Journal - Allianz
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<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 35<br />
AMERIKA<br />
Englerth<br />
An der US-Ostküste waren am 29. Oktober durch den Wirbelsturm<br />
»Sandy« 120 Menschen ums Leben gekommen. Zehntausende<br />
Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Zuvor hatte der Sturm<br />
bereits in der Karibik für erhebliche Verwüstungen gesorgt. Die nun<br />
freigegebenen Hilfen sollen über zehn Jahre ausgezahlt werden. Sie<br />
gehen zum Teil an die betroffenen Hausbesitzer und Unternehmen.<br />
Vor allem aber soll damit die beschädigte Infrastruktur repariert und<br />
die Küste besser vor künftigen Stürmen geschützt werden.<br />
Team Orange im Einsatz: Jürgen Englerth und andere Marathonläufer<br />
packten mit an, um den Menschen in den betroffenen<br />
Gebieten in Brooklyn und Staten Island zu helfen<br />
Ende Oktober 2012 flog ich in die USA, um meine Familie zu besuchen und im Rahmen einer Wohltätigkeitsaktion<br />
den Marine Corps Marathon in Washington und eine Woche darauf den New York City Marathon zu laufen. Bereits vor<br />
dem Start des Marine Corps Marathons war vor einem aufziehenden Unwetter gewarnt worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />
ahnte jedoch noch niemand, dass es sich um den schwersten Sturm handeln würde, den New York City und New<br />
Jersey je erlebt haben.<br />
Am Ende blieb ich, mit Unterbrechungen, fast zwei Monate dort, um meiner Familie und den Opfern in den Flutgebieten<br />
zu helfen. Ich verbrachte die Sturmnacht mit meiner 92-jährigen Schwiegermutter in ihrem Haus in New<br />
Jersey. Der Wird heulte so laut, dass wir uns kaum verständigen konnten. Dauernd waren auf dem Dach Einschläge<br />
von großen Trümmern zu hören, die der Sturm durch die Luft gewirbelt hatte. Der nächste Morgen zeigte dann<br />
das ganze Ausmaß der Zerstörung: Die Straßen waren gesperrt, es gab keinen Strom, Telefon und Heizung waren<br />
ausgefallen. Läden und Restaurants blieben bis auf Weiteres geschlossen.<br />
Die nächsten Tage war ich damit beschäftigt, meine Schwiegermutter an ständig wechselnden sicheren Orten<br />
unterzubringen sowie Benzin und Nahrungsmittel für uns aufzutreiben. An den wenigen Tankstellen, die noch<br />
Treibstoff hatten, bildeten sich riesige Warteschlangen, die Leute mussten bis zu sechs Stunden anstehen. Da das<br />
öffentliche Leben völlig zusammengebrochen war, war man auf das Auto angewiesen, um die wenigen sicheren und<br />
warmen, mit Generatoren ausgestatteten Orte zu erreichen: Rathäuser, Rettungsstationen und einige Cafes, in denen<br />
sich die Menschen sammelten und darauf warteten, dass die Stromversorgung wieder funktionierte.<br />
Die Situation eskalierte innerhalb weniger Tage von lästig zu lebensbedrohlich. Die Temperaturen fielen auf bis zu<br />
minus fünf Grad, das Benzin wurde knapp. Zu allem Überfluss kam dann in der zweiten Woche noch starker Schneefall<br />
hinzu. Ich entschloss mich daher, meinen Aufenthalt unbefristet zu verlängern, bis wieder Sicherheit eingekehrt war.<br />
Das Rote Kreuz flog Tausende von Helfern aus den ganzen USA ein und leistete hervorragende Arbeit.<br />
Trotz der Ausnahmesituation war ich fest entschlossen, am New York City Marathon teilzunehmen. Dieser wurde<br />
dann aber kurzfristig abgesagt, nachdem die Strecke durch stark zerstörte Gebiete führen sollte, in denen auch viele<br />
Menschen ums Leben gekommen waren. Eine Gruppe junger Menschen organisierte dennoch kurzerhand über<br />
Facebook den »Run Anyway Marathon«, der auf der Originalstrecke des ersten NYC Marathon von 1970 durch den<br />
Central Park führte. Etwa 20 000 Läufer nahmen daran teil. Es wurde zu einem Fest der Hoffnung und Lebensfreude.<br />
Die Läufer spendeten Geld und Lebensmittel für die Opfer von Sandy. Die New Yorker unterstützten diese Aktion<br />
tatkräftig, indem sie die Läufer anfeuerten und ihnen Essen und Getränke an die Strecke brachten.<br />
Als wir nach elf Tagen in unserem Wohnort in New Jersey endlich wieder Strom hatten, schloss ich mich einem Team<br />
von befreundeten Marathonläufern aus New York an, um in den am schlimmsten zerstörten Gebieten in Brooklyn<br />
und Staten Island zu helfen. Organisator war die US-Laufikone Hideki Kinoshita. Wir trugen unsere orangefarbenen ><br />
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