auto o<strong>der</strong> Trailer Probleme gibt.<br />

Er umfasst auch Übernachtungskosten o<strong>der</strong> ein Ersatzfahrzeug,<br />

den Abschleppdienst o<strong>der</strong> die Bereitstellung<br />

von Benzin, falls man auf offener Strecke liegenbleibt.<br />

Streikt das Boot auf See und man wird von <strong>der</strong> Seenotrettung<br />

in den nächsten Hafen geschleppt, organisiert<br />

Club Marine die Rückfahrt zum Ausgangspunkt, um<br />

Auto und Anhänger zu holen. Für Clubmitglie<strong>der</strong> ist <strong>der</strong><br />

Zusatzservice kostenlos.<br />

WWW.CLUBMARINE.COM.NZ<br />

4<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

5


<strong>Allianz</strong> Mexico<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Investition in ein selbst bestimmtes<br />

Leben: Die <strong>Allianz</strong> übergab einen<br />

Scheck über 50 000 Euro an ein<br />

Straßenkin<strong>der</strong>projekt in Mexiko City<br />

Journal im Netz<br />

Das <strong>Allianz</strong> Journal geht online:<br />

Ab dieser Ausgabe steht das Mitarbeitermagazin<br />

<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe<br />

unter http://knowledge.allianz.com<br />

im Internet zur Verfügung.<br />

Auch die älteren Ausgaben des<br />

Journals sind künftig auf <strong>der</strong> Wissensseite<br />

<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> zu finden.<br />

Die Dezemberausgabe wird ausschließlich<br />

in elektronischer Form<br />

erscheinen.<br />

HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM<br />

Hilfe für Straßenkin<strong>der</strong><br />

»Originell und<br />

verständlich«<br />

Vor 19 Jahren wurde die Fundación Por<br />

Niños de la Calle gegründet. Seither hat die<br />

Stiftung Hun<strong>der</strong>te obdachlose Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche von Mexiko Citys Straßen geholt<br />

und ihnen neue Perspektiven eröffnet. Seit<br />

Juni hat die Sozialeinrichtung einen Fürsprecher<br />

mehr: Die <strong>Allianz</strong> Foundation for North<br />

America (<strong>Allianz</strong> Stiftung für Nordamerika)<br />

und die <strong>Allianz</strong> Mexico stellten sich mit einer<br />

Spende von 50 000 Euro an ihre Seite. Das Geld<br />

kommt einem Projekt zugute, das die Jungen<br />

im Alter zwischen 16 und 21 Jahren in einem<br />

Übergangsheim auf ein selbst bestimmtes<br />

Leben abseits von Missbrauch, Drogen und<br />

Prostitution vorbereiten soll. Die Erfolgsquote<br />

<strong>der</strong> Stiftung liegt bei 85 Prozent. <strong>Allianz</strong><br />

Mexico-Chef Sergio Ghibelini kündigte an,<br />

dass die <strong>Allianz</strong> neben <strong>der</strong> finanziellen Unterstützung<br />

auch Programme wie etwa Computerschulungen<br />

organisieren werde, mit<br />

denen die Jugendlichen auf dem Weg in die<br />

Unabhängigkeit unterstützt werden sollen.<br />

WWW.ALLIANZ.MX<br />

WWW.PRONINOSDELACALLE.ORG.MX<br />

Journal_1-12_dt_2202_P.indd 1<br />

ALLIANZ GROUP<br />

Journal<br />

Deutsche Ausgabe 1 | 2012 2011<br />

Raumfahrt für Anfänger<br />

Countdown in <strong>der</strong> Wüste<br />

26<br />

51<br />

Digitale Breitseite<br />

Die <strong>Allianz</strong> geht ins Netz<br />

Krokodile auf Abwegen<br />

Thailand im Kampf gegen<br />

die Fluten<br />

Das <strong>Allianz</strong> Journal zählt zu den Preisträgern des<br />

diesjährigen inkom Grand Prix <strong>der</strong> Deutschen<br />

Public Relations Gesellschaft (DPRG). Beim ältesten<br />

deutschen Wettbewerb für Mitarbeitermedien<br />

wurde das Magazin <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe mit einem<br />

Silver Award ausgezeichnet. Die neunköpfige Jury<br />

aus Medienwissenschaftlern, Kommunikationsfachleuten<br />

und Journalisten hob insbeson<strong>der</strong>e Originalität, journalistische<br />

Vielfalt und verständliche Sprache hervor. »Das Mitarbeitermedium hat Vorzeigecharakter<br />

– von <strong>der</strong> Konzeption bis zum Layout. Die Belegschaft wird professionell<br />

angesprochen«, so die Einschätzung <strong>der</strong> Jury.<br />

Die Mitarbeitermagazine <strong>der</strong> Deutschen Telekom »you and me« und <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

für Internationale Zusammenarbeit »wir« wurden mit Platin ausgezeichnet,<br />

Gold ging an Bosch, Deutsche Bank, Audi und die Bundeswehr. Die Preisverleihung<br />

fand im Juni im Axel-Springer-Haus in Hamburg statt. Seit 1995 bewertet <strong>der</strong><br />

inkom Grand Prix Mitarbeiterzeitschriften und -zeitungen, die in Deutschland<br />

von Unternehmen, Regierungsorganisationen und nichtstaatlichen Institutionen<br />

herausgegeben werden. Inzwischen kommen die Wettbewerbsteilnehmer auch<br />

aus Österreich und <strong>der</strong> Schweiz.<br />

WWW.INKOM-GRANDPRIX.DE<br />

Afrika: Zahlung per Handy<br />

Die <strong>Allianz</strong> geht in <strong>der</strong> Elfenbeinküste<br />

neue Wege bei <strong>der</strong> Prämienzahlung.<br />

<strong>Im</strong> Juni brachte die <strong>Allianz</strong> Côte<br />

d’Ivoire Assurance Vie eine Mikroversicherung<br />

für den Todesfall und<br />

ein Sparprodukt auf den Markt, für<br />

die die Mobiltelefongesellschaft des<br />

Versicherungsnehmers als Gebühreneinzugszentrale<br />

dient. Statt bar<br />

o<strong>der</strong> per Scheck zu zahlen, werden<br />

die Beiträge automatisch über das<br />

Handykonto abgebucht. Für die<br />

mobile Todesfallversicherung fallen<br />

monatlich 1,30 US-Dollar an, für den<br />

Sparplan mindestens 4,50 US-Dollar.<br />

Mit ihren Mikroversicherungen ist<br />

die <strong>Allianz</strong> mittlerweile in elf Län<strong>der</strong>n<br />

aktiv. Neben Afrika (Ägypten, Burkina<br />

Faso, Elfenbeinküste, Kamerun, Madagaskar,<br />

Mali und Senegal) werden<br />

die Versicherungen für Geringverdiener<br />

auch in Kolumbien, Indien,<br />

Indonesien und Malaysia angeboten.<br />

Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> mehr<br />

Senioren gefragt<br />

Nachdem im vergangenen Jahr rund 100 <strong>Allianz</strong><br />

Pensionäre dem Aufruf von <strong>Allianz</strong>4Good gefolgt<br />

waren, sich beim sozialen Netzwerk startsocial als<br />

Berater zu engagieren (siehe <strong>Allianz</strong> Journal 2/2012),<br />

ist das Angebot nun auf zwei weitere Organisationen<br />

ausgeweitet worden: auf die Social Entrepreneurship<br />

Akademie und My Finance Coach.<br />

Bei startsocial können sich die <strong>Allianz</strong> Senior Experten<br />

als Juroren o<strong>der</strong> Berater engagieren und sozialen<br />

Projekten bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung helfen. Die<br />

Social Entrepreneurship Akademie bietet die Möglichkeit,<br />

junge Sozialunternehmer zu unterstützen,<br />

und bei My Finance Coach geben sie ihr Wissen<br />

rund um die Themen Wirtschaft und Finanzen an<br />

Schüler weiter.<br />

»Unsere Pensionäre haben ein enormes Wissen<br />

und wertvolle Lebenserfahrung«, sagt Katharina<br />

Rauscher von <strong>Allianz</strong>4Good. »Genau das wollen wir<br />

wirksam einsetzen, um soziale Projekte professioneller<br />

zu managen und unternehmerisches Handeln<br />

mit sozialem Denken in Einklang zu bringen.«<br />

WWW.SEAKADEMIE.DE<br />

WWW.STARTSOCIAL.DE<br />

WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />

als 3,8 Millionen Mikroversicherungskunden<br />

<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> stammt aus Asien.<br />

<strong>Im</strong> Frühjahr wurden neun Männer<br />

und Frauen aus Kolumbien, Indien<br />

und Indonesien interviewt, die mit<br />

Hilfe ihrer Mikroversicherung nach<br />

einem schweren Schicksalsschlag<br />

wie<strong>der</strong> auf die Beine gekommen<br />

waren. Die Videointerviews wurden<br />

anschließend ins Internet gestellt,<br />

sie sind auf YouTube abrufbar.<br />

<strong>Allianz</strong>4Good steuerte je 2500 Euro<br />

zur Produktion <strong>der</strong> Videos bei.<br />

WWW.ALLIANZ-AFRICA.COM<br />

WWW.YOUTUBE.COM/USER/ALLIANZ<br />

→ MICROINSURANCE CLAIM<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

6<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

7


KURZ<br />

BERICHTET<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

OP-Versicherung für Pferde<br />

Haller<br />

PERSONALIEN<br />

Remi Vrignaud ist seit 1. August<br />

Chef <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>-Tiriac Asigurari in<br />

Rumänien. Zuvor war er elf Jahre<br />

lang in verschieden Funktionen<br />

für die <strong>Allianz</strong> Elementar in Wien<br />

tätig. Sein Vorgänger bei <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong>-Tiriac, Rangam Bir, hat<br />

zeitgleich die Leitung des Sachund<br />

Unfallgeschäfts bei <strong>Allianz</strong><br />

Asia Pacific übernommen und ist<br />

in das regionale Managementteam<br />

mit Sitz in Singapur gewechselt.<br />

In Deutschland gibt es rund eine Million<br />

Pferde, allerdings sind bislang nur etwa zehn<br />

Prozent davon krankenversichert. Dabei kann<br />

eine tierärztliche Behandlung von Pferden,<br />

vor allem bei Operationen, richtig teuer werden.<br />

Seit Juli bietet die <strong>Allianz</strong> Deutschland<br />

nun eine eigene Operationskostenpolice für<br />

Pferde an. Hunde und Katzen konnte man<br />

bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> bereits seit 2008 versichern.<br />

Die neue Pferdepolice gibt es in drei<br />

Varianten. Bei allen werden Kosten<br />

für bestimmte operative Eingriffe<br />

inklusive Untersuchungen am letzten<br />

Untersuchungstag vor <strong>der</strong> Operation,<br />

Medikamente sowie Verbrauchsmaterialien<br />

und Nachbehandlungen von bis zu zehn<br />

Tagen erstattet. Ebenfalls finanziell abgedeckt<br />

werden Unterbringungs- und Futterkosten<br />

bei einem eventuellen Aufenthalt des Pferdes<br />

in einer Tierklinik bis zu zehn Tagen. Für den<br />

Kunden gibt es keine Selbstbeteiligung. Pro<br />

Jahr werden von <strong>der</strong> Versicherung Kosten<br />

von bis zu 10 000 Euro übernommen. Je nach<br />

gewähltem Leistungsumfang beträgt <strong>der</strong><br />

monatliche Beitrag zwischen 13 und 30 Euro.<br />

WWW.ALLIANZ.DE<br />

<strong>Allianz</strong> France baut<br />

Maklergeschäft aus<br />

Die <strong>Allianz</strong> France hat die Schaden- und Unfallsparte von Gan Eurocourtage übernommen,<br />

einer Tochter <strong>der</strong> französischen Versicherungsgesellschaft Groupama.<br />

Darauf haben sich beide Unternehmen im Juni verständigt. Gan Eurocourtage<br />

gehört zu den führenden Schaden- und Unfallversicherungen im französischen<br />

Maklermarkt. Nach <strong>der</strong> Transaktion, die mit <strong>der</strong> Übertragung des Prämienvolumens<br />

von rund 800 Millionen Euro einhergeht, werden rund 2500 Makler zum <strong>Allianz</strong><br />

Netz in Frankreich gehören. Damit entsteht eine <strong>der</strong> größten Makler-Plattformen<br />

in Frankreich. 600 Mitarbeiter von Gan Eurocourtage werden zur <strong>Allianz</strong> wechseln.<br />

beide Fotos: Shutterstock<br />

TAM<br />

Kultur im Kleinen<br />

Seit zehn Jahren unterstützt die <strong>Allianz</strong><br />

Kulturstiftung gemeinsam mit <strong>Allianz</strong> Vertretern<br />

in Deutschland Projekte auf kommunaler<br />

Ebene, bei denen die För<strong>der</strong>ung des<br />

europäischen Gedankens im Vor<strong>der</strong>grund<br />

steht. Zwei Drittel <strong>der</strong> Projektkosten – bis zu<br />

einer Höchstsumme von 2100 Euro – werden<br />

von <strong>der</strong> Kulturstiftung übernommen, jeweils<br />

ein Drittel trägt <strong>der</strong> Vertreter. Vor einem Jahr<br />

wurde das erfolgreiche Konzept auch auf<br />

Österreich ausgeweitet, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter<br />

mittlerweile mehr als 20 solcher Initiativen<br />

gesponsert haben.<br />

Bei einer davon handelte es sich um den<br />

Integrationskin<strong>der</strong>garten »Wiener Kin<strong>der</strong>freunde«,<br />

in dem 37 Mädchen und Jungen<br />

aus zwölf Län<strong>der</strong>n betreut werden. Die<br />

Kin<strong>der</strong> lernen dort gemeinsam, Instrumente<br />

zu spielen, studieren Musik- und Theaterstücke<br />

ein und führen sie anschließend in<br />

Altenheimen und an<strong>der</strong>en sozialen Einrichtungen<br />

auf. Michael Haller, Generalvertreter<br />

aus Wien, steuerte 1000 Euro zum Ankauf<br />

von Musikinstrumenten und Spielmaterial<br />

für die Sprachför<strong>der</strong>ung bei.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Beispiel einer gelungenen<br />

Kultur <strong>Allianz</strong> kommt aus Waidhofen in<br />

Nie<strong>der</strong>österreich, wo <strong>Allianz</strong> Vertreter<br />

Andreas Hanisch die Produktion von<br />

»Träume und Albträume« am Theater an<br />

<strong>der</strong> Mauer (TAM) sponserte. In dem Theaterstück<br />

drücken die 15- bis 17-jährigen Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> TAM-Juniorgruppe ihre Träume<br />

und Sehnsüchte genauso wie ihre Zukunftsängste<br />

aus. Ein Ziel <strong>der</strong> Aktion war es, über<br />

Probleme und enttäuschte Hoffnungen offen<br />

sprechen zu lernen. Hanisch unterstützte die<br />

Produktion des Stücks sowie die Werbung<br />

in lokalen Printmedien mit 1500 Euro.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> gestiegenen Nachfrage wird<br />

die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung ihren Etat für<br />

die Kultur <strong>Allianz</strong>en im nächsten Jahr um<br />

20 Prozent auf 120 000 Euro erhöhen.<br />

WWW.ALLIANZ-KULTURSTIFTUNG.DE<br />

AUSGE-<br />

ZEICHNET<br />

<strong>Allianz</strong> Life ist vom Magazin<br />

Fortune in die Liste <strong>der</strong> 100<br />

arbeitnehmerfreundlichsten US-<br />

Unternehmen (Fortune 100 Best<br />

Companies to Work For) aufgenommen<br />

worden. Die amerikanische<br />

<strong>Allianz</strong> Tochter hatte sich zum<br />

ersten Mal beworben. <strong>Land</strong>esweit<br />

schafften es nur vier Versicherungsunternehmen<br />

in die Top 100.<br />

Genialloyd, Direktkanal <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />

Italien, ist von allen italienischen<br />

Versicherern die Gesellschaft mit <strong>der</strong><br />

stärksten Präsenz in sozialen Netzwerken.<br />

Das ist das Ergebnis einer<br />

Untersuchung von OssCom, dem<br />

Forschungszentrum für Medien und<br />

Kommunikation <strong>der</strong> Katholischen<br />

Universität Mailand.<br />

<strong>Allianz</strong> SE Investor Relations ist<br />

im Juni vom IR Magazine für die<br />

beste IR-Arbeit in Deutschland und<br />

im Versicherungssektor insgesamt<br />

ausgezeichnet worden. Außerdem<br />

gewann das Team den Grand Prix<br />

als bestes IR-Team in Europa über<br />

die Branchengrenzen hinweg.<br />

Darüber hinaus wurde <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />

Einheit, Oliver Schmidt, zum besten<br />

IR Professional Europas gewählt.<br />

WWW.ALLIANZ.FR<br />

WWW.GROUPAMA.COM<br />

8<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

9


Meinungen<br />

Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

»Autoritäre<br />

Züge«<br />

Roth<br />

Wahlbetrug, Korruption, politische Justiz – Russland macht wie<strong>der</strong> Schlagzeilen,<br />

und meist sind es keine guten. Verzerrte Wahrnehmung des Westens o<strong>der</strong> Abbild<br />

<strong>der</strong> Realität? Fragen an Professor Hans-Henning Schrö<strong>der</strong>, Leiter <strong>der</strong> Forschungsgruppe<br />

Russland <strong>der</strong> Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

Herr Professor, im Oktober letzten Jahres<br />

wurde Ihnen die Einreise nach Russland<br />

trotz gültigen Visums verwehrt. Was<br />

hatten Sie verbrochen?<br />

(Lacht) Ich hatte nichts verbrochen. Wie mir<br />

<strong>der</strong> Gesandte <strong>der</strong> russischen Botschaft hier<br />

in Berlin später versicherte, handelte es sich<br />

um ein Missverständnis.<br />

Ein Missverständnis?<br />

Die Botschaft hat sich offiziell bei mir entschuldigt.<br />

Dabei würde ich es gern belassen.<br />

Vielleicht war man darüber verärgert,<br />

dass Sie die Putin-Partei Einiges Russland<br />

als Chaoshaufen bezeichnet haben.<br />

Darüber waren sie sicher nicht glücklich,<br />

aber es gibt in Russland und auch hier im<br />

Westen sehr viel schärfere Töne.<br />

Herr Professor, wohin steuert Russland?<br />

Richtung Demokratie o<strong>der</strong> Diktatur?<br />

Es gibt beide Trends. In den letzten Wochen<br />

und Monaten aber zeigt <strong>der</strong> Staat zunehmend<br />

autoritäre Züge. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite entwickelt sich in <strong>der</strong> Bevölkerung ein<br />

demokratisches und zunehmend kritisches<br />

Potenzial. Die Gesellschaft wird wacher und<br />

for<strong>der</strong>t mehr Mitsprache. Damit kann die<br />

russische Führung im Moment offensichtlich<br />

nur schwer umgehen.<br />

Wie beeinflusst dieses Unvermögen<br />

die Presse- und Meinungsfreiheit?<br />

Es gibt in Russland eigentlich keine Zensur.<br />

Wenn Sie in einen Buchladen gehen, dann<br />

finden Sie alles – von den Protokollen <strong>der</strong><br />

Weisen von Zion, also übles rechtsradikales<br />

Material, über Interviews mit Beresowski,<br />

dem Oligarchen, <strong>der</strong> jetzt aus <strong>der</strong> Emigration<br />

heraus versucht, die russische Führung zu<br />

attackieren, bis hin zu linksradikalen Schriften<br />

je<strong>der</strong> Couleur. Das Fernsehen allerdings<br />

steht weitgehend unter staatlicher Kontrolle,<br />

kritische Stimmen kommen dort kaum zu<br />

Wort. Es gibt also eine breite, sehr vielschichtige<br />

und vielstimmige Gesellschaft. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite versucht die Staatsführung,<br />

durch Manipulation <strong>der</strong> elektronischen<br />

Medien ihre Meinung zur herrschenden zu<br />

machen.<br />

Das ist in den letzten zwei Jahren allerdings<br />

immer schwieriger geworden, weil mehr<br />

und mehr Russen das Internet nutzen,<br />

das im Moment völlig unzensiert ist. Das<br />

heißt, es gibt neben dem offiziellen Informationsraum,<br />

die die Putin- und früher<br />

die Medwedjew-Administration bespielt,<br />

einen Raum, <strong>der</strong> nahezu herrschaftsfrei ist.<br />

Und das schafft natürlich eine Situation, die<br />

für die Führung zunehmend unbequem<br />

geworden ist. Deshalb wurde in den Wochen<br />

vor den Sommerferien eine ganze Reihe von<br />

Gesetzen verabschiedet, die diese Möglichkeiten<br />

einengen sollen. Wir haben also<br />

eine breite, sehr lebendige Gesellschaft mit<br />

unterschiedlichen kritischen Stimmen, und<br />

wir haben eine Führungsgruppe, die damit<br />

immer größere Schwierigkeiten hat.<br />

Wie stark ist die Opposition?<br />

Die Opposition ist schwach, und zwar vor<br />

allem deshalb, weil sie nicht geschlossen<br />

agiert. Nicht verwun<strong>der</strong>lich, denn sie reicht<br />

von rechts außen bis links außen. Sie hat<br />

keine gemeinsamen Ziele, außer, dass sie<br />

gegen Putin ist. Das, was wir bei den großen<br />

Demonstrationen in Moskau und<br />

auch in Petersburg gesehen haben, ist im<br />

Moment eine <strong>Allianz</strong> gegen das System.<br />

Aber sie hat keine positiven Ziele, und sie<br />

hat keine Führer, die von allen akzeptiert<br />

werden. Das ist ihre große Schwäche.<br />

Der zweite Schwachpunkt ist, dass sie im<br />

Moment auf die urbanen Metropolen, also<br />

Moskau und mit Abstrichen Petersburg,<br />

konzentriert ist. In <strong>der</strong> Fläche, selbst in<br />

an<strong>der</strong>en Millionenstädten wie Wolgograd,<br />

Nischni Nowgorod o<strong>der</strong> Jekaterinburg ist sie<br />

nicht präsent. Und sie wird dort auch kaum<br />

wahrgenommen. Dort sind die Sorgen <strong>der</strong><br />

Menschen an<strong>der</strong>e, sie sind viel materieller.<br />

Da geht es wirklich ums Einkommen, um<br />

soziale Sicherung und <strong>der</strong>gleichen.<br />

Wie groß ist Putins Rückhalt in <strong>der</strong><br />

Bevölkerung?<br />

Nach den Umfragen und Wahlergebnissen<br />

kann man davon ausgehen – selbst wenn<br />

man die Manipulationen und Fälschungen<br />

in Rechnung stellt –, dass deutlich über 50<br />

Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung hinter ihm stehen.<br />

Die Dumawahlen sind etwas an<strong>der</strong>es.<br />

Einiges Russland hat nur geringen Rückhalt<br />

in <strong>der</strong> Bevölkerung. Ihre Wahlergebnisse hat<br />

die Partei nur durch Fälschungen erreicht.<br />

Putin aber ist ein an<strong>der</strong>es Thema. Seine<br />

Stellung ist deshalb so stark, weil er in <strong>der</strong><br />

Bevölkerung nach wie vor große Glaubwürdigkeit<br />

genießt – auch wenn sie bröckelt. Der<br />

an<strong>der</strong>e Grund ist: Es gibt keine Alternative.<br />

We<strong>der</strong> im eigenen Lager, noch im Lager <strong>der</strong><br />

Opposition gibt es eine politische Figur, die<br />

ähnliches Vertrauen genießt wie Putin.<br />

Russlands Wohl und Wehe hängt vom<br />

Export von Öl und Gas ab. Wie stabil ist<br />

das System Putin?<br />

Ich sehe im Moment keine alternative<br />

politische Kraft, die dieses System ablösen<br />

Hans-Henning<br />

Schrö<strong>der</strong><br />

könnte. Denkbar ist dagegen, dass es sich<br />

von innen heraus reformiert, flexibler reagiert,<br />

an<strong>der</strong>en Parteien größere Spielräume<br />

einräumt. Es könnte aber auch repressiver<br />

agieren. Beide Optionen sind denkbar, und<br />

beide Muster hat es in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

schon gegeben. <strong>Im</strong> Moment deutet das<br />

Pendel auf eine eher repressive Entwicklung.<br />

Intelligenter wäre sicher ein flexibleres<br />

Einbinden <strong>der</strong> Opposition. Ich sehe bei den<br />

Mittelschichten eigentlich eher die Bereitschaft,<br />

in dem System konstruktiv mitzuarbeiten<br />

und weniger eine Totalopposition<br />

zu verfolgen. Nur hat die Putinsche Führung<br />

in den letzten Monaten kaum Anstalten<br />

gemacht, diesem Potenzial Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

einzuräumen.<br />

Wie hat sich in den letzten Jahren die<br />

Lage <strong>der</strong> Bevölkerung entwickelt?<br />

Der Lebensstandard ist nach 1992, also nach<br />

dem Übergang zur Marktwirtschaft, geradezu<br />

abgestürzt. In den 90er Jahren unter Jelzin<br />

ging es <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> Bevölkerung extrem<br />

schlecht, etwa 30 Prozent lebten unter dem<br />

Existenzminimum. Inzwischen ist dieser Anteil<br />

auf etwa zehn Prozent gesunken. Doch<br />

gibt es auch heute noch eine große Schicht<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung, die nur knapp über dem<br />

