ZUKUNFT GEIST

Berufsperspektiven für Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften Berufsperspektiven für Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften

09.03.2015 Aufrufe

ZUKUNFT 2015 | No. 1 GEIST Berufsperspektiven für Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften STUDIUM – UND NUN? EHEMALIGE STUDIERENDE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT BERICHTEN ÜBER IHREN BERUFLICHEN WERDEGANG VON WEGEN PERSPEKTIVLOS! DER CAREERSERVICE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN UNTERSTÜTZT BEI FRAGEN RUND UM DEN BERUFSEINSTIEG

<strong>ZUKUNFT</strong><br />

2015 | No. 1<br />

<strong>GEIST</strong><br />

Berufsperspektiven für Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften<br />

STUDIUM –<br />

UND NUN?<br />

EHEMALIGE STUDIERENDE DER PHILOSOPHISCHEN<br />

FAKULTÄT BERICHTEN ÜBER IHREN BERUFLICHEN<br />

WERDEGANG<br />

VON WEGEN<br />

PERSPEKTIVLOS!<br />

DER CAREERSERVICE DER PHILOSOPHISCHEN<br />

FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN<br />

UNTERSTÜTZT BEI FRAGEN RUND UM DEN<br />

BERUFSEINSTIEG


Grußwort<br />

Inhalt<br />

MEHR ALS BROTLOSE KUNST!<br />

Warum wir Geisteswissenschaften brauchen<br />

4<br />

3<br />

DOSSIER: STUDIUM - UND NUN?<br />

Acht ehemalige Studierende der Philosophischen Fakultät der<br />

Universität zu Köln berichten über Studienwahl,<br />

Berufseinstieg und ihren Werdegang<br />

6<br />

Aus eigener Erfahrung wissen wir: die Suche<br />

nach dem richtigen Studium ist nicht immer<br />

einfach. Die Möglichkeiten sind vielfältig<br />

und ebenso die Ratschläge, die von<br />

vielen Seiten auf Studienanfänger*innen<br />

einströmen. Da bedarf es eines klaren<br />

Kopfes, die eigenen Wünsche und Leidenschaften im Fokus<br />

zu behalten und den geeigneten Weg für sich zu finden.<br />

Andrea Büscher – Mit Mut und Einsatz zum Ziel<br />

Matthias Hornschuh – Den kritischen Diskurs anregen<br />

Monika Holthoff-Stenger – Die Gelegenheit beim Schopf packen<br />

Philipp Schreiber - Orientierung 2.0<br />

Nadine Black – Mut, Begeisterung & Persönlichkeit<br />

Dr. Simone Vogt – „Vor Neuem hat man keine Angst“<br />

8<br />

12<br />

16<br />

20<br />

24<br />

28<br />

Die Geisteswissenschaften sind ein facettenreiches Feld,<br />

das von Sprachen, Musik und Medienwissenschaften, über<br />

Geschichte und Philosophie bis zur Linguistik reicht – um<br />

nur einige Beispiele zu nennen. Viele Absolventinnen und<br />

Absolventen unserer Fakultät findet man später beispielsweise<br />

in Verlagen, Theatern, Museen und Galerien oder natürlich<br />

als Lehrer im Schuldienst oder in der Forschung. All dies sind<br />

klassische Tätigkeitsfelder von Geisteswissenschaftler*innen.<br />

Aber entgegen häufiger Vermutungen findet man sie auch<br />

in großen und kleinen Unternehmen der freien Wirtschaft,<br />

selbstständig oder angestellt. Hier bestreiten sie erfolgreich Jobs<br />

in Bereichen wie Personal, Public Relation, Kreativwirtschaft,<br />

Customer Service, Beratung uvm. Ihr geschultes, analytisches<br />

und kritisches Denken und ihre offene Herangehensweise<br />

an neue Themen wird in vielen Tätigkeitsfeldern zunehmend<br />

geschätzt.<br />

Prof. Dr. Stefan Grohé<br />

(Dekan)<br />

Julia Beerhold – kreativ statt konform<br />

Jan Erik Bolz – IT & Literatur<br />

VON WEGEN PERSPEKTIVLOS!<br />

Der CareerService der Philosophischen Fakultät der Universität zu<br />

Köln unterstützt bei Fragen rund um den Berufseinstieg<br />

TIPPS & TERMINE<br />

32<br />

36<br />

40<br />

42<br />

Wir haben uns daher auf die Suche nach einigen ehemaligen<br />

Studierenden unserer Fakultät gemacht und sie nach<br />

ihren Werdegängen gefragt. Das Resultat sind nun acht<br />

interessante und ganz verschiedene Erfolgsgeschichten, die<br />

Sie in dieser ersten Ausgabe unseres Magazins Zukunft Geist<br />

lesen können. Wir möchten Ihnen Mut machen, sich bei<br />

Ihrer Studienwahl auf Ihre Interessen zu verlassen und diese<br />

engagiert zu verfolgen, denn bekanntlich ist man dann am<br />

besten, wenn man etwas gern und aus Überzeugung tut.<br />

Überzeugen Sie sich also selbst von den vielseitigen<br />

Möglichkeiten, die Ihnen ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium eröffnet!<br />

Prof. Dr. Anja Bettenworth<br />

(Studiendekanin)<br />

IMPRESSUM<br />

43<br />

Wir bedanken uns bei KölnAlumni - Freunde und Förderer der Universität zu Köln e.V. für<br />

die finanzielle Förderung sowie für die Unterstützung bei der Alumni-Suche.


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

Mehr als brotlose Kunst<br />

4<br />

MEHR ALS<br />

BROTLOSE KUNST!<br />

WARUM WIR <strong>GEIST</strong>ESWISSENSCHAFTEN BRAUCHEN<br />

W<br />

Wenn die Schule fen. Bei einem Medizin- oder Jurastudium im Kontext von Gesellschaft, Bildung und<br />

geschafft ist, steht ist direkt klar, wohin der Weg nach dem Politik leisten, ist festzustellen, dass Geisteswissenschaften<br />

ein wesentlicher und<br />

die große Frage Abschluss geht. Bei Germanist*innen,<br />

an, wo es beruflich Anglist*innen, Historiker*innen etc. heißt unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur<br />

sind. Sie sorgen für kritische Reflexion<br />

hingehen soll: Studium<br />

es dagegen, dass sie keine berufliche<br />

oder Ausbildung, Wirtschaft oder<br />

Kreativbranche - die Möglichkeiten sind<br />

so vielseitig wie nie zuvor. Genau das<br />

macht es aber auch schwierig, das Richtige<br />

für sich selbst herauszufinden. Einige<br />

Perspektive hätten, und wenn sie Arbeit<br />

bekämen, dann würden sie nicht gut bezahlt,<br />

bekämen nur kurzzeitige Verträge<br />

und müssten sich von Auftrag zu Auftrag<br />

hangeln. Dass die Möglichkeiten als Geisteswissenschaftler*in<br />

und Diskussion, betrachten Themen aus<br />

neuen Perspektiven, stellen und erörtern<br />

interkulturelle Fragen, eröffnen Horizonte<br />

und regen deren (Weiter-)Entwicklung an.<br />

Beispielweise beschäftigen sich Geis-<br />

Schüler*innen wissen schon sehr früh,<br />

weniger konkret, teswissenschaftler*innen mit aktuel-<br />

was ihr Traumberuf ist, doch sind das wenn auch vielfältiger sind, verunsichert len gesellschaftlichen Phänomenen,<br />

die wenigsten. Für die meisten beginnt viele Menschen zunächst und lässt diesen wie interkulturellen Differenzen oder<br />

erst nach Schulabschluss eine Phase der Weg als kompliziert und unsicher erscheinen.<br />

ethisch-moralischen Problemstellungen.<br />

Orientierung und der Suche nach dem eigenen<br />

Weg: Welcher Beruf passt zu mir?<br />

Wie und wo möchte ich arbeiten? Was ist<br />

mir wichtig? Diese Fragen sind sowohl für<br />

die berufliche als auch für die persönliche<br />

Entwicklung entscheidend.<br />

Viele junge Menschen finden Themen wie<br />

Kultur, Literatur oder Politik spannend<br />

und träumen davon, in Redaktionen, Verlagen,<br />

an Theatern oder in Museen zu arbeiten.<br />

Ein geisteswissenschaftliches Studium<br />

ist bei vielen dieser Berufsfelder eine<br />

kluge Entscheidung, jedoch haften den<br />

sogenannten ‚schöngeistigen‘ Fächern<br />

eine Menge Klischees an. Den Geisteswissenschaften<br />

wird häufig die nicht klar<br />

definierte Berufsperspektive vorgeworkürzten<br />

Viele Eltern, die aufgrund der ver-<br />

Schullaufbahn den immer jünger<br />

werdenden Studieninteressierten bei der<br />

Studienwahl zur Seite stehen, wünschen<br />

sich für ihre Kinder einen möglichst sicheren<br />

Job mit einem guten Gehalt. Wenn<br />

das Kind dann gerne Kunstgeschichte<br />

oder Literaturwissenschaften studieren<br />

möchte, entsteht leicht die Sorge, dass es<br />

mit einer soliden Karriere schwer werden<br />

könnte.<br />

Die Liste der Vorurteile ließe sich noch<br />

erweitern. Allerdings ist hier vieles eine<br />

Frage des Blickwinkels und an vielen Vorurteilen<br />

ist nicht zwingend etwas dran.<br />

Wenn man zum Beispiel einen Blick darauf<br />

wirft, was die Geisteswissenschaften<br />

Sie sind zudem in der Lage, durch fundierte<br />

Analysen Erkenntnisse zu gewinnen<br />

und an politischen Lösungsansätzen<br />

mitzuarbeiten.<br />

Ganz konkret vermitteln Islamwissenschaftler*innen<br />

zum Beispiel umfassende<br />

Kenntnisse und neue Perspektiven auf die<br />

Chancen und Herausforderungen einer<br />

multikulturellen Gesellschaft und können<br />

so auf die gesellschaftspolitischen Entwicklungen<br />

Einfluss nehmen. Asienwissenschaftler*innen<br />

bereichern international<br />

agierende Unternehmen sowohl mit<br />

Sprachkenntnissen als auch mit fundiertem<br />

Wissen über Kultur, Gesellschaft und<br />

Politik. Wortgewandte Germanist*innen<br />

werden ebenso in PR- und Werbeagentu-<br />

© Constanze Alpen<br />

ren, Online-Redaktionen und öffentlichen<br />

Verbänden willkommen geheißen wie<br />

auch in Zeitungs- und Buchverlagen.<br />

Das heißt, entgegen der landläufigen<br />

Annahme hört die Anwendbarkeit der<br />

Geisteswissenschaften nicht im reinen<br />

Kulturbereich auf, sondern sie halten seit<br />

geraumer Zeit Einzug in die Wirtschaft auf<br />

den verschiedensten Ebenen und damit<br />

auch in die verschiedensten Berufsfelder.<br />

Dies bestätigt auch die Bundesagentur für<br />

Arbeit in ihrem Arbeitsmarktbericht von<br />

2013: „[Es] ist zu beobachten, dass Geisteswissenschaftler<br />

in den unterschiedlichsten<br />

Wirtschaftsbereichen zunehmend<br />

geschätzt werden, verfügen sie doch in<br />

der Regel über ausgeprägte Kompetenzen<br />

im Bereich des Wissensmanagements.<br />

Auch ihre interkulturellen Kompetenzen<br />

und Fertigkeiten bei der Informationsgewinnung<br />

und -aufbereitung gehören zu<br />

den nachgefragten Fähigkeiten in einer<br />

wissensbasierten und globalen Arbeitswelt.“<br />

Personalabteilungen großer Unternehmen<br />

stellen zum Beispiel immer häufiger<br />

Geisteswissenschaftler*innen ein, da<br />

sie deren Kompetenzen schätzen.<br />

Diese Perspektive zeigt die Geisteswissenschaften<br />

als einen unverzichtbaren<br />

Teil unseres Bildungssystems und unserer<br />

Gesellschaft. Natürlich ist es für Studierende<br />

auch wichtig, die ökonomischen<br />

Anforderungen im Blick zu behalten. Tatsächlich<br />

haben Geisteswissenschaftler*innen<br />

es manchmal in unserer Gesellschaft<br />

schwerer, wenn sie sich nicht der Stärken<br />

und Vorteile der Geisteswissenschaften<br />

bewusst sind und diese auch einzusetzen<br />

wissen. Wir brauchen den geisteswissenschaftlichen<br />

Nachwuchs, der sich verantwortungsvoll<br />

in die Gesellschaft einbringt<br />

und sie mit seinem vielseitigen Wissen bereichert.<br />

Es gilt die Annahme der fehlenden<br />

geradlinigen Berufsausbildung umzukehren<br />

und als Chance zu verstehen. Dies<br />

erfordert ein hohes Maß an Eigeninitiative<br />

und Energie auf Seiten der Studierenden,<br />

bietet ihnen dafür aber unschätzbar viele<br />

Möglichkeiten. Wenn sich junge Menschen<br />

für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren, sollten sie genau<br />

