Journal - Allianz
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Journal - Allianz
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ALLIANZ GROUP<br />
<strong>Journal</strong><br />
Deutsche Ausgabe 2 | 2013<br />
8<br />
Dialog<br />
27<br />
in Zeiten des Terrors<br />
Brückenschlag gegen den Hass<br />
»Eine ungemein hässliche<br />
Spezies«<br />
Altersforschung am faltigen<br />
Objekt<br />
Am Rande<br />
Portugal und die Krise
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Inhalt<br />
IMPRESSUM<br />
alle Fotos: Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
(Juni)<br />
Zeitschrift für Mitarbeiter<br />
der <strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />
Herausgeber <strong>Allianz</strong> SE<br />
Verantwortlich für<br />
den Herausgeber<br />
Emilio Galli-Zugaro<br />
Chefredaktion<br />
Frank Stern<br />
Layout volk:art51<br />
Produktion repromüller<br />
Anschrift der Redaktion<br />
<strong>Allianz</strong> SE<br />
Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />
Königinstraße 28<br />
80802 München<br />
Tel 089-3800-3804<br />
journal@allianz.de<br />
Das für die Herstellung<br />
des <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong>s<br />
verwendete Papier wird<br />
aus Holz aus nachhaltiger<br />
Waldbewirtschaftung<br />
hergestellt.<br />
48<br />
Manchmal reicht schon ein stümperhaftes Video oder eine Mohammed-Karikatur,<br />
um am anderen Ende der Welt für Aufruhr zu sorgen<br />
27<br />
Methusalem im Faltenrock: Bis zu 30 Jahre können Nacktmulle werden.<br />
Wissenschaftler sind dem Rätsel der Langlebigkeit auf der Spur<br />
22<br />
Männer und Frauen passen nicht zusammen – jedenfalls nicht,<br />
was ihre Vorstellungen von Aufstieg und Karriere angeht<br />
KURZ BERICHTET<br />
4 Neues aus der <strong>Allianz</strong> Welt<br />
MEINUNGEN<br />
8 Dialog in Zeiten des Terrors<br />
Shamil Idriss über Vorurteile und Annäherung<br />
12 Leserbriefe<br />
GLOBAL<br />
14 Kein Ort. Nirgends<br />
Naturgewalten und die Kosten des Risikos<br />
17 Signal aus Spanien<br />
<strong>Allianz</strong> International in Barcelona<br />
DEUTSCHLAND<br />
19 Land der Nörgler?<br />
Bürgerwille contra Großprojekte<br />
22 Vom Ende der Männer und der Feigheit<br />
der Frauen<br />
Studie zum Frauenmangel in Chefetagen<br />
24 Vorsicht Schuldenfalle!<br />
My Finance Coach und die Verlockungen<br />
der Konsumwelt<br />
25 »Wir verstecken nichts«<br />
Christian Keller über Schuldenprävention<br />
im Klassenzimmer<br />
EUROPA<br />
27 »Eine ungemein hässliche Spezies«<br />
Hauptsache gesund: Der Nacktmull in der<br />
Altersforschung<br />
30 Am Rande<br />
Portugal und die Krise<br />
34 Baustelle Europa<br />
Finanzspritze für Infrastrukturprojekte<br />
36 Rendezvous mit Hamilton<br />
Formel 1 hautnah<br />
AMERIKA<br />
38 »Wie in einem Kriegsgebiet«<br />
Wirbelsturm Sandy – Solidarität nach<br />
der Katastrophe<br />
AUSTRALIEN<br />
40 Elefanten ins Outback<br />
Risikomanagement auf Australisch<br />
ASIEN<br />
43 »Extrem harter Wettbewerb«<br />
Uwe Michel zur Neuaufstellung in China<br />
GESELLSCHAFT<br />
46 Boulevard der Freiheit<br />
Aufbruch in Casablanca<br />
48 Todfeind am Bildschirm<br />
Toleranztraining im Chatroom<br />
51 Dilbert<br />
2<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
3
KURZ<br />
BERICHTET<br />
Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
<strong>Allianz</strong><br />
Kreditversicherung<br />
für HSBC-Kunden<br />
Euler Hermes wird exklusiver Anbieter von Kreditversicherungen<br />
für Geschäftskunden der Bank<br />
HSBC. Eine entsprechende Übereinkunft wurde im<br />
Mai geschlossen. Die globale Vertriebsvereinbarung<br />
sichert HSBC-Kunden, die Handel auf offene<br />
Rechnung betreiben, Schutz vor Forderungsausfall.<br />
HSBC und <strong>Allianz</strong> Tochter Euler Hermes sind seit<br />
2008 bereits strategische Partner in Brasilien,<br />
Mexiko, den USA, Hongkong, Großbritannien und<br />
den Vereinigten Arabischen Emiraten.<br />
WWW.HSBC.COM<br />
Arena in Grün<br />
Referenz an Irlands Schutzpatron, den Heiligen<br />
Patrick: Am 17. März leuchtete die <strong>Allianz</strong> Arena<br />
in München in ungewohnter Farbe. Statt rot<br />
(FC Bayern), blau (1860 München) oder neutral<br />
weiß erstrahlte der Fußballtempel irisch Grün.<br />
Anlass war der St. Patrick’s Day, der Nationalfeiertag<br />
der Iren. Auch in anderen Teilen der Welt wurden<br />
berühmte Gebäude in die Aktion einbezogen,<br />
vom Empire State Building in New York über den<br />
Schiefen Turm von Pisa bis zur Christus-Statue in<br />
Rio de Janeiro.<br />
Marktführer in der Türkei<br />
Die <strong>Allianz</strong> übernimmt von der viertgrößten Privatbank der Türkei, Yapi Kredi,<br />
deren Sach-, Lebens- und Rentengeschäft und wird damit die Nummer 1 im<br />
türkischen Versicherungsmarkt. Gleichzeitig sichert sie sich eine auf 15 Jahre<br />
angelegte, exklusive Bankvertriebsvereinbarung. Das gaben beide Partner im<br />
März bekannt. Mit der Übernahme des Schaden- und Unfallversicherers Yap<br />
Kredi Sigorta sowie der Lebens- und Rentenversicherungstochter Yap Kredi<br />
Emeklilik steigt die <strong>Allianz</strong> Türkei zur Nummer 1 im Sachversicherungsgeschäft,<br />
zur Nummer 2 im Rentengeschäft und zur Nummer 3 im Lebensversicherungsgeschäft<br />
des Landes auf.<br />
Die Stellung der <strong>Allianz</strong> im türkischen Markt wird zusätzlich durch eine<br />
zehnjährige Vertriebsvereinbarung mit der Bank HSBC gestärkt. Beide Unternehmen<br />
arbeiten bereits in verschiedenen asiatischen Märkten beim Vertrieb<br />
von Lebens-, Kranken- und Kreditversicherungen sowie in der Vermögensverwaltung<br />
zusammen. Gegen eine Barzahlung von 23 Millionen Euro wird<br />
HSBC ab dem zweiten Halbjahr 2013 in der Türkei exklusiv Lebensversicherungen<br />
und Altersvorsorgeprodukte der <strong>Allianz</strong> an ihre Kunden vertreiben.<br />
Weitere europäische Länder sollen folgen.<br />
WWW.HSBC.COM | WWW.ALLIANZ.COM.TR<br />
<strong>Allianz</strong> Stadion<br />
in São Paulo<br />
Die <strong>Allianz</strong> hat sich auf 20 Jahre die Namensrechte für das<br />
neue Stadion des Fußball-Clubs Palmeiras in São Paulo<br />
gesichert. Die Nova Arena wird nicht nur als Sportstadion<br />
dienen, sondern soll auch für Großveranstaltungen und<br />
Megashows genutzt werden. Neben der <strong>Allianz</strong> Arena in<br />
München ist die <strong>Allianz</strong> bereits Namensgeber für Stadien<br />
in Australien, England und Frankreich. Die Baukosten für<br />
das Palmeiras-Stadion betragen rund 125 Millionen Euro.<br />
WWW.PALMEIRAS.COM.BR/HOME<br />
Botschafter am Piano<br />
Der chinesische Starpianist Lang Lang<br />
und die <strong>Allianz</strong> haben im Januar eine<br />
globale Partnerschaft gestartet. Sie ist<br />
zunächst auf zwei Jahre begrenzt und<br />
soll der <strong>Allianz</strong> den Zugang zu neuen<br />
Kundensegmenten eröffnen. Lang Lang<br />
wird dabei als globaler Markenbotschafter<br />
der <strong>Allianz</strong> fungieren. Darüber<br />
hinaus wurde vereinbart, dass die <strong>Allianz</strong><br />
ein neues Jugendprogramm der Lang<br />
Lang International Music Foundation<br />
unterstützen wird. Lang Lang zählt zu<br />
den Superstars in der internationalen<br />
Musikszene und tritt regelmäßig mit den<br />
besten Orchestern der Welt auf. Pro Jahr<br />
gibt er mehr als 120 Konzerte.<br />
WWW.LANGLANG.COM<br />
<strong>Allianz</strong> kauft<br />
Gasnetz in<br />
Tschechien<br />
Nach der Beteiligung am norwegischen Gastransportnetz Gassled Anfang<br />
letzten Jahres hat die <strong>Allianz</strong> im März zusammen mit der kanadischen Borealis<br />
Infrastructure auch den Gasnetzbetreiber Net4Gas in Tschechien übernommen.<br />
Net4Gas, eine Tochter des deutschen Energieversorgers RWE, betreibt ein mehr<br />
als 3600 km langes Netzwerk von Hochdruckleitungen, die sowohl den tschechischen<br />
Binnenmarkt versorgen als auch russisches Erdgas nach Zentral- und<br />
Westeuropa transportieren. Der Kaufpreis beträgt 1,6 Milliarden Euro. Die <strong>Allianz</strong><br />
und Borealis werden jeweils 50 Prozent an Net4Gas halten.<br />
Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong><br />
<strong>Allianz</strong> Life in<br />
den Top 100<br />
Zum zweiten Mal in Folge hat es<br />
<strong>Allianz</strong> Life in die Liste der 100 besten<br />
Arbeitgeber der USA geschafft,<br />
die das Magazin Fortune jedes Jahr<br />
herausgibt. Die amerikanische<br />
Lebensversicherungstochter mit<br />
Sitz in Minneapolis landete auf Rang<br />
59, Sieger wurde wie im letzten<br />
Jahr die Firma Google. An der Umfrage<br />
nahmen 259 Unternehmen<br />
teil, mehr als 277 000 Mitarbeiter<br />
gaben Auskunft über ihre Führungskräfte,<br />
die Zufriedenheit mit dem<br />
Job und Fördermaßnahmen im<br />
Unternehmen.<br />
WWW.ALLIANZLIFE.COM<br />
Ende der<br />
<strong>Allianz</strong> Bank<br />
Die <strong>Allianz</strong> Bank stellt zum 30. Juni<br />
ihre Geschäftstätigkeit ein. Als<br />
Grund nannte Andree Moschner,<br />
Vorstandschef der <strong>Allianz</strong> Beratungs-<br />
und Vertriebs-AG, die seit<br />
Jahren anhaltenden Verluste.<br />
Eine Trendwende sei nicht in Sicht<br />
gewesen, so Moschner. Die bundesweit<br />
450 Arbeitsplätze bei der<br />
Bank entfallen, die 45 Filialen in<br />
<strong>Allianz</strong> Agenturen werden geschlossen.<br />
Die <strong>Allianz</strong> Bank wurde<br />
2009 als Zweigniederlassung der<br />
zum <strong>Allianz</strong> Konzern gehörenden<br />
Oldenburgischen Landesbank<br />
gegründet.<br />
WWW.OLB.DE<br />
4<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
5
KURZ<br />
BERICHTET<br />
ACIS<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
<strong>Allianz</strong><br />
PERSONALIEN<br />
Noboru Tsuda ist seit 1. März Chef der<br />
<strong>Allianz</strong> Life Insurance Japan. Er hat die<br />
Nachfolge von Olaf Kliesow angetreten,<br />
der bei der <strong>Allianz</strong> SE in München den<br />
Bereich Global Life & Health Portfolio<br />
Management übernommen hat.<br />
Pawel Dangel tritt nach mehr als<br />
15 Jahren an der Spitze der <strong>Allianz</strong> in<br />
Polen in den Ruhestand. Sein Nachfolger<br />
wird Witold Jaworski.<br />
David Fried, Regional-Chef der <strong>Allianz</strong><br />
Asia Pacific in Singapur, hat das Unternehmen<br />
im Januar auf eigenen Wunsch<br />
verlassen, um neue Aufgaben außerhalb<br />
der <strong>Allianz</strong> Gruppe zu übernehmen. Seine<br />
Aufgaben hat interimsmäßig <strong>Allianz</strong><br />
Vorstand Manuel Bauer übernommen.<br />
Chris James, Chef von <strong>Allianz</strong> Taiwan<br />
Life, ist im Mai in den Ruhestand getreten.<br />
Nachfolger wurde Danny Lam.<br />
Flashmob zum Zehnten<br />
Vor zehn Jahren gründete die <strong>Allianz</strong><br />
Großbritannien im indischen Trivandrum<br />
ihre IT-Tochter ACIS. Was als<br />
kleiner Laden mit 50 Angestellten<br />
begann, hat sich inzwischen zu einem<br />
Unternehmen mit vier Büros und 1600<br />
Mitarbeitern gemausert. Beim Besuch<br />
von <strong>Allianz</strong> UK-Chef Andrew Torrance<br />
zum zehnjährigen Bestehen gab es für<br />
WWW.ACIS.CO.IN<br />
den Briten eine kleine Überraschung:<br />
Dutzende ACIS-Mitarbeiter starteten zur<br />
Begrüßung einen Flashmob zur Musik<br />
des koreanischen Popsongs »Gangnam<br />
Style«. Das Jubiläumsjahr will ACIS unter<br />
anderem dazu nutzen, sich verstärkt in<br />
Sozialprojekten der Stadt zu engagieren<br />
und das Unternehmen in Schulen und<br />
Universitäten vorzustellen.<br />
Kooperation mit Paralympischem Komitee<br />
Die <strong>Allianz</strong> wird auch in den nächsten vier Jahren den Behindertensport<br />
in der Welt aktiv unterstützen. Im April unterzeichneten Sir<br />
Philip Craven (rechts im Bild), Präsident des Internationalen Paralympischen<br />
Komitees (IPC) und <strong>Allianz</strong> Vorstand Werner Zedelius<br />
in München eine entsprechende Vereinbarung. Die <strong>Allianz</strong> arbeitet<br />
bereits seit 2006 mit dem IPC zusammen, um dem Behindertensport<br />
in der Öffentlichkeit zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Der Vierjahresvertrag<br />
umfasst einen vollen olympischen Zyklus und schließt<br />
die Unterstützung zahlreicher nationaler paralympischer Komitees<br />
bei der Vorbereitung auf die Winterspiele 2014 im russischen Sotschi<br />
sowie auf die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro ein. Dazu zählen<br />
die Verbände in Australien, Deutschland, Irland, Kroatien, Mexiko,<br />
Österreich, Portugal, der Schweiz, Tschechien und Ungarn.<br />
WWW.SPONSORING.ALLIANZ.COM<br />
<strong>Allianz</strong><br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />
im Internet<br />
Seit März steht das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> den Lesern<br />
auch im Internet zur Verfügung. Auf der Knowledge-Seite,<br />
dem Wissensportal der <strong>Allianz</strong><br />
Gruppe, verfügt das <strong>Journal</strong> über einen eigenen<br />
Bereich, über den man auf die Inhalte des<br />
Magazins zugreifen kann. Zudem finden sich<br />
dort sowohl die PDFs der Druckversion,<br />
als auch die für Smartphones und Tablets<br />
angepassten Formate.<br />
HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM/<br />
JOURNAL<br />
Junior Football<br />
Camp in München<br />
Im August steigt zum fünften Mal das <strong>Allianz</strong> Junior Football Camp<br />
in München. Vom 7. bis 12. August werden 75 Teenager aus 25 Ländern<br />
die Gelegenheit erhalten, den Alltag ihrer Fußballhelden vom<br />
FC Bayern auf dem Vereinsgelände in der Säbener Straße hautnah zu<br />
erleben. Daneben erwartet sie ein besonderes Programm: Training<br />
mit Jugendtrainern des Bayernclubs, Besuch eines Heimspiels, eine<br />
exklusive Führung durch die <strong>Allianz</strong> Arena und ein Blick hinter die<br />
Kulissen des FCB. Und als besonderes Highlight: ein persönliches<br />
Treffen mit den Stars des Champions League-Siegers.<br />
WWW.FOOTBALL-FOR-LIFE.COM<br />
Versicherung<br />
vom Handy<br />
AUSGE-<br />
ZEICHNET<br />
Als erstes Unternehmen in Kroatien hat die<br />
<strong>Allianz</strong> Zagreb eine Smartphone-Anwendung<br />
für Reisekrankenversicherungen auf den Markt<br />
gebracht. Die m-<strong>Allianz</strong>-App ist kostenlos und<br />
führt den Nutzer in wenigen Schritten zum<br />
Abschluss einer Versicherung. Es genügt, einige<br />
persönliche Daten einzutragen sowie Art der<br />
Versicherung und Dauer der Reise anzugeben.<br />
Der entsprechende Beitrag wird dann über die<br />
Kreditkarte eingezogen. Selbst, wer sich kurzfristig<br />
zu einer Reise entschließt, kann sich über<br />
die App unkompliziert absichern. Die Police wird<br />
per E-Mail zugestellt.<br />
Ein Serviceteam, das telefonisch rund um die<br />
Uhr erreichbar ist, unterstützt bei Sprachproblemen<br />
im Ausland, informiert die Familie des<br />
Betroffenen bei Notfällen und leitet Meldungen<br />
über anfallende Kosten an <strong>Allianz</strong> Assistance<br />
weiter. Die Schadenmeldung nach der Rückkehr<br />
entfällt damit.<br />
WWW.ALLIANZ.HR<br />
Die <strong>Allianz</strong> ist aus der Leserbefragung Reader’s Digest<br />
European Trusted Brands 2013 als vertrauenswürdigste<br />
Marke unter Europas Versicherern hervorgegangen.<br />
Rund 20 000 Leser in zwölf europäischen Ländern nahmen<br />
an der Umfrage teil. Es ist das zwölfte Mal in Folge,<br />
dass die <strong>Allianz</strong> die Spitzenposition erreichen konnte.<br />
Die <strong>Allianz</strong>-Tiriac ist vom rumänischen Versicherungsmagazin<br />
PRIMM zum Versicherer des Jahres 2012 gekürt<br />
worden. Es ist bereits das elfte Mal, dass der <strong>Allianz</strong><br />
Tochter die Auszeichnung zuerkannt wurde.<br />
Euler Hermes ist vom Fachmagazin Trade and Export<br />
Middle East in Dubai als beste Kreditversicherung des<br />
Jahres ausgezeichnet worden.<br />
6<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
7
Meinungen<br />
dpa / picture-alliance<br />
Dialog in Zeiten<br />
des Terrors<br />
In einer Zeit, da die Gräben<br />
zwischen dem Westen und<br />
der muslimischen Welt immer<br />
größer werden, versucht eine<br />
kleine Organisation im Internet<br />
den Brückenschlag. Wir sprachen<br />
mit dem Geschäftsführer von<br />
Soliya, Shamil Idriss, über Dialogbereitschaft<br />
in Zeiten des Terrors.<br />
INTERVIEW: FRANK STERN<br />
Mr. Idriss, wenn Sie sich die Welt heute<br />
ansehen, glauben Sie wirklich, dass<br />
sich die Gräben mit virtuellen Runden<br />
Tischen im Internet überbrücken lassen,<br />
wie sie Soliya für westliche und muslimische<br />
Studenten organisiert?<br />
Wenn ein Pastor in Florida, der kaum 50 An -<br />
hänger in seiner Gemeinde hat, vor 15 oder<br />
20 Jahren damit gedroht hätte, einen Koran<br />
zu verbrennen, hätte sich keiner darum geschert.<br />
Heute verbreitet sich so etwas in<br />
Windeseile übers Internet. Ich ziehe daraus<br />
den Schluss, dass wir möglichst viele Menschen<br />
zur Zusammenarbeit über gesellschaftliche<br />
Grenzen hinweg befähigen müssen.<br />
Und die einzige reelle Möglichkeit dafür sind<br />
virtuelle Kontakte. Weniger als zwei Prozent<br />
der jungen Menschen nehmen heute an<br />
Austauschprogrammen teil. Wenn wir mit<br />
unserer Initiative eine kritische Masse von,<br />
sagen wir, 15 Prozent der Bevölkerung erreichen,<br />
wäre das eine Größenordnung, mit<br />
der wir echt etwas bewegen könnten.<br />
Wie weit darf interkultureller Dialog<br />
gehen? Wo verläuft die Grenze zwischen<br />
Toleranz und der Verleugnung der<br />
eigenen Werte?<br />
