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Journal - Allianz

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ALLIANZ GROUP<br />

<strong>Journal</strong><br />

Deutsche Ausgabe 2 | 2013<br />

10<br />

26<br />

Dialog in Zeiten des Terrors<br />

Brückenschlag gegen den Hass<br />

»Eine ungemein hässliche<br />

Spezies«<br />

Altersforschung am faltigen<br />

Objekt<br />

Am Rande<br />

Portugal und die Krise<br />

Stern


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 2<br />

INHALT<br />

44 26 20<br />

alle Fotos: Shutterstock | links: Asianet-Pakistan / shutterstock.com<br />

44 Manchmal reicht schon ein stümperhaftes Video oder eine Mohammed-Karikatur, um am anderen Ende der Welt für Aufruhr zu sorgen | 26 Methusalem<br />

im Faltenrock: Bis zu 30 Jahre können Nacktmulle werden. Wissenschaftler sind dem Rätsel der Langlebigkeit auf der Spur | 20 Männer und Frauen passen nicht<br />

zusammen – jedenfalls nicht, was ihre Vorstellungen von Aufstieg und Karriere angeht<br />

KURZ BERICHTET<br />

3 Neues aus der <strong>Allianz</strong> Welt<br />

MEINUNGEN<br />

7 Leserbriefe<br />

10 Dialog in Zeiten des Terrors<br />

Shamil Idriss über Vorurteile<br />

und Annäherung<br />

GLOBAL<br />

13 Kein Ort. Nirgends<br />

Naturgewalten und die Kosten<br />

des Risikos<br />

15 Signal aus Spanien<br />

<strong>Allianz</strong> International in Barcelona<br />

DEUTSCHLAND<br />

17 Land der Nörgler?<br />

Bürgerwille contra Großprojekte<br />

20 Vom Ende der Männer und<br />

der Feigheit der Frauen<br />

Studie zum Frauenmangel<br />

in Chefetagen<br />

23 Vorsicht Schuldenfalle!<br />

My Finance Coach und die<br />

Verlockungen der Konsumwelt<br />

25 »Wir verstecken nichts«<br />

Christian Keller über Schuldenprävention<br />

im Klassenzimmer<br />

EUROPA<br />

26 »Eine ungemein hässliche<br />

Spezies«<br />

Hauptsache gesund: Der Nacktmull<br />

in der Altersforschung<br />

28 Am Rande<br />

Portugal und die Krise<br />

32 Baustelle Europa<br />

Finanzspritze für<br />

Infrastrukturprojekte<br />

33 Rendezvous mit Hamilton<br />

Formel 1 hautnah<br />

AMERIKA<br />

34 »Wie in einem Kriegsgebiet«<br />

Wirbelsturm Sandy – Solidarität<br />

nach der Katastrophe<br />

AUSTRALIEN<br />

36 Elefanten ins Outback<br />

Risikomanagement auf Australisch<br />

ASIEN<br />

39 »Extrem harter Wettbewerb«<br />

Uwe Michel zur Neuaufstellung<br />

in China<br />

GESELLSCHAFT<br />

42 Boulevard der Freiheit<br />

Aufbruch in Casablanca<br />

44 Todfeind am Bildschirm<br />

Toleranztraining im Chatroom<br />

47 Dilbert<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 (Juni)<br />

Zeitschrift für Mitarbeiter<br />

der <strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />

Herausgeber <strong>Allianz</strong> SE<br />

Verantwortlich für den Herausgeber<br />

Emilio Galli-Zugaro<br />

Chefredaktion Frank Stern<br />

Layout volk:art51<br />

Produktion repromüller<br />

Anschrift der Redaktion<br />

<strong>Allianz</strong> SE<br />

Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />

Königinstraße 28, 80802 München<br />

Tel 089-3800-3804<br />

journal@allianz.de


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 3<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Kreditversicherung für HSBC-Kunden<br />

Euler Hermes wird exklusiver Anbieter von Kredit versicherungen für Geschäftskunden der Bank HSBC. Eine entsprechende<br />

Übereinkunft wurde im Mai geschlossen. Die globale Vertriebsvereinbarung sichert HSBC-Kunden, die Handel auf<br />

offene Rechnung betreiben, Schutz vor Forderungsausfall. HSBC und <strong>Allianz</strong> Tochter Euler Hermes sind seit 2008 bereits<br />

strategische Partner in Brasilien, Mexiko, den USA, Hongkong, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.<br />

WWW.HSBC.COM<br />

Marktführer in der Türkei<br />

Shutterstock<br />

Die <strong>Allianz</strong> übernimmt von der viertgrößten Privatbank der Türkei, Yapi<br />

Kredi, deren Sach-, Lebens- und Rentengeschäft und wird damit die<br />

Nummer 1 im türkischen Versicherungsmarkt. Gleichzeitig sichert sie<br />

sich eine auf 15 Jahre angelegte, exklusive Bankvertriebsvereinbarung.<br />

Das gaben beide Partner im März bekannt. Mit der Übernahme des<br />

Schaden- und Unfallversicherers Yap Kredi Sigorta sowie der Lebensund<br />

Rentenversicherungstochter Yap Kredi Emeklilik steigt die <strong>Allianz</strong><br />

Türkei zur Nummer 1 im Sachversicherungsgeschäft, zur Nummer 2 im<br />

Rentengeschäft und zur Nummer 3 im Lebensversicherungsgeschäft des Landes auf.<br />

Die Stellung der <strong>Allianz</strong> im türkischen Markt wird zusätzlich durch eine zehnjährige Vertriebsvereinbarung mit der<br />

Bank HSBC gestärkt. Beide Unternehmen arbeiten bereits in verschiedenen asiatischen Märkten beim Vertrieb von<br />

Lebens-, Kranken- und Kreditversicherungen sowie in der Vermögensverwaltung zusammen. Gegen eine Barzahlung<br />

von 23 Millionen Euro wird HSBC ab dem zweiten Halbjahr 2013 in der Türkei exklusiv Lebensversicherungen und<br />

Altersvorsorgeprodukte der <strong>Allianz</strong> an ihre Kunden vertreiben. Weitere europäische Länder sollen folgen.<br />

WWW.HSBC.COM | WWW.ALLIANZ.COM.TR<br />

<strong>Allianz</strong> Stadion in São Paulo<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Die <strong>Allianz</strong> hat sich auf 20 Jahre die Namensrechte für das neue<br />

Stadion des Fußball-Clubs Palmeiras in São Paulo gesichert. Die<br />

Nova Arena wird nicht nur als Sportstadion dienen, sondern soll<br />

auch für Großveranstaltungen und Megashows genutzt werden.<br />

Neben der <strong>Allianz</strong> Arena in München ist die <strong>Allianz</strong> bereits<br />

Namensgeber für Stadien in Australien, England und Frankreich.<br />

Die Baukosten für das Palmeiras-Stadion betragen rund 125<br />

Millionen Euro.<br />

WWW.PALMEIRAS.COM.BR/HOME


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 4<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Botschafter am Piano<br />

Der chinesische Starpianist Lang Lang und die <strong>Allianz</strong> haben im Januar eine globale<br />

Partnerschaft gestartet. Sie ist zunächst auf zwei Jahre begrenzt und soll der<br />

<strong>Allianz</strong> den Zugang zu neuen Kundensegmenten eröffnen. Lang Lang wird dabei<br />

als globaler Markenbotschafter der <strong>Allianz</strong> fungieren. Darüber hinaus wurde vereinbart,<br />

dass die <strong>Allianz</strong> ein neues Jugendprogramm der Lang Lang International Music Foundation unterstützen wird.<br />

Lang Lang zählt zu den Superstars in der internationalen Musikszene und tritt regelmäßig mit den besten Orchestern<br />

der Welt auf. Pro Jahr gibt er mehr als 120 Konzerte.<br />

WWW.LANGLANG.COM<br />

Arena in Grün<br />

Referenz an Irlands Schutzpatron, den Heiligen Patrick: Am 17. März leuchtete die <strong>Allianz</strong> Arena in München in<br />

ungewohnter Farbe. Statt rot (FC Bayern), blau (1860 München) oder neutral weiß erstrahlte der Fußballtempel irisch<br />

Grün. Anlass war der St. Patrick’s Day, der Nationalfeiertag der Iren. Auch in anderen Teilen der Welt wurden berühmte<br />

Gebäude in die Aktion einbezogen, vom Empire State Building in New York über den Schiefen Turm von Pisa bis zur<br />

Christus-Statue in Rio de Janeiro.<br />

<strong>Allianz</strong> kauft Gasnetz in Tschechien<br />

Shutterstock<br />

Nach der Beteiligung am norwegischen Gastransportnetz Gassled Anfang<br />

letzten Jahres hat die <strong>Allianz</strong> im März zusammen mit der kanadischen Borealis<br />

Infrastructure auch den Gasnetzbetreiber Net4Gas in Tschechien übernommen.<br />

Net4Gas, eine Tochter des deutschen Energieversorgers RWE, betreibt ein<br />

mehr als 3600 km langes Netzwerk von Hochdruckleitungen, die sowohl den<br />

tschechischen Binnenmarkt versorgen als auch russisches Erdgas nach Zentralund<br />

Westeuropa transportieren. Der Kaufpreis beträgt 1,6 Milliarden Euro.<br />

Die <strong>Allianz</strong> und Borealis werden jeweils 50 Prozent an Net4Gas halten.<br />

<strong>Allianz</strong> Life in den Top 100<br />

Zum zweiten Mal in Folge hat es <strong>Allianz</strong> Life in die Liste der 100 besten Arbeitgeber der USA geschafft, die das Magazin<br />

Fortune jedes Jahr herausgibt. Die amerikanische Lebensversicherungstochter mit Sitz in Minneapolis landete auf Rang 59,<br />

Sieger wurde wie im letzten Jahr die Firma Google. An der Umfrage nahmen 259 Unternehmen teil, mehr als 277 000 Mitarbeiter<br />

gaben Auskunft über ihre Führungskräfte, die Zufriedenheit mit dem Job und Fördermaßnahmen im Unternehmen.<br />

WWW.ALLIANZLIFE.COM


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 5<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

ACIS<br />

Flashmob zum Zehnten<br />

Vor zehn Jahren gründete die <strong>Allianz</strong> Großbritannien im indischen<br />

Trivandrum ihre IT-Tochter ACIS. Was als kleiner Laden mit 50 Angestellten<br />

begann, hat sich inzwischen zu einem Unternehmen mit vier Büros und 1600 Mitarbeitern gemausert.<br />

Beim Besuch von <strong>Allianz</strong> UK-Chef Andrew Torrance zum zehnjährigen Bestehen gab es für den Briten eine kleine Überraschung:<br />

Dutzende ACIS-Mitarbeiter starteten zur Begrüßung einen Flashmob zur Musik des koreanischen Popsongs<br />

»Gangnam Style«. Das Jubiläumsjahr will ACIS unter anderem dazu nutzen, sich verstärkt in Sozialprojekten der Stadt<br />

zu engagieren und das Unternehmen in Schulen und Universitäten vorzustellen.<br />

WWW.ACIS.CO.IN<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Kooperation mit<br />

Paralympischem Komitee<br />

Die <strong>Allianz</strong> wird auch in den nächsten vier Jahren den Behindertensport<br />

in der Welt aktiv unterstützen. Im April unterzeichneten Sir<br />

Philip Craven (rechts im Bild), Präsident des Internationalen Paralym<br />

pischen Komitees (IPC) und <strong>Allianz</strong> Vorstand Werner Zedelius<br />

in München eine entsprechende Vereinbarung. Die <strong>Allianz</strong> arbeitet<br />

bereits seit 2006 mit dem IPC zusammen, um dem Behindertensport in der Öffentlichkeit zu mehr Aufmerksamkeit zu<br />

verhelfen. Der Vierjahresvertrag umfasst einen vollen olympischen Zyklus und schließt die Unterstützung zahlreicher<br />

nationaler paralympischer Komitees bei der Vorbereitung auf die Winterspiele 2014 im russischen Sotschi sowie auf<br />

die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro ein. Dazu zählen die Verbände in Australien, Deutschland, Irland, Kroatien,<br />

Mexiko, Österreich, Portugal, der Schweiz, Tschechien und Ungarn.<br />

WWW.SPONSORING.ALLIANZ.COM<br />

<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> im Internet<br />

Seit März steht das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> den Lesern auch im Internet zur Verfügung.<br />

Auf der Knowledge-Seite, dem Wissensportal der <strong>Allianz</strong> Gruppe, verfügt das<br />

<strong>Journal</strong> über einen eigenen Bereich, über den man auf die Inhalte des Magazins<br />

zugreifen kann. Zudem finden sich dort sowohl die PDFs der Druckversion,<br />

als auch die für Smartphones und Tablets angepassten Formate.<br />

HTTP://KNOWLEDGE.ALLIANZ.COM/JOURNAL


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 6<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Junior Football<br />

Camp in München<br />

Im August steigt zum fünften Mal das <strong>Allianz</strong> Junior Football<br />

Camp in München. Vom 7. bis 12. August werden<br />

75 Teenager aus 25 Ländern die Gelegenheit erhalten, den<br />

Alltag ihrer Fußballhelden vom FC Bayern auf dem Vereinsgelände in der Säbener Straße hautnah zu erleben. Daneben<br />

erwartet sie ein besonderes Programm: Training mit Jugendtrainern des Bayernclubs, Besuch eines Heimspiels, eine<br />

exklusive Führung durch die <strong>Allianz</strong> Arena und ein Blick hinter die Kulissen des FCB. Und als besonderes Highlight: ein<br />

persönliches Treffen mit den Stars des Champions League-Siegers.<br />

WWW.FOOTBALL-FOR-LIFE.COM<br />

Ende der <strong>Allianz</strong> Bank<br />

Die <strong>Allianz</strong> Bank stellt zum 30. Juni ihre Geschäftstätigkeit ein. Als Grund nannte Andree Moschner, Vorstandschef der<br />

<strong>Allianz</strong> Beratungs- und Vertriebs-AG, die seit Jahren anhaltenden Verluste. Eine Trendwende sei nicht in Sicht gewesen,<br />

so Moschner. Die bundesweit 450 Arbeitsplätze bei der Bank entfallen, die 45 Filialen in <strong>Allianz</strong> Agenturen werden geschlossen.<br />

Die <strong>Allianz</strong> Bank wurde 2009 als Zweigniederlassung der zum <strong>Allianz</strong> Konzern gehörenden Oldenburgischen<br />

Landesbank gegründet.<br />

WWW.OLB.DE<br />

Versicherung vom Handy<br />

Als erstes Unternehmen in Kroatien hat die <strong>Allianz</strong> Zagreb eine Smartphone-Anwendung für Reisekrankenversicherungen<br />

auf den Markt gebracht. Die m-<strong>Allianz</strong>-App ist kostenlos und führt den Nutzer in wenigen Schritten zum Abschluss<br />

einer Versicherung. Es genügt, einige persönliche Daten einzutragen sowie Art der Versicherung und Dauer der Reise<br />

anzugeben. Der entsprechende Beitrag wird dann über die Kreditkarte eingezogen. Selbst, wer sich kurz fristig zu einer<br />

Reise entschließt, kann sich über die App unkompliziert absichern. Die Police wird per E-Mail zugestellt. Ein Serviceteam,<br />

das telefonisch rund um die Uhr erreichbar ist, unterstützt bei Sprachproblemen im Ausland, informiert die<br />

Familie des Betroffenen bei Notfällen und leitet Meldungen über anfallende Kosten an <strong>Allianz</strong> Assistance weiter. Die<br />

Schadenmeldung nach der Rückkehr entfällt damit.<br />

WWW.ALLIANZ.HR


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 7<br />

KURZ<br />

BERICHTET<br />

Ausgezeichnet<br />

Die <strong>Allianz</strong> ist aus der Leserbefragung Reader’s Digest<br />

European Trusted Brands 2013 als vertrauenswürdigste<br />

Marke unter Europas Versicherern hervorgegangen.<br />

Rund 20 000 Leser in zwölf europäischen Ländern nahmen<br />

an der Umfrage teil. Es ist das zwölfte Mal in Folge,<br />

dass die <strong>Allianz</strong> die Spitzenposition erreichen konnte.<br />

Die <strong>Allianz</strong>-Tiriac ist vom rumänischen Versicherungsmagazin<br />

PRIMM zum Versicherer des Jahres 2012 gekürt<br />

worden. Es ist bereits das elfte Mal, dass der <strong>Allianz</strong><br />

Tochter die Auszeichnung zuerkannt wurde.<br />

Euler Hermes ist vom Fachmagazin Trade and Export<br />

Middle East in Dubai als beste Kreditversicherung des<br />

Jahres ausgezeichnet worden.<br />

Personalien<br />

Noboru Tsuda ist seit 1. März Chef der <strong>Allianz</strong> Life<br />

Insurance Japan. Er hat die Nachfolge von Olaf Kliesow<br />

angetreten, der bei der <strong>Allianz</strong> SE in München den<br />

Bereich Global Life & Health Portfolio Management<br />

übernommen hat.<br />

Pawel Dangel tritt nach mehr als 15 Jahren an der Spitze<br />

der <strong>Allianz</strong> in Polen in den Ruhestand. Sein Nachfolger<br />

wird Witold Jaworski.<br />

David Fried, Regional-Chef der <strong>Allianz</strong> Asia Pacific in<br />

Singapur, hat das Unternehmen im Januar auf eigenen<br />

Wunsch verlassen, um neue Aufgaben außerhalb der<br />

<strong>Allianz</strong> Gruppe zu übernehmen. Seine Aufgaben hat<br />

interimsmäßig <strong>Allianz</strong> Vorstand Manuel Bauer übernommen.<br />

Chris James, Chef von <strong>Allianz</strong> Taiwan Life, ist im Mai in<br />

den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde Danny Lam.<br />

MEINUNGEN<br />

Zu kurz gegriffen<br />

Leserbriefe<br />

Heidrun Naujoks von <strong>Allianz</strong> Leben in München kommentiert den Artikel »Fruchtbare Investitionen«<br />

im <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 1/2013:<br />

In dem Artikel »Fruchtbare Investitionen« von Michael Grimm wird auf die Frage »Warum müssen (trotz wachsender<br />

Erträge der Landwirtschaft) immer noch Millionen Menschen hungern?« Bryan Agbabian von <strong>Allianz</strong> Global Investors<br />

mit der Antwort zitiert: »Wir produzieren immer noch nicht genug.« Diese Aussage wird einfach so stehen gelassen,<br />

als handele es sich um eine unstrittige Wahrheit.<br />

Die Antwort greift aber viel zu kurz, ist vielleicht sogar falsch. Laut den Vereinten Nationen werden zum Beispiel<br />

weltweit jährlich zirka 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel in den Müll geworfen. Die in den Industrienationen<br />

weggeworfene Menge allein könnte theoretisch ausreichen, um alle hungernden Menschen zu ernähren. Es werden<br />

laut Ansicht vieler Experten also durchaus zwar ausreichend Nahrungsmittel produziert, nur sind diese eben nicht<br />

gerecht verteilt.<br />

Es gibt zu der Thematik noch zahlreiche andere Gesichtspunkte, und es wäre schön gewesen, wenn diese zumindest<br />

kurze Erwähnung in dem Artikel gefunden hätten, denn für einfache Antworten ist das Thema definitiv zu komplex. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 8<br />

MEINUNGEN<br />

Und nicht zuletzt: Ob global agierende Agrarkonzerne beziehungsweise deren Investoren tatsächlich der Landwirtschaft<br />

in den armen und ärmsten Regionen der Welt im Endeffekt helfen, darf zumindest bezweifelt werden. Zum Thema<br />