dies vor Augen haben.<br />

So ist es wichtig, Praktika zur Berufsorientierung<br />

zu absolvieren und Erfahrungen in<br />

Nebentätigkeiten zu sammeln, um erste<br />

Berufserfahrungen zu machen und frühzeitig<br />

Netzwerke zu knüpfen. Auch Auslandsaufenthalte,<br />

soziales oder politisches<br />

Engagement sind hilfreich für den späteren<br />

beruflichen Erfolg. Die reine Studienzeit<br />

kann sich dadurch verlängern, aber<br />

der Berufseinstieg wird deutlich leichter<br />

und besser, wenn man weiß, was möglich<br />

ist, wo man hin will und im Idealfall auch<br />

schon über nützliche Kontakte verfügt.<br />

Zwar wird Studienanfänger*innen häufig<br />

suggeriert, dass es wichtig sei, zügig zu<br />

studieren, um möglichst jung auf den Arbeitsmarkt<br />

zu kommen, doch sehen das<br />

die Unternehmen selbst durchaus anders.<br />

So unterstreicht der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Horst Hippler, in<br />

einem Interview mit der Süddeutschen,<br />

dass viele Personaler Bedenken hätten,<br />

sehr junge Leute in verantwortungsvollen<br />

Positionen einzusetzen. Eine gewisse<br />

Erfahrung und einen Blick über den Tellerrand<br />

müssten die jungen Leute erst<br />

entwickeln und dafür solle man ihnen Zeit<br />

geben. Dies ist natürlich kein Phänomen,<br />

das allein die Geisteswissenschaften betrifft,<br />

aber es unterstützt die Forderung<br />

nach Orientierung und Persönlichkeitsentwicklung<br />

im Studium.<br />

Geisteswissenschaften sind also weit<br />

mehr als brotlose Kunst. Ohne Geisteswissenschaften<br />

wäre die Welt eine<br />

andere und zwar eine deutlich ärmere.<br />

Wir sollten uns der Bedeutsamkeit dieser<br />

Tatsache bewusst sein und Verantwortung<br />

für die Gesellschaft übernehmen.<br />

Die Geisteswissenschaften liefern hierfür<br />

einen wichtigen Schlüssel, dessen Bewahrung<br />

und Weitergabe somit unschätzbar<br />

wichtig ist.<br />

© Aleksander Perkovic<br />

5


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

DOSSIER<br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

Julia Beerhold //<br />

Köln //<br />

Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften (jetzt Medien-<br />

© Janine Guldener<br />

6<br />

ACHT EHEMALIGE STUDIERENDE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT ZU<br />

KÖLN BERICHTEN ÜBER STUDIENWAHL, BERUFSEINSTIEG UND IHREN WERDEGANG<br />

wissenschaften), Kunstgeschichte, Romanistik //<br />

Film, Theater, Berufsverband //<br />

7<br />

Die Frage, welchen Beruf man mit einem geisteswissenschaftlichen Studium ergreifen<br />

kann, ist nicht ganz leicht beantworten. Der Grund dafür, liegt in der großen Vielfalt der<br />

Möglichkeiten und der Unterschiedlichkeit der Lebensläufe derer, die ein solches Studium<br />

absolviert haben.<br />

Aus diesem Grund haben wir einige ehemalige Studierende selbst gefragt. Nach mehreren<br />

Jahren Berufserfahrung haben sie nicht nur ihren Weg gefunden, sondern kennen<br />

auch alle Vorurteile gegenüber Geisteswissenschaftler*innen. Zudem können Sie viele<br />