Für einen Regierungsvertreter ist es sicher<br />
legitim, sich einem Dialog mit bestimmten<br />
Parteien zu verweigern, um sie nicht auf -<br />
zuwerten. Wenn es um den Dialog zwischen<br />
einfachen Menschen geht, sollte es meiner<br />
Meinung nach ein solches Tabu nicht geben.<br />
Ich glaube, oft ist die Konfrontation mit jeman -<br />
dem, der mit einem nicht übereinstimmt,<br />
der beste Weg, die eigenen Positionen zu<br />
überprüfen. Welche Werte man auch immer<br />
haben mag, man profitiert davon, wenn<br />
man sie verteidigen muss. Vielleicht hinterfragt<br />
man nach einer solchen Diskussion<br />
einige davon, oder man fühlt sich in ihnen<br />
bestätigt. Viel gefährlicher ist es, in einer<br />
abgeschlossenen Blase zu leben.<br />
Wie aber findet man eine gemeinsame<br />
Grundlage, wenn man mit einer<br />
Weltauffassung konfrontiert wird, die<br />
im Westen seit der Aufklärung überwunden<br />
ist?<br />
Ich kann die Auffassung nicht teilen, dass<br />
man keinen Dialog zwischen Menschen<br />
hinkriegt, die von unterschiedlichen intellektuellen<br />
Traditionen und Gesellschaftsentwicklungen<br />
geprägt sind. Schon gar<br />
nicht jetzt, da in vielen muslimischen Ländern<br />
eine ganze Reihe von fundamentalen<br />
Annahmen hinterfragt werden.<br />
Ein ägyptischer Professor, der an Ihrem<br />
Programm teilgenommen hat, hat beschrieben,<br />
wie geschockt einige seiner<br />
Studenten waren, als sie am Bildschirm<br />
mit Juden diskutieren sollten.<br />
Hass auf den Westen: die mutmaßlichen Attentäter von Boston<br />
Es gibt auf beiden Seiten eine Fülle von<br />
Unterschieden, es gibt Ängste, Vorurteile<br />
und Unwissenheit. Das Beste, solch vorgefasste<br />
Einstellungen aufzulösen ist, Menschen<br />
mit Menschen zusammenzubringen<br />
und Auffassungen mit der Realität zu konfrontieren.<br />
Es gab da tatsächlich Studenten,<br />
die überzeugt waren, dass Juden anders<br />
aussehen als andere Menschen. Das ist<br />
erschreckend, aber das glauben Studenten<br />
eben, die noch nie einen Juden getroffen<br />
haben, die in einer Welt aufgewachsen sind,<br />
in der nur Negatives über Juden kolportiert<br />
wird. Für sie sind diese direkten Gespräche<br />
eine umwälzende Erfahrung. Zurück zu<br />
Ihrer Frage: Ja, ich glaube, wenn es um die<br />
8<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
9
MEINUNGEN<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Stern<br />
SHAMIL IDRISS<br />
Shamil Idriss ist seit 2009 Geschäftsführer<br />
von Soliya. Der Amerikaner mit syrischen und<br />
türkischen Vorfahren ist ein Experte auf dem<br />
Gebiet der Konfliktmediation. 2005 wurde<br />
er von UN-Generalsekretär Kofi Annan als<br />
stellvertretender Direktor der UN Alliance of<br />
Civilizations berufen, die dem Extremismus<br />
und der Polarisierung in der Welt entgegenwirken<br />
soll. Er arbeitete für das Weltwirtschaftsforum<br />
und als Berater für Search for<br />
Common Ground (SFCG/Suche nach einer<br />
gemeinsamen Basis), einer Organisation für<br />
Konfliktlösung mit Büros in 17 Ländern. Der<br />
40-jährige New Yorker ist Mitglied im Netzwerk<br />
Muslim Leaders of Tomorrow (Muslimische<br />
Führer von morgen) und im Netzwerk<br />
Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums.<br />
Idriss lebt mit Frau und zwei Töchtern<br />
in der Nähe von New York.<br />
Überwindung von Unwissenheit und Vorurteilen<br />
geht, ist das Internet unverzichtbar.<br />
Manch einer könnte meinen, dass Soliya<br />
die westlichen Werte aushöhlt, andere<br />
argwöhnen vielleicht, dass Sie ein Kollaborateur<br />
des Westens sind.<br />
Gab es alles. Viele Leute sind uns gegenüber<br />
anfangs misstrauisch.<br />
Verständlich. Für einen muslimischen<br />
Studenten muss es verdächtig erscheinen,<br />
dass die US-Regierung das<br />
Programm finanziert.<br />
Also zunächst einmal erhalten wir von der<br />
US-Regierung für unser Connect-Programm<br />
keine finanzielle Unterstützung. Die gibt<br />
es nur für das anschließende Stipendiatenprogramm.<br />
Wir werden oft gefragt, wer<br />
uns finanziert und gehen damit sehr offen<br />
um. Wir sind stolz darauf, dass wir von der<br />
norwegischen und der Schweizer Regierung<br />
finanziell unterstützt werden. Wir erhalten<br />
Mittel von der Alwaleed Bin Talal-Stiftung,<br />
der Ford-Stiftung, der <strong>Allianz</strong> Stiftung für<br />
Nordamerika und aus verschiedenen anderen<br />
Quellen. Diese Vielfalt ist für uns von<br />
großer Bedeutung.<br />
Sie kooperieren mit einer Vielzahl von<br />
Universitäten in Ägypten, das von den<br />
Muslimbrüdern regiert wird. Wie sieht<br />
die Zukunft von Soliya in Ägypten aus?<br />
Ich weiß es nicht. Zuvor hatten wir es mit<br />
einem autokratischen Regime zu tun, und<br />
ich war damals wenigstens genauso besorgt.<br />
Aber es gibt vielversprechende Entwicklungen.<br />
Wir haben auch in unserem Programm<br />
Mitglieder und Sympathisanten der Muslimbrüder.<br />
Sie sind Teil der Gesellschaft. Man<br />
kann die Religion dort nicht einfach ausblenden.<br />
Aber auch sie finden das Connect-<br />
Programm gut. Wir unterhalten zwei Klassen<br />
an der Al-Azhar-Universität in Kairo. Und<br />
dort will man unser Angebot ausweiten. Das<br />
zeigt, dass auch Menschen mit religiösen<br />
Überzeugungen echtes Interesse an Austausch<br />
haben.<br />
Im Moment sieht es eher so aus, als<br />
steuere Ägypten auf eine Diktatur zu.<br />
Das kommt auf die Perspektive an. Die<br />
Wahlen im letzten Jahr wurden allgemein<br />
als rechtmäßig angesehen.<br />
Das wurden sie in Deutschland 1933<br />
auch.<br />
Jede Übergangsphase bedeutet für eine<br />
Gesellschaft Risiken. Ich glaube aber nicht,<br />
dass die Entwicklung unvermeidlich diese<br />
Richtung nehmen muss. Ich weiß nicht, ob<br />
Präsident Mursi ein neuer Idi Amin ist oder<br />
ein Abraham Lincoln. Aber ich bin jedem<br />
gegenüber skeptisch, der das schon jetzt<br />
ganz genau sagen kann. Ich will nicht alles<br />
verteidigen, was Mursi tut, aber was mich<br />
stört ist, dass Menschen aus beiden ideologischen<br />
Lagern so von ihrer Meinung überzeugt<br />
sind. Ich glaube, die Situation ist weitaus<br />
komplizierter. Ja, die Gefahr, dass sich die<br />
Sache in eine antidemokratische Richtung<br />
entwickelt, ist da, aber ausgemacht ist das<br />
nicht. Eine der großen Herausforderungen<br />
für jede Übergangsgesellschaft ist Ungeduld.<br />
Dieses gesellschaftliche Experiment<br />
wird mindestens eine Generation brauchen,<br />
wenn nicht mehr. Wir reden hier also von<br />
mindestens 30 Jahren.<br />
Weltweit arbeiten Sie mit über 100<br />
Universitäten in 27 Ländern zusammen.<br />
Wenn Sie ideologische Gräben überwinden<br />
wollen, warum ist dann keine<br />
einzige aus Israel dabei?<br />
Einige unserer Stipendiaten und Moderatoren<br />
kommen aus Israel. Und es gibt auch<br />
Israelis, die an unserem Connect-Programm<br />
teilnehmen. Was Kooperationen mit israelischen<br />
Universitäten angeht, ist das derzeit<br />
allerdings äußerst schwierig. Der Libanon<br />
zum Beispiel ist offiziell noch immer im<br />
Krieg mit Israel. Es könnte für Studenten<br />
sogar gefährlich werden, wenn ihre Universität<br />
offizielle Kontakte mit israelischen<br />
Institutionen unterhielte. Für viele Universitäten<br />
in arabischen Ländern ist es ohnehin<br />
schwierig, sich an unserem Programm zu<br />
beteiligen.<br />
An diesen Realitäten werden virtuelle<br />
Diskussionsrunden nichts ändern.<br />
Wir müssen die Kontakte zwischen den<br />
Menschen ausweiten. Noch immer reichen<br />
ein paar hasserfüllte Agitatoren oder ein<br />
lächerliches Video im Internet, um die<br />
Emotionen aufzuschaukeln und unsere<br />
Gesellschaften gegeneinander in Stellung<br />
zu bringen. Das muss aufhören. Wir müssen<br />
heute trotz aller Differenzen zusammenarbeiten,<br />
um die Vielzahl an Problemen zu<br />
lösen, vor denen die Menschheit als Ganzes<br />
steht. Deshalb ist es so wichtig, dass es<br />
mehr Menschen gibt, die den Willen und<br />
die Fähigkeit dazu haben. Regierungen<br />
allein werden es nicht schaffen, ihr Einfluss<br />
sinkt. Die wichtigste Frage, mit der wir uns<br />
befassen müssen, ist nicht der »Kampf der<br />
Kulturen«, sondern es sind die tiefgreifenden<br />
Unterschiede in der Welt. Nehmen wir die<br />
gesellschaftliche Spaltung in den USA, den<br />
Bruch zwischen Säkularen und Religiösen,<br />
zwischen Linksaußen und Rechtsaußen.<br />
Die Unversöhnlichkeit ist so extrem, dass<br />
wir kaum mehr in der Lage sind, die notwendigsten<br />
Dinge im Land zu erledigen.<br />
Vielleicht sollten Sie ein Dialogprogramm<br />
eigens für die USA aufsetzen.<br />
Es gibt auch in Europa genügend Länder, die<br />
von großen Differenzen geprägt sind. Vergessen<br />
Sie den Kampf zwischen Islam und<br />
dem Westen. Wenn es uns nicht mal gelingt,<br />
in unseren eigenen Ländern über ideologische<br />
Gräben hinweg vernünftig miteinander<br />
zu reden, werden wir die fundamentalen<br />
Probleme der Menschheit nicht in den Griff<br />
bekommen. Wir müssen kooperationsfähig<br />
werden, trotz aller Differenzen.<br />
Solange die Palästinenser keinen<br />
eigenen Staat haben, wird der Bruch<br />
bestehen bleiben.<br />
Das ist der Knackpunkt, da stimme ich zu.<br />
Ich glaube zwar nicht, dass mit der Lösung<br />
dieser Frage alle Probleme verschwinden.<br />
Doch wenn sie nicht gelöst wird, werden<br />
wir in allem, was wir versuchen, beschränkt<br />
bleiben. Für mich liegt der Schlüssel darin,<br />
dass wir immer größere Gemeinschaften<br />
heranbilden, die willens und in der Lage<br />
sind, miteinander zu reden und Einfluss<br />
auf eine Lösung zu nehmen. Es gab in der<br />
Geschichte zahllose andere Konflikte, die<br />
kaum zu bewältigen schienen. Doch am<br />
Ende wurden sie gelöst.<br />
Die Langfassung des Interviews finden Sie im Internet<br />
unter:<br />
HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM/JOURNAL<br />
10<br />
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11
MEINUNGEN<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Leserbriefe<br />
Zu kurz gegriffen<br />
Heidrun Naujoks von <strong>Allianz</strong> Leben in<br />
München kommentiert den Artikel<br />
»Fruchtbare Investitionen« im <strong>Allianz</strong><br />
<strong>Journal</strong> 1/2013:<br />
In dem Artikel »Fruchtbare Investitionen«<br />
von Michael Grimm wird auf die Frage<br />
»Warum müssen (trotz wachsender Erträge<br />
der Landwirtschaft) immer noch Millionen<br />
Menschen hungern?« Bryan Agbabian von<br />
<strong>Allianz</strong> Global Investors mit der Antwort<br />
zitiert: »Wir produzieren immer noch nicht<br />
genug.« Diese Aussage wird einfach so<br />
stehen gelassen, als handele es sich um eine<br />
unstrittige Wahrheit.<br />
Die Antwort greift aber viel zu kurz, ist<br />
vielleicht sogar falsch. Laut den Vereinten<br />
Nationen werden zum Beispiel weltweit<br />
jährlich zirka 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel<br />
in den Müll geworfen. Die in den<br />
Industrienationen weggeworfene Menge<br />
allein könnte theoretisch ausreichen, um<br />
alle hungernden Menschen zu ernähren.<br />
Es werden laut Ansicht vieler Experten also<br />
durchaus zwar ausreichend Nahrungsmittel<br />
produziert, nur sind diese eben nicht gerecht<br />
verteilt.<br />
Es gibt zu der Thematik noch zahlreiche<br />
andere Gesichtspunkte, und es wäre schön<br />
gewesen, wenn diese zumindest kurze<br />
Erwähnung in dem Artikel gefunden hätten,<br />
denn für einfache Antworten ist das Thema<br />
definitiv zu komplex. Und nicht zuletzt: Ob<br />
global agierende Agrarkonzerne beziehungsweise<br />
deren Investoren tatsächlich der<br />
Landwirtschaft in den armen und ärmsten<br />
Regionen der Welt im Endeffekt helfen, darf<br />
zumindest bezweifelt werden.<br />
Zum Thema Fleischkonsum teile ich die<br />
Ansicht des Ökonomen Gernot Klepper<br />
und vieler Experten, die in der steigenden<br />
Nachfrage nach Fleisch weltweit ebenfalls<br />
eine der Ursachen von Nahrungsmittelverknappung<br />
aufgrund des zunehmenden<br />
Futtermittelanbaus sehen. Mich würde<br />
interessieren, ob die <strong>Allianz</strong> trotzdem auch<br />
Investitionen in Unternehmen der Fleischindustrie<br />
tätigt. Man muss vermutlich leider<br />
davon ausgehen, wenn die Investitionen des<br />
Global Agricultural Trends Fonds tatsächlich<br />
»das gesamte Spektrum von Lebensmittelproduktion,<br />
-verarbeitung, und -verteilung«<br />
abdecken.<br />
Leser-Forum<br />
Hat Ihnen das <strong>Journal</strong> gefallen? Oder ging<br />
Ihnen etwas gegen den Strich? Wenn Sie<br />
Anregungen, Hinweise oder Kritik haben –<br />
hier können Sie sie loswerden:<br />
journal@allianz.de<br />
Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />
Königinstr. 28, 80802 München<br />
Group Intranet (GIN) → <strong>Allianz</strong> key information<br />
→ <strong>Journal</strong><br />
http://knowledge.allianz.com/journal<br />
Redaktionsschluss für das<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2013 ist der<br />
30. August 2013.<br />
Verheerende<br />
Auswirkungen<br />
Auch Sepp Sperr von der <strong>Allianz</strong><br />
Deutschland in München setzt sich mit<br />
dem Artikel »Fruchtbare Investitionen«<br />
auseinander:<br />
Sie schreiben »Wir produzieren immer noch<br />
nicht genug«. Das kann ich nicht so stehen<br />
lassen. Haben Sie sich schon mal gefragt,<br />
warum soviel Lebensmittel weggeworfen<br />
werden? Zitat aus dem Film »We feed the<br />
World«: »Tag für Tag wird in Wien gleich viel<br />
Brot entsorgt, wie Graz verbraucht. Auf rund<br />
350 000 Hektar, vor allem in Lateinamerika,<br />
werden Sojabohnen für die österreichische<br />
Viehwirtschaft angebaut, daneben hungert<br />
ein Viertel der einheimischen Bevölkerung.<br />
Jeder Europäer isst jährlich zehn Kilogramm<br />
künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus<br />
Südspanien, wo deswegen die Wasserreserven<br />
knapp werden.« Weiter schreiben Sie,<br />
»Unser Fonds investiert in Firmen, die dazu<br />
beitragen, die Lebensmittelproduktion zu steigern.«<br />
Allerdings schreiben Sie – vermutlich<br />
Shutterstock<br />
ganz bewusst – nicht, in welchen Gegenden<br />
diese Firmen die Lebensmittelproduktion<br />
steigern.<br />
Auch Ihre Meinung, dass die Biospritproduktion<br />
nur geringen Einfluss auf die Preise hat,<br />
kann ich nicht teilen. Abgesehen davon, dass<br />
Biosprit äußerst umweltschädlich ist (zum<br />
Beispiel durch Abholzen von Regenwald),<br />
wird durch die Umnutzung von Grundnahrungsmitteln<br />
zu Treibstoffen die Nachfrage<br />
nach diesen Rohstoffen erhöht, und somit<br />
steigen auch die Preise, die sich die armen<br />
Länder dann nicht mehr leisten können.<br />
Reiche Bauern, die Überschüsse produzieren<br />
können, verkaufen dann lieber die Nahrungsmittel<br />
an reiche Länder, so dass es in den<br />
armen Ländern noch weniger zu essen gibt,<br />
und streichen somit auch noch einen beträchtlichen<br />
Gewinn ein. Die armen Bauern<br />
können dagegen kaum soviel erzeugen, dass<br />
sie selber satt werden, und müssen somit<br />
auch noch die teuren Lebensmittel kaufen,<br />
die sie sich nicht leisten können.<br />
Zustimmen kann ich, dass nur ein ökologischer<br />
Ernährungsstil Abhilfe schafft,<br />
aber sicher kein verstärkter Düngereinsatz.<br />
Denn Dünger wird meist auch<br />
nur da eingesetzt, wo es sowieso schon<br />
genug zu essen gibt oder die Landwirtschaft<br />
ihre Erzeugnisse exportiert (zum Beispiel<br />
Soja aus Brasilien). Und das hat verheerende<br />
Auswirkungen.<br />
Mehr als nur<br />
finanzielle Hilfe<br />
Linda Murphy von <strong>Allianz</strong> Global<br />
Corporate & Specialty in Los Angeles<br />
über die Kooperation der <strong>Allianz</strong> mit<br />
MyHandicap:<br />
Vor kurzem hat ein Mitglied meiner Familie<br />
ein Bein verloren. Es folgten zahlreiche<br />
Operationen und Monate, in denen wir<br />
uns alle an dieses neue Leben mit Rollstuhl<br />
und Prothese gewöhnen mussten. Es ist<br />
großartig, dass die <strong>Allianz</strong> dem Einzelnen<br />
nicht nur finanzielle Unterstützung bietet,<br />
sondern mit sozialen Initiativen zusammenarbeitet,<br />
die versuchen, die Lebensqualität<br />
der Betroffenen zu verbessern. Wir hatten<br />
zuvor noch nicht von MyHandicap gehört<br />
und haben uns gefreut, von den Vorteilen,<br />
die die Organisation bietet, zu erfahren.<br />
Die Versicherungsprodukte, die in Zukunft<br />
angeboten werden sollen, werden behinderten<br />
Menschen helfen. Es ist schön für ein<br />
Unternehmen zu arbeiten, das mit solchen<br />
Organisationen kooperiert.<br />
Frust im Vertrieb<br />
<strong>Allianz</strong> Hauptvertreter Horst Frei aus<br />
Mosbach in Baden-Württemberg zum<br />
Interview mit dem Chef von <strong>Allianz</strong><br />
Global Automotive, Karsten Crede:<br />
Dass die <strong>Allianz</strong> im Bereich Global Automotive<br />
wachsen will, ist verständlich. Warum<br />
jedoch dieser Artikel im <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />
erscheint, ist mir persönlich schleierhaft.<br />
Meine Kollegen und ich leben vom Versicherungsverkauf.<br />
Nun hat man wieder einmal<br />
den Wettbewerber im eigenen Hause. Wir<br />
haben in Kraft gerade zwei Jahre mit erheblichen<br />
Prämienanpassungen hinter uns.<br />
Viele Kunden haben uns verärgert ob des<br />
Preises verlassen.<br />
Gleichzeitig wird der designierte Vorstandsvorsitzende<br />
der neu gegründeten<br />
VW-Versicherung (unter Federführung der<br />
<strong>Allianz</strong>!) mit den Worten »Beim Preis sehen<br />