Fleischkonsum teile ich die Ansicht des Ökonomen Gernot Klepper und vieler Experten, die in der steigenden Nachfrage<br />

nach Fleisch weltweit ebenfalls eine der Ursachen von Nahrungsmittelverknappung aufgrund des zunehmenden<br />

Futtermittelanbaus sehen. Mich würde interessieren, ob die <strong>Allianz</strong> trotzdem auch Investitionen in Unternehmen der<br />

Fleischindustrie tätigt. Man muss vermutlich leider davon ausgehen, wenn die Investitionen des Global Agricultural Trends<br />

Fonds tatsächlich »das gesamte Spektrum von Lebensmittelproduktion, -verarbeitung, und -verteilung« abdecken.<br />

Verheerende Auswirkungen<br />

Auch Sepp Sperr von der <strong>Allianz</strong> Deutschland in München setzt sich mit dem Artikel »Fruchtbare<br />

Investitionen« auseinander:<br />

Sie schreiben »Wir produzieren immer noch nicht genug«. Das kann ich nicht so stehen lassen. Haben Sie sich schon<br />

mal gefragt, warum soviel Lebensmittel weggeworfen werden? Zitat aus dem Film »We feed the World«: »Tag für<br />

Tag wird in Wien gleich viel Brot entsorgt, wie Graz verbraucht. Auf rund 350 000 Hektar, vor allem in Lateinamerika,<br />

werden Sojabohnen für die österreichische Viehwirtschaft angebaut, daneben hungert ein Viertel der einheimischen<br />

Bevölkerung. Jeder Europäer isst jährlich zehn Kilogramm künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus Südspanien,<br />

wo deswegen die Wasserreserven knapp werden.« Weiter schreiben Sie, »Unser Fonds investiert in Firmen, die dazu<br />

beitragen, die Lebensmittelproduktion zu steigern.« Allerdings schreiben Sie – vermutlich ganz bewusst – nicht, in<br />

welchen Gegenden diese Firmen die Lebensmittelproduktion steigern.<br />

Auch Ihre Meinung, dass die Biospritproduktion nur geringen Einfluss auf die Preise hat, kann ich nicht teilen.<br />

Abgesehen davon, dass Biosprit äußerst umweltschädlich ist (zum Beispiel durch Abholzen von Regenwald), wird<br />

durch die Umnutzung von Grundnahrungsmitteln zu Treibstoffen die Nachfrage nach diesen Rohstoffen erhöht,<br />

und somit steigen auch die Preise, die sich die armen Länder dann nicht mehr leisten können. Reiche Bauern, die<br />

Überschüsse produzieren können, verkaufen dann lieber die Nahrungsmittel an reiche Länder, so dass es in den armen<br />

Ländern noch weniger zu essen gibt, und streichen somit auch noch einen beträchtlichen Gewinn ein. Die armen<br />

Bauern können dagegen kaum soviel erzeugen, dass sie selber satt werden, und müssen somit auch noch die teuren<br />

Lebensmittel kaufen, die sie sich nicht leisten können.<br />

Zustimmen kann ich, dass nur ein ökologischer Ernährungsstil Abhilfe schafft, aber sicher kein verstärkter Düngereinsatz.<br />

Denn Dünger wird meist auch nur da eingesetzt, wo es sowieso schon genug zu essen gibt oder die<br />

Landwirtschaft ihre Erzeugnisse exportiert (zum Beispiel Soja aus Brasilien). Und das hat verheerende Auswirkungen.<br />

Frust im Vertrieb<br />

<strong>Allianz</strong> Hauptvertreter Horst Frei aus Mosbach in Baden-Württemberg zum Interview mit dem Chef von<br />

<strong>Allianz</strong> Global Automotive, Karsten Crede:<br />

Dass die <strong>Allianz</strong> im Bereich Global Automotive wachsen will, ist verständlich. Warum jedoch dieser Artikel im <strong>Allianz</strong><br />

<strong>Journal</strong> erscheint, ist mir persönlich schleierhaft. Meine Kollegen und ich leben vom Versicherungsverkauf. Nun hat<br />

man wieder einmal den Wettbewerber im eigenen Hause. Wir haben in Kraft gerade zwei Jahre mit erheb lichen<br />

Prämienanpassungen hinter uns. Viele Kunden haben uns verärgert ob des Preises verlassen.<br />

Gleichzeitig wird der designierte Vorstandsvorsitzende der neu gegründeten VW-Versicherung (unter Federführung<br />

der <strong>Allianz</strong>!) mit den Worten »Beim Preis sehen wir noch Luft nach unten« in der Presse zitiert. Und dies bei einem<br />

Versicherer, der jetzt schon erheblich günstiger ist und auch noch bessere Leistungen anbieten kann als der <strong>Allianz</strong> >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 9<br />

MEINUNGEN<br />

Vertreter um die Ecke. Solch ein Artikel motiviert den Ausschließlichkeitsvertrieb sicher ungemein. Ich erwarte nicht,<br />

dass künftig jeder Artikel im <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> Freudentänze bei mir auslöst, jedoch wäre etwas »Feingefühl« angebracht,<br />

um den Vertrieb nicht noch mehr zu frustrieren.<br />

Mehr als nur finanzielle Hilfe<br />

Linda Murphy von <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty in Los Angeles über die Kooperation der <strong>Allianz</strong> mit<br />

MyHandicap:<br />

Vor kurzem hat ein Mitglied meiner Familie ein Bein verloren. Es folgten zahlreiche Operationen und Monate, in denen<br />

wir uns alle an dieses neue Leben mit Rollstuhl und Prothese gewöhnen mussten. Es ist großartig, dass die <strong>Allianz</strong><br />

dem Einzelnen nicht nur finanzielle Unterstützung bietet, sondern mit sozialen Initiativen zusammenarbeitet, die<br />

versuchen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Wir hatten zuvor noch nicht von MyHandicap gehört<br />

und haben uns gefreut, von den Vorteilen, die die Organisation bietet, zu erfahren. Die Versicherungsprodukte, die<br />

in Zukunft angeboten werden sollen, werden behinderten Menschen helfen. Es ist schön für ein Unternehmen zu<br />

arbeiten, das mit solchen Organisationen kooperiert.<br />

»Viele Wege führen nach Rom«<br />

Axel Steinhoff von der <strong>Allianz</strong> Beratungs- und Vertriebs-AG in München geht auf das Interview zum Thema<br />

Unternehmenskultur mit Dieter Wemmer und Manuel Bauer ein:<br />

Frank Stern hat in seinem Interview mit Manuel Bauer und Dieter Wemmer die Frage gestellt, wie sich unterschiedliche<br />

Wertesysteme und Kulturen auf Führungsverhalten und Führungskultur auswirken, aber meines Erachtens nach<br />

leider nur eine Antwort zu einer Seite der Medaille erhalten. Die gegebene Antwort wirkte auf mich eher wie ein aus<br />

deutscher Sicht verfasster Kommentar zum Entwicklungsstand eines anderen Wertesystems. Dabei stand offenbar<br />

im Vordergrund, was deutsches (Führungs-) Verhalten in den genannten Ländern bewirkt hat, zum Beispiel im Sinne<br />

einer anderen Kommunikation oder eines anderen Informationsaustausches.<br />

Eine andere Intention der Frage war nach meinem Verständnis aber anders herum gemeint, also welche Effekte<br />

andere Werte systeme und Kulturen auf Führungsverhalten generell haben, so zum Beispiel auch auf das Verhalten<br />

von Führungskräften hier im eige nen Land. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Akzeptanz und der Respekt<br />

vor anderen Kulturen, Werte- und Kommunikationssystemen ein nicht<br />

zu unterschätzendes Thema ist, sowie natürlich dann auch der Umgang<br />

damit im Kontext unseres<br />

Systems oder unserer Richtlinien.<br />

Meiner Auffassung nach liegt<br />

der Effekt solcher Erfahrungen<br />

in ausländischen Kulturen eher<br />

in einer bereichernden und<br />

heilsamen Reflexion unseres<br />

Führungsverhaltens. Damit kann<br />

es dann auch gerade hier vor Ort<br />

gelingen, tolerant und offen zu<br />

werden für die vielen Wege, die<br />

nach Rom führen.<br />

Leser-Forum<br />

Hat Ihnen das <strong>Journal</strong> gefallen? Oder ging Ihnen etwas<br />

gegen den Strich? Wenn Sie Anregungen, Hinweise<br />

oder Kritik haben – hier können Sie sie loswerden:<br />

journal@allianz.de<br />

Redaktion <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong><br />

Königinstr. 28, 80802 München<br />

Group Intranet (GIN) → <strong>Allianz</strong> key information → <strong>Journal</strong><br />

http://knowledge.allianz.com/journal<br />

Redaktionsschluss für das <strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2013<br />

ist der 30. August 2013.<br />

Shutterstock


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 10<br />

MEINUNGEN<br />

dpa / picture-alliance<br />

In einer Zeit, da die Gräben<br />

zwischen dem Westen und<br />

der muslimischen Welt<br />

immer größer werden,<br />

versucht eine kleine Organisation<br />

im Internet den<br />

Brückenschlag. Wir sprachen<br />

mit dem Geschäftsführer<br />

von Soliya, Shamil Idriss, über<br />

Dialogbereitschaft in Zeiten<br />

des Terrors.<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

Hass auf den Westen:<br />

die mutmaßlichen<br />

Attentäter von Boston<br />

Dialog in Zeiten des Terrors<br />

Mr. Idriss, wenn Sie sich die Welt heute ansehen, glauben Sie wirklich, dass sich die Gräben mit virtuellen<br />

Runden Tischen im Internet überbrücken lassen, wie sie Soliya für westliche und musli mische Studenten<br />

organisiert?<br />

Wenn ein Pastor in Florida, der kaum 50 An hänger in seiner Gemeinde hat, vor 15 oder 20 Jahren damit gedroht hätte,<br />

einen Koran zu verbrennen, hätte sich keiner darum geschert. Heute verbreitet sich so etwas in Windeseile übers<br />

Internet. Ich ziehe daraus den Schluss, dass wir möglichst viele Menschen zur Zusammenarbeit über gesellschaftliche<br />

Grenzen hinweg befähigen müssen. Und die einzige reelle Möglichkeit dafür sind virtuelle Kontakte. Weniger als zwei<br />

Prozent der jungen Menschen nehmen heute an Austauschprogrammen teil. Wenn wir mit unserer Initiative eine<br />

kritische Masse von, sagen wir, 15 Prozent der Bevölkerung erreichen, wäre das eine Größenordnung, mit der wir echt<br />

etwas bewegen könnten.<br />

Wie weit darf interkultureller Dialog gehen? Wo verläuft die Grenze zwischen Toleranz und der<br />

Verleugnung der eigenen Werte?<br />

Für einen Regierungsvertreter ist es sicher legitim, sich einem Dialog mit bestimmten Parteien zu verweigern, um<br />

sie nicht auf zuwerten. Wenn es um den Dialog zwischen einfachen Menschen geht, sollte es meiner Meinung nach<br />

ein solches Tabu nicht geben.<br />

Ich glaube, oft ist die Konfrontation mit jeman dem, der mit einem nicht übereinstimmt, der beste Weg, die eigenen<br />

Positionen zu überprüfen. Welche Werte man auch immer haben mag, man profitiert davon, wenn man sie verteidigen<br />

muss. Vielleicht hinterfragt man nach einer solchen Diskussion einige davon, oder man fühlt sich in ihnen<br />

bestätigt. Viel gefährlicher ist es, in einer abgeschlossenen Blase zu leben.<br />

Wie aber findet man eine gemeinsame Grundlage, wenn man mit einer Weltauffassung konfrontiert wird,<br />

die im Westen seit der Aufklärung überwunden ist? >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 11<br />

MEINUNGEN<br />

Ich kann die Auffassung nicht teilen, dass man keinen Dialog zwischen Menschen hinkriegt, die von unterschiedlichen<br />

intellektuellen Traditionen und Gesellschaftsentwicklungen geprägt sind. Schon gar nicht jetzt, da in vielen muslimischen<br />

Ländern eine ganze Reihe von fundamentalen Annahmen hinterfragt werden.<br />

Ein ägyptischer Professor, der an Ihrem Programm teilgenommen hat, hat beschrieben, wie geschockt<br />

einige seiner Studenten waren, als sie am Bildschirm mit Juden diskutieren sollten.<br />

Es gibt auf beiden Seiten eine Fülle von Unterschieden, es gibt Ängste, Vorurteile und Unwissenheit. Das Beste, solch<br />

vorgefasste Einstellungen aufzulösen ist, Menschen mit Menschen zusammenzubringen und Auffassungen mit der<br />

Realität zu konfrontieren. Es gab da tatsächlich Studenten, die überzeugt waren, dass Juden anders aussehen als<br />

andere Menschen. Das ist erschreckend, aber das glauben Studenten eben, die noch nie einen Juden getroffen haben,<br />

die in einer Welt aufgewachsen sind, in der nur Negatives über Juden kolportiert wird. Für sie sind diese direkten<br />

Gespräche eine umwälzende Erfahrung. Zurück zu Ihrer Frage: Ja, ich glaube, wenn es um die Überwindung von<br />

Unwissenheit und Vorurteilen geht, ist das Internet unverzichtbar.<br />

Manch einer könnte meinen, dass Soliya die westlichen Werte aushöhlt, andere argwöhnen vielleicht,<br />

dass Sie ein Kollaborateur des Westens sind.<br />

Gab es alles. Viele Leute sind uns gegenüber anfangs misstrauisch.<br />

Verständlich. Für einen muslimischen Studenten muss es verdächtig erscheinen, dass die US-Regierung<br />

das Programm finanziert.<br />

Also zunächst einmal erhalten wir von der US-Regierung für unser Connect-Programm keine finanzielle Unterstützung.<br />

Die gibt es nur für das anschließende Stipendiatenprogramm. Wir werden oft gefragt, wer uns finanziert und gehen<br />

damit sehr offen um. Wir sind stolz darauf, dass wir von der norwegischen und der Schweizer Regierung finanziell<br />

unterstützt werden. Wir erhalten Mittel von der Alwaleed Bin Talal-Stiftung, der Ford-Stiftung, der <strong>Allianz</strong> Stiftung für<br />

Nordamerika und aus verschiedenen anderen Quellen. Diese Vielfalt ist für uns von großer Bedeutung.<br />

Sie kooperieren mit einer Vielzahl von Universitäten in Ägypten, das von den Muslimbrüdern regiert wird.<br />

Wie sieht die Zukunft von Soliya in Ägypten aus?<br />

Ich weiß es nicht. Zuvor hatten wir es mit einem autokratischen Regime zu tun, und ich war damals wenigstens<br />

genauso besorgt. Aber es gibt vielversprechende Entwicklungen. Wir haben auch in unserem Programm Mitglieder<br />

und Sympathisanten der Muslimbrüder. Sie sind Teil der Gesellschaft. Man kann die Religion dort nicht einfach ausblenden.<br />

Aber auch sie finden das Connect-Programm gut. Wir unterhalten zwei Klassen an der Al-Azhar-Universität<br />

in Kairo. Und dort will man unser Angebot ausweiten. Das zeigt, dass auch Menschen mit religiösen Überzeugungen<br />

echtes Interesse an Austausch haben.<br />

Im Moment sieht es eher so aus, als steuere Ägypten auf eine Diktatur zu.<br />

Das kommt auf die Perspektive an. Die Wahlen im letzten Jahr wurden allgemein als rechtmäßig angesehen.<br />

Das wurden sie in Deutschland 1933 auch.<br />

Jede Übergangsphase bedeutet für eine Gesellschaft Risiken. Ich glaube aber nicht, dass die Entwicklung unvermeidlich<br />

diese Richtung nehmen muss. Ich weiß nicht, ob Präsident Mursi ein neuer Idi Amin ist oder ein Abraham<br />

Lincoln. Aber ich bin jedem gegenüber skeptisch, der das schon jetzt ganz genau sagen kann. Ich will nicht alles<br />

verteidigen, was Mursi tut, aber was mich stört ist, dass Menschen aus beiden ideologischen Lagern so von ihrer<br />

Meinung überzeugt sind. Ich glaube, die Situation ist weitaus komplizierter. Ja, die Gefahr, dass sich die Sache in eine<br />

antidemokratische Richtung entwickelt, ist da, aber ausgemacht ist das nicht. Eine der großen Herausforderungen >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 12<br />

MEINUNGEN<br />

Stern<br />

für jede Übergangsgesellschaft ist Ungeduld. Dieses gesellschaftliche<br />

Experiment wird mindestens eine Generation brauchen, wenn nicht<br />

mehr. Wir reden hier also von mindestens 30 Jahren.<br />

Weltweit arbeiten Sie mit über 100 Universitäten in 27 Ländern<br />

zusammen. Wenn Sie ideologische Gräben überwinden<br />

wollen, warum ist dann keine einzige aus Israel dabei?<br />

Einige unserer Stipendiaten und Moderatoren kommen aus Israel.<br />

Und es gibt auch Israelis, die an unserem Connect-Programm<br />

teilnehmen. Was Kooperationen mit israelischen Universitäten<br />

angeht, ist das derzeit allerdings äußerst schwierig. Der Libanon<br />

zum Beispiel ist offiziell noch immer im Krieg mit Israel. Es könnte<br />

für Studenten sogar gefährlich werden, wenn ihre Universität<br />

offizielle Kontakte mit israelischen Institutionen unterhielte. Für<br />

viele Universitäten in arabischen Ländern ist es ohnehin schwierig,<br />

sich an unserem Programm zu beteiligen.<br />

SHAMIL IDRISS<br />

Shamil Idriss ist seit 2009 Geschäftsführer von Soliya. Der<br />

Amerikaner mit syrischen und türkischen Vorfahren ist ein<br />

Experte auf dem Gebiet der Konfliktmediation. 2005 wurde<br />

er von UN-Generalsekretär Kofi Annan als stellvertretender<br />

Direktor der UN Alliance of Civilizations berufen, die dem Extremismus<br />

und der Polarisierung in der Welt entgegenwirken<br />

soll. Er arbeitete für das Weltwirtschaftsforum und als Berater<br />

für Search for Common Ground (SFCG/Suche nach einer<br />

gemeinsamen Basis), einer Organisation für Konfliktlösung mit<br />

An diesen Realitäten werden virtuelle Diskussionsrunden<br />

Büros in 17 Ländern. Der 40-jährige New Yorker ist Mitglied im<br />

nichts ändern.<br />

Netzwerk Muslim Leaders of Tomorrow (Muslimische Führer<br />

Wir müssen die Kontakte zwischen den Menschen ausweiten.<br />

von morgen) und im Netzwerk Young Global Leaders des<br />

Noch immer reichen ein paar hasserfüllte Agitatoren oder ein<br />

Weltwirtschaftsforums. Idriss lebt mit Frau und zwei<br />

Töchtern in der Nähe von New York.<br />

lächerliches Video im Internet, um die Emotionen aufzuschaukeln<br />

und unsere Gesellschaften gegeneinander in Stellung zu bringen.<br />

Das muss aufhören. Wir müssen heute trotz aller Differenzen<br />

zusammenarbeiten, um die Vielzahl an Problemen zu lösen, vor denen die Menschheit als Ganzes steht. Deshalb<br />

ist es so wichtig, dass es mehr Menschen gibt, die den Willen und die Fähigkeit dazu haben. Regierungen allein<br />

werden es nicht schaffen, ihr Einfluss sinkt. Die wichtigste Frage, mit der wir uns befassen müssen, ist nicht der<br />