hilfreiche Tipps rund um Studium und Berufseinstieg geben.<br />

Foto: © privat<br />

// Monika Holthoff-Stenger<br />

// München<br />

// Germanistik, Geschichte<br />

// Journalismus, PR<br />

Kulturbildarchiv | Wolfgang Weimer<br />

© STC / Televisor / Verein Kölner<br />

// Matthias Hornschuh<br />

// Köln<br />

// Musikwissenschaften, Linguistik, Phonetik<br />

// Komponist, Hochschuldozent, Publizist<br />

Philipp Schreiber //<br />

Köln //<br />

Deutsch, Englisch, Erziehungswissenschaften //<br />

Web- und Anwendungsentwicklung //<br />

© Laura Keller<br />

Dr. Simone Vogt //<br />

Berlin //<br />

Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Romanistik //<br />

Museum //<br />

© Christian Tepper<br />

(Museum August Kestner)<br />

© Christophe Damesme<br />

// Nadine Black<br />

// Köln<br />

// Anglistik, Romanistik Französisch & Spanisch<br />

// Marketing, Werbung,<br />

PR, Prozess- und Qualitätsmanagement<br />

Christophe Damesme<br />

Foto: © privat<br />

// Andrea Büscher<br />

// Köln<br />

Jan-Erik Bolz //<br />

Köln //<br />

© André Boeck<br />

// Geschichte, Phonetik, Allgemeine Sprachwissenschaft<br />

Informationsverarbeitung, Germanistik //<br />

// Medien, TV<br />

IT-Administration, Softwareentwicklung //


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

mein Studium Spaß macht, damit ich gut<br />

Meinung nach, der Vorteil Ihres Wer-<br />

und schnell darin sein kann. Deshalb kam<br />

deganges als Geisteswissenschaftle-<br />

für mich ein „Plan B“, wie z.B. Lehramt,<br />

rin verglichen mit jemandem, der sich<br />

auch nicht in Frage. Ich wollte keine Leh-<br />

direkt für ein praxisbezogenes Medi-<br />

rerin werden, ich wusste ja, was ich wer-<br />

enfach entscheidet?<br />

den wollte. Deshalb war klar, ich studiere<br />

Zum einen traf meine Studienwahl voll<br />

8<br />

etwas, was mir Spaß macht. Geschichte<br />

war also relativ schnell klar, dann habe<br />

mein Interessensgebiet. Mir war sehr<br />

wichtig, dass mein Studium mir Spaß<br />

9<br />

Foto: © privat<br />

ich nach Nebenfächern gesucht, indem<br />

ich Studienratgeber durchforstet habe,<br />

und hatte recht bald zwei weitere Treffer:<br />

macht. Zum anderen habe ich in meinem<br />

geisteswissenschaftlichen Studium gewisse<br />

Methoden gelernt, die mir aktuell im<br />

Sprachwissenschaft und Phonetik.<br />

Beruf von großem Nutzen sind. Beispiels-<br />

Haben Sie sich aus einem<br />

besonderen Grund für ein<br />

Studium an der Universität<br />

zu Köln entschieden?<br />

Meine Familie stammt aus dem rechtsrheinischen<br />

Porz, somit fiel die Wahl<br />

ganz bewusst auf die Uni Köln. Ich war<br />

in meiner Familie die Erste, die ein Studium<br />

aufgenommen hat, deshalb konnte<br />

mir niemand aus der Familie mit „studentischen“<br />

Themen wie Studentenwerk,<br />

Wohnungssuche etc. helfen. Somit war<br />

klar, wenn ich ein Studium aufnehme,<br />

Und nun sind Sie also in der Medienund<br />

Fernsehbranche tätig. Was machen<br />

Sie da genau?<br />

Ich bin Casting-Redakteurin und suche<br />

Leute aus, die wir für verschiedene Formate<br />

brauchen, z.B. aktuell für „Zuhause<br />

im Glück“. Das ist eine Sendung auf RTL<br />

II, in der Menschen Häuser umbauen, und<br />

ich mache eine Vorauswahl aus den Familien,<br />

die sich bei uns bewerben. Ich telefoniere<br />

mit den Leuten und besuche sie mit<br />

der Kamera in ihrem Zuhause.<br />

weise kriegt man im Studium Berge von<br />

Texten, braucht aber daraus nur wenige<br />

Informationen. Das Herausfiltern und Zusammenschreiben,<br />

also die Selektion von<br />

Informationen, ist eine Methodik, die ich<br />

in meinem Studium gelernt habe und sie<br />

kommt mit heute zum Beispiel zu Gute,<br />

wenn ich Dossiers über die Familien erstellen<br />

muss, die wir casten. Dann habe<br />

ich mir im Studium natürlich ein großes<br />

Allgemeinwissen erarbeitet, von dem ich<br />

heute profitiere. In den Geisteswissenschaften<br />

erhält man ja sehr viel Input, der<br />

heute noch von großem Wert ist.<br />

dann in Köln.<br />

Was reizt Sie an Ihrem Beruf?<br />

Sind Sie heute in Ihrem Beruf ange-<br />

Welche Kriterien spielten bei der<br />

Ich finde die Arbeit mit Menschen toll.<br />

kommen oder können Sie ich vorstel-<br />

MIT MUT UND<br />

EINSATZ ZUM ZIEL<br />

INTERVIEW: MARGARETA STANCIU<br />

Wahl Ihrer Studienfächer Geschichte,<br />

Phonetik und Allgemeine Sprachwissenschaft<br />

eine Rolle?<br />

Geschichte war sozusagen eine Herzensangelegenheit<br />

von mir. Ich habe mich<br />

schon immer dafür interessiert, kannte<br />

mich auch schon ein wenig aus und fühlte<br />

mich in dem Fach zu Hause.<br />

Mein Berufswunsch stand schon relativ<br />

früh fest. Ich wusste, ich möchte gern in<br />

den Journalismus gehen, und hatte bereits<br />

bei Radio Berg als freie Mitarbeiterin<br />

Gerade in meinem aktuellen Casting finde<br />

ich es hochinteressant, mehr von den<br />

Menschen zu erfahren, mich mit ihnen<br />

auseinanderzusetzen, Sachen zu erfragen<br />

und zu hinterfragen. Ich möchte herausfinden,<br />

was bewegt sie, wie ihr Lebensweg<br />

war.<br />

„[...] engagiert<br />

Euch, egal wo,<br />

len, später noch in einem anderen Bereich<br />

tätig zu werden?<br />

Nein, ich mache heute durchaus den Job,<br />

den ich gerne machen möchte. Natürlich<br />

weiß man nie, was die Zukunft bringt,<br />

und sollte ich jemals einen Plan B brauchen,<br />

weil z.B. das Format eingestellt<br />

wird, dann würde ich in jedem Fall gerne<br />

wieder an mein Studium anknüpfen, indem<br />

ich beispielsweise ins Museum gehe.<br />

Aber momentan bin ich dort angekommen,<br />

wo ich hin wollte.<br />

ANDREA BÜSCHER BESCHLOSS BEREITS<br />

IN DER SCHULE, DASS SIE REDAKTEURIN<br />

BEIM FERNSEHEN WERDEN WOLLTE.<br />

MIT VIEL ENGAGEMENT UND DURCH-<br />

HALTEVERMÖGEN GELANG ES IHR, DIE-<br />

SES ZIEL BEI DER UFA SHOW FACTUAL<br />

ZU VERWIRKLICHEN.<br />

© shutterstock | Fer Gregory<br />

gearbeitet. Ich habe ein Seminar belegt,<br />

das hieß „Wege in den Journalismus“,<br />

und es wurde uns früh deutlich gemacht,<br />

dass viele Praktika nötig sein werden, um<br />

in dem Beruf anzukommen. Ich hatte damals<br />

eigentlich schon eine Ausbildungsstelle<br />

bei einem Zeitungsverlag, aber das<br />

war nicht das, was ich werden wollte. Und<br />

um das zu werden, was ich werden wollte,<br />

waren eben viele Praktika vonnöten,<br />

die man aber nur machen kann, wenn<br />

man studiert. Also habe ich mich für ein<br />

Studium entschieden. Dabei war mir bei<br />

der Wahl der Fächer wichtig, dass mir<br />

und nutzt die<br />

Zeit!“<br />

Wenn sich junge Studieninteressierte<br />

für die Medienbranche begeistern,<br />

können sie diverse Studiengänge im<br />

konkreten Medienbereich wählen,<br />

z.B. Online-Redaktion, Mediendesign<br />

oder Medienpädagogik. Was ist, Ihrer<br />

Neben Ihrer Redakteurstätigkeit sind<br />

Sie seit 2009 auch als Stadträtin in<br />

Rösrath ehrenamtlich aktiv. Wie kam<br />

es dazu und was haben Sie dort für<br />

Aufgaben?<br />

Ich bin dazu bereits während meines Studiums<br />

gekommen. Wir betreiben dort<br />

Kommunalpolitik und entscheiden über<br />

Themen wie Schulen, Bauvorhaben, Städteplanung,<br />

Jugendhilfe etc.<br />

Das finde ich ebenfalls einen guten Grund<br />

zum Studieren – anders als Auszubildende


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

10<br />

„Man kann nur<br />

das wirklich<br />

gut machen, was<br />

einem auch Spaß<br />

macht und wofür<br />

man wirklich<br />

brennt.“<br />

hat man mehr Zeit für die eigene Persönlichkeitsentwicklung.<br />

Wann hat man Zeit<br />

für politische Jugendarbeit, wenn nicht<br />

während des Studiums? Ich habe damals<br />

beschlossen, bei den JuLis, den Jungen<br />

Liberalen, einzutreten, und wenn man<br />

dann mal vor so einem Kongress steht<br />

und vor 100-200 Delegierten spricht,<br />

dann lernt man was fürs Leben. Deshalb<br />

würde ich jedem Studierenden raten: Engagiert<br />

euch egal wo und nutzt die Zeit.<br />

Wie würden Sie die Work-Life-Balance<br />

in Ihrem Beruf einschätzen? Fordert<br />

diese Arbeit sehr viel Flexibilität?<br />

Ich habe zwei kleine Kinder und arbeite<br />

in Teilzeit. Sicher fordert mein Beruf,<br />

wenn man ihn Vollzeit macht, sehr viel<br />

Zeit. Als ich noch keine Kinder hatte,<br />

hatte ich auch sehr lange und intensive<br />

Tage im Job. Aber es war und ist mein<br />

Traumberuf, also habe ich das auch gerne<br />

gemacht und habe mich nie sonderlich<br />

gestresst oder eingeengt gefühlt. Wenn<br />

man Kinder bekommt, ändert sich natürlich<br />

auch der Blickwinkel, deshalb arbeite<br />

ich jetzt nur halbe Tage, aber trotzdem<br />

mit vollem Einsatz. Und ich glaube darin<br />

liegt auch der Schlüssel. Deshalb wünsche<br />

ich mir innerhalb unserer Gesellschaft<br />

auch hier mehr Mut, es einfach zu machen.<br />

Gerade was die Familienplanung<br />

angeht, gibt es bekanntlich nie den „richtigen<br />

Zeitpunkt“, aber es findet sich immer<br />

eine Lösung. In meinem Fall habe ich<br />

mich für die Teilzeit entschieden und fühle<br />

mich mit der Entscheidung total wohl.<br />

Ich bin gerne Mutter und ich bin auch<br />

gerne Redakteurin, also habe ich für mich<br />

den optimalen Weg gefunden.<br />

Ihr Berufswunsch stand ja relativ früh<br />

fest. Sie haben Ihren Weg sozusagen<br />

an Ihr Ziel angepasst. Würden Sie<br />

dieses Vorgehen auch anderen raten<br />

–– sich zunächst feste Ziele zu setzen<br />

und nicht einfach „ins Blaue“ zu studieren,<br />

ohne konkrete Zukunftsvorstellung?<br />

Ich glaube, es ist kein Problem, wenn man<br />

sich mal ein Semester ausprobiert. Gerade<br />

bei diesen strengen Studienplänen, die es<br />

ja mittlerweile gibt, darf man sich auch<br />

mal vertun, solange man es rechtzeitig<br />

merkt. Es kann immer vorkommen, dass<br />

man bestimmte Vorstellungen von dem<br />

Traumfach hat und mittendrin merkt,<br />

dass die Realität eine ganz andere ist.<br />

Wenn die Leidenschaft fehlt, kann man es<br />

auch schlecht durchziehen, und dann ist<br />

es natürlich besser, sich umzuorientieren.<br />

Wie kam es dazu, dass Sie schon in<br />

so jungen Jahren über Ihren späteren<br />

Beruf derart klare Vorstellungen hatten?<br />

Hatten Sie jemals einen anderen<br />

Berufswunsch und, wenn ja, was war<br />

der zentrale Wendepunkt in Ihrer<br />

Laufbahn?<br />

Ich habe mich für diesen Weg in der 12.-<br />

13. Klasse entschieden. Vorher wollte ich<br />

immer Polizistin werden. Ich habe auch<br />

ein Praktikum bei der Polizei gemacht und<br />

wollte nach der 10. Klasse abgehen, um<br />

die Ausbildung anzufangen. Meine Eltern<br />

waren darüber nicht sehr erfreut und<br />

auch mein Ausbilder riet mir davon ab<br />

und empfahl mir stattdessen, die 13 Jahre<br />

zu Ende zu bringen, um damit direkt<br />

in die gehobene Laufbahn einsteigen zu<br />

können. Nun wurde ich in den drei Jahren<br />

reifer, habe weiter gedacht und mich<br />

weiter entwickelt und wollte das dann<br />

nicht mehr. Dazu kam natürlich, dass meine<br />

Eltern über mein Vorhaben, als Erste<br />

in unserer Familie an die Hochschule zu<br />

gehen und Journalistin zu werden, sehr<br />

glücklich waren und mich deshalb immer<br />

unterstützt haben.<br />

Was würde Sie jungen Studieninteressierten<br />

bezüglich der beruflichen<br />

Perspektiven für Geisteswissenschaftler*innen<br />

auf dem heutigen Arbeitsmarkt<br />

raten?<br />

Die Berufsperspektiven werden immer<br />

schnell als unsicher dargestellt – meines<br />

Erachtens zu Unrecht. Ich rate dazu, den<br />

Mut zu haben, sich dafür zu entscheiden,<br />

wenn man sich dafür interessiert. Man<br />

kann nur das wirklich gut machen, was<br />

einem auch Spaß macht und wofür man<br />

wirklich brennt. Wenn man lediglich seinen<br />

Eltern den Gefallen tut und Medizin<br />

studiert, um Arzt zu werden, oder ins<br />

Lehramt geht, obwohl man es gar nicht<br />

will, wird man auf kurz oder lang unglücklich,<br />

zumindest ich wäre es geworden.<br />

Das wünschen Eltern ihren Kindern<br />

ja auch nicht. Ich wünsche mir ganz einfach<br />

mehr Mut, wenn einem Studieninteressierten<br />

diese sogenannten „Orchideenfächer“,<br />

also kleinere und vielleicht<br />

auch weniger bekannte Fächer, liegen,<br />

dann sollte man sich dafür entscheiden.<br />

Denn nur, wenn man etwas gerne macht,<br />

wird man auch erfolgreich!<br />

© shutterstock | Serg64<br />

11<br />

© shutterstock | wellphoto


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

12<br />

DEN KRITISCHEN<br />

DISKURS ANREGEN<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

MATTHIAS HORNSCHUH KAM ZUM STUDIEREN VON BIELEFELD NACH KÖLN. ER<br />

ARBEITET HEUTE ALS FREIER KOMPONIST FÜR FILMMUSIK, ALS PROGRAMMLEITER<br />

FÜR SOUNDTRACK_COLOGNE UND LEHRT AN VERSCHIEDENEN HOCHSCHULEN.<br />

W<br />

ar es bereits zu mit einer professionellen Musikszene und Ich habe mit sehr viel Begeisterung studiert<br />

und habe mich auch darüber hinaus<br />

Studienbeginn Ihr einer Medienlandschaft ist, und das war<br />

Ziel Komponist Köln. Ich hatte mich nach dem Abitur für Studienbelange eingesetzt, weil ich<br />

zu werden oder schon mal für Linguistik, Kommunikation- das geisteswissenschaftliche Studium in<br />

haben Sie diesen und Medienwissenschaften in Bielefeld einem humanistischen Sinne, also als etwas<br />

Weg nach und nach gefunden?<br />

Musik gehörte für mich seit meiner Kindheit<br />

zu meinem Leben und daher wusste<br />

ich schon sehr früh, dass ich auch beruflich<br />

etwas mit Musik machen wollte. Das<br />

Komponieren habe ich allerdings erst<br />

nach und nach für mich herauskristallisiert.<br />

Auch zu Studienbeginn habe ich<br />

noch nicht damit gerechnet, dass ich einmal<br />

diesen Weg gehen würde.<br />

Ich habe zunächst die ganz klassische Musiklaufbahn<br />

angefangen. Ich lernte Geige,<br />

Klavier und Gesang und habe bereits vor<br />

Ende der Schule parallel an der Hochschule<br />

für Musik in Detmold ein Studium im<br />

Bereich Violine aufgenommen. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war für mich klar, dass ich Berufsmusiker<br />