Existenzminimum lebt. Sie leidet beson<strong>der</strong>s<br />

darunter, wenn zum Beispiel die Heizungsabgaben<br />

steigen. <strong>Im</strong> Juli sind die Gaspreise<br />

im <strong>Land</strong> um fünf Prozent erhöht worden.<br />

Insgesamt ist dadurch die Inflationsrate im<br />

Vergleich zu den Vormonaten fühlbar höher.<br />

Und dabei wird es nicht bleiben.<br />

<strong>Im</strong> Moment gibt es bei Gazprom einen deutlichen<br />

Unterschied zwischen Inlands- und<br />

Auslandspreisen. Nach dem Beitritt Russlands<br />

zur Welthandelsorganisation WTO ist das<br />

10<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

11


MEINUNGEN<br />

Global<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

nicht mehr statthaft. Es ist also abzusehen,<br />

dass die Gaspreise im Inland weiter steigen<br />

werden – und damit auch die für kommunale<br />

Dienstleistungen. Die Regierung muss die<br />

Auswirkungen durch höhere Renten, bessere<br />

Sozialleistungen und steigende Einkommen<br />

abfe<strong>der</strong>n. Das kann sie aber nur, wenn <strong>der</strong><br />

Ölpreis auf hohem Niveau bleibt. Alles hängt<br />

vom Ölpreis ab. <strong>Im</strong> Moment kalkuliert die<br />

Regierung mit 100 Dollar pro Barrel, doch<br />

wenn <strong>der</strong> Preis einbricht, könnte es zu sozialen<br />

Spannungen kommen. Es ist ein Vabanque-<br />

Spiel, das auf dem Ölpreis basiert.<br />

Gibt es Tendenzen <strong>der</strong> Abschottung gegen<br />

den Westen? Wird er als Bedrohung<br />

gesehen?<br />

Natürlich gibt es solche Stimmen, die hat<br />

es schon immer gegeben. Manch einer vermutet,<br />

<strong>der</strong> Westen sei an Russland nur als<br />

Rohstofflieferant interessiert, will das <strong>Land</strong><br />

ansonsten aber klein halten. Doch es gibt<br />

auch eine gegenläufige Tendenz, vor allem<br />

unter den Jüngeren in <strong>der</strong> Bevölkerung. Sie<br />

reisen, sie lernen Fremdsprachen und viele<br />

orientieren sich am Westen.<br />

Das Verfahren gegen die Punkband Pussy<br />

Riot hat im Westen scharfe Kritik hervorgerufen.<br />

Wie wird das in <strong>der</strong> russischen<br />

Bevölkerung wahrgenommen?<br />

Auch in Russland gab es heftige Kritik an den<br />

Urteilen, insbeson<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> Opposition.<br />

Allerdings hat eine große Mehrheit <strong>der</strong><br />

Bevölkerung den Auftritt in <strong>der</strong> Kathedrale<br />

verurteilt. Von denen sprach sich zudem<br />

ein beachtlicher Teil für eine schwere Strafe<br />

aus. Das heißt, das Gericht und diejenigen in<br />

<strong>der</strong> Kirche und in <strong>der</strong> politischen Führung,<br />

die das Gericht dazu ermutigt haben, diese<br />

Urteile zu fällen, können sich darauf berufen,<br />

eine Mehrheit zu repräsentieren.<br />

Stichwort Kirche: Welche Rolle spielt sie<br />

für Putins Herrschaft?<br />

Die russisch-orthodoxe Kirche ist sicher kein<br />

klassisches Herrschaftsinstrument. Aber sie<br />

ist neben <strong>der</strong> Armee nach wie vor die Institution,<br />

<strong>der</strong> die Russen das größte Vertrauen<br />

entgegenbringen. Die Kirche verkörpert für<br />

viele Menschen russische Identität – gleichgültig,<br />

ob sie gläubig sind o<strong>der</strong> nicht. Man<br />

muss sich vergegenwärtigen, dass <strong>der</strong> russische<br />

Staat nach 1991 völlig neu erfunden<br />

werden musste. Es hat über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

keinen russischen Staat gegeben, <strong>der</strong> über<br />

ein kleineres Territorium herrschte als <strong>der</strong><br />

jetzige. Das Zarenreich war so groß wie die<br />

Sowjetunion. Da gehörte Zentralasien dazu,<br />

die Ukraine, Weißrussland. Mit dem Zerfall<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion hat sich die Bevölkerung<br />

quasi halbiert. Und dieses neue Russland<br />

sucht nach einer Identität. Als Sinnstifterin<br />

spielt die Kirche eine bedeutende Rolle.<br />

Sie repräsentiert russische Kontinuität,<br />

russische Identität.<br />

Ist Russland für ausländische Investoren<br />

sicheres Terrain?<br />

Ja und nein. Für große Investoren, die politischen<br />

Rückhalt in <strong>der</strong> Regierung genießen,<br />

ist es ein vergleichsweise sicheres Terrain.<br />

Für kleine und mittelständische Unternehmen<br />

ist es dagegen schwierig, weil es noch<br />

immer kein unabhängig funktionierendes<br />

Rechtssystem gibt. Die Wirtschaftsrechtssprechung<br />

in den Regionen ist weiterhin<br />

eine schwieriges Thema. Wenn es gelingt,<br />

einen Prozess auf die Bundesebene zu<br />

heben, hat man eine relativ große Chance<br />

auf ein faires Verfahren. In den Regionen,<br />

wo Oligarchen, Gouverneure und regionale<br />

Eliten ihren Einfluss ausüben, ist die Chance<br />

eher gering. Und wenn politische Interessen<br />

im Spiel sind, ist es mit <strong>der</strong> Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Richter auch auf <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Ebene<br />

nicht weit her.<br />

Könnte <strong>der</strong> Beitritt zur WTO zur Bildung<br />

einer unabhängigen Justiz beitragen?<br />

Es ist sicher ein wichtiger Schritt. Es gibt<br />

ja schon den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte in Straßburg und<br />

die Menschenrechtscharta, die Russland<br />

unterschrieben hat. Russen, die sich vom<br />

eigenen Gerichtssystem ungerecht behandelt<br />

fühlen, können nach Straßburg gehen.<br />

Und in vielen Fällen hat Straßburg dann auch<br />

an<strong>der</strong>s geurteilt als die russischen Gerichte.<br />

Der russische Staat hat diese Gerichtsurteile<br />

immer anerkannt. Das hat bisher allerdings<br />

nicht auf die russische Rechtssprechung<br />

selbst zurückgewirkt, aber <strong>der</strong> Staat verhält<br />

sich zumindest konform. Insofern wird er<br />

auch die WTO-Regeln einhalten. Aber bis<br />

sich das in <strong>der</strong> Rechtssprechung vor Ort<br />

nie<strong>der</strong>schlägt, wird es Zeit brauchen.<br />

In den nächsten Jahren sind in Russland<br />

riesige Infrastrukturprojekte geplant.<br />

Kann sich das <strong>Land</strong> von <strong>der</strong> Rohstoffwirtschaft<br />

emanzipieren?<br />

In den letzten 20 Jahren ist in die Infrastruktur<br />

des <strong>Land</strong>es kaum investiert worden. Pipelines,<br />

Straßen, Eisenbahnen – vieles ist in einem<br />

äußerst schlechten Zustand. Wenn Russland<br />

zu einem Staat werden will, <strong>der</strong> mehr ist als<br />

ein Rohstoffexporteur, dann muss er Geld in<br />

die Infrastruktur stecken. Viel Geld. Die Frage<br />

ist, wie effektiv diese Mittel eingesetzt werden.<br />

Es gibt Analysen, die zeigen, dass <strong>der</strong> Straßenbau<br />

in Russland um ein Vielfaches teurer ist<br />

als in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Man kann davon ausgehen,<br />

dass da viel Korruption im Spiel ist. Das<br />

heißt, dass neben dem Infrastrukturausbau<br />

auch bei <strong>der</strong> Korruptionsbekämpfung etwas<br />

getan werden muss. Dazu bräuchte man<br />

allerdings unabhängige Gerichte, die so was<br />

steuern könnten.<br />

Das allein aber wird nicht ausreichen. Der<br />

Staat müsste dafür sorgen, dass junge Ingenieure,<br />

Entwickler und Wissenschaftler nicht<br />

in Scharen das <strong>Land</strong> verlassen. In den letzten<br />

20 Jahren ist die Innovationskraft Russlands<br />

immer mehr zurückgegangen. Tausende<br />

junger, gut ausgebildeter Russen gehen ins<br />

Ausland. Es gibt tatsächlich einen Brain Drain,<br />

ein Abwan<strong>der</strong>n von Fachkräften, die für Russlands<br />

Entwicklung wichtig wären, die unter<br />

den jetzigen Umständen für sich jedoch<br />

keinen Platz im <strong>Land</strong> sehen. Eine russische<br />

Führung, die dieser Abwan<strong>der</strong>ung entgegenwirken<br />

will, müsste Lebensbedingungen<br />

schaffen, die es für junge Menschen attraktiv<br />

machen, im eigenen <strong>Land</strong> zu bleiben.<br />

WWW.SWP-BERLIN.ORG<br />

Geschosse im Orbit<br />

Am 1. Oktober 1957 läuteten die Russen mit dem Start von Sputnik 1 das<br />

Zeitalter <strong>der</strong> Weltraumfahrt ein. 55 Jahre später umkreisen bereits Millionen<br />

von Objekten je<strong>der</strong> Form und Größe die Erde – und die meisten davon völlig<br />

unkontrolliert. Für Astro- und Kosmonauten wird es eng.<br />

FRANK STERN<br />

12<br />

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13


GLOBAL<br />

links und Seite 13: dpa / picture-alliance | rechts: Shutterstock<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

SATELLITENVERSICHERUNG<br />

2011 lagen die Gesamtprämien <strong>der</strong> Branche<br />

im Bereich Satellitenversicherung weltweit bei<br />

800 Millionen Dollar, die Schäden beliefen sich<br />

auf 600 Millionen Dollar. SpaceCo’s Prämieneinnahmen<br />

aus dem Satellitengeschäft betrugen<br />

2011 rund 116 Millionen Dollar.<br />

WWW.SPACECO.EU<br />

Sonnenstürme<br />

Schon zweimal gab es in den vergangenen zwei<br />

Jahren Alarm auf <strong>der</strong> Internationalen Raumstation ISS:<br />

Bruchstücke von älteren Flugkörpern befanden sich<br />

auf Kollisionskurs, und es war reines Glück, dass sie die<br />

Station verfehlten – für ein Ausweichmanöver wäre<br />

<strong>der</strong> Crew keine Zeit mehr geblieben. Nach einer Studie,<br />

die <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty (AGCS) im<br />

Juli veröffentlicht hat, wird es solche Begegnungen in<br />

Zukunft wohl noch häufiger geben, wenn es nicht bald<br />

gelingt, den Schrotthaufen abzubauen, <strong>der</strong> sich in den<br />

letzten fünfeinhalb Jahrzehnten im erdnahen Raum<br />

angesammelt hat. Die Gefahren für die bemannte und<br />

unbemannte Raumfahrt werden größer.<br />

»Das Weltall wird immer mehr zur Müllhalde«, sagt<br />

Thierry Colliot, Chef von SpaceCo, dem <strong>Allianz</strong> Spezialisten<br />

für Satellitenversicherungen. Selbst ohne weitere<br />

Flugkörper im All würde das Problem wachsen, denn die<br />

Zahl <strong>der</strong> umher fliegenden Fragmente wird mit jedem<br />

Zusammenprall größer. Derzeit kreisen etwa 800 Geo-,<br />

Wetter- und Telekommunikationssatelliten auf einer<br />

kontrollierten Umlaufbahn um die Erde. Daneben aber<br />

sind etwa 16 000 Objekte mit einem Durchmesser von<br />

über zehn Zentimetern unterwegs, 330 000 Fragmente<br />

zwischen einem und zehn Zentimetern und 35 Millionen<br />

Minibruchstücke unter einem Zentimeter. Doch auch<br />

die können enormen Schaden anrichten, wenn sie auf<br />

einen Satelliten o<strong>der</strong> eine Raumstation treffen – mit<br />

einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Sekunde<br />

sind sie zehn mal so schnell wie eine Gewehrkugel.<br />

Kontrollierter Absturz<br />

Der kontrolliert eingeleitete Absturz von ausgedienten<br />

Satelliten, die beim Wie<strong>der</strong>eintritt in die Erdatmosphäre<br />

zum großen Teil verglühen, werde nicht ausreichen, um<br />

das Problem in den Griff zu bekommen, warnt Colliot.<br />

Zusätzlich müssten jedes Jahr zehn große Trümmer<br />

eingefangen und unschädlich gemacht werden, um<br />

die Zahl <strong>der</strong> umher fliegenden Objekte nicht noch weiter<br />

ansteigen zu lassen. 2009 stießen <strong>der</strong> russische Satellit<br />

Kosmos 2251 und <strong>der</strong> amerikanische Iridium 33 zusam-<br />

men und schleu<strong>der</strong>ten Tausende neuer Bruchstücke<br />

in die Umlaufbahn.<br />

Gefahr droht Satelliten und Raumkapseln nicht nur durch<br />

Kollisionen mit Weltraumtrümmern, auch Sonnenstürme,<br />

gewaltige Strahlungs- und Partikelausbrüche, können<br />

Fehlfunktionen und Systemausfälle auslösen. Schätzungen<br />

gehen davon aus, dass bislang rund 40 Satelliten durch<br />

Solarstürme beschädigt o<strong>der</strong> zerstört wurden. Selbst auf<br />

<strong>der</strong> Erde können Sonneneruptionen erhebliche Folgen<br />

nach sich ziehen (siehe Kasten).<br />

Kein Wun<strong>der</strong>, dass Colliot die Alarmglocken läutet.<br />

Rund ein Viertel <strong>der</strong> 800 Satelliten in <strong>der</strong> Erdumlaufbahn<br />

im Gesamtwert von 22 Milliarden US-Dollar sind gegen<br />

Schäden und Funktionsstörungen versichert. Schäden an<br />

den Geosatelliten, die 300 bis 2000 Kilometer über <strong>der</strong><br />

Erde ihre Kreise ziehen, werden meist von den betreibenden<br />

Staaten selbst getragen. Die Telekommunikationssatelliten,<br />

die in einer Höhe von 36 000 Kilometern über<br />

dem Äquator stationiert sind und von denen je<strong>der</strong> an<br />

Als die Erde 1859 von einem solaren Hurrikan getroffen wurde,<br />

war das eher ein Kuriosum, das für Polarlichter bis hinunter nach<br />

Südeuropa und Kuba sorgte und das ein paar Telegrafenstationen<br />

in Brand setzte. Heute hätte ein solcher Sonnensturm unabsehbare<br />

Konsequenzen. »Theoretisch tritt so ein Ereignis nur alle 500<br />

Jahre auf«, sagt Michael Bruch, Leiter des Bereichs Forschung und<br />

Entwicklung im Ingenieurnetzwerk von <strong>Allianz</strong> Global Corporate &<br />

Specialty. »Das heißt allerdings nicht, dass bis zum nächsten Mal<br />

noch 350 Jahre Zeit bleibt.«<br />

Mit jedem technischen Fortschritt <strong>der</strong> letzten hun<strong>der</strong>t Jahre hat<br />

sich die Menschheit immer anfälliger für die extraterrestrischen<br />

Attacken gemacht. Die Energieversorgung, das Rückgrat <strong>der</strong><br />

heutigen Industrie- und Informationsgesellschaft, ist, wenn man<br />

so will, zugleich ihre Achillesferse. Dabei braucht es nicht einmal<br />

einen Supersturm wie 1859, um auf <strong>der</strong> Erde Unheil zu stiften.<br />

<strong>Im</strong> März 1989 löste ein um den Faktor 20 mil<strong>der</strong>er Sonnensturm<br />

in Kanada <strong>der</strong>art heftige geomagnetische Schwankungen in<br />

den Überlandleitungen aus, dass das Stromnetz in <strong>der</strong> Provinz<br />

Quebec innerhalb von nur 92 Sekunden zusammenbrach und<br />

erst nach neun Stunden wie<strong>der</strong> hergestellt werden konnte.<br />

14<br />

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15


GLOBAL<br />

dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Die Überflieger<br />

Außer Kontrolle<br />

die 200 Millionen US-Dollar kostet, sind zum großen<br />

Teil von privaten Anbietern gedeckt. Jedes Jahr gehen<br />

weitere 20 bis 25 kommerzielle Satelliten mit Versicherungsschutz<br />

an den Start.<br />

Abschuss per Laser<br />

<strong>Im</strong> April dieses Jahres verlor die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) den Kontakt zu ihrem Erdbeobachtungssatelliten<br />

Envisat, ein Trumm von acht Tonnen, <strong>der</strong> nun ohne Steuerung in 790 Kilometern<br />

Höhe seine Runden dreht. Nach heutigen Schätzungen könnte Envisat noch 150 Jahre unkontrolliert<br />

durchs All trudeln, bevor er auf dem Weg zur Erde verglüht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zuvor mit<br />

einem an<strong>der</strong>en Objekt kollidiert, liegt allerdings bei 30 Prozent. In diesem Fall wäre auf <strong>der</strong> orbitalen<br />

Müllhalde für reichlich Nachschub gesorgt.<br />

Letztes Jahr stürzte <strong>der</strong> US-Satellit UARS vor <strong>der</strong> kanadischen<br />

Küste unkontrolliert in den Pazifik. Auch <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>eintrittskurs <strong>der</strong> russischen Raumsonde Phobos-<br />

Grunt, die im Januar dieses Jahres über dem Ostpazifik<br />

nie<strong>der</strong>ging, konnte nur grob geschätzt werden. So was<br />

könnte auch mal schiefgehen.<br />

Der Mann hetzt durch<br />

das überfüllte Flughafengebäude<br />

und wirft<br />

gestresst einen Blick auf<br />

die Uhr: nur noch fünf<br />

Minuten, um für seinen<br />

Flug nach Frankfurt einzuchecken.<br />

Das Meeting<br />

dort darf er auf keinen Fall<br />

verpassen, ein wichtiges<br />

Geschäft steht auf dem<br />

Spiel. Das genau ist <strong>der</strong><br />

Typ, auf den die aktuelle<br />

<strong>Allianz</strong> Kampagne an<br />

Flughäfen zielt – und sie<br />

macht Eindruck.<br />

Mittlerweile sind Satellitenbetreiber verpflichtet, nach Ablauf<br />

<strong>der</strong> Mission sämtliches Weltraumgerät aus dem Orbit<br />

zu holen. Allerdings verfügt nur die neueste Satellitengeneration<br />

über <strong>der</strong>artige Rückführungsprogramme,<br />

wovon <strong>der</strong> kontrollierte Absturz die häufigste Methode<br />

ist. Beim Wie<strong>der</strong>eintritt in die Erdatmosphäre verglüht<br />

<strong>der</strong> Großteil des Weltraumschrotts, <strong>der</strong> Rest geht gezielt<br />

über unbewohntem Gebiet o<strong>der</strong> über dem Meer nie<strong>der</strong>.<br />

Meistens jedenfalls.<br />

Inzwischen gibt es vielversprechende Ansätze, wie abgeworfene<br />

Raketenstufen, ausgediente Raumkapseln<br />

und Satelliten aus dem Orbit entfernt werden könnten.<br />

Diskutiert wird <strong>der</strong> Einsatz von Lasern o<strong>der</strong> das Andocken<br />

von Satelliten, die dann den gezielten Absturz<br />

des Tandems einleiten. Eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit wäre,<br />

Satelliten im All wie<strong>der</strong> aufzutanken, um sie auf ihrer<br />

Umlaufbahn zu halten. »Es gibt interessante Konzepte«,<br />

meint Colliot, »allerdings sind die Kosten dafür sehr hoch.<br />

Ein wirklicher Durchbruch ist bislang nicht in Sicht.«<br />

LOIS HOYAL<br />

© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />

Katrin Green, Sprinter<br />

Believe in yourself.<br />

allianz.com/believe2<br />

With you from A-Z<br />

Partner of the International<br />

Paralympic Committee.<br />

16<br />

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17


GLOBAL<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Reisende erleben am Flughafen nicht selten eine emotionale<br />

Achterbahnfahrt: Stress wegen des Zeitdrucks,<br />

ein mulmiges Gefühl, was die bevorstehende Reise mit<br />

sich bringt und was am Ziel auf sie wartet, und dann<br />

wie<strong>der</strong> die nervige Warterei am Flugsteig. In so einer<br />

Umgebung die Aufmerksamkeit von internationalen<br />

Geschäftsreisenden auf sich zu ziehen, ist nicht ganz<br />

einfach, aber genau das will die aktuelle Flughafenwerbung<br />

<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> erreichen.<br />

»Flughäfen waren schon immer bevorzugte Orte für<br />

die globale Markenbildung«, sagt Christian Deuringer,<br />

Leiter des Global Brand Management <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> SE.<br />

Die neue Kampagne setzt mehr auf digitale Technologien<br />

und integriert verschiedene Werbeansätze<br />

von großen Bannern bis hin zu interaktiven Postern.<br />

<strong>Im</strong> Mai an Flughäfen in Europa und Asien gestartet,<br />

darunter Paris, München, Frankfurt, London, Seoul,<br />

Hongkong, Singapur und Jakarta, läuft sie noch bis<br />

zum Dezember dieses Jahres.<br />

Die Werbung richtet sich vorwiegend an Reisende,<br />

die pro Jahr mehr als drei mal im Ausland geschäftlich<br />

unterwegs sind, das heißt, bei ihnen handelt es sich um<br />

gut ausgebildete Meinungsführer und Entscheidungsträger.<br />

»Gerade bei dieser Zielgruppe wollen wir das<br />

Bewusstsein für die Marke <strong>Allianz</strong> deutlich stärken«,<br />

erklärt Matthias Fichtl von <strong>Allianz</strong> Group Market Management,<br />

»denn sie üben einen großen Einfluss auf an<strong>der</strong>e<br />

aus und treffen wichtige Geschäftsentscheidungen.«<br />

Die verschiedenen Aspekte <strong>der</strong> Flughafenkampagne, wie<br />

etwa die Pannenhilfe von <strong>Allianz</strong> Global Assistance, das<br />

© <strong>Allianz</strong> SE, Germany<br />

Catherine Porte Arondelle, <strong>Allianz</strong> Global Assistance Doctor<br />

Bewusstsein für die Marke stärken: Die Flughafenkampagne nutzt kurze Ratschläge und aussagekräftige Botschaften<br />

<strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

Helping people in over<br />

230 countries and territories.<br />

allianz-assistance.com<br />

With you from A-Z<br />

Über dieses Quick Response-Feld<br />

gelangen Nutzer direkt auf ein<br />

Video, in dem die Geschichte einer<br />

<strong>der</strong> Paralympics-Teilnehmerinnen<br />

erzählt wird<br />

»Flughäfen waren schon immer bevorzugte Orte<br />

für die globale Markenbildung.«<br />

Christian Deuringer<br />

Sponsering <strong>der</strong> Paralympischen Spiele o<strong>der</strong> das Thema<br />

finanzielle Stabilität, sollen das Interesse gerade dieses<br />

Publikums wecken.<br />

Auf dem Pannenhilfeposter zum Beispiel wird ein junger<br />

Deutscher vorgestellt, <strong>der</strong> gerade dabei ist, in seinem<br />

Camper eine Reise um die Welt anzutreten. »Indem wir<br />

in unserer Kampagne diese Angebote vorstellen, können<br />

wir die Stärken unserer Marke und unsere Kompetenz<br />

in diesem Bereich hervorheben«, sagt Sophy Rigommier<br />

Hunter von <strong>Allianz</strong> Global Assistance. »Das sind Situationen,<br />

in denen sich internationale Geschäftsreisende im<br />

Ausland wie<strong>der</strong>finden können, und wir wollen sie davon<br />

überzeugen, dass <strong>Allianz</strong> Global Assistance dafür die<br />

richtige Wahl ist.«<br />

Die verschiedenen Werbeauftritte richten sich sowohl<br />

an Reisende, die in Eile sind, aber auch an solche, die<br />

mehr Zeit haben, die am Flugsteig warten müssen und<br />

für etwas Ablenkung ganz dankbar sind. Für die unter<br />

Zeitdruck eignen sich am besten große Werbeflächen<br />

mit kurzen Ratschlägen und aussagekräftigen Botschaften,<br />

während für die an<strong>der</strong>en interaktive Poster angeboten<br />

werden, die Elemente wie Internetlinks und die so<br />

genannten QR-Codes enthalten (Quick Response/schnelle<br />

Antwort). Über sie haben Reisende Zugriff auf Webseiten<br />

o<strong>der</strong> sie scannen den Code in ihr Smartphone und laden<br />

MyTravelAid herunter. MyTravelAid ist eine Anwendung,<br />

die nützliche Reisetipps und Informationen bietet, unter<br />

an<strong>der</strong>em internationale Notfallnummern, einen Arzneimittel-Übersetzer,<br />

ein Erste-Hilfe-Wörterbuch sowie ein<br />

internationales Krankenhausverzeichnis.<br />

18<br />

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19


GLOBAL<br />

Je<strong>der</strong> kennt die Bil<strong>der</strong> aus den Elendsvierteln dieser Welt:<br />

schäbige Wellblechhütten, verdreckte Abwasserkanäle,<br />

vernachlässigte Kin<strong>der</strong>. Nach Angaben <strong>der</strong> UN lebt ein<br />