»Kampf der Kulturen«, sondern es sind die tiefgreifenden Unterschiede in der Welt. Nehmen wir die gesellschaftliche<br />

Spaltung in den USA, den Bruch zwischen Säkularen und Religiösen, zwischen Linksaußen und Rechtsaußen. Die<br />

Unversöhnlichkeit ist so extrem, dass wir kaum mehr in der Lage sind, die notwendigsten Dinge im Land zu erledigen.<br />

Vielleicht sollten Sie ein Dialogprogramm eigens für die USA aufsetzen.<br />

Es gibt auch in Europa genügend Länder, die von großen Differenzen geprägt sind. Vergessen Sie den Kampf zwischen<br />

Islam und dem Westen. Wenn es uns nicht mal gelingt, in unseren eigenen Ländern über ideologische Gräben hinweg<br />

vernünftig miteinander zu reden, werden wir die fundamentalen Probleme der Menschheit nicht in den Griff<br />

bekommen. Wir müssen kooperationsfähig werden, trotz aller Differenzen.<br />

Solange die Palästinenser keinen eigenen Staat haben, wird der Bruch bestehen bleiben.<br />

Das ist der Knackpunkt, da stimme ich zu. Ich glaube zwar nicht, dass mit der Lösung dieser Frage alle Probleme<br />

verschwinden. Doch wenn sie nicht gelöst wird, werden wir in allem, was wir versuchen, beschränkt bleiben. Für<br />

mich liegt der Schlüssel darin, dass wir immer größere Gemeinschaften heranbilden, die willens und in der Lage sind,<br />

miteinander zu reden und Einfluss auf eine Lösung zu nehmen. Es gab in der Geschichte zahllose andere Konflikte,<br />

die kaum zu bewältigen schienen. Doch am Ende wurden sie gelöst.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 13<br />

GLOBAL<br />

w<br />

dpa / picture-alliance<br />

Kein Ort. Nirgends<br />

Am 11. März 2011 löste ein Erdbeben vor<br />

der Ostküste der japanischen Hauptinsel<br />

Honshu einen verheerenden Tsunami<br />

aus. Über 20 000 Menschen kamen in den<br />

Fluten ums Leben<br />

Es gehört zu den großen Mysterien unserer Zeit, dass die Natur die Versicherungsbranche immer<br />

wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Das Erdbeben in Neuseeland, der Tsunami in Japan, die Jahrhundertflut<br />

in Thailand – jedes Mal staunt die Fachwelt, dass es keiner hat kommen sehen. Seit 2011,<br />

dem schlimmsten Katastrophenjahr aller Zeiten, versucht eine Einheit bei der <strong>Allianz</strong>, den Blick fürs<br />

Risiko zu schärfen.<br />

FRANK STERN<br />

Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt auf der Erde keinen sicheren Ort. Nirgends. Der Meteorit, der am 15. Februar<br />

über dem russischen Tscheljabinsk explodierte, hat das einmal mehr deutlich gemacht. »Wäre der Brocken etwas<br />

später runtergekommen, hätte es zum Beispiel auch Deutschland treffen können«, sagt Markus Aichinger. »Da wären<br />

dann ein paar Scheiben mehr zu Bruch gegangen als im Ural.«<br />

Aichinger gehört zu einer Gruppe von Experten, die <strong>Allianz</strong> Underwriter dabei unterstützen soll, das Schadenpotenzial<br />

von Naturereignissen vor allem in der Firmenversicherung (MidCorp) besser zu erkennen und eine adäquate Prämie<br />

anzusetzen. Meteoriten stehen beim NatCat-Team (Naturkatastrophen) des Bereichs Global P&C (Property/Casualty –<br />

Schaden- und Unfallversicherung) dabei weniger im Fokus. »Die Wahrscheinlichkeit, dass einem so ein Teil auf den<br />

Kopf fällt, ist verschwindend gering«, sagt Aichinger. »Was die Profitabilität des Geschäfts auffrisst, sind die vielen<br />

Schäden durch Hagel, Wasser und Sturm. Der Trend zeigt hier eindeutig nach oben.«<br />

Aichinger, von Haus aus Meteorologe, sieht die Prämien immer einen Schritt hinter den Ausgaben hinterherhinken.<br />

»Das Schaden- und Unfallgeschäft trägt zu fast 50 Prozent zum operativen Ergebnis der <strong>Allianz</strong> bei. Wir hätten ein<br />

Riesenpotenzial, wenn wir hier nur einen Tick besser wären«, ist er sicher. Die P&C Academy, Teil des 2011 ins Leben >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 14<br />

GLOBAL<br />

beide Fotos: Roth<br />

Raimund Büllesbach: »Unsere Underwriter<br />

dürfen nicht nur das Einzelrisiko<br />

im Auge haben« | rechts: Das NatCat-<br />

Team: Meteorologe Markus Aichinger,<br />

Ozeanograph Edzard Romaneessen und<br />

Volkswirt Curzio Coli (v.l.)<br />

gerufenen Bereichs Global P&C, soll den Underwritern der Gruppengesellschaften dafür das technische Know-how<br />

mit auf den Weg geben. Aichinger und Kollegen sind auch dort im Einsatz (siehe Kasten).<br />

Neben Risikobewertung und Tarifberechnung wird in den Seminaren und Lehrgängen der P&C Academy auch die<br />

grundsätzliche Frage diskutiert, wie in den Tochtergesellschaften der Gefahr der Risikohäufung begegnet werden<br />

kann – ein Problem, das die Flut in Thailand 2011 drastisch vor Augen geführt hat. »Unsere Underwriter dürfen<br />

nicht nur das Einzelrisiko im Auge haben«, betont Raimund Büllesbach, Leiter der P&C Academy. »Sie müssen auch<br />

verstehen, wie ihre Zeichnungspraxis die Belastung des Portfolios durch Katastrophen ereignisse und damit letztlich<br />

auch das Gesamtergebnis der Gruppe beeinflusst.«<br />

Für diesen Blick aufs Ganze brauchen sie allerdings die technischen Mittel. Und genau das ist die Crux: IT-Systeme, die<br />

über die Häufung ähnlich gelagerter Risiken in einer Region Aufschluss geben könnten, fehlen häufig – zumindest<br />

im Firmengeschäft. Andere Bereiche sind da bereits einen Schritt weiter. <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty (AGCS)<br />

zum Beispiel setzt schon seit Jahren auf Google Earth, um bei der Versicherung von Großunternehmen Kumulrisiken<br />

aufzuspüren. Google Earth liefert die Geodaten, die Angaben über versicherte Objekte samt Versicherungssummen<br />

und Selbstbehalten steuert die AGCS-Datenbank bei. Auch die Beratungseinheit <strong>Allianz</strong> Risk Consultants (ARC) nutzt<br />

Google Earth mittlerweile. Im Firmengeschäft gibt es ein ähnliches Instrument bislang nicht.<br />

Global P&C<br />

Der Bereich Global P&C wurde 2011 ins Leben<br />

gerufen. Er soll <strong>Allianz</strong> Gesellschaften dabei<br />

unterstützen, die Profitabilität ihres Schadenund<br />

Unfallgeschäfts zu sichern. In Seminaren<br />

und Lehrgängen der P&C Academy wird dazu<br />

das technische Know-how für Risikobewertung,<br />

Tarifgestaltung und Portfolio-Management<br />

vermittelt. Zudem nehmen Fachleute von Global<br />

P&C jedes Jahr die Schaden- und Unfallbereiche<br />

mehrerer <strong>Allianz</strong> Gesellschaften unter die Lupe<br />

(MidCorp Business Reviews) und erarbeiten<br />

Vorschläge zur Verbesserung der Profitabilität.<br />

Erfolgreiche Praxismodelle werden auch<br />

anderen Gruppengesellschaften vorgestellt und<br />

fließen in die Programme der P&C Academy<br />

ein. Seit 2012 unterstützt das NatCat-Team von<br />

Global P&C unter Leitung von Edzard Romaneessen<br />

<strong>Allianz</strong> Einheiten speziell beim Absichern des<br />

Geschäfts gegen Naturereignisse sowie gegen<br />

die Akkumulation von Risiken im Portfolio.<br />

GLOBALPC@ALLIANZ.COM<br />

Die Überlegung, sich in einem Markt in Stellung zu bringen, könne<br />

natürlich dazu führen, Policen, zumindest zeitweise, ganz bewusst<br />

unter Preis anzubieten, erläutert Markus Aichinger: »Eine solche<br />

Durststrecke in Kauf zu nehmen, macht unter Umständen durchaus<br />

Sinn, aber man muss wissen, was man tut, und sich vorher überlegen,<br />

wo die Schmerzgrenze liegt.« Doch gerade in den Wachstumsmärkten<br />

förderte in der Vergangenheit oft erst ein Großschadenereignis zutage,<br />

dass man sich bei Risiko und Tarif verkalkuliert hatte. Vor derart bösen<br />

Überraschungen will das NatCat-Team von Global P&C die <strong>Allianz</strong><br />

künftig bewahren.<br />

Als Meteorologe hat Aichinger dabei naturgemäß vorrangig Sturm,<br />

Hagel und Überschwemmungen im Visier. »Atmosphärische<br />

Ereignisse verursachen bei uns die meisten Schäden«, konstatiert der<br />

Wetterfachmann. »In den Prämien spiegelt sich das Risiko jedoch oft<br />

nur unzureichend wieder.« Eine kleine Verschnaufpause erhofft er sich<br />

von der Tatsache, dass die globale Erwärmung seit 15 Jahren stagniert:<br />

»Vielleicht gibt uns das ja etwas Spielraum, um mit den Prämien<br />

wieder aufzuschließen.«


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 15<br />

GLOBAL<br />

Dlouhy<br />

Signal aus Spanien<br />

<strong>Allianz</strong> Vorstände Dieter Wemmer (li.) und Michael<br />

Diekmann zogen in Barcelona eine positive Bilanz<br />

Bislang ist die <strong>Allianz</strong> ziemlich glatt durch die Finanzkrise gekommen, besser jedenfalls als viele ihrer<br />

Wettbewerber. Auf dem diesjährigen <strong>Allianz</strong> International in Barcelona diskutierten 200 Top-Manager<br />

aus 40 Ländern darüber, wie man die Spitzenposition verteidigt.<br />

PETRA KRÜLL<br />

»Die <strong>Allianz</strong> steht jetzt dort, wo ich sie immer haben wollte.« Zum Auftakt des <strong>Allianz</strong> International (AZI) im März<br />

in Barcelona erläuterte <strong>Allianz</strong> Chef Michael Diekmann, wie die Gruppe die Spitzenposition in der Branche beim<br />

operativen Ergebnis erreicht hat und wie mit einer soliden Anlagebasis die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes<br />

abgefedert werden konnten. »Ja, wir können zufrieden sein«, fügte er hinzu, um gleich wieder vor zu viel Übermut<br />

zu warnen: »An der nächsten Ecke könnten bereits die nächsten Gefahren lauern.«<br />

Neben Strategie und Finanzen standen auch Digitalisierung, Vertrieb, Lebensversicherungsprodukte, Anlagen und<br />

Risiken auf der Tagesordnung des zweitägigen Treffens. Um all die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen,<br />

braucht die <strong>Allianz</strong> nach Diekmanns Überzeugung einen übergreifenden Wertekanon und gemeinsame Ziele.<br />

Finanzvorstand Dieter Wemmer griff den Faden auf und wies darauf hin, dass es für die <strong>Allianz</strong> Gruppe gerade beim<br />

Kapitaleinsatz wichtig sei, eine Sprache zu sprechen. Gleichzeitig hob er die Bedeutung des Underwriting für die<br />

Kontrolle auf der Ausgabenseite hervor. »Wir haben alles, worauf es ankommt, aber wir müssen wie ein Löwe kämpfen,<br />

wenn es um die Umsetzung geht.« Um den Wettbewerb auf Abstand zu halten und für alle Interessengruppen ein<br />

verlässlicher Partner zu sein, sei die Kapitalstärke für einen Finanzdienstleister das wichtigste Argument, so Wemmer.<br />

Viele Redner verwiesen darauf, wie wichtig einfachere Produkte und Prozesse für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

seien. Der starke Markenauftritt der <strong>Allianz</strong> und intelligente Übernahmen wie die in Belgien und Frankreich<br />

oder kürzlich in der Türkei würden auch künftig für Wachstum sorgen. Doch die Grundlage für den Erfolg, da waren<br />

sich alle einig, seien die Integrität und der gute Ruf des Unternehmens. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 16<br />

GLOBAL<br />

beide Fotos: Dlouhy<br />

»Ein tolles Modell«<br />

Das Thema digitale Transformation der <strong>Allianz</strong> stand auch in diesem Jahr<br />

wieder ganz oben auf der Agenda. Auf diesem Gebiet ist die spanische<br />

<strong>Allianz</strong> Seguros schon seit langem Vorreiter. Sie hat auf der iberischen<br />

Halbinsel und in Lateinamerika ein Geschäftsmodell und eine übergreifende<br />

IT-Plattform etabliert und damit allen vorgemacht, wie sich die Produktivität<br />

steigern und Service und Effizienz verbessern lassen. Der Wissenstransfer<br />

über Ländergrenzen hinweg sorgte dafür, dass sich die Position der lokalen<br />

Gesellschaften in unterschiedlichsten Märkten spürbar verbesserte und<br />

sich für die <strong>Allianz</strong> neben Asien und Osteuropa mit Lateinamerika eine<br />

dritte Wachstumsregion eröffnete. »Ein tolles Modell«, meinte Diekmann<br />

anerkennend.<br />

Die Digitalisierung verändert die Art, wie Menschen miteinander kommunizieren, und wirkt sich damit auch<br />

auf das Versicherungsgeschäft aus. Soziale Medien sind mittlerweile allgegenwärtig, und sie bieten durch mehr<br />

Kontaktpunkte zum Kunden auch Geschäftsmöglichkeiten. Digitale Elemente müssten zunehmend in etablierte<br />

Geschäftsmodelle einbezogen werden, um auch Vertretern bessere Zugangschancen zum Kunden zu eröffnen, so<br />

der Tenor beim AZI. Darüber hinaus würden es Analyse und Verwertung der vorhandenen Datenmengen der <strong>Allianz</strong><br />

erlauben, sich einen umfassenden Überblick über ihre Kunden und deren Bedürfnisse zu verschaffen. Das könnte sich<br />

letztlich auch auf die Preisgestaltung auswirken.<br />

Um ein globaler Partner für die Kunden zu sein, braucht die Gruppe einen integrierten Ansatz. »Partnerschaft liegt uns<br />

am Herzen«, unterstrich Michael Diekmann in diesem Zusammenhang. Als Beispiel nannte er die Initiative »<strong>Allianz</strong><br />

Worldwide Partners«. Sie soll Know-how und Ressourcen von <strong>Allianz</strong> Global Assistance, Global Automotive, <strong>Allianz</strong><br />

Worldwide Care und des internationalen Krankenversicherers der <strong>Allianz</strong> France bündeln, um Geschäftspartner dabei zu<br />

unterstützen, Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt im Vertriebsbereich war das Maklergeschäft, das heute bereits mehr als ein Drittel der<br />

Versicherungseinnahmen der <strong>Allianz</strong> ausmacht. Hier soll das Global Broker Management Team dafür sorgen, die<br />

Marken- und Finanzstärke der <strong>Allianz</strong> sowie das Know-how der lokalen Gesellschaften besser zur Geltung zu bringen<br />

und die Zusammenarbeit der<br />

<strong>Allianz</strong> Gruppe mit den großen<br />

Maklerhäusern auszubauen.<br />

Auch das Privatkundengeschäft ist in<br />

Bewegung. Kunden nutzen verstärkt<br />

digitale Kanäle und passen längst<br />

nicht mehr in die Schubladen der<br />

traditionellen Vertriebsphilosophie.<br />

Eine Entwicklung, der die <strong>Allianz</strong><br />

mit einem modularen Produktansatz<br />

begegnet, mit verschiedenen Zugangskanälen<br />

für den Kundenkontakt, mit<br />

Online-Spezialisten und persönlicher >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 17<br />

GLOBAL<br />

Beratung auf Abruf – wann und wo der Kunde dies wünscht. Die <strong>Allianz</strong> Ungarn hat dieses Modell bereits erfolgreich<br />

eingeführt und 1600 ihrer Vertreter entsprechend ausgestattet.<br />

Demographische Herausforderungen<br />

Ein weiteres Thema in Barcelona war die Altersvorsorge. »Die sozialen Sicherungssysteme decken die demographischen<br />

Herausforderungen längst nicht ab, deshalb wird die Lebensversicherung weiterhin gebraucht«, betonte <strong>Allianz</strong><br />

Vorstand Maximilian Zimmerer. Doch wie kann die <strong>Allianz</strong> im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld Kunden dabei helfen,<br />

ausreichend fürs Alter vorzusorgen? Wie lassen sich die Geschäftsrisiken eingrenzen, ohne die Kundenerwartungen<br />

bei Garantien und Renditen zu enttäuschen?<br />

Untersuchungen zeigen, dass die Kunden bereit sind, Abstriche bei den Garantien zu akzeptieren, wenn im Gegenzug<br />

die Renditen höher ausfallen. Die Aufgabe der Vertriebsmitarbeiter sei es, Kunden eine Beratung zu bieten, die sie zu<br />

überlegten, zu ihren Bedürfnissen passenden Entscheidungen befähigt, hieß es in Barcelona. Wie meinte einer der<br />

AZI-Teilnehmer? »Was gut ist für den Kunden, zahlt sich am Ende auch für die <strong>Allianz</strong> aus.«<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Land der<br />

Nörgler?<br />

S. Kuelcue / shutterstock.com<br />

Demokratie kann mühsam sein: Sie<br />

sichert die Teilhabe der Bürger, kann<br />

Entscheidungsprozesse aber auch in ein<br />

endloses Gezerre ausarten lassen. Bei den<br />

diesjährigen Benediktbeurer Gesprächen<br />

der <strong>Allianz</strong> Umweltstiftung ging es um die<br />

Frage, wie sich Bürgerengagement und<br />

die Funktionsfähigkeit eines modernen<br />

Staatswesens in Einklang bringen lassen. ><br />

FRANK STERN


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 18<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Darchinger<br />

Anke Domscheit-Berg, Claudia Roth, Lutz Spandau, Beate Jessel, Peter Schmitz<br />

und Jochen Homann (v.l.) bei den Benediktbeurer Gesprächen<br />

Stuttgart 21 – Protest; Flughafen Frankfurt – Protest; Energiewende – alle dafür, Windparks und Stromtrassen –<br />

Protest. Landauf, landab das gleiche Bild: egal, wo sich ein Großprojekt anbahnt, der Widerstand folgt auf dem Fuße.<br />

Gut organisiert, grauhaarig, hartnäckig. Sind die Deutschen ein Volk der Nörgler, der Blockierer und Verhinderer?<br />

Das war die Frage hinter dem Thema der diesjährigen Benediktbeurer Gespräche »Bürgerwille gegen Großprojekte«.<br />

Dass die Antworten darauf bei der vom Geschäftführer der Umweltstiftung, Lutz Spandau, arrangierten Runde nicht<br />

zusammengingen, war zu erwarten.<br />

Die schwierigste Rolle hatte dabei wohl Claudia Roth, die als Bundesvorsitzende der Grünen sowohl die basisdemokratischen<br />

Wurzeln als auch die Realoqualitäten ihrer Partei zu verkörpern suchte. Sie plädierte für mehr direkte<br />