werden möchte. Irgendwann<br />

wurde mir aber klar, dass ich als Orchestermusiker<br />

nicht glücklich werden würde.<br />

Ich wollte nicht ‚Musikvollzugsbeamter‘<br />

werden und ich war sicher, dass es noch<br />

etwas anderes geben müsste. Also habe<br />

ich überlegt, wo die nächste große Stadt<br />

eingeschrieben, aber eigentlich mehr aus<br />

Interesse als mit ernsthaften Studien- oder<br />

Berufsabsichten. Nach Köln kam ich allerdings<br />

mit der festen Absicht, ein Studium<br />

zu absolvieren, und dementsprechend<br />

habe ich mich für Musikwissenschaften,<br />

Linguistik und Phonetik eingeschrieben.<br />

Ein geisteswissenschaftliches Studium<br />

war nach der ganzen musikalischen<br />

Praxis sicherlich eine ganz neue<br />

Erfahrung. Wie haben Sie das erlebt?<br />

Mit dem Beginn dieses Studiums eröffnete<br />

sich für mich eine Welt. Ich hatte gedacht,<br />

schon viel über Musik zu wissen, und mit<br />

meinem Mal wurde mir klar, dass ich mich<br />

darin getäuscht hatte und dass dieses Studium<br />

viel besser sein würde als alles, was<br />

ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte etwas<br />

gefunden, von dem ich nicht mal wusste,<br />

dass ich es gesucht hatte. Ich wusste mit<br />

einem Mal, dass da viel mehr Fragen und<br />

Perspektiven sind, als ich vermutet hatte.<br />

Vollständiges und Umfassendes, ver-<br />

standen habe. Ich war zum Beispiel in der<br />

Fachschaft und in Studienordnungs- und<br />

Berufungskommissionen und habe mich<br />

hochschulpolitisch engagiert.<br />

Im Laufe meines Studiums habe ich großes<br />

Interesse am Thema Musik in den<br />

Medien entwickelt. Da gerade das am Institut<br />

nicht so gut vertreten war, habe ich<br />

selbst eine AG gegründet und mit Kommiliton*innen<br />

darüber diskutiert. Ich entdeckte<br />

zudem die Musikpsychologie für<br />

mich und habe mich mit Popularmusikforschung<br />

und Musiksoziologie sowie mit<br />

Grenzgängen beispielsweise in die Kunstwissenschaft<br />

auseinandergesetzt. Schlussendlich<br />

habe ich meine Magisterarbeit<br />

über Filmmusik geschrieben und bin auch<br />

beruflich bei dem Thema geblieben. Mein<br />

Studium hat mir komplett neue Horizonte<br />

eröffnet und ich habe erst mal nur Fragen<br />

gesammelt und eine Begeisterung dafür<br />

entwickelt, nicht an einem Punkt stehen<br />

zu bleiben.<br />

Foto: © privat<br />

Ein Blick auf Ihren Lebenslauf zeigt<br />

einen konsequenten Bezug zu Musik<br />

und Medien. Konnten Sie bereits<br />

während des Studiums und direkt im<br />

Berufseinstieg von der Musik leben?<br />

Durch meine Musikausbildung hatte ich<br />

sehr früh fundierte Kenntnisse und bekam<br />

parallel zu meinem Wechsel nach Köln<br />

das erste Mal einen Kompositionsauftrag<br />

für ein Theaterstück. Aber ich habe damals<br />

nicht gedacht, dass ich einmal davon<br />

würde leben können. Ansonsten habe ich<br />

in einem Marktforschungsinstitut gejobbt<br />

und später als Tontechniker bei VIVA und<br />

als freier Journalist. Ich wollte Nähe zu<br />

möglichen Wirkungsbereichen herstellen<br />

und natürlich auch Kontakte knüpfen,<br />

weil ich wusste, dass ich nach dem Abschluss<br />

einen Medienbezug brauche. Ich<br />

habe also während und nach dem Studium<br />

immer rund um den Musik- und Medienbereich<br />

gearbeitet, habe mich aber<br />

nicht von Anfang an darauf verlassen, mit<br />

Musik allein mein Geld zu verdienen. Das<br />

„Mein<br />

Studium hat<br />

mir komplett<br />

neue<br />

Horizonte<br />

eröffnet<br />

[...]“<br />

Ganze ist ohnehin ein schwieriges Metier.<br />

Ich habe fast durchgängig freiberuflich<br />

gearbeitet. Nur direkt nach meinem Studium<br />

habe ich eine kurze Zeit als Tontechniker<br />

in Festanstellung gearbeitet, aber als<br />

ich kurz danach meinen ersten professio-<br />

nellen Komponistenjob in einem großen<br />

und gut bezahlten Projekt bekommen<br />

habe, habe ich den Job wieder gekündigt.<br />

Heute arbeite ich neben meiner kompositorischen<br />

Tätigkeit als Programmleiter<br />

von SoundTrack_Cologne, moderiere und<br />

publiziere und lehre an verschiedenen<br />

Hochschulen.<br />

Wie schätzen Sie die Selbstständigkeit<br />

als Berufsoption für Geisteswissenschaftler*innen<br />

ein?<br />

Ich denke, dass gerade die Geisteswissenschaftler*innen<br />

während des Studiums<br />

zu wenig Kontakt mit dem Thema Selbstständigkeit<br />

haben. Sehr viele von ihnen<br />

werden früher oder später Autor*innen<br />

von irgendwas und daher sollten meines<br />

Erachtens Fragen nach der Künstlersozialversicherung,<br />

Rentenansprüchen, Urheberrecht<br />

etc. in geisteswissenschaftliche<br />

Studiengänge integriert werden.<br />

Von außen betrachtet ist Selbstständigkeit<br />

als Kulturschaffender der komplette<br />

Wahnsinn. Es ist verantwortungslos, wie<br />

viele Arbeitgeber*innen mit den Auftragnehmer*innen<br />

umgehen. Daher versuche<br />

ich auch die jungen Leute nicht gerade zu<br />

bestärken, eine selbstständige Laufbahn<br />

einzuschlagen. Diejenigen, die wirklich<br />

dazu berufen sind, werden es ohnehin<br />

machen und diejenigen, die Wert auf<br />

Sicherheit legen, sollen die Gelegenheit<br />

zum Absprung bekommen. Man braucht<br />

eine gewisse persönliche Haltung dafür.<br />

Man muss mit Unsicherheit umgehen<br />

können, nicht nur mit materieller, sondern<br />

beispielsweise auch mit der Warterei,<br />

ob man einen Zuschlag bekommt.<br />

Ebenfalls muss man wissen, wie man<br />

Freiräume nutzt, beispielsweise wenn gerade<br />

keine Produktionen anstehen. Dafür<br />

gibt es keine Regeln, das kann man nicht<br />

unterrichten. Gerade Künstler*innen fällt<br />

es häufig schwer, Ablehnung oder miserable<br />

Angebote nicht als Kritik an ihrer<br />

Person zu werten. Sie identifizieren sich<br />

mit ihrem Tun und solche Geringschätzung<br />

kann sehr weh tun, obwohl sich die<br />

Haltung der potenziellen Arbeitgeber*innen<br />

ja gar nicht zwangsläufig gegen den<br />

Künstler oder die Künstlerin richtet.<br />

Durststrecken und Phasen von Existenzängsten<br />

gehören leider auch immer wieder<br />

dazu, aber es ist wichtig, diese dann<br />

wieder kreativ zu nutzen, anstatt den<br />

Kopf in den Sand zu stecken.<br />

Könnten Sie sich vorstellen in Festanstellung<br />

zu arbeiten?<br />

Ich spiele schon immer mal wieder mit<br />

dem Gedanken an eine halbe Stelle, die<br />

einen festen Geldfluss garantiert, aber<br />

nur unter der Voraussetzung, dass genug<br />

Freiraum für meine künstlerische<br />

und publizistische Arbeit bleibt. Ich bin so<br />

gestrickt und kann gar nicht anders. Eine<br />

Festanstellung allein würde mich nicht<br />

glücklich machen.<br />

Durch Ihre verschiedenen Tätigkeiten<br />

haben Sie früh den Sinn eines guten<br />

Netzwerks erkannt. Wie bekommt<br />

man ein solches Netzwerk?<br />

Ja, das Netzwerk ist für Selbstständige essenziell.<br />

Neben der persönlichen Haltung<br />

ist es die zweite Notwendigkeit für Erfolg.<br />

Ohne ein Netzwerk ist die Arbeit gerade<br />

für Kulturschaffende fast unmöglich. Ich<br />

hatte das zum Glück früh verstanden<br />

und daher schon während meines Studiums<br />

an meinem Netzwerk gearbeitet. In<br />

meiner Tätigkeit als freier Journalist und<br />

auch als Musiker bin ich beispielsweise<br />

konsequent zu Branchenveranstaltungen<br />

im Filmmusikbereich gegangen; teils auch<br />

weit entfernt. Da waren dann auch immer<br />

die gleichen Leute und irgendwann kannte<br />

man sich und dann verselbstständigte<br />

es sich. Jeder bringt mal jemanden mit<br />

und das Netzwerk erweitert sich.<br />

Foto: © STC / Televisor / Verein Kölner<br />

Kulturbildarchiv | Wolfgang Weimer<br />

13


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

14<br />

Die Pflege eines solchen Netzwerkes ist<br />

anstrengend, aber wichtig. Man muss<br />

gegenseitiges Vertrauen schaffen. Wenn<br />

die anderen dir vertrauen, helfen sie dir<br />

auch, etwa mit Infos und Erfahrungen,<br />

und das ist wichtig. Beispielsweise kann<br />

man manchmal, wenn man einen Auftrag<br />

nicht bekommen hat oder sich aus anderen<br />

Gründen abgelehnt fühlt, nicht selbst<br />

einschätzen, ob man Fehler gemacht<br />

hat oder ob es an<br />

ganz anderen Umständen<br />

lag. Das<br />

Netzwerk ist einem<br />

dabei eine große<br />

Hilfe, wenn man es<br />

richtig aufgebaut<br />

hat. Ich kann das<br />

inzwischen ganz<br />

gut einschätzen,<br />

aber das war ein<br />

steiniger Weg. So<br />

ein Netzwerk kann<br />

einen notfalls sogar<br />

auffangen, obwohl<br />

man sich darauf<br />

natürlich nicht<br />

verlassen kann.<br />

Aber man braucht<br />

es nicht nur, um Probleme zu lösen, sondern<br />

auch, um sich gegenseitig zu professionalisieren.<br />

Das ist sehr wichtig dabei.<br />

Neben der Musik lehren Sie auch noch<br />

an verschiedenen Hochschulen. Wie<br />

erleben Sie die Situation der Geisteswissenschaften<br />

in dieser Tätigkeit?<br />

Ich habe den Eindruck, dass die Studierenden<br />

bei dem, was alles von Ihnen erwartet<br />

wird, aufpassen müssen, dass sie<br />

im Studium eine gewisse inhaltliche Tiefe<br />

erreichen, denn sonst ist das alles nutzlos.<br />

Man muss sich im Studium mit den Diskursen<br />

seines Fachs auseinandersetzen.<br />

Aber diese Auseinandersetzung kostet<br />

Zeit und die fehlt häufig. Ich sehe es daher<br />

als meine Zielsetzung an, die Leute<br />

dazu zu bringen, Diskurse zu kennen und<br />

sich darin einordnen oder vielleicht auch<br />

davon distanzieren zu können. Das ist<br />

auch gesamtgesellschaftlich wichtig.<br />

Wir müssen vorsichtig sein, den Einzelnen<br />

vorzuwerfen, dass sie sich zu wenig öffnen<br />

oder zu wenig wissen, denn woher<br />

sollen sie es denn wissen? Als Lehrende<br />

ist es unsere Aufgabe, ihnen diesen Horizont<br />

zu eröffnen, aber das erfordert Zeit.<br />

Wir werden zu bequem im Umgang mit<br />

dem Denken, aber in einem geisteswissenschaftlichen<br />

Studium lässt sich genau<br />

das forcieren – hier kann man Leute begeistern.<br />

Ich kann niemanden zwingen<br />

zu denken, aber ich kann zu den Leuten<br />

durchdringen und ihnen zeigen, wie zufriedenstellend<br />

es sein kann, Erkenntnisse<br />

zu haben und sich Dinge selbst zu erschließen.<br />

Das setzt aber voraus, dass ich<br />

mich als Lehrender aber auch begeistere<br />

und einbringe, sonst geht das nicht. Ein<br />

Gegenüber, das sich engagiert und den<br />

Funken überspringen lässt, ist für junge<br />

Leute extrem wichtig.<br />

Die Förderung der Geisteswissenschaften<br />

ist daher meines Erachtens eigentlich<br />

gar nichts Schöngeistiges, sondern etwas<br />

ganz Pragmatisches, das sein muss. Die<br />

Frage ist ja, wo Innovation herkommen<br />

soll, wenn wir nur noch auf Effizienz hinarbeiten?<br />

