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Allianz Journal 2/2013 | Seite 44 Soliya wurde vor zehn Jahren mit dem Ziel ins Leben gerufen, jungen Menschen aus muslimischen und westlichen Ländern interkulturelle Erfahrungen zu vermitteln. Die Nichtregierungsorganisation mit Büros in New York und Kairo setzt dabei ganz auf das Internet, um Studenten aus aller Welt in virtuellen Diskussionsrunden miteinander in Kontakt zu bringen. Inzwischen beteiligen sich bereits über 100 Universitäten, viele haben das Online- Bildungsprogramm Connect (Verbinden) in ihre Studienpläne integriert. WWW.SOLIYA.ORG GESELL- SCHAFT Asianet-Pakistan / shutterstock.com SOLIYA Todfeind am Bildschirm Anfangs sind viele der Teilnehmer vorsichtig. Bloß nichts Falsches sagen. Bloß keinem auf die Füße treten. Wenn Studenten aus westlichen Ländern bei den Online-Seminaren von Soliya das erste Mal auf Kommilitonen aus dem Nahen Osten treffen, geht es oft überaus höflich zu. Doch lange dauert die Kuschelphase nicht. FRANK STERN Das Internet ist ein gefährliches Instrument. Es kann Keile treiben zwischen Menschen und Völker, es kann Vorurteile verstärken und zum Vehikel für Desinformation und Hass werden. Es kann aber auch verbinden, es kann aufklären und Vertrauen schaffen. Das Internet ist die Krankheit und das Gegenmittel – je nachdem, wer darüber verfügt. Als Lucas Welch vor zehn Jahren Soliya ins Leben rief, eine Organisation, die durch interkulturelle Erfahrungen Gräben überbrücken will, lag der Terroranschlag von New York gerade zwei Jahre zurück. Während sich die Welt im Kampf der Kulturen erschöpfte, entwickelte der Amerikaner, zuvor Produzent beim Fernsehsender ABC und Mediendozent >
Allianz Journal 2/2013 | Seite 45 GESELL- SCHAFT an der Bir Zeit-Universität in Ramallah, ein Konzept für Verständigung und Ausgleich. Nicht von ungefähr ist der Name Soliya eine Zusammensetzung aus dem lateinischen sol (Sonne) und dem arabischen Wort für Licht. »In den USA besteht ein extremes Unbehagen gegenüber dem Islam, aber connect hat mich gelehrt, auf den einzelnen Menschen zu schauen und zu erfahren, was er denkt, statt alle über einen Kamm zu scheren.« Amerikanische Studentin Soliya nutzt das Internet, um Studenten aus verschiedenen Ländern per Videokonferenz zusammenzubringen. Inzwischen läuft das zehnwöchige Programm Connect (Verbinden) bereits an über 100 Universitäten in 27 Ländern – von Ägypten bis Indonesien, von den USA bis zur Schweiz. Deutschland ist mit der Uni Frankfurt, der Freien Universität Berlin und der TU München dabei. Einige Institutionen haben Connect sogar in ihr reguläres Studien programm aufgenommen. Seit letztem Jahr wird Soliya auch von der Allianz Stiftung für Nordamerika unterstützt. »Es geht um Verständigung, um die Überwindung von Vorurteilen, um Respekt füreinander«, sagt Stiftungsleiter Christopher Worthley. »Diese Ziele passen gut mit unserer Mission zusammen, junge Menschen zu befähigen, eine sichere Zukunft zu gestalten.« Das Internet als Brücke zwischen Menschen und Kulturen, die sich fremder kaum sein könnten. Osama Madani, Englischprofessor an der Menoufia Universität in Shibin El Kom, 75 Kilometer von Kairo entfernt, hat erlebt, wie seine Studenten zunächst in Abwehrstellung gingen, als sie am Bildschirm jüdischen Kommilitonen aus den USA gegenübersaßen. Dem Todfeind quasi. Und wie sich dann Diskussionen entwickelten, die bei allen Unterschieden doch auch Gemeinsamkeiten oder zumindest Verständnis für die Haltung des anderen erkennen ließen. Auf beiden Seiten. »Am Ende des Semesters hatte sich die Einstellung vieler meiner Studenten komplett ver ändert«, beschreibt Madani die Wirkung der Gesprächsrunden. Mittlerweile wird die Liste mit Studenten, die an dem Programm teilnehmen wollen, immer länger. Um anfängliche Berührungsängste zu überwinden oder auch allzu hitzige Debatten zu dämpfen, werden die Online- Runden von Moderatoren begleitet. »Manchmal haben sie es ziemlich schwer, eine Diskussion über haupt in Gang zu bringen, weil die Teilnehmer allzu höflich miteinander umgehen«, erzählt Soliya-Geschäftsführer Shamil Idriss. Dabei gibt es genügend Themen, an denen sich problemlos ein Disput zwischen West und Nahost entzünden lässt. Und im Laufe des Semesters bleibt davon auch keines ausgespart – weder der islamistische Terror, noch das Thema Islamophobie, weder das Verhältnis zwischen Religion und Staat, noch die Rolle der Frau in der Gesellschaft oder das Thema Homosexualität. »Ich habe immer geglaubt, dass sich der Westen nicht um andere schert, vor allem nicht um die Menschen im Nahen Osten.« Ägyptischer Student Wie unterschiedlich die Weltsicht ausfallen kann, zeigt sich regelmäßig, wenn die Teilnehmer anhand von unbearbeitetem Rohmaterial von Associated Press und vom arabischen TV-Sender Al Jazeera einen möglichst ausgewogenen Nachrichtenbeitrag zusammenschneiden sollen. Ging es in den Online- Diskussionen bis dahin vielleicht noch eher zögerlich zu, spätestens wenn sie die Zwei-Minuten-Clips ihrer Kommilitonen über den Nahost-Konflikt sehen mit der jeweils unterschiedlichen Sichtweise, ist es mit der Scheu vorbei. >
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