Bürgerbeteiligung, machte aber gleichzeitig deutlich, dass für sie in einer repräsentativen Demokratie das Parlament<br />

das Rückgrat der Entscheidungsfindung bleibt. »Ab einem Punkt muss die Politik entscheiden«, so Roth. Alle werde<br />

man nie unter einen Hut bekommen.<br />

Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann,<br />

einer Meinung war. Homann, unter anderem für den fairen Wett bewerb bei den Strom- und Gasversorgungsnetzen<br />

zuständig, beklagte allerdings auch die »Verweigerung von Verantwortung« bei vielen Bürgern. Abstrakte Ziele, wie<br />

Energiewende und der Ausbau des Stromnetzes seien gesellschaftlich un umstritten, sobald es aber an die konkrete<br />

Umsetzung auf regionaler und lokaler Ebene gehe, formiere sich Widerstand. Eigennutz vor Gemeinwohl also, und<br />

zwar »unabhängig von der Parteizugehörigkeit«.<br />

»Quatsch«, konterte Roth da energisch. Dass der Netzausbau ins Stocken geraten sei, liege nicht an den Bürgern,<br />

sondern an den Energieunternehmen, die Investitionen in diesem Bereich als nicht lukrativ ansähen. Rückendeckung<br />

bekam Homann dagegen von Peter Schmitz, Vorstand bei der Fraport AG, der eine zunehmende Abwehrhaltung<br />

vieler Bürger gegen Veränderungen nach dem Motto: »Nicht vor meiner Haustür« konstatierte. Was beim Frankfurter<br />

Flughafen besonders kurios anmutet, denn natürlich will jeder fliegen, nur eben ohne Flughafen und Fluglärm. Schmitz<br />

wird pro Monat von rund 1000 Beschwerdeführern aus der Umgebung mit 175 000 Protestschreiben gegen die neue<br />

Landebahn eingedeckt, die 2011 eröffnet wurde. Zudem wird jeden Montag im Flughafengebäude demonstriert –<br />

»ritualhaft wie eine katholische Messe«, so Schmitz.<br />

Projektkiller Artenschutz<br />

Anke Domscheit-Berg, Internetaktivistin und Mitglied der Piratenpartei, zeigte mehr Verständnis für die Bürgerwut und<br />

zitierte Untersuchungen, wonach Entscheidungsprozesse bei Großprojekten von vielen Menschen als intransparent >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 19<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

»Bürgerbeteiligung heißt nicht, dass am Ende<br />

immer ein gesellschaftlich wünschenswertes<br />

Ergebnis steht.« Beate Jessel<br />

erlebt werden. Bürgerbeteiligung sei häufig nichts als Etikettenschwindel, so Domscheit-Berg: »Oft wird nicht das Ob<br />

eines Projekts zur Diskussion gestellt, sondern nur noch das Wie.« Und auch das meist in einer Sprache, die ein Laie<br />

kaum verstehe. In Domscheit-Bergs Augen »Feigenblattpolitik«.<br />

Auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, beklagte die mangelnde Transparenz vieler Projektverfahren.<br />

Die Planungen müssten ergebnisoffen gestaltet sein, die betroffenen Menschen frühzeitig einbezogen<br />

und für mögliche Nachteile ein angemessener Ausgleich geschaffen werden, so Jessel. Landschaftseingriffe durch<br />

Großprojekte tangierten eben auch Heimatgefühl und regionale Identifikation der Menschen. »Und diese emotionale<br />

Komponente muss man ernst nehmen«, hob die Professorin für Landschaftsentwicklung hervor. Allerdings verhehlte<br />

sie nicht, dass Natur- und Artenschutz zuweilen nur vorgeschoben sind, um unliebsame Projekte zu verhindern: Irgendeine<br />

gefährdete Tier- oder Pflanzenart, die man gegen den Ausbau des Flughafens, gegen S-Bahnen, Nationalparks,<br />

Wasserkraftwerke, Windparks oder Erdkabel ins Feld führen könnte, muss sich doch wohl finden lassen.<br />

Mit der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung wird sich nach Ansicht von Peter Schmitz von Fraport das<br />

Beharrungsvermögen eher noch verstärken. Die demographische Entwicklung gehe mit einer Abnahme der<br />

Veränderungsbereitschaft im Lande einher, konstatierte der Manager. Der gut situierte »Wutbürger« habe dabei weder<br />

die Enkelgeneration, noch die Zukunft des Landes im Blick. »Ich bin nicht sehr optimistisch«, so Schmitzs Fazit. »Wir<br />

werden sehr unbeweglich.«<br />

Anke Domscheit-Berg dagegen beobachtet vor allem im digitalen Raum die Entwicklung einer Bewegung, die sich<br />

nicht verweigert und nicht blockiert, sondern die sich einmischt, die mitgestalten will, und die sich auch durch<br />

verwaltungstechnische Hürden nicht abschrecken lässt. Welchen Einfluss die »Netz-Community« bereits hat, zeigte<br />

2012 die Anti-ACTA-Bewegung, die nach den Worten von Domscheit-Berg eine Zensurinfrastruktur im Internet<br />

verhinderte, oder auch das von zivilgesellschaftlichen Gruppen initiierte Transparenzgesetz in Hamburg. Es verpflichtet<br />

die Behörden der Hansestadt, all ihre Informationen im Internet zugänglich zu machen – ein Novum in Deutschland.<br />

»Bürgerbeteiligung heißt freilich nicht, dass am Ende immer ein gesellschaftlich wünschenswertes Ergebnis steht«,<br />

bremste Beate Jessel allzu viel Euphorie. In Baden-Württemberg etwa liegt die grün-rote Landesregierung gerade im<br />

Clinch mit dem Wahlvolk, das partout keinen Nationalpark im Nordschwarzwald haben will. In Nordrhein-Westfalen<br />

hat Bürgerwille die Einrichtung eines Nationalparks bereits verhindert. »Die Gefahr, dass sich die Menschen reflexartig<br />

gegen ein Projekt aussprechen, ist groß«, unterstrich auch Jochen Homann von der Bundesnetzagentur. Und der hat<br />

damit einige Erfahrung.<br />

Dabei treibt der Widerspruch zuweilen seltsame Blüten: Da formiert sich die Bürgerwehr in einer Region gegen<br />

das Verlegen von Erdstromkabeln, während die Menschen in einem anderen Bezirk vehement dafür eintreten, um<br />

Überlandleitungen zu verhindern. »Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass Protest zum Geschäftsmodell<br />

für Gutachter und Anwälte geworden ist«, meinte Homann. Die Politik ist ihm in diesen Auseinandersetzungen bislang<br />

keine wirkliche Hilfe gewesen. Die größte Gefahr für die Energiewende sei die Uneinigkeit der Bundesländer über die<br />

Zukunft der Energieversorgung, so der Chef der Netzagentur. »16 unterschiedliche Meinungen addieren sich am Ende<br />

zum größten Unsinn. Wir leiden bei diesem Thema unter dem Föderalismus.« >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 20<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

»Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen,<br />

dass Protest zum Geschäftsmodell für Gutachter<br />

und Anwälte geworden ist.« Jochen Homann<br />

Chefsache Energiewende<br />

Claudia Roth, die bei Homanns Ausführung ihren Ärger kaum verbergen konnte, machte dagegen die Bundesregierung<br />

als Schuldigen der Wende-Misere aus. Es gehe nicht an, dass sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium bei diesem<br />

Thema gegenseitig blockierten, sagte die Grünen-Politikerin: »Da braucht es Kohärenz, das muss Chefsache werden.«<br />

Da hatte sie Peter Schmitz ganz auf ihrer Seite. »Die Politik muss eine klare Linie vorgeben«, bekräftigte auch der<br />

Fraport-Vorstand.<br />

Dass diese klare Linie der Politik nicht immer ausreicht, hat Roths Partei beim heiß umkämpften Prestigeprojekt<br />

Stuttgart 21 bereits schmerzlich erfahren müssen. Obwohl sich die Grünen eindeutig gegen das Bahnprojekt<br />

ausgesprochen hatten, wurde der Ausstieg des Landes bei einer Volksabstimmung 2011 mehrheitlich abgelehnt.<br />

Nun muss die von den Grünen geführte Landesregierung das Vorhaben umsetzen. »Da haben wir krachend verloren«,<br />

räumte Roth ein. Dass direkte Bürgerbeteiligung für eine lebendige Demokratie für sie dennoch unverzichtbar bleibt,<br />

daran aber ließ sie keinen Zweifel: »Auch wenn’s manchmal wehtut.«<br />

HTTPS://UMWELTSTIFTUNG.ALLIANZ.DE<br />

Vom Ende der Männer und<br />

der Feigheit der Frauen<br />

Vor gut einem Jahr betrug der Anteil von Frauen im Top- und Mittelmanagement in deutschen<br />

Großunternehmen knapp 15 Prozent. Viel mehr sind es seither nicht geworden. In einer Studie ist<br />

die Fraunhofer-Gesellschaft den Ursachen für den Frauenmangel in der Chefetage nachgegangen.<br />

FRANK STERN<br />

Die Botschaften zum Thema Frauen und Karriere sind widersprüchlich. Während US-Autorin Hanna Rosin in ihrem<br />

jüngsten Buch bereits »Das Ende der Männer« verkündet, beklagt die deutsche <strong>Journal</strong>istin Bascha Mika auf über 200<br />

Seiten »Die Feigheit der Frauen«. Was bremst Frauen beim beruflichen Aufstieg? Wollen sie nicht? Können sie nicht?<br />

Sind sie Opfer von Männerbünden, die ihre Ambitionen im Keim ersticken?<br />

In einer Ende letzten Jahres vorgelegten Studie mit dem Titel »Unternehmenskulturen verändern – Karrierebrüche<br />

vermeiden« ist die Fraunhofer-Gesellschaft den Ursachen für den Frauenmangel in deutschen Führungsetagen >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 21<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

nachgegangen. Neun Großunternehmen, von Daimler über Bosch, EADS und Microsoft bis hin zur <strong>Allianz</strong> Deutschland,<br />

haben sich an der Untersuchung beteiligt, für die zwischen März und November 2011 insgesamt 220 weibliche<br />

und männliche Führungskräfte befragt wurden. Ergebnis: Männer und Frauen passen nicht zusammen – jedenfalls<br />

nicht, was ihre Vorstellungen von Aufstieg und Karriere angeht.<br />

Kinder als Karrierebremse<br />

»Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen«, so das Fazit der vier Autorinnen der Studie, »ist ein<br />

umfassender Kulturwandel in Unternehmen nötig.« Mentoring- und Seminarangebote speziell für Frauen reichten<br />

nicht aus, um Karrierebrüche zu vermeiden. Im Gegenteil: Für die Akzeptanz von Frauen im Unternehmen sind<br />

sie nicht selten sogar kontraproduktiv, lautet eine der eher überraschenden Erkenntnisse der Studie. Der Grund:<br />

Sonderprogramme zur Frauenförderung nährten das Vorurteil, dass Frauen Führungsdefizite haben, die mit speziellen<br />

Maßnahmen beseitigt werden müssten.<br />

Andere Ergebnisse dagegen waren zu erwarten. Etwa, dass Kinder vor allem für Frauen zur Karrierebremse werden,<br />

nicht aber für die stolzen Väter. Oder dass Auszeiten und Teilzeitangebote zwar offiziell von Männern und Frauen in<br />

Anspruch genommen werden können, sie in der Realität aber meist von Frauen genutzt werden. Geht ein Mann für<br />

einige Zeit in die Babypause, sind die Karrierenachteile für ihn interessanterweise deutlich ausgeprägter als für Frauen,<br />

zeigt die Studie auf. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die eine Auszeit nehmen, »stehen meist nicht im Fokus von<br />

Besetzungsentscheidungen«, umschreiben die Autorinnen galant die aktuelle Benachteiligungspraxis in vielen<br />

Unternehmen. Lediglich eine kurze Elternzeit bleibt ohne Auswirkungen auf die Karriere. »Bei Vorgesetzten<br />

und Personalabteilungen fehlt oft das Bewusstsein für die<br />

lebensphasenabhängige Gebundenheit<br />

von Karriereentscheidungen«, so die<br />

Studie. Will heißen: Wer seine<br />

Karriereschritte im Einklang mit<br />

der persönlichen Lebenssituation<br />

plant, gilt als unflexibel. »Eine<br />

langfristige, lebensphasenorientierte<br />

Karriereplanung«, lautet das ernüchternde<br />

Fazit der Fraunhofer-<br />

Untersuchung, »ist derzeit nicht<br />

implementiert und akzeptiert.«<br />

Besonders für Frauen ist es ein kaum<br />

auszugleichender Nachteil, dass<br />

über Karrieren im Mittel- und<br />

Topmanagement im Lebensjahrzehnt<br />

zwischen 30 und 40 Jahren<br />

entschieden wird – dem Zeitraum<br />

also, in den heute häufig<br />

auch die Familienphase<br />

fällt. Späte Karrieren ab 40<br />

Jahre sind rar gesät. Weibliche<br />

Führungskräfte, die nach der ><br />

Shutterstock


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 22<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Elternzeit in den Job zurückkehren wollen, müssen erst einmal sehen, wo sie eine adäquate Stelle im Unternehmen<br />

finden. Systematische Wiedereinstiegsprogramme? Meist Fehlanzeige. Dabei sind es bis zur Rente dann immer noch gut<br />

20 Jahre. Indem Unternehmen die Fähigkeiten und Erfahrungen von Mitarbeiterinnen, die bei Geburt eines Kindes eine<br />

Karrierepause einlegen, übersehen, verschenken sie viel an Potenzial, schreiben die Autorinnen von Fraunhofer. Die Folge:<br />

Höhere Managementpositionen werden oft von Personen ohne außerberufliche Aufgaben oder familiäre Pflichten besetzt.<br />

Zitat aus der Studie: »Die männlichen Führungskräfte mit Kindern leben zu einem Großteil in Partnerschaften, in denen<br />

die Partnerin nicht oder in Teilzeit berufstätig ist und viele der außerberuflichen Pflichten übernehmen kann. Weibliche<br />

Führungskräfte haben meist in Vollzeit berufstätige Partner und sind öfter kinderlos als ihre männlichen Kollegen.«<br />

Die ökonomische Karte<br />

Nun ist ein Wirtschaftsunternehmen kein Wohlfahrtsverein. Deshalb versuchen die Autorinnen auch gar nicht erst,<br />

mit dem Hinweis auf mehr Fairness zwischen Männern und Frauen zu argumentieren. Sie spielen die ökonomische<br />

Karte und verweisen an mehreren Stellen auf den produktiven Nutzen, den ein höherer Frauenanteil für Unternehmen<br />

bringt. Vergleichende Studien haben die wirtschaftlichen Vorteile belegt. Das verstehen auch Männer. Die treibt nun<br />

allerdings zunehmend die Sorge um, dass sie durch den gesellschaftlichen Druck, mehr Frauen Führungsverantwortung<br />

zu übertragen, ins Hintertreffen geraten könnten. Einer der Befragten meinte, bei dem Versuch, die Versäumnisse<br />

der letzten Generationen aufzuholen, überdrehten die Unternehmen inzwischen das Rad: »Die jungen männlichen<br />

Kollegen sagen dann schon, ich hab hier eh keine Chance, was zu werden.«<br />

Doch das Ende der Männer ist damit wohl noch<br />

nicht gekommen. Häufig, so jedenfalls die Klage<br />

von Personalverantwortlichen, Gleichstellungsbeauftragten<br />

und Headhuntern,<br />

wollen Frauen gar keine Führungsaufgaben<br />

übernehmen. Jedenfalls nicht unter den<br />

aktuellen Bedingungen, wo sie ihre Lage<br />

nicht angemessen berücksichtigt sehen<br />

und das Gefühl haben, für das gleiche Maß<br />

an Wertschätzung und Anerkennung mehr<br />

leisten zu müssen. Mit Feigheit, wie Bascha Mika<br />

meint, hat das wahrscheinlich weniger zu tun.<br />

WWW.UNTERNEHMENSKULTUREN-<br />

VERAENDERN.DE<br />

Shutterstock


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 23<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

Shutterstock<br />

Vorsicht Schuldenfalle!<br />

Generation Smartphone:<br />

My Finance Coach klärt auf,<br />

wo versteckte Kosten lauern<br />

Seit 2004 hat sich die Zahl junger Schuldner zwischen 18 und 20 Jahren in Deutschland mehr als<br />

verdreifacht. In anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Die Stiftung My Finance Coach hat ein<br />

Rezept gegen die Schuldenfallen entwickelt.<br />

FRANK STERN<br />

Erwachsene haben ja schon so ihre Probleme, den Ver lockungen der Konsumwelt zu widerstehen. Wie sollen sich da<br />

erst Kinder und Jugendliche erfolgreich behaupten, zumal sie in der Schule kaum lernen, wie man mit seinem Geld<br />

vernünftig umgeht? Um die Bildungslücke zu schließen, riefen die <strong>Allianz</strong>, Unternehmensberater McKinsey und die<br />

Marketingagentur Grey im Jahr 2010 My Finance Coach ins Leben. Inzwischen sind auch Wirtschaftsberater KPMG<br />

und die Unternehmensgruppe Haniel dazugestoßen.<br />

Von den einen für ihr Engagement gelobt, von den anderen kritisch beäugt, ist die Stiftung neben Deutschland<br />

mittlerweile auch in Thailand, Malaysia, Indonesien und Argentinien aktiv. »Unzureichendes Wissen in Geldangelegenheiten<br />

ist ein globales Problem«, sagt Geschäftsführer Christian Keller. »Junge Leute brauchen praxisnahe<br />

Finanzbildung, um in der Gesellschaft als mündige Konsumenten agieren zu können.«<br />

My Finance Coach geht dahin, wo die Lücken am größten sind: hauptsächlich in Haupt- und Mittelschulen. Sie stellt<br />

von Experten entworfene Unterrichtsmaterialien zur Verfügung und vermittelt Mitarbeiter der Partner unternehmen<br />

als Teilzeitlehrkräfte. Verbraucherschützer sehen das kritisch. Sie befürchten, dass die Wirtschaft zu großen Einfluss >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 24<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

auf die Unterrichtsinhalte in der Schule bekommen könnte und die beteiligten Firmen unterschwellig Lobbyarbeit im<br />

Klassenzimmer betreiben. Doch genau das passiere bei My Finance Coach eben nicht, versichert Keller.<br />

Die gemeinnützige Stiftung, die von der UNESCO zum offiziellen Projekt der Weltdekade »Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung« erklärt und von der Gesellschaft für Pädagogik und Information mit dem Comenius-Siegel für exemplarische<br />

Bildungsmedien ausgezeichnet wurde, lässt von ihren »Hilfslehrern« per Unterschrift bestätigen, dass sie<br />

den Unterricht nicht für Marketingzwecke nutzen. Keine Unternehmensbroschüre, kein Werbematerial, nicht mal<br />

Kugelschreiber mit Firmenlogo sind erlaubt.<br />

Seit dem Start im Jahr 2010 hat My Finance Coach in Deutschland mit rund 1350 freiwilligen Unterrichts helfern über<br />

200 000 Schüler im Alter von zehn bis 16 Jahren in die Geheimnisse der Finanzen eingeweiht, hat erklärt, wie man sein<br />

Geld richtig einteilt, wie man erkennt, wo versteckte Kosten lauern, und wie man vermeidet, sein Budget zu überziehen.<br />

Einige der von Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern konzipierten Unterrichtseinheiten sind eigens dem Thema<br />

Internet gewidmet. Dort lernen die Schüler, wie sie ihre persönlichen Daten schützen können, werden über das<br />

Suchtpotenzial von Online-Spielen aufgeklärt und erfahren, wie man den Fallstricken von »Gratis angeboten« entgeht.<br />