Da kann der Geist ja gar nicht<br />

mehr quertreiben. Das scheint vielen auf<br />

den ersten Blick ineffizient, ist es aber<br />

gar nicht, weil dadurch wieder neue Ideen<br />

entstehen. Momentan herrscht der<br />

Wahnsinn, dass wir auf Basis von Studien<br />

privater Stiftungen unser Bildungssystem<br />

auf den Kopf stellen. Das führt langfristig<br />

dazu, dass wir unsere Essentials und unsere<br />

Identität als Gesellschaft aufgeben.<br />

Aus diesem Grund ist die Ausbildung von<br />

Geisteswissenschaftler*innen etwas Existenzielles<br />

für unsere Gesellschaft und ich<br />

versuche, meinen Beitrag dazu zu leisten.<br />

Würden Sie sagen, dass das geisteswissenschaftliche<br />

Arbeiten für Sie<br />

nach wie vor relevant ist?<br />

Auf jeden Fall. Neben der Komposition<br />

und Musikproduktion arbeite ich auch in<br />

der Kultur- und Verbandpolitik. Bei diesen<br />

Tätigkeiten und bei der Mitarbeit an<br />

Kongressen ist der Nutzen natürlich am<br />

größten, aber auch beim Komponieren<br />

hilft mir die Herangehensweise, die für<br />

die Geisteswissenschaften<br />

klassisch<br />

ist. Ich brauche immer<br />

ein Konzept<br />

und ich muss den<br />

Gegenstand erst mal<br />

in Worte fassen können,<br />

um ihn dann in<br />

Musik umsetzen zu<br />

können. Das habe<br />

ich im Studium perfektioniert.<br />

Ich habe<br />

ein Bewusstsein dafür<br />

entwickelt, dass<br />

man sich nicht blind<br />

auf angestammte<br />

Kategorien verlassen<br />

kann, dass man<br />

Dinge infrage stellen<br />

muss. Kritisches Denken und Hinterfragen<br />

hilft mir ungemein bei der Umsetzung<br />

meiner Werke.<br />

Was zeichnet Sie persönlich als<br />

Geisteswissenschaftler aus?<br />

Da würde ich neben der Fähigkeit, Konzepte<br />

zu entwickeln und die Dinge kritisch<br />

zu hinterfragen, vor allem Abstraktionsvermögen<br />

und diskursive Verortung<br />

nennen. Wenn ich einen Diskurs kenne,<br />

kann ich, wenn ein bestimmtes Wort fällt,<br />

erkennen, dass dies eine Referenz auf etwas<br />

wirft, das viel weiter entfernt ist, aber<br />

plötzlich hier eine Bedeutung bekommt.<br />

Wie ich mir Dinge erschließe, von denen<br />

ich heute noch gar nichts weiß, ist ebenso<br />

eine wesentliche Kompetenz meines<br />

Studiums. Ich muss eben die Diskurse und<br />

die Gedanken dahinter verstehen und erst<br />

dann kann ich mich daran abarbeiten; alles<br />

andere sind nur Vorurteile. Der Ertrag<br />

eines fundierten geisteswissenschaftlichen<br />

Studiums ist, dass es wirklich zulässt,<br />

dass Fragen aufkommen. Die Fragen sind<br />

viel wichtiger als die Antworten.<br />

Als letzten Aspekt würde ich noch das<br />

Wissen, dass ich mich als Experte in einem<br />

Gebiet sehe, hinzufügen. Das gibt mir<br />

Selbstvertrauen und mit meinem akademischen<br />

Anspruch weiß ich, dass ich mir<br />

das erarbeitet habe. Letztlich bedeutet<br />

das auch, dass ich das auch für andere<br />

Bereiche schaffen kann.<br />

Was waren die Meilensteine, die zentralen<br />

Entscheidungen und Wendepunkte<br />

in Ihrer beruflichen Laufbahn?<br />

Mein Weg ist ja ziemlich um die Ecke,<br />

aber das bedaure ich nicht. Es war die<br />

richtige Entscheidung, mein Violinstudium<br />

abzubrechen, weil mir das viele neue<br />

Perspektiven eröffnet hat. Ein weiterer<br />

zentraler Wendepunkt war für mich mein<br />

Studienbeginn an der Uni Köln, denn in<br />

dem Moment hat sich mir eine ganze<br />

Welt eröffnet, die meinen ganzen weiteren<br />

Werdegang geprägt hat. Diesem<br />

Weg, den ich da beschritten habe, bin ich<br />

dann auch kontinuierlich gefolgt. Solche<br />

Aha-Erlebnisse sind mir immer mal wieder<br />

passiert und die bereichern mich jedes<br />

Mal enorm. Das passiert häufig, wenn<br />

ich neue Menschen kennenlerne, die sich<br />

selbst und ihr Fach hinterfragen und neue<br />

Wege gehen.<br />

Welchen Rat würden Sie Studierenden<br />

geisteswissenschaftlicher Fächer<br />

für den beruflichen Werdegang geben<br />

bzw. welchen für junge Menschen,<br />

die sich für ein solches Studium<br />

interessieren, aber unsicher bezüglich<br />

der Perspektiven sind?<br />

Junge Leute sollten neugierig sein, Fragen<br />

haben, Fragen finden wollen und<br />

nicht frustriert sein, wenn es mal etwas<br />

dauert, bis sie in die Nähe von Antworten<br />

kommen. Man muss das schon wollen, es<br />

ist nicht so, dass das Studium etwas von<br />

einem will, dafür hat es zu viele Möglichkeiten<br />

und ist kein gradliniges Studium.<br />

Man sollte auf der Suche nach etwas sein.<br />

Es ist auch nicht für jeden was. Und man<br />

kann auch mal Entscheidungen revidieren<br />

und irgendwo abbiegen. Das bringt einen<br />

alles weiter!<br />

Foto: © privat<br />

15


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

© shutterstock | Marine‘s<br />

16<br />

DIE GELEGENHEIT<br />

BEIM SCHOPF<br />

PACKEN<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

MONIKA HOLTHOFF-STENGER<br />

WUSSTE SCHON SEHR FRÜH,<br />

DASS SIE JOURNALISTIN<br />

WERDEN WOLLTE. SIE HAT<br />

DIESE ENTSCHEIDUNG,<br />

TROTZ GRAVIERENDER<br />

VERÄNDERUNGEN DER<br />

BRANCHE NIE BEREUT. WER<br />

EIN GUTES NETZWERK, DIE<br />

RICHTIGEN EIGENSCHAFTEN<br />

UND DEN NÖTIGEN BISS<br />

MITBRINGT, KANN ES, IHRER<br />

MEINUNG NACH, AUCH<br />

SCHAFFEN.<br />

© shutterstock | NatashaBo<br />

S<br />

Foto: © privat<br />

ie haben einen Beruf, den<br />

viele junge Menschen als<br />

Traumjob bezeichnen würden.<br />

War es schon immer<br />

Ihr Wunsch Journalistin zu<br />

werden?<br />

Ja, das habe ich bereits mit 15 beschlossen.<br />

Ich habe immer viel und gerne geschrieben.<br />

Mein Onkel, damals Chefredakteur<br />

bei der Aachener Volkszeitung,<br />

war mein großes Vorbild. Weil ich aber<br />

aus einer Beamtenfamilie stamme, in der<br />

Sicherheit großgeschrieben wird, habe ich<br />

mich zunächst für ein Lehramtsstudium in<br />

den Fächern Germanistik und Geschichte<br />

an der Uni Köln entschieden – quasi als<br />

Plan B. Journalismus gilt ja nicht erst seit<br />

Neustem als unsicherer Beruf.<br />

Nach einem sechswöchigen Schulpraktikum<br />

während des Grundstudiums war<br />

mir allerdings klar, dass es für mich keine<br />

Option ist, Lehrerin zu werden. Ich stellte<br />

fest, dass mir das Unterrichten keine<br />

Freude machte und ich mich in der Rolle<br />

auch unwohl fühlte. Daraufhin habe ich<br />

begonnen, intensiv die journalistische<br />

Laufbahn zu verfolgen. Meine Eltern waren<br />

zwar zunächst etwas skeptisch, aber<br />

insgesamt haben Sie meine Berufswahl<br />

unterstützt.<br />

Wie sind Sie bei der Planung Ihres Berufseinstiegs<br />

vorgegangen, nachdem<br />

Sie wussten, dass Ihre Zukunft im<br />

Journalismus liegen soll?<br />

Die erste wichtige Lektion des Journalismus<br />

habe ich schon als 15-Jährige bei<br />

einem Kurzpraktikum in der Redaktion<br />

meines Onkels gelernt. Ich habe damals<br />

begriffen, wie wichtig Praxiserfahrung ist<br />

und dass nicht nur Schreibtalent, sondern<br />

vor allem Kontakte in dieser Branche das<br />

A und O sind. Über meine Musiklehrerin<br />

lernte ich kurze Zeit später eine Redakteurin<br />

des Kölner Stadt-Anzeigers kennen,<br />

die mich in die Lokalredaktion Bergisches<br />

Land vermittelte. Dort habe ich dann<br />

während meines Studiums als freie Mitarbeiterin<br />

gearbeitet. Im Journalismus<br />

fängt man meist ganz unten an, aber das<br />

gehört zum Handwerk. Ich denke, wer<br />

als Berufsanfänger*in auf das Praktikum<br />

oder den Nebenjob seiner Träume wartet,<br />

versperrt sich viele Chancen.<br />

Während des Studiums habe ich auch<br />

Praktika bei PR-Agenturen gemacht, um<br />

herauszufinden, ob mir die Öffentlichkeitsarbeit<br />

vielleicht noch besser liegt. Auf<br />

diesem Wege habe ich früh einerseits in<br />

verschiedenen Bereichen Arbeitserfahrung<br />

gesammelt, andererseits viele Kontakte<br />

geknüpft und begonnen, mir ein<br />

Netzwerk aufzubauen. Das erwies sich<br />

als goldrichtig für meine berufliche Laufbahn.<br />

Mindestens ein Drittel der geisteswissenschaftlichen<br />

Studierenden möchte<br />

ja Journalist*in werden und daher ist die<br />

Konkurrenz unheimlich groß. Diejenigen,<br />

die schon während des Studiums die Arbeitserfahrung<br />

sammeln und Kontakte<br />

knüpfen, haben eindeutig die besseren<br />

Chancen. Man kann gar nicht früh genug<br />

damit beginnen, ein Netzwerk aufzubauen:<br />

Jeder Kontakt kann früher oder später<br />

hilfreich sein.<br />

Sie haben während Ihres Studiums<br />

auch ein Jahr in der französischen<br />

Schweiz studiert. Für wie wichtig halten<br />

Sie diese Erfahrung rückblickend?<br />

Ich denke, dass das eine sehr wichtige Erfahrung<br />

war, aber nicht nur, weil es sich<br />

so gut im Lebenslauf macht. Das Allerwichtigste<br />

dabei ist die Horizonterweiterung:<br />

Man lebt in einem fremden Land,<br />

lernt neue Menschen und Sichtweisen<br />

kennen und kann im Idealfall sogar berufliche<br />

Richtungen und Kontakte finden.<br />

Das Fachliche ist meines Erachtens gar<br />

nicht das Entscheidende. Auch Studierende,<br />

die wie ich damals keine Fremdsprache<br />

studieren, sollten diese Erfahrung<br />

machen. Ich musste diesen Aufenthalt<br />

übrigens in Eigeninitiative organisieren,<br />

aber das hat sich wirklich gelohnt. Ich<br />

habe dadurch eine Fremdsprache erlernt<br />

und viele Kontakte geknüpft, die ich zum<br />

Teil heute noch pflege. Dass sich das Studium<br />

durch einen solchen Aufenthalt wie<br />

auch durch Praktika gegebenenfalls verlängert,<br />

sollte man meines Erachtens in<br />

Kauf nehmen. Nach meinem Alter oder<br />

der Dauer meines Studiums hat mich nie<br />

ein Arbeitgeber gefragt, aber immer nach<br />

meiner Berufserfahrung. Hätte ich mich<br />

nur aufs Studium konzentriert, wäre ich<br />

zügiger fertig geworden, hätte aber viele<br />

Erfahrungen nicht sammeln können, die<br />

mir im Job ganz klar geholfen haben.<br />

Nach Ihrem Studium haben Sie ein<br />

Volontariat in Heidelberg absolviert.<br />

Ist das der beste Einstieg in den Journalismus?<br />

Ich hatte nach meinem Abschluss zunächst<br />

auf eine Redakteursstelle spekuliert,<br />

musste aber feststellen, dass das<br />

nicht so einfach war. Nach einiger Zeit<br />

fand ich eine Stelle als Redaktionsassistentin<br />

bei einem eCommerce-Magazin.<br />

Das war nicht das, wonach ich gesucht<br />

hatte, aber ich habe dann doch zugesagt,<br />

in der Hoffnung auf diesem Wege einen<br />

Fuß in die Tür zu bekommen und doch<br />

Artikel schreiben zu dürfen. Genauso hat<br />

es dann glücklicherweise auch geklappt.<br />

Ein halbes Jahr später machte mich der<br />

Chefredakteur auf eine offene Stelle für<br />

ein Volontariat bei dem Medienmagazin<br />

kress report aufmerksam. Ich bewarb<br />