Drittel <strong>der</strong> heutigen Stadtbevölkerung in Slums – über<br />

eine Millarde Menschen. Und doch, die Attraktivität <strong>der</strong><br />

urbanen Verheißung scheint ungebrochen.<br />

Um den Run auf die Städte zu bewältigen, werden<br />

in den nächsten Jahren enorme Investitionen in die<br />

Infrastruktur nötig. Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> hat man schon mal<br />

angefangen zu rechnen.<br />

FRANK STERN<br />

Gardens by the Bay in Singapur. Der erste Teil des Megaparks<br />

wurde im Juni eröffnet. Kosten bislang: 650 Millionen Euro<br />

20<br />

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21


GLOBAL<br />

Shutterstock | Seite 20/21: Ibrahim<br />

Roth<br />

Erkundungstour im Neuland: Trendanalyst Peter Köferl<br />

Ein Drittel <strong>der</strong> städtischen Weltbevölkerung lebt in Slums<br />

Intelligent sollen sie sein, umwelt- und familienfreundlich, die Folgen<br />

des Klimawandels sollen sie abfe<strong>der</strong>n, Mobilität erlauben, aber in<br />

Maßen, Energie – selbstverständlich aus grünen Quellen – möglichst<br />

effizient nutzen, den Wasserverbrauch niedrig halten, mit den Alten<br />

menschlich umgehen und den Jungen Spielräume lassen – kurz:<br />

die Städte <strong>der</strong> Zukunft werden das Paradies auf Erden. Zumindest<br />

wenn es nach den Visionären geht, den Planern und Entwicklern, den<br />

Politikern und Unternehmenslenkern, die im Juli in Singapur auf dem<br />

WorldCitiesSummit 2012 zusammengesessen haben.<br />

Was am Ende von den Reißbrettträumen übrig bleibt, hängt nicht zuletzt<br />

davon ab, ob sich genügend private Geldgeber finden, die das<br />

Geschäftspotenzial dahinter erkennen. Die öffentliche Hand jedenfalls<br />

fällt als Investor mangels Masse in weiten Teilen aus. Das ist mehr<br />

als fatal, denn ohne Erneuerung, Aus- und Neubau <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

drohen die Megacitys dieser Welt im Chaos zu versinken. Der Zustrom<br />

vom <strong>Land</strong> jedenfalls reißt nicht ab: <strong>Im</strong> Jahr 2050 werden rund 70 Prozent<br />

<strong>der</strong> Weltbevölkerung in Städten leben. Heute ist es noch je<strong>der</strong><br />

Zweite <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit sieben Milliarden Erdbewohner. Sie sind die Träger<br />

des wirtschaftlichen Wachstums und erzeugen zwischen 60 und<br />

80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines <strong>Land</strong>es. Allerdings blasen<br />

sie auch 70 Prozent <strong>der</strong> Treibhausgase in die Luft und verbrauchen<br />

schon jetzt fast 80 Prozent <strong>der</strong> weltweiten Energiereserven.<br />

Manche Schätzungen gehen davon aus, dass für die umweltgerechte<br />

und nachhaltige Anpassung, Erneuerung und Erweiterung <strong>der</strong> städtischen<br />

Infrastruktur in den nächsten 25 Jahren weltweit Investitionen<br />

von rund 40 Billionen US-Dollar nötig sein werden. 40 Billionen! Dabei<br />

schweben Stadtplanern und Politikern integrierte Lösungen vor, die<br />

alles umfassen, was zum Leben in <strong>der</strong> Stadt dazugehört – von <strong>der</strong><br />

Energie- und Wasserversorgung bis zur öffentlichen Sicherheit, vom<br />

Nahverkehr, über Schulen, Unis, Krankenhäuser und Pflegheime bis<br />

hin zur Abfallbeseitigung. Wobei <strong>der</strong> klimafreundliche Generalumbau<br />

einer gewachsenen Metropole ungleich schwieriger und teurer ist als<br />

die Errichtung einer neuen Stadt auf <strong>der</strong> grünen Wiese.<br />

Die ideale Stadt<br />

Peter Köferl, im Bereich Unternehmensentwicklung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> unter<br />

an<strong>der</strong>em für Zukunfts- und Trendanalysen zuständig, spricht von<br />

<strong>der</strong> grünen Transformation <strong>der</strong> urbanen <strong>Land</strong>schaft. Mancherorts<br />

hat sie schon begonnen: London war Gastgeber <strong>der</strong> ersten »grünen«<br />

Olympischen Spiele, Kopenhagen will 2025 die erste klimaneutrale<br />

Großstadt sein, München sich im selben Jahr vollständig aus erneuerbaren<br />

Energien versorgen.<br />

Als Musterbeispiel für die ideale Stadt gilt vielen Experten aber Singapur.<br />

»Wegen <strong>der</strong> Insellage kann die Stadt nicht einfach weiter wachsen,<br />

sie muss sich immer neu erfinden«, hob etwa Siemens-Vorstand<br />

Roland Busch, Chef des Geschäftsfelds »Infrastructure & Cities«, im<br />

April in einem Interview mit <strong>der</strong> Frankfurter Rundschau hervor. »Das<br />

geschieht dort auf intelligente Weise.«<br />

Singapur zeigt, dass sich mit innovativen Modellen etwa zu Wasseraufbereitung<br />

und Recycling auch eine hohe Bevölkerungskonzentration<br />

managen lässt, dass die Versorgung <strong>der</strong> Städter gegenüber<br />

dem <strong>Land</strong> mit seinen langen Wegen und <strong>der</strong> geringen Vernetzung<br />

sogar effizienter und umweltschonen<strong>der</strong> möglich ist. Zugegeben,<br />

die Löwenstadt gehört zu den wenigen, die sich die Intelligenz<br />

leisten können, und verglichen mit Megacitys wie Tokio, New York,<br />

Sao Paulo, Bombay o<strong>der</strong> Manila ist <strong>der</strong> Stadtstaat mit seinen fünf<br />

Millionen Einwohnern auch recht überschaubar. Doch Effizienz und<br />

intelligenter Mitteleinsatz sind auch in größeren Dimensionen nicht<br />

völlig utopisch. Allerdings stellt sich die Frage, woher das nötige Geld<br />

für die Milliardenprojekte kommen soll angesichts weithin knapper<br />

öffentlicher Kassen.<br />

Vor diesem Hintergrund könnte man <strong>der</strong> Finanzkrise sogar eine<br />

gute Seite abgewinnen. Die anhaltend niedrigen Zinsen haben dazu<br />

geführt, dass Investoren wie Lebensversicherer und Pensionsfonds,<br />

die das Geld ihrer Kunden langfristig, gewinnbringend und sicher anlegen<br />

sollen, hän<strong>der</strong>ingend nach rentablen Ausweichmöglichkeiten<br />

Ausschau halten. Investitionen in den nachhaltigen Um- und Neubau<br />

urbaner Infrastruktur – wie gesagt, es geht um ein Volumen von<br />

40 Billionen Dollar in den nächsten 25 Jahren – könnten eine Antwort<br />

liefern. Zumal sie über die zum Teil mehrere Jahrzehnte andauernde<br />

Laufzeit <strong>der</strong> Projekte stabile Renditen bieten, die relativ wenig vom<br />

Auf und Ab <strong>der</strong> Kapitalmärkte beeinflusst werden. Die notorisch<br />

klammen Kommunen hätten die Möglichkeit, eine staatsunabhängige<br />

Geldquelle anzuzapfen, Investoren könnten langfristig planen und<br />

direkt in künftiges Wachstum investieren.<br />

Die Zeit <strong>der</strong> Traumrenditen ist zwar vorbei, die neue Normalität mit<br />

ihren bescheidenen Kapitalgewinnen hat Einzug gehalten. Doch<br />

sieben Prozent wären mit grünen Entwicklungsprojekten durchaus<br />

drin, meinen Experten. Und das langfristig. »Allerdings ist das Ganze<br />

für Investoren weitgehend Neuland«, sagt Peter Köferl. »Bislang gibt<br />

es die klimafreundliche urbane Infrastruktur als eigene Anlageklasse<br />

noch nicht.« Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> lotet man gerade aus, wie eine passende<br />

Investitionsform aussehen könnte. Grüne Infrastruktur- o<strong>der</strong> auch<br />

Energieeffizienzfonds wären zwei Möglichkeiten. Voraussetzung für<br />

den Einstieg wäre allerdings, dass die Politik für die nötige Investitionssicherheit<br />

und stabile Rahmenbedingungen sorgt.<br />

Holpriger Weg in die Zukunft<br />

An Projekten, die für Investoren von Interesse sein könnten, wird es<br />

auf absehbare Zeit kaum mangeln, allerdings dürfte <strong>der</strong> Weg in die<br />

grün-urbane Zukunft noch ziemlich holprig werden. Einerseits wird<br />

auf Klimakonferenzen seit Jahren darauf gedrängt, den Kohlendioxidausstoß<br />

massiv herunterzufahren, was auf kommunaler Ebene zum<br />

Beispiel durch den Umbau des städtischen Verkehrssystems, die<br />

Umstellung <strong>der</strong> Energieversorgung o<strong>der</strong> die energetische Sanierung<br />

von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden unterstützt werden<br />

könnte. An<strong>der</strong>erseits scheint die kohlenstofffreie Welt gerade in den<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>n Asiens noch in weiter Ferne. China und Indien<br />

etwa befeuern ihr Wirtschaftswachstum weiter massiv mit Kohle,<br />

Indien produziert mittlerweile massenhaft Billigautos, die auch für<br />

die wachsende Mittelschicht erschwinglich sind.<br />

Wie die urbane Zukunft letztlich auch aussieht, welche Strategien<br />

bei <strong>der</strong> Abfe<strong>der</strong>ung des Klimawandels zum Zuge kommen, welche<br />

Transportsysteme Vorrang erhalten, wie die Wasserversorgung so<br />

sichergestellt wird, dass <strong>der</strong> Grundwasserspiegel stabil bleibt – die<br />

Antworten auf all diese Fragen könnten schon bald auch von privaten<br />

Investoren mitformuliert werden.<br />

22<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

23


Strategie<br />

»Die Vorwürfe sind<br />

unberechtigt«<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Jay Ralph<br />

Als erstes Unternehmen weltweit hat die <strong>Allianz</strong> im Juli auf Vorstandsebene ein Gremium<br />

eingerichtet, das für eine stärkere Einbeziehung von ökologischen und sozial-gesellschaftlichen<br />

Aspekten bei Unternehmensentscheidungen sorgen soll. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden<br />

des ESG Boards (Environmental, Social, Governance/Ökologisch, Sozial, Unternehmensführung),<br />

Jay Ralph, über die Hintergründe.<br />

INTERVIEW: MICHAEL GRIMM<br />

Mr. Ralph, war die Einrichtung des ESG<br />

Boards eine Reaktion auf die Kritik von<br />

Nichtregierungsorganisationen an den<br />

Investitionen <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> in Kohleunternehmen<br />

in China und in Agrarfonds?<br />

Die Vorwürfe auf unserer Hauptversammlung<br />

im Mai waren nicht <strong>der</strong> Auslöser, aber<br />

sie haben die Einrichtung des ESG Boards<br />

beschleunigt. Wir haben als Versicherer und<br />

Vermögensmanager Einfluss auf wichtige<br />

Themen. Diesen Einfluss wollen wir bewusst<br />

Shutterstock<br />

und verantwortungsvoll nutzen und durch<br />

das ESG Board steuern.<br />

Wird die <strong>Allianz</strong> nun aus diesen<br />

Investitionen aussteigen?<br />

Als erste »Amtshandlung« des ESG Boards<br />

haben wir mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen<br />

den Dialog aufgenommen.<br />

Mit Greenpeace haben wir uns im Juli in<br />

Hongkong getroffen und mit Oxfam in Berlin.<br />

Die Investments in China sind eine relativ<br />

kleine Position. Gemeinsam mit Greenpeace<br />

wägen wir nun ab, ob wir diese Anteile<br />

verkaufen, o<strong>der</strong> wie wir als Aktionär <strong>der</strong><br />

Kohleunternehmen auf besseres Umweltmanagement<br />

drängen können.<br />

Von Oxfam haben wir uns ihre Bedenken<br />

erklären lassen, danach zusammen mit<br />

unseren Experten von PIMCO unsere Anlagestrategie<br />

erläutert und detailliert zu<br />

allen Vorwürfen Stellung genommen.<br />

Außer <strong>der</strong> pauschalen Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />

Kritik haben wir von Oxfam allerdings keine<br />

Antwort auf unsere Erklärungen erhalten.<br />

Was sagt die <strong>Allianz</strong> denn im Detail zu<br />

den Vorwürfen von Oxfam?<br />

Die Vorwürfe sind unberechtigt. Manche<br />

lassen sich sehr einfach wi<strong>der</strong>legen, für an<strong>der</strong>e<br />

muss man etwas tiefer in die Materie<br />

einsteigen. Bereits auf unserer Hauptversammlung<br />

im Mai haben wir klarstellen<br />

können, dass die Gel<strong>der</strong> unserer Versicherungskunden<br />

nicht in Rohstoffe o<strong>der</strong> in<br />

Rohstoff-Indexfonds investiert sind. Bei dem<br />

Thema geht es ausschließlich um Investitionen<br />

von Kunden unserer Vermögensverwalter<br />

PIMCO und <strong>Allianz</strong> Global Investors, von denen<br />

<strong>der</strong>zeit etwa zwei Prozent in Rohstoff-Index-<br />

fonds investiert sind. Knapp ein Drittel davon<br />

lassen sich Agrarrohstoffen zuordnen. Diese<br />

Anlagen dienen dazu, Bauern gegen schwankende<br />

Preise abzusichern. Die Bauern wollen<br />

sichergehen, dass sie einen bestimmten Preis<br />

für ihre Ernte erzielen. Wer sich das Risiko mit<br />

einem Partner teilen kann, investiert eher in<br />

Saatgut, Maschinen und Arbeitskräfte. Das<br />

verspricht bessere Ernten in <strong>der</strong> Zukunft und<br />

davon profitieren sowohl die Bauern als auch<br />

die Anleger.<br />

Für diese Investments unserer Kunden gilt:<br />

Sie sind langfristiger Natur, sie führen dem<br />

Markt keine realen Rohstoffe zu o<strong>der</strong> entziehen<br />

sie ihm, sie können bei steigenden und<br />

bei fallenden Preisen Erträge erwirtschaften<br />

und nehmen nicht am Handel im Liefermonat<br />

<strong>der</strong> Rohstoffe teil – dann sind am<br />

ehesten Preisschwankungen zu beobachten.<br />

Hinzu kommt, dass unsere Kunden bisher<br />

eher antizyklisch investieren, was dabei hilft,<br />

den Markt zu stabilisieren. Ein Rückzug dieser<br />

Investoren hätte daher negative Folgen<br />

für die Bauern und für die Preise.<br />

Wer ist denn dann schuld am Preisanstieg<br />

bei Nahrungsmitteln?<br />

Hauptursachen für die steigenden Nahrungsmittelpreise<br />

sind laut UN, FAO und OECD<br />

vor allem das Bevölkerungswachstum, <strong>der</strong><br />

steigende Konsum in Schwellenlän<strong>der</strong>n,<br />

Handelsbarrieren, Klimaeinflüsse und die zunehmende<br />

Verwendung landwirtschaftlicher<br />

Flächen für die Produktion von Biosprit. Das<br />

lässt sich auch an den aktuellen Preissteigerungen<br />

bei Weizen, Mais und Soja aufgrund<br />

<strong>der</strong> Dürre in den USA verfolgen. Wir sind<br />

daher gemeinsam mit vielen Experten überzeugt,<br />

dass die Preise an den Warenterminmärkten<br />

den realen Rohstoffpreisen folgen,<br />

nicht umgekehrt. Das ist die Aufgabe und die<br />

Logik dieses Marktes. Aber selbst <strong>der</strong>jenige,<br />

<strong>der</strong> diese Logik bezweifelt, müsste die negativen<br />

Folgen eines Ausstiegs von Investoren<br />

erkennen, die wie unsere Kunden handeln.<br />

Was kann die <strong>Allianz</strong> tun, um die<br />

Folgen steigen<strong>der</strong> Nahrungsmittelpreise<br />

zu begrenzen?<br />

Ein Rückzug als Investor wäre fatal. Die<br />

steigenden Preise zeigen, dass die Lücke<br />

zwischen Angebot und Nachfrage weiter<br />

wächst. Um dem zu begegnen, brauchen wir<br />

nicht weniger, son<strong>der</strong>n mehr Investitionen<br />

in die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Agrarwirtschaft,<br />

<strong>der</strong> Nahrungsmittelproduktion und ihren<br />

Vertrieb. Ein Rückzug <strong>der</strong> langfristigen Investoren<br />

aus den Rohstoff- und Indexfonds<br />

wäre ebenso schädlich.<br />

Die Bauern in den USA sind gegen die Folgen<br />

und Risiken einer Dürre durch Ernteversicherungen<br />

und die Liquidität an den<br />

Warenterminbörsen gut abgesichert. Die<br />

meisten Bauern in den Entwicklungs- und<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>n haben diese Möglichkeit<br />

bisher nicht. Wir diskutieren <strong>der</strong>zeit, ob<br />

Mikro-Versicherungen und ein Mikro-<br />

Warenterminmarkt Bauern und Kunden in<br />

den Entwicklungslän<strong>der</strong>n helfen könnte.<br />

Wenn das <strong>der</strong> Fall ist, werden wir überlegen,<br />

wie wir dazu beitragen können.<br />

Ist <strong>der</strong> Disput damit für die <strong>Allianz</strong><br />

erledigt?<br />

Der Dialog mit Oxfam scheint am Ende, das<br />

Thema dagegen ist für uns nicht erledigt.<br />

Oxfam vertritt ein wichtiges Anliegen, das<br />

wir teilen. Die wachsende Lücke in <strong>der</strong> Versorgung<br />

mit Nahrungsmitteln ist aus unserer<br />

Sicht neben dem Klimawandel und <strong>der</strong><br />

demographischen Entwicklung eine <strong>der</strong><br />

drei größten Herausfor<strong>der</strong>ungen, zu <strong>der</strong>en<br />

Lösung wir beitragen können.<br />

Welche Rolle soll dabei das ESG Board<br />

konkret spielen?<br />

Das ESG Board wird sicherstellen, dass wir im<br />

Dialog mit internen und externen Fachleuten<br />

die wichtigen sozialen und ökologischen Themen<br />

rechtzeitig erkennen, richtig einschätzen<br />

und pragmatische Umsetzungsmöglichkeiten<br />

entwickeln. Wir werden dabei nicht für jedes<br />

Thema eine einheitliche Umsetzung finden,<br />

weil Gesetze, Kulturen und das Selbstverständnis<br />

<strong>der</strong> Beteiligten in unseren über<br />

70 Märkten weltweit unterschiedlich sind.<br />

Aber wir möchten unseren Kunden mit den<br />

bestmöglichen nachhaltigen Produkten<br />

und Dienstleistungen zur Seite stehen. Das<br />

ESG Board wird daher den <strong>Allianz</strong> Unternehmen<br />

vor Ort inhaltliche Orientierung für<br />

ihr Handeln geben, um auf die Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Kunden und <strong>der</strong> Gesellschaft gleichermaßen<br />

eingehen zu können. Es wird bei<br />

einigen Themen allerdings auch allgemein<br />

verbindliche Regeln geben, wie dem bereits<br />

geltenden Ausschluss von Geschäften mit<br />

bestimmten Waffenherstellern o<strong>der</strong> jeglicher<br />

Waffengeschäfte in Krisenregionen.<br />

Das ESG Board wird aber nicht nur Geschäfte<br />

verhin<strong>der</strong>n, es wird auch Geschäfte gezielt<br />

durch Koordination för<strong>der</strong>n. Dazu zählen<br />

auch Ansätze, die wir im Dialog mit Oxfam<br />

entwickelt haben und unabhängig weiter<br />

verfolgen werden, wie die Verknüpfung<br />

unserer Mikroversicherung mit <strong>der</strong> satellitengestützten<br />

Ernteanalyse und die Idee<br />

eines Mikro-Warenterminmarktes für<br />

Bauern in Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

24<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

25


STRATEGIE<br />

Roth<br />

AGENCY FUTURE PROGRAM (AFP)<br />

Das AFP ist ein neues Geschäftsmodell für den Agenturvertrieb<br />

und ist aus einer Vielzahl von Vorschlägen und Ideen<br />

aus verschiedenen Gruppengesellschaften hervorgegangen.<br />

Es unterstützt die beteiligten Gruppengesellschaften mit<br />

einer gründlichen Analyse ihres Agenturvertriebs und passt<br />

den Ansatz auf die lokalen Eigenheiten und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Märkte an. Das Programm ist inzwischen<br />

in Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Österreich, <strong>der</strong><br />

Schweiz, Spanien und Tschechien im Einsatz.<br />

Louis de Montferrand (li.) und Johan van Tholen<br />

»Das funktioniert wirklich«<br />

Noch sorgen sie für den größten Umsatz in <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gruppe: 2011 fuhren <strong>Allianz</strong><br />

Vertreter weltweit Prämieneinnahmen von rund 34 Milliarden Euro ein, 30 Milliarden<br />

davon in Europa. Doch die Einnahmen bröckeln, die Kundenzahlen gehen zurück –<br />

seit Jahren schon. Ein neues Geschäftsmodell soll den Abwärtstrend stoppen.<br />

FRANK STERN<br />

Es ist nicht <strong>der</strong> erste Anlauf, mit dem die<br />

<strong>Allianz</strong> ihren Vertreterkanal wie<strong>der</strong> auf<br />

Wachstum trimmen will. In <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

gab es in Tochtergesellschaften und<br />

auf Gruppenebene schon etliche Projekte,<br />

aber den erhofften Durchbruch hat keines<br />

gebracht. Mit dem Agency Future Program<br />

(AFP), davon jedenfalls ist Projektleiter Johan<br />

van Tholen überzeugt, könnte sich das än<strong>der</strong>n.<br />

»Wir haben das Programm zusammen<br />

mit verschiedenen Gruppengesellschaften<br />

entwickelt und es in Deutschland und Frankreich<br />

ausgiebig getestet«, sagt er, »und es<br />

funktioniert wirklich.« Ein wenig klingt es so,<br />

als sei er davon selbst überrascht.<br />

Bevor das AFP Ende 2010 gestartet wurde,<br />

hatten van Tholen und sein internationales<br />

Team die aktuellen Defizite im europäischen<br />

Agenturvertrieb eingehend analysiert. Dabei<br />

stießen sie auf zwei grundlegende Probleme:<br />

Zum einen fehlen häufig aussagekräftige<br />

Kundendaten, die eine bedarfsgerechte<br />

Beratung erlauben. Zum an<strong>der</strong>en werden<br />

Kunden zu selten persönlich angesprochen,<br />

weil ihre Vertreter mit Verwaltungsarbeit<br />

eingedeckt sind. <strong>Im</strong> Schnitt wird gerade mal<br />

je<strong>der</strong> fünfte Versicherungsnehmer umfassend<br />

betreut, <strong>der</strong> Rest kennt seinen Vertreter oft<br />

nur vom Hörensagen. Bei diesen Kunden ist<br />

die Gefahr, dass sie zur Konkurrenz wechseln,<br />

beson<strong>der</strong>s groß.<br />

Dabei sind persönlicher Kontakt und individuelle<br />

Beratung die eigentlichen Stärken des<br />

Vertretervertriebs. »Das ist <strong>der</strong> Mehrwert,<br />

den kein an<strong>der</strong>er Vertriebsweg bietet«, hebt<br />

Louis de Montferrand hervor, <strong>der</strong> sämtliche<br />

Vertriebsinitiativen innerhalb <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />

Gruppe leitet. »Wenn das nicht funktioniert,<br />

stellt sich irgendwann die Frage, wozu<br />

man diesen Verkaufskanal eigentlich noch<br />

braucht.« Möglichkeiten, sich an<strong>der</strong>weitig<br />

zu orientieren, gebe es schließlich genug.<br />

Genau an dieser Stelle setzt das AFP an.<br />

Wenn <strong>der</strong> Vertretervertrieb langfristig<br />

überleben soll, dann muss er nach Meinung<br />

von Vertriebsexperten sicherstellen, dass<br />

Shutterstock<br />

<strong>der</strong> Anteil jener Kunden mit mehr als einer<br />

Police deutlich steigt. Sie halten einem<br />

Unternehmen nicht nur länger die Treue, es<br />

rechnet sich auch eher, mehrere Verträge zu<br />

verwalten als mit fast demselben Aufwand<br />

nur einen. In den großen europäischen<br />

Märkten Deutschland, Frankreich und Italien<br />

gibt es da noch einigen Spielraum: Bislang<br />

verfügen die meisten <strong>Allianz</strong> Kunden dort<br />

über nur eine Versicherung.<br />

Auf dem Sofa<br />

Das Rezept dafür klingt relativ einfach: Mit<br />

<strong>der</strong> Verlagerung von Verwaltungsaufgaben<br />

in den Innendienst – von <strong>der</strong> Schadenaufnahme<br />

über die Terminvereinbarung bis<br />

hin zur Eingabe von Kundendaten – soll den<br />

Vertretern Luft verschafft werden, um sich<br />

mehr ihrer eigentlichen Aufgabe widmen<br />

zu können, <strong>der</strong> persönlichen Kundenbetreuung.<br />

»Damit besinnen wir uns wie<strong>der</strong> auf die<br />

Stärken des Agenturkanals«, sagt van Tholen.<br />

Und das Konzept scheint aufzugehen: Die<br />

Testphase in Deutschland und Frankreich hat<br />

gezeigt, dass sich mit <strong>der</strong> Umorganisation<br />

in den Agenturen eine Produktivitätssteigerung<br />

von über 25 Prozent erreichen lässt.<br />

Mehr Zeit auf dem Sofa allein dürfte allerdings<br />

kaum ausreichen, um Kunden bei <strong>der</strong><br />

Stange zu halten. Nach Ansicht van Tholens,<br />

<strong>der</strong> wie alle seine Teamkollegen früher selbst<br />

im Vertrieb tätig war, muss sich am Beratungsund<br />

Verkaufsprozess etwas än<strong>der</strong>n. Aktuell<br />

sei <strong>der</strong> weniger auf Interessen und Bedarf<br />

des Kunden ausgerichtet als auf den Absatz<br />

von Policen, bemängelt <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong>.<br />

»Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein.<br />

Die genaue Analyse <strong>der</strong> Kundensituation<br />

ist das wichtigste Element des AFP. Es ist die<br />

Basis für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung.«<br />

Was seine Kunden wirklich brauchen,<br />

erfährt ein Vertreter freilich nur, wenn er mit<br />

ihnen in engem Kontakt steht und nicht nur<br />

alle Jubeljahre mal einen Infobrief verschickt.<br />

Um jedoch mit einiger Aussicht auf Erfolg in<br />

ein Kundengespräch zu gehen, müssen verlässliche<br />

Kundendaten zur Verfügung stehen.<br />

Auch so ein Schwachpunkt. Klare Regeln<br />

zum Sammeln und Verwalten von Kundeninformationen<br />

gibt es bislang ebenso wenig<br />

wie den automatischen Datenaustausch<br />

zwischen Innendienst und Agenturen.<br />

Die digitale Welt eröffnet für den Vertrieb<br />

enorme Chancen. Beispiel Frankreich: Dort<br />

erhalten Vertreter zu Anfang je<strong>der</strong> Woche<br />

über das Agentursystem Lagon eine Liste<br />

jener Kunden, die sich nach Datenlage für<br />

ein Verkaufsgespräch beson<strong>der</strong>s anbieten.<br />

Das System zeigt sogar <strong>der</strong>en Kaufneigung<br />

für bestimmte Produkte an, so dass sie gezielt<br />

darauf angesprochen werden können.<br />

Dass die Leute in Zeiten von Internet und<br />

Direktvertrieb lieber auf den Vertreterkontakt<br />

verzichten, lässt sich nach van Tholens<br />

Beobachtung so nicht bestätigen. »Viele sind<br />

weiterhin an einer professionellen Beratung<br />

interessiert, gerade bei komplizierten Lebensfragen«,<br />

sagt er. »Da geht es auch um Vertrauen<br />

– die Domäne des Agenturvertriebs.«<br />

Diese Stärke aber lasse sich nur dann richtig<br />

nutzen, wenn ein Vertreter weiß, mit wem<br />

er es zu tun hat.<br />

Pläne und Wünsche<br />

Die <strong>Allianz</strong> Österreich hat schon vor einigen<br />

Jahren damit begonnen, dafür ganz systematisch<br />

die Basis zu schaffen. Mit ihrem Life<br />

Check-Modell rückte sie damals die Kundenberatung<br />

wie<strong>der</strong> in den Mittelpunkt des Verkaufsprozesses.<br />

Seither werden gezielt und<br />

strukturiert Informationen zur persönlichen<br />

Situation des Versicherungsnehmers abgefragt,<br />

ausführlich seine Pläne und Wünsche<br />

besprochen und Lösungen aufgezeigt, wie<br />

sie sich verwirklichen lassen.<br />

Der erfolgreiche Beratungsansatz <strong>der</strong><br />

Österreicher beeinflusste die Entwicklung<br />

des Agency Future Program maßgeblich.<br />

In Deutschland ist er inzwischen als Pro3<br />

im Breiteneinsatz, in Frankreich unter dem<br />

Namen S’Energy. Erste Testläufe haben auch<br />

dort deutlich bessere Verkaufsergebnisse<br />

und steigende Kundenzufriedenheitswerte<br />

ergeben. In Tschechien wurde das AFP-<br />

Projekt im April gestartet, im Mai in Spanien<br />

und Indien. »Das Konzept funktioniert<br />

überall«, sagt van Tholen. »Damit bleibt <strong>der</strong><br />

Agenturvertrieb auch in Zukunft einer <strong>der</strong><br />

wichtigsten Erfolgsgaranten <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>.«<br />

JOHAN.VAN_THOLEN@ALLIANZ.COM<br />

26<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

27


STRATEGIE<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Die Markenwächter:<br />

Tobias Unterguggenberger,<br />

Patricia Schulz-<br />

Moll, Steffen<br />

Drögsler (v.l.)<br />

MARKENWERTE<br />

Die Top 10 Finanzdienstleister, 2010<br />

Milliarden US Dollar 0 3<br />

6 9 12 15<br />

American Express<br />

JP Morgan<br />

HSBC<br />

Goldman Sachs<br />

Citi<br />

Axa<br />

Morgan Stanley<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Timmich<br />

Markenrechte wir in dem jeweiligen <strong>Land</strong> verfügen«,<br />

sagt Unterguggenberger. 2011 konnte die <strong>Allianz</strong> Unternehmen<br />

und Organisationen in Brasilien, Deutschland,<br />

Frankreich, <strong>der</strong> Slowakei, <strong>der</strong> Türkei und den USA<br />

überzeugen, auf die Verwendung des Begriffs <strong>Allianz</strong>,<br />

Alliance o<strong>der</strong> Alianza als Marke o<strong>der</strong> Namen zu verzichten.<br />

In einigen Fällen entschieden den Namensstreit<br />

Markenämter und Gerichte. »Unsere rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten<br />

unterscheiden sich von <strong>Land</strong> zu<br />

<strong>Land</strong>, je nachdem wie stark und etabliert unsere eigene<br />

Marke ist und für welche Geschäftsbereiche sie dort<br />

verwendet wird«, erklärt Steffen Drögsler.<br />

Santan<strong>der</strong><br />

Visa<br />

Quelle: Interbrand<br />

Unter den Versicherern rangiert die <strong>Allianz</strong> beim Markenwert hinter Axa an zweiter Position,<br />

nimmt man die Banken mit in die Übersicht, an achter. Spitzenreiter unter allen Finanzdienstleistern<br />

ist American Express. Wertvollste Marke aller Branchen ist Coca Cola, die von Interbrand<br />

auf knapp 72 Milliarden Dollar taxiert wird<br />

Wert und Wirkung<br />

Vor mehr als zehn Jahren begann die <strong>Allianz</strong> damit, Tochtergesellschaften, die<br />

noch unter ihrer lokalen Marke auftraten, Schritt für Schritt unter ihr Markendach zu<br />

holen – in den meisten Län<strong>der</strong>n kein Problem, in manchen ein Fall für die Gerichte.<br />

FRANK STERN<br />

Bevor die kolumbianische Colseguros im Mai dieses<br />

Jahres in <strong>Allianz</strong> Colombia umbenannt werden konnte,<br />

hatten die Juristen <strong>der</strong> Rechtsabteilung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> SE<br />

(Group Legal & Compliance) erstmal gut zu tun. Die<br />

Alianza Fiduciara, ein kleiner Vermögensverwalter aus<br />

Bogota, hatte wegen Verwechslungsgefahr geklagt –<br />

und er konnte auf ältere Markenrechte verweisen.<br />

»Normalerweise ist es an<strong>der</strong>s rum«, sagt Tobias Unterguggenberger,<br />

<strong>der</strong> bei Group Legal zusammen mit<br />

Steffen Drögsler für Markenschutz zuständig ist. Am<br />

Ende einigten sich beide Seiten auf eine außergerichtliche<br />

Lösung.<br />

So enden Markenkonflikte häufig. Nicht selten aber<br />

geht die <strong>Allianz</strong> auch als Sieger vom Platz. »Oft reicht<br />

es schon, wenn wir deutlich machen, über welche<br />

Die <strong>Allianz</strong> hat ihre Marke inzwischen in <strong>der</strong> ganzen<br />

Welt registrieren lassen – außer in Län<strong>der</strong>n, in denen<br />

es generell keinen Markenschutz gibt, wie in Eritrea<br />

o<strong>der</strong> Somalia. Seit sie ernst macht mit ihrer Ein-Marken-<br />

Strategie, wurden bereits zahlreiche Tochterunternehmen<br />

auf die <strong>Allianz</strong> Marke umgestellt. 2007 kam Italien,<br />

2009 Frankreich unters blaue Dach – wichtige Stationen<br />

auf dem Weg zu einer globalen Marke. Mittlerweile<br />

werden 80 Prozent des Umsatzes <strong>der</strong> Gruppe unter <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong> Marke erwirtschaftet. 2007 waren es noch 65 Prozent.<br />

»Wir wollen in eine starke Marke investieren, statt<br />

die Kräfte auf fünf o<strong>der</strong> zehn aufzuteilen«, sagt Patricia<br />

Schulz-Moll von Group Market Management.<br />

Etablierte Marken sind so etwas wie ein Versprechen,<br />

eines, das Orientierung gibt und Vertrauen weckt und<br />

für das Kunden auch bereit sind, tiefer in die Tasche zu<br />

greifen. Bis sie im Bewusstsein <strong>der</strong> Menschen verankert<br />

sind, können allerdings Jahre vergehen. »Man muss<br />

bereit sein, dafür Geld in die Hand zu nehmen und die<br />

Marke als Wert betrachten«, erklärt Schulz-Moll. »Und<br />

man muss für dieses Ziel mitunter auch eine etablierte,<br />

lokale Marke aufgeben.«<br />

Beispiel Russland. Dort operierte die <strong>Allianz</strong> bis Anfang<br />

dieses Jahres mit drei Tochtergesellschaften unter<br />

verschiedenen Marken. Eine davon war Rosno, eines <strong>der</strong><br />

bekanntesten Versicherungsunternehmen des <strong>Land</strong>es.<br />

Nach <strong>der</strong> Verschmelzung mit Industrieversicherer <strong>Allianz</strong><br />

Russia und Sachversicherer Progress Garant tritt Rosno<br />

seit April als <strong>Allianz</strong> Russland auf.<br />

Eine Umstellung, die ihre eigenen Risiken birgt. »In<br />

Russland machen wir uns für eine Übergangszeit weiter<br />

die Bekanntheit <strong>der</strong> lokalen Marke Rosno zunutze. Nach<br />

zwei Jahren steigen wir dann vollständig auf <strong>Allianz</strong><br />

um«, erläutert Schulz-Moll. Dabei konnte man nicht<br />

sicher sein, dass <strong>der</strong> Wechsel bei den Kunden auf ungeteilte<br />

Zustimmung stößt. Doch auch die Russen wissen<br />

Finanzstärke, internationales Renommee, Vertrauen<br />

und Zuverlässigkeit zu schätzen – gerade in unsicheren<br />

Zeiten wie diesen. In ihrer Markenkampagne hatte<br />

die <strong>Allianz</strong> diese Werte beson<strong>der</strong>s herausgestellt. »Eine<br />

Kampagne mit russischem Feeling«, so Drögsler.<br />

28<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

29


STRATEGIE<br />

beide Fotos: <strong>Allianz</strong><br />

Russland<br />

spezial<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Umfirmierung mit Hin<strong>der</strong>nissen – in<br />

Kolumbien klagte ein Vermögensverwalter<br />

gegen die Verwendung <strong>der</strong> Marke <strong>Allianz</strong>.<br />

Auch beim Wechsel von Mondial auf <strong>Allianz</strong><br />

Global Assistance geht nicht immer alles glatt<br />

<strong>Im</strong> <strong>Land</strong> <strong>der</strong><br />

Zwiebeltürme<br />

Dass sich Investitionen in eine globale Marke auszahlen,<br />

lässt sich an dem Beitrag ablesen, den sie zum Unternehmenswert<br />

leisten kann. Laut Ranking des Markenberaters<br />

Interbrand Best Global Brands 2011 ist die <strong>Allianz</strong><br />

Marke rund 5,4 Milliarden Euro wert und verzeichnete<br />

im letzten Jahr den höchsten Wertzuwachs unter den<br />

europäischen Finanzdienstleistern. Unter den globalen<br />

Versicherern wird nur Axa höher eingeschätzt (6,7 Milliarden<br />

Euro). Gut nachvollziehbar also, warum Unterguggenberger<br />

und seine Kollegen mit Argusaugen über<br />

die Marke wachen. Eine Verwässerung würden Wert<br />

und Wirkung erheblich min<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Im</strong> Moment sind die Markenwächter noch mit <strong>der</strong><br />

Umstellung von Mondial Assistance auf <strong>Allianz</strong> Global<br />

Assistance beschäftigt. Der Wechsel von Rot auf<br />

Blau in 28 Län<strong>der</strong>n erstreckt sich über mehrere Jahre.<br />

»Klar, dass ein Rebranding in diesen Dimensionen<br />

mitunter Son<strong>der</strong>lösungen erfor<strong>der</strong>t«, erläutert Tobias<br />

Unterguggenberger.<br />

In Italien etwa wird <strong>der</strong> Reiseversicherer und Pannenhelfer<br />

nur als <strong>Allianz</strong> Assistance auftreten: Um sich nicht<br />

mit dem dortigen Wettbewerber Global Assistance ins<br />

Gehege zu kommen, verzichtet man dort auf den Zusatz<br />

Global. Zudem bleibt für einige ausgewählte Großkunden<br />

die Marke Mondial Assistance erhalten, weil sie, wie<br />

etwa Air France, mit an<strong>der</strong>en Versicherern verbunden<br />

sind. Ein Link von <strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> französischen<br />

Fluglinie auf das Portal eines Reiseversicherers unter<br />

dem <strong>Allianz</strong> Logo käme da nicht beson<strong>der</strong>s gut an.<br />

Solche Son<strong>der</strong>lösungen könnten bald noch häufiger<br />

nötig werden, denn mit ihrem Assistance-Unternehmen<br />

will die <strong>Allianz</strong> in Zukunft auch in neue Geschäftsfel<strong>der</strong><br />

vorstoßen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich. »Da«,<br />

glaubt Unterguggenberger, »warten dann wie<strong>der</strong> neue<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Markenführung.«<br />

WWW.INTERBRAND.COM<br />

30<br />

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31


RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Russland – ein <strong>Land</strong>, das es sich leisten kann, zwei Zeitzonen abzuschaffen<br />

und dann immer noch neun davon zu haben; ein <strong>Land</strong>, in dem die Zwiebeltürme<br />

aus dem Boden schießen wie Pilze nach einem Sommerregen; ein<br />

<strong>Land</strong>, in dem es den Männern gelungen ist, ihre Lebenserwartung mit Wodka<br />

und Tabak auf 62 Jahre zu drücken, in dem <strong>der</strong> Präsident und <strong>der</strong> Regierungschef<br />

in regelmäßigen Abständen die Ämter tauschen und Autos in bar<br />

bezahlt werden. Reise in ein <strong>Land</strong>, das mit dem Verstand nicht zu fassen ist.<br />

TEXTE: FRANK STERN<br />

Shutterstock alle Fotos | auch Seite 35: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Birken. Birken, so weit das Auge reicht. Wer sich mit<br />

dem Zug in die russische Provinz aufmacht – und die<br />

beginnt gleich am Stadtrand von Moskau –, landet<br />

unweigerlich im Birkenwald. Die Kanadier haben ihren<br />

Ahorn, die Deutschen ihre Eiche. Die Russen haben<br />

Birken. »Die halten viel aus«, sagt Olga, unsere Begleiterin.<br />

Die meisten Russinnen heißen übrigens Olga.<br />

Vera Alexandrowna Emelina ist eine <strong>der</strong> wenigen<br />

Ausnahmen. Doch dazu später.<br />

Ein weiteres prägendes Element des <strong>Land</strong>es, in dem<br />

weniger Menschen als in Bangladesh auf einem mehr<br />

als hun<strong>der</strong>tmal so großen Territorium leben, sind die<br />

Zwiebeltürme. Bunt und golden, verspielt und prall<br />

kugeln sie in immer größerer Zahl in den russischen<br />

Himmel und künden nach Jahrzehnten frevelhafter<br />

Gottlosigkeit von <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>auferstehung <strong>der</strong> russischorthodoxen<br />

Kirche. Keine Bibelseite passt zwischen ihr<br />

Oberhaupt, Patriarch Kirill, und Russlands Präsidenten<br />

Wladimir Putin, den <strong>der</strong> Kirchenmann auch schon mal<br />

gern als Geschenk Gottes preist.<br />

Nicht je<strong>der</strong> im <strong>Land</strong> hält den aktuellen Präsidenten für<br />

einen Segen, zumindest in <strong>der</strong> Hauptstadt des Riesenreichs<br />

hat sich spürbare Opposition gegen Putins System<br />

<strong>der</strong> »gelenkten Demokratie« formiert. Doch hinter den<br />

Birkenwäl<strong>der</strong>n scheint <strong>der</strong> Rückhalt für den einstigen<br />

KGB-Offizier ungebrochen. Auch wenn er nicht alles<br />

gutheiße, was <strong>der</strong> Kreml verordne, könne man nicht<br />

leugnen, dass Putin dem <strong>Land</strong> ein gewisses Maß an<br />

Stabilität verschafft habe, meint einer unserer Gesprächspartner.<br />

»Außer ihm ist <strong>der</strong>zeit niemand in Sicht, <strong>der</strong><br />

das <strong>Land</strong> führen könnte.«<br />

Extrem anfällig<br />

Mit <strong>der</strong> Stabilität freilich könnte es schnell vorbei sein,<br />

wenn die Weltmarktpreise für Öl und Gas in den Keller<br />

gehen, an die Wohl und Wehe Russlands gekoppelt sind,<br />

sagt Professor Hans-Henning Schrö<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Stiftung<br />

Wissenschaft und Politik in Berlin (siehe Interview Seite 10).<br />

Die Rohstoffwirtschaft macht das <strong>Land</strong> extrem anfällig<br />

für Konjunkturschwankungen auf dem Weltmarkt. Als<br />

vor drei Jahren die Preise für Rohöl an den internationalen<br />

Börsen einbrachen, sank das Bruttoinlandsprodukt Russlands<br />

um acht Prozent.<br />

Doch keiner bestreitet, dass das <strong>Land</strong>, von dem <strong>der</strong><br />

Lyriker Fjodor Tjutschew einst meinte, es sei mit dem<br />

Verstand nicht zu fassen, über ein ungeheures Potenzial<br />

32<br />

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33


RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

Müller<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

verfügt. Viele westliche Unternehmen jedenfalls setzen<br />

auf anhaltenden Aufschwung und nehmen bereits<br />

gezielt die wachsende Riege wohlhaben<strong>der</strong> Russen ins<br />

Visier. Bei einem Pressetermin im Juli in St. Petersburg<br />

schätzte BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson die Zahl<br />

<strong>der</strong> russischen Haushalte mit einem Jahreseinkommen<br />

von mindestens 60 000 Dollar auf sieben Millionen.<br />

Robertson rechnet damit, dass sich das Kontingent<br />

zahlungskräftiger Russen bis 2025 verdoppeln wird.<br />

In diesem Jahr peilt BMW den Absatz von 30 000 Fahrzeugen<br />

in Russland an, zehnmal so viele wie 2003.<br />

Wie viele an<strong>der</strong>e westliche Firmen setzt auch BMW auf die wachsende Schicht<br />

wohlhaben<strong>der</strong> Russen. In diesem Jahr will <strong>der</strong> deutsche Autobauer in Russland<br />

30 000 Fahrzeuge verkaufen<br />

Die Christ-Erlöser-Kathedrale an <strong>der</strong> Moskwa (Bild oben) war im Februar Bühne<br />

eines Anti-Putin-Auftritts <strong>der</strong> Gruppe Pussy Riot. Avantgarde, Dekadenz und Flower<br />

Power liegen in Moskau nah beieinan<strong>der</strong><br />

Der Grad des Fortschritts lässt sich auch an einem<br />

an<strong>der</strong>en Indikator ablesen, weniger spektakulär als<br />

eine deutsche Luxuskarosse, doch für die Zukunft des<br />

140 Millionen-Volkes wohl von größerer Bedeutung: die<br />

Zahl <strong>der</strong> Lebensversicherungen im <strong>Land</strong>. Viele Russen<br />

sind heute im Alter auf die Unterstützung ihrer Kin<strong>der</strong><br />

angewiesen. Wo die fehlt, wird es eng – die staatliche<br />

Unterstützung ist minimal. Private Vorsorge könnte<br />

Abhilfe schaffen, doch mit acht Dollar pro Kopf und Jahr<br />

bewegt sich die Lebensversicherung noch immer auf<br />

äußerst niedrigem Niveau. Sachversicherungen, vor<br />

allem die fürs Auto, lassen sich die Russen dagegen<br />

jährlich im Schnitt 295 Dollar kosten, die meist bar an<br />

die Versicherungsvertreter gezahlt werden. Russland<br />

ist nach wie vor eine Cash-Gesellschaft. Nach etlichen<br />

Finanzkrisen, bei denen viele Menschen all ihr Erspartes<br />

verloren, tendiert das Vertrauen in Banken gegen null.<br />

Selbst <strong>der</strong> Kaufpreis fürs Auto – für einen BMW geht das<br />

schon mal locker über die 100 000 Euro-Grenze – wird<br />

gelegentlich bar beglichen, »mit Rubel aus <strong>der</strong> Plastiktüte«,<br />

wie ein Journalist neulich notierte. Doch das hat<br />

vermutlich an<strong>der</strong>e Gründe.<br />

Für internationale Firmen ist <strong>der</strong> russische Markt seit<br />

jeher schwieriges Terrain. So schwierig, dass etliche<br />

Auslandsunternehmen die Segel inzwischen schon<br />

wie<strong>der</strong> gestrichen haben. Hakan Danielsson, seit Juli<br />

2011 Chef <strong>der</strong> russischen <strong>Allianz</strong> Tochter Rosno, kennt<br />

die Hürden, wie zum Beispiel, dass mancher Industriebereich<br />

für ausländische Versicherer tabu ist – aus<br />

Gründen <strong>der</strong> nationalen Sicherheit. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

steht Danielsson mit Behörden und Branchenvertretern<br />

durchaus in regem Austausch. »Die Russen sind sehr an<br />

unseren Erfahrungen aus an<strong>der</strong>en Märkten interessiert«,<br />

sagt <strong>der</strong> Schwede. »Welche Versicherungen sollten zur<br />

Pflicht gemacht werden, welche nicht? Wie lässt sich<br />

eine nachhaltige Altersvorsorge etablieren, wie die Krankenversicherung<br />

entwickeln – alles Fragen, zu denen sie<br />

unsere Meinung hören wollen.«<br />

Willfährige Justiz<br />

Reformbedarf gibt es nicht nur im Versicherungsbereich,<br />

auch das russische Justizwesen hinkt <strong>der</strong> Entwicklung<br />

hinterher. »Zu Sowjetzeiten waren die Gerichte ein<br />

Instrument des Staates«, sagt Danielsson. »Und auch<br />

heute sind sie nicht wirklich unabhängig. Das ist ein<br />

Problem.« Von dem gerade erfolgten Beitritt Russlands<br />

zur Welthandelsorganisation WTO – nach 18 Jahren Verhandlungen<br />

– versprechen sich ausländische Investoren<br />

nun eine deutliche Verbesserung des Geschäftsklimas<br />

und größere Rechtssicherheit. Russische Unternehmen<br />

dagegen sehen <strong>der</strong> Marktöffnung mit gemischten Gefühlen<br />

entgegen, müssen sie sich doch künftig gegen<br />

internationale Konkurrenz behaupten.<br />

Die Sommerabende an <strong>der</strong> Moskwa versöhnen für ein<br />

paar Stunden mit all den Unzulänglichkeiten, die ein<br />

<strong>Land</strong> prägen, das seit mehr als 25 Jahren einen Umbruch<br />

nach dem an<strong>der</strong>en durchlebt hat. Vergessen das Chaos<br />

am Flughafen, die Staus auf den Straßen, die runtergekommenen<br />

Plattensiedlungen. Moskau ist jung und laut<br />

und schrill. Die neureiche Schicht haut die Rubel in den<br />

34<br />

<br />

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<br />

<br />

35


RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

angesagten Restaurants raus, als gäbe es kein Morgen,<br />

die an<strong>der</strong>en treffen sich auf ein paar Bier im Park und<br />

machen Musik. Es scheint, als wolle die Zehn-Millionen-<br />

Metropole die westliche Entwicklung <strong>der</strong> vergangenen<br />

Jahrzehnte im Zeitraffer nachholen. Avantgarde und<br />

Dekadenz und Flower Power – alles liegt nah beieinan<strong>der</strong>.<br />

Hinter <strong>der</strong> Christ-Erlöserkirche auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