Doch nicht nur Schüler profitieren von der Nachhilfe. My Finance Coach bietet auch für Lehrer Finanzworkshops und<br />

kostenlose Internetmodule zur Fortbildung. Und die Nachfrage steigt. Neben den Gründungsunter nehmen haben<br />

sich der Finanzinitiative mittlerweile über 30 weitere Firmen und Organisationen angeschlossen, vom Verein SOS<br />

Kinderdorf bis zur Stiftung der Deutschen Wirtschaft, von der TU München bis zur Wirtschaftswoche.<br />

Nach dem erfolgreichen Start in Deutschland und ersten Projekten in Asien und Lateinamerika findet My Finance<br />

Coach inzwischen weltweit immer mehr Nachahmer. In Irland, Frankreich, Polen, Großbritannien und Brasilien sind<br />

bereits Ableger in Vorbereitung, etliche weitere Länder wollen folgen. Der Nachholbedarf in Sachen Kaufen, Planen,<br />

Sparen scheint enorm. Schulden machen kann jeder.<br />

WWW.MYFINANCECOACH.DE<br />

50,4<br />

47,8<br />

46,3<br />

44,6<br />

43,8<br />

43,7<br />

42,3<br />

41,9<br />

41,7<br />

41,7<br />

40,8<br />

40,3<br />

39,9<br />

39,4<br />

39,1<br />

38,6<br />

38,0<br />

38,0<br />

37,4<br />

37,1<br />

35,9<br />

35,6<br />

35,0<br />

34,4<br />

34,0<br />

31,8<br />

Brasilien<br />

Mexiko<br />

Australien<br />

USA<br />

Kanada<br />

Neuseeland<br />

Japan<br />

Weißrussland<br />

Thailand<br />

Malaysia<br />

Ver. Arab. Emirate<br />

Libanon<br />

Taiwan<br />

Ägypten<br />

Bosnien<br />

China<br />

Hongkong<br />

Saudi-Arabien<br />

Russland<br />

Serbien<br />

Ukraine<br />

Kolumbien<br />

Indien<br />

Marokko<br />

Südafrika<br />

Finanzbildungsbarometer – 28 Länder im Vergleich (Visa-Studie 2012, max. Punktzahl 100)<br />

27,7<br />

27,3<br />

Vietnam<br />

Indonesien<br />

Pakistan


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 25<br />

DEUTSCH-<br />

LAND<br />

My Finance Coach<br />

»Wir verstecken nichts«<br />

My Finance Coach, eine Initiative von <strong>Allianz</strong>, Grey, McKinsey, Haniel und<br />

KPMG, will Schülern den vernünftigen Umgang mit Geld beibringen.<br />

Kritiker sind skeptisch. Fragen an den Geschäftsführer von My Finance<br />

Coach, Christian Keller.<br />

Christian<br />

Keller<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

Herr Keller, wie uneigennützig ist My Finance Coach?<br />

Also, wir verfolgen keine wirtschaftlichen Ziele, wenn Sie das meinen. Unsere Arbeit hat nichts mit Marketing, Verkauf<br />

oder Datensammeln zu tun. Uns geht es darum, Jugendliche auf das Leben vorzubereiten und eine Lücke zu füllen,<br />

die das Schulsystem offensichtlich nicht schließen kann. Da nehmen wir eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe<br />

wahr. Im besten Falle bilden wir eine neue Generation von jungen Erwachsenen heran, die aufgeklärter mit ihren<br />

Finanzen umzugehen weiß. Den Vorteil haben dann später alle, nicht nur die Initiatoren von My Finance Coach. Ob die<br />

jungen Leute dann ein Auto kaufen, eine Versicherung oder ein Handy, sie werden in jedem Fall im Umgang mit Geld<br />

kundiger sein. Im Endeffekt dient unser heutiger Einsatz der zukünftigen Schuldenprävention.<br />

Kritiker befürchten unterschwelligen Einfluss der Wirtschaft auf Unterrichtsinhalte.<br />

All unsere Unterrichtsmaterialien – und das ist ein wichtiges Gütesiegel – stehen für jeden zugänglich im Netz.<br />

Wir verstecken nichts. Wir haben einen Verhaltenskodex entwickelt, der unseren Coaches jede Art von Werbung im<br />

Klassenzimmer untersagt. Verstöße können arbeitsrechtlich geahndet werden. Das ist kein Spaß. Das Vertrauen, das<br />

uns Schüler und Lehrer entgegenbringen, ist ein hohes Gut. Damit muss man sorgfältig umgehen.<br />

Warum konzentrieren Sie sich auf Haupt- und Mittelschulen? Gibt es das Problem mit der Überschuldung<br />

an Gymnasien nicht?<br />

Doch, das gibt es auch dort. Allerdings zielen die meisten wirtschaftlich orientierten Initiativen ohnehin auf Gymnasien.<br />

Haupt- und Mittelschulen wird weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Und die sind für unsere Unterstützung auf<br />

diesem Gebiet auch besonders dankbar. Da lernen wir großartige junge Leute kennen, die vielleicht nicht immer die<br />

Förderung erhalten, die ihre Altersgenossen an anderen Schulen bekommen.<br />

Was geben Ihre Hilfslehrer den Schülern konkret mit auf den Weg?<br />

Wir sagen ihnen immer: Wenn’s um Geld geht, schlaft eine Nacht drüber. Unterschreibt einen Vertrag nie sofort.<br />

Man kann sich vor Schaden bewahren, wenn man einfach drüber schläft, und wenn man sich weitere Angebote<br />

einholt und vergleicht.<br />

Machen Sie auch auf die Tricks windiger Finanzberater aufmerksam?<br />

Wir zeigen auf, auf was sie bei einem Geschäft besonders achten müssen: auf Kosten, Gewinn und Risiko. Und nicht<br />

zuletzt auf die Frage: Wann komme ich wieder an mein Geld? Sie müssen es sich zur Regel machen, immer nach dem<br />

Risiko zu fragen, wenn ihnen jemand traumhafte Gewinne verspricht. Wie viel mehr an Risiko bedeutet das? Kann ich<br />

unter Umständen alles verlieren? Sie müssen die Ruhe entwickeln, eine Nacht über eine Entscheidung zu schlafen und<br />

nicht dem ersten Impuls zu folgen. Zudem raten wir ihnen, neutrale Informationen einzuholen, etwa bei Institutionen<br />

wie Finanztest oder den Verbraucherschutzzentralen.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 26<br />

EUROPA<br />

© Bjorn Olesen<br />

»Eine ungemein<br />

hässliche Spezies«<br />

Sex eher die Ausnahme, Nahrung rein vegetarisch, und die meiste Zeit am Schuften – das Leben<br />

eines Nacktmulls ist im Großen und Ganzen eine recht freudlose Angelegenheit. Und es zieht sich:<br />

Bis zu 30 Jahre können die faltigen Nager werden, für Tiere dieser Größe ein ungewöhnlich hohes<br />

Alter. Wissenschaftler sind dem Rätsel der Langlebigkeit auf der Spur.<br />

FRANK STERN<br />

Schönheit ist relativ. Der eine mag dieses, der andere jenes. Nur wenn es um den ostafrikanischen Nacktmull geht, sind<br />

sich alle weitgehend mit dem briti schen Naturforscher Alfred Russel Wallace einig, der den Tunnelgräber einst als eine<br />

»ungemein hässliche Spezies« klassifizierte. Die Haut schon bei der Geburt faltig, die Augen von dicken Lidern verdeckt,<br />

die Zähne riesig – Heterocephalus glaber, der Glatte Andersköpfige, ist ein evolutionäres Missgeschick.<br />

Eines freilich, das Wissenschaftler fasziniert, seit es 1842 erstmals von dem deutschen Biologen Eduard Rüppell<br />

beschrieben wurde. Was zum einen daran liegt, dass der Nacktmull in Kolonien lebt, die – unter Säugern einzigartig –<br />

ähnlich wie bei Ameisen oder Bienen organisiert sind. Zum anderen widerspricht das mausgroße Tier der These, dass<br />

kleine Arten eine kürzere Lebensspanne haben als große: Anders als Mäuse, die kaum mehr als drei Jahre überstehen,<br />

können Nacktmulle ein vergleichsweise biblisches Alter von 30 Jahren erreichen. Und das bei robuster Gesundheit.<br />

Für Wissenschaftler wie Rochelle Buffenstein vom Barshop-Institut für Altersforschung der University of Texas ein<br />

perfektes Untersuchungsobjekt. Die Amerikanerin will die zellulären Mechanismen ergründen, die die Nacktmulle >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 27<br />

EUROPA<br />

Shutterstock<br />

weitgehend beschwerdefrei altern lassen. Anfang des Jahres erhielt Buffenstein für ihre<br />

wegweisende Forschung von der <strong>Allianz</strong> France und der französischen Vereinigung für<br />

Gesundheitsvorsorge Les Associations de Prévoyance Santé den mit 15 000 Euro dotierten<br />

Wissenschaftspreis für Langlebigkeitsstudien.<br />

340 000<br />

2013<br />

3 400 000<br />

2050<br />

100 JÄHRIGE<br />

WELTWEIT<br />

Es mag manchen schmerzen, dass die Krone der Schöpfung nun ausgerechnet bei einem<br />

Wesen nach Analogien sucht, das vom Schicksal so offensichtlich benachteiligt wurde. Doch<br />

vielleicht tragen die Nacktmulle tatsächlich den Code für ein langes Leben unter ihrer faltigen<br />

Hülle. Jedenfalls deutet einiges darauf hin, dass sexuelle Abstinenz, geringer Kalorienumsatz<br />

und körperliche Aktivität ihre Lebenserwartung steigen lassen. Könnte man bei einem solch<br />

lustfreien Lebenswandel natürlich fragen: wozu?<br />

Nur die Königin und ein bis drei Männchen sorgen in der Mullenkolonie für Nachwuchs, der Rest buddelt auf Nahrungssuche<br />

tagein, tagaus neue Gänge durch den Untergrund, reinigt den Bau und zieht die Bälger der Königin groß.<br />

Stirbt das Oberhaupt, fetzen sich die nächsten Thronanwärterinnen die runzelige Haut von den Knochen, oft mit<br />

tödlichem Ausgang. Männchen dagegen drängen sich nicht unbedingt um einen Platz am Hof. Noch ist ungeklärt,<br />

warum diejenigen, die dann zur Paarung antreten, plötzlich sehr schnell altern – doch man ahnt es.<br />

Wieso bei den wurstähnlichen Methusalems trotz hoher Inzuchtrate kaum Erbkrankheiten auftreten und sie bis ins<br />

hohe Alter weder an Krebs noch an Osteoporose erkranken, ist nach wie vor ein Rätsel. Die Menschen werden derweil,<br />

auch ohne den Mullen-Code bislang geknackt zu haben, immer älter. Nach Schätzungen der UN leben heute auf der<br />

Welt bereits über 340 000 Männer und Frauen, die hundert Jahre und älter sind. Im Jahr 2050 werden es wohl zehnmal<br />

so viele sein.<br />

Statistisch gesehen haben übrigens gut ausgebildete Frauen die größte Chance, die 100er Marke zu schaffen.<br />

Da bekommt der Satz »Man lernt fürs Leben« eine ganz neue Bedeutung.<br />

HTTP://BARSHOPINSTITUTE.UTHSCSA.EDU<br />

AFRIKA<br />

KENIA<br />

ÄTHIOPIEN<br />

SOMALIA<br />

Das Geheimnis der Langlebigkeit<br />

Nacktmulle sind in der Lage, beschädigte Proteine aus ihrem<br />

System auszuscheiden und so die Ansammlung von Giftstoffen<br />

im Körper zu verhindern. Ihr träger Stoffwechsel trägt wahrscheinlich<br />

ebenfalls zu einem langsameren Alterungsprozess<br />

bei. Nacktmulle, die hauptsächlich in Ostafrika vorkommen, sind<br />

krebsresistent, sie verfügen über ein Gen, das krankhafte Zellmutationen<br />

verhindert. Schmerzunempfindlich sind sie auch.


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 28<br />

EUROPA<br />

alle Fotos: Stern<br />

Am<br />

Rande<br />

Die wirtschaftliche Situation des<br />

Landes korrespondiert derzeit<br />

mit seiner geographischen<br />

Lage: Portugal steht ganz am<br />

Rande, die einstige Kolonialmacht<br />

zählt zu den ärmsten<br />

Staaten der Europäischen Union.<br />

Regierungschef Coelho hat<br />

seinen Landsleuten bereits die<br />

Auswanderung ans Herz legt.<br />

FRANK STERN<br />

Wenn Portugal dereinst verwaist<br />

sein wird, was angesichts sinkender Ge-burtenraten und rasant steigender<br />

Auswanderungszahlen nicht mehr allzu lange dauern kann, dann wird<br />

man sich an seine Bewohner wegen zweier Errungenschaften erinnern:<br />

wegen ihres im Fado melancholisch vertonten Weltschmerzes und<br />

wegen des blutroten Weins, in dem man ihn ertränken konnte. Es gab in<br />

Portugals Geschichte schon oftmals Gründe, beides heftig auszukosten,<br />

doch die aktuelle Krise dürfte zu den schwersten zählen, die das Land am<br />

Südwestzipfel Europas je heimgesucht hat.<br />

Die Arbeitslosigkeit liegt bei 17 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit kratzt<br />

mittlerweile an der 40er Marke. Nur in Spanien (56 Prozent) und Griechenland<br />

(60 Prozent) sieht es für die Jungen zwischen 15 und 24 Jahren noch düsterer<br />

aus. Und ein Ende der Talfahrt scheint nicht in Sicht. Die Wirtschaftsleistung<br />

ist 2012 um 3,2 Prozent geschrumpft, in diesem Jahr soll es noch einmal<br />

2,3 Pro zent nach unten gehen. Auch die Jahre zuvor lief es für Portugals<br />

Wirtschaft nicht rund, Fachleute schrieben das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts<br />

als verlorene Dekade ab. Erst 2014 soll es wieder leicht nach oben<br />

gehen. Aber sicher ist das nicht. ><br />

ALLIANZ PORTUGAL<br />

Mitarbeiter: 550<br />

Vertreter: 4500<br />

Geschäftsstellen: 30<br />

Kunden: 865 000<br />

Prämieneinnahmen 2012<br />

Sach: 316 Millionen Euro (+5 %)<br />

Leben: 190 Millionen Euro (-2,3 %)<br />

Marktposition gesamt: Rang 5<br />

Marktanteil gesamt: 4,6 %<br />

Sachversicherung:<br />

Rang 3<br />

Marktanteil: 8,7 %<br />

Lebensversicherung:<br />

Rang 7<br />

Marktanteil: 2 %


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 29<br />

EUROPA<br />

alle Fotos: Stern<br />

Zumindest der Staatsbankrott<br />

blieb dem Land<br />

erspart, dank eines<br />

Rettungspakets von EU,<br />

Europäischer Zentralbank<br />

und Internationalem<br />

Währungsfonds in Höhe<br />

von 78 Milliarden Euro. Zwar<br />

hat das Verfassungsgericht<br />

einige Sparbeschlüsse der<br />

Regierung Coelho gestoppt, doch der Ministerpräsident hält an seinem rigiden Sanierungskurs fest, mit dem er<br />

hofft, das Land wieder in sicheres Fahrwasser zu steuern. Hunderttausende haben gegen die Sparmaßnahmen<br />

demonstriert. Ein untrüglicher Indikator, dass die Zeichen auf Sturm stehen – es muss einiges passieren, bevor<br />

Portugiesen ihren Protest auf die Straße tragen. Portugals Ex-Premier Soares hat bereits zum Sturz der Regierung<br />

aufgerufen. Auch das ein eher seltener Vorgang.<br />

Angesichts der prekären Lage hat Premier Coelho seine arbeitslosen Landsleute bereits zur Emigration geraten. Nach<br />

Brasilien zum Beispiel, oder nach Afrika, in die alten Kolonien. Viele Portugiesen sind der Aufforderung schon gefolgt<br />

und haben ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Beobachter sprechen vom größten Exodus, den das Land je erlebt hat.<br />

Wobei es, anders als noch in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, heute zumeist die gut Ausgebildeten<br />

sind, die ihr Glück fern der Heimat suchen. Ein Aderlass, der das Land noch teuer zu stehen kommen könnte.<br />

Der Preis des Erfolgs<br />

Portugal macht schwere Zeiten durch, die Wirtschaftsleistung des Landes sinkt, die Arbeitslosenzahlen<br />

sind auf Rekordniveau. Auch die Versicherungsbranche ist auf Talfahrt – außer die <strong>Allianz</strong> Portugal.<br />

Wir sprachen mit Vorstandschefin Teresa Godinho über den Preis des Erfolgs.<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

Frau Godinho, aus Portugal kommen seit geraumer Zeit nur noch deprimierende Nachrichten. Sehen Sie<br />

irgendwo den Silberstreif am Horizont?<br />

Ich bin ein positiver Mensch und will an den Umschwung glauben. Portugal hat in den letzten Monaten eine Menge<br />

auf den Weg gebracht, das stimmt mich zuversichtlich. Aber wir brauchen weitere Reformen, etwa im Steuersystem<br />

und in der Arbeitsgesetzgebung. Im Moment kann niemand sagen, wie die Sache am Ende ausgeht. Auch wenn wir<br />

Portugiesen kein Volk sind, das ständig auf den Straßen demonstriert, rumort es im Innern doch ganz erheblich.<br />

Was denken die Portugiesen über den Euro und die Europäische Union?<br />

Ich glaube, niemand, der bei uns Verantwortung trägt, will die Eurozone verlassen. Natürlich gibt es ein paar Ökonomen,<br />

die in den Medien dafür plädieren. Aber das sind Minderheitenmeinungen. Die Portugiesen wollen nicht wieder >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 30<br />

EUROPA<br />

Stern<br />

Teresa Godinho ist die erste<br />

Vorstandschefin einer <strong>Allianz</strong><br />

Versicherungsgesellschaft in Europa.<br />

Bevor die gelernte Volkswirtschaftlerin<br />

im Januar 2011 ihr Amt in Lissabon<br />

antrat, hatte sie bereits 17 Jahre bei<br />

verschiedenen <strong>Allianz</strong> Gesellschaften<br />

hinter sich, zuletzt als Finanzchefin<br />

und Leiterin des Risikomanagements<br />

der <strong>Allianz</strong> Brasilien.<br />

isoliert dastehen, wie es während der 40 Jahre Diktatur unter Salazar der Fall war. Damals galt die Devise »Allein und<br />

stolz«. Viele erinnern sich noch gut daran, was das für das Land bedeutete.<br />

Der Versicherungsmarkt in Portugal schrumpft, die <strong>Allianz</strong> Portugal dagegen legt zu. Wie geht so was?<br />

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben wir vor vier Jahren begonnen, unsere gesamte Arbeitsweise umzukrempeln.<br />

Nicht nur, was die internen Abläufe angeht, sondern vor allem in Bezug auf unsere Beziehungen zu Kunden<br />

und Vertretern. Wir haben landesweit 30 Geschäftsstellen, die einzig und allein dafür da sind, die Vertreter dabei zu<br />

unterstützen, ihren Kunden den besten Service zu bieten. Wir wollen für die freien Vertreter in Portugal zum bevorzugten<br />

Partner werden.<br />

Wir haben für sie eine Palette einfach struk turierter Produkte entwickelt, die wir im Paket anbieten. Mit diesen Bündelpolicen<br />

sind wir in der Lage, die internen Kosten zu drücken und sehr wettbewerbsfähige Preise anzubieten. So kann<br />

man selbst in einem wenig profitablen Markt wie Portugal vernünftige Geschäfte machen.<br />