mich sofort und bekam die Ausbildungsstelle.<br />

Die Stelle war gar nicht öffentlich<br />

ausgeschrieben und ohne meinen Chefredakteur<br />

hätte ich nicht davon erfahren.<br />

An diesem Beispiel lässt sich gut erkennen,<br />

dass dieses interne Netzwerk furchtbar<br />

zufällig ist. Das ist wirklich nichts für<br />

schwache Nerven.<br />

Das Volontariat gilt immer noch als klassischer<br />

Einstieg in den Journalismus, obwohl<br />

ich heute dazu raten würde, dieses<br />

an einer Journalistenschule zu absolvieren,<br />

anstatt in einer Redaktion. Es wird<br />

immer wichtiger crossmedial arbeiten zu<br />

können und genau das lernt man an Journalistenschulen.<br />

Später können die Absolvent*innen<br />

dann überall arbeiten: im<br />

Printbereich, beim Fernsehen oder Rundfunk<br />

oder auch online. Für ein Volontariat<br />

– egal wo – ist ein abgeschlossenes Studium<br />

meist Voraussetzung. Man braucht ja<br />

ein Fachgebiet zur thematischen Spezialisierung.<br />

Allerdings wird später erwartet,<br />

17


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

18<br />

dass man sich schnell in neue Thematiken<br />

einarbeiten kann. Das ideale Studienfach,<br />

um Journalist*in zu werden, gibt es nicht.<br />

Das eigene Interesse ist das wichtigste<br />

Kriterium, die fachlichen Hintergründe<br />

sind bei Journalist*innen bunt gemischt.<br />

Wer in seinem Fachgebiet arbeiten möchte,<br />

muss entsprechend tief in die Materie<br />

einsteigen, um die fachliche Kompetenz<br />

mitzubringen, aber viele arbeiten auch<br />

fachfremd. Da haben die Geisteswissenschaftler*innen<br />

einen deutlichen Vorteil.<br />

Durch das, was sie im Studium lernen –<br />

selbstständige Arbeitsweise und kritisches<br />

Denken und Hinterfragen – gehen sie ergebnisoffener<br />

an Themen heran.<br />

Zusammengefasst würde ich sagen, dass<br />

man zunächst ein Fachstudium absolvieren<br />

und währenddessen jede Menge<br />

Arbeitserfahrung sammeln sollte. Es<br />

ist zudem sehr empfehlenswert, bereits<br />

während des Studiums an seinem Netzwerk<br />

zu arbeiten, denn in dieser Branche<br />

läuft vieles über Kontakte. An das Studium<br />

schließt sich idealerweise die Journalistenschule<br />

an. Dieser Weg ist zwar lang,<br />

aber er lohnt sich und die Ausbildung ist<br />

dann wirklich top.<br />

Nach dem Volontariat haben Sie eine<br />

Stelle beim FOCUS bekommen. War<br />

das ihr persönlicher Jackpot?<br />

Ja, auf jeden Fall! Allerdings war dies<br />

zunächst auch wieder nicht mein Traumjob,<br />

da die Stelle zweigeteilt in eine halbe<br />

PR- und eine halbe Journalistenstelle war.<br />

Aber allein die Chance, bei einem der<br />

großen Nachrichtenmagazine zu arbeiten,<br />

war sehr reizvoll. Daher habe ich das<br />

Angebot angenommen, wieder mit dem<br />

Ziel, mich daraus in die Richtung weiterzuentwickeln,<br />

in die ich beruflich wollte.<br />

Tatsächlich habe ich über Umwege dann<br />

auch genau die Redakteursstelle bekommen,<br />

die mich wirklich zufrieden gemacht<br />

hat.<br />

Nach der Geburt meiner Kinder konnte<br />

ich nur noch Teilzeit arbeiten und habe<br />

die PR-Stelle abgegeben. Bis 2009 habe<br />

ich in einem Internet-Ressort als Medienjournalistin<br />

gearbeitet. Dieses Ressort<br />

wurde dann geschlossen – was mir<br />

insofern zugute kam, als dass ich schon<br />

längere Zeit den Wunsch hatte, mehr zu<br />

Bildungsthemen zu arbeiten. Mein Traum<br />

war es, zum Schwestermagazin FOCUS<br />

Schule zu wechseln. Der Chefredakteur<br />

Helmut Markwort war im Zuge der<br />

Schließung meines bisherigen Ressorts<br />

einverstanden und so entging ich einer<br />

der ersten großen Entlassungswellen bei<br />

den Zeitschriften. Damit begann für mich<br />

die schönste Zeit meiner Karriere, weil ich<br />

nun genau die Stelle hatte, die ich mir<br />

vorgestellt hatte.<br />

Aus meiner eigenen Erfahrung möchte<br />

ich daher Geisteswissenschaftler*innen<br />

unbedingt den Tipp geben, jede sich bietende<br />

Gelegenheit zu ergreifen und zu<br />

gucken, was sich daraus machen lässt.<br />

Vielleicht scheint es zu Anfang nicht perfekt,<br />

aber häufig geht es von dort aus<br />

weiter.<br />

Inwiefern war der Wechsel auf die<br />

Teilzeitstelle eine Beeinträchtigung<br />

für Ihre Karriere?<br />

Für mich war es definitiv ein Karriereknick.<br />

Redaktionen nehmen auf Teilzeitkräfte<br />

leider wenig Rücksicht. Zum Beispiel<br />

werden häufig Gespräche zwischen Tür<br />

und Angel geführt, bei denen wichtige<br />

Themen vergeben werden. Da entgehen<br />

einem viele interne Absprachen, weil man<br />

ganz einfach nicht immer da ist. Auch<br />

bei den Konferenzterminen wird keine<br />

Rücksicht auf Teilzeitangestellte genommen.<br />

Wer nicht da ist, hat Pech gehabt.<br />

Es war für mich hingegen kein Problem,<br />

eine Teilzeitstelle zu bekommen; organisatorisch<br />

war der Verlag gut aufgestellt.<br />

Aber die Teilzeitstelle hat sich leider als<br />

karriereschädigend herausgestellt.<br />

In den letzten Jahren hat sich da aber<br />

vieles getan, es gibt neue Modelle. Heute<br />

wird man nicht mehr schief angeschaut,<br />

wenn man um 16 Uhr geht, um das Kind<br />

aus dem Kindergarten abzuholen. Aber<br />

leider bedeutet das nicht, dass auch die<br />

Akzeptanz in den Redaktionen automatisch<br />

besser geworden ist. Es geht in die<br />

richtige Richtung, aber es geht wahnsinnig<br />

langsam.<br />

Sie wurden später erneut vor die große<br />

Herausforderung gestellt, sich beruflich<br />

umzuorientieren und arbeiten<br />

heute selbstständig. Warum haben<br />

Sie diesen Schritt gewagt?<br />

FOCUS Schule wurde 2013 zu meinem<br />

großen Bedauern eingestellt. Von einem<br />

Tag auf den anderen mussten wir unseren<br />

Schreibtisch räumen und waren von<br />

der Arbeit freigestellt. Der Trend geht<br />

seit Jahren dahin, keine festangestellten<br />

Redakteur*innen, sondern nur noch<br />

freie Autor*innen zu beschäftigen. Für<br />

die Redaktionen ist das sehr lukrativ, weil<br />

die Honorare der freien Autor*innen nur<br />

halb so hoch sind wie die Ausgaben für<br />

Festangestellte. Die Auftragslage für freie<br />

Journalist*innen ist daher glänzend, aber<br />

leider wird sehr schlecht bezahlt. Nach<br />

dem Ende von FOCUS Schule habe ich<br />

mich zunächst um eine neue Anstellung<br />

bemüht und eine einjährige Elternzeitvertretung<br />

bei der Frauenzeitschrift DONNA<br />

bekommen. Das war aber nur eine vorübergehende<br />

Lösung und im April 2014<br />

habe ich mich als freie Journalistin selbstständig<br />

gemacht. Das hat manche Vorteile,<br />

denn ich kann die Themen, über die ich<br />

schreibe, selber auswählen. Auch dass ich<br />

mir meine Zeit frei einteilen kann, ist von<br />

Vorteil, aber die Bezahlung ist eben ein<br />

großes Problem. Ohne zusätzliche, lukrativere<br />

PR-Aufträge geht es kaum. Wenn<br />

es einem gelingt, irgendwo in sogenannter<br />

fester freier Mitarbeit zu arbeiten, ist<br />

das das Beste, was einem passieren kann.<br />

In meinen Augen ist das eine bedauerliche<br />

Entwicklung für guten Journalismus,<br />

aber man muss das Beste daraus machen.<br />

Während des Studiums denkt man,<br />

dass der Berufseinstieg die größte<br />

Hürde ist und dass es danach stetig<br />

vorangehe. Aber auch nach dem<br />

ersten Arbeitsvertrag gibt es immer<br />

neue Situationen, in denen man seinen<br />

Kompass neu ausrichten muss, sei<br />

es aus einer Interessenverschiebung<br />

oder aus wirtschaftlichen Gründen.<br />

Ja, im Journalismus muss man heute sehr<br />

flexibel sein. Es hat sich vieles verändert.<br />

Als Journalistin für den Printbereich bin<br />

ich heute mehr denn je in der Pflicht,<br />

mich fortzubilden. Gut aufgestellt sind<br />

diejenigen, die in allen Bereichen des<br />

Journalismus tätig sein können: Print,<br />

Radio, Online, Corporate Publishing und<br />

Public Relation. Allerdings klingt das jetzt<br />

alles in allem härter, als ich es empfunden<br />

habe. Ich denke, man kommt mit<br />

den Unwägbarkeiten im Journalismus<br />

gut zurecht, wenn man ein paar Charaktereigenschaften<br />

mitbringt. Dazu gehört,<br />

Gelegenheiten zu erkennen und sie zu<br />

ergreifen. Vieles ist im Journalismus Zufall,<br />

deswegen gibt es dort auch so viele<br />

krumme Lebensläufe. Man muss die Nerven<br />

haben, eine gewisse Zeit etwas zu<br />

machen, das man sich gar nicht so vorgestellt<br />

hat, und währenddessen versuchen,<br />

etwas aus dieser Chance zu machen, das<br />

einen weiterbringt.<br />

Welche Fähigkeiten und Eigenschaften<br />

zeichnen Sie Ihrer Meinung nach<br />

als Geisteswissenschaftlerin aus?<br />

Ich gehe an ein Thema immer mit dem<br />

Wissen heran, dass es nicht die eine Perspektive<br />

gibt und dass es Objektivität nicht<br />

geben kann, sondern dass jede Sichtweise<br />

subjektiv ist. Das ist ein zentraler Aspekt<br />

meiner geisteswissenschaftlichen Ausbildung<br />

und es prägt meine Arbeitsweise<br />

als Journalistin maßgeblich. Im Gegensatz<br />

zu vielen Kolleg*innen gehe ich sehr ergebnisoffen<br />

an meine Themen heran und<br />

versuche erst einmal, alle Informationen<br />

zu sammeln und alle Seiten zu befragen,<br />

bevor ich mir ein Bild mache. Das ist Fluch<br />

und Segen zugleich: Dadurch entstehen<br />

qualitativ hochwertige Artikel, die aber<br />

einen entsprechenden Zeitaufwand brauchen.<br />

Weitere Eigenschaften, die mich als<br />

Geisteswissenschaftlerin charakterisieren,<br />

sind sicher mein hohes Maß an Selbstständigkeit,<br />

an selbstständigem und kritischem<br />

Denken und die Fähigkeit mich zu<br />

organisieren.<br />

Was waren die Meilensteine, die zentralen<br />

Entscheidungen und Wendepunkte<br />

in Ihrer beruflichen Laufbahn?<br />

Aus der Anfangszeit zählt dazu auf jeden<br />

Fall die Entscheidung, nicht auf die perfekte<br />

Redaktions- oder Volontariatstelle<br />

zu warten, sondern den Mut zu haben,<br />

zunächst eine Redaktionsassistenz anzunehmen.<br />

Dass ich damals diese Offenheit<br />

hatte und bereit war, dieses Risiko einzugehen,<br />

war enorm wichtig und hat sich<br />

im Nachhinein immer wieder als richtig<br />

erwiesen.<br />

Ein weiterer Meilenstein war der Wechsel<br />

zu Bildungsthemen. Die eigenen Interessen<br />

zu hinterfragen und geänderten<br />

Schwerpunkten Rechnung zu tragen,<br />

indem man sich umorientiert, trägt stark<br />

zur beruflichen Zufriedenheit bei. Natürlich<br />

war auch der Schritt in die Selbstständigkeit<br />

ein wichtiger Wendepunkt<br />

meiner Laufbahn. Diesen habe ich mir nur<br />

bedingt selbst ausgesucht, aber es ist eine<br />

neue Chance.<br />

Welchen Rat geben Sie jungen Leuten,<br />

die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren<br />

oder die es bereits studieren?<br />

Gerade Geisteswissenschaftler*innen<br />