wir noch Luft nach unten« in der Presse<br />
zitiert. Und dies bei einem Versicherer, der<br />
jetzt schon erheblich günstiger ist und auch<br />
noch bessere Leistungen anbieten kann als<br />
der <strong>Allianz</strong> Vertreter um die Ecke.<br />
Solch ein Artikel motiviert den Ausschließlichkeitsvertrieb<br />
sicher ungemein. Ich erwarte<br />
nicht, dass künftig jeder Artikel im <strong>Allianz</strong><br />
<strong>Journal</strong> Freudentänze bei mir auslöst, jedoch<br />
wäre etwas »Feingefühl« angebracht, um<br />
den Vertrieb nicht noch mehr zu frustrieren.<br />
»Viele Wege führen<br />
nach Rom«<br />
Axel Steinhoff von der <strong>Allianz</strong> Beratungsund<br />
Vertriebs-AG in München geht auf<br />
das Interview zum Thema Unternehmenskultur<br />
mit Dieter Wemmer und<br />
Manuel Bauer ein:<br />
Frank Stern hat in seinem Interview mit<br />
Manuel Bauer und Dieter Wemmer die<br />
Frage gestellt, wie sich unterschiedliche<br />
Wertesysteme und Kulturen auf Führungsverhalten<br />
und Führungskultur auswirken,<br />
aber meines Erachtens nach leider nur eine<br />
Antwort zu einer Seite der Medaille erhalten.<br />
Die gegebene Antwort wirkte auf mich<br />
eher wie ein aus deutscher Sicht verfasster<br />
Kommentar zum Entwicklungsstand eines<br />
anderen Wertesystems. Dabei stand offenbar<br />
im Vordergrund, was deutsches (Führungs-)<br />
Verhalten in den genannten Ländern<br />
bewirkt hat, zum Beispiel im Sinne einer<br />
anderen Kommunikation oder eines anderen<br />
Informationsaustausches.<br />
Eine andere Intention der Frage war nach<br />
meinem Verständnis aber anders herum<br />
gemeint, also welche Effekte andere Wertesysteme<br />
und Kulturen auf Führungsverhalten<br />
generell haben, so zum Beispiel auch auf das<br />
Verhalten von Führungskräften hier im eigenen<br />
Land. Aus eigener Erfahrung kann ich<br />
sagen, dass die Akzeptanz und der Respekt<br />
vor anderen Kulturen, Werte- und Kommunikationssystemen<br />
ein nicht zu unterschätzendes<br />
Thema ist, sowie natürlich dann<br />
auch der Umgang damit im Kontext unseres<br />
Systems oder unserer Richtlinien.<br />
Meiner Auffassung nach liegt der Effekt solcher<br />
Erfahrungen in ausländischen Kulturen<br />
eher in einer bereichernden und heilsamen<br />
Reflexion unseres Führungsverhaltens. Damit<br />
kann es dann auch gerade hier vor Ort gelingen,<br />
tolerant und offen zu werden für die<br />
vielen Wege, die nach Rom führen.<br />
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13
Global<br />
dpa / picture-alliance<br />
Kein Ort.<br />
Nirgends<br />
Es gehört zu den großen Mysterien unserer<br />
Zeit, dass die Natur die Versicherungsbranche<br />
immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt.<br />
Das Erdbeben in Neuseeland, der Tsunami in<br />
Japan, die Jahrhundertflut in Thailand – jedes<br />
Mal staunt die Fachwelt, dass es keiner hat<br />
kommen sehen. Seit 2011, dem schlimmsten<br />
Katastrophenjahr aller Zeiten, versucht eine<br />
Einheit bei der <strong>Allianz</strong>, den Blick fürs Risiko zu<br />
schärfen.<br />
FRANK STERN<br />
Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt auf der Erde<br />
keinen sicheren Ort. Nirgends. Der Meteorit, der am<br />
15. Februar über dem russischen Tscheljabinsk explodierte,<br />
hat das einmal mehr deutlich gemacht. »Wäre der<br />
Brocken etwas später runtergekommen, hätte es zum<br />
Beispiel auch Deutschland treffen können«, sagt Markus<br />
Aichinger. »Da wären dann ein paar Scheiben mehr zu<br />
Bruch gegangen als im Ural.«<br />
Aichinger gehört zu einer Gruppe von Experten, die <strong>Allianz</strong><br />
Underwriter dabei unterstützen soll, das Schadenpotenzial<br />
von Naturereignissen vor allem in der Firmenversicherung<br />
(MidCorp) besser zu erkennen und eine adäquate Prämie<br />
anzusetzen. Meteoriten stehen beim NatCat-Team (Naturkatastrophen)<br />
des Bereichs Global P&C (Property/Casualty –<br />
Schaden- und Unfallversicherung) dabei weniger im Fokus.<br />
»Die Wahrscheinlichkeit, dass einem so ein Teil auf den<br />
Kopf fällt, ist verschwindend gering«, sagt Aichinger. »Was<br />
Am 11. März 2011 löste ein Erdbeben vor der Ostküste der japanischen<br />
Hauptinsel Honshu einen verheerenden Tsunami aus. Über 20 000 Menschen<br />
kamen in den Fluten ums Leben<br />
die Profitabilität des Geschäfts auffrisst, sind die vielen<br />
Schäden durch Hagel, Wasser und Sturm. Der Trend zeigt<br />
hier eindeutig nach oben.«<br />
Aichinger, von Haus aus Meteorologe, sieht die Prämien<br />
immer einen Schritt hinter den Ausgaben hinterherhinken.<br />
»Das Schaden- und Unfallgeschäft trägt zu fast<br />
50 Prozent zum operativen Ergebnis der <strong>Allianz</strong> bei. Wir<br />
hätten ein Riesenpotenzial, wenn wir hier nur einen Tick<br />
besser wären«, ist er sicher. Die P&C Academy, Teil des<br />
2011 ins Leben gerufenen Bereichs Global P&C, soll den<br />
Underwritern der Gruppengesellschaften dafür das technische<br />
Know-how mit auf den Weg geben. Aichinger<br />
und Kollegen sind auch dort im Einsatz (siehe Kasten).<br />
Global P&C<br />
Der Bereich Global P&C wurde 2011 ins Leben gerufen. Er soll<br />
<strong>Allianz</strong> Gesellschaften dabei unterstützen, die Profitabilität<br />
ihres Schaden- und Unfallgeschäfts zu sichern. In Seminaren<br />
und Lehrgängen der P&C Academy wird dazu das technische<br />
Know-how für Risikobewertung, Tarifgestaltung und Portfolio-Management<br />
vermittelt. Zudem nehmen Fachleute von<br />
Global P&C jedes Jahr die Schaden- und Unfallbereiche mehrerer<br />
<strong>Allianz</strong> Gesellschaften unter die Lupe (MidCorp Business<br />
Reviews) und erarbeiten Vorschläge zur Verbesserung der<br />
Profitabilität. Erfolgreiche Praxismodelle werden auch anderen<br />
Gruppengesellschaften vorgestellt und fließen in die Programme<br />
der P&C Academy ein. Seit 2012 unterstützt das NatCat-<br />
Team von Global P&C unter Leitung von Edzard Romaneessen<br />
<strong>Allianz</strong> Einheiten speziell beim Absichern des Geschäfts gegen<br />
Naturereignisse sowie gegen die Akkumulation von Risiken<br />
im Portfolio.<br />
GLOBALPC@ALLIANZ.COM<br />
14<br />
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15
GLOBAL<br />
Dlouhy<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
beide Fotos: Roth<br />
Neben Risikobewertung und Tarifberechnung wird in den<br />
Seminaren und Lehrgängen der P&C Academy auch die<br />
grundsätzliche Frage diskutiert, wie in den Tochtergesellschaften<br />
der Gefahr der Risikohäufung begegnet werden<br />
kann – ein Problem, das die Flut in Thailand 2011 drastisch<br />
vor Augen geführt hat. »Unsere Underwriter dürfen nicht<br />
nur das Einzelrisiko im Auge haben«, betont Raimund<br />
Büllesbach, Leiter der P&C Academy. »Sie müssen auch<br />
verstehen, wie ihre Zeichnungspraxis die Belastung des<br />
Portfolios durch Katastrophen ereignisse und damit letztlich<br />
auch das Gesamtergebnis der Gruppe beeinflusst.«<br />
Für diesen Blick aufs Ganze brauchen sie allerdings die<br />
technischen Mittel. Und genau das ist die Crux: IT-Systeme,<br />
die über die Häufung ähnlich gelagerter Risiken in<br />
einer Region Aufschluss geben könnten, fehlen häufig –<br />
zumindest im Firmengeschäft. Andere Bereiche sind da<br />
bereits einen Schritt weiter. <strong>Allianz</strong> Global Corporate &<br />
Specialty (AGCS) zum Beispiel setzt schon seit Jahren auf<br />
Raimund Büllesbach:<br />
»Unsere Underwriter dürfen<br />
nicht nur das Einzelrisiko im<br />
Auge haben«<br />
Das NatCat-Team: Meteorologe Markus Aichinger,<br />
Ozeanograph Edzard Romaneessen und Volkswirt<br />
Curzio Coli (v.l.)<br />
Google Earth, um bei der Versicherung von Großunternehmen<br />
Kumulrisiken aufzuspüren. Google Earth liefert<br />
die Geodaten, die Angaben über versicherte Objekte<br />
samt Versicherungssummen und Selbstbehalten steuert<br />
die AGCS-Datenbank bei. Auch die Beratungseinheit<br />
<strong>Allianz</strong> Risk Consultants (ARC) nutzt Google Earth mittlerweile.<br />
Im Firmengeschäft gibt es ein ähnliches Instrument<br />
bislang nicht.<br />
Die Überlegung, sich in einem Markt in Stellung zu bringen,<br />
könne natürlich dazu führen, Policen, zumindest<br />
zeitweise, ganz bewusst unter Preis anzubieten, erläutert<br />
Markus Aichinger: »Eine solche Durststrecke in Kauf<br />
zu nehmen, macht unter Umständen durchaus Sinn,<br />
aber man muss wissen, was man tut, und sich vorher<br />
überlegen, wo die Schmerzgrenze liegt.« Doch gerade in<br />
den Wachstumsmärkten förderte in der Vergangenheit<br />
oft erst ein Großschadenereignis zutage, dass man sich<br />
bei Risiko und Tarif verkalkuliert hatte. Vor derart bösen<br />
Überraschungen will das NatCat-Team von Global P&C<br />
die <strong>Allianz</strong> künftig bewahren.<br />
Als Meteorologe hat Aichinger dabei naturgemäß vorrangig<br />
Sturm, Hagel und Überschwemmungen im Visier.<br />
»Atmosphärische Ereignisse verursachen bei uns die<br />
meisten Schäden«, konstatiert der Wetterfachmann. »In<br />
den Prämien spiegelt sich das Risiko jedoch oft nur unzureichend<br />
wieder.« Eine kleine Verschnaufpause erhofft<br />
er sich von der Tatsache, dass die globale Erwärmung<br />
seit 15 Jahren stagniert: »Vielleicht gibt uns das ja etwas<br />
Spielraum, um mit den Prämien wieder aufzuschließen.«<br />
Signal aus Spanien<br />
<strong>Allianz</strong> Vorstände Dieter Wemmer (li.) und Michael Diekmann<br />
zogen in Barcelona eine positive Bilanz<br />
Bislang ist die <strong>Allianz</strong> ziemlich glatt durch die Finanzkrise gekommen, besser<br />
jedenfalls als viele ihrer Wettbewerber. Auf dem diesjährigen <strong>Allianz</strong> International<br />
in Barcelona diskutierten 200 Top-Manager aus 40 Ländern darüber, wie man<br />
die Spitzenposition verteidigt.<br />
PETRA KRÜLL<br />
»Die <strong>Allianz</strong> steht jetzt dort, wo ich sie immer<br />
haben wollte.« Zum Auftakt des <strong>Allianz</strong><br />
International (AZI) im März in Barcelona<br />
erläuterte <strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann,<br />
wie die Gruppe die Spitzenposition in der<br />
Branche beim operativen Ergebnis erreicht<br />
hat und wie mit einer soliden Anlagebasis<br />
die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes<br />
abgefedert werden konnten. »Ja, wir können<br />
zufrieden sein«, fügte er hinzu, um gleich<br />
wieder vor zu viel Übermut zu warnen:<br />
»An der nächsten Ecke könnten bereits die<br />
nächsten Gefahren lauern.«<br />
Neben Strategie und Finanzen standen auch<br />
Digitalisierung, Vertrieb, Lebensversicherungsprodukte,<br />
Anlagen und Risiken auf der<br />
Tagesordnung des zweitägigen Treffens.<br />
Um all die Herausforderungen der Gegenwart<br />
zu bewältigen, braucht die <strong>Allianz</strong> nach<br />
Diekmanns Überzeugung einen übergreifenden<br />
Wertekanon und gemeinsame Ziele.<br />
Finanzvorstand Dieter Wemmer griff den<br />
Faden auf und wies darauf hin, dass es für<br />
die <strong>Allianz</strong> Gruppe gerade beim Kapitaleinsatz<br />
wichtig sei, eine Sprache zu sprechen.<br />
Gleichzeitig hob er die Bedeutung des<br />
Underwriting für die Kontrolle auf der<br />
Ausgabenseite hervor. »Wir haben alles,<br />
worauf es ankommt, aber wir müssen wie<br />
ein Löwe kämpfen, wenn es um die Umsetzung<br />
geht.« Um den Wettbewerb auf<br />
Abstand zu halten und für alle Interessengruppen<br />
ein verlässlicher Partner zu sein, sei<br />
die Kapitalstärke für einen Finanzdienstleister<br />
das wichtigste Argument, so Wemmer.<br />
Viele Redner verwiesen darauf, wie wichtig<br />
einfachere Produkte und Prozesse für die<br />
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
seien. Der starke Markenauftritt der <strong>Allianz</strong><br />
und intelligente Übernahmen wie die in<br />
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GLOBAL<br />
Shutterstock<br />
Deutschland<br />
Belgien und Frankreich oder kürzlich in der<br />
Türkei würden auch künftig für Wachstum<br />
sorgen. Doch die Grundlage für den Erfolg,<br />
da waren sich alle einig, seien die Integrität<br />
und der gute Ruf des Unternehmens.<br />
»Ein tolles Modell«<br />
Das Thema digitale Transformation der<br />
<strong>Allianz</strong> stand auch in diesem Jahr wieder<br />
ganz oben auf der Agenda. Auf diesem<br />
Gebiet ist die spanische <strong>Allianz</strong> Seguros<br />
schon seit langem Vorreiter. Sie hat auf der<br />
iberischen Halbinsel und in Lateinamerika<br />
ein Geschäftsmodell und eine übergreifende<br />
IT-Plattform etabliert und damit allen vorgemacht,<br />
wie sich die Produktivität steigern<br />
und Service und Effizienz verbessern lassen.<br />
Der Wissenstransfer über Ländergrenzen<br />
hinweg sorgte dafür, dass sich die Position der<br />
lokalen Gesellschaften in unterschiedlichsten<br />
Märkten spürbar verbesserte und sich für<br />
die <strong>Allianz</strong> neben Asien und Osteuropa mit<br />
Lateinamerika eine dritte Wachstumsregion<br />
eröffnete. »Ein tolles Modell«, meinte Diekmann<br />
anerkennend.<br />
Die Digitalisierung verändert die Art, wie<br />
Menschen miteinander kommunizieren,<br />
und wirkt sich damit auch auf das Versicherungsgeschäft<br />
aus. Soziale Medien sind<br />
mittlerweile allgegenwärtig, und sie bieten<br />
durch mehr Kontaktpunkte zum Kunden<br />
auch Geschäftsmöglichkeiten. Digitale Elemente<br />
müssten zunehmend in etablierte<br />
Geschäftsmodelle einbezogen werden, um<br />
auch Vertretern bessere Zugangschancen<br />
zum Kunden zu eröffnen, so der Tenor beim<br />
AZI. Darüber hinaus würden es Analyse und<br />
Verwertung der vorhandenen Datenmengen<br />
der <strong>Allianz</strong> erlauben, sich einen umfassenden<br />
Überblick über ihre Kunden und deren Bedürfnisse<br />
zu verschaffen. Das könnte sich letztlich<br />
auch auf die Preisgestaltung auswirken.<br />
Um ein globaler Partner für die Kunden zu<br />
sein, braucht die Gruppe einen integrierten<br />
Ansatz. »Partnerschaft liegt uns am Herzen«,<br />
unterstrich Michael Diekmann in diesem<br />
Zusammenhang. Als Beispiel nannte er die<br />
Initiative »<strong>Allianz</strong> Worldwide Partners«. Sie<br />
soll Know-how und Ressourcen von <strong>Allianz</strong><br />
Global Assistance, Global Automotive, <strong>Allianz</strong><br />
Worldwide Care und des internationalen Krankenversicherers<br />
der <strong>Allianz</strong> France bündeln,<br />
um Geschäftspartner dabei zu unterstützen,<br />
Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt im Vertriebsbereich<br />
war das Maklergeschäft, das heute<br />
bereits mehr als ein Drittel der Versicherungseinnahmen<br />
der <strong>Allianz</strong> ausmacht. Hier<br />
soll das Global Broker Management Team<br />
dafür sorgen, die Marken- und Finanzstärke<br />
der <strong>Allianz</strong> sowie das Know-how der lokalen<br />
Gesellschaften besser zur Geltung zu bringen<br />
und die Zusammenarbeit der <strong>Allianz</strong> Gruppe<br />
mit den großen Maklerhäusern auszubauen.<br />
Auch das Privatkundengeschäft ist in Bewegung.<br />
Kunden nutzen verstärkt digitale<br />
Kanäle und passen längst nicht mehr in<br />
die Schubladen der traditionellen Vertriebsphilosophie.<br />
Eine Entwicklung, der die <strong>Allianz</strong><br />
mit einem modularen Produktansatz begegnet,<br />
mit verschiedenen Zugangskanälen für<br />
den Kundenkontakt, mit Online-Spezialisten<br />
und persönlicher Beratung auf Abruf – wann<br />
und wo der Kunde dies wünscht. Die <strong>Allianz</strong><br />
Ungarn hat dieses Modell bereits erfolgreich<br />
eingeführt und 1600 ihrer Vertreter entsprechend<br />
ausgestattet.<br />
Demographische<br />
Herausforderungen<br />
Ein weiteres Thema in Barcelona war die<br />
Altersvorsorge. »Die sozialen Sicherungssysteme<br />
decken die demographischen<br />
Herausforderungen längst nicht ab, deshalb<br />
wird die Lebensversicherung weiterhin gebraucht«,<br />
betonte <strong>Allianz</strong> Vorstand Maximilian<br />
Zimmerer. Doch wie kann die <strong>Allianz</strong> im<br />
gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld Kunden<br />
dabei helfen, ausreichend fürs Alter vorzusorgen?<br />
Wie lassen sich die Geschäftsrisiken<br />
eingrenzen, ohne die Kundenerwartungen<br />
bei Garantien und Renditen zu enttäuschen?<br />
Untersuchungen zeigen, dass die Kunden<br />
bereit sind, Abstriche bei den Garantien zu<br />
akzeptieren, wenn im Gegenzug die Renditen<br />
höher ausfallen. Die Aufgabe der Vertriebsmitarbeiter<br />
sei es, Kunden eine Beratung zu<br />
bieten, die sie zu überlegten, zu ihren Bedürfnissen<br />
passenden Entscheidungen befähigt,<br />
hieß es in Barcelona. Wie meinte einer der<br />
AZI-Teilnehmer? »Was gut ist für den Kunden,<br />
zahlt sich am Ende auch für die <strong>Allianz</strong> aus.«<br />
beide Fotos: Dlouhy<br />
Land der Nörgler?<br />
Demokratie kann mühsam sein: Sie sichert die Teilhabe der Bürger, kann<br />
Entscheidungsprozesse aber auch in ein endloses Gezerre ausarten lassen.<br />
Bei den diesjährigen Benediktbeurer Gesprächen der <strong>Allianz</strong> Umweltstiftung<br />
ging es um die Frage, wie sich Bürgerengagement und die Funktionsfähigkeit<br />
eines modernen Staatswesens in Einklang bringen lassen.<br />
FRANK STERN<br />
18<br />
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DEUTSCH-<br />
LAND<br />
Darchinger<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
»Bürgerbeteiligung heißt nicht, dass am Ende<br />
immer ein gesellschaftlich wünschenswertes<br />
Ergebnis steht.« Beate Jessel<br />
Stuttgart 21 – Protest; Flughafen Frankfurt – Protest;<br />
Energiewende – alle dafür, Windparks und Stromtrassen –<br />