Hinzu kommt, dass viele Leute um ihre Ersparnisse fürchten. Den Banken vertrauen sie immer weniger und wenden<br />

sich heute zunehmend an Versicherungsgesellschaften. Wenn es ums Sparen geht, sind wir Portugiesen natürlich<br />

nicht wie die Deutschen. Wir geben unser Geld leichter aus, wir genießen das Leben. Seit der Krise aber steigen die<br />

Sparquoten.<br />

Was war der Preis des Erfolgs bei der <strong>Allianz</strong> Portugal?<br />

Wir mussten unsere Belegschaft in der Verwaltung um 20 Prozent reduzieren. Doch diese Umstellung hat die <strong>Allianz</strong><br />

Portugal krisensicher gemacht. Heute sind wir die effizienteste Versicherungsgesellschaft im Land. Das ist für alle<br />

Mitarbeiter eine gute Botschaft und gibt ihnen Sicherheit. Wir werben derzeit sogar wieder Nachwuchskräfte von den<br />

besten Universitäten an.<br />

Viele junge Portugiesen suchen ihr Glück inzwischen in der Fremde. Dünnt der Bewerbermarkt schon aus?<br />

Nein, für uns gibt es noch genügend Auswahl. Aber wenn die Krise anhält, werden in Zukunft wohl noch mehr junge<br />

Menschen abwandern. Was ein schlechtes Zeichen wäre, denn es würde bedeuten, dass es der Wirtschaft nicht gelingt,<br />

genügend Wachstum zu generieren, um unseren Leuten in der Heimat eine Zukunft zu bieten. Wenn man etwas<br />

Positives an der Situation sehen will, dann ist es vielleicht die Tatsache, dass die jungen Leute im Ausland Erfahrungen<br />

sammeln, die sie nach ihrer Rückkehr in Portugal zum Nutzen des Landes anwenden können.<br />

Wenn sie denn zurückkommen.<br />

Ein Großteil wird – und zwar besser ausgebildet und mit Erfahrungen aus anderen Ländern und Kulturen. Ein Gewinn<br />

für unser Land. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 31<br />

EUROPA<br />

Stern<br />

Auf Deutschland sind viele Portugiesen derzeit<br />

nicht besonders gut zu sprechen. Deutsche<br />

Tugenden dagegen stehen bei ihnen gerade<br />

jetzt hoch im Kurs. Ein Grund, warum die Versicherungsagentur<br />

von Rosa Nobre, Rui Silva<br />

und Ivany Sousa recht gut über die Runden<br />

kommt. Trotz Krise.<br />

FRANK STERN<br />

Gegen den Trend<br />

»Wir haben zu kämpfen« – Rui Silva, Ivany Sousa und<br />

Rosa Nobre (hintere Reihe v.l.) mit ihren Assistentinnen<br />

Viele ihrer Freunde sind schon fort, vor allem die mit technischen Berufen. Nach Afrika und Südamerika, nach England<br />

und Frankreich, Norwegen und Deutschland. Einer ist sogar in Usbekistan gelandet, was nach Verzweiflung klingt<br />

– oder nach richtig viel Geld. Rosa Nobre, Rui Silva und Ivany Sousa sind geblieben – portugiesische Versicherungsvertreter<br />

sind im Ausland nicht so gefragt wie Bauingenieure.<br />

Ihre Agentur liegt im Stadtteil Benfica, unweit des gleichnamigen Stadions, in einem Wohnviertel mit dem Charme<br />

einer Plattenbausiedlung im früheren Ostblock. Doch hinter der wenig inspirierenden Fassade machen die drei vor,<br />

wie sich gegen den Trend Erfolg erarbeiten lässt. Vor drei Jahren haben sie sich zusammengetan und gehörten schon<br />

ein Jahr später zu den Top-Agenturen der <strong>Allianz</strong> Portugal. Und trotz eines rasanten Einbruchs bei den Autoverkäufen<br />

im Land, legen sie auch bei der Zahl der Kfz-Policen immer noch zu. Doch das Geschäft wird härter. »Wir haben zu<br />

kämpfen«, sagt Ivany Sousa. »Immer mehr Kunden rufen an und wollen ihre Beiträge reduzieren.«<br />

Kein Wunder bei den zahlreichen Sparmaßnahmen, die die Regierung dem Land verordnet hat, um die Auflagen von<br />

EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zu erfüllen: Kürzung von Renten und Arbeitslosenhilfe,<br />

höhere Mehrwertsteuer, Stellenabbau im öffentlichen Dienst und und und. Die Versicherungsvertreter bekommen<br />

die Krise auch im Firmengeschäft zu spüren. Letztes Jahr meldeten pro Tag landesweit 20 Unternehmen Konkurs<br />

an. Beiträge und Gewinnspannen gingen in den Keller.<br />

Anders als in Deutschland arbeitet die <strong>Allianz</strong> in Portugal nicht mit einem Netz von Ausschließlichkeitsvertretern, sondern<br />

mit Maklern und freien Agenturen. Auch das Benfica-Trio, das zusammen fast 5000 Kunden betreut, hat mehrere<br />

Eisen im Feuer. Doch 85 Prozent aller Policen, die sie verkaufen, tragen das <strong>Allianz</strong> Siegel. »Eine sichere Bank in diesen<br />

unsicheren Zeichen«, wie Rui Silva unterstreicht.<br />

Wenngleich viele Portugiesen die Deutschen hinter den harten Sparauflagen der Troika sehen – wenn es um ihr Geld<br />

geht, vertrauen sie den ungeliebten Teutonen dann doch. »Integrität, Vertrauenswürdigkeit und finanzielle Solidität<br />

sind die Markenzeichen der Deutschen«, sagt Rosa Nobre. Die besten Verkaufsargumente, die sie und ihre beiden<br />

Partner in der gegenwärtigen Situation haben können. »Unsere Kunden sind überzeugt, dass sie mit einer deutschen<br />

Gesellschaft am besten fahren.«<br />

WWW.ALLIANZ.PT


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 32<br />

EUROPA<br />

Shutterstock<br />

Baustelle<br />

Europa<br />

Als einer der ersten großen Asset Manager legt <strong>Allianz</strong> Global Investors einen Infrastrukturfonds<br />

für institutionelle Anleger auf. Der Bedarf für Projektfinanzierung ist riesig: Laut Schätzungen der<br />

EU-Kommission werden bis Ende des Jahrzehnts allein in Europa Infrastrukturinvestitionen von<br />

bis zu zwei Billionen Euro nötig.<br />

FRANK STERN<br />

Straßen und Flughäfen, öffentlicher Nahverkehr und Wasserversorgung, Stromnetz, Krankenhäuser und Schulen –<br />

die Liste von Infrastrukturprojekten, die in Europa bis Ende des Jahrzehnts anstehen, ist lang. Werden alle umgesetzt,<br />

verwandelt sich der alte Kontinent in den nächsten Jahren in eine riesige Baustelle. Doch wo sich überschuldete<br />

Staaten und strenger kontrollierte Banken bei Großprojekten immer mehr zurückhalten, steht die Finanzierung zunehmend<br />

auf wackligen Füßen.<br />

Laut EU werden für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur in Europa in den nächsten Jahren bis zu zwei Billionen Euro<br />

nötig. Versicherer, Pensionsfonds und andere institutionelle Investoren, die nach attraktiveren Renditen suchen, als<br />

sie derzeit mit Staatsanleihen zu erzielen sind, könnten die Lücke füllen.<br />

Als eines der ersten großen Investmenthäuser hat <strong>Allianz</strong> Global Investors ein auf Infrastrukturfinanzierungen<br />

spezialisiertes Team aufgestellt, das Kunden den Zugang zu erstklassigen Projekten ebnen soll. »Wir reden nicht über<br />

Kraftwerke in Entwicklungsländern oder Kohleminen oder Ölplattformen«, erläutert Finanzexpertin Deborah Zurkow,<br />

die den Infrastrukturfonds (Infrastructure Debt) mit ihrem vierköpfigen Team betreut. »Wir reden über kommunale<br />

Stromversorgung, über Wasserleitungen, Schulen, Straßen und Krankenhäuser in EU-Staaten.« Wie Untersuchungen<br />

von Moody’s und Standard & Poor’s zeigen, ist das Verlustrisiko bei solchen Kooperationsprojekten zwischen Staat und<br />

Privatwirtschaft äußerst gering.<br />

Mit der Finanzierung von öffentlichen Bauvorhaben erwirbt der Infrastrukturfonds für einen Zeitraum von bis zu<br />

30 Jahren die Zusage über garantierte Renditen, die aus Nutzungsgebühren für Straßen, Wasser- und Stromversorgung,<br />

aus kommunalen Fördermitteln und Mieten gespeist werden. »Von der privaten Finanzierung von Staatsaufgaben<br />

profitieren sowohl Anleger auf der Suche nach stabilen Erträgen, als auch Bauherren, die ihre Projektfinanzierung<br />

sicherstellen wollen«, erklärt Zurkow den Ansatz.<br />

Mit ihren über lange Zeiträume garantierten Renditen eigne sich das Geschäft mit Stahl und Beton hervorragend für<br />

Pensionsfonds und Versicherungen, die ihren Kunden gegen über langfristige Zahlungsverpflichtungen eingegangen<br />

sind, sagt Zurkow. Indem man sich nur mit erfahrenen Baufirmen zusammentut, werden Bau- und Planungsrisiken<br />

auf ein Mindestmaß reduziert. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 33<br />

EUROPA<br />

<strong>Allianz</strong> Global Investors<br />

<strong>Allianz</strong> Global Investors wird eine ganze<br />

Palette an Investitionsmöglichkeiten bieten,<br />

von maßgeschneiderten Projekten bis<br />

hin zu Poollösungen. Zunächst wird ein<br />

Infrastrukturfonds für Bauvorhaben in<br />

Großbritannien gestartet, einer für die<br />

Eurozone soll später folgen. »Es gibt enormes<br />

Interesse«, sagt Deborah Zurkow.<br />

»Wir sind gerade dabei, einen neuen Markt<br />

zu etablieren.«<br />

WWW.ALLIANZGI.COM<br />

Das Infrastructure Debt-Team: Adrian Jones, François-Yves<br />

Gaudeul, Deborah Zurkow, Claus Fintzen und Paul David (v.l.)<br />

privat<br />

Rendezvous<br />

mit Hamilton<br />

50 Jahre bei der <strong>Allianz</strong> Großbritannien – das war den Kollegen<br />

von Linda Kennedy ein besonderes Geschenk wert: Sie hatte die<br />

Wahl zwischen dem Formel 1 Grand Prix in Silverstone und dem<br />

Wintertraining in Barcelona. Die Entscheidung fiel ihr nicht schwer.<br />

Hier ihr Bericht:<br />

Für Lewis Hamilton ließ Linda Kennedy<br />

sogar ihr Mittagessen sausen<br />

LINDA KENNEDY<br />

Feuchtkaltes Silverstone oder Barcelona? Das war ja wohl keine Frage. Für mich und meinen Mann jedenfalls war klar,<br />

wohin die Reise gehen sollte. Am 18. Februar saßen wir im Flugzeug von Leeds/Bradford nach Spanien. Der Flug verlief<br />

ruhig, das Hotel war nett, und am nächsten Morgen waren wir startklar für den Ausflug zum Circuit de Catalunya.<br />

Da man damit rechnen konnte, dass einem dort ein paar berühmte Leute über den Weg laufen, verwandte ich etwas<br />

mehr Sorgfalt darauf, mich zurecht zu machen. Und dann warteten wir – etwas nervös – auf das Taxi.<br />

Die Aufregung hätte ich mit sparen können. Als wir an der Rennstrecke ankamen, wurden wir vom <strong>Allianz</strong> F1-Team<br />

und einem speziell für uns abgestellten Führer in Empfang genommen. Sie waren einfach großartig, wir hätten uns<br />

keine bessere Betreuung denken können. Zunächst wurden wir zum Empfangsbereich von Mercedes geführt und<br />

konnten die Testvorbereitungen der Fahrer verfolgen. Dann ging es zur Mercedes-Werkstatt – Fotos waren hier aus<br />

verständlichen Gründen untersagt –, wo noch am Rennwagen gearbeitet wurde. Die Mechaniker hatten ihn in sämtliche<br />

Einzelteile zerlegt, weil Fahrer Nico Rosberg am Morgen Getriebeprobleme gemeldet hatte. Bis Mittag hatten sie<br />

den Boliden wieder auf der Strecke. Unglaublich. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 34<br />

EUROPA<br />

<strong>Allianz</strong><br />

Wir erkundeten derweil die Boxengasse, schauten uns<br />

die Rennwagen der anderen Teams an und fotografierten<br />

alles, was uns vor die Linse kam, vom Lenkrad – Wert:<br />

35 000 Pfund! – über die Hebebühne in der Werkstatt<br />

bis hin zur Startkelle, die im Englischen Lollipop heißt –<br />

Lutscher. Dann ging’s zurück in die Empfangszone zum<br />

Mittagessen. Wir waren noch nicht fertig, da beugte sich<br />

einer vom <strong>Allianz</strong> F1-Team zu mir herüber und flüsterte mir zu: »Wenn du dich in der Nähe der Tür postierst, kannst<br />

du gleich Lewis Hamilton treffen. Der steht dort in ein paar Minuten <strong>Journal</strong>isten Rede und Antwort.« Ich verlor keine<br />

Sekunde, Hamilton ist mein Held. Das Mittagessen war vergessen.<br />

Lewis war großartig. Freundlich und locker. Er sprach ein paar Minuten über das Team und den Wagen und wie die<br />

Vorbereitungen liefen. Anschließend hatten wir Gelegenheit, ihn persönlich zu treffen, Autogramme zu bekommen<br />

und Fotos mit ihm zu schießen. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir auf der Tribüne – die Ohrenschützer immer<br />

zur Hand. Und dann ging’s zurück ins Hotel nach Barcelona.<br />

Das Wintertraining der Formel 1 zu erleben, hat mir gezeigt, wie hart die Teams dort arbeiten, und das nicht nur bei<br />

den Grand Prix-Rennen, sondern auch in der Vorbereitungsphase in der Werkstatt. Jeder von den Mechanikern weiß<br />

genau, was er zu tun hat. Da konnte man Mannschaftsgeist in Aktion sehen, wie er besser nicht sein könnte.<br />

Es war eine Erfahrung, die ich nicht vergessen werde, und ich kann allen, die das für uns organisiert haben, nicht genug<br />

dafür danken. So etwas zu erleben, war die 50 Jahre bei der <strong>Allianz</strong> wert.<br />

LINDA.KENNEDY@ALLIANZ.CO.UK<br />

AMERIKA<br />

»Wie in einem<br />

Kriegsgebiet«<br />

Leonard Zhukovsky / shutterstock.com<br />

Am 29. Oktober 2012 traf Hurrikan Sandy<br />

auf die Ostküste der USA. Der Wirbelsturm richtete schwere Verwüstungen an und brachte<br />

zahlreichen Menschen den Tod. Jürgen Englerth von der <strong>Allianz</strong> Deutschland in München war<br />

gerade zu Besuch in New Jersey, als die Naturkatastrophe ihren Lauf nahm. Hier sein Bericht: ><br />

JÜRGEN ENGLERTH


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 35<br />

AMERIKA<br />

Englerth<br />

An der US-Ostküste waren am 29. Oktober durch den Wirbelsturm<br />

»Sandy« 120 Menschen ums Leben gekommen. Zehntausende<br />

Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Zuvor hatte der Sturm<br />

bereits in der Karibik für erhebliche Verwüstungen gesorgt. Die nun<br />

freigegebenen Hilfen sollen über zehn Jahre ausgezahlt werden. Sie<br />

gehen zum Teil an die betroffenen Hausbesitzer und Unternehmen.<br />

Vor allem aber soll damit die beschädigte Infrastruktur repariert und<br />

die Küste besser vor künftigen Stürmen geschützt werden.<br />

Team Orange im Einsatz: Jürgen Englerth und andere Marathonläufer<br />

packten mit an, um den Menschen in den betroffenen<br />

Gebieten in Brooklyn und Staten Island zu helfen<br />

Ende Oktober 2012 flog ich in die USA, um meine Familie zu besuchen und im Rahmen einer Wohltätigkeitsaktion<br />

den Marine Corps Marathon in Washington und eine Woche darauf den New York City Marathon zu laufen. Bereits vor<br />

dem Start des Marine Corps Marathons war vor einem aufziehenden Unwetter gewarnt worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />

ahnte jedoch noch niemand, dass es sich um den schwersten Sturm handeln würde, den New York City und New<br />

Jersey je erlebt haben.<br />

Am Ende blieb ich, mit Unterbrechungen, fast zwei Monate dort, um meiner Familie und den Opfern in den Flutgebieten<br />

zu helfen. Ich verbrachte die Sturmnacht mit meiner 92-jährigen Schwiegermutter in ihrem Haus in New<br />

Jersey. Der Wird heulte so laut, dass wir uns kaum verständigen konnten. Dauernd waren auf dem Dach Einschläge<br />

von großen Trümmern zu hören, die der Sturm durch die Luft gewirbelt hatte. Der nächste Morgen zeigte dann<br />

das ganze Ausmaß der Zerstörung: Die Straßen waren gesperrt, es gab keinen Strom, Telefon und Heizung waren<br />

ausgefallen. Läden und Restaurants blieben bis auf Weiteres geschlossen.<br />

Die nächsten Tage war ich damit beschäftigt, meine Schwiegermutter an ständig wechselnden sicheren Orten<br />

unterzubringen sowie Benzin und Nahrungsmittel für uns aufzutreiben. An den wenigen Tankstellen, die noch<br />

Treibstoff hatten, bildeten sich riesige Warteschlangen, die Leute mussten bis zu sechs Stunden anstehen. Da das<br />

öffentliche Leben völlig zusammengebrochen war, war man auf das Auto angewiesen, um die wenigen sicheren und<br />

warmen, mit Generatoren ausgestatteten Orte zu erreichen: Rathäuser, Rettungsstationen und einige Cafes, in denen<br />

sich die Menschen sammelten und darauf warteten, dass die Stromversorgung wieder funktionierte.<br />

Die Situation eskalierte innerhalb weniger Tage von lästig zu lebensbedrohlich. Die Temperaturen fielen auf bis zu<br />

minus fünf Grad, das Benzin wurde knapp. Zu allem Überfluss kam dann in der zweiten Woche noch starker Schneefall<br />

hinzu. Ich entschloss mich daher, meinen Aufenthalt unbefristet zu verlängern, bis wieder Sicherheit eingekehrt war.<br />

Das Rote Kreuz flog Tausende von Helfern aus den ganzen USA ein und leistete hervorragende Arbeit.<br />

Trotz der Ausnahmesituation war ich fest entschlossen, am New York City Marathon teilzunehmen. Dieser wurde<br />

dann aber kurzfristig abgesagt, nachdem die Strecke durch stark zerstörte Gebiete führen sollte, in denen auch viele<br />

Menschen ums Leben gekommen waren. Eine Gruppe junger Menschen organisierte dennoch kurzerhand über<br />

Facebook den »Run Anyway Marathon«, der auf der Originalstrecke des ersten NYC Marathon von 1970 durch den<br />

Central Park führte. Etwa 20 000 Läufer nahmen daran teil. Es wurde zu einem Fest der Hoffnung und Lebensfreude.<br />

Die Läufer spendeten Geld und Lebensmittel für die Opfer von Sandy. Die New Yorker unterstützten diese Aktion<br />

tatkräftig, indem sie die Läufer anfeuerten und ihnen Essen und Getränke an die Strecke brachten.<br />