<strong>der</strong> Moskwa geht die Sonne unter und taucht den Fluss<br />

in ein weiches Licht. <strong>Im</strong> Februar hatten dort drüben<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Frauenpunkband Pussy Riot den Altar<br />

gestürmt und die Muttergottes angefleht, Russland von<br />

Putin zu erlösen. Monatelang saßen drei von ihnen in<br />

Untersuchungshaft. Patriarch Kirill hatte in dem Stunt<br />

den Teufel höchstselbst am Werk gesehen.<br />

Ein paar irre Motorradfahrer jagen mit Überschallgeschwindigkeit<br />

die Uferstraße entlang, Stretchlimos<br />

fahren betont langsam vorbei, und auf <strong>der</strong> Moskwa-<br />

Brücke entledigt sich ein junges Mädchen ihres T-Shirts,<br />

um barbusig ihre Chance auf eine billige Mitfahrgelegenheit<br />

zu erhöhen. Taxis kosten in Moskau ein Vermögen.<br />

Lange warten muss sie nicht.<br />

Seit April tritt die frühere Rosno zusammen mit <strong>der</strong> Industrieversicherungssparte<br />

und Progress Garant als <strong>Allianz</strong> Russland auf<br />

Sinn für<br />

Chancen<br />

Wie man einen Marktführer lenkt,<br />

hat Hakan Danielsson schon vorgemacht.<br />

Jetzt soll er zeigen, wie man<br />

einer wird. Da hat er einiges vor sich:<br />

Noch ist die <strong>Allianz</strong> in Russland von<br />

<strong>der</strong> Spitze ein gutes Stück entfernt.<br />

»Schweden ist echt langweilig«, sagt Hakan Danielsson<br />

über seine Heimat. »Alles dort ist so geordnet und stabil.«<br />

Nichts für einen Mann, für den <strong>der</strong> Weg das Ziel ist. Inzwischen<br />

kann sich <strong>der</strong> 51-Jährige über Langeweile nicht<br />

mehr beklagen. Ordnung und Stabilität jedenfalls sind<br />

eher nicht die Attribute, die einem auf Anhieb zu Russland<br />

einfallen würden, wo Danielsson seit gut einem Jahr<br />

lebt. Bevor er nach Moskau kam, war er einige Jahre Chef<br />

von Länsförsänkringar – Marktführer unter Schwedens<br />

Sachversicherern. »Wenn wir unseren Anteil um 0,2 Prozent<br />

ausbauen konnten, war das schon ein Grund zum<br />

Feiern«, erzählt er. »So was macht einfach keinen Spaß.«<br />

Vor gut einem Jahr holte ihn <strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann<br />

an die Spitze von Unternehmenstochter Rosno.<br />

Obwohl in Russland weithin ein Begriff, liegt Rosno im<br />

Sachgeschäft aktuell nur auf Rang acht, in <strong>der</strong> Lebensversicherung<br />

auf Platz sechs – außerhalb des Bereichs,<br />

den Diekmann für ein Weltunternehmen für angemessen<br />

hält.<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

Hakan Danielsson<br />

»Wir haben das Ziel, unter den ersten drei zu sein«,<br />

erklärte er im Juli in einem Interview mit <strong>der</strong> russischen<br />

Zeitung Vedomosti. Nur dann sei man in einer Position,<br />

den Markt aktiv mitzugestalten. Allerdings müsse Russland<br />

auch bereit sein, <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> eine solche Position<br />

zuzugestehen, so Diekmann weiter. »Wir wissen wie’s<br />

geht. Wir wissen wie man das Versicherungsgeschäft<br />

nachhaltig betreibt und können unsere ganze Expertise<br />

einbringen.«<br />

Auch beim Thema saubere Unternehmensführung.<br />

Aktuell steht Russland im Korruptionsindex von Transparency<br />

International an Position 143. Durchstechereien<br />

sind in <strong>der</strong> russischen Geschäftswelt gang und gäbe,<br />

und wer das Spiel nicht mitspielt, hat nicht selten das<br />

Nachsehen. »Zuweilen geht uns dadurch Geschäft<br />

verloren«, bestätigt Hakan Danielsson. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite suchten gerade internationale Unternehmen Geschäftspartner<br />

mit weißer Weste. »Solche wie uns.«<br />

Bei einem Treffen mit rund 500 Mitarbeitern verschiedener<br />

Gruppengesellschaften im Juli in Moskau unterstrich<br />

Michael Diekmann die Bedeutung von <strong>Im</strong>age und<br />

Reputation, gerade in Zeiten, da Finanzdienstleistern<br />

weithin Misstrauen entgegenschlägt. Er würde eher<br />

auf ein lukratives Geschäft verzichten, als den Ruf des<br />

Unternehmens aufs Spiel zu setzen, hob <strong>der</strong> Konzernchef<br />

hervor. Dass Rosno seit April landesweit unter dem<br />

Namen <strong>Allianz</strong> auftritt, sieht Diekmann daher auch als<br />

Verpflichtung für das Management vor Ort. »Es gibt in<br />

<strong>der</strong> Geschäftswelt keinen größeren Vertrauensbeweis als<br />

die Übertragung <strong>der</strong> Markenrechte an ein Tochterunternehmen«,<br />

sagt er.<br />

Gleichzeitig mit <strong>der</strong> Umfirmierung wurden die Sach- und<br />

Industrieversicherer Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia<br />

mit Rosno zusammengeführt. Dass dabei nicht alles<br />

rund lief, daraus macht Hakan Danielsson keinen Hehl.<br />

Etliche Mitarbeiter sind im Zuge <strong>der</strong> Neustrukturierung<br />

denn auch abgesprungen, und es waren nicht immer die<br />

schlechtesten. Danielsson will nun ein neues Kapitel aufschlagen,<br />

und er scheint den richtigen Ton zu treffen –<br />

im wahrsten Sinne: Schon nach einem Jahr beherrschte<br />

<strong>der</strong> studierte Mathematiker erstaunlich gut Russisch.<br />

»Nicht perfekt«, sagt er, »aber die Leute verstehen mich.«<br />

Monatelang hatte er dafür nach <strong>der</strong> Arbeit noch bis in<br />

die Nacht gebüffelt.<br />

Der Vater eines Sohns und einer Tochter mag die Sprache,<br />

und er hat einen guten Draht zu den Menschen.<br />

»Schweden und Russen haben viel gemeinsam«, findet<br />

er. »Wir spielen Eishockey, wir lieben die Jagd und gehen<br />

fischen. Wir haben unsere Datschen im Wald und wir<br />

haben unsere Saunen. Man könnte sagen, Schweden ist<br />

eine Miniversion von Russland.« Nur, wie schon erwähnt,<br />

um einiges langweiliger. Danielsson zieht Wachstumsmärkte<br />

wie Russland vor. »Es passiert einfach mehr – in<br />

positiver wie in negativer Hinsicht«, sagt er. »Und man<br />

kann stärker Einfluss auf Entwicklungen nehmen.«<br />

<strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann stellte sich in Moskau den Fragen <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

zur Zukunft <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

Sjukow<br />

36<br />

<br />

<br />

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37


RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Mittlerweile hat er sich im ganzen <strong>Land</strong> umgesehen und<br />

sich den Mitarbeitern in vielen <strong>der</strong> 92 Nie<strong>der</strong>lassungen<br />

zwischen Kaliningrad und Kamtschatka vorgestellt.<br />

Gefragt, welcher Ort ihm bei seinen Reisen am besten<br />

gefallen hat, muss er nicht lange überlegen: »Wladiwostok«,<br />

sagt er, die Stadt ganz fern im Osten am<br />

Japanischen Meer. »Es sieht aus wie San Francisco«,<br />

schwärmt Danielsson. »Sonne auf den schneebedeckten<br />

Hügeln, unten <strong>der</strong> Hafen – unbeschreiblich.«<br />

Bei seinen Begegnungen sei er bei den Russen auf einen<br />

enormen Unternehmergeist getroffen, preist er die<br />

Qualitäten <strong>der</strong> Einheimischen. Und als sein deutscher<br />

Gesprächspartner dies mit einem ungläubigen Blick<br />

quittiert – eine russische Autorin hat ihr <strong>Land</strong> erst<br />

kürzlich wie<strong>der</strong> als groß und träge beschrieben –, legt<br />

Danielsson nach. An<strong>der</strong>s als die Deutschen seien die<br />

Russen weit experimentierfreudiger, sagt er: »Sie probieren<br />

Dinge aus, und wenn sie nicht klappen, versuchen<br />

sie einen an<strong>der</strong>en Weg. Russen haben einen Sinn für<br />

Chancen, die Deutschen bilden eine Arbeitsgruppe und<br />

entwickeln Pläne.«<br />

Das wäre also auch geklärt.<br />

WWW.ALLIANZ.RU<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

Geschichten<br />

von <strong>der</strong> Wolga<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Die <strong>Allianz</strong> in Russland<br />

Moskau<br />

RUSSLAND<br />

1991 Gründung <strong>der</strong> Ost-West <strong>Allianz</strong><br />

(später <strong>Allianz</strong> Russia)<br />

2002 die <strong>Allianz</strong> beteiligt sich mit 45 Prozent<br />

an Rosno<br />

2003 Gründung <strong>der</strong> Rosno Lebensversicherung<br />

2007 die <strong>Allianz</strong> wird alleiniger Eigentümer von Rosno<br />

2010 die <strong>Allianz</strong> startet das Pensionsfondsgeschäft in Russland<br />

2012 Rosno, Progress Garant und <strong>Allianz</strong> Russia werden<br />

zusammengeführt und treten im Markt gemeinsam<br />

unter <strong>der</strong> Marke <strong>Allianz</strong> auf<br />

SACHVERSICHERUNG ROSNO<br />

• Umsatz 2011 535 Millionen Euro<br />

• Marktposition acht<br />

• 5400 Mitarbeiter<br />

• 10 000 Vertreter<br />

LEBENSVERSICHERUNG ALLIANZ ROSNO LIFE<br />

• Umsatz 2011 60 Millionen Euro<br />

• Marktposition sechs<br />

• 370 Mitarbeiter<br />

• 4500 Vertreter<br />

(Angaben: <strong>Allianz</strong> Russland)<br />

Versicherungsmarkt Russland<br />

Bevölkerung 140 Millionen<br />

Territorium<br />

17 Millionen Quadratkilometer<br />

VERSICHERUNGSDURCHDRINGUNG<br />

(Prämien in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2011)<br />

• Gesamtgeschäft 2,4 Prozent<br />

• Lebensgeschäft 0,1 Prozent<br />

• Sachgeschäft 2,3 Prozent<br />

• Position weltweit 53<br />

VERSICHERUNGSDICHTE 2011<br />

Prämien Lebensversicherung pro Kopf acht US-Dollar<br />

Prämien Sachversicherung pro Kopf 295 US-Dollar<br />

(Angaben: Swiss Re, sigma Nr. 3/2012)<br />

Die Wolga ist mit mehr<br />

als 3500 Kilometern <strong>der</strong><br />

längste Fluss Europas<br />

Bei einem ihrer ersten Kundenbesuche flog Vera Alexandrowna<br />

Emelina gleich wie<strong>der</strong> raus, kaum dass sie das Wort Versicherung auch<br />

nur ausgesprochen hatte. Heute ist die studierte Physikerin Chefin des<br />

Wolga-Direktorats <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Russland. Das Gebiet ist größer als Polen.<br />

Es gab Zeiten, da arbeitete Vera Alexandrowna Emelina<br />

als Ingenieurin am sowjetischen Raumfahrtprogramm<br />

mit. Zehn Jahre lang. Dann hob Michail Gorbatschow<br />

die Welt aus den Angeln, das Sowjetreich zerbrach, und<br />

Emelina, die ihr Fach theoretische Physik an <strong>der</strong> Uni einst<br />

mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, verlor ihren Job.<br />

Für den Griff nach den Sternen hatte das <strong>Land</strong> kein<br />

Geld mehr.<br />

Vera Emelina gehört zu jener Generation von Russen,<br />

<strong>der</strong>en Lebensplanung durch den gesellschaftlichen<br />

Umbruch vor 20 Jahren auf den Kopf gestellt wurde.<br />

»Mit <strong>der</strong> Perestroika än<strong>der</strong>te sich alles«, sagt sie. »Und<br />

eher zum Besseren.« Emelina versuchte, in <strong>der</strong> neuen<br />

Ordnung einen Platz zu finden, sattelte um und schlug<br />

sich in ihrer Heimatstadt Nischni Nowgorod zunächst<br />

mit dem Verkauf von Versicherungen durch. Sie ließ<br />

38<br />

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39


privat<br />

RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

»Russische Frauen können alles«,<br />

findet Vera Emelina, »auch schwierige<br />

Kunden erweichen. Männer sind zu<br />

undiplomatisch und zu wenig kompromissbereit.«<br />

Irina Petrjankina,<br />

Marina Pogudina und Tatjana Pintschuk<br />

(v.l.) sind ihre besten Verkäuferinnen<br />

Vera Emelina<br />

In Jaroslawl können sich Sergej Milykh (li.) und Ilja Muraschow dagegen ganz<br />

gut neben <strong>der</strong> Topverkäuferin Elena Balnikowa behaupten<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

Wie seine Kollegin Emelina in Nischni Nowgorod hat<br />

auch Garin nie daran gedacht, seine Stadt Richtung<br />

Moskau zu verlassen, obwohl das Gehaltsniveau in <strong>der</strong><br />

Hauptstadt zwei- bis dreimal höher ist als in <strong>der</strong> Provinz.<br />

Die paar mal, die er zu Besprechungen in die Zentrale<br />

muss, reichen ihm vollkommen, sagt <strong>der</strong> 44-Jährige.<br />

Garin liebt die Wolga, <strong>der</strong> Traum eines jeden Anglers.<br />

Seine Datscha liegt 70 Kilometer von <strong>der</strong> Stadt entfernt,<br />

das Brennholz für Ofen und Sauna schlägt er selbst.<br />

<strong>Im</strong> Winter – die Temperaturen können dann locker die<br />

Marke von minus 20 Grad unterschreiten – geht er mit<br />

seiner Tochter Eisbaden. Der dreijährige Sohn ist für<br />

solche Abenteuer noch zu klein.<br />

Man könnte sagen, Garin hat es geschafft. Nicht verwun<strong>der</strong>lich,<br />

dass er die neue Zeit als Befreiung empfindet.<br />

Waren die Lebensumstände <strong>der</strong> meisten früher annähernd<br />

gleich, gibt es heute allerdings massive Unterschiede.<br />

Dennoch zieht Garin ein System vor, in dem es je<strong>der</strong> selbst<br />

in <strong>der</strong> Hand hat, etwas aus seinem Leben zu machen. »Es<br />

geht gar nicht darum, reich zu sein«, sagt er. »Viel wichtiger<br />

ist die Freiheit, über sein Leben selbst zu bestimmen<br />

und Chancen zu nutzen.« Die jüngere Generation hat da<br />

oft etwas an<strong>der</strong>e Vorstellungen. »Die sind zum Teil schon<br />

sehr for<strong>der</strong>nd«, hat Garin festgestellt. Die Anspruchshaltung<br />

des potenziellen Nachwuchses macht es ihm<br />

jedenfalls nicht immer leicht, neue Mitarbeiter zu finden:<br />

»Die Jungen wollen alles auf einmal – und das sofort.«<br />

Renaissance des Glaubens<br />

Vera Emelina, Direktionsleiterin in Nischni Nowgorod,<br />

400 Kilometer die Wolga stromabwärts, hat mit dem<br />

Nachwuchs weniger Probleme. Sie rekrutiert viele Mitarbeiter<br />

direkt von <strong>der</strong> Uni, das Gros ihrer Vertreter hat<br />

einen höheren Schulabschluss. »Die meisten jungen Leute<br />

bleiben hier«, sagt sie, »Nachwuchssorgen haben wir<br />

keine.« Was auch für die Bevölkerung insgesamt gilt. Die<br />

Renaissance des Glaubens habe dazu geführt, dass sich<br />

Familien wie<strong>der</strong> für mehr Kin<strong>der</strong> entschieden, sagt die<br />

Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen. Ihre jüngste<br />

Tochter hat sie aus einem Waisenhaus adoptiert.<br />

14 Geschäftsfilialen mit insgesamt 1200 Vertretern<br />

gehören zu Emelinas Reich. Und wo an<strong>der</strong>e zu kämpfen<br />

haben, damit verdient sie Geld. »Die Autoversicherung<br />

ist unser profitabelstes Geschäftssegment«, sagt die<br />

Direktionschefin, die mit Nischni Nowgorod gleichzeitig<br />

auch die erfolgreichste Filiale <strong>der</strong> Region führt. »Das<br />

funktioniert natürlich nur, wenn man die richtige Risiko-<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Jewgeni Garin<br />

In Jaroslawl, 300 Kilometer nordöstlich von Moskau an <strong>der</strong> Mündung des Flusses Kotorosl in die Wolga gelegen, leben heute fast 600 000 Einwohner<br />

sich auch von Rückschlägen wie bei jenem Chef einer<br />

Bäckerei nicht abschrecken, <strong>der</strong> sie, kaum dass sie den<br />

Fuß in <strong>der</strong> Tür hatte, wie<strong>der</strong> rauswarf. »Er hatte mit seiner<br />

alten Versicherungsgesellschaft ziemlich schlechte<br />

Erfahrungen gemacht«, erzählt sie. »War ein ungünstiger<br />

Zeitpunkt.« Heute ist er einer ihrer treuesten Kunden.<br />

Auch Jewgeni Garin, Leiter <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Agentur in Jaroslawl<br />

an <strong>der</strong> Wolga, knapp 300 Kilometer nordöstlich<br />

von Moskau, ist ein Quereinsteiger. Nach dem Studium,<br />

das er noch unterm roten Stern begonnen hatte, stand<br />

er erstmal auf <strong>der</strong> Straße. Wie viele an<strong>der</strong>e damals versuchte<br />

er sein Glück als fliegen<strong>der</strong> Händler. Alles, was<br />

sich irgendwie zu Geld machen ließ, Garin kaufte und<br />

verkaufte. Keine schlechte Schule: 1996, nach drei Jahren<br />

Durststrecke, schaffte er es in die Vertriebsabteilung<br />

einer lokalen Brauerei. Seit 2007 leitet er die Rosno-Filiale<br />

in Jaroslawl. Inzwischen leuchtet am Bürogebäude das<br />

<strong>Allianz</strong> Logo.<br />

64 Millionen Rubel, rund 1,6 Millionen Euro, haben er<br />

und seine 25 Mitarbeiter in Jaroslawl und Umgebung im<br />

letzten Jahr an Prämien eingenommen. Mit 27 Millionen<br />

Rubel ist die Firmenversicherung <strong>der</strong> größte Beitragsposten<br />

– Energie, Chemie, Transport. Jaroslawl, eine<br />

alte Handelsmetropole mit tausendjähriger Geschichte,<br />

ist nicht nur beliebtes Touristenziel, son<strong>der</strong>n auch ein<br />

wichtiger Industriestandort. In diesem Jahr will Garin die<br />

Prämieneinnahmen um zehn Millionen Rubel steigern.<br />

Bar auf die Hand<br />

Während Firmen in Russland ihre Versicherungsprämien<br />

per Bank überweisen, zahlen Privatkunden ihre Beiträge<br />

dem Vertreter bar auf die Hand. Der liefert das Geld<br />

regelmäßig in <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Filiale ab, wo es zunächst im<br />

Tresor und dann auf <strong>der</strong> Bank landet. Es ist ein aufwändiges<br />

und intransparentes Verfahren, das auch <strong>Allianz</strong><br />

Russland-Chef Hakan Danielsson Kopfschmerzen bereitet:<br />

»Solche Geldströme sind nur schwer zu kontrollieren.«<br />

Er setzt darauf, dass mit fortschreiten<strong>der</strong> Verbreitung<br />

des Internets immer mehr Kunden auf Online-Banking<br />

umsteigen. Dann könnte Garin seinen Safe ausmustern.<br />

40<br />

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41


RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

Photos obere Reihe: dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

alle Fotos: Stern (wenn nicht an<strong>der</strong>s angegeben)<br />

auswahl trifft«, sagt sie. So ist zum Beispiel <strong>der</strong> gesamte<br />

Fuhrpark <strong>der</strong> Regionalverwaltung von Nischni Nowgorod<br />

über Emelinas Geschäftsstelle versichert – 18 Millionen<br />

Rubel an Prämieneinnahmen pro Jahr. Schadenmeldungen<br />

gibt es so gut wie keine: Werden die Beamten in einen Verkehrsunfall<br />

verwickelt, haben immer die an<strong>der</strong>en schuld.<br />

Weniger glücklich ist die Direktionschefin mit dem<br />

Bereich Agrarversicherung. »Das ist ein sehr risikoreiches<br />

Geschäft, mit dem sich kaum Geld verdienen lässt«,<br />

lautet ihr Resümee. »Sämtliche Einnahmen müssen wir<br />

an Schäden wie<strong>der</strong> auszahlen.« Auch dieses Jahr gab es<br />

keine Entspannung: Entlang <strong>der</strong> Wolga, im Süd-Ural und<br />

in Westsibirien verursachte anhaltende Dürre schwere<br />

Ernteausfälle. An einigen Orten holten sich Gebietsfunktionäre<br />

und Bauern in ihrer Verzweiflung göttlichen<br />

Beistand an die Seite: Priester <strong>der</strong> orthodoxen Kirche<br />

hielten öffentliche Messen ab, in denen die versammelte<br />

Gemeinde für Regen betete.<br />

Von einem durchschlagenden Erfolg geht das russische<br />

<strong>Land</strong>wirtschaftsministerium offenbar nicht aus. Für<br />

dieses Jahr hat es seine Prognosen für die Getreideernte<br />

auf 80 bis 85 Millionen Tonnen gesenkt – zehn bis 15<br />

Millionen Tonnen weniger als 2011.<br />

Denkmäler für Minin und Poscharski, den Anführern des<br />

Volksaufstandes 1611 gegen die polnische Invasion, finden sich<br />

wie hier in Nischni Nowgorod in vielen Städten Russlands<br />

Unbegrenzte<br />

Möglichkeiten<br />

Für einen Industrieversicherer wie <strong>Allianz</strong> Global<br />

Corporate & Specialty (AGCS) ist Russland so etwas wie<br />

das <strong>Land</strong> <strong>der</strong> unbegrenzten Möglichkeiten. Theoretisch<br />

zumindest. In <strong>der</strong> Praxis tun sich bislang allerdings doch<br />

etliche Hürden auf. Eine davon ist <strong>der</strong> weiterhin beträchtliche<br />

staatliche Einfluss und die Abschottung verschiedener<br />

Wirtschaftsbereiche gegen ausländische Anbieter.<br />

Zudem decken viele Großkonzerne ihre Risiken intern<br />

über so genannte Captives, was dem Versicherungsmarkt<br />

einen Großteil des Geschäfts entzieht. An<strong>der</strong>e, wie<br />

Gazprom, mischen selbst im Versicherungsmarkt mit.<br />

Ein weiteres Handicap ist die generell geringe Neigung<br />

<strong>der</strong> Russen, sich gegen mögliche Gefahren abzusichern.<br />

Das gilt nicht nur für den kleinen Mann auf <strong>der</strong> Straße.<br />

Auch viele Firmen sind entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> notorisch<br />

unterversichert, sagt Willy Schaugg, <strong>Land</strong>esmanager<br />

<strong>der</strong> AGCS für Russland, die bisher als <strong>Allianz</strong> Russia auftrat<br />

und seit April unter dem Dach <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Russland<br />

angesiedelt ist.<br />

Trotz <strong>der</strong> schwierigen Ausgangslage ist es <strong>der</strong> russischen<br />