Protest. Landauf, landab das gleiche Bild: egal, wo sich ein<br />
Großprojekt anbahnt, der Widerstand folgt auf dem Fuße.<br />
Gut organisiert, grauhaarig, hartnäckig. Sind die Deutschen<br />
ein Volk der Nörgler, der Blockierer und Verhinderer? Das<br />
war die Frage hinter dem Thema der diesjährigen Benediktbeurer<br />
Gespräche »Bürgerwille gegen Großprojekte«.<br />
Dass die Antworten darauf bei der vom Geschäftführer der<br />
Umweltstiftung, Lutz Spandau, arrangierten Runde nicht<br />
zusammengingen, war zu erwarten.<br />
Die schwierigste Rolle hatte dabei wohl Claudia Roth, die<br />
als Bundesvorsitzende der Grünen sowohl die basisdemokratischen<br />
Wurzeln als auch die Realoqualitäten ihrer Partei<br />
zu verkörpern suchte. Sie plädierte für mehr direkte Bürgerbeteiligung,<br />
machte aber gleichzeitig deutlich, dass für<br />
sie in einer repräsentativen Demokratie das Parlament das<br />
Rückgrat der Entscheidungsfindung bleibt. »Ab einem Punkt<br />
muss die Politik entscheiden«, so Roth. Alle werde man nie<br />
unter einen Hut bekommen.<br />
Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie mit dem<br />
Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, einer<br />
Meinung war. Homann, unter anderem für den fairen Wett -<br />
bewerb bei den Strom- und Gasversorgungsnetzen zuständig,<br />
beklagte allerdings auch die »Verweigerung von Verantwortung«<br />
bei vielen Bürgern. Abstrakte Ziele, wie Energiewende<br />
und der Ausbau des Stromnetzes seien gesellschaftlich un -<br />
umstritten, sobald es aber an die konkrete Umsetzung auf<br />
regionaler und lokaler Ebene gehe, formiere sich Widerstand.<br />
Eigennutz vor Gemeinwohl also, und zwar »unabhängig von<br />
der Parteizugehörigkeit«.<br />
»Quatsch«, konterte Roth da energisch. Dass der Netzausbau<br />
ins Stocken geraten sei, liege nicht an den Bürgern, sondern an<br />
den Energieunternehmen, die Investitionen in diesem Bereich<br />
als nicht lukrativ ansähen. Rückendeckung bekam Homann<br />
dagegen von Peter Schmitz, Vorstand bei der Fraport AG,<br />
der eine zunehmende Abwehrhaltung vieler Bürger gegen<br />
Veränderungen nach dem Motto: »Nicht vor meiner Haustür«<br />
konstatierte. Was beim Frankfurter Flughafen besonders<br />
kurios anmutet, denn natürlich will jeder fliegen, nur eben<br />
ohne Flughafen und Fluglärm. Schmitz wird pro Monat von<br />
rund 1000 Beschwerdeführern aus der Umgebung mit<br />
175 000 Protestschreiben gegen die neue Landebahn eingedeckt,<br />
die 2011 eröffnet wurde. Zudem wird jeden Montag<br />
im Flughafengebäude demonstriert – »ritualhaft wie eine<br />
katholische Messe«, so Schmitz.<br />
Projektkiller Artenschutz<br />
Anke Domscheit-Berg, Internetaktivistin und Mitglied<br />
der Piratenpartei, zeigte mehr Verständnis für die Bürgerwut<br />
und zitierte Untersuchungen, wonach Entscheidungsprozesse<br />
bei Großprojekten von vielen Menschen als<br />
intransparent erlebt werden. Bürgerbeteiligung sei häufig<br />
nichts als Etikettenschwindel, so Domscheit-Berg: »Oft wird<br />
nicht das Ob eines Projekts zur Diskussion gestellt, sondern<br />
nur noch das Wie.« Und auch das meist in einer Sprache,<br />
die ein Laie kaum verstehe. In Domscheit-Bergs Augen<br />
»Feigenblattpolitik«.<br />
Auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz,<br />
beklagte die mangelnde Transparenz vieler Projektverfahren.<br />
Die Planungen müssten ergebnisoffen gestaltet<br />
sein, die betroffenen Menschen frühzeitig einbezogen und für<br />
mögliche Nachteile ein angemessener Ausgleich geschaffen<br />
werden, so Jessel. Landschaftseingriffe durch Großprojekte<br />
tangierten eben auch Heimatgefühl und regionale Identifikation<br />
der Menschen. »Und diese emotionale Komponente<br />
muss man ernst nehmen«, hob die Professorin für Landschaftsentwicklung<br />
hervor. Allerdings verhehlte sie nicht, dass<br />
Natur- und Artenschutz zuweilen nur vorgeschoben sind, um<br />
unliebsame Projekte zu verhindern: Irgendeine gefährdete<br />
Tier- oder Pflanzenart, die man gegen den Ausbau des Flughafens,<br />
gegen S-Bahnen, Nationalparks, Wasserkraftwerke,<br />
Windparks oder Erdkabel ins Feld führen könnte, muss sich<br />
doch wohl finden lassen.<br />
Anke Domscheit-Berg, Claudia Roth, Lutz Spandau, Beate Jessel, Peter Schmitz<br />
und Jochen Homann (v.l.) bei den Benediktbeurer Gesprächen<br />
Mit der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung wird<br />
sich nach Ansicht von Peter Schmitz von Fraport das Beharrungsvermögen<br />
eher noch verstärken. Die demographische<br />
Entwicklung gehe mit einer Abnahme der Veränderungsbereitschaft<br />
im Lande einher, konstatierte der Manager. Der gut<br />
situierte »Wutbürger« habe dabei weder die Enkelgeneration,<br />
noch die Zukunft des Landes im Blick. »Ich bin nicht sehr optimistisch«,<br />
so Schmitzs Fazit. »Wir werden sehr unbeweglich.«<br />
Anke Domscheit-Berg dagegen beobachtet vor allem im<br />
digitalen Raum die Entwicklung einer Bewegung, die sich<br />
nicht verweigert und nicht blockiert, sondern die sich einmischt,<br />
die mitgestalten will, und die sich auch durch verwaltungstechnische<br />
Hürden nicht abschrecken lässt. Welchen<br />
Einfluss die »Netz-Community« bereits hat, zeigte 2012 die<br />
Anti-ACTA-Bewegung, die nach den Worten von Domscheit-<br />
Berg eine Zensurinfrastruktur im Internet verhinderte, oder<br />
auch das von zivilgesellschaftlichen Gruppen initiierte Transparenzgesetz<br />
in Hamburg. Es verpflichtet die Behörden der<br />
Hansestadt, all ihre Informationen im Internet zugänglich zu<br />
machen – ein Novum in Deutschland.<br />
»Bürgerbeteiligung heißt freilich nicht, dass am Ende immer<br />
ein gesellschaftlich wünschenswertes Ergebnis steht«,<br />
bremste Beate Jessel allzu viel Euphorie. In Baden-Württemberg<br />
etwa liegt die grün-rote Landesregierung gerade im<br />
Clinch mit dem Wahlvolk, das partout keinen Nationalpark<br />
im Nordschwarzwald haben will. In Nordrhein-Westfalen<br />
hat Bürgerwille die Einrichtung eines Nationalparks bereits<br />
verhindert. »Die Gefahr, dass sich die Menschen reflexartig<br />
gegen ein Projekt aussprechen, ist groß«, unterstrich auch<br />
Jochen Homann von der Bundesnetzagentur. Und der hat<br />
damit einige Erfahrung.<br />
Dabei treibt der Widerspruch zuweilen seltsame Blüten:<br />
Da formiert sich die Bürgerwehr in einer Region gegen das<br />
Verlegen von Erdstromkabeln, während die Menschen in<br />
einem anderen Bezirk vehement dafür eintreten, um Überlandleitungen<br />
zu verhindern. »Manchmal könnte man den<br />
Eindruck gewinnen, dass Protest zum Geschäftsmodell für<br />
Gutachter und Anwälte geworden ist«, meinte Homann.<br />
Die Politik ist ihm in diesen Auseinandersetzungen bislang<br />
keine wirkliche Hilfe gewesen. Die größte Gefahr für die<br />
Energiewende sei die Uneinigkeit der Bundesländer über die<br />
Zukunft der Energieversorgung, so der Chef der Netzagentur.<br />
»16 unterschiedliche Meinungen addieren sich am Ende<br />
zum größten Unsinn. Wir leiden bei diesem Thema unter<br />
dem Föderalismus.«<br />
Chefsache Energiewende<br />
Claudia Roth, die bei Homanns Ausführung ihren Ärger<br />
kaum verbergen konnte, machte dagegen die Bundesregierung<br />
als Schuldigen der Wende-Misere aus. Es gehe nicht an,<br />
dass sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium bei diesem<br />
Thema gegenseitig blockierten, sagte die Grünen-Politikerin:<br />
»Da braucht es Kohärenz, das muss Chefsache werden.«<br />
Da hatte sie Peter Schmitz ganz auf ihrer Seite. »Die Politik<br />
muss eine klare Linie vorgeben«, bekräftigte auch der<br />
Fraport-Vorstand.<br />
Dass diese klare Linie der Politik nicht immer ausreicht,<br />
hat Roths Partei beim heiß umkämpften Prestigeprojekt<br />
Stuttgart 21 bereits schmerzlich erfahren müssen. Obwohl<br />
sich die Grünen eindeutig gegen das Bahnprojekt ausgesprochen<br />
hatten, wurde der Ausstieg des Landes bei einer<br />
Volksabstimmung 2011 mehrheitlich abgelehnt. Nun muss<br />
die von den Grünen geführte Landesregierung das Vorhaben<br />
umsetzen. »Da haben wir krachend verloren«, räumte Roth<br />
ein. Dass direkte Bürgerbeteiligung für eine lebendige<br />
Demokratie für sie dennoch unverzichtbar bleibt, daran aber<br />
ließ sie keinen Zweifel: »Auch wenn’s manchmal wehtut.«<br />
HTTPS://UMWELTSTIFTUNG.ALLIANZ.DE<br />
»Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass Protest zum<br />
Geschäftsmodell für Gutachter und Anwälte geworden ist.« Jochen Homann<br />
20<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
21
DEUTSCH-<br />
LAND<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Vom Ende der Männer und<br />
der Feigheit der Frauen<br />
Vor gut einem Jahr betrug der Anteil von Frauen im Top- und Mittelmanagement<br />
in deutschen Großunternehmen knapp 15 Prozent. Viel mehr sind es seither nicht<br />
geworden. In einer Studie ist die Fraunhofer-Gesellschaft den Ursachen für den<br />
Frauenmangel in der Chefetage nachgegangen.<br />
FRANK STERN<br />
Die Botschaften zum Thema Frauen und Karriere sind widersprüchlich. Während US-Autorin<br />
Hanna Rosin in ihrem jüngsten Buch bereits »Das Ende der Männer« verkündet, beklagt die<br />
deutsche <strong>Journal</strong>istin Bascha Mika auf über 200 Seiten »Die Feigheit der Frauen«. Was<br />
bremst Frauen beim beruflichen Aufstieg? Wollen sie nicht? Können sie nicht? Sind sie<br />
Opfer von Männerbünden, die ihre Ambitionen im Keim ersticken?<br />
In einer Ende letzten Jahres vorgelegten Studie mit dem Titel »Unternehmenskulturen<br />
verändern – Karrierebrüche vermeiden« ist die Fraunhofer-Gesellschaft den Ursachen für<br />
den Frauenmangel in deutschen Führungsetagen nachgegangen. Neun Großunternehmen,<br />
von Daimler über Bosch, EADS und Microsoft bis hin zur <strong>Allianz</strong> Deutschland, haben sich an<br />
der Untersuchung beteiligt, für die zwischen März und November 2011 insgesamt 220 weibliche<br />
und männliche Führungskräfte befragt wurden. Ergebnis: Männer und Frauen passen<br />
nicht zusammen – jedenfalls nicht, was ihre Vorstellungen von Aufstieg und Karriere angeht.<br />
Kinder als Karrierebremse<br />
»Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen«, so das Fazit der vier Autorinnen<br />
der Studie, »ist ein umfassender Kulturwandel in Unternehmen nötig.« Mentoring- und<br />
Seminarangebote speziell für Frauen reichten nicht aus, um Karrierebrüche zu vermeiden.<br />
Im Gegenteil: Für die Akzeptanz von Frauen im Unternehmen sind sie nicht selten sogar<br />
kontraproduktiv, lautet eine der eher überraschenden Erkenntnisse der Studie. Der Grund:<br />
Sonderprogramme zur Frauenförderung nährten das Vorurteil, dass Frauen Führungsdefizite<br />
haben, die mit speziellen Maßnahmen beseitigt werden müssten.<br />
»Bei Vorgesetzten und Personalabteilungen fehlt oft das Bewusstsein für die lebensphasenabhängige<br />
Gebundenheit von Karriereentscheidungen«, so die Studie. Will heißen: Wer seine<br />
Karriereschritte im Einklang mit der persönlichen Lebenssituation plant, gilt als unflexibel.<br />
»Eine langfristige, lebensphasenorientierte Karriereplanung«, lautet das ernüchternde Fazit<br />
der Fraunhofer-Untersuchung, »ist derzeit nicht implementiert und akzeptiert.«<br />
Besonders für Frauen ist es ein kaum auszugleichender Nachteil, dass über Karrieren im Mittelund<br />
Topmanagement im Lebensjahrzehnt zwischen 30 und 40 Jahren entschieden wird – dem<br />
Zeitraum also, in den heute häufig auch die Familienphase fällt. Späte Karrieren ab 40 Jahre<br />
sind rar gesät. Weibliche Führungskräfte, die nach der Elternzeit in den Job zurückkehren wollen,<br />
müssen erst einmal sehen, wo sie eine adäquate Stelle im Unternehmen finden. Systematische<br />
Wiedereinstiegsprogramme? Meist Fehlanzeige. Dabei sind es bis zur Rente dann immer noch<br />
gut 20 Jahre. Indem Unternehmen die Fähigkeiten und Erfahrungen von Mitarbeiterinnen,<br />
die bei Geburt eines Kindes eine Karrierepause einlegen, übersehen, verschenken sie viel an<br />
Potenzial, schreiben die Autorinnen von Fraunhofer. Die Folge: Höhere Managementpositionen<br />
werden oft von Personen ohne außerberufliche Aufgaben oder familiäre Pflichten besetzt.<br />
Zitat aus der Studie: »Die männlichen Führungskräfte mit Kindern leben zu einem Großteil in<br />
Partnerschaften, in denen die Partnerin nicht oder in Teilzeit berufstätig ist und viele der außerberuflichen<br />
Pflichten übernehmen kann. Weibliche Führungskräfte haben meist in Vollzeit<br />
berufstätige Partner und sind öfter kinderlos als ihre männlichen Kollegen.«<br />
Die ökonomische Karte<br />
Nun ist ein Wirtschaftsunternehmen kein Wohlfahrtsverein. Deshalb versuchen die Autorinnen<br />
auch gar nicht erst, mit dem Hinweis auf mehr Fairness zwischen Männern und Frauen<br />
zu argumentieren. Sie spielen die ökonomische Karte und verweisen an mehreren Stellen auf<br />
den produktiven Nutzen, den ein höherer Frauenanteil für Unternehmen bringt. Vergleichende<br />
Studien haben die wirtschaftlichen Vorteile belegt. Das verstehen auch Männer. Die treibt<br />
nun allerdings zunehmend die Sorge um, dass sie durch den gesellschaftlichen Druck, mehr<br />
Frauen Führungsverantwortung zu übertragen, ins Hintertreffen geraten könnten. Einer der<br />
Befragten meinte, bei dem Versuch, die Versäumnisse der letzten Generationen aufzuholen,<br />
überdrehten die Unternehmen inzwischen das Rad: »Die jungen männlichen<br />
Kollegen sagen dann schon, ich hab hier eh keine Chance, was zu werden.«<br />
Andere Ergebnisse dagegen waren zu erwarten. Etwa, dass Kinder vor allem für<br />
Frauen zur Karrierebremse werden, nicht aber für die stolzen Väter. Oder dass<br />
Auszeiten und Teilzeitangebote zwar offiziell von Männern und Frauen in<br />
Anspruch genommen werden können, sie in der Realität aber meist von<br />
Frauen genutzt werden. Geht ein Mann für einige Zeit in die Babypause,<br />
sind die Karrierenachteile für ihn interessanterweise deutlich ausgeprägter<br />
als für Frauen, zeigt die Studie auf. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,<br />
die eine Auszeit nehmen, »stehen meist nicht im Fokus von Besetzungsentscheidungen«,<br />
umschreiben die Autorinnen galant die aktuelle<br />
Benachteiligungspraxis in vielen Unternehmen. Lediglich eine kurze<br />
Elternzeit bleibt ohne Auswirkungen auf die Karriere.<br />
Shutterstock<br />
Doch das Ende der Männer ist damit wohl noch nicht gekommen.<br />
Häufig, so jedenfalls die Klage von Personalverantwortlichen, Gleichstellungsbeauftragten<br />
und Headhuntern, wollen Frauen gar keine<br />
Führungsaufgaben übernehmen. Jedenfalls nicht unter den aktuellen<br />
Bedingungen, wo sie ihre Lage nicht angemessen berücksichtigt<br />
sehen und das Gefühl haben, für das gleiche Maß an Wertschätzung<br />
und Anerkennung mehr leisten zu müssen. Mit Feigheit, wie Bascha<br />
Mika meint, hat das wahrscheinlich weniger zu tun.<br />
WWW.UNTERNEHMENSKULTUREN-VERAENDERN.DE<br />
22<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
23
DEUTSCH-<br />
LAND<br />
My Finance Coach<br />
Seit 2004 hat sich die Zahl junger Schuldner zwischen 18 und<br />
20 Jahren in Deutschland mehr als verdreifacht. In anderen<br />
Ländern sieht es nicht besser aus. Die Stiftung My Finance<br />
Coach hat ein Rezept gegen die Schuldenfallen entwickelt.<br />
FRANK STERN<br />
sehen das kritisch. Sie befürchten, dass die Wirtschaft zu<br />
großen Einfluss auf die Unterrichtsinhalte in der Schule<br />
bekommen könnte und die beteiligten Firmen unterschwellig<br />
Lobbyarbeit im Klassenzimmer betreiben.<br />
Doch genau das passiere bei My Finance Coach eben<br />
nicht, versichert Keller.<br />
Christian<br />
Keller<br />
Vorsicht Schuldenfalle!<br />
Erwachsene haben ja schon so ihre Probleme, den Verlockungen<br />
der Konsumwelt zu widerstehen. Wie sollen<br />
sich da erst Kinder und Jugendliche erfolgreich behaupten,<br />
zumal sie in der Schule kaum lernen, wie man mit<br />
seinem Geld vernünftig umgeht? Um die Bildungslücke<br />
zu schließen, riefen die <strong>Allianz</strong>, Unternehmensberater<br />
McKinsey und die Marketingagentur Grey im Jahr 2010<br />
My Finance Coach ins Leben. Inzwischen sind auch<br />
Wirtschaftsberater KPMG und die Unternehmensgruppe<br />
Haniel dazugestoßen.<br />
Von den einen für ihr Engagement gelobt, von den<br />
anderen kritisch beäugt, ist die Stiftung neben Deutschland<br />
mittlerweile auch in Thailand, Malaysia, Indonesien<br />
und Argentinien aktiv. »Unzureichendes Wissen in<br />
Geldangelegenheiten ist ein globales Problem«, sagt<br />
Geschäftsführer Christian Keller. »Junge Leute brauchen<br />
praxisnahe Finanzbildung, um in der Gesellschaft als<br />
mündige Konsumenten agieren zu können.«<br />
My Finance Coach geht dahin, wo die Lücken am größten<br />
sind: hauptsächlich in Haupt- und Mittelschulen. Sie<br />
stellt von Experten entworfene Unterrichtsmaterialien<br />
zur Verfügung und vermittelt Mitarbeiter der Partnerunternehmen<br />
als Teilzeitlehrkräfte. Verbraucherschützer<br />
Generation Smartphone: My Finance Coach<br />
klärt auf, wo versteckte Kosten lauern<br />
Die gemeinnützige Stiftung, die von der UNESCO zum<br />
offiziellen Projekt der Weltdekade »Bildung für nachhaltige<br />
Entwicklung« erklärt und von der Gesellschaft für<br />
Pädagogik und Information mit dem Comenius-Siegel für<br />
exemplarische Bildungsmedien ausgezeichnet wurde,<br />
lässt von ihren »Hilfslehrern« per Unterschrift bestätigen,<br />
dass sie den Unterricht nicht für Marketingzwecke nutzen.<br />
Keine Unternehmensbroschüre, kein Werbematerial,<br />
nicht mal Kugelschreiber mit Firmenlogo sind erlaubt.<br />