Als wir nach elf Tagen in unserem Wohnort in New Jersey endlich wieder Strom hatten, schloss ich mich einem Team<br />

von befreundeten Marathonläufern aus New York an, um in den am schlimmsten zerstörten Gebieten in Brooklyn<br />

und Staten Island zu helfen. Organisator war die US-Laufikone Hideki Kinoshita. Wir trugen unsere orangefarbenen ><br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 36<br />

AMERIKA<br />

Englerth<br />

Marathonhemden, weshalb wir uns »Team Orange« nannten. Unter diesem<br />

Namen wurden wir in den folgenden Wochen auch in der Presse bekannt.<br />

Die Folgen der Zerstörung in den überfluteten Küstengebieten von New York<br />

City waren herzzerreißend. Es herrschten Zustände wie in einem Kriegsgebiet.<br />

Den ersten Tag arbeitete ich in einem Spenden-Center in Far Rockaway,<br />

wo ich mich um die Annahme und Verteilung zahlloser LKW-Ladungen<br />

von Lebensmitteln kümmerte. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch<br />

nie so hart gearbeitet wie an diesem Tag. Es war aber auch berührend, die<br />

Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit der New Yorker zu erleben.<br />

Die folgenden Tage verbrachte Team Orange auf Staten Island, wo wir in den beschädigten Häusern die Gipsplatten<br />

und Isolierungen aus den Wänden rissen, um zu verhindern, dass sich Schimmelpilz bilden konnte. Trotz Atemmasken<br />

litten wir nach kurzer Zeit alle unter Dauerhusten. Vermutlich haben wir bei der Arbeit jede Menge Asbest und Gift<br />

eingeatmet Aber wenn man das Elend der Menschen sieht, stellt man keine Fragen mehr.<br />

Team Orange war eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Marathonläufern, die zu einem Beispiel für selbstlose<br />

Nächstenliebe wurde. Zusätzlich zu den Arbeitseinsätzen sammelten die Mitglieder über 4000 Dollar an Spendengeldern<br />

für die Sturmopfer. In der Verzweiflung nach der Katastrophe wurde Team Orange zu einem leuchtenden<br />

Stern in der Dunkelheit. Kurz vor meinem Rückflug nach Deutschland nahm ich noch an einem 60 Kilometer langen<br />

Ultramarathon in New York City teil. Nach den Strapazen der letzten Wochen war das der leichteste und erholsamste<br />

Tag meines ganzen Aufenthaltes.<br />

ENGLERTH.JUERGEN@ALLIANZ.DE<br />

AUSTRALIEN<br />

Shutterstock<br />

Mit Rekordtemperaturen von örtlich fast 50 Grad<br />

erlebte Australien in diesem Jahr einen der<br />

heißesten Sommer seit einem Jahrzehnt. Kaum<br />

war die Hitzewelle vorüber, setzte Tropensturm<br />

Oswald Teile von Queenslands unter Wasser.<br />

Für die Versicherungsindustrie lief die Sache<br />

vergleichsweise glimpflich ab. ><br />

FRANK STERN<br />

Elefanten ins Outback<br />

>>


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 37<br />

AUSTRALIEN<br />

Nicholas Scofield<br />

Jenny Lambert<br />

beide Fotos: Ibrahim<br />

Der Mann hatte Sinn für<br />

Timing: Als im Januar Buschfeuer<br />

seinem Anwesen<br />

auf Tasmanien bedrohlich<br />

näher rückten, rief er bei<br />

der <strong>Allianz</strong> Australia an und<br />

schloss noch rasch eine<br />

Gebäudeversicherung ab.<br />

Da war das Embargo, mit dem der Versicherer bei Gefahr im Verzug den Abschluss neuer Policen normalerweise<br />

verhindert, noch nicht in Kraft. Kurze Zeit später ging sein Haus in Flammen auf. Man kann davon ausgehen, dass er<br />

eher zu den zufriedenen <strong>Allianz</strong> Kunden zählt.<br />

Die Geschichte ist Nicholas Scofield, Sprecher der <strong>Allianz</strong> Australia, in Erinnerung geblieben. So viel Glück im Unglück<br />

hat nicht jeder. Die Feuerwalze, die im Januar durch New South Wales, Victoria und Tasmanien zog, verursachte<br />

insgesamt allerdings weit weniger Schäden, als es die dramatischen Fernsehbilder damals hätten vermuten lassen.<br />

Menschen und ihr Besitz seien kaum in Gefahr geraten, sagt Scofield. »Die Brände loderten hauptsächlich in Wäldern<br />

und unbewohntem Gebiet.«<br />

Das war vor vier Jahren noch anders. Da wurden bei Buschbränden in Victoria zahlreiche Häuser ein Raub der Flammen.<br />

»Die Schäden für die australischen Versicherer summierten sich damals auf über eine Milliarde Australische<br />

Dollar«, erinnert sich Jenny Lambert, die Chefin des Schadenbereichs der <strong>Allianz</strong> Australia. In diesem Jahr waren es laut<br />

Australischem Versicherungsverband nur etwas über 120 Millionen Dollar (97 Millionen Euro), wobei auf Tasmanien<br />

mit knapp 90 Millionen Dollar der größte Anteil entfiel. 72 Fälle mit Gesamtschäden von rund sechs Millionen Australischen<br />

Dollar (knapp fünf Millionen Euro) gingen auf das Konto der <strong>Allianz</strong>.<br />

Da war Zyklon Oswald im Januar dieses Jahres schon von anderem Kaliber. Der Tropensturm brachte soviel Niederschläge<br />

mit sich, dass Bäche in Queensland und New South Wales zu reißenden Flüssen anschwollen, die Dämme<br />

durchbrachen und zahlreiche Ortschaften unter Wasser setzten. Allein die versicherten Schäden summierten sich auf<br />

fast 850 Millionen Australische Dollar, etwa 675 Millionen Euro. 68 Millionen Dollar (54 Millionen Euro) davon schlugen<br />

bei der <strong>Allianz</strong> zu Buche.<br />

Von allen Naturereignissen in Australien haben Überschwemmungen das größte Schadenpotenzial, vor Hagelschlägen<br />

und Tropenstürmen. In der letzten Dekade verursachten sie nach Angaben des Australischen Versicherungsverbandes<br />

allein 4,5 Milliarden Dollar an versicherten Schäden. Nachdem Anfang 2011 eine Jahrhundertflut weite Teile Queenslands<br />

überschwemmt hatte – versicherte Schäden damals: 2,4 Milliarden Australische Dollar –, stellten etliche Versicherer,<br />

darunter die <strong>Allianz</strong>, das Neugeschäft für Flutschadenversicherungen in einigen der schlimmsten Sturmzonen<br />

zeitweise ein.<br />

Notbremse gezogen<br />

Letztes Jahr zog auch Queenslands größter Anbieter Suncorp die Notbremse und kündigte an, in den Ortschaften<br />

Emerald und Roma, die regelmäßig unter Wasser stehen, keine neuen Gebäudeversicherungen mehr abzuschließen.<br />

Die Prämien für bestehende Verträge wurden auf einen Schlag bis um das Zehnfache erhöht. Innerhalb von zwei<br />

Jahren hatte das Unternehmen in den beiden Kleinstädten 150 Millionen Dollar an Flutschäden gezahlt – bei<br />

Prämieneinnahmen von vier Millionen Dollar. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 38<br />

AUSTRALIEN<br />

Ibrahim<br />

Die jahrelangen Appelle der Versicherungsindustrie,<br />

der Staat müsse<br />

mehr Mittel für Deiche und Dämme<br />

bereitstellen, um den Besitz der<br />

Bürger zu schützen, waren bis dahin<br />

nahezu ungehört verhallt. Doch<br />

nach den schweren Flutschäden<br />

vom Januar dieses Jahres reagierte<br />

auch die Regierung in Canberra: In<br />

den kommenden zwei Jahren sollen<br />

100 Millionen Dollar in Projekte zur<br />

In Sydney wurde im Januar mit 48,5 Grad ein neuer Hitzerekord gemessen. Die Behörden sprachen von<br />

der größten Hitzewelle seit über zehn Jahren<br />

Flutprävention investiert werden – eine Maßnahme, von der der Chef des Australischen Versicherungsverbandes,<br />

Rob Whelan, sagt, dass sie einen spürbaren Einfluss auf die Höhe der Versicherungsbeiträge haben wird.<br />

Das bleibt abzuwarten. Der Hang der Australier, sich bevorzugt in Risikogebieten anzusiedeln, steht dem jedenfalls<br />

entgegen. 90 Prozent der Bevölkerung leben entlang der Küsten. Besonders beliebt – die von New South Wales<br />

und Queensland. »Trotz der bekannten Gefahren ziehen immer mehr Leute die Ostküste hoch, an der sich regelmäßig<br />

Zyklone austoben«, sagt Jenny Lambert. Wenn der Tropensturm einem das Dach wegbläst, nützt ein Deich<br />

natürlich wenig.<br />

Mit staatlichem Segen<br />

Die Gemeindeverwaltungen in den betreffenden Gebieten waren bei der Gefahrenabwehr bislang auch nicht<br />

sonderlich hilfreich, berichtet Bob Gelling, Schadenmanager der <strong>Allianz</strong> Australia in Brisbane. »Da werden Siedlungen<br />

an Flüssen gebaut oder in Senken. Klar, dass beim nächsten Jahrhundertunwetter alles unter Wasser steht.« Und auch<br />

viele der typischen Queensland-Häuser, die eben wegen der Überschwemmungsgefahr erhöht auf Pfeilern stehen<br />

sollten, sind inzwischen bis runter auf den Boden ausgebaut. Mit behördlicher Genehmigung.<br />

Aber wie die Buschfeuer vom Anfang des Jahres zeigten, ist auch das Inland nicht vor Risiken gefeit. Vor allem dann<br />

nicht, wenn auf eine Feuchtperiode mit starkem Pflanzenwuchs eine extreme Hitzephase folgt. »Da sammelt sich<br />

dann jede Menge Unterholz und Gestrüpp an«, sagt Bob Gelling. Und auch das einst aus Afrika als Futterpflanze<br />

importierte Savannengras, das bis zu vier Meter hoch werden kann und sich rasant ausbreitet, wirkt im Outback wie<br />

ein Brandbeschleuniger. Zumindest für diese Plage hat David Bowman, Professor an der University of Tasmania, nun<br />

eine Lösung erdacht: Elefanten. Die könnten das Gras, das ihnen von Afrika her bekannt ist, einfach auffressen und<br />

damit die Brandgefahr reduzieren.<br />

Mit der Einführung fremder Tier- und Pflanzenarten hat Australien allerdings so seine Erfahrungen. Im 19. Jahrhundert<br />

etwa hatten die Engländer Kamele ans andere Ende der Welt verschifft, die als Lasttiere bei der Erkundung des fünften<br />

Kontinents dienen sollten. Nachdem im 20. Jahrhundert Eisenbahn und Lastkraftwagen die Transporte übernahmen,<br />

ließ man die Tiere frei. Mittlerweile werden die inzwischen rund eine Million wilden Kamele als Bedrohung der Tierwelt<br />

und der Landschaften Australiens angesehen. Vielleicht doch keine so gute Idee, das mit den Elefanten.<br />

WWW.ALLIANZ.COM.AU


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 39<br />

ASIEN<br />

»Extrem harter Wettbewerb«<br />

Es gab Zeiten, da bekamen westliche Manager beim Thema China leuchtende Augen. Nicht alle<br />

Blütenträume haben sich erfüllt, doch gilt China vielen weiterhin als Markt der Zukunft. Wir sprachen<br />

mit Uwe Michel, Chef des Unternehmensbereichs Asien (Insurance Growth Markets Asia) über die<br />

Strategie der <strong>Allianz</strong> im Reich der Mitte.<br />

INTERVIEW: FRANK STERN<br />

Herr Michel, unter Ihrer Leitung ist vor kurzem die Initiative »One <strong>Allianz</strong> in China« angelaufen.<br />

Was ist der Hintergrund?<br />

Wir möchten uns in der chinesischen Öffentlichkeit stärker als Unternehmen präsentieren, das sämtliche Facetten<br />

an Finanzdienstleistungen aus einer Hand bieten kann. Wir verfügen in China über zehn Einheiten, von Euler Hermes<br />

über <strong>Allianz</strong> Global Assistance bis zu Pimco. Keiner der ausländischen Wettbewerber hat eine so breite Produktpalette<br />

zu bieten. Das muss in der Außendarstellung deutlicher werden. Bislang haben die Einheiten weitgehend ohne Bezug<br />

zueinander operiert. Sinn unserer Initiative ist es, mehr profitables Geschäft zu erwirtschaften, und der Schlüssel dazu<br />

ist verstärkte Kooperation und abgestimmtes Handeln bei der Kundenansprache. Wir wollen, dass die <strong>Allianz</strong> in China<br />

zum Synonym für finanzielle Solidität wird. So wie Mercedes für Solidität beim Autobau steht.<br />

Westliche Unternehmen klagen über den schwierigen Marktzugang. Mit welchen Hürden hat die <strong>Allianz</strong><br />

in China zu kämpfen?<br />

Zum einen ist das sicher der extrem harte Wettbewerb. Die früheren Staatsversicherer sind weiterhin die marktbeherrschenden<br />

Kräfte. Zum anderen gibt es regulatorische Beschränkungen. Der Anteil ausländischer Anbieter<br />

am Lebensversicherungsmarkt beträgt 4,8 Prozent, im Sachgeschäft sind es gerade mal 1,2 Prozent. Die Aufsichtsbehörden<br />

lassen ausländische Versicherer nicht an die wirklich interessanten Fleischtöpfe. Die Kommunistische Partei<br />

hat jetzt allerdings eine deutliche Liberalisierung versprochen.<br />

Stern<br />

Das hat sie schon öfter.<br />

Ich will nicht naiv dran glauben, aber ausschließen würde ich es auch nicht. Die chinesischen Versicherer<br />

sind inzwischen so stark, dass sie sich auch ohne die schützende Hand des Staates die Butter nicht vom Brot<br />

nehmen lassen. In einem Schwellenland wie China benötigt man einen gesunden Schuss Optimismus,<br />

sonst braucht man gar nicht anzutreten. Und man braucht einen langen Atem. Die Zeithorizonte in<br />

China sind andere, als wir sie vielleicht gewohnt sind.<br />

Nimmt mit »One <strong>Allianz</strong> in China« nun wieder München die Zügel<br />

in die Hand?<br />

Eindeutig nein. »One <strong>Allianz</strong> in China« ist eine Initiative<br />

der zehn <strong>Allianz</strong> Einheiten vor Ort. Wir sehen unsere<br />

Aufgabe darin, sie näher zusammenzuführen.<br />

Sie sollen im Markt als eine <strong>Allianz</strong> zu<br />

erkennen sein. Doch die Zügel liegen bei<br />

den lokalen Gruppengesellschaften.<br />

Sie kennen den Markt, sie kennen ihre<br />

Kunden und deren Bedürfnisse. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 40<br />

ASIEN<br />

Roth<br />

Was wir bieten, ist Hilfestellung. China tickt top-down, von<br />

oben nach unten, deshalb müssen unsere Vorstände und<br />

Experten dort mehr präsent sein. Wir wollen in Zukunft<br />

deutlicher machen, was wir den Chinesen zu bieten haben<br />

und uns stärker als Wissensgeber ins Gespräch bringen.<br />

Wie sieht das konkret aus?<br />

Uwe Michel<br />

Wir werden unsere Experten zu Vorträgen ins Land<br />

schicken, mit Entscheidungsträgern zusammentreffen, die<br />

Medien einbeziehen. Vor kurzem zum Beispiel war <strong>Allianz</strong> Chefökonom Michael Heise in China, um über die Zukunft<br />

des Euro und der Europäischen Gemeinschaft zu referieren. Das ist in der Presse auf große Resonanz gestoßen. Wir<br />

wollen kein zusätzliches Geld für Marketing ausgeben, das würde in diesem riesigen Land mit seinen zahlreichen<br />

Millionenstädten verpuffen, aber wir wollen unser Know-how besser ins Spiel bringen, zum Beispiel in Sachen<br />

Demographie oder in Sachen Infrastrukturprojekte.<br />

Wer ist die Zielgruppe in China?<br />

Vor allem wenden wir uns an die wachsende Mittelschicht in den Städten, das sind mittlerweile über 300 Millionen<br />

Menschen. Die sind zunehmend daran interessiert, ihren Wohlstand abzusichern. Das eröffnet Chancen in allen<br />

Bereichen, vor allem aber in der Lebens- und Krankenversicherung. Zusammen mit unserem Partner CPIC haben wir<br />

gerade eine Krankenversicherung gegründet. Aber auch für <strong>Allianz</strong> Global Corporate & Specialty (AGCS) ergeben sich<br />

neue Möglichkeiten. China will die grüne Technik ausbauen – angesichts der enormen Umweltprobleme nur zu verständlich.<br />

Und auf diesem Gebiet ist Deutschland führend. Da werden wir sicher unsere deutschen Versicherungskunden<br />

begleiten können. Aber wir richten uns mit unseren Angeboten auch an chinesische Unternehmen.<br />

China ist ein gigantischer Markt. Wird ein ausländischer Anbieter wie die <strong>Allianz</strong> dort überhaupt<br />

wahrgenommen?<br />

Es gibt Nischen, in denen wir stark sind und wo die Chinesen etwas von uns lernen können. Die Krankenversicherung<br />

ist ein typisches Beispiel. Da fehlt den Chinesen die Erfahrung. Die private Krankenversicherung macht bisher nur<br />

einen Bruchteil der Ausgaben im Gesundheitswesen aus. Wir können im Produktbereich, im Risikomanagement<br />

oder der IT etwas beisteuern, die CPIC, mit der wir jetzt das Gemeinschaftsunternehmen gegründet haben, bringt ihr<br />

Vertriebsnetz und ihre Kontakte zu staatlichen Stellen ein. Ich bin optimistisch, dass wir uns von dem riesigen Kuchen<br />

in China ein Stück sichern können. Wir müssen natürlich aufpassen, dass die Gewinne dieses Wissenstransfers auch<br />

allen Seiten zugute kommen.<br />

Die <strong>Allianz</strong> wird in dem Joint Venture Minderheitspartner. Ein Paradigmenwechsel?<br />

Das ist für die <strong>Allianz</strong> schon ein Schritt, bei einem Joint Venture wie der jetzt gegründeten Krankenversicherung in<br />

eine Minderheit zu gehen. Aber wir haben gesehen, dass wir nicht zum Zuge kommen, wenn wir allein auftreten.<br />

Für uns sind bei diesem Experiment drei Fragen entscheidend: Wo ist der Mehrwert für die <strong>Allianz</strong>? Wie groß ist das<br />

Risiko, wenn wir in die Minderheit gehen? Und gelingt es uns, mögliche Gewinne aus China herauszubekommen?<br />

Andere Unternehmen haben sich entschieden, ihr Engagement in China zurückzufahren oder ganz<br />

auszusteigen. Keine Option für die <strong>Allianz</strong>?<br />

Das ist immer eine Option. Natürlich müssen wir aufpassen, dass wir nicht unter die Räder geraten. Die Frage ist, ob<br />

wir mit dem Geld, das uns unsere Anleger zur Verfügung stellen, in China etwas Vernünftiges auf die Beine stellen<br />

können. Ich bin sicher, dass wir dazu in der Lage sind, und »One <strong>Allianz</strong> in China« ist ein wichtiger Baustein. Kunden >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 41<br />

ASIEN<br />

schließen natürlich keine Versicherung ab, nur weil wir jetzt diese Initiative gestartet haben. Sie schließen ab, weil<br />