Industrieversicherungssparte <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> zwischen 2006<br />

und 2011 gelungen, den Umsatz von 38 Millionen Dollar<br />

auf 100 Millionen Dollar zu steigern. Und das keineswegs<br />

nur durch die Kooperation mit Auslandsunternehmen,<br />

die von ihr in Russland betreut werden wie Toyota o<strong>der</strong><br />

VW o<strong>der</strong> Siemens. Mittlerweile ist AGCS auch in <strong>der</strong><br />

russischen Wirtschaft eine gefragte Adresse. Von <strong>der</strong><br />

engeren Anbindung <strong>der</strong> Industriesparte an die <strong>Allianz</strong><br />

Russland verspricht sich <strong>der</strong>en Chef Hakan Danielsson<br />

für die Zukunft noch größere Durchschlagskraft.<br />

»Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das in Wladiwostok<br />

eine Produktionsstätte errichten will«, entwickelt <strong>der</strong><br />

Schwede ein mögliches Szenario. »Einer unserer lokalen<br />

Repräsentanten steht als direkter Kontakt vor Ort zur Verfügung,<br />

und am nächsten Tag fliegt ein <strong>Allianz</strong> Experte<br />

aus den USA ein, um die für diesen Betrieb spezifischen<br />

Risiken zu analysieren.« Das sei ein wirklich starkes Signal<br />

in den Markt, so Danielsson. Kein an<strong>der</strong>es Unternehmen<br />

könne mit einer solchen Kombination aus lokaler Präsenz<br />

und globalem Know-how aufwarten.<br />

Trotz <strong>der</strong> noch vorhandenen Hürden: Werner Lellinger,<br />

bis April Geschäftsführer <strong>der</strong> Industriesparte <strong>Allianz</strong><br />

Russia, sieht deutliche Fortschritte. »Der Markt öffnet<br />

sich immer mehr. Nicht zuletzt, weil auch für russische<br />

Unternehmen die finanzielle Stabilität ihrer Versicherung<br />

zunehmend zum Thema wird«, beschreibt er die Lage.<br />

»Sie schätzen das hohe Rating <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong>.« Mit rund<br />

60 <strong>der</strong> 150 größten, an <strong>der</strong> russischen Börse notierten<br />

Unternehmen hat die <strong>Allianz</strong> inzwischen Versicherungsverträge<br />

abgeschlossen, darunter Sovcomflot, eines <strong>der</strong><br />

weltweit größten Tankerunternehmen, o<strong>der</strong> mit den<br />

Energiegiganten Gazprom, Lukoil und Rosneft.<br />

Einen Schub erwarten sich Schaugg und Lellinger auch von<br />

den sportlichen Großereignissen, die in den kommenden<br />

Jahren in Russland anstehen: die Weltsommerspiele <strong>der</strong><br />

Studenten 2013, die Olympischen Winterspiele 2014, die<br />

Eishockey-WM 2016 und die Fußball-Weltmeisterschaft<br />

2018. Allein für die Fußball-WM beziffert das russische<br />

Sportministerium den Investitionsbedarf auf knapp<br />

16 Milliarden Euro. Die <strong>Allianz</strong> ist unter an<strong>der</strong>em an <strong>der</strong><br />

Rückversicherung für den Bau des Zenit-Stadions in<br />

Die <strong>Allianz</strong> ist an <strong>der</strong> Versicherung des neuen<br />

Zenit-Stadions in St. Petersburg (Bild links) und<br />

des Olympischen Dorfs in Sotschi beteiligt<br />

Russland will in den nächsten Jahren Milliarden in den Ausbau des Streckennetzes<br />

und den Kauf mo<strong>der</strong>ner Züge stecken. Der Sapsan von Siemens verkehrt bislang nur<br />

auf den Strecken Moskau – St. Petersburg und Moskau – Nischni Nowgorod<br />

St. Petersburg beteiligt, und auch einige Projekte für die<br />

Winterspiele in Sotschi, wie die Eishockeyarena und das<br />

Olympische Dorf, stehen auf ihrer Liste.<br />

Doch die Perspektiven gehen über die mit solchen<br />

Großveranstaltungen verbundenen Investitionen hinaus.<br />

In den kommenden Jahren wird Russland enorme<br />

Summen in seine marode Infrastruktur stecken müssen,<br />

will es im Wettbewerb mit an<strong>der</strong>en Staaten nicht<br />

zurückfallen. Allein für Ausbau und Erneuerung des<br />

Schienennetzes und die Anschaffung neuer Züge will<br />

die Regierung bis 2030 rund 380 Milliarden Euro aufbringen<br />

– ein Konjunkturprogramm, von dem auch die<br />

Versicherungswirtschaft profitieren dürfte.<br />

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RUSSLAND<br />

SPEZIAL<br />

dpa / picture-alliance<br />

Stern<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Väterchen Frost<br />

im Tank<br />

Russische Winter haben es in sich. »Bei minus 40 Grad gefriert auch <strong>der</strong><br />

beste Diesel«, sagt Nicholas Hall, Chef von Mondial Assistance in Moskau.<br />

Für eine Firma, die sich auf Pannen spezialisiert hat, ist das wie Werbung.<br />

»<strong>Im</strong> Winter«, sagt Hall, »brummt das Geschäft.«<br />

Dieses Video, in dem ein BBC-Reporter irgendwo in<br />

Sibirien den Kaffee aus seiner Tasse in die Luft schüttet<br />

und das eben noch kochend heiße Getränk wie Schnee<br />

zur Erde rieselt – plastischer kann man nach Ansicht von<br />

Nicholas Hall nicht darstellen, was Winter in Russland<br />

bedeutet. »Bei den extremen Temperaturen haben<br />

manchmal sogar unsere Techniker Probleme, bis zu<br />

einem liegen gebliebenen Fahrzeug vorzudringen«,<br />

berichtet <strong>der</strong> Brite. Von <strong>der</strong> Vor-Ort-Reparatur ganz zu<br />

schweigen. »Wer bei dieser Kälte die Handschuhe auszieht,<br />

dem frieren die Finger ab«, sagt Hall. In so einem<br />

Fall bleibt nur eine Option: Auto an den Haken und ab<br />

in die Werkstatt.<br />

2011 gingen in <strong>der</strong> Telefonzentrale von Mondial Assistance<br />

in Moskau 45 000 Pannennotrufe ein. Vor allem<br />

im Winter, wenn Väterchen Frost so richtig die Muskeln<br />

spielen lässt, laufen die Drähte heiß. Dann wird die Mitarbeiterzahl<br />

von den üblichen 75 auf mehr als 100 aufgestockt.<br />

Viele internationale Automarken wie BMW,<br />

Mitsubishi, Volvo, Peugeot und Lamborghini setzen auf<br />

den Service <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Tochter, die 2008 in Russland<br />

an den Start gegangen ist. <strong>Im</strong> letztem Jahr hat sie ihren<br />

Aktionsradius auch auf die Ukraine, nach Kasachstan<br />

und Weißrussland ausgedehnt.<br />

Aktuell sind etwa 550 000 Fahrzeuge in Russland über<br />

Mondial Assistance gegen frostgeschockte Autobatterien<br />

und an<strong>der</strong>e Unbilden abgesichert, die einen auf Russlands<br />

Straßen ereilen können. Kein an<strong>der</strong>er Anbieter deckt<br />

mehr Fahrzeuge ab. Gegenwärtig macht die Pannenhilfe<br />

noch den größten Teil des Mondial-Umsatzes aus, <strong>der</strong> im<br />

vergangenen Jahr 5,5 Millionen Euro erreichte – 75 Prozent<br />

mehr als ein Jahr zuvor. In diesem Jahr könnten es um<br />

die acht Millionen Euro werden, und wenn es weitergeht<br />

wie geplant, sagt Hall, könnten es in drei, vier Jahren<br />

schon 15 bis 17 Millionen Euro sein.<br />

Nicholas Hall<br />

Den Markt dominieren russische Anbieter, die nicht selten<br />

mit Dumpingpreisen Newcomer auf Abstand halten. Allerdings<br />

beginnt sich im Markt immer mehr die Erkenntnis<br />

durchzusetzen, dass Qualität nicht für Dumpingpreise zu<br />

haben ist. »Wir positionieren uns bewusst als Unternehmen,<br />

das zwar nicht zu den billigsten zählt, dafür aber<br />

exzellenten Service bietet«, sagt Hall. »Und das zahlt<br />

sich aus.«<br />

<strong>Im</strong> Bereich Pannenhilfe arbeitet Mondial Assistance<br />

Russland, die ab Oktober als <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

firmieren wird, <strong>der</strong>zeit landesweit mit Serviceunternehmen<br />

in 110 größeren Städten zusammen. Deren<br />

Reichweite beschränkt sich allerdings auf einen überschaubaren<br />

Radius und deckt nicht jeden Winkel des<br />

Riesenreiches ab. Wer also irgendwo in <strong>der</strong> Wildnis<br />

in Kamtschatka liegenbleibt, für den könnte die Rückführung<br />

seines Fahrzeugs richtig teuer werden.<br />

Wie groß Russland ist, davon hat sich Hall bei Reisen<br />

nach St. Petersburg und Irkutsk, nach Nowosibirsk und<br />

Samara selbst einen Eindruck verschaffen können.<br />

»Es sind völlig an<strong>der</strong>e Dimensionen, als wir sie gewohnt<br />

sind«, sagt <strong>der</strong> 55-Jährige, dessen Familie in Großbritannien<br />

lebt. Auch mit seinem aktuellen Arbeitsplatz<br />

Moskau hat er sich mittlerweile angefreundet. »Ich fühle<br />

mich hier sicherer als in London«, sagt er. »In London<br />

haben sie überall Kameras installiert. Die sind nützlich,<br />

aber im Ernstfall ist man tot, bevor jemand zu Hilfe<br />

kommt. Hier in Moskau sind einfach mehr Polizisten<br />

auf <strong>der</strong> Straße.«<br />

Dass das Gefühl von Sicherheit trügerisch sein kann, zeigte<br />

sich einmal mehr im Januar 2011, als Terroristen auf dem<br />

Moskauer Flughafen Domodejevo einen Bombenanschlag<br />

verübten, bei dem 36 Menschen getötet wurden. Querbeet:<br />

Russen, Kirgisen, Tadschiken, Usbeken, Deutsche,<br />

Englän<strong>der</strong>, Österreicher. Über 150 Menschen wurden verletzt.<br />

Zwei von Halls Kollegen befanden sich zum Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Explosion in unmittelbarer Nähe. Doch sie hatten<br />

Glück – beide blieben unverletzt.<br />

44<br />

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Deutschland<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

... Eltern sein<br />

Jedes Jahr verunglücken in Deutschland<br />

Shutterstock<br />

Wenn es darum geht, ihre Kin<strong>der</strong> vor den Fährnissen des Lebens zu schützen,<br />

lassen sich die Deutschen von kaum einem Volk übertreffen. Fahrradhelm,<br />

Steckdosensicherung, Schutzimpfung – nichts wird dem Zufall überlassen.<br />

Auf den Ernstfall sind sie trotzdem nur unzureichend vorbereitet.<br />

FRANK STERN<br />

dagegen sehr<br />

Welche Befürchtungen haben Eltern mit kleinen Kin<strong>der</strong>n<br />

und wie sichern sie sich ab? Dieser Frage sind die <strong>Allianz</strong><br />

Deutschland und die Zeitschrift ELTERN Anfang dieses<br />

Jahres in einer repräsentativen Untersuchung nachgegangen.<br />

Befragt wurden 1000 Frauen und Männer in<br />

Deutschland, <strong>der</strong>en erstes Kind unter vier Jahre alt war.<br />

Das Ergebnis: Fast drei Viertel <strong>der</strong> Teilnehmer fühlen sich<br />

gut abgesichert, doch eine Risikolebensversicherung, die<br />

die Angehörigen für den Fall des Todes absichert, hatte<br />

von ihnen lediglich ein gutes Drittel (35 Prozent). Bei <strong>der</strong><br />

Berufsunfähigkeitsversicherung waren es 28 Prozent.<br />

Nicht besser sieht es bei <strong>der</strong> Versicherung für den Nachwuchs<br />

aus. Nicht einmal je<strong>der</strong> Zweite schließt für sein<br />

Kind überhaupt eine Police ab. Nur 31 Prozent <strong>der</strong> Eltern<br />

haben eine Kin<strong>der</strong>unfallversicherung, gerade mal zwölf<br />

Prozent eine Kin<strong>der</strong>invaliditätsversicherung. Zu wenig<br />

Geld ist meist nicht <strong>der</strong> Grund. »Vielmehr verdrängen<br />

Eltern oft den Gedanken, gerade ihr Kind könnte an Krebs<br />

o<strong>der</strong> Epilepsie erkranken«, sagt <strong>Allianz</strong> Deutschland-<br />

Vorstand Severin Moser. »Für den Ernstfall sind sie<br />

schlecht vorbereitet.«<br />

Wie eine Parallelumfrage <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Suisse zeigte, sind<br />

Schweizer Eltern in dieser Beziehung besser gerüstet.<br />

Sie blicken nicht nur optimistischer in die Zukunft als<br />

die Deutschen, sie sichern ihre Kin<strong>der</strong> auch besser ab.<br />

82 Prozent <strong>der</strong> Befragten gaben an, dass sie sich schon<br />

vor <strong>der</strong> Geburt ihres Kindes über den optimalen Versicherungsschutz<br />

informiert hätten, bei den Nachbarn<br />

im Norden waren es nur 62 Prozent.<br />

Mit Informieren allein lassen es die Eidgenossen nicht<br />

bewenden: Fast je<strong>der</strong> Zweite hat eine Kin<strong>der</strong>unfallversicherung<br />

abgeschlossen, je<strong>der</strong> fünfte eine Kin<strong>der</strong>invaliditätsversicherung.<br />

Auch insgesamt wenden die<br />

Schweizer mehr für ihre Sicherheit und die ihrer Familie<br />

auf. Während die Deutschen monatlich im Schnitt<br />

113 Euro für Versicherungen ausgeben, sind es rund<br />

ums Matterhorn fast 280 Euro.<br />

rund 1,67 Millionen Kin<strong>der</strong>, mehr als<br />

537 000 von ihnen im Heim- und<br />

Freizeitbereich. Damit gehören Unfälle zu den<br />

größten Gesundheitsrisiken für Kin<strong>der</strong>.<br />

(Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kin<strong>der</strong>)<br />

Bei <strong>der</strong> Angst vor Arbeitslosigkeit, Armut und sozialem<br />

Abstieg, auch das hat die Studie ergeben, liegen dann<br />

wie<strong>der</strong> die Deutschen vorn, genau wie bei <strong>der</strong> alltäglichen<br />

Sorge um den Nachwuchs. Sie mahnen öfter, nicht mit<br />

Fremden mitzugehen, sie verplomben Steckdosen und<br />

Schubladen, sperren Treppen mit Schutzgittern vor kindlichem<br />

Zutritt und lassen die Kleinen auf dem Spielplatz<br />

keine Minute aus den Augen. Die Schweizer sind da<br />

etwas lockerer. Zwar führt auch bei ihnen die Furcht vor<br />

dem Tod des eigenen Kindes o<strong>der</strong> vor einem schweren<br />

Unfall die Hitliste <strong>der</strong> Ängste an, doch sind sie bei ihnen<br />

weniger ausgeprägt. Nur die Befürchtung, dass ihr Kind<br />

gemobbt werden könnte, ist in <strong>der</strong> Alpenrepublik größer<br />

als in Deutschland.<br />

Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel<br />

Fürsorge kann die Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n auch hemmen.<br />

Sagt jedenfalls Kin<strong>der</strong>psychiater Professor Michael<br />

Schulte-Markwort, den das Magazin ELTERN zum Thema<br />

»Wie viel Sicherheit braucht mein Kind?« befragt hat. »Ich<br />

muss einem Kind auch negative Erfahrungen zugestehen«,<br />

meint <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie<br />

am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ob nun das<br />

Dreijährige mal von <strong>der</strong> Schaukel fällt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zehnjährige<br />

sich in einem unbekannten Stadtteil verirrt, an solchen<br />

Erfahrungen wachse ein Kind, sagt <strong>der</strong> Mediziner.<br />

Wenn man es denn lässt: Schon heute ist zu beobachten,<br />

dass Kin<strong>der</strong> und Jugendliche motorisch deutlich weniger<br />

geschickt sind als vor 30 Jahren. Laut Schulte-Markwort<br />

eine Folge <strong>der</strong> Überfürsorge.<br />

WWW.KINDERSICHERHEIT.DE<br />

»Den Beschützerinstinkt in allen Ehren, doch zuviel Fürsorge<br />

kann die Entwicklung von Kin<strong>der</strong>n auch hemmen.«<br />

Prof. Michael Schulte-Markwort<br />

46<br />

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DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Manche setzen klotzige Glaspaläste in die Welt,<br />

um Größe und Anspruch zu symbolisieren. Die <strong>Allianz</strong><br />

versenkt ihr neues Konferenzzentrum im Keller.<br />

alle Abbildungen: WKP / Dan Pearlman<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

FRANK STERN<br />

Begegnungen<br />

im Untergrund<br />

Die <strong>Allianz</strong> ist einer <strong>der</strong> größten Finanzdienstleister <strong>der</strong><br />

Welt, doch einen angemessenen Versammlungsort an<br />

ihrem Stammplatz München konnte sie bislang nicht<br />

vorweisen. Seit letztem Mai entsteht nun direkt am<br />

Englischen Garten im Herzen <strong>der</strong> bayerischen <strong>Land</strong>eshauptstadt<br />

ein Bau, <strong>der</strong> für Abhilfe sorgen soll – und<br />

das weitgehend unter Tage.<br />

Am äußeren Erscheinungsbild <strong>der</strong> unter Denkmalschutz<br />

stehenden Konzernzentrale, die 1954 im Beisein<br />

von Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnet wurde,<br />

wird sich also kaum etwas än<strong>der</strong>n. Doch unterhalb <strong>der</strong><br />

Grasnarbe errichten Bautrupps <strong>der</strong>zeit nach den Plänen<br />

des Münchner Architekturbüros Weickenmeier, Kunz +<br />

Partner und <strong>der</strong> Berliner Markenarchitekturagentur dan<br />

pearlman einen hochmo<strong>der</strong>nen Konferenzsaal, <strong>der</strong> für<br />

bis zu 300 Plätze ausgelegt ist. Die Eröffnung des <strong>Allianz</strong><br />

Auditoriums ist für Herbst nächsten Jahres geplant.<br />

Der Bau – die Kosten liegen im unteren zweistelligen<br />

Millionenbereich – soll Offenheit und Leichtigkeit ausstrahlen<br />

und den kreativen Gedankenaustausch sowohl<br />

innerhalb <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gemeinschaft als auch darüber<br />

hinaus anregen. Für ein Gebäude im Kellergeschoss<br />

klingt das reichlich ambitioniert. Und doch, Konzept<br />

und Design des Konferenzzentrums wirken originell<br />

und großzügig, nichts daran schwer o<strong>der</strong> bedrückend.<br />

So wenig wie <strong>der</strong> Außenauftritt hat das Innendesign<br />

etwas Prunkvolles an sich. Zeitlos soll es sein, qualitätsvoll<br />

und technisch auf dem neuesten Stand, doch we<strong>der</strong><br />

verschwen<strong>der</strong>isch noch übertrieben edel.<br />

Besuchern Raum zur Begegnung bieten und eine möglichst<br />

flexible Nutzung ermöglichen – vom Stehempfang<br />

bis hin zum informellen Austausch von Arbeitsgruppen.<br />

Auf <strong>der</strong> Rückseite entsteht eine Terrasse, die sich zum<br />

Englischen Garten hin öffnet.<br />

Während im ersten Stock des Gebäudes verschiedene<br />

Besprechungszimmer vorgesehen sind, wird das<br />

Auditorium selbst künftig die Möglichkeit bieten, auch<br />

größere Veranstaltungen wie etwa das jährliche Treffen<br />

des internationalen Top-Managements, das <strong>Allianz</strong><br />

International (AZI), abzuhalten. Als Halbzylin<strong>der</strong> mit<br />

Hubpodien konzipiert, lässt sich <strong>der</strong> Saal in eine Art<br />

Amphitheater verwandeln. Mobile Trennwände erlauben<br />

darüber hinaus die Anpassung <strong>der</strong> Raumgröße an die jeweilige<br />

Teilnehmerzahl. Zudem wird er mit mo<strong>der</strong>nster<br />

Digitaltechnik ausgestattet, über die per Videokonferenz<br />

und Live-Übertragung die Verbindung zur <strong>Allianz</strong> Welt<br />

hergestellt werden kann.<br />

Das neue Konferenzzentrum, das barrierefrei und behin<strong>der</strong>tengerecht<br />

gestaltet wird, ist als Ort <strong>der</strong> Gemeinschaftsbildung<br />

und Inspiration angelegt, an dem auch<br />

die Öffentlichkeit teilhaben soll. Die Ausstattung erlaubt<br />

die flexible Anpassung an verschiedene Anfor<strong>der</strong>ungen –<br />

von <strong>der</strong> Aufsichtsratssitzung mit 30 Plätzen bis zur Großkonferenz,<br />

vom Analystenmeeting über Pressekonferenzen<br />

und Podiumsdiskussionen bis hin zu Karrieretagen,<br />

Kunstausstellungen o<strong>der</strong> Public Viewing-Veranstaltungen<br />

wie etwa die Übertragung <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Sports.<br />

<strong>Im</strong> Herbst 2013 geht die <strong>Allianz</strong> in den Untergrund.<br />

Nach außen hin – die Auflagen von Denkmal- und<br />

<strong>Land</strong>schaftsschutz hatten Verän<strong>der</strong>ungen an Gebäudeensemble<br />

und angrenzendem Park ausgeschlossen –<br />

bleibt wie gesagt alles beim Alten. Doch <strong>der</strong> C-Bau, ein<br />

etwas nach hinten versetzter Seitenflügel, in dem in den<br />

50er Jahren die Lochkartenabteilung und später das Pressereferat<br />

des Konzerns untergebracht waren, erhält eine<br />

völlig neue Funktion und wird künftig als Foyer und Zugang<br />

zum Auditorium dienen. Zudem soll er Mitarbeitern und<br />

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Europa<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Große Rä<strong>der</strong>, kleiner<br />

Markt<br />

Titan Italia<br />

Titan Italia ist europäischer Marktführer für die Herstellung von<br />

Rä<strong>der</strong>n für <strong>Land</strong>maschinen, Traktoren, Mähdrescher und Bewässerungsanlagen.<br />

An seinen Produktionsstandorten Crespellano<br />

(Bologna), Finale Emilia (Modena) and Jesi (Ancona) beschäftigt<br />

das Unternehmen über 500 Mitarbeiter. Titan Italia ist eine Tochtergesellschaft<br />

von Titan Europe, die für die Entwicklung von Rä<strong>der</strong>n<br />

und Fahrwerkkomponenten für geländegängige Raupen- und<br />

Radfahrzeuge bekannt ist. Die Gruppe ist in aller Welt vertreten,<br />

mit Standorten in Großbritannien, Italien, Frankreich, Deutschland,<br />

Spanien, <strong>der</strong> Türkei, Südafrika, den USA, Brasilien, Chile,<br />