Seit dem Start im Jahr 2010 hat My Finance Coach in<br />
Deutschland mit rund 1350 freiwilligen Unterrichtshelfern<br />
über 200 000 Schüler im Alter von zehn bis<br />
16 Jahren in die Geheimnisse der Finanzen eingeweiht,<br />
hat erklärt, wie man sein Geld richtig einteilt, wie man<br />
Shutterstock<br />
»Wir verstecken nichts«<br />
My Finance Coach, eine Initiative von <strong>Allianz</strong>, Grey,<br />
McKinsey, Haniel und KPMG, will Schülern den<br />
vernünftigen Umgang mit Geld beibringen. Kritiker<br />
sind skeptisch. Fragen an den Geschäftsführer von<br />
My Finance Coach, Christian Keller.<br />
Herr Keller, wie uneigennützig ist My Finance<br />
Coach?<br />
Also, wir verfolgen keine wirtschaftlichen Ziele, wenn<br />
Sie das meinen. Unsere Arbeit hat nichts mit Marketing,<br />
Verkauf oder Datensammeln zu tun. Uns geht es darum,<br />
Jugendliche auf das Leben vorzubereiten und eine Lücke<br />
zu füllen, die das Schulsystem offensichtlich nicht schließen<br />
kann. Da nehmen wir eine wichtige gesellschaftspolitische<br />
Aufgabe wahr. Im besten Falle bilden wir eine<br />
neue Generation von jungen Erwachsenen heran, die<br />
aufgeklärter mit ihren Finanzen umzugehen weiß. Den<br />
Vorteil haben dann später alle, nicht nur die Initiatoren<br />
von My Finance Coach. Ob die jungen Leute dann ein<br />
Auto kaufen, eine Versicherung oder ein Handy, sie werden<br />
in jedem Fall im Umgang mit Geld kundiger sein. Im<br />
Endeffekt dient unser heutiger Einsatz der zukünftigen<br />
Schuldenprävention.<br />
Kritiker befürchten unterschwelligen Einfluss der<br />
Wirtschaft auf Unterrichtsinhalte.<br />
All unsere Unterrichtsmaterialien – und das ist ein wichtiges<br />
Gütesiegel – stehen für jeden zugänglich im Netz.<br />
Wir verstecken nichts. Wir haben einen Verhaltenskodex<br />
entwickelt, der unseren Coaches jede Art von Werbung<br />
im Klassenzimmer untersagt. Verstöße können arbeitsrechtlich<br />
geahndet werden. Das ist kein Spaß. Das Vertrauen,<br />
das uns Schüler und Lehrer entgegenbringen,<br />
ist ein hohes Gut. Damit muss man sorgfältig<br />
umgehen. ▶<br />
24<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
25
DEUTSCH-<br />
LAND<br />
Europa<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
50,4<br />
47,8<br />
46,3<br />
44,6<br />
43,8<br />
43,7<br />
42,3<br />
41,9<br />
41,7<br />
41,7<br />
40,8<br />
40,3<br />
39,9<br />
39,4<br />
39,1<br />
38,6<br />
38,0<br />
38,0<br />
37,4<br />
37,1<br />
35,9<br />
35,6<br />
35,0<br />
34,4<br />
34,0<br />
31,8<br />
Brasilien<br />
Mexiko<br />
Australien<br />
USA<br />
Kanada<br />
Neuseeland<br />
Japan<br />
Weißrussland<br />
Thailand<br />
Malaysia<br />
Ver. Arab. Emirate<br />
Libanon<br />
Taiwan<br />
Ägypten<br />
Bosnien<br />
27,7<br />
27,3<br />
China<br />
Hongkong<br />
Saudi-Arabien<br />
Russland<br />
Serbien<br />
Ukraine<br />
Kolumbien<br />
Indien<br />
Marokko<br />
Südafrika<br />
Vietnam<br />
Indonesien<br />
Pakistan<br />
Finanzbildungsbarometer – 28 Länder im Vergleich (Visa-Studie 2012, max. Punktzahl 100)<br />
erkennt, wo versteckte Kosten lauern, und wie man<br />
vermeidet, sein Budget zu überziehen. Einige der von<br />
Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern konzipierten<br />
Unterrichtseinheiten sind eigens dem Thema<br />
Internet gewidmet. Dort lernen die Schüler, wie sie<br />
ihre persönlichen Daten schützen können, werden<br />
über das Suchtpotenzial von Online-Spielen aufgeklärt<br />
und erfahren, wie man den Fallstricken von »Gratisangeboten«<br />
entgeht.<br />
Doch nicht nur Schüler profitieren von der Nachhilfe.<br />
My Finance Coach bietet auch für Lehrer Finanzworkshops<br />
und kostenlose Internetmodule zur Fortbildung.<br />
Und die Nachfrage steigt. Neben den Gründungsunternehmen<br />
haben sich der Finanzinitiative mittlerweile<br />
über 30 weitere Firmen und Organisationen angeschlossen,<br />
vom Verein SOS Kinderdorf bis zur Stiftung<br />
der Deutschen Wirtschaft, von der TU München bis zur<br />
Wirtschaftswoche.<br />
Nach dem erfolgreichen Start in Deutschland und<br />
ersten Projekten in Asien und Lateinamerika findet My<br />
Finance Coach inzwischen weltweit immer mehr Nachahmer.<br />
In Irland, Frankreich, Polen, Großbritannien und<br />
Brasilien sind bereits Ableger in Vorbereitung, etliche<br />
weitere Länder wollen folgen. Der Nachholbedarf in<br />
Sachen Kaufen, Planen, Sparen scheint enorm. Schulden<br />
machen kann jeder.<br />
WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />
»Eine ungemein<br />
hässliche Spezies«<br />
Warum konzentrieren Sie sich auf Haupt- und Mittelschulen?<br />
Gibt es das Problem mit der Überschuldung<br />
an Gymnasien nicht?<br />
Doch, das gibt es auch dort. Allerdings zielen die meisten<br />
wirtschaftlich orientierten Initiativen ohnehin auf<br />
Gymnasien. Haupt- und Mittelschulen wird weit weniger<br />
Aufmerksamkeit geschenkt. Und die sind für unsere Unterstützung<br />
auf diesem Gebiet auch besonders dankbar. Da<br />
lernen wir großartige junge Leute kennen, die vielleicht<br />
nicht immer die Förderung erhalten, die ihre Altersgenossen<br />
an anderen Schulen bekommen.<br />
Was geben Ihre Hilfslehrer den Schülern konkret mit<br />
auf den Weg?<br />
Wir sagen ihnen immer: Wenn’s um Geld geht, schlaft<br />
eine Nacht drüber. Unterschreibt einen Vertrag nie sofort.<br />
Man kann sich vor Schaden bewahren, wenn man einfach<br />
drüber schläft, und wenn man sich weitere Angebote<br />
einholt und vergleicht.<br />
Machen Sie auch auf die Tricks windiger Finanzberater<br />
aufmerksam?<br />
Wir zeigen auf, auf was sie bei einem Geschäft besonders<br />
achten müssen: auf Kosten, Gewinn und Risiko. Und<br />
nicht zuletzt auf die Frage: Wann komme ich wieder<br />
an mein Geld? Sie müssen es sich zur Regel machen,<br />
immer nach dem Risiko zu fragen, wenn ihnen jemand<br />
traumhafte Gewinne verspricht. Wie viel mehr an Risiko<br />
bedeutet das? Kann ich unter Umständen alles verlieren?<br />
Sie müssen die Ruhe entwickeln, eine Nacht über eine<br />
Entscheidung zu schlafen und nicht dem ersten Impuls<br />
zu folgen. Zudem raten wir ihnen, neutrale Informationen<br />
einzuholen, etwa bei Institutionen wie Finanztest oder den<br />
Verbraucherschutzzentralen.<br />
© Bjorn Olesen<br />
Sex eher die Ausnahme, Nahrung rein vegetarisch, und die meiste<br />
Zeit am Schuften – das Leben eines Nacktmulls ist im Großen und<br />
Ganzen eine recht freudlose Angelegenheit. Und es zieht sich: Bis zu<br />
30 Jahre können die faltigen Nager werden, für Tiere dieser Größe<br />
ein ungewöhnlich hohes Alter. Wissenschaftler sind dem Rätsel der<br />
Langlebigkeit auf der Spur.<br />
FRANK STERN<br />
26<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
27
EUROPA<br />
Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
wegweisende Forschung von der <strong>Allianz</strong> France und der<br />
französischen Vereinigung für Gesundheitsvorsorge Les<br />
Associations de Prévoyance Santé den mit 15 000 Euro<br />
dotierten Wissenschaftspreis für Langlebigkeitsstudien.<br />
Es mag manchen schmerzen, dass die Krone der Schöpfung<br />
nun ausgerechnet bei einem Wesen nach Analogien<br />
sucht, das vom Schicksal so offensichtlich benachteiligt<br />
wurde. Doch vielleicht tragen die Nacktmulle<br />
tatsächlich den Code für ein langes Leben unter ihrer<br />
faltigen Hülle. Jedenfalls deutet einiges darauf hin, dass<br />
sexuelle Abstinenz, geringer Kalorienumsatz und körperliche<br />
Aktivität ihre Lebenserwartung steigen lassen.<br />
Könnte man bei einem solch lustfreien Lebenswandel<br />
natürlich fragen: wozu?<br />
Nur die Königin und ein bis drei Männchen sorgen in<br />
der Mullenkolonie für Nachwuchs, der Rest buddelt<br />
auf Nahrungssuche tagein, tagaus neue Gänge durch<br />
den Untergrund, reinigt den Bau und zieht die Bälger<br />
der Königin groß. Stirbt das Oberhaupt, fetzen sich die<br />
nächsten Thronanwärterinnen die runzelige Haut von<br />
den Knochen, oft mit tödlichem Ausgang. Männchen<br />
dagegen drängen sich nicht unbedingt um einen Platz<br />
am Hof. Noch ist ungeklärt, warum diejenigen, die dann<br />
zur Paarung antreten, plötzlich sehr schnell altern –<br />
doch man ahnt es.<br />
340 000<br />
2013<br />
3 400 000<br />
2050<br />
100 JÄHRIGE<br />
WELTWEIT<br />
AFRIKA<br />
Schönheit ist relativ. Der eine mag dieses, der andere<br />
jenes. Nur wenn es um den ostafrikanischen Nacktmull<br />
geht, sind sich alle weitgehend mit dem briti schen<br />
Naturforscher Alfred Russel Wallace einig, der den<br />
Tunnelgräber einst als eine »ungemein hässliche<br />
KENIA<br />
ÄTHIOPIEN<br />
SOMALIA<br />
Spezies« klassifizierte. Die Haut schon bei der Geburt<br />
faltig, die Augen von dicken Lidern verdeckt, die Zähne<br />
riesig – Heterocephalus glaber, der Glatte Andersköpfige,<br />
ist ein evolutionäres Missgeschick.<br />
Das Geheimnis der Langlebigkeit<br />
Nacktmulle sind in der Lage, beschädigte Proteine aus ihrem<br />
System auszuscheiden und so die Ansammlung von Giftstoffen<br />
im Körper zu verhindern. Ihr träger Stoffwechsel trägt wahrscheinlich<br />
ebenfalls zu einem langsameren Alterungsprozess<br />
bei. Nacktmulle, die hauptsächlich in Ostafrika vorkommen, sind<br />
krebsresistent, sie verfügen über ein Gen, das krankhafte Zellmutationen<br />
verhindert. Schmerzunempfindlich sind sie auch.<br />
Eines freilich, das Wissenschaftler fasziniert, seit es 1842<br />
erstmals von dem deutschen Biologen Eduard Rüppell<br />
beschrieben wurde. Was zum einen daran liegt, dass der<br />
Nacktmull in Kolonien lebt, die – unter Säugern einzigartig<br />
– ähnlich wie bei Ameisen oder Bienen organisiert<br />
sind. Zum anderen widerspricht das mausgroße Tier<br />
der These, dass kleine Arten eine kürzere Lebensspanne<br />
haben als große: Anders als Mäuse, die kaum mehr<br />
als drei Jahre überstehen, können Nacktmulle ein vergleichsweise<br />
biblisches Alter von 30 Jahren erreichen.<br />
Und das bei robuster Gesundheit.<br />
Für Wissenschaftler wie Rochelle Buffenstein vom<br />
Barshop-Institut für Altersforschung der University of<br />
Texas ein perfektes Untersuchungsobjekt. Die Amerikanerin<br />
will die zellulären Mechanismen ergründen,<br />
die die Nacktmulle weitgehend beschwerdefrei altern<br />
lassen. Anfang des Jahres erhielt Buffenstein für ihre<br />
Wieso bei den wurstähnlichen Methusalems trotz hoher<br />
Inzuchtrate kaum Erbkrankheiten auftreten und sie bis<br />
ins hohe Alter weder an Krebs noch an Osteoporose<br />
erkranken, ist nach wie vor ein Rätsel. Die Menschen<br />
werden derweil, auch ohne den Mullen-Code bislang<br />
geknackt zu haben, immer älter. Nach Schätzungen der<br />
UN leben heute auf der Welt bereits über 340 000 Männer<br />
und Frauen, die hundert Jahre und älter sind. Im Jahr<br />
2050 werden es wohl zehnmal so viele sein.<br />
Statistisch gesehen haben übrigens gut ausgebildete<br />
Frauen die größte Chance, die 100er Marke zu schaffen.<br />
Da bekommt der Satz »Man lernt fürs Leben« eine ganz<br />
neue Bedeutung.<br />
HTTP://BARSHOPINSTITUTE.UTHSCSA.EDU<br />
28<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
29
EUROPA<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Am Rande<br />
Die wirtschaftliche Situation des Landes korrespondiert derzeit mit seiner<br />
geographischen Lage: Portugal steht ganz am Rande, die einstige Kolonialmacht<br />
zählt zu den ärmsten Staaten der Europäischen Union. Regierungschef Coelho<br />
hat seinen Landsleuten bereits die Auswanderung ans Herz legt.<br />
alle Fotos: Stern<br />
TEXTE ZU PORTUGAL: FRANK STERN<br />
ALLIANZ PORTUGAL<br />
Wenn Portugal dereinst verwaist sein wird, was angesichts<br />
sinkender Geburtenraten und rasant steigender<br />
Auswanderungszahlen nicht mehr allzu lange dauern<br />
kann, dann wird man sich an seine Bewohner wegen<br />
zweier Errungenschaften erinnern: wegen ihres im Fado<br />
melancholisch vertonten Weltschmerzes und wegen<br />
des blutroten Weins, in dem man ihn ertränken konnte.<br />
Es gab in Portugals Geschichte schon oftmals Gründe,<br />
beides heftig auszukosten, doch die aktuelle Krise dürfte<br />
zu den schwersten zählen, die das Land am Südwestzipfel<br />
Europas je heimgesucht hat.<br />
Die Arbeitslosigkeit liegt bei 17 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit<br />
kratzt mittlerweile an der 40er Marke. Nur<br />
in Spanien (56 Prozent) und Griechenland (60 Prozent)<br />
sieht es für die Jungen zwischen 15 und 24 Jahren noch<br />
düsterer aus. Und ein Ende der Talfahrt scheint nicht in<br />
Sicht. Die Wirtschaftsleistung ist 2012 um 3,2 Prozent<br />
geschrumpft, in diesem Jahr soll es noch einmal 2,3 Prozent<br />
nach unten gehen. Auch die Jahre zuvor lief es für<br />
Portugals Wirtschaft nicht rund, Fachleute schrieben<br />
das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts als verlorene<br />
Dekade ab. Erst 2014 soll es wieder leicht nach oben<br />
gehen. Aber sicher ist das nicht.<br />
Zumindest der Staatsbankrott blieb dem Land erspart,<br />
dank eines Rettungspakets von EU, Europäischer Zentralbank<br />
und Internationalem Währungsfonds in Höhe von<br />
78 Milliarden Euro. Zwar hat das Verfassungsgericht<br />
einige Sparbeschlüsse der Regierung Coelho gestoppt,<br />
doch der Ministerpräsident hält an seinem rigiden Sanierungskurs<br />
fest, mit dem er hofft, das Land wieder in<br />
sicheres Fahrwasser zu steuern. Hunderttausende haben<br />
gegen die Sparmaßnahmen demonstriert. Ein untrüglicher<br />
Indikator, dass die Zeichen auf Sturm stehen – es<br />
muss einiges passieren, bevor Portugiesen ihren Protest<br />
auf die Straße tragen. Portugals Ex-Premier Soares hat<br />
bereits zum Sturz der Regierung aufgerufen. Auch das<br />
ein eher seltener Vorgang.<br />
Angesichts der prekären Lage hat Premier Coelho seine<br />
arbeitslosen Landsleute bereits zur Emigration geraten.<br />
Nach Brasilien zum Beispiel, oder nach Afrika, in die alten<br />
Kolonien. Viele Portugiesen sind der Aufforderung schon<br />
gefolgt und haben ihrer Heimat den Rücken gekehrt.<br />
Beobachter sprechen vom größten Exodus, den das Land<br />
je erlebt hat. Wobei es, anders als noch in den 60er und<br />
70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, heute zumeist die<br />
gut Ausgebildeten sind, die ihr Glück fern der Heimat<br />
suchen. Ein Aderlass, der das Land noch teuer zu stehen<br />
kommen könnte.<br />
Mitarbeiter: 550<br />
Vertreter: 4500<br />
Geschäftsstellen: 30<br />
Kunden: 865 000<br />
Prämieneinnahmen 2012<br />
Sach: 316 Millionen Euro (+5 %)<br />
Leben: 190 Millionen Euro (-2,3 %)<br />
Marktposition gesamt: Rang 5<br />
Marktanteil gesamt: 4,6 %<br />
Sachversicherung:<br />
Rang 3<br />
Marktanteil: 8,7 %<br />
Lebensversicherung:<br />
Rang 7<br />
Marktanteil: 2 %<br />
30<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
31
EUROPA<br />
beide Fotos: Stern<br />
Teresa Godinho ist die erste<br />
Vorstandschefin einer <strong>Allianz</strong><br />
Versicherungsgesellschaft in Europa.<br />
Bevor die gelernte Volkswirtschaftlerin<br />
im Januar 2011 ihr Amt in Lissabon<br />
antrat, hatte sie bereits 17 Jahre bei<br />
verschiedenen <strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />
hinter sich, zuletzt als Finanzchefin<br />
und Leiterin des Risikomanagements<br />
der <strong>Allianz</strong> Brasilien.<br />
»Wir haben zu kämpfen« – Rui Silva, Ivany Sousa und<br />
Rosa Nobre (hintere Reihe v.l.) mit ihren Assistentinnen<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Der Preis des Erfolgs<br />
Portugal macht schwere Zeiten durch, die Wirtschaftsleistung des Landes sinkt, die Arbeitslosenzahlen<br />
sind auf Rekordniveau. Auch die Versicherungsbranche ist auf Talfahrt – außer die <strong>Allianz</strong> Portugal.<br />
Wir sprachen mit Vorstandschefin Teresa Godinho über den Preis des Erfolgs.<br />
Doch hinter der wenig inspirierenden Fassade machen<br />
die drei vor, wie sich gegen den Trend Erfolg erarbeiten<br />
lässt. Vor drei Jahren haben sie sich zusammengetan und<br />
gehörten schon ein Jahr später zu den Top-Agenturen<br />
der <strong>Allianz</strong> Portugal. Und trotz eines rasanten Einbruchs<br />
bei den Autoverkäufen im Land, legen sie auch bei der<br />
Zahl der Kfz-Policen immer noch zu. Doch das Geschäft<br />
wird härter. »Wir haben zu kämpfen«, sagt Ivany Sousa.<br />
»Immer mehr Kunden rufen an und wollen ihre Beiträge<br />
reduzieren.«<br />
Frau Godinho, aus Portugal kommen seit<br />
geraumer Zeit nur noch deprimierende<br />
Nachrichten. Sehen Sie irgendwo den<br />
Silberstreif am Horizont?<br />
Ich bin ein positiver Mensch und will an den<br />
Umschwung glauben. Portugal hat in den<br />
letzten Monaten eine Menge auf den Weg<br />
gebracht, das stimmt mich zuversichtlich.<br />
Aber wir brauchen weitere Reformen, etwa<br />
im Steuersystem und in der Arbeitsgesetzgebung.<br />
Im Moment kann niemand sagen,<br />
wie die Sache am Ende ausgeht. Auch wenn<br />
wir Portugiesen kein Volk sind, das ständig<br />
auf den Straßen demonstriert, rumort es im<br />
Innern doch ganz erheblich.<br />
Was denken die Portugiesen über den<br />
Euro und die Europäische Union?<br />
Ich glaube, niemand, der bei uns Verantwortung<br />
trägt, will die Eurozone verlassen.<br />
Natürlich gibt es ein paar Ökonomen, die in<br />
den Medien dafür plädieren. Aber das sind<br />
Minderheitenmeinungen. Die Portugiesen<br />
wollen nicht wieder isoliert dastehen, wie es<br />
während der 40 Jahre Diktatur unter Salazar<br />
der Fall war. Damals galt die Devise »Allein<br />
und stolz«. Viele erinnern sich noch gut<br />