Global Automotive ein gutes Angebot hat. Oder weil AGCS eine gute Deckung bietet. »One <strong>Allianz</strong> in China« soll den<br />

Austausch der Tochtergesellschaften untereinander fördern. Sie sollen darüber reden, wer welchen Kunden an der<br />

Hand hat, und wie man ihn gemeinsam noch besser betreuen kann. Inzwischen gehen die Kundenmanager der<br />

verschiedenen <strong>Allianz</strong> Einheiten bereits zusammen zu Großkunden und offerieren ihre Angebote.<br />

Und wie kommt das an?<br />

Die Resonanz ist äußerst positiv. <strong>Allianz</strong> China, Global Automotive und <strong>Allianz</strong> Global Assistance haben gemeinsam<br />

bereits erste Verträge abgeschlossen, gerade vor kurzem mit einem internationalen Telematics-Unternehmen. Da<br />

geht es immerhin um zehn Millionen Euro an Beitragseinnahmen. Und es stehen noch etliche andere Unternehmen<br />

auf unserer Liste.<br />

Fährt Ihnen als europäischem Anbieter da nicht gerade die Finanzkrise in die Parade?<br />

Europa wird nicht mehr als Hort der Sicherheit wahrgenommen, und natürlich kommt in jedem Gespräch die Frage,<br />

was der Euro gerade macht. Die <strong>Allianz</strong> aber gilt in China weiter als stabiles Unternehmen, da hilft uns unser gutes<br />

Rating natürlich sehr. Und genau diese Stärke wollen wir in unserem öffentlichen Auftritt herausstellen. Das wird auch<br />

unsere Anziehungskraft als Arbeitgeber steigern. Die Loyalität der Mitarbeiter ist für uns in China ein Dauerthema.<br />

Laufen Ihnen die Leute weg?<br />

Die Fluktuation ist sehr hoch. Es ist schwierig, in China gute Mitarbeiter zu bekommen, und noch schwieriger, sie zu<br />

halten. Wir bilden sie aus, und dann werden sie von Wettbewerbern abgeworben. Im April haben wir in München<br />

die erste interne Jobmesse für China veranstaltet. Gut 40 chinesischsprachige Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen<br />

nahmen teil, die sich vorstellen können, nach China zu gehen.<br />

Das lässt hoffen. Wir müssen deutlich machen, dass die <strong>Allianz</strong> ein Top-Unternehmen ist, das zu den Fortune 100<br />

gehört und das dank seiner breiten Aufstellung spannende Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten bietet. Dann<br />

kriegen wir auch die Fluktuation in den Griff. Unser Ziel ist es, im Markt als Einheit wahrgenommen zu werden, die<br />

vielerlei Facetten bedient. Genau darauf zielt auch die Initiative »One <strong>Allianz</strong> in China« ab. Ich bin sicher, dass wir uns<br />

China annähern und erfolgreich sein können.<br />

Wie weit soll die Annäherung<br />

gehen?<br />

Es geht nicht ums Anbiedern,<br />

es geht darum, den Markt zu<br />

verstehen, damit wir unser Wissen<br />

richtig einbringen können. Die<br />

Chinesen wollen schließlich<br />

mit uns arbeiten, gerade weil<br />

wir Deutsche sind, weil wir<br />

Europäer sind. Wir haben in<br />

den letzten Jahren in China eine<br />

gute Basis geschaffen, auch was<br />

Geschäftslizenzen angeht. Doch<br />

jetzt ist es langsam an der Zeit, die<br />

Ernte einzufahren.<br />

Die <strong>Allianz</strong> in China<br />

Sichuan<br />

Chongqing<br />

Liaoning<br />

Peking<br />

Shandong<br />

Jiangsu<br />

Shanghai<br />

Zhejiang<br />

Guangdong<br />

Hongkong


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 42<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

Latouri, EAC-l’Boulvart<br />

Vor zehn Jahren war Heavy Metal in Marokko noch als Teufelszeug geächtet. Eine Gruppe von Hardrockern<br />

wanderte sogar ins Gefängnis. Heute gehören sie zur Avantgarde der Kulturszene des Landes.<br />

Auch Dank des Webradios »Boulevard«. Die <strong>Allianz</strong> Kulturstiftung unterstützt das Projekt.<br />

MICHAEL GRIMM<br />

Boulevard der Freiheit<br />

Musik drückt aus, wofür wir manchmal keine Worte finden. Musik beschreibt ein Lebensgefühl, sie ist ein Stück eigene<br />

Identität. Wie mächtig Musik tatsächlich sein kann, hat 2003 eine Gruppe von Heavy Metal-Musikern in Casablanca<br />

erfahren. 14 junge Männer wurden unter dem Vorwurf, die Religion anzugreifen, vor Gericht gestellt. Der Vorwurf des<br />

Satanismus schwebte im Raum. Schließlich wurden die Musiker zu Haftstrafen zwischen einem Monat und einem Jahr<br />

verurteilt. Zehn Jahre später, im Frühjahr 2013, bereitet eines der damals verurteilten Bandmitglieder eine Rock- und<br />

Metal-Sendung für das Webradio »Boulevard« in Casablanca vor.<br />

Das neu geschaffene Sprachrohr für Musiker, <strong>Journal</strong>isten und Audiokünstler ist ein Projekt des Kreativnetzwerks EAC-<br />

L’Boulvart (Education artistique et culturelle L’Boulvart). Seit 1999 hat sich die gemeinnützige Organisation zur Plattform<br />

für Freigeister aus den Bereichen Musik, Kulturjournalismus, Film, Design, Mode und Streetart entwickelt. Das jährlich<br />

von dem Netzwerk organisierte Musikfestival L’Boulevard ist mittlerweile die bedeutendste Musik- und Jugendkulturveranstaltung<br />

in Nordafrika. Das Webradio soll Künstlern und <strong>Journal</strong>isten nun dauerhaft eine Plattform geben.<br />

»Mit dem Internetradio hoffen wir, unsere infrastrukturellen Probleme lösen zu können«, sagt Chadwane Bensalmai.<br />

Die 36-jährige <strong>Journal</strong>istin bildet zusammen mit ihren Kollegen Hicham Bahou und Mohamed Mehari das Rückgrat von<br />

EAC-L’Boulvart. Seit 2009 hat das Netzwerk eine eigene multifunktionale Basis. Sie befindet sich etwas außerhalb der<br />

Innenstadt von Casablanca in einem Gewerbegebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zu einigen Technologiefirmen.<br />

Daher auch der Name »Le Boultek«.<br />

Das Kulturzentrum Le Boultek vereint alles, was das Radiojournalisten- und Musikerherz höher schlagen lässt: Aufnahmestudios,<br />

Konferenz- und Proberäume und auch einen Konzertsaal, in dem 200 Besucher Platz finden. Ein Luxus:<br />

An Räumen für Proben und Konzerte mangelt es in Marokko noch an allen Ecken und Enden. »Die Kulturszene >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 43<br />

Gesellschaft<br />

S P A N I E N<br />

hat einen schweren Stand«, bestätigt Nadine Müseler<br />

vom Goethe-Institut in Marokko. Die Kunsthistorikerin aus<br />

Köln arbeitet seit fünf Jahren für das Goethe-Institut in<br />

Rabat. Zusammen mit den Kollegen vom Institut français<br />

bewarb sich die deutsche Einrichtung 2009 beim »Deutsch-<br />

Französischen Fonds für Kulturpro-gramme in Drittländern«<br />

um eine Basis finanzierung für das Webradio Boulevard.<br />

Der Arabische Frühling in Teilen des Maghreb bereitete<br />

schließlich den Weg. Mit dem Geld wurde eine erste<br />

Fortbildungsreihe zusammen mit europäischen Webradios<br />

ermöglicht. Auch eine technische Grundausstattung folgte.<br />

Tanger<br />

Rabat<br />

Casablanca<br />

M A R O K K O<br />

A L G E R I E N<br />

2013 hat das Projekt »Webradio: Kultur über alle Grenzen hinweg« einen weiteren Unterstützer gewonnen – die<br />

<strong>Allianz</strong> Kulturstiftung. Überzeugt hat ihren Leiter, Michael Thoss, »die Kombination aus transmediterraner Vernetzung<br />

der europäischen und nordafrikanischen Webradios – ein Medium, das an Bedeutung gewinnen wird.« Als Ziel des<br />

Engagements unterstreicht Thoss die wechselseitige Wirkung des Projekts. Mit der Zusammenarbeit hofft er, nicht<br />

nur die Zivilgesellschaft des Landes zu stärken, sondern auch neue Kooperationen anzustoßen.<br />

Christine Auerbach hat davon bereits profitiert. Die <strong>Journal</strong>istin von on3-radio, der digitalen Jugendradiowelle des<br />

Bayerischen Rundfunks, hat Anfang März in Casablanca an einem ersten Treffen von Webradiomachern aus Marokko,<br />

Deutschland und Frankreich teilgenommen. Besonders beeindruckt haben Auerbach der Elan und der Enthusiasmus,<br />

mit dem die Gastgeber das neue Medium auf die Beine stellen. »Die machen einfach. Man spürt wie es brodelt«,<br />

berichtet sie nach der Reise. Zugegangen sei es wie im Taubenschlag. Mittendrin die vor Energie nur so sprühende<br />

Chadwane Bensalmai. »Das war ein großes Gemeinschaftsgefühl«, erinnert sich Auerbach.<br />

Die Zeiten der Hatz auf Heavy Metal-Kutten scheinen endgültig vorbei. Was einst als Sakrileg galt, hat sich als<br />

Kunstform emanzipiert. Kurz nach den Fortbildungen, Workshops und Netzwerktreffen im Frühjahr 2013 waren die<br />

ersten Pilot-Beiträge zur Ausstrahlung fertig. In einer der Sendungen schwärmen die marokkanische Jazz-Legende<br />

Jauk Armal und der Nachwuchskünstler Yassine Tirassi über die Wirkung ihrer Musik. Jazz, das sei ein Gefühl der<br />

Freiheit, unvergleichlich, so Armal.<br />

Seit Mai ist Radio Boulevard auf Sendung. Selbst im Königshaus werden die neuen Töne wohlwollend aufgenommen.<br />

König Mohammed hat seine Unterstützung für das Webradio Boulevard zugesichert. Und im Herbst folgen die<br />

nächsten Treffen mit Gleichgesinnten. Dann wird sich weiter vernetzt mit Webradios aus Spanien, Italien und einem<br />

Frauenwebradio aus Kairo.<br />

Eine Langfassung des Artikels finden Sie im Internet unter: http://knowledge.allianz.com/journal<br />

www.boulevard.ma<br />

www.goethe.de/marokko<br />

https://kulturstiftung.allianz.de


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 44<br />

Soliya wurde vor zehn Jahren mit dem Ziel ins Leben<br />

gerufen, jungen Menschen aus muslimischen und<br />

westlichen Ländern interkulturelle Erfahrungen<br />

zu vermitteln. Die Nichtregierungsorganisation<br />

mit Büros in New York und Kairo setzt dabei ganz<br />

auf das Internet, um Studenten aus aller Welt in<br />

virtuellen Diskussionsrunden miteinander in Kontakt<br />

zu bringen. Inzwischen beteiligen sich bereits<br />

über 100 Universitäten, viele haben das Online-<br />

Bildungsprogramm Connect (Verbinden) in ihre<br />

Studienpläne integriert.<br />

WWW.SOLIYA.ORG<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

Asianet-Pakistan / shutterstock.com<br />

SOLIYA<br />

Todfeind am<br />

Bildschirm<br />

Anfangs sind viele der Teilnehmer vorsichtig. Bloß<br />

nichts Falsches sagen. Bloß keinem auf die Füße treten.<br />

Wenn Studenten aus westlichen Ländern bei den<br />

Online-Seminaren von Soliya das erste Mal auf<br />

Kommilitonen aus dem Nahen Osten treffen, geht<br />

es oft überaus höflich zu. Doch lange dauert die<br />

Kuschelphase nicht.<br />

FRANK STERN<br />

Das Internet ist ein gefährliches Instrument. Es kann Keile treiben zwischen Menschen und Völker, es kann Vorurteile<br />

verstärken und zum Vehikel für Desinformation und Hass werden. Es kann aber auch verbinden, es kann aufklären und<br />

Vertrauen schaffen. Das Internet ist die Krankheit und das Gegenmittel – je nachdem, wer darüber verfügt.<br />

Als Lucas Welch vor zehn Jahren Soliya ins Leben rief, eine Organisation, die durch interkulturelle Erfahrungen Gräben<br />

überbrücken will, lag der Terroranschlag von New York gerade zwei Jahre zurück. Während sich die Welt im Kampf der<br />

Kulturen erschöpfte, entwickelte der Amerikaner, zuvor Produzent beim Fernsehsender ABC und Mediendozent >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 45<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

an der Bir Zeit-Universität in Ramallah,<br />

ein Konzept für Verständigung und<br />

Ausgleich. Nicht von ungefähr ist der<br />

Name Soliya eine Zusammensetzung aus<br />

dem lateinischen sol (Sonne) und dem<br />

arabischen Wort für Licht.<br />

»In den USA besteht ein extremes Unbehagen<br />

gegenüber dem Islam, aber connect hat mich<br />

gelehrt, auf den einzelnen Menschen zu<br />

schauen und zu erfahren, was er denkt, statt<br />

alle über einen Kamm zu scheren.«<br />

Amerikanische Studentin<br />

Soliya nutzt das Internet, um Studenten<br />

aus verschiedenen Ländern per Videokonferenz<br />

zusammenzubringen. Inzwischen läuft das zehnwöchige Programm Connect (Verbinden) bereits an<br />

über 100 Universitäten in 27 Ländern – von Ägypten bis Indonesien, von den USA bis zur Schweiz. Deutschland ist<br />

mit der Uni Frankfurt, der Freien Universität Berlin und der TU München dabei. Einige Institutionen haben Connect<br />

sogar in ihr reguläres Studien programm aufgenommen. Seit letztem Jahr wird Soliya auch von der <strong>Allianz</strong> Stiftung<br />

für Nordamerika unterstützt. »Es geht um Verständigung, um die Überwindung von Vorurteilen, um Respekt füreinander«,<br />

sagt Stiftungsleiter Christopher Worthley. »Diese Ziele passen gut mit unserer Mission zusammen, junge<br />

Menschen zu befähigen, eine sichere Zukunft zu gestalten.«<br />

Das Internet als Brücke zwischen Menschen und Kulturen, die sich fremder kaum sein könnten. Osama Madani,<br />

Englischprofessor an der Menoufia Universität in Shibin El Kom, 75 Kilometer von Kairo entfernt, hat erlebt, wie<br />

seine Studenten zunächst in Abwehrstellung gingen, als sie am Bildschirm jüdischen Kommilitonen aus den USA<br />

gegenübersaßen. Dem Todfeind quasi. Und wie sich dann Diskussionen entwickelten, die bei allen Unterschieden doch<br />

auch Gemeinsamkeiten oder zumindest Verständnis für die Haltung des anderen erkennen ließen. Auf beiden Seiten.<br />

»Am Ende des Semesters hatte sich die Einstellung vieler meiner Studenten komplett ver ändert«, beschreibt Madani<br />

die Wirkung der Gesprächsrunden. Mittlerweile wird die Liste mit Studenten, die an dem Programm teilnehmen<br />

wollen, immer länger.<br />

Um anfängliche Berührungsängste zu überwinden oder auch allzu hitzige Debatten zu dämpfen, werden die Online-<br />

Runden von Moderatoren begleitet. »Manchmal haben sie es ziemlich schwer, eine Diskussion über haupt in Gang<br />

zu bringen, weil die Teilnehmer allzu höflich miteinander umgehen«, erzählt Soliya-Geschäftsführer Shamil Idriss.<br />

Dabei gibt es genügend Themen, an denen sich problemlos ein Disput zwischen West und Nahost entzünden lässt.<br />

Und im Laufe des Semesters bleibt davon auch keines ausgespart – weder der islamistische Terror, noch das Thema<br />

Islamophobie, weder das Verhältnis zwischen Religion und Staat, noch die Rolle der Frau in der Gesellschaft oder das<br />

Thema Homosexualität.<br />

»Ich habe immer geglaubt, dass sich<br />

der Westen nicht um andere schert,<br />

vor allem nicht um die Menschen im<br />

Nahen Osten.« Ägyptischer Student<br />

Wie unterschiedlich die Weltsicht ausfallen kann,<br />

zeigt sich regelmäßig, wenn die Teilnehmer anhand<br />

von unbearbeitetem Rohmaterial von Associated<br />

Press und vom arabischen TV-Sender Al Jazeera<br />

einen möglichst ausgewogenen Nachrichtenbeitrag<br />

zusammenschneiden sollen. Ging es in den Online-<br />

Diskussionen bis dahin vielleicht noch eher zögerlich<br />

zu, spätestens wenn sie die Zwei-Minuten-Clips ihrer<br />

Kommilitonen über den Nahost-Konflikt sehen mit<br />

der jeweils unterschiedlichen Sichtweise, ist es mit der<br />

Scheu vorbei. >


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 46<br />

GESELL-<br />

SCHAFT<br />

In den Soliya-Seminaren kommen<br />

Menschen miteinander in Kontakt, die<br />

sich normalerweise tunlichst aus dem<br />

Wege gehen. Die Bandbreite reicht von<br />

der Atheistin aus Amsterdam über den<br />

bibeltreuen Christen aus Kentucky bis<br />

hin zum Muslimbruder aus Kairo. Und<br />

vielleicht ist das die größte Leistung,<br />

die Soliya zuwege bringt: Sie reden<br />

miteinander über Gott und die Welt,<br />

sie diskutieren, sie streiten – aber sie<br />

schlagen sich nicht die Schädel ein.<br />

In Zeiten, da Fundamentalisten auf<br />

beiden Seiten Feindseligkeit und Hass<br />

schüren und das Internet als Verstärker<br />

nutzen, setzt Soliya die Technologie<br />

dazu ein, junge Menschen dagegen<br />

zu immunisieren. Ausgestattet<br />

mit interkultureller Erfahrung, mit der Fähigkeit, andere Meinungen zu respektieren und die eigenen<br />

Auffassungen zu hinterfragen, sollen sie in die Lage versetzt werden, die Spaltung der Welt zu überwinden. Der Weg<br />

dahin führt nach Überzeugung von Shamil Idriss über die Schule und die Universitäten.<br />

Wenn der Austausch über weltanschauliche und kulturelle Gräben hinweg als fester Bestandteil universitärer<br />

Bildung verankert wäre, wenn eine möglichst große Zahl junger Menschen in westlichen und muslimischen Ländern<br />

derart geschult heranwachsen würde, eine kritische Masse, die ihre Differenzen als Aufgabe ansieht und nicht als<br />

Kriegsgrund, dann, so Idriss, könnte ein Pastor mit der Verbrennung eines Korans in Zukunft kaum mehr Aufruhr<br />

stiften, und verblendete junge Männer würden keine Flugzeuge in Gebäude lenken. »Könnten wir schon heute mit<br />

einer Million Studenten pro Jahr arbeiten«, setzt er hinzu, »dann würden sie bereits jetzt die Welt verändern.«<br />

»Anfangs wollte ich nicht ins Connect-<br />

Programm. Mein Professor hat mich<br />

dazu gedrängt. Und ehrlich, im<br />

Nachhinein bin ich froh darüber.«<br />

Palästinensischer Student


<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 2/2013 | Seite 47<br />

Leser-Forum<br />

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Redaktionsschluss für das<br />

<strong>Allianz</strong> <strong>Journal</strong> 3/2013 ist der<br />

30. August 2013.

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