Peru, Australien, Indonesien, China und Japan.<br />

links: dpa / picture-alliance | rechts: Ciulla<br />

WWW.TITANEUROPE.COM<br />

Die norditalienische Fabrik von Titan Italia SpA<br />

in Finale Emilia war im Mai durch zwei Erdbeben stark<br />

beschädigt worden<br />

Erdbeben in Italien<br />

Bei zwei Erdbeben in <strong>der</strong> norditalienischen<br />

Emilia Romagna sind im Mai 26 Menschen<br />

ums Leben gekommen, 400 Personen<br />

wurden verletzt, 15 000 obdachlos. Viele<br />

historische Gebäude und Kirchen fielen in<br />

Trümmer, einige kleinere Städte wurden<br />

von ihren Bewohnern aufgegeben. Die vom<br />

Beben betroffene Region ist hoch industrialisiert,<br />

viele biomedizinische Unternehmen<br />

haben in <strong>der</strong> Emilia Romagna ihren Sitz, wo<br />

zahlreiche Lagerhallen und Produktionsstätten<br />

einstürzten o<strong>der</strong> stark beschädigt<br />

wurden. Viele Opfer starben an ihrem<br />

Arbeitsplatz, was Fragen nach <strong>der</strong> Sicherheit<br />

<strong>der</strong> zum Teil neuen Industrieanlagen<br />

ausgelöst hat.<br />

Die <strong>Allianz</strong> Italien hatte keine Opfer unter<br />

Mitarbeitern und Vertretern zu beklagen,<br />

doch wurden vier Agenturen im Erdbebengebiet<br />

schwer in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Damit die Vertreter ihre Arbeit wie<strong>der</strong><br />

aufnehmen und Kunden vor Ort zur Seite<br />

stehen konnten, stellte ihnen die <strong>Allianz</strong><br />

Wohnmobile als provisorische Ausweichbüros<br />

zur Verfügung. Zudem wurde für<br />

Versicherungsnehmer die Zahlungsfrist für<br />

ausstehende Auto- und Sachversicherungsbeiträge<br />

in <strong>der</strong> betroffenen Region verlängert.<br />

Daneben organisierten die Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Italien eine Spendensammlung<br />

für die Opfer, bei <strong>der</strong> über 66 000 Euro<br />

zusammenkamen.<br />

Die Summe wurde von <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Italien<br />

verdoppelt und an das italienische Rote<br />

Kreuz übergeben. Darüber hinaus initiierte<br />

Gian Marco Diani vom <strong>Allianz</strong> Investment<br />

Management in Mailand eine Hilfsaktion<br />

für Produktionsbetriebe des berühmten<br />

Parmesankäses. Viele Käserä<strong>der</strong> waren bei<br />

dem Naturereignis so beschädigt worden,<br />

dass sie nicht mehr als Ganzes vermarktet<br />

werden konnten. Diani holte knapp 300 Kilogramm<br />

Käse aus Piacenza und verkaufte ihn<br />

stückweise an Kollegen. Selbst im Ausland<br />

fanden sich Abnehmer.<br />

WWW.ALLIANZ.IT<br />

dpa / picture-alliance<br />

<strong>Im</strong> Mai dieses Jahres erschütterten zwei heftige Erdbeben die<br />

Region Emilia Romagna in Norditalien. Auch eine Fabrik von Titan<br />

Italia, Marktführer bei Traktorrä<strong>der</strong>n, wurde getroffen, wochenlang<br />

stand die Produktion still. Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer<br />

bei <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty, war vor Ort.<br />

HEIDI POLKE<br />

Ein, zwei, drei Felgen, jede mit knapp einem Meter<br />

Durchmesser, liegen am Boden. Eine magere Ausbeute,<br />

normalerweise laufen hier täglich knapp 2000 Stück<br />

vom Band. Doch Produktionsleiter Massimo Columbini<br />

ist ausgesprochen zufrieden. Die drei Felgen, die probe-<br />

weise gefertigt wurden, haben die Qualitätsprüfung<br />

bestanden. Offenbar sind die beiden exakt justierten<br />

Produktionsroboter bei den Beben nicht beschädigt<br />

worden. Ein gutes Zeichen, denn in Kürze soll die<br />

Fertigung wie<strong>der</strong> anlaufen.<br />

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EUROPA<br />

beide Fotos: dpa / picture-alliance<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Mitten ins Herz<br />

Der gesamte Nordosten des Mittelmeerraums von Italien<br />

bis zur Türkei ist von Erdbeben bedroht – hier treffen die<br />

afrikanische und die eurasische Erdplatte aufeinan<strong>der</strong><br />

Verona<br />

Padua<br />

Venedig<br />

Die Produkte <strong>der</strong> Emilia Romagna gelten als Inbegriff von »italianitá« und sind<br />

Exportschlager des <strong>Land</strong>es: In <strong>der</strong> fruchtbaren Tiefebene nördlich des Apennin<br />

werden Parmesan und Grana Padano ebenso hergestellt wie Parma-Schinken,<br />

Aceto balsamico und Lambrusco-Wein. Nach einer Schätzung des <strong>Land</strong>wirtschaftsverbandes<br />

Coldirette beläuft sich <strong>der</strong> durch die Beben entstandene Schaden auf<br />

500 Millionen Euro. Rund 300 000 Laibe Parmesankäse wurden zerstört, ein Zehntel<br />

<strong>der</strong> Jahresproduktion. Die turmhohen Regale, auf denen die bis zu 40 Kilo schweren<br />

Käserä<strong>der</strong> reifen, waren umgestürzt. Auch zahlreiche Essigfabriken wurden beschädigt,<br />

viele Fässer mit teilweise mehrere Jahre altem Aceto balsamico liefen aus.<br />

Neben <strong>der</strong> <strong>Land</strong>wirtschaft wurde auch die Industrie getroffen. In <strong>der</strong> Po-Ebene sind<br />

viele Automobilhersteller und -zulieferer angesiedelt – nicht umsonst trägt die Region<br />

auch den Beinamen <strong>Land</strong> <strong>der</strong> Motoren. Fabriken und Warenhäuser wurden beson<strong>der</strong>s<br />

stark in Mitleidenschaft gezogen, da eine erdbebensichere Bauweise in <strong>der</strong><br />

Region erst seit 2003 vorgeschrieben ist. Dagegen hielten private Wohnhäuser den<br />

Erschütterungen besser stand. Die versicherten Schäden schätzt die Branchenorganisation<br />

<strong>der</strong> italienischen Versicherer ANIA auf 700 bis 800 Millionen Euro.<br />

Parma<br />

Finale Emilia<br />

ADRIA<br />

Modena<br />

ITALIEN<br />

Bologna<br />

Ravenna<br />

40 km<br />

Fast sechs Wochen lang standen die Maschinen im Werk<br />

von Titan Italia in Finale Emilia still. Dort fertigt Europas<br />

führen<strong>der</strong> Zulieferer von Rä<strong>der</strong>n für Traktoren und landwirtschaftliche<br />

Nutzfahrzeuge. Das Epizentrum <strong>der</strong> beiden<br />

Erdbeben, die im Mai mit Stärken von 6,0 und 5,9 auf<br />

<strong>der</strong> Richterskala die Provinz Emilia Romagna erschüttert<br />

hatten, lag nicht weit von Finale Emilia entfernt.<br />

Nach dem zweiten Beben am 29. Mai untersagten<br />

die Behörden aus Sicherheitsgründen den Zutritt zur<br />

Fabrik. Teile des Dachs waren herabgestürzt, viele<br />

Stützsäulen beschädigt. Das Risiko für die 250 Arbeiter<br />

wäre zu hoch gewesen. Keiner <strong>der</strong> Beschäftigten war<br />

bei den Beben verletzt worden, doch die Belastung vor<br />

allem in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Nachbeben – bis zu 60 am Tag –<br />

war groß: Viele schliefen in ihren Autos o<strong>der</strong> in Zelten,<br />

weil sie sich nicht mehr in ihre Häuser trauten o<strong>der</strong><br />

diese zerstört waren.<br />

Quelle: USGS<br />

Die Erdbeben in <strong>der</strong> Emilia Romagna kamen für Seismologen<br />

nicht überraschend – die Erde in Italien wackelt immer<br />

mal wie<strong>der</strong>. Allerdings galt die Gegend um Modena<br />

als weniger gefährdet. »Wir waren natürlich geschockt«,<br />

sagt Maria Cecilia la Manna, Geschäftsführerin von Titan<br />

Italia. »Aber wir sind sofort aktiv geworden und haben<br />

alles getan, damit wir so schnell wie möglich wie<strong>der</strong><br />

produzieren können.«<br />

Bereits Anfang Juli war das Werk wie<strong>der</strong> so sicher, dass<br />

sich Joachim Hufenreuter, Schadenregulierer bei <strong>Allianz</strong><br />

Global Corporate & Specialty, einen Eindruck von <strong>der</strong><br />

Lage verschaffen konnte. Hufenreuter begutachtet<br />

weltweit industrielle Großschäden und ist häufig mit<br />

den Folgen von Naturkatastrophen konfrontiert. Er weiß:<br />

»Nach einem Erdbeben geht es zunächst immer um<br />

die provisorische Stabilisierung <strong>der</strong> Gebäude, erst dann<br />

können die eigentlichen Reparaturen beginnen.«<br />

Der Sachschaden für die Reparatur <strong>der</strong> Produktionshalle<br />

und <strong>der</strong> Maschinen beläuft sich auf einen zweistelligen<br />

Millionenbetrag. Größere Sorgen bereitet dem Titan-<br />

Management indes <strong>der</strong> Betriebsausfall. Das Werk in<br />

Finale Emilia ist das Herzstück des Produktionsverbunds<br />

aus drei Werken: Es ist alleiniger Produzent <strong>der</strong> Felgen,<br />

die an den Nachbarstandorten in Crespellano und<br />

Jesi mit Innenscheiben verschweißt und dann bereift<br />

werden. »Große Rä<strong>der</strong> sind ein kleiner Markt. Unsere<br />

Wettbewerber lauern schon«, erklärt Gary Chesteron,<br />

Finanzchef von Titan Europe. »Daher tun wir alles, um<br />

unsere Kunden weiterhin beliefern zu können, koste<br />

es was es wolle.«<br />

Eine Arbeitsgruppe entwickelte eine Reihe von Maßnahmen,<br />

um den Produktionsstopp zu begrenzen.<br />

Teile <strong>der</strong> Felgenproduktion – und mit ihr auch <strong>der</strong><br />

Belegschaft – wurden an die beiden an<strong>der</strong>en Standorte<br />

verlagert, wo in drei Schichten rund um die<br />

Uhr gearbeitet wurde. Zudem lieferten die Titan-<br />

Nie<strong>der</strong>lassungen in <strong>der</strong> Türkei und Frankreich Felgen<br />

zu. Die üblichen Betriebsferien im August wurden<br />

gestrichen. Doch damit ließ sich die Lücke noch nicht<br />

ganz schließen – einen Teil <strong>der</strong> Felgen musste Titan<br />

von an<strong>der</strong>en Produzenten hinzukaufen.<br />

»Nicht alle Unternehmen werden nach einem<br />

Schaden selbst so schnell und professionell aktiv«,<br />

meint Hufenreuter. Dabei lasse sich oft nur ein Teil des<br />

Ausfallschadens – beispielsweise durch entgangenen<br />

Umsatz, höheren Mehraufwand für Ersatzbeschaffungen<br />

o<strong>der</strong> Kundenverlust – über Versicherungen decken,<br />

sagt er. Ganz abgesehen davon, dass einmal verlorene<br />

Marktanteile ein Unternehmen langfristig schwächen<br />

können. Hufenreuther: »Eine aktive Schadenbegrenzung<br />

dient also beiden Seiten – dem Versicherer wie dem<br />

Unternehmen.«<br />

WWW.AGCS.ALLIANZ.COM<br />

52<br />

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<br />

<br />

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53


EUROPA<br />

alle Fotos: <strong>Allianz</strong> UK<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Team <strong>Allianz</strong><br />

Die Olympischen Spiele in London waren ein Riesenerfolg. Milliarden<br />

Menschen auf <strong>der</strong> ganzen Welt verfolgten gebannt die Wettbewerbe.<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> UK gab es doppelt Grund, mitzufiebern. Sie hatte mit<br />

dem Team <strong>Allianz</strong> eine eigene Mannschaft am Start.<br />

DAVID KEEL<br />

Aaron Cook, Nummer 1 <strong>der</strong> Weltrangliste im Taekwondo, war einer <strong>der</strong> Top-Sportler im Team <strong>Allianz</strong><br />

Andy Turner, Europameister über 110 Meter Hürden, schaffte es bei Olympia bis ins Halbfinale<br />

Zum Kern des Team <strong>Allianz</strong> gehörten elf olympische<br />

und paralympische Leichtathletik-, Schwimm-, Rad-, Reit-,<br />

Ru<strong>der</strong>-, Triathlon- und Taekwondosportler. Angeführt<br />

wurde das Team von den beiden Olympiamedaillengewinnern<br />

und Fernsehmo<strong>der</strong>atoren Steve Cram und<br />

Sharron Davies sowie von Rebecca Romero, <strong>der</strong> einzigen<br />

britischen Sportlerin, die jemals Olympiamedaillen in<br />

zwei unterschiedlichen Sportarten gewinnen konnte.<br />

Die Sportler wurden aber nicht nur aufgrund ihrer sportlichen<br />

Leistungen für das <strong>Allianz</strong> Team ausgewählt.<br />

Über einen Zeitraum von zwei Jahren hatten Mitarbeiter<br />

und Geschäftspartner <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Gelegenheit, die Vorbereitungen<br />

<strong>der</strong> Sportler auf die Olympischen Spiele<br />

2012 in London vom Training bis hin zur Qualifizierung<br />

mitverfolgen. Zunächst wurden die Mitglie<strong>der</strong> des Team<br />

<strong>Allianz</strong> durch eine Reihe von Videos, im Intranet sowie<br />

auf einer eigenen Maklerwebseite vorgestellt. <strong>Allianz</strong><br />

Mitarbeiter interviewten die Sportler und gaben Einblicke<br />

in das Training und die Motivation. Die Videos<br />

waren so gut, dass sie es sogar in die Endauswahl des<br />

Wettbewerbs Cannes Lions 2011 für kreative Kommunikation<br />

schafften.<br />

Gleichzeitig ging ein Olympia-Bus auf Tournee durch<br />

Großbritannien. An über 20 <strong>Allianz</strong> Standorten wurde<br />

den Besuchern einiges an Unterhaltung geboten. Sie<br />

konnten an einem Handrad Kraft und Ausdauer unter<br />

Beweis stellen, an einem an<strong>der</strong>en Gerät wurden Reflexe<br />

getestet und bei einem Quiz waren die grauen Zellen<br />

gefragt. Die Ergebnisse <strong>der</strong> verschiedenen Teams wurden<br />

elektronisch aufgezeichnet und zusammen mit Fotos<br />

und Aufnahmen von Mitarbeitern und Sportlern online<br />

veröffentlicht.<br />

Die Geschäftsstellen, die auf <strong>der</strong> Route des Olympiabusses<br />

lagen, nutzten die Chance, um ihrerseits<br />

Veranstaltungen zu organisieren, bei denen Mitarbeiter<br />

und Geschäftspartner gegeneinan<strong>der</strong> antreten konnten.<br />

Außerdem gab es Gelegenheit, die Sportler von Team<br />

54<br />

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55


EUROPA<br />

alle Fotos: <strong>Allianz</strong> UK<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

<strong>Allianz</strong> persönlich kennenzulernen. Die Besuche waren<br />

zwanglos, die Sportler schauten in den Büros vorbei,<br />

gaben Autogramme und standen Rede und Antwort.<br />

Das Programm 2011 wurde schließlich mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

einer Reihe von Videos abgerundet, in denen die<br />

Sportler über ihren Weg an die Spitze berichteten.<br />

Das Thema Höchstleistungen wurde vom Team <strong>Allianz</strong><br />

auch im Jahr 2012 weiterverfolgt. <strong>Im</strong> März wurden einhun<strong>der</strong>t<br />

von ihren Abteilungsleitern vorgeschlagene Mitarbeiter<br />

für ihre hervorragenden Leistungen mit einem<br />

Essen in einem Londoner 5-Sterne-Hotel ausgezeichnet.<br />

Auch die Team <strong>Allianz</strong>-Sportler waren anwesend und<br />

beantworteten Fragen über ihre Hoffnungen und Ängste<br />

für die Olympischen und Paralympischen Spiele. Bei<br />

einer Tombola gab es zudem Karten für olympische<br />

Wettbewerbe zu gewinnen.<br />

Eines <strong>der</strong> beliebtesten Elemente des Programms war eine<br />

Reihe von Meisterkursen, bei denen vielversprechende<br />

Sportler aus <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> mit den Elitesportlern zusammen<br />

trainieren durften. Zu den Sportarten zählten Reiten,<br />

Schwimmen, Radfahren und Leichtathletik. Für den Rest<br />

des Jahres sind weitere Kurse geplant. Zu den weiteren<br />

Highlights gehörten Vorführungen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Nummer 1 <strong>der</strong> Weltrangliste im Taekwondo, Aaron Cook.<br />

Lei<strong>der</strong> war Cook einer <strong>der</strong> Sportler, die aufgrund einer<br />

kontroversen Entscheidung nicht für die Spiele nominiert<br />

wurden. Eine an<strong>der</strong>e Olympiahoffnung, Sprinterin Jodie<br />

Williams, verletzte sich noch vor den Spielen bei einem<br />

Wettkampf in Birmingham.<br />

Insgesamt schafften es vier <strong>der</strong> Team <strong>Allianz</strong>-Sportler,<br />

sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Reitstar<br />

William Fox-Pitt gewann die erste Medaille des Team<br />

<strong>Allianz</strong> – Silber in <strong>der</strong> Vielseitigkeitsprüfung <strong>der</strong> Reiter,<br />

es folgte Andy Hodge mit Gold im Ru<strong>der</strong>-Vierer. Den<br />

Rebecca Romero gewann bei den Olympischen Spielen 2004 Silber im Ru<strong>der</strong>-Doppelvierer,<br />

vier Jahre später Gold in <strong>der</strong> 3000 Meter-Einerverfolgung auf dem Rad. Links: die Olympiasieger<br />

Alistair Brownlee (Triathlon) und Andy Hodges (Ru<strong>der</strong>-Vierer)<br />

Glanzpunkt setzte Alistair Brownlee, <strong>der</strong> den Triathlon<br />

unangefochten für sich entschied, und das, obwohl er<br />

sich Anfang des Jahres eine schwere Verletzung zugezogen<br />

hatte. Höchstleistung in Aktion!<br />

Zwei weitere Sportler aus dem Team <strong>Allianz</strong> qualifizierten<br />

sich für die Paralympischen Spiele: <strong>der</strong> Rennrollstuhlfahrer<br />

David Weir und die Schwimmerin Ellie Simmonds,<br />

beide Medaillengewinner in Peking.<br />

WWW.TEAMALLIANZ.CO.UK<br />

USERNAME: TEAMALLIANZ → PASSWORD: GOLDMEDAL<br />

56<br />

<br />

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<br />

<br />

57


Amerika<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Dienstfahrt mit<br />

Hin<strong>der</strong>nissen<br />

Stern<br />

Der Kunde ist König? Nur wenn er Glück hat. Nancy Jones,<br />

Marketingchefin von <strong>Allianz</strong> Life in Minneapolis, hat mit<br />

dem Thema ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht.<br />

Hier ihr Bericht.<br />

NANCY JONES<br />

Die Reisebranche hat es nicht leicht. Vor<br />

allem nicht im Internetzeitalter. Oft wird<br />

sie in den sozialen Medien zur Zielscheibe<br />

von Spott und Kritik. Wer kennt nicht das<br />

YouTube-Video »United macht Gitarren<br />

kaputt«? Es wurde inzwischen schon über<br />

zwölf Millionen Mal aufgerufen. Während<br />

das Video für alle, die nicht bei United<br />

arbeiten, sehr unterhaltsam ist, ist es für<br />

den Ruf <strong>der</strong> Fluggesellschaft natürlich<br />

verheerend.<br />

In den Fällen, von denen ich berichten<br />

möchte, geht es um ein Taxiunternehmen<br />

und eine Autovermietung. Zuerst zur Sache<br />

mit dem Taxi: Vor nicht allzu langer Zeit<br />

fuhr ich wie immer mit Airport Taxi zum<br />

Flughafen in Minneapolis. Statt meine<br />

Tasche im Kofferraum zu verstauen, ließ<br />

sie <strong>der</strong> Fahrer in <strong>der</strong> Auffahrt zu meinem<br />

Wohnblock stehen. Nach Eintreffen am<br />

Flughafen und einer kurzen Panikattacke<br />

rief ich Airport Taxi an. Sie schickten ein<br />

an<strong>der</strong>es Taxi, um die Tasche zu holen und<br />

58<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

59


AMERIKA<br />

Asien<br />

Stern<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

privat<br />

Nancy Jones<br />

am Flughafen abzuliefern. Ich müsste erst<br />

einmal auch dieses Taxi bezahlen, hieß es,<br />

aber nach meiner Rückkehr werde man<br />

sich mit mir wegen <strong>der</strong> Rückerstattung in<br />

Verbindung setzen.<br />

Ich war natürlich froh, dass ich meine Tasche<br />

wie<strong>der</strong> hatte, auch wenn in <strong>der</strong> Auffahrt ein<br />

an<strong>der</strong>es Auto drüber gefahren war (aber das<br />

ist eine an<strong>der</strong>e Geschichte). Meinen Flug erwischte<br />

ich auf den letzten Drücker und war<br />

natürlich etwas gestresst. Sehr gestresst,<br />

um ehrlich zu sein: Ich stürmte wie eine<br />

Verrückte zum Flugsteig und schaffte es<br />

gerade noch vorm Schließen <strong>der</strong> Türen<br />

in die Kabine, die Hände verschmiert mit<br />

Creme und Öl aus <strong>der</strong> überfahrenen Tasche.<br />

managers und hinterließ eine Nachricht.<br />

Kein Rückruf. Ich rief wie<strong>der</strong> an. Wie<strong>der</strong><br />

Anrufbeantworter, diesmal von einem an<strong>der</strong>en<br />

Kundenbetreuer. So ging das einige<br />

Male – von Kundendienst keine Spur. Beim<br />

sechsten Mal hatte ich dann schließlich eine<br />

ausgesprochen nette Mitarbeiterin in <strong>der</strong><br />

Leitung, die mir versprach, dass das Geld für<br />

beide Taxis zurückerstattet und obendrein<br />

mein beschädigter Koffer ersetzt werden<br />

würde. Insgesamt beliefen sich die Kosten<br />

auf 250 Dollar.<br />

Kurz darauf erhielt ich einen Anruf von<br />

Kundendienstmanager Nummer eins, <strong>der</strong><br />

erklärte, dass er nicht für den ausgebliebenen<br />

Rückruf verantwortlich gewesen sei, da<br />

er mich an Betreuer Nummer zwei weitergeleitet<br />

habe. Einige Tage später rief mich<br />

dann Manager Nummer zwei an, um mir<br />

mitzuteilen, dass es keine Rückerstattung<br />

geben werde und dass ich eine Reiseversicherung<br />

hätte abschließen sollen. Echt? Für<br />

eine Fahrt zum Flughafen? Ich fragte nach,<br />

ob <strong>der</strong> Kundendienst von Airport Taxi die<br />

Telefongespräche aufzeichnet und klärte ihn<br />

darüber auf, dass mir zwei seiner Kollegen<br />

eine Rückerstattung zugesichert hatten.<br />

Die werden gefeuert, antwortete er.<br />

Ich entschloss mich also zu einer drastischen<br />

Aktion und teilte die Geschichte über die<br />

sozialen Netzwerke allen meinen Bekannten<br />

mit. Airport Taxi wird mich nie wie<strong>der</strong>sehen.<br />

Sie haben mich angelogen und darüber hinaus<br />

ihre Mitarbeiter, die richtig vorgegangen<br />

sind, mies behandelt. Wie teuer sind Airport<br />

Taxi diese 250 Dollar am Ende zu stehen<br />

gekommen?<br />

Es gibt auch an<strong>der</strong>e Beispiele. Eines habe<br />

ich mit einer Autovermietung erlebt. Ich war<br />

mit drei Kollegen in einem Mietwagen von<br />

Hertz unterwegs. Als wir den Wagen nach<br />

ungefähr sechs Stunden zurückbrachten,<br />

Von Airport Taxi hörte ich danach natürlich<br />

nichts mehr. Also rief ich an. Ich landete auf<br />

dem Anrufbeantworter eines Kundendienstbetrug<br />

die Rechnung fast 350 Dollar. Ich<br />

zahlte, aber als ich mit den Kollegen das<br />

Gelände von Hertz verließ, unterhielten<br />

wir uns über den übertrieben hohen Preis.<br />

Davon hätten wir uns auch einen Lamborghini<br />

leisten können, meinte einer. Das<br />

müssen zwei Hertz-Mitarbeiter gehört<br />

haben, jedenfalls kamen sie hinter uns her,<br />

schnappten sich die Rechnung und stellten<br />

uns eine neue über 100 Dollar aus.<br />

Seitdem buche ich nur noch bei Hertz.<br />

Und ich erzähle die Geschichte allen, die ich<br />

kenne. Ich schickte dem Unternehmen auch<br />

eine kurze Mitteilung mit einem Lob für<br />

seine hilfreichen Mitarbeiter und erhielt eine<br />

sehr nette Antwort. Keine Rede davon, die<br />

Mitarbeiter wegen einer Entscheidung im<br />

Wert von 250 Dollar zu feuern. Denn diese<br />

250 Dollar machen sich für das Unternehmen<br />

in Zukunft bezahlt.<br />

Ein positives Erlebnis ist schnell erzählt, noch<br />

schneller aber verbreitet sich eine negative<br />

Geschichte. Es ist heutzutage so einfach,<br />

Tausenden von Leuten ein negatives Erlebnis<br />

mitzuteilen – ob durch einen Artikel wie<br />

diesem o<strong>der</strong> über Facebook, LinkedIn o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e soziale Netzwerke. Wie viel sind<br />