daran, was das für das Land bedeutete.<br />
Der Versicherungsmarkt in Portugal<br />
schrumpft, die <strong>Allianz</strong> Portugal dagegen<br />
legt zu. Wie geht so was?<br />
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen<br />
haben wir vor vier Jahren begonnen, unsere<br />
gesamte Arbeitsweise umzukrempeln. Nicht<br />
nur, was die internen Abläufe angeht, sondern<br />
vor allem in Bezug auf unsere Beziehungen<br />
zu Kunden und Vertretern. Wir haben landesweit<br />
30 Geschäftsstellen, die einzig und allein<br />
dafür da sind, die Vertreter dabei zu unterstützen,<br />
ihren Kunden den besten Service zu<br />
bieten. Wir wollen für die freien Vertreter in<br />
Portugal zum bevorzugten Partner werden.<br />
Wir haben für sie eine Palette einfach strukturierter<br />
Produkte entwickelt, die wir im<br />
Paket anbieten. Mit diesen Bündelpolicen<br />
sind wir in der Lage, die internen Kosten zu<br />
drücken und sehr wettbewerbsfähige Preise<br />
anzubieten. So kann man selbst in einem<br />
wenig profitablen Markt wie Portugal vernünftige<br />
Geschäfte machen.<br />
Hinzu kommt, dass viele Leute um ihre<br />
Ersparnisse fürchten. Den Banken vertrauen<br />
sie immer weniger und wenden sich heute<br />
zunehmend an Versicherungsgesellschaften.<br />
Wenn es ums Sparen geht, sind wir Portugiesen<br />
natürlich nicht wie die Deutschen. Wir<br />
geben unser Geld leichter aus, wir genießen<br />
das Leben. Seit der Krise aber steigen die<br />
Sparquoten.<br />
Was war der Preis des Erfolgs bei der<br />
<strong>Allianz</strong> Portugal?<br />
Wir mussten unsere Belegschaft in der Verwaltung<br />
um 20 Prozent reduzieren. Doch<br />
diese Umstellung hat die <strong>Allianz</strong> Portugal<br />
krisensicher gemacht. Heute sind wir die<br />
effizienteste Versicherungsgesellschaft im<br />
Land. Das ist für alle Mitarbeiter eine gute<br />
Botschaft und gibt ihnen Sicherheit. Wir<br />
werben derzeit sogar wieder Nachwuchskräfte<br />
von den besten Universitäten an.<br />
Viele junge Portugiesen suchen ihr<br />
Glück inzwischen in der Fremde. Dünnt<br />
der Bewerbermarkt schon aus?<br />
Nein, für uns gibt es noch genügend Auswahl.<br />
Aber wenn die Krise anhält, werden in<br />
Zukunft wohl noch mehr junge Menschen<br />
abwandern. Was ein schlechtes Zeichen<br />
wäre, denn es würde bedeuten, dass es der<br />
Wirtschaft nicht gelingt, genügend Wachstum<br />
zu generieren, um unseren Leuten in der<br />
Heimat eine Zukunft zu bieten. Wenn man<br />
etwas Positives an der Situation sehen will,<br />
dann ist es vielleicht die Tatsache, dass die<br />
jungen Leute im Ausland Erfahrungen sammeln,<br />
die sie nach ihrer Rückkehr in Portugal<br />
zum Nutzen des Landes anwenden können.<br />
Wenn sie denn zurückkommen.<br />
Ein Großteil wird – und zwar besser ausgebildet<br />
und mit Erfahrungen aus anderen Ländern<br />
und Kulturen. Ein Gewinn für unser Land.<br />
Gegen den Trend<br />
Auf Deutschland sind viele Portugiesen derzeit<br />
nicht besonders gut zu sprechen. Deutsche Tugenden<br />
dagegen stehen bei ihnen gerade jetzt hoch im<br />
Kurs. Ein Grund, warum die Versicherungsagentur<br />
von Rosa Nobre, Rui Silva und Ivany Sousa recht gut<br />
über die Runden kommt. Trotz Krise.<br />
Viele ihrer Freunde sind schon fort, vor allem die mit<br />
technischen Berufen. Nach Afrika und Südamerika, nach<br />
England und Frankreich, Norwegen und Deutschland.<br />
Einer ist sogar in Usbekistan gelandet, was nach Verzweiflung<br />
klingt – oder nach richtig viel Geld. Rosa Nobre,<br />
Rui Silva und Ivany Sousa sind geblieben – portugiesische<br />
Versicherungsvertreter sind im Ausland nicht so gefragt<br />
wie Bauingenieure.<br />
Ihre Agentur liegt im Stadtteil Benfica, unweit des<br />
gleichnamigen Stadions, in einem Wohnviertel mit dem<br />
Charme einer Plattenbausiedlung im früheren Ostblock.<br />
Kein Wunder bei den zahlreichen Sparmaßnahmen,<br />
die die Regierung dem Land verordnet hat, um die Auflagen<br />
von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem<br />
Währungsfonds zu erfüllen: Kürzung von<br />
Renten und Arbeitslosenhilfe, höhere Mehrwertsteuer,<br />
Stellenabbau im öffentlichen Dienst und und und. Die<br />
Versicherungsvertreter bekommen die Krise auch im<br />
Firmengeschäft zu spüren. Letztes Jahr meldeten pro<br />
Tag landesweit 20 Unternehmen Konkurs an. Beiträge<br />
und Gewinnspannen gingen in den Keller.<br />
Anders als in Deutschland arbeitet die <strong>Allianz</strong> in Portugal<br />
nicht mit einem Netz von Ausschließlichkeitsvertretern,<br />
sondern mit Maklern und freien Agenturen. Auch das<br />
Benfica-Trio, das zusammen fast 5000 Kunden betreut,<br />
hat mehrere Eisen im Feuer. Doch 85 Prozent aller Policen,<br />
die sie verkaufen, tragen das <strong>Allianz</strong> Siegel. »Eine sichere<br />
Bank in diesen unsicheren Zeichen«, wie Rui Silva<br />
unterstreicht.<br />
Wenngleich viele Portugiesen die Deutschen hinter den<br />
harten Sparauflagen der Troika sehen – wenn es um ihr<br />
Geld geht, vertrauen sie den ungeliebten Teutonen dann<br />
doch. »Integrität, Vertrauenswürdigkeit und finanzielle<br />
Solidität sind die Markenzeichen der Deutschen«, sagt<br />
Rosa Nobre. Die besten Verkaufsargumente, die sie<br />
und ihre beiden Partner in der gegenwärtigen Situation<br />
haben können. »Unsere Kunden sind überzeugt, dass sie<br />
mit einer deutschen Gesellschaft am besten fahren.«<br />
WWW.ALLIANZ.PT<br />
32<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
33
EUROPA<br />
Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Als einer der ersten großen Asset Manager legt <strong>Allianz</strong> Global Investors<br />
einen Infrastrukturfonds für institutionelle Anleger auf. Der Bedarf für<br />
Projektfinanzierung ist riesig: Laut Schätzungen der EU-Kommission werden<br />
bis Ende des Jahrzehnts allein in Europa Infrastrukturinvestitionen von bis zu<br />
zwei Billionen Euro nötig.<br />
FRANK STERN<br />
Baustelle Europa<br />
<strong>Allianz</strong> Global Investors<br />
Das Infrastructure Debt-Team: Adrian Jones, François-Yves Gaudeul, Deborah Zurkow, Claus Fintzen<br />
und Paul David (v.l.)<br />
Straßen und Flughäfen, öffentlicher Nahverkehr<br />
und Wasserversorgung, Stromnetz,<br />
Krankenhäuser und Schulen – die Liste von<br />
Infrastrukturprojekten, die in Europa bis<br />
Ende des Jahrzehnts anstehen, ist lang. Werden<br />
alle umgesetzt, verwandelt sich der alte<br />
Kontinent in den nächsten Jahren in eine<br />
riesige Baustelle. Doch wo sich überschuldete<br />
Staaten und strenger kontrollierte<br />
Banken bei Großprojekten immer mehr<br />
zurückhalten, steht die Finanzierung zunehmend<br />
auf wackligen Füßen.<br />
Laut EU werden für Erhalt und Ausbau der<br />
Infrastruktur in Europa in den nächsten Jahren<br />
bis zu zwei Billionen Euro nötig. Versicherer,<br />
Pensionsfonds und andere institutionelle<br />
Investoren, die nach attraktiveren Renditen<br />
suchen, als sie derzeit mit Staatsanleihen zu<br />
erzielen sind, könnten die Lücke füllen.<br />
Als eines der ersten großen Investmenthäuser<br />
hat <strong>Allianz</strong> Global Investors ein auf<br />
Infrastrukturfinanzierungen spezialisiertes<br />
Team aufgestellt, das Kunden den Zugang zu<br />
erstklassigen Projekten ebnen soll. »Wir reden<br />
nicht über Kraftwerke in Entwicklungsländern<br />
oder Kohleminen oder Ölplattformen«,<br />
erläutert Finanzexpertin Deborah Zurkow, die<br />
den Infrastrukturfonds (Infrastructure Debt)<br />
mit ihrem vierköpfigen Team betreut. »Wir<br />
reden über kommunale Stromversorgung,<br />
über Wasserleitungen, Schulen, Straßen und<br />
Krankenhäuser in EU-Staaten.« Wie Untersuchungen<br />
von Moody’s und Standard &<br />
Poor’s zeigen, ist das Verlustrisiko bei solchen<br />
Kooperationsprojekten zwischen Staat und<br />
Privatwirtschaft äußerst gering.<br />
Mit der Finanzierung von öffentlichen Bauvorhaben<br />
erwirbt der Infrastrukturfonds<br />
für einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren die<br />
Zusage über garantierte Renditen, die aus<br />
Nutzungsgebühren für Straßen, Wasserund<br />
Stromversorgung, aus kommunalen<br />
Fördermitteln und Mieten gespeist werden.<br />
»Von der privaten Finanzierung von Staatsaufgaben<br />
profitieren sowohl Anleger auf der<br />
Suche nach stabilen Erträgen, als auch Bauherren,<br />
die ihre Projektfinanzierung sicherstellen<br />
wollen«, erklärt Zurkow den Ansatz.<br />
Mit ihren über lange Zeiträume garantierten<br />
Renditen eigne sich das Geschäft mit Stahl<br />
und Beton hervorragend für Pensionsfonds<br />
und Versicherungen, die ihren Kunden gegen<br />
über langfristige Zahlungsverpflichtungen<br />
eingegangen sind, sagt Zurkow. Indem man<br />
sich nur mit erfahrenen Baufirmen zusammentut,<br />
werden Bau- und Planungsrisiken<br />
auf ein Mindestmaß reduziert.<br />
<strong>Allianz</strong> Global Investors wird eine ganze<br />
Palette an Investitionsmöglichkeiten bieten,<br />
von maßgeschneiderten Projekten bis hin zu<br />
Poollösungen. Zunächst wird ein Infrastrukturfonds<br />
für Bauvorhaben in Großbritannien<br />
gestartet, einer für die Eurozone soll später<br />
folgen. »Es gibt enormes Interesse«, sagt<br />
Deborah Zurkow. »Wir sind gerade dabei,<br />
einen neuen Markt zu etablieren.«<br />
WWW.ALLIANZGI.COM<br />
34<br />
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35
EUROPA<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Für Lewis Hamilton<br />
ließ Linda Kennedy sogar<br />
ihr Mittagessen sausen<br />
privat<br />
50 Jahre bei der <strong>Allianz</strong> Großbritannien – das war den Kollegen von Linda<br />
Kennedy ein besonderes Geschenk wert: Sie hatte die Wahl zwischen dem<br />
Formel 1 Grand Prix in Silverstone und dem Wintertraining in Barcelona.<br />
Die Entscheidung fiel ihr nicht schwer. Hier ihr Bericht:<br />
LINDA KENNEDY<br />
Feuchtkaltes Silverstone oder Barcelona? Das war ja wohl keine Frage. Für<br />
mich und meinen Mann jedenfalls war klar, wohin die Reise gehen sollte.<br />
Am 18. Februar saßen wir im Flugzeug von Leeds/Bradford nach Spanien.<br />
Der Flug verlief ruhig, das Hotel war nett, und am nächsten Morgen<br />
waren wir startklar für den Ausflug zum Circuit de Catalunya. Da man<br />
damit rechnen konnte, dass einem dort ein paar berühmte Leute über<br />
den Weg laufen, verwandte ich etwas mehr Sorgfalt darauf, mich zurecht<br />
zu machen. Und dann warteten wir – etwas nervös – auf das Taxi.<br />
<strong>Allianz</strong> | rechts unten: Shutterstock<br />
Rendezvous<br />
mit Hamilton<br />
Die Aufregung hätte ich mit sparen können. Als wir an der Rennstrecke<br />
ankamen, wurden wir vom <strong>Allianz</strong> F1-Team und einem speziell für uns<br />
abgestellten Führer in Empfang genommen. Sie waren einfach großartig,<br />
wir hätten uns keine bessere Betreuung denken können. Zunächst wurden<br />
wir zum Empfangsbereich von Mercedes geführt und konnten die<br />
Testvorbereitungen der Fahrer verfolgen. Dann ging es zur Mercedes-Werkstatt – Fotos waren hier<br />
aus verständlichen Gründen untersagt –, wo noch am Rennwagen gearbeitet wurde. Die Mechaniker hatten ihn in sämtliche<br />
Einzelteile zerlegt, weil Fahrer Nico Rosberg am Morgen Getriebeprobleme gemeldet hatte. Bis Mittag hatten sie den<br />
Boliden wieder auf der Strecke. Unglaublich.<br />
Wir erkundeten derweil die Boxengasse, schauten uns die Rennwagen der anderen Teams an und fotografierten alles,<br />
was uns vor die Linse kam, vom Lenkrad – Wert: 35 000 Pfund! – über die Hebebühne in der Werkstatt bis hin zur<br />
Startkelle, die im Englischen Lollipop heißt – Lutscher. Dann ging’s zurück in die Empfangszone zum Mittagessen. Wir<br />
waren noch nicht fertig, da beugte sich einer vom <strong>Allianz</strong> F1-Team zu mir herüber und flüsterte mir zu: »Wenn du dich<br />
in der Nähe der Tür postierst, kannst du gleich Lewis Hamilton treffen. Der steht dort in ein paar Minuten <strong>Journal</strong>isten<br />
Rede und Antwort.« Ich verlor keine Sekunde, Hamilton ist mein Held. Das Mittagessen war vergessen.<br />
Lewis war großartig. Freundlich und locker. Er sprach ein paar Minuten über das Team und den Wagen und wie die Vorbereitungen<br />
liefen. Anschließend hatten wir Gelegenheit, ihn persönlich zu treffen, Autogramme zu bekommen und<br />
Fotos mit ihm zu schießen. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir auf der Tribüne – die Ohrenschützer immer zur<br />
Hand. Und dann ging’s zurück ins Hotel nach Barcelona.<br />
Das Wintertraining der Formel 1 zu erleben, hat mir gezeigt, wie hart die Teams dort arbeiten, und das nicht<br />
nur bei den Grand Prix-Rennen, sondern auch in der Vorbereitungsphase in der Werkstatt. Jeder von<br />
den Mechanikern weiß genau, was er zu tun hat. Da konnte man Mannschaftsgeist in Aktion sehen,<br />
wie er besser nicht sein könnte.<br />
Es war eine Erfahrung, die ich nicht vergessen werde, und ich kann allen, die das für<br />
uns organisiert haben, nicht genug dafür danken. So etwas zu erleben, war<br />
die 50 Jahre bei der <strong>Allianz</strong> wert.<br />
LINDA.KENNEDY@ALLIANZ.CO.UK<br />
36
Amerika<br />
Englerth<br />
wir uns kaum verständigen konnten. Dauernd waren auf dem Dach<br />
Einschläge von großen Trümmern zu hören, die der Sturm durch<br />
die Luft gewirbelt hatte. Der nächste Morgen zeigte dann das ganze<br />
Ausmaß der Zerstörung: Die Straßen waren gesperrt, es gab keinen<br />
Strom, Telefon und Heizung waren ausgefallen. Läden und Restaurants<br />
blieben bis auf Weiteres geschlossen.<br />
»Wie in einem Kriegsgebiet«<br />
Am 29. Oktober 2012 traf Hurrikan Sandy auf<br />
die Ostküste der USA. Der Wirbelsturm richtete<br />
schwere Verwüstungen an und brachte zahlreichen<br />
Menschen den Tod. Jürgen Englerth von<br />
der <strong>Allianz</strong> Deutschland in München war gerade<br />
zu Besuch in New Jersey, als die Naturkatastrophe<br />
ihren Lauf nahm. Hier sein Bericht:<br />
JÜRGEN ENGLERTH<br />
An der US-Ostküste waren am 29. Oktober durch den Wirbelsturm<br />
»Sandy« 120 Menschen ums Leben gekommen. Zehntausende<br />
Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Zuvor hatte der Sturm<br />
bereits in der Karibik für erhebliche Verwüstungen gesorgt. Die nun<br />
freigegebenen Hilfen sollen über zehn Jahre ausgezahlt werden. Sie<br />
gehen zum Teil an die betroffenen Hausbesitzer und Unternehmen.<br />
Vor allem aber soll damit die beschädigte Infrastruktur repariert und<br />
die Küste besser vor künftigen Stürmen geschützt werden.<br />
Ende Oktober 2012 flog ich in die USA, um meine Familie zu besuchen<br />
und im Rahmen einer Wohltätigkeitsaktion den Marine Corps Marathon<br />
in Washington und eine Woche darauf den New York City Marathon<br />
zu laufen. Bereits vor dem Start des Marine Corps Marathons war vor<br />
einem aufziehenden Unwetter gewarnt worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />
ahnte jedoch noch niemand, dass es sich um den schwersten Sturm<br />
handeln würde, den New York City und New Jersey je erlebt haben.<br />
Am Ende blieb ich, mit Unterbrechungen, fast zwei Monate dort,<br />
um meiner Familie und den Opfern in den Flutgebieten zu helfen.<br />
Ich verbrachte die Sturmnacht mit meiner 92-jährigen Schwiegermutter<br />
in ihrem Haus in New Jersey. Der Wird heulte so laut, dass<br />
Shutterstock<br />
Die nächsten Tage war ich damit beschäftigt, meine Schwiegermutter<br />
an ständig wechselnden sicheren Orten unterzubringen<br />
sowie Benzin und Nahrungsmittel für uns aufzutreiben. An den<br />
wenigen Tankstellen, die noch Treibstoff hatten, bildeten sich riesige<br />
Warteschlangen, die Leute mussten bis zu sechs Stunden anstehen.<br />
Da das öffentliche Leben völlig zusammengebrochen war, war man<br />
auf das Auto angewiesen, um die wenigen sicheren und warmen, mit<br />
Generatoren ausgestatteten Orte zu erreichen: Rathäuser, Rettungsstationen<br />
und einige Cafes, in denen sich die Menschen sammelten<br />
und darauf warteten, dass die Stromversorgung wieder funktionierte.<br />
Die Situation eskalierte innerhalb weniger Tage von lästig zu lebensbedrohlich.<br />
Die Temperaturen fielen auf bis zu minus fünf Grad, das<br />
Benzin wurde knapp. Zu allem Überfluss kam dann in der zweiten<br />
Woche noch starker Schneefall hinzu. Ich entschloss mich daher,<br />
meinen Aufenthalt unbefristet zu verlängern, bis wieder Sicherheit<br />
eingekehrt war. Das Rote Kreuz flog Tausende von Helfern aus den<br />
ganzen USA ein und leistete hervorragende Arbeit.<br />
Trotz der Ausnahmesituation war ich fest entschlossen, am New York<br />
City Marathon teilzunehmen. Dieser wurde dann aber kurzfristig<br />
abgesagt, nachdem die Strecke durch stark zerstörte Gebiete führen<br />
sollte, in denen auch viele Menschen ums Leben gekommen waren.<br />
Eine Gruppe junger Menschen organisierte dennoch kurzerhand über<br />
Facebook den »Run Anyway Marathon«, der auf der Originalstrecke<br />
des ersten NYC Marathon von 1970 durch den Central Park führte.<br />
Etwa 20 000 Läufer nahmen daran teil. Es wurde zu einem Fest der<br />
Hoffnung und Lebensfreude. Die Läufer spendeten Geld und Lebensmittel<br />
für die Opfer von Sandy. Die New Yorker unterstützten diese<br />
Englerth<br />
Team Orange im Einsatz: Jürgen Englerth und andere Marathonläufer<br />
packten mit an, um den Menschen in den betroffenen Gebieten in Brooklyn<br />
und Staten Island zu helfen<br />
Aktion tatkräftig, indem sie die Läufer anfeuerten und ihnen Essen<br />
und Getränke an die Strecke brachten.<br />
Als wir nach elf Tagen in unserem Wohnort in New Jersey endlich<br />
wieder Strom hatten, schloss ich mich einem Team von befreundeten<br />