benötigen sehr viel Praxiserfahrung beim<br />

Start ins Berufsleben. Die sollten sie unbedingt<br />

während des Studiums sammeln.<br />

Hierbei sollten sie sich nach Möglichkeit<br />

nicht nur auf einen Bereich fokussieren,<br />

sondern in verschiedene Berufe hineinschnuppern,<br />

um einen Überblick über<br />

die Möglichkeiten zu bekommen. Nur so<br />

lässt sich rausfinden, was einem wirklich<br />

liegt. Eines der Ziele sollte dabei sein, viele<br />

Menschen kennenzulernen und dauerhafte<br />

Kontakte zu knüpfen, damit man<br />

sich frühzeitig ein Netzwerk aufbaut. Irgendwann<br />

kommt der Zeitpunkt, an dem<br />

man sich gegenseitig beruflich weiterhelfen<br />

kann. Garantiert!<br />

19


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

20<br />

ORIENTIERUNG 2.0<br />

INTERVIEW: MARGARETA STANCIU<br />

INTERVIEW: MARGARETA STANCIU<br />

PHILIPP SCHREIBER WURDE<br />

ZUNÄCHST LEHRER, BIS ER<br />

© Laura Keller<br />

Herr Schreiber, aus welchem<br />

Grund fiel die<br />

Wahl Ihres Studienorts<br />

auf die Uni Köln?<br />

Ich habe noch vor der Bologna-Reform<br />

in Siegen angefangen zu<br />

studieren. Dort habe ich bis zum Ende des<br />

Grundstudiums studiert. Dann habe ich<br />

zum Hauptstudium aus privaten Gründen<br />

nach Köln gewechselt. Ich hatte hier viele<br />

Kontakte und mir gefiel die Stadt.<br />

Stand die Wahl Ihrer Studienfächer<br />

von Anfang an fest?<br />

Nein. Ich war zu Anfang noch auf der<br />

Suche, was ich machen wollte. Ich habe<br />

zunächst Grundschullehramt studiert,<br />

unter anderem ein Semester lang Mathematik,<br />

was sich jedoch für mich nach<br />

einiger Zeit als nicht so geeignet erwiesen<br />

hat. Danach war ich kurze Zeit in Deutsch<br />

und Englisch für Magister eingeschrieben,<br />

doch da die Studieninhalte identisch<br />

zum Lehramt waren und mir die vagen<br />

Berufsperspektiven mit einem Magisterabschluss<br />

nicht zusagten, habe ich die<br />

vermeintlich sichere Variante gewählt und<br />

mich fürs Lehramt entschieden.<br />

„Geisteswissenschaften<br />

sind<br />

auch auf dem<br />

heutigen<br />

Arbeitsmarkt<br />

nicht wegzudenken.“<br />

Man muss sich inszenieren, einerseits vor<br />

dem Referendariatsseminar, andererseits<br />

vor den Schüler*innen, und somit unterschiedlichste<br />

Anforderungen befriedigen.<br />

Sicherlich, ich habe noch nie von jemandem<br />

gehört, dass er das Referendariat<br />

genossen hätte. Mittlerweile ist es auch<br />

etwas anders. Die Referendariatszeit ist<br />

gekürzt worden – was ich nicht unbedingt<br />

als vorteilhaft erachte, da ich der<br />

Meinung bin, dass bereits zu meiner Zeit<br />

eine unzureichende Vorbereitung auf die<br />

Lehrpraxis im Lehramtsstudium gegeben<br />

war. Diese Faktoren zusammen führten<br />

dazu, dass ich das Referendariat als psychisch<br />

zu belastend empfand und ich es<br />

nach einem halben Jahr abgebrochen<br />

habe.<br />

Wie ging es dann für Sie beruflich<br />

weiter?<br />

Es begann eine Zeit der Neuorientierung,<br />

die sich über etwa anderthalb Jahre ausgedehnt<br />

hat. Da habe ich unterschiedlichste<br />

Arbeiten erledigt. Zum Beispiel<br />

habe ich über eine Annonce eine freiberufliche<br />

Tätigkeit als Business English<br />

Coach bei einem Subunternehmen von<br />

Ford angefangen. Dort konnte ich meine<br />

fachlichen Kompetenzen als Anglist und<br />

Didaktiker einsetzen. Allerdings bot mir<br />

diese Tätigkeit auch nicht die Sicherheit,<br />

die beispielsweise der Lehrerberuf oder<br />

auch meine aktuelle Position bietet. Sie<br />

erfolgte zum einen auf freiberuflicher<br />

Basis, zum anderen hatte ich wenige Wochenstunden.<br />

Mit der Zeit habe ich festgestellt,<br />

dass der Weg eines Freelancers<br />

oder Consultants für mich nicht infrage<br />

kommt, da es mir schlicht und ergreifend<br />

zu abenteuerlich war. Anschließend folgten<br />

diverse kleinere Tätigkeiten zum reinen<br />

Broterwerb, wie z.B. Online-Redaktion<br />

und Online-Marketing für ein kleines<br />

Mode Start-up in Köln. Auch als Tablettabräumer<br />

in der Mensa der Uniklinik<br />

musste ich mich zeitweise verdingen. Es<br />

war nicht immer ganz einfach, da ich das<br />

Gefühl hatte, an meinen Kompetenzen<br />

vorbei zu arbeiten, sodass schon mal die<br />

Frage aufkam, wofür ich eigentlich studiert<br />

hatte. Nach gut einem Jahr fing ich<br />

ein Volontariat im Bereich Anwendungsentwicklung<br />

sowie technische und digi-<br />

21<br />

SEINE LIEBE ZUR TECHNIK<br />

ENTDECKTE. NACH<br />

EINER UMBRUCHS- UND<br />

ORIENTIERUNGSPHASE<br />

VERTRAUTE ER SCHLIEßLICH<br />

SEINEN INTERESSEN UND IST<br />

HEUTE GESCHÄFTSFÜHRER DER<br />

DENKFABRIK GROUP.<br />

© shutterstock | Seamartini Graphics<br />

Sie haben sich nach gewisser Zeit<br />

gegen den Lehrerberuf entschieden.<br />

Was würden Sie hier als zentralen<br />

Wendepunkt Ihrer Laufbahn bezeichnen?<br />

Der Wendepunkt kam im Referendariat.<br />

Den sogenannten „Praxisschock“ erlebt<br />

zwar so gut wie jeder Uni-Abgänger,<br />

aber das Besondere am Lehramt ist, dass<br />

man zusätzlich zu den fachlichen Anforderungen<br />

dauernd auf einer Bühne steht.<br />

Foto: © privat


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

22<br />

tale Projektentwicklung und -umsetzung<br />

bei der denkfabrik group in Hürth an. Das<br />

war das erste Mal, dass ich das Gefühl<br />

hatte, ich werde durch meine Aufgabe<br />

auf angenehme Weise gefordert, und wo<br />

ich es mir vorstellen konnte, dauerhaft zu<br />

bleiben.<br />

Mussten Sie sich viele Zusatzqualifikationen<br />

aneignen, um als Geisteswissenschaftler<br />

im technischen Bereich<br />

eines Unternehmens erfolgreich<br />

zu sein?<br />

Die Zeit im Volontariat war sicher auch<br />

nicht krisenfrei. Die größte Herausforderung<br />

jedoch war, zu beweisen, dass ich in<br />

der Lage war, die Anforderungen zu bewältigen,<br />

die an mich gestellt wurden. Ich<br />

musste mir in Eigenregie die Fähigkeiten<br />

aneignen, die nötig waren, um den Job<br />

richtig zu machen. Auf der anderen Seite<br />

bekam ich genügend Zeit und Freiraum<br />

von meinem Arbeitgeber, um mich zu<br />

entwickeln. Zusatzqualifikationen kann<br />

man natürlich immer machen. Wenn<br />

man beispielweise als Freelancer tätig<br />

ist, kann das durchaus sinnvoll sein, um<br />

nachweisen zu können, dass man diese<br />

oder jene Fachkenntnis besitzt. In meinem<br />

Bereich ist es jedoch nicht notwendig,<br />

da ich mich mit der Arbeit, die ich<br />

mache, hinreichend beweise, wenn man<br />

so will. Tatsächlich studiere ich noch nebenbei<br />

an der FernUni Hagen Informatik,<br />

um gewisse technische und theoretische<br />

Hintergründe besser zu verstehen, jedoch<br />

habe ich weder abgeschlossen noch ist<br />

das eine Voraussetzung für meine aktuelle<br />

Position.<br />

Wenn man sich als Studienanfänger<br />

für die Branche Web- und Anwendungsentwicklung<br />

interessiert, dann<br />

ist die Ergreifung eines geisteswissenschaftlichen<br />

Studiums nicht sehr<br />

naheliegend. Was, würden Sie sagen,<br />

sind die Vorteile Ihres Werdegangs<br />

verglichen mit jemandem, der sich<br />

direkt für z.B. Medieninformatik entschieden<br />

hat?<br />

Ganz pragmatisch betrachtet bin ich breiter<br />

aufgestellt als z.B. ein Informatiker und<br />

mute mir deshalb auch mehr zu; nicht unbedingt<br />

in der Tiefe aber in der Breite. Bei<br />

uns in der Firma haben wir beispielsweise<br />

auch eine PR- und Marketingabteilung<br />

und alles, was an Schriftverkehr anfällt,<br />

muss von mir Korrektur gelesen werden.<br />

Vorher musste das extern erledigt werden,<br />

da es in der Firma niemanden gab,<br />

der das übernehmen konnte. Das ist eine<br />

fachliche Kompetenz, die ich mitbringe<br />

und die ein Informatiker nicht unbedingt<br />

hat. Aber das trifft auch auf den Code,<br />

den ich schreibe, zu. Den kann ich unter<br />

anderem auch als formale Sprache<br />

betrachten, die eine Syntax, funktionale<br />

Elemente und Argumentstrukturen hat<br />

und die sich in nichts von formaler Linguistik<br />

unterscheidet. Weiterhin kann ich<br />

konzeptionieren, was viele, die als reine<br />

Softwareentwickler arbeiten, nicht tun.<br />

Ich habe keine Angst davor, aus einer<br />

Idee ein Produkt werden zu lassen und es<br />

dann auch selbst zu entwickeln. Eine weitere<br />

Stärke, die ein Geisteswissenschaftler<br />

meiner Meinung nach in allen Berufen<br />

mitbringt, ist eine gewisse Offenheit und<br />

die Neigung, Dinge zu hinterfragen, anders<br />

als ein Fachmann das tun würde, der<br />

immer nur diesen reinen IT-technischen<br />

Blick gewohnt ist und schwerlich andere<br />

Perspektiven einnehmen kann.<br />

Sie haben momentan eine Führungsposition.<br />

Inwiefern kam Ihnen Ihr<br />

Lehramtsstudium dafür zugute?<br />

Indem ich unmittelbar Verantwortung<br />

übernehmen konnte. So wurden mir bald<br />

unsere Schüler, Praktikanten und Azubis<br />

anvertraut. Deren Anleitung macht<br />

mir nach wie vor großen Spaß. Deshalb<br />

schließe ich es nicht aus, vielleicht später<br />

doch wieder lehrend tätig zu werden. Das<br />

ist auch etwas, was mich sehr glücklich<br />

macht: der Gedanke, nicht auf eine einzige<br />

Sache festgelegt zu sein. Außerdem<br />

arbeite ich auch an unserem Ausbildungsprogramm<br />

mit. Ich sehe dabei, dass mir<br />

die Vermittlung unserer Ausbildungsinhalte<br />

leichter fällt als manchen Kollegen,<br />

die bereits auf so einem spezialisierten<br />

Niveau denken und arbeiten, dass sie die<br />

Inhalte kaum noch so herunterbrechen<br />

können, dass auch ein Nicht-Fachmann<br />

sie versteht. Ich als Quereinsteiger kann<br />

mich da sehr gut hineinversetzen und die<br />

Perspektive desjenigen annehmen, der es<br />

gerade erst lernt. So kann ich auch anders<br />

mit Kunden umgehen als ein Techniker.<br />

Das sind auf jeden Fall Stärken, die jedem<br />

Unternehmen zugute kommen.<br />

Was würden Sie Studieninteressierten<br />

raten, die sich gerne für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium entscheiden<br />

würden, sich aber unsicher<br />

bezüglich der Berufsperspektiven<br />

nach dem Abschluss sind?<br />

Ein geisteswissenschaftliches Studium ist<br />

gewissermaßen ein Neigungsstudium,<br />

sofern man nicht in die Forschung oder<br />

Lehre gehen will oder kann, da die Stellen<br />

in diesem Bereich ja begrenzt sind. Man<br />

erlernt somit keinen Beruf, sondern vielleicht<br />

einen Blick auf die Welt, der fachlich<br />

untermauert wird. Das kann ein Vorteil<br />

sein. Ein Rat, den ich geben kann, ist,<br />

dass man keine Angst haben darf, es sich<br />

schwer zu machen. Ich kann nur davor<br />

warnen, sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium zu entscheiden, weil man<br />