250 Dollar am Ende wirklich wert? Airport<br />

Taxi hat eine treue Kundin verloren, die<br />

weit mehr als 250 Dollar im Jahr an Umsatz<br />

brachte. Hertz dagegen hat eine Kundin<br />

gewonnen. Was also sind Kundentreue und<br />

Geschichten, die einem Unternehmen einen<br />

guten o<strong>der</strong> einen schlechten Ruf eintragen,<br />

wert? Es ist schwer, eine konkrete Zahl zu<br />

nennen, aber in beiden Fällen dürfte es sich<br />

auf Tausende von Dollar summieren.<br />

NANCY.JONES@ALLIANZLIFE.COM<br />

WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?<br />

V=5YGC4ZOQOZO<br />

Während sich Europa weiter mit <strong>der</strong> Finanzkrise<br />

herumschlägt, zeigen sich die Län<strong>der</strong> Asiens gegenüber<br />

den Turbulenzen auf den Finanzmärkten<br />

erstaunlich wetterfest. Die <strong>Allianz</strong> Gesellschaften in<br />

<strong>der</strong> Region haben es eher mit an<strong>der</strong>en Problemen<br />

zu tun. Wir sprachen mit David Fried, seit Februar<br />

Chef von <strong>Allianz</strong> Asia Pacific, über Behin<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Geschäftstätigkeit im Allgemeinen und über China<br />

im Beson<strong>der</strong>en.<br />

FRANK STERN<br />

Erstaunlich wetterfest<br />

Mr. Fried, nach 27 Jahren bei HSBC sind<br />

Sie zu einer schwierigen Zeit zur <strong>Allianz</strong><br />

gewechselt. Die Märkte sind unberechenbarer<br />

denn je, die <strong>Allianz</strong> musste eine<br />

Serie an Naturkatastrophen verdauen<br />

und wird in einigen Län<strong>der</strong>n Asiens<br />

durch die Gesetzgebung behin<strong>der</strong>t.<br />

Wie wollen Sie daraus eine Erfolgsgeschichte<br />

machen?<br />

David Fried<br />

Mich hat immer die Stärke <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong><br />

beeindruckt. Das war ein Grund, warum<br />

ich gewechselt bin. Und weil ich und meine<br />

Kollegen bei HSBC die <strong>Allianz</strong> immer als<br />

großartigen Partner kennengelernt haben.<br />

Ich bin überzeugt, dass die <strong>Allianz</strong> einer <strong>der</strong><br />

führenden Anbieter in Asien werden kann,<br />

weit stärker als sie es bisher ist. Es stimmt,<br />

es sind unsichere Zeiten, aber die <strong>Allianz</strong> ist<br />

einer <strong>der</strong> stabilsten Versicherer weltweit,<br />

60<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

61


ASIEN<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

SOUTH<br />

SÜDKOREA<br />

JAPAN<br />

C HINA CHINA<br />

Stern<br />

Das Art Science-Museum in Singapur<br />

PAK<br />

PAKISTAN<br />

ISTAN<br />

TAIW TAIWAN A N<br />

INDIEN<br />

INDIA<br />

LAOS<br />

LAOS<br />

THAILA<br />

THAILAND<br />

A ND<br />

PHILIPPINES<br />

PHILIPPINEN<br />

SRI LANKA<br />

SRI LANKA<br />

MALAYSIA<br />

MALAYS<br />

IA<br />

SINGA<br />

SINGAPORE<br />

GAPUR<br />

und sie hat das auch in den jüngsten Turbulenzen<br />

immer wie<strong>der</strong> unter Beweis gestellt.<br />

Und was Naturkatastrophen angeht – das<br />

ist es doch, wofür wir da sind, o<strong>der</strong>? Wenn<br />

Kunden bei uns eine Police abschließen,<br />

dann kaufen sie das Versprechen, dass sie<br />

im Schadensfall auf uns bauen können.<br />

Ich habe in den letzten Monaten live erlebt,<br />

mit welchem Einsatz unsere Kollegen in<br />

Thailand ihren Job gemacht haben, nachdem<br />

das <strong>Land</strong> von <strong>der</strong> Flutkatastrophe<br />

getroffen wurde. Dass sie auch bei widrigsten<br />

Umständen rausgegangen sind,<br />

um Schäden zu begutachten und dafür zu<br />

sorgen, dass unsere Kunden angemessen<br />

entschädigt werden.<br />

Da konnte man ein Unternehmen in Aktion<br />

sehen, das all seine Fähigkeiten in schwierigster<br />

Zeit unter Beweis stellt. Das hat mich<br />

von Anfang an an <strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> beeindruckt.<br />

Ich bin überzeugt, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien<br />

zum Erfolg wird, wenn alle Geschäftsfel<strong>der</strong><br />

dabei zusammenarbeiten, eine gemeinsame<br />

Strategie zu entwickeln und mit einer Stimme<br />

zu sprechen, und wenn es uns gelingt,<br />

die Stärken unserer globalen Einheiten wie<br />

Euler Hermes, <strong>Allianz</strong> Global Assistance<br />

o<strong>der</strong> <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty<br />

zu nutzen.<br />

Die <strong>Allianz</strong> begann ihre Expansion nach<br />

Asien vor über 20 Jahren. Die Ergebnisse<br />

bislang sind eher bescheiden.<br />

Viele Leute sprechen von Asien, als handele<br />

es sich dabei um ein <strong>Land</strong>. Doch Asien ist<br />

vielfältig und weist eine Reihe von sehr unterschiedlichen<br />

Län<strong>der</strong>n auf. Ich teile sie grob<br />

in vier Kategorien ein: in die Schwellenlän<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> ASEAN-Gruppe, in entwickelte Staaten<br />

wie Japan, Korea und Taiwan, in Stadtstaaten<br />

wie Hongkong und Singapur und in die<br />

Kolosse China und Indien.<br />

In den ASEAN-Län<strong>der</strong>n verfügen wir <strong>der</strong>zeit<br />

über einige sehr starke Geschäftseinheiten<br />

mit wachsendem Marktanteil. Sicher, auch<br />

sie sind in letzter Zeit in schwierigeres Fahrwasser<br />

geraten. Vor allem das Sachgeschäft<br />

in Indonesien und Thailand, aber auch in<br />

Indien hatte mit Widrigkeiten zu kämpfen,<br />

angefangen bei verän<strong>der</strong>ten gesetzlichen<br />

Bestimmungen bis hin zu schweren<br />

Überschwemmungen. Dennoch sind es<br />

Einheiten, die in den Wachstumsmärkten<br />

weiterhin eine starke Marktstellung haben.<br />

Bei China wie<strong>der</strong>um haben wir es mit dem<br />

wohl schwierigsten Markt in Asien zu tun.<br />

Bislang war die <strong>Allianz</strong> dort nicht sehr erfolgreich.<br />

Aber an<strong>der</strong>e ausländische Versicherer<br />

auch nicht. Für uns stellt sich jetzt die Frage,<br />

ob wir für China eine erfolgversprechende<br />

Strategie entwickeln können.<br />

Und wie soll die aussehen?<br />

Angefangen von einer völligen Neustrukturierung<br />

des Geschäfts über die Einführung<br />

neuer Managementstrukturen bis hin zur<br />

Etablierung neuer Partnerschaften mit an<strong>der</strong>en<br />

Gesellschaften ist alles auf dem Tisch.<br />

Als ich zur <strong>Allianz</strong> kam, wurde mir gesagt,<br />

dass China ganz oben auf <strong>der</strong> Agenda steht.<br />

Es gibt noch an<strong>der</strong>e Fel<strong>der</strong>, wo es einiges<br />

zu tun gibt. Zum Beispiel müssen wir unser<br />

Risikoprofil verbessern, um Kapital sinnvoller<br />

für Wachstum einzusetzen. Doch auf China<br />

werden wir in nächster Zeit unser Hauptaugenmerk<br />

richten.<br />

Manche Experten sagen, China behandele<br />

ausländische Unternehmen unfair.<br />

China bietet keine gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen.<br />

Kein ausländisches Joint<br />

Venture kann sich dort so entwickeln wie in<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Wenn man in Indien eine<br />

Geschäftslizenz erhält, kann man als Unternehmen<br />

im ganzen <strong>Land</strong> von Nord nach Süd<br />

und Ost nach West operieren. In China muss<br />

man sich von Stadt zu Stadt vorarbeiten.<br />

Und typischerweise erhält man nicht mehr<br />

als eine Lizenz pro Jahr. Die inländischen Gesellschaften<br />

haben diese Restriktionen nicht.<br />

Laut Vorschrift muss man zudem in je<strong>der</strong><br />

neuen Stadt eine eigene Gesellschaft gründen,<br />

was natürlich die Kosten hochtreibt.<br />

Unter diesen Bedingungen einen Gewinn zu<br />

erwirtschaften, ist äußerst schwierig.<br />

Der nächste Punkt ist, dass die lokalen<br />

Marktführer wie China Life, PICC o<strong>der</strong> Ping<br />

An eine halbe bis eine Million Vertreter<br />

ins Feld schicken können. Sie haben Bankkooperationen<br />

und manche verfügen über<br />

ein ausgezeichnetes Telemarketing. Sie<br />

haben die kritische Masse, um schnell zu<br />

expandieren. All das macht es für ausländische<br />

Anbieter so schwer, diese kritische<br />

Masse zu erreichen und profitabel zu<br />

arbeiten. Uns eingeschlossen.<br />

Was erwarten Sie sich von <strong>der</strong> Öffnung<br />

des Kfz-Versicherungsmarktes, die<br />

die chinesische Regierung im Mai angekündigt<br />

hat?<br />

Es ist ein positives Zeichen, bringt für unser<br />

Produktangebot allerdings keine große<br />

Verän<strong>der</strong>ung. Durch unsere Kooperation mit<br />

dem lokalen Versicherer Taiping konnten<br />

wir auch bisher schon Kfz-Haftpflichtpolicen<br />

anbieten. Das holen wir jetzt nur unter unser<br />

INDONESIEN<br />

INDONESIA<br />

NE E N<br />

eigenes Dach. Für unser Geschäft hat das<br />

keine großen Auswirkungen. Wir haben<br />

weiter mit denselben Einschränkungen zu<br />

kämpfen und müssen trotzdem überall erst<br />

eine Geschäftslizenz beantragen.<br />

Gibt es ein Geschäftsfeld in China, wo<br />

die <strong>Allianz</strong> <strong>der</strong>zeit Geld verdient?<br />

Nicht wirklich. Der Grund liegt zum einen<br />

darin, dass wir in <strong>der</strong> Vergangenheit zunächst<br />

in den Aufbau unserer Geschäftseinheiten<br />

investieren mussten, zum an<strong>der</strong>en in die<br />

Expansion unseres Vertriebskanals. Das ist<br />

nötig, um die kritische Masse zu erreichen,<br />

die es uns erlaubt, die Vertriebskosten<br />

auszugleichen. <strong>Im</strong> Moment sind wir dabei,<br />

ein Geschäftsmodell zu entwickeln, dass<br />

unseren Lebens- und Sachversicherungsgesellschaften<br />

Querverkäufe erlaubt. Die<br />

dafür nötigen Investitionen und die gesetzlichen<br />

Vorgaben werden den Gewinn noch<br />

für einige Zeit schmälern.<br />

62<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

63


ASIEN<br />

Gesellschaft<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Zur Person<br />

David Fried (50) ist seit 27 Jahren im Versicherungsgeschäft tätig. Bevor<br />

er zu <strong>Allianz</strong> Asia Pacific nach Singapur wechselte, war <strong>der</strong> gebürtige<br />

Amerikaner für das Versicherungsgeschäft <strong>der</strong> HSBC-Bank mit Sitz in<br />

Hongkong zuständig, ein Geschäftsfeld, das unter an<strong>der</strong>em die Bereiche<br />

Lebens- und Sachversicherung, Rückversicherung sowie Makler- und<br />

Agenturgeschäft in Asien, Amerika, Großbritannien und im Nahen Osten<br />

umfasste – insgesamt 54 Län<strong>der</strong>. Fried ist verheiratet und hat zwei Kin<strong>der</strong>.<br />

Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise<br />

in Europa auf die asiatischen<br />

Volkswirtschaften? Wird Asien am Ende<br />

<strong>der</strong> Krise stärker und Europa schwächer<br />

dastehen?<br />

Außer Japan sind alle asiatischen Volkswirtschaften<br />

trotz <strong>der</strong> Finanzkrise weiter<br />

gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt <strong>der</strong><br />

ASEAN-Staaten wird in diesem Jahr um fünf<br />

Prozent steigen. Chinas Wachstum verlangsamt<br />

sich etwas, aber die Prognosen sagen<br />

dennoch acht Prozent plus für 2012 voraus.<br />

Indien steckt auch etwas zurück, doch sechs<br />

bis sieben Prozent sind auch hier drin. Das<br />

sind immer noch ziemlich hohe Steigerungsraten,<br />

die für weiteres Wachstum <strong>der</strong><br />

Mittelschicht sorgen und den Regierungen<br />

erlauben werden, noch stärker die Werbetrommel<br />

für private Rücklagen und Altersvorsorge<br />

in einer immer älter werdenden<br />

Bevölkerung zu rühren.<br />

Obwohl die europäische Finanzkrise natürlich<br />

auch hier nicht ohne Auswirkungen bleibt,<br />

haben sich die asiatischen Volkswirtschaften<br />

doch erstaunlich wi<strong>der</strong>standsfähig gezeigt.<br />

Was zum großen Teil damit zu tun hat, dass<br />

<strong>der</strong> interasiatische Handel in den letzten fünf<br />

Jahren beträchtlich zugelegt hat. Früher waren<br />

Europa und die USA die größten Handelspartner,<br />

inzwischen wurden sie vom interasiatischen<br />

Handel abgelöst. Die Län<strong>der</strong> Asiens<br />

haben gelernt, enger zusammenzuarbeiten.<br />

Das nützt ihrer eigenen Entwicklung und<br />

versetzt sie in die Lage, die Auswirkungen<br />

<strong>der</strong> europäischen Finanzkrise zu dämpfen.<br />

Um in Asien erfolgreich zu sein,<br />

werden Sie den Vertrieb ausbauen<br />

müssen. In welchem Kanal sind die<br />

Erfolgsaussichten am größten?<br />

Wir nutzen verschiedene Vertriebskanäle,<br />

aber im Moment liegt ein Schwerpunkt auf<br />

dem Bankenbereich. Er könnte für uns zu<br />

einem ganz entscheidenden Vertriebsweg<br />

im Bereich Vermögens- und Lebensversicherungsprodukte<br />

werden und uns in die Lage<br />

versetzen, das dichte Netzwerk und die<br />

Kundenbasis <strong>der</strong> Banken für das Wachstum<br />

unserer Gesellschaften in Asien zu nutzen.<br />

Dadurch könnten wir das ganze Gewicht <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong> in Asien besser zur Geltung bringen.<br />

Das ist uns in <strong>der</strong> Vergangenheit nicht<br />

genügend gelungen.<br />

Inwiefern?<br />

Nach Umsatz und operativem Gewinn<br />

ist die <strong>Allianz</strong> <strong>der</strong> größte Versicherer <strong>der</strong><br />

Welt. Sie ist auch <strong>der</strong> einzige Versicherer<br />

mit einem AA-Rating. Eigentlich verfügt<br />

die <strong>Allianz</strong> über eine Position <strong>der</strong> Stärke,<br />

nur nicht hier in Asien. In Asien gibt es nur<br />

eine Tochtergesellschaft, nämlich unsere<br />

Sachversicherung in Malaysia, die den Markt<br />

mit einem Anteil von mehr als zehn Prozent<br />

anführt. Normalerweise rangieren unsere<br />

Gesellschaften bei einem Marktanteil von<br />

drei bis fünf Prozent zwischen Position sechs<br />

und zehn.<br />

Und wie wollen Sie das än<strong>der</strong>n?<br />

Ich möchte, dass wir in unseren Märkten <strong>der</strong><br />

führende internationale Anbieter werden und<br />

unter allen Marktteilnehmern – internationalen<br />

und lokalen – in <strong>der</strong> Liga <strong>der</strong> Top 5<br />

mitspielen. Dazu sind Investitionen in den<br />

Vertrieb nötig und vielleicht auch in das<br />

organische Wachstum von innen heraus.<br />

Mein Ziel ist es, dass die <strong>Allianz</strong> in Asien<br />

als einer <strong>der</strong> führenden Finanzdienstleister<br />

wahrgenommen wird. Von Kunden und<br />

Investoren.<br />

WWW.ALLIANZ.COM.SG<br />

Potenzieller Lebensretter<br />

Schiffe navigieren zielsicher durch die Weiten des Ozeans, Flugzeuge landen selbst<br />

bei schlechter Sicht punktgenau auf <strong>der</strong> Rollbahn – ohne GPS wäre das kaum denkbar.<br />

Doch das Global Positioning System kann mehr. Die <strong>Allianz</strong> OrtungsServices GmbH<br />

nutzt es, um Menschenleben zu retten. Mit <strong>der</strong> Notfallortung ist die Palette <strong>der</strong><br />

Anwendungsmöglichkeiten allerdings noch längst nicht ausgeschöpft.<br />

FRANK STERN<br />

Hilfe aus dem All – die <strong>Allianz</strong> OrtungsServices<br />

Hätte Wendong Wang im Oktober 2010 kein Handy<br />

dabei gehabt, wäre es für ihn womöglich eng geworden.<br />

Der 38-Jährige war mit einem akuten Hirninfarkt zusammengebrochen<br />

und gerade noch in <strong>der</strong> Lage gewesen,<br />

die Notrufnummer 112 zu wählen. Da er aber we<strong>der</strong><br />

Deutsch noch Englisch sprach, konnte er seinen genauen<br />

Standort nicht durchgeben. Doch über die Plattform <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong> OrtungsServices (AOS) gelang es <strong>der</strong> Leitstelle<br />

<strong>der</strong> Düsseldorfer Feuerwehr, ihn schnell zu lokalisieren.<br />

Binnen weniger Minuten war ein Rettungsteam vor<br />

64<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

65


GESELL-<br />

SCHAFT<br />

<strong>Allianz</strong> Journal 3/2012<br />

Roth<br />

Tobias Fritsch<br />

Ort und konnte ihn noch rechtzeitig ins Krankenhaus<br />

bringen.<br />

Seit 2006 betreibt die AOS eine Plattform zur Handyortung,<br />

anfangs noch auf <strong>der</strong> Basis von LBS (Location<br />

Based Services). Das System hatte allerdings den Nachteil,<br />

dass es nur den Bereich einer Funkzelle, aus dem<br />

ein Notruf abgesetzt wird, ausmachen kann. Gerade in<br />

ländlichen Gebieten, wo die Basisstationen zum Teil weit<br />

auseinan<strong>der</strong> liegen, ist diese Methode oft zu ungenau.<br />

Mit <strong>der</strong> netzunabhängigen, weltweit verfügbaren GPS-<br />

Technologie dagegen ist eine fast metergenaue Ortung<br />

möglich. Bei einem Notfall kann das unter Umständen<br />

über Leben und Tod entscheiden.<br />

Voraussetzung für die schnelle Ortung ist allerdings, dass<br />

<strong>der</strong> Betroffene über ein GPS-fähiges Handy verfügt, das<br />

mit einer speziellen, von AOS entwickelten Software ausgestattet<br />

ist. »<strong>Im</strong> Notfall werden über unsere kostenlose<br />

Help-App die per Satellit ermittelten GPS-Koordinaten<br />

sekundenschnell an die Rettungsleitstellen weitergeleitet«,<br />

erläutert AOS-Geschäftsführer Tobias Fritsch<br />

das Verfahren. Mittlerweile verfügen bundesweit rund<br />

10 000 Nutzer über den potenziellen Lebensretter.<br />

Doch die AOS-Notfallortung, die heute von 95 Prozent<br />

aller Rettungsleitstellen in Deutschland genutzt wird, ist<br />

längst nicht das einzige Einsatzgebiet. Vom entlaufenen<br />

Pferd über den vermissten Bergsteiger bis zur abhanden<br />

gekommenen Oma – mit AOS lassen sich binnen<br />

kürzester Zeit alle wie<strong>der</strong>finden.<br />

Auch Energieriese RWE und <strong>der</strong> Automobilclub von<br />

Deutschland (AvD) setzen mittlerweile auf das AOS-<br />

Notfallsystem. Die einen, um ihre Reparaturspezialisten<br />

von Hochspannungsleitungen bei einer Havarie möglichst<br />

schnell lokalisieren zu können, die an<strong>der</strong>en, um ihren Mitglie<strong>der</strong>n<br />

einen zusätzlichen Sicherheitsservice zu bieten.<br />

Der schließt zudem die Möglichkeit ein, eine digitale<br />

Notfallakte anzulegen, in <strong>der</strong> medizinische Daten und<br />

Befunde sowie Informationen zu bestehenden Gesundheitsrisiken,<br />

Allergien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> aktuellen Medikation<br />

verzeichnet sind, die bei Bedarf direkt an die Rettungsleitstellen<br />

übermittelt werden. So ist ab <strong>der</strong> ersten<br />

Sekunde eine optimale Erstversorgung sichergestellt.<br />

Welche Daten im Notfall zur Verfügung stehen sollen,<br />

entscheidet <strong>der</strong> Kunde.<br />

Kombinieren ließe sich die Notfallakte auch mit dem<br />

eCall-System mo<strong>der</strong>ner Fahrzeuge, das bei einem Unfall<br />

automatisch die nächste Rettungsleitstelle alarmiert.<br />

Neben Informationen zu Unfallzeitpunkt, Unfallort und<br />

Schweregrad des Unfalls können auch gesundheitsrelevante<br />

Daten <strong>der</strong> Fahrzeuginsassen übermittelt<br />

werden. »Die Möglichkeiten sind damit aber bei weitem<br />

noch nicht ausgereizt«, sagt Fritsch. »Wir haben die IT-<br />

Plattform, wir haben das Netz, wir haben die Expertise,<br />

die wir auch an<strong>der</strong>en <strong>Allianz</strong> Gesellschaften anbieten<br />

können. Sie müssen nur darauf zugreifen.«<br />

Denkbar wäre zum Beispiel eine App, die Kunden <strong>der</strong><br />

<strong>Allianz</strong> Privaten Krankenversicherung bei einer Fahrt ins<br />

Ausland per SMS automatisch an eine Auslandsreiseversicherung<br />

erinnert – Abschluss per Knopfdruck. Auch<br />

die Servicepalette von <strong>Allianz</strong> Global Assistance o<strong>der</strong><br />

von <strong>Allianz</strong> Global Automotive ließe sich mit dem AOS-<br />

System erweitern. »So könnten wir uns im Wettbewerb<br />

noch besser aufzustellen«, hebt Fritsch hervor.<br />

Und das bei Wahrung höchster Informationssicherheit.<br />

»Datenschutz steht bei uns an erster Stelle«, versichert<br />

<strong>der</strong> AOS-Chef. »Gegen den Zugriff von außen ist unser<br />

Service bestens abgeschirmt. <strong>Im</strong> Notfallbereich können<br />

nur Leitstellenmitarbeiter auf die Plattform zugreifen, jede<br />

Ortung wird nachvollziehbar gespeichert, um Missbrauch<br />

auszuschließen.« Den untreuen Ehemann mit dem<br />

AOS-Tool auf den Fersen zu bleiben, dürfte also kaum<br />

gelingen, schließlich müsste er zuvor sein Einverständnis<br />

zur Ortung geben. Ist eher unwahrscheinlich.<br />

WWW.ALLIANZ-ORTUNG.DE<br />

© 2011, Scott Adams, Inc./Distr. Universal Uclick/Distr. Bulls<br />

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Redaktionsschluss für das <strong>Allianz</strong> Journal 4/2012 ist <strong>der</strong><br />

20. Oktober 2012.<br />

HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM<br />

Das <strong>Allianz</strong> Journal ist dort auch in <strong>der</strong> Screen-Version für iPad<br />

o<strong>der</strong> iPhone zu finden: einfach das PDF per E-Mail versenden,<br />

und das Magazin steht je<strong>der</strong>zeit offline zur Verfügung.<br />

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