Marathonläufern aus New York an, um in den am schlimmsten zerstörten<br />
Gebieten in Brooklyn und Staten Island zu helfen. Organisator<br />
war die US-Laufikone Hideki Kinoshita. Wir trugen unsere orangefarbenen<br />
Marathonhemden, weshalb wir uns »Team Orange« nannten.<br />
Unter diesem Namen wurden wir in den folgenden Wochen auch in<br />
der Presse bekannt.<br />
Die Folgen der Zerstörung in den überfluteten Küstengebieten von<br />
New York City waren herzzerreißend. Es herrschten Zustände wie in<br />
einem Kriegsgebiet. Den ersten Tag arbeitete ich in einem Spenden-<br />
Center in Far Rockaway, wo ich mich um die Annahme und Verteilung<br />
zahlloser LKW-Ladungen von Lebensmitteln kümmerte. Ich glaube,<br />
ich habe in meinem Leben noch nie so hart gearbeitet wie an diesem<br />
Tag. Es war aber auch berührend, die Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit<br />
der New Yorker zu erleben.<br />
Die folgenden Tage verbrachte Team Orange auf Staten Island, wo<br />
wir in den beschädigten Häusern die Gipsplatten und Isolierungen<br />
aus den Wänden rissen, um zu verhindern, dass sich Schimmelpilz<br />
bilden konnte. Trotz Atemmasken litten wir nach kurzer Zeit alle<br />
unter Dauerhusten. Vermutlich haben wir bei der Arbeit jede Menge<br />
Asbest und Gift eingeatmet Aber wenn man das Elend der Menschen<br />
sieht, stellt man keine Fragen mehr.<br />
Team Orange war eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Marathonläufern,<br />
die zu einem Beispiel für selbstlose Nächstenliebe wurde.<br />
Zusätzlich zu den Arbeitseinsätzen sammelten die Mitglieder über<br />
4000 Dollar an Spendengeldern für die Sturmopfer. In der Verzweiflung<br />
nach der Katastrophe wurde Team Orange zu einem leuchtenden<br />
Stern in der Dunkelheit. Kurz vor meinem Rückflug nach Deutschland<br />
nahm ich noch an einem 60 Kilometer langen Ultramarathon in New<br />
York City teil. Nach den Strapazen der letzten Wochen war das der<br />
leichteste und erholsamste Tag meines ganzen Aufenthaltes.<br />
ENGLERTH.JUERGEN@ALLIANZ.DE<br />
38<br />
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39
Australien<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Elefanten ins Outback<br />
Shutterstock<br />
Mit Rekordtemperaturen von örtlich<br />
fast 50 Grad erlebte Australien in diesem<br />
Jahr einen der heißesten Sommer seit<br />
einem Jahrzehnt. Kaum war die Hitzewelle<br />
vorüber, setzte Tropensturm Oswald Teile<br />
von Queenslands unter Wasser. Für die<br />
Versicherungsindustrie lief die Sache vergleichsweise<br />
glimpflich ab.<br />
FRANK STERN<br />
Der Mann hatte Sinn für Timing: Als im Januar Buschfeuer<br />
seinem Anwesen auf Tasmanien bedrohlich näher<br />
rückten, rief er bei der <strong>Allianz</strong> Australia an und schloss<br />
noch rasch eine Gebäudeversicherung ab. Da war das<br />
Embargo, mit dem der Versicherer bei Gefahr im Verzug<br />
den Abschluss neuer Policen normalerweise verhindert,<br />
noch nicht in Kraft. Kurze Zeit später ging sein Haus in<br />
Flammen auf. Man kann davon ausgehen, dass er eher<br />
zu den zufriedenen <strong>Allianz</strong> Kunden zählt.<br />
Die Geschichte ist Nicholas Scofield, Sprecher der <strong>Allianz</strong><br />
Australia, in Erinnerung geblieben. So viel Glück im<br />
Unglück hat nicht jeder. Die Feuerwalze, die im Januar<br />
durch New South Wales, Victoria und Tasmanien zog,<br />
verursachte insgesamt allerdings weit weniger Schäden,<br />
als es die dramatischen Fernsehbilder damals hätten<br />
vermuten lassen. Menschen und ihr Besitz seien kaum<br />
in Gefahr geraten, sagt Scofield. »Die Brände loderten<br />
hauptsächlich in Wäldern und unbewohntem Gebiet.«<br />
Das war vor vier Jahren noch anders. Da wurden bei<br />
Buschbränden in Victoria zahlreiche Häuser ein Raub<br />
der Flammen. »Die Schäden für die australischen Versicherer<br />
summierten sich damals auf über eine Milliarde<br />
Australische Dollar«, erinnert sich Jenny Lambert, die<br />
Chefin des Schadenbereichs der <strong>Allianz</strong> Australia. In diesem<br />
Jahr waren es laut Australischem Versicherungsverband<br />
nur etwas über 120 Millionen Dollar (97 Millionen<br />
Euro), wobei auf Tasmanien mit knapp 90 Millionen Dollar<br />
der größte Anteil entfiel. 72 Fälle mit Gesamtschäden<br />
von rund sechs Millionen Australischen Dollar (knapp<br />
fünf Millionen Euro) gingen auf das Konto der <strong>Allianz</strong>.<br />
Da war Zyklon Oswald im Januar dieses Jahres schon<br />
von anderem Kaliber. Der Tropensturm brachte soviel<br />
Niederschläge mit sich, dass Bäche in Queensland und<br />
New South Wales zu reißenden Flüssen anschwollen,<br />
die Dämme durchbrachen und zahlreiche Ortschaften<br />
unter Wasser setzten. Allein die versicherten Schäden<br />
summierten sich auf fast 850 Millionen Australische<br />
Dollar, etwa 675 Millionen Euro. 68 Millionen Dollar<br />
(54 Millionen Euro) davon schlugen bei der <strong>Allianz</strong><br />
zu Buche.<br />
Von allen Naturereignissen in Australien haben Überschwemmungen<br />
das größte Schadenpotenzial, vor<br />
Hagelschlägen und Tropenstürmen. In der letzten<br />
Dekade verursachten sie nach Angaben des Australischen<br />
Versicherungsverbandes allein 4,5 Milliarden Dollar an<br />
versicherten Schäden. Nachdem Anfang 2011 eine Jahrhundertflut<br />
weite Teile Queenslands überschwemmt<br />
hatte – versicherte Schäden damals: 2,4 Milliarden Australische<br />
Dollar –, stellten etliche Versicherer, darunter die<br />
<strong>Allianz</strong>, das Neugeschäft für Flutschadenversicherungen<br />
in einigen der schlimmsten Sturmzonen zeitweise ein.<br />
Notbremse gezogen<br />
Letztes Jahr zog auch Queenslands größter Anbieter<br />
Suncorp die Notbremse und kündigte an, in den Ortschaften<br />
Emerald und Roma, die regelmäßig unter<br />
Wasser stehen, keine neuen Gebäudeversicherungen<br />
mehr abzuschließen. Die Prämien für bestehende Verträge<br />
wurden auf einen Schlag bis um das Zehnfache<br />
erhöht. Innerhalb von zwei Jahren hatte das Unternehmen<br />
in den beiden Kleinstädten 150 Millionen Dollar<br />
an Flutschäden gezahlt – bei Prämieneinnahmen von<br />
vier Millionen Dollar.<br />
Die jahrelangen Appelle der Versicherungsindustrie,<br />
der Staat müsse mehr Mittel für Deiche und Dämme<br />
bereitstellen, um den Besitz der Bürger zu schützen,<br />
waren bis dahin nahezu ungehört verhallt. Doch nach<br />
den schweren Flutschäden vom Januar dieses Jahres<br />
reagierte auch die Regierung in Canberra: In den kommenden<br />
zwei Jahren sollen 100 Millionen Dollar in<br />
Projekte zur Flutprävention investiert werden – eine<br />
Maßnahme, von der der Chef des Australischen Versicherungsverbandes,<br />
Rob Whelan, sagt, dass sie einen<br />
spürbaren Einfluss auf die Höhe der Versicherungsbeiträge<br />
haben wird.<br />
Das bleibt abzuwarten. Der Hang der Australier, sich<br />
bevorzugt in Risikogebieten anzusiedeln, steht dem<br />
jedenfalls entgegen. 90 Prozent der Bevölkerung leben<br />
entlang der Küsten. Besonders beliebt – die von New<br />
South Wales und Queensland. »Trotz der bekannten<br />
40<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
41
ASIEN AUSTRALIEN<br />
Asien<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
alle Fotos: Ibrahim<br />
Nicholas Scofield<br />
»Extrem harter<br />
Wettbewerb«<br />
Jenny Lambert<br />
In Sydney wurde im Januar mit 48,5 Grad ein neuer Hitzerekord<br />
gemessen. Die Behörden sprachen von der größten Hitzewelle seit<br />
über zehn Jahren<br />
Es gab Zeiten, da bekamen westliche Manager beim Thema<br />
China leuchtende Augen. Nicht alle Blütenträume haben<br />
sich erfüllt, doch gilt China vielen weiterhin als Markt der Zukunft.<br />
Wir sprachen mit Uwe Michel, Chef des Unternehmensbereichs<br />
Asien (Insurance Growth Markets Asia) über die Strategie der<br />
<strong>Allianz</strong> im Reich der Mitte.<br />
Stern<br />
INTERVIEW: FRANK STERN<br />
Gefahren ziehen immer mehr Leute die Ostküste hoch,<br />
an der sich regelmäßig Zyklone austoben«, sagt Jenny<br />
Lambert. Wenn der Tropensturm einem das Dach<br />
wegbläst, nützt ein Deich natürlich wenig.<br />
Mit staatlichem Segen<br />
Die Gemeindeverwaltungen in den betreffenden Gebieten<br />
waren bei der Gefahrenabwehr bislang auch nicht<br />
sonderlich hilfreich, berichtet Bob Gelling, Schadenmanager<br />
der <strong>Allianz</strong> Australia in Brisbane. »Da werden<br />
Siedlungen an Flüssen gebaut oder in Senken. Klar, dass<br />
beim nächsten Jahrhundertunwetter alles unter Wasser<br />
steht.« Und auch viele der typischen Queensland-Häuser,<br />
die eben wegen der Überschwemmungsgefahr erhöht<br />
auf Pfeilern stehen sollten, sind inzwischen bis runter auf<br />
den Boden ausgebaut. Mit behördlicher Genehmigung.<br />
Aber wie die Buschfeuer vom Anfang des Jahres zeigten,<br />
ist auch das Inland nicht vor Risiken gefeit. Vor allem<br />
dann nicht, wenn auf eine Feuchtperiode mit starkem<br />
Pflanzenwuchs eine extreme Hitzephase folgt. »Da<br />
sammelt sich dann jede Menge Unterholz und Gestrüpp<br />
an«, sagt Bob Gelling. Und auch das einst aus Afrika als<br />
Futterpflanze importierte Savannengras, das bis zu vier<br />
Meter hoch werden kann und sich rasant ausbreitet, wirkt<br />
im Outback wie ein Brandbeschleuniger. Zumindest für<br />
diese Plage hat David Bowman, Professor an der University<br />
of Tasmania, nun eine Lösung erdacht: Elefanten. Die<br />
könnten das Gras, das ihnen von Afrika her bekannt ist,<br />
einfach auffressen und damit die Brandgefahr reduzieren.<br />
Mit der Einführung fremder Tier- und Pflanzenarten hat<br />
Australien allerdings so seine Erfahrungen. Im 19. Jahrhundert<br />
etwa hatten die Engländer Kamele ans andere<br />
Ende der Welt verschifft, die als Lasttiere bei der Erkundung<br />
des fünften Kontinents dienen sollten. Nachdem<br />
im 20. Jahrhundert Eisenbahn und Lastkraftwagen die<br />
Transporte übernahmen, ließ man die Tiere frei. Mittlerweile<br />
werden die inzwischen rund eine Million wilden<br />
Kamele als Bedrohung der Tierwelt und der Landschaften<br />
Australiens angesehen. Vielleicht doch keine so gute<br />
Idee, das mit den Elefanten.<br />
WWW.ALLIANZ.COM.AU<br />
42<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
43
ASIEN<br />
Die <strong>Allianz</strong> in China<br />
Peking<br />
Liaoning<br />
Roth<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Shandong<br />
Jiangsu<br />
Herr Michel, unter Ihrer Leitung ist<br />
vor kurzem die Initiative »One <strong>Allianz</strong><br />
in China« angelaufen. Was ist der<br />
Hintergrund?<br />
Wir möchten uns in der chinesischen Öffentlichkeit<br />
stärker als Unternehmen präsentieren,<br />
das sämtliche Facetten an Finanzdienstleistungen<br />
aus einer Hand bieten kann. Wir verfügen<br />
in China über zehn Einheiten, von Euler<br />
Hermes über <strong>Allianz</strong> Global Assistance bis<br />
zu Pimco. Keiner der ausländischen Wettbewerber<br />
hat eine so breite Produktpalette zu<br />
bieten. Das muss in der Außendarstellung<br />
deutlicher werden. Bislang haben die Einheiten<br />
weitgehend ohne Bezug zueinander<br />
operiert. Sinn unserer Initiative ist es, mehr<br />
profitables Geschäft zu erwirtschaften, und<br />
der Schlüssel dazu ist verstärkte Kooperation<br />
und abgestimmtes Handeln bei der Kundenansprache.<br />
Wir wollen, dass die <strong>Allianz</strong> in<br />
China zum Synonym für finanzielle Solidität<br />
wird. So wie Mercedes für Solidität beim<br />
Autobau steht.<br />
Sichuan<br />
Westliche Unternehmen klagen über<br />
den schwierigen Marktzugang. Mit<br />
welchen Hürden hat die <strong>Allianz</strong> in China<br />
zu kämpfen?<br />
Zum einen ist das sicher der extrem harte<br />
Wettbewerb. Die früheren Staatsversicherer<br />
sind weiterhin die marktbeherrschenden<br />
Kräfte. Zum anderen gibt es regulatorische<br />
Beschränkungen. Der Anteil ausländischer<br />
Anbieter am Lebensversicherungsmarkt<br />
beträgt 4,8 Prozent, im Sachgeschäft sind<br />
es gerade mal 1,2 Prozent. Die Aufsichtsbehörden<br />
lassen ausländische Versicherer<br />
nicht an die wirklich interessanten Fleischtöpfe.<br />
Die Kommunistische Partei hat jetzt<br />
allerdings eine deutliche Liberalisierung<br />
versprochen.<br />
Das hat sie schon öfter.<br />
Ich will nicht naiv dran glauben, aber ausschließen<br />
würde ich es auch nicht. Die<br />
chinesischen Versicherer sind inzwischen so<br />
stark, dass sie sich auch ohne die schützende<br />
Hand des Staates die Butter nicht vom Brot<br />
nehmen lassen. In einem Schwellenland wie<br />
China benötigt man einen gesunden Schuss<br />
Optimismus, sonst braucht man gar nicht<br />
anzutreten. Und man braucht einen langen<br />
Atem. Die Zeithorizonte in China sind andere,<br />
als wir sie vielleicht gewohnt sind.<br />
Nimmt mit »One <strong>Allianz</strong> in China« nun<br />
wieder München die Zügel in die Hand?<br />
Eindeutig nein. »One <strong>Allianz</strong> in China« ist<br />
eine Initiative der zehn <strong>Allianz</strong> Einheiten<br />
vor Ort. Wir sehen unsere Aufgabe darin,<br />
sie näher zusammenzuführen. Sie sollen<br />
im Markt als eine <strong>Allianz</strong> zu erkennen sein.<br />
Doch die Zügel liegen bei den lokalen<br />
Gruppengesellschaften. Sie kennen den<br />
Markt, sie kennen ihre Kunden und deren<br />
Bedürfnisse. Was wir bieten, ist Hilfestellung.<br />
China tickt top-down, von oben nach unten,<br />
deshalb müssen unsere Vorstände und<br />
Experten dort mehr präsent sein. Wir wollen<br />
in Zukunft deutlicher machen, was wir den<br />
Chinesen zu bieten haben und uns stärker<br />
als Wissensgeber ins Gespräch bringen.<br />
Chongqing<br />
Guangdong<br />
Hongkong<br />
Zhejiang<br />
Shanghai<br />
Wie sieht das konkret aus?<br />
Wir werden unsere Experten zu Vorträgen<br />
ins Land schicken, mit Entscheidungsträgern<br />
zusammentreffen, die Medien einbeziehen.<br />
Vor kurzem zum Beispiel war <strong>Allianz</strong> Chefökonom<br />
Michael Heise in China, um über<br />
die Zukunft des Euro und der Europäischen<br />
Gemeinschaft zu referieren. Das ist in der<br />
Presse auf große Resonanz gestoßen. Wir wollen<br />
kein zusätzliches Geld für Marketing ausgeben,<br />
das würde in diesem riesigen Land mit<br />
seinen zahlreichen Millionenstädten verpuffen,<br />
aber wir wollen unser Know-how besser ins<br />
Spiel bringen, zum Beispiel in Sachen Demographie<br />
oder in Sachen Infrastrukturprojekte.<br />
Wer ist die Zielgruppe in China?<br />
Vor allem wenden wir uns an die wachsende<br />
Mittelschicht in den Städten, das sind<br />
mittlerweile über 300 Millionen Menschen.<br />
Die sind zunehmend daran interessiert,<br />
ihren Wohlstand abzusichern. Das eröffnet<br />
Chancen in allen Bereichen, vor allem aber<br />
in der Lebens- und Krankenversicherung.<br />
Zusammen mit unserem Partner CPIC<br />
haben wir gerade eine Krankenversicherung<br />
gegründet. Aber auch für <strong>Allianz</strong> Global<br />
Corporate & Specialty (AGCS) ergeben sich<br />
neue Möglichkeiten. China will die grüne<br />
Technik ausbauen – angesichts der enormen<br />
Umweltprobleme nur zu verständlich. Und<br />
auf diesem Gebiet ist Deutschland führend.<br />
Da werden wir sicher unsere deutschen Versicherungskunden<br />
begleiten können. Aber<br />
wir richten uns mit unseren Angeboten auch<br />
an chinesische Unternehmen.<br />
China ist ein gigantischer Markt. Wird ein<br />
ausländischer Anbieter wie die <strong>Allianz</strong><br />
dort überhaupt wahrgenommen?<br />
Es gibt Nischen, in denen wir stark sind<br />
und wo die Chinesen etwas von uns lernen<br />
können. Die Krankenversicherung ist ein<br />
typisches Beispiel. Da fehlt den Chinesen die<br />
Erfahrung. Die private Krankenversicherung<br />
macht bisher nur einen Bruchteil der Ausgaben<br />
im Gesundheitswesen aus. Wir können<br />
im Produktbereich, im Risikomanagement<br />
oder der IT etwas beisteuern, die CPIC, mit<br />
der wir jetzt das Gemeinschaftsunternehmen<br />
gegründet haben, bringt ihr Vertriebsnetz<br />
und ihre Kontakte zu staatlichen Stellen ein.<br />
Ich bin optimistisch, dass wir uns von dem<br />
riesigen Kuchen in China ein Stück sichern<br />
können. Wir müssen natürlich aufpassen,<br />
dass die Gewinne dieses Wissenstransfers<br />
auch allen Seiten zugute kommen.<br />
Die <strong>Allianz</strong> wird in dem Joint Venture<br />
Minderheitspartner. Ein Paradigmenwechsel?<br />
Das ist für die <strong>Allianz</strong> schon ein Schritt, bei<br />
einem Joint Venture wie der jetzt gegründeten<br />
Krankenversicherung in eine Minderheit<br />
zu gehen. Aber wir haben gesehen, dass wir<br />
nicht zum Zuge kommen, wenn wir allein<br />
auftreten. Für uns sind bei diesem Experiment<br />
drei Fragen entscheidend: Wo ist der<br />
Mehrwert für die <strong>Allianz</strong>? Wie groß ist das<br />
Risiko, wenn wir in die Minderheit gehen?<br />
Und gelingt es uns, mögliche Gewinne aus<br />
China herauszubekommen?<br />
Uwe Michel<br />
Andere Unternehmen haben sich<br />
entschieden, ihr Engagement in China<br />
zurückzufahren oder ganz auszusteigen.<br />
Keine Option für die <strong>Allianz</strong>?<br />
Das ist immer eine Option. Natürlich müssen<br />
wir aufpassen, dass wir nicht unter die<br />
Räder geraten. Die Frage ist, ob wir mit dem<br />
Geld, das uns unsere Anleger zur Verfügung<br />
stellen, in China etwas Vernünftiges auf die<br />
Beine stellen können. Ich bin sicher, dass wir<br />
dazu in der Lage sind, und »One <strong>Allianz</strong> in<br />
China« ist ein wichtiger Baustein. Kunden<br />
schließen natürlich keine Versicherung ab,<br />
nur weil wir jetzt diese Initiative gestartet<br />
haben. Sie schließen ab, weil Global Automotive<br />
ein gutes Angebot hat. Oder weil<br />
AGCS eine gute Deckung bietet. »One <strong>Allianz</strong><br />
in China« soll den Austausch der Tochtergesellschaften<br />
untereinander fördern. Sie<br />
sollen darüber reden, wer welchen Kunden<br />
an der Hand hat, und wie man ihn gemeinsam<br />
noch besser betreuen kann. Inzwischen<br />
gehen die Kundenmanager der verschiedenen<br />
<strong>Allianz</strong> Einheiten bereits zusammen zu<br />
Großkunden und offerieren ihre Angebote.<br />
Und wie kommt das an?<br />
Die Resonanz ist äußerst positiv. <strong>Allianz</strong><br />
China, Global Automotive und <strong>Allianz</strong> Global<br />
Assistance haben gemeinsam bereits erste<br />
Verträge abgeschlossen, gerade vor kurzem<br />
mit einem internationalen Telematics-<br />
Unternehmen. Da geht es immerhin um<br />
zehn Millionen Euro an Beitragseinnahmen.<br />
Und es stehen noch etliche andere Unternehmen<br />
auf unserer Liste.<br />
Fährt Ihnen als europäischem Anbieter<br />
da nicht gerade die Finanzkrise in die<br />
Parade?<br />
Europa wird nicht mehr als Hort der Sicherheit<br />
wahrgenommen, und natürlich kommt<br />
in jedem Gespräch die Frage, was der Euro<br />
gerade macht. Die <strong>Allianz</strong> aber gilt in China<br />
weiter als stabiles Unternehmen, da hilft<br />
uns unser gutes Rating natürlich sehr. Und<br />
genau diese Stärke wollen wir in unserem<br />
öffentlichen Auftritt herausstellen. Das wird<br />
auch unsere Anziehungskraft als Arbeitgeber<br />
steigern. Die Loyalität der Mitarbeiter ist für<br />
uns in China ein Dauerthema.<br />
Laufen Ihnen die Leute weg?<br />
Die Fluktuation ist sehr hoch. Es ist schwierig,<br />
in China gute Mitarbeiter zu bekommen, und<br />
noch schwieriger, sie zu halten. Wir bilden sie<br />
aus, und dann werden sie von Wettbewerbern<br />
abgeworben. Im April haben wir in München<br />
die erste interne Jobmesse für China veranstaltet.<br />
Gut 40 chinesischsprachige Mitarbeiter<br />
aus verschiedenen Bereichen nahmen teil, die<br />
sich vorstellen können, nach China zu gehen.<br />
Das lässt hoffen. Wir müssen deutlich machen,<br />
dass die <strong>Allianz</strong> ein Top-Unternehmen ist, das<br />
zu den Fortune 100 gehört und das dank<br />
seiner breiten Aufstellung spannende Entwicklungs-<br />
und Karrieremöglichkeiten bietet.<br />
Dann kriegen wir auch die Fluktuation in den<br />
Griff. Unser Ziel ist es, im Markt als Einheit<br />
wahrgenommen zu werden, die vielerlei<br />
Facetten bedient. Genau darauf zielt auch<br />
die Initiative »One <strong>Allianz</strong> in China« ab. Ich<br />
bin sicher, dass wir uns China annähern und<br />
erfolgreich sein können.<br />
Wie weit soll die Annäherung gehen?<br />
Es geht nicht ums Anbiedern, es geht darum,<br />
den Markt zu verstehen, damit wir unser<br />
Wissen richtig einbringen können. Die Chinesen<br />
wollen schließlich mit uns arbeiten,<br />
gerade weil wir Deutsche sind, weil wir Europäer<br />
sind. Wir haben in den letzten Jahren in<br />
China eine gute Basis geschaffen, auch was<br />
Geschäftslizenzen angeht. Doch jetzt ist es<br />
langsam an der Zeit, die Ernte einzufahren.<br />
44<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
45
Gesellschaft<br />
Latouri, EAC-l’Boulvart<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
SPANIEN<br />
Leiter, Michael Thoss, »die Kombination aus transmediterraner<br />
Vernetzung der europäischen und nordafrikanischen<br />
Webradios – ein Medium, das an Bedeutung<br />
gewinnen wird.« Als Ziel des Engagements unterstreicht<br />
Thoss die wechselseitige Wirkung des Projekts. Mit der<br />
Zusammenarbeit hofft er, nicht nur die Zivilgesellschaft<br />
des Landes zu stärken, sondern auch neue Kooperationen<br />
anzustoßen.<br />
Casablanca<br />
Boulevard<br />
der Freiheit<br />
MICHAEL GRIMM<br />
Tanger<br />
Rabat<br />
MAROKKO<br />
Vor zehn Jahren war Heavy Metal in Marokko<br />
noch als Teufelszeug geächtet. Eine Gruppe von<br />
Hardrockern wanderte sogar ins Gefängnis. Heute<br />
gehören sie zur Avantgarde der Kulturszene des<br />
Landes. Auch Dank des Webradios »Boulevard«.<br />
Die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung unterstützt das Projekt.<br />
ALGERIEN<br />
Musik drückt aus, wofür wir manchmal keine Worte finden.<br />
Musik beschreibt ein Lebensgefühl, sie ist ein Stück<br />
eigene Identität. Wie mächtig Musik tatsächlich sein<br />
kann, hat 2003 eine Gruppe von Heavy Metal-Musikern<br />
in Casablanca erfahren. 14 junge Männer wurden unter<br />
dem Vorwurf, die Religion anzugreifen, vor Gericht<br />
gestellt. Der Vorwurf des Satanismus schwebte im<br />
Raum. Schließlich wurden die Musiker zu Haftstrafen<br />
zwischen einem Monat und einem Jahr verurteilt. Zehn<br />
Jahre später, im Frühjahr 2013, bereitet eines der damals<br />
verurteilten Bandmitglieder eine Rock- und Metal-Sendung<br />
für das Webradio »Boulevard« in Casablanca vor.<br />
Das neu geschaffene Sprachrohr für Musiker, <strong>Journal</strong>isten<br />
und Audiokünstler ist ein Projekt des Kreativnetzwerks<br />
EAC-L’Boulvart (Education artistique et culturelle<br />
L’Boulvart). Seit 1999 hat sich die gemeinnützige Organisation<br />
zur Plattform für Freigeister aus den Bereichen<br />
Musik, Kulturjournalismus, Film, Design, Mode und<br />
Streetart entwickelt. Das jährlich von dem Netzwerk<br />
organisierte Musikfestival L’Boulevard ist mittlerweile die<br />
bedeutendste Musik- und Jugendkulturveranstaltung in<br />
Nordafrika. Das Webradio soll Künstlern und <strong>Journal</strong>isten<br />
nun dauerhaft eine Plattform geben.<br />
»Mit dem Internetradio hoffen wir, unsere infrastrukturellen<br />
Probleme lösen zu können«, sagt Chadwane<br />
Bensalmai. Die 36-jährige <strong>Journal</strong>istin bildet zusammen<br />
mit ihren Kollegen Hicham Bahou und Mohamed Mehari<br />
Christine Auerbach von on3-radio aus Bayern (letzte Reihe, 2.v.r.) beim Treffen von<br />
Webradiomachern aus Marokko, Deutschland und Frankreich im März in Casablanca<br />
das Rückgrat von EAC-L’Boulvart. Seit 2009 hat das Netzwerk<br />
eine eigene multifunktionale Basis. Sie befindet<br />
sich etwas außerhalb der Innenstadt von Casablanca in<br />
einem Gewerbegebiet in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
zu einigen Technologiefirmen. Daher auch der Name<br />
»Le Boultek«.<br />
Das Kulturzentrum Le Boultek vereint alles, was das<br />
Radiojournalisten- und Musikerherz höher schlagen<br />
lässt: Aufnahmestudios, Konferenz- und Proberäume<br />
und auch einen Konzertsaal, in dem 200 Besucher Platz<br />
finden. Ein Luxus: An Räumen für Proben und Konzerte<br />
mangelt es in Marokko noch an allen Ecken und Enden.<br />
»Die Kulturszene hat einen schweren Stand«, bestätigt<br />
Nadine Müseler vom Goethe-Institut in Marokko. Die<br />
Kunsthistorikerin aus Köln arbeitet seit fünf Jahren für<br />
das Goethe-Institut in Rabat. Zusammen mit den Kollegen<br />
vom Institut français bewarb sich die deutsche<br />
Einrichtung 2009 beim »Deutsch-Französischen Fonds<br />
für Kulturprogramme in Drittländern« um eine Basisfinanzierung<br />
für das Webradio Boulevard. Der Arabische<br />
Frühling in Teilen des Maghreb bereitete schließlich den<br />
Weg. Mit dem Geld wurde eine erste Fortbildungsreihe<br />
zusammen mit europäischen Webradios ermöglicht.<br />
Auch eine technische Grundausstattung folgte.<br />
2013 hat das Projekt »Webradio: Kultur über alle<br />
Grenzen hinweg« einen weiteren Unterstützer gewonnen<br />
– die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung. Überzeugt hat ihren<br />
Christine Auerbach hat davon bereits profitiert. Die<br />
<strong>Journal</strong>istin von on3-radio, der digitalen Jugendradiowelle<br />
des Bayerischen Rundfunks, hat Anfang März in<br />
Casablanca an einem ersten Treffen von Webradiomachern<br />
aus Marokko, Deutschland und Frankreich<br />
teilgenommen. Besonders beeindruckt haben Auerbach<br />
der Elan und der Enthusiasmus, mit dem die Gastgeber<br />
das neue Medium auf die Beine stellen. »Die machen<br />
einfach. Man spürt wie es brodelt«, berichtet sie nach<br />
der Reise. Zugegangen sei es wie im Taubenschlag.<br />
Mittendrin die vor Energie nur so sprühende Chadwane<br />
Bensalmai. »Das war ein großes Gemeinschaftsgefühl«,<br />
erinnert sich Auerbach.<br />
Die Zeiten der Hatz auf Heavy Metal-Kutten scheinen<br />
endgültig vorbei. Was einst als Sakrileg galt, hat sich als<br />
Kunstform emanzipiert. Kurz nach den Fortbildungen,<br />
Workshops und Netzwerktreffen im Frühjahr 2013<br />
waren die ersten Pilot-Beiträge zur Ausstrahlung fertig.<br />
In einer der Sendungen schwärmen die marokkanische<br />
Jazz-Legende Jauk Armal und der Nachwuchskünstler<br />
Yassine Tirassi über die Wirkung ihrer Musik. Jazz, das<br />
sei ein Gefühl der Freiheit, unvergleichlich, so Armal.<br />
Seit Mai ist Radio Boulevard auf Sendung. Selbst im<br />
Königshaus werden die neuen Töne wohlwollend aufgenommen.<br />
König Mohammed hat seine Unterstützung<br />
für das Webradio Boulevard zugesichert. Und im Herbst<br />
folgen die nächsten Treffen mit Gleichgesinnten. Dann<br />
wird sich weiter vernetzt mit Webradios aus Spanien,<br />
Italien und einem Frauenwebradio aus Kairo.<br />
Eine Langfassung des Artikels finden Sie im Internet unter:<br />
HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM/JOURNAL<br />
WWW.BOULEVARD.MA<br />
WWW.GOETHE.DE/MAROKKO<br />
HTTPS://KULTURSTIFTUNG.ALLIANZ.DE<br />
46<br />
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<br />
47
GESELL-<br />
SCHAFT<br />
Shutterstock<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
Todfeind am Bildschirm<br />
Anfangs sind viele der Teilnehmer vorsichtig. Bloß nichts Falsches sagen. Bloß keinem<br />
auf die Füße treten. Wenn Studenten aus westlichen Ländern bei den Online-Seminaren<br />
von Soliya das erste Mal auf Kommilitonen aus dem Nahen Osten treffen, geht es oft<br />
überaus höflich zu. Doch lange dauert die Kuschelphase nicht.<br />
FRANK STERN<br />
»Ich habe immer geglaubt, dass sich der<br />
Westen nicht um andere schert, vor allem<br />
nicht um die Menschen im Nahen Osten.«<br />
Ägyptischer Student<br />
Das Internet ist ein gefährliches Instrument. Es kann<br />
Keile treiben zwischen Menschen und Völker, es kann<br />
Vorurteile verstärken und zum Vehikel für Desinformation<br />
und Hass werden. Es kann aber auch verbinden, es<br />
kann aufklären und Vertrauen schaffen. Das Internet ist<br />
die Krankheit und das Gegenmittel – je nachdem, wer<br />
darüber verfügt.<br />
»In den USA besteht ein<br />
extremes Unbehagen<br />
gegenüber dem Islam, aber<br />
Soliya hat mich gelehrt, auf<br />
den einzelnen Menschen zu<br />
schauen und zu erfahren, was<br />
er denkt, statt alle über einen<br />
Kamm zu scheren.«<br />
Amerikanische Studentin<br />
Als Lucas Welch vor zehn Jahren Soliya ins Leben rief,<br />
eine Organisation, die durch interkulturelle Erfahrungen<br />
Gräben überbrücken will, lag der Terroranschlag von New<br />
York gerade zwei Jahre zurück. Während sich die Welt<br />
im Kampf der Kulturen erschöpfte, entwickelte der Amerikaner,<br />
zuvor Produzent beim Fernsehsender ABC und<br />
Mediendozent an der Bir Zeit-Universität in Ramallah,<br />
ein Konzept für Verständigung und Ausgleich. Nicht von<br />
ungefähr ist der Name Soliya eine Zusammensetzung<br />
aus dem lateinischen sol (Sonne) und dem arabischen<br />
Wort für Licht.<br />
Soliya nutzt das Internet, um Studenten aus verschiedenen<br />
Ländern per Videokonferenz zusammenzubringen.<br />
Inzwischen läuft das zehnwöchige Programm Connect<br />
(Verbinden) bereits an über 100 Universitäten in 27 Ländern<br />
– von Ägypten bis Indonesien, von den USA bis zur<br />
Schweiz. Deutschland ist mit der Uni Frankfurt, der Freien<br />
Universität Berlin und der TU München dabei. Einige Institutionen<br />
haben Connect sogar in ihr reguläres Studienprogramm<br />
aufgenommen. Seit letztem Jahr wird Soliya<br />
auch von der <strong>Allianz</strong> Stiftung für Nordamerika unterstützt.<br />
»Es geht um Verständigung, um die Überwindung von<br />
Vorurteilen, um Respekt füreinander«, sagt Stiftungsleiter<br />
Christopher Worthley. »Diese Ziele passen gut mit unserer<br />
Mission zusammen, junge Menschen zu befähigen,<br />
eine sichere Zukunft zu gestalten.«<br />
Das Internet als Brücke zwischen Menschen und Kulturen,<br />
die sich fremder kaum sein könnten. Osama Madani,<br />
Englischprofessor an der Menoufia Universität in Shibin<br />
El Kom, 75 Kilometer von Kairo entfernt, hat erlebt, wie<br />
seine Studenten zunächst in Abwehrstellung gingen,<br />
als sie am Bildschirm jüdischen Kommilitonen aus den<br />
SOLIYA<br />
Soliya wurde vor zehn Jahren mit dem Ziel ins Leben<br />
gerufen, jungen Menschen aus muslimischen und<br />
westlichen Ländern interkulturelle Erfahrungen zu<br />
vermitteln. Die Nichtregierungsorganisation mit Büros in<br />
New York und Kairo setzt dabei ganz auf das Internet, um<br />
Studenten aus aller Welt in virtuellen Diskussionsrunden<br />
miteinander in Kontakt zu bringen. Inzwischen beteiligen<br />
sich bereits über 100 Universitäten, viele haben das<br />
Online-Bildungsprogramm Connect (Verbinden) in ihre<br />
Studienpläne integriert.<br />
WWW.SOLIYA.ORG<br />
USA gegenübersaßen. Dem Todfeind quasi. Und wie<br />
sich dann Diskussionen entwickelten, die bei allen Unterschieden<br />
doch auch Gemeinsamkeiten oder zumindest<br />
Verständnis für die Haltung des anderen erkennen ließen.<br />
Auf beiden Seiten. »Am Ende des Semesters hatte sich<br />
die Einstellung vieler meiner Studenten komplett verändert«,<br />
beschreibt Madani die Wirkung der Gesprächsrunden.<br />
Mittlerweile wird die Liste mit Studenten, die an<br />
dem Programm teilnehmen wollen, immer länger.<br />
Um anfängliche Berührungsängste zu überwinden oder<br />
auch allzu hitzige Debatten zu dämpfen, werden die<br />
Online-Runden von Moderatoren begleitet. »Manchmal<br />
haben sie es ziemlich schwer, eine Diskussion über haupt<br />
in Gang zu bringen, weil die Teilnehmer allzu höflich<br />
miteinander umgehen«, erzählt Soliya-Geschäftsführer<br />
Shamil Idriss. Dabei gibt es genügend Themen, an denen<br />
sich problemlos ein Disput zwischen West und Nahost<br />
entzünden lässt. Und im Laufe des Semesters bleibt<br />
davon auch keines ausgespart – weder der islamistische<br />
Terror, noch das Thema Islamophobie, weder das Verhältnis<br />
zwischen Religion und Staat, noch die Rolle der<br />
Frau in der Gesellschaft oder das Thema Homosexualität.<br />
Wie unterschiedlich die Weltsicht ausfallen kann, zeigt<br />
sich regelmäßig, wenn die Teilnehmer anhand von<br />
48<br />
<br />
<br />
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<br />
49
GESELL-<br />
SCHAFT<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013<br />
© 2011, Scott Adams, Inc./Distr. Universal Uclick/Distr. Bulls<br />
zu hinterfragen, sollen sie in die Lage versetzt werden,<br />
die Spaltung der Welt zu überwinden. Der Weg dahin<br />
führt nach Überzeugung von Shamil Idriss über die<br />
Schule und die Universitäten.<br />
unbearbeitetem Rohmaterial von Associated Press und<br />
vom arabischen TV-Sender Al Jazeera einen möglichst<br />
ausgewogenen Nachrichtenbeitrag zusammenschneiden<br />
sollen. Ging es in den Online-Diskussionen bis dahin<br />
vielleicht noch eher zögerlich zu, spätestens wenn sie<br />
die Zwei-Minuten-Clips ihrer Kommilitonen über den<br />
Nahost-Konflikt sehen mit der jeweils unterschiedlichen<br />
Sichtweise, ist es mit der Scheu vorbei.<br />
Wenn der Austausch über weltanschauliche und kulturelle<br />
Gräben hinweg als fester Bestandteil universitärer<br />
Bildung verankert wäre, wenn eine möglichst große Zahl<br />
junger Menschen in westlichen und muslimischen Ländern<br />
derart geschult heranwachsen würde, eine kritische<br />
Masse, die ihre Differenzen als Aufgabe ansieht und nicht<br />
als Kriegsgrund, dann, so Idriss, könnte ein Pastor mit der<br />
Verbrennung eines Korans in Zukunft kaum mehr Aufruhr<br />
stiften, und verblendete junge Männer würden keine Flugzeuge<br />
in Gebäude lenken. »Könnten wir schon heute mit<br />
einer Million Studenten pro Jahr arbeiten«, setzt er hinzu,<br />
»dann würden sie bereits jetzt die Welt verändern.«<br />
»Anfangs wollte ich nicht ins Connect-<br />
Programm. Mein Professor hat mich<br />
dazu gedrängt. Und ehrlich, im<br />
Nachhinein bin ich froh darüber.«<br />
In den Soliya-Seminaren kommen Menschen miteinander<br />
in Kontakt, die sich normalerweise tunlichst aus dem<br />
Wege gehen. Die Bandbreite reicht von der Atheistin aus<br />
Amsterdam über den bibeltreuen Christen aus Kentucky<br />
bis hin zum Muslimbruder aus Kairo. Und vielleicht ist das<br />
die größte Leistung, die Soliya zuwege bringt: Sie reden<br />
miteinander über Gott und die Welt, sie diskutieren, sie<br />
streiten – aber sie schlagen sich nicht die Schädel ein.<br />
Palästinensischer Student<br />
Leser-Forum<br />
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In Zeiten, da Fundamentalisten auf beiden Seiten Feindseligkeit<br />
und Hass schüren und das Internet als Verstärker<br />
nutzen, setzt Soliya die Technologie dazu ein, junge<br />
Menschen dagegen zu immunisieren. Ausgestattet mit<br />
interkultureller Erfahrung, mit der Fähigkeit, andere Meinungen<br />
zu respektieren und die eigenen Auffassungen<br />
Redaktionsschluss für das<br />
<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2013 ist der<br />
30. August 2013.<br />
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