es für „leichter“ hält als etwa Medizin,<br />

Biologie oder Physik. Die Anforderungen<br />

können in einem geisteswissenschaftlichen<br />

Studium genauso hoch sein, wenn<br />

man es will und zulässt. Zu meiner Zeit<br />

war es z.B. so, dass man mit Themen wie<br />

Harry Potter eine Abschlussarbeit bestreiten<br />

konnte. Da sollte man es sich nicht zu<br />

leicht machen. Man sollte für sich selbst<br />

den Anspruch hochhalten, dass man tatsächlich<br />

etwas sein und erreichen will und<br />

dass man sich selbst auch verbessern will.<br />

Dann kommt man irgendwann an einen<br />

Punkt, wo man merkt, egal welche Anforderungen<br />

an einen herangetragen<br />

werden, man kann diese mit den gleichen<br />

Methoden und Systematiken bearbeiten,<br />

verstehen und beherrschen. Dann ist es<br />

im Prinzip egal, in welche Richtung man<br />

geht. Es gibt Berufszweige, in denen<br />

man immer quer einsteigen kann. Man<br />

sollte das Lehramt beispielsweise nicht<br />

als Notstopfen sehen. Ich sehe es auch<br />

in meinem Bekanntenkreis – da ist die<br />

Geschichtswissenschaftlerin, die schnell<br />

noch promoviert und dann doch ins Lehramt<br />

geht, weil es vermeintlich sicherer ist.<br />

Ich finde das ein bisschen traurig, denn<br />

sie könnte vieles anders machen, aber es<br />

ist eben ein etwas steiniger Weg und da<br />

muss man dran bleiben. Und in meinem<br />

Fall – hätte ich vom Anfang an Informatik<br />

studiert, stünde ich nicht da, wo ich jetzt<br />

stehe. Ich wäre ein Teil einer Masse, aus<br />

der ich heute heraussteche. Ich erledige<br />

die Arbeit eines Entwicklers, obwohl ich<br />

kein Entwickler bin, und auf der anderen<br />

Seite ich bin auch kein Germanist oder<br />

Anglist…<br />

… oder sind Sie vielleicht auch all das<br />

gleichzeitig?<br />

… ganz genau. Nicht zu passen kann<br />

ein riesen Vorteil sein. Geisteswissenschaftler*innen<br />

können im Prinzip in<br />

jede Richtung gehen und, auch wenn sie<br />

nie voll passen, werden sie immer etwas<br />

mehr sein als das, was sie konkret tun.<br />

Zudem finde ich den Antagonismus von<br />

wirtschaftlichen und geisteswissenschaftlichen<br />

Inhalten komplett unsinnig. Es gibt<br />

keine wirtschaftlichen Konzepte ohne<br />

Kultur, Sprache oder Kommunikation.<br />

Deshalb sind die Geisteswissenschaften<br />

auch auf dem heutigen Arbeitsmarkt<br />

nicht wegzudenken.<br />

© shutterstock | master art<br />

23


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

24<br />

MUT, BE<strong>GEIST</strong>ERUNG<br />

& PERSÖNLICHKEIT<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

NADINE BLACK<br />

STUDIERTE MIT GROSSER<br />

BE<strong>GEIST</strong>ERUNG SPRACH- UND<br />

LITERATURWISSENSCHAFTEN.<br />

DREI JAHRE GING ES DANACH<br />

IM BEREICH MARKETING<br />

DIE KARRIERELEITER STEIL<br />

NACH OBEN. SIE STELLTE<br />

JEDOCH BALD FEST, DASS EIN<br />

SICHERER JOB MIT GUTEN<br />

AUSSICHTEN NICHT IMMER<br />

DAS WICHTIGESTE IST.<br />

© Christophe Damesme<br />

Sie haben sich für ein<br />

Studium der französischen,<br />

englischen und<br />

spanischen Sprach- und<br />

Literaturwissenschaften,<br />

also ein sehr klassisch geisteswissenschaftliches<br />

Feld, an der Philosophischen<br />

Fakultät der Universität zu Köln<br />

entschieden. Wie kam es zu dieser<br />

Wahl?<br />

Da ich in Köln aufgewachsen und zur<br />

Schule gegangen bin, hatte ich nach dem<br />

Abitur erst mal das Bedürfnis, meiner neu<br />

gewonnenen Freiheit Ausdruck zu verleihen<br />

und zog ins 600 km entfernte Passau.<br />

Ich wollte dort BWL mit fachspezifischer<br />

Fremdsprachenausbildung zu studieren.<br />

Fremdsprachen haben mich damals schon<br />

interessiert, aber da ich nicht recht wusste,<br />

in welche Richtung ich beruflich gehen<br />

wollte, hielt ich zunächst eine Wirtschaftskombination<br />

für eine kluge Wahl. Der<br />

Gedanke, ein reines Sprachenstudium zu<br />

absolvieren, kam mir zunächst gar nicht.<br />

Natürlich spielte bei dieser Entscheidung<br />

auch das Umfeld eine Rolle, genauer gesagt<br />

meine Eltern, die sich Sorgen machten<br />

und ihr Kind daher auf dem als sicher<br />

und solide erscheinendem Weg bestärkten.<br />

Ich stellte allerdings schnell fest, dass<br />

mir das BWL-Studium ganz und gar nicht<br />

lag. Also kam ich zurück nach Köln und<br />

beschloss, ein Studium in dem Bereich<br />

aufzunehmen, der mich wirklich interessiert.<br />

So habe ich mich dann für Sprachund<br />

Literaturwissenschaften entschieden.<br />

Dieser Schritt war für mich goldrichtig. Ich<br />

habe mein Studium sehr genossen, weil<br />

es mich inhaltlich begeistert hat.
<br />

Hatten Sie durch Ihr Elternhaus Kontakt<br />

zu geisteswissenschaftlichen<br />

Themen und Berufsfeldern?<br />

Zu Berufsfeldern nicht so sehr. Meine<br />

Mutter ist zwar pensionierte Englischlehrerin,<br />

aber es kam für mich nie in Frage,<br />

Lehrerin zu werden. Was ich aus ihrem<br />

Berufsalltag mitbekommen habe, war für<br />

mich eher abschreckend. Aber meine Begeisterung<br />

für Sprache und Literatur habe<br />

ich sicher meinem mehrsprachigen Elternhaus<br />

zu verdanken. Als ich das BWL-Studium<br />

abbrach, hat meine Familie natürlich<br />

zunächst die Hände über dem Kopf zusammen<br />

geschlagen. Zu Beginn meines<br />

„Es erfordert<br />

immer etwas<br />

Mut, sein<br />

Leben selbst<br />

in die Hand zu<br />

nehmen“<br />

geisteswissenschaftlichen Studiums kannte<br />

ich die typischen Aussagen wie „Aber<br />

Kind, was willst du denn damit machen?“<br />

nur zu gut. Aber es erfordert immer etwas<br />

Mut, sein Leben selbst in die Hand zu<br />

nehmen und daher habe ich mich darüber<br />

hinweggesetzt und darauf vertraut, dass<br />

sich schon was finden lässt. Und so ist es<br />

dann ja auch gekommen.
<br />

Heutzutage entscheidet häufig die<br />

Aussicht auf einen sicheren, gut bezahlten<br />

Job über die Studienwahl,<br />

obwohl das das als einziges Kriterium<br />

bei vielen Menschen nicht ausreicht.<br />

Wie schätzen Sie diese Entwicklung<br />

ein?<br />

Ich weiß nicht, ob es einen Königsweg<br />

gibt. Ich würde immer wieder dazu raten,<br />

das zu machen, was einen begeistert, allein<br />

schon aus dem Grund, weil man es<br />

ein Leben lang tut. Für einen Job, der<br />

zwar vermeintlich gutes Geld bringt, der<br />

einen aber nicht interessiert, ist das Leben<br />

einfach zu kurz! Zudem hat mich meine<br />

Erfahrung gelehrt, dass das, was man mit<br />

Freude tut, meist auch das ist, was man<br />

am besten kann. Wenn man die nötige<br />

Begeisterung mitbringt, wird sich der Erfolg<br />

auch einstellen. Das kann ich sowohl<br />

durch meine eigenen Erfahrungen als<br />

auch durch die Entwicklungen, die ich in<br />

meinem Umfeld beobachte, bestätigen.
<br />

Zudem sind Geisteswissenschaften sehr<br />

vielfältig. Die Studierenden lernen zwar<br />

keinen konkreten Beruf, aber sehr wichtige<br />

und vielseitig einsetzbare Kompetenzen,<br />

die in diversen Branchen und Sparten<br />

gebraucht werden. Es ist ja ohnehin so,<br />

dass man den Job im Job lernt. Natürlich<br />

lerne ich vorher Methoden, Theorien und<br />

Herangehensweisen, aber wie die Arbeit<br />

konkret in der jeweiligen Firma aussieht,<br />

lerne ich vor Ort. Damit ist natürlich nicht<br />

das spezifische Fachwissen wie beispielsweise<br />

im Finanzsektor gemeint, aber in<br />

Bereichen wie Personal, Beratung, Marketing<br />

oder ähnliches können Geisteswissenschaftler*innen<br />

mit entsprechendem<br />

Engagement und etwas Berufserfahrung<br />

durchaus unterkommen. Zudem habe ich<br />

festgestellt, dass in vielen Unternehmen<br />

ein Umdenken stattfindet. Es wird erkannt,<br />

dass Geisteswissenschaftler*innen<br />

über Fähigkeiten verfügen, die auch in<br />

primär wirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern<br />

von Vorteil sind.<br />

Worin sehen Sie konkrete Potenziale<br />

der Geisteswissenschaften?<br />

Das zeigt sich meines Erachtens zum Beispiel<br />

allein schon daran, dass die Kombination<br />

verschiedener Studienfächer dazu<br />

führt, das Denken in verschiedenen Disziplinen<br />

zu schulen. Geisteswissenschaftler*innen<br />

erwerben dadurch die Fähigkeit,<br />

Verknüpfungen zwischen Themen<br />

oder Ansätzen zu sehen, die sich vielleicht<br />

nicht auf den ersten Blick erschließen.<br />

Ebenfalls charakteristisch ist der geübte<br />

Umgang mit großen Mengen an Informationen.<br />

Diese klar und strukturiert auf<br />

den Punkt bringen zu können, ist eine<br />

klassisch geisteswissenschaftliche Kompetenz,<br />

die man im Studium erwirbt.<br />

Das alles sind so genannte „Alleinstellungsmerkmale“<br />

der Geisteswissenschaftler*innen.<br />

Das Naserümpfen über<br />

das geisteswissenschaftliche Studium geschieht<br />

daher oft aus Unwissenheit und<br />

zu Unrecht. Viele Leute können sich darunter<br />

nichts vorstellen und denken, dass<br />

es ein verkopftes Studium ist, das nichts<br />

Konkretes zutage fördert. Die Qualifikationen,<br />

die man dabei neben dem Fachlichen<br />

erwirbt, sind vielen Leuten nicht<br />

bewusst. Diese machen Geisteswissenschaftler*innen<br />

jedoch sowohl in klas-<br />

25


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

26<br />

sischen Arbeitsfeldern wie Verlag oder<br />

Journalismus einsetzbar, aber ebenso in<br />

diversen Wirtschaftsunternehmen, an die<br />

die wenigsten Menschen direkt denken.<br />

Neben dem Studium sind aber auch<br />

Nebenjobs und Praktika unerlässlich.<br />

Diese verlängern zwar meist das Studium,<br />

lohnen sich aber dennoch. Wie<br />

haben Sie das gehandhabt?<br />

Ich denke, dass dies gerade für Geisteswissenschaftler*innen<br />

absolut wichtig ist.<br />

Man muss die Studienzeit nutzen, sich zu<br />

orientieren, um herauszufinden, welche<br />

Tätigkeit einen begeistert. Gerade weil<br />

die Auswahl so vielfältig ist, ist es wichtig,<br />

Praktika und Nebenjobs zu machen,<br />

um ausloten zu können, ob ein bestimmter<br />

Beruf wirklich zu einem passt. Häufig<br />

haben wir klischeehafte Vorstellungen<br />

von Berufsfeldern, beispielsweise von der<br />

Werbewelt, und die lassen sich am besten<br />

durch praktische Erfahrung gerade rücken.<br />

Außerdem kann ich auf diese Weise<br />

erste Berufserfahrung sammeln, die für<br />

den Berufseinstieg nach dem Studium<br />

sehr nützlich ist.<br />

Ich selbst war darauf angewiesen, mich<br />

allein zu finanzieren. Neben ein paar ganz<br />

typischen Studentenjobs wie Promotion<br />

oder Kellnern, habe ich fast mein ganzes<br />

Studium lang in einer Werbeagentur<br />

gearbeitet. Mit diesem Job hatte ich großes<br />

Glück, da die Erfahrung, die ich dort<br />

gesammelt habe, mir später ganz viel<br />

genützt hat. Natürlich hat das meine Studienzeit<br />

verlängert, aber einen Nachteil<br />

hatte ich dadurch nicht.<br />

Ich konnte nach dem Abschluss immerhin<br />

eine Menge Berufserfahrung, zum<br />

Beispiel als PR-Projektleiterin, vorweisen.<br />

Dadurch gelang es mir auch, direkt nach<br />

dem Studium als Marketingverantwortliche<br />

in einem mittelständischen Unternehmen<br />

der Lebensmittelindustrie einzusteigen.<br />

Wie haben Sie den Berufseinstieg<br />

erlebt?<br />

Entscheidend ist, was man tatsächlich<br />

kann und wie man sich verkauft. Durch<br />

meine bereits gesammelte Arbeitserfahrung<br />

hatte ich schon eine gewisse<br />

Selbstsicherheit in meinem Auftreten.<br />

Den jungen Leuten, die heute vor der<br />

Studienwahl stehen, wird meines Erachtens<br />

viel zu stark suggeriert, dass sie möglichst<br />

schnell in die Arbeitswelt müssen.<br />

Dabei braucht es doch Zeit, eine eigene<br />

„Zu welchen<br />

Kompromissen<br />

bin ich bereit und<br />

wann schwimme<br />

ich auch mal gegen<br />

den Strom?“<br />

Persönlichkeit und auch eine gewisse<br />

Menschenkenntnis zu entwickeln. Ich<br />

habe inzwischen auch viele Bewerbungsgespräche<br />

auf der anderen Seite des Tisches<br />

geführt und habe dabei viele top<br />

qualifizierte Bewerber kennengelernt, die<br />

aber einfach so jung waren, dass sie allein<br />

deshalb für den Job nicht in Frage kamen.<br />

Persönliche Reife und Stabilität hat man<br />

mit Anfang zwanzig noch nicht, was natürlich<br />

kein Vorwurf ist! Ich kann jungen<br />

Menschen nur raten, ihre eigene Identität<br />

zu suchen und eine Persönlichkeit zu entwickeln.<br />

Dafür ist es viel sinnvoller, eine<br />

Weltreise zu machen oder zumindest ein<br />

halbes Jahr im Ausland zu studieren, als<br />

schon mit Anfang zwanzig in den Job zu<br />

wollen. Das ist allein schon an der Frage,<br />

wen man zu seinen Kunden schickt, um<br />

Geschäftsgespräche zu führen, ganz gut<br />

nachzuvollziehen. Mein Alter war bei Vorstellungsgesprächen<br />

jedenfalls noch nie<br />

ein Thema. Nur was ich kann und welche<br />

Erfahrungen ich gesammelt habe.<br />

Nach drei Jahren als Marketing- und<br />

Vertriebsleitung haben Sie einen<br />

Schnitt gemacht und sich ein Jahr<br />

Auszeit genommen. Wie beschreiben<br />

Sie ihre weitere Laufbahn?<br />

Ich habe drei Jahre lang so viel gearbeitet,<br />

dass ich die Notbremse ziehen musste. Ich<br />

fühlte mich derart ausgelaugt, dass ich in<br />

einem Jahr Auszeit die einzige Möglichkeit<br />

sah. In diesem einen Jahr habe ich<br />

mich viel mit Literatur und Philosophie<br />

beschäftigt und mich persönlich weiterentwickelt.<br />

Ich habe mit dem Gedanken<br />

gespielt, eine Dissertation zu beginnen,<br />

aber daraus entwickelte sich bald eine<br />

Romanidee. Ich habe meine Liebe zum<br />

Schreiben entdeckt und das verfolge ich<br />

auch weiterhin.<br />

Durch diese Auszeit haben sich meine Prioritäten<br />

stark verändert und ich glaube,<br />

dass das für mich lebenswichtig war. Ich<br />

hatte einen guten Job mit Aufstiegschancen,<br />

habe Karriere gemacht und gut verdient,<br />

aber mir wurde bewusst, dass ich<br />

mich kaputt mache, wenn ich so weiter<br />

mache. Unsere Vorstellung, wie die Welt<br />

funktioniert, ist häufig nicht unsere eigene,<br />

sondern wir übernehmen sie von denen,<br />

die sie uns vorleben. Ich habe erlebt,<br />

dass eine 60-Stunden-Woche normal ist,<br />

wenn ich etwas erreichen will. In meinem<br />

Arbeitsumfeld war das so. Aber dass es<br />

mir gar nicht gut tut und dass es einen<br />

anderen Weg gibt, musste ich erst lernen.<br />

Da wird das Thema der Identitätsfindung<br />

wieder wichtig: Wer bin ich? Was ist mir<br />

wichtig? Zu welchen Kompromissen bin<br />

ich bereit und wann schwimme ich auch<br />

mal gegen den Strom? Als ich die Auszeit<br />

nahm, war mein ganzes Umfeld nahezu<br />

bestürzt. Letztlich haben sich dadurch<br />

aber viele unerwartete Türen geöffnet.<br />

Als ich nach etwa einem Jahr wieder berufstätig<br />

werden wollte, habe ich ganz<br />

bewusst meine Strukturen geändert: andere<br />

Tätigkeit, anderes Pensum. Ich wurde<br />

in Teilzeit für eine Anwaltskanzlei tätig<br />

und habe dort die Verwaltung aufgebaut<br />

und die hierfür relevanten Prozesse in den<br />

Bereichen Finanzen, Personal, Organisation<br />

etc. etabliert. Als diese Aufgabe abgeschlossen<br />

war, habe ich vor etwa einem<br />

halben Jahr mein Tätigkeitsfeld und die<br />

Branche erneut gewechselt und entwickle<br />

nun Kommunikationskonzepte und -strategien<br />

in einem Telekommunikationsunternehmen.<br />

Ich arbeite auch jetzt nur in<br />

Teilzeit angestellt sowie selbständig an<br />

ausgewählten Projekten. Ansonsten widme<br />

ich mich dem Schreiben und achte auf<br />

mein inneres Gleichgewicht.<br />

Denken Sie, dass die persönliche Entfaltung<br />

bei vielen Menschen zu kurz<br />

kommt?<br />

Meiner Erfahrung nach haben viele Menschen<br />

vielseitige Interessen und möchten<br />

neben dem Job beispielsweise gerne Musik<br />

machen oder sich sozial engagieren.<br />

Diese Beschäftigungen sind wichtig, da<br />

sie uns glücklich machen und für innere<br />

Ausgeglichenheit sorgen. Letztlich ist es<br />

eine ganz einfache Rechnung: Wie viel<br />

Geld brauche ich zum Leben und wie viel<br />

Zeit muss ich aufwenden, um dieses Geld<br />

zu verdienen? Ich habe die Erfahrung<br />

gemacht, dass man viel weniger Geld<br />

braucht, als man meint, und dass Freizeit<br />

durch kein Geld der Welt aufgewogen<br />

werden kann. Es ist wichtig, dass wir uns<br />

auf unseren eigenen Weg konzentrieren<br />

und uns nicht entmutigen zu lassen,<br />

wenn es mal nicht so läuft. Meines Erachtens<br />

sollte jeder Mensch in regelmäßigen<br />

Abständen den eigenen Weg reflektieren<br />

und überprüfen. Etwas, das uns vor drei<br />

Jahren richtig und wichtig erschien, ist es<br />

heute vielleicht nicht mehr. Neue Erfahrungen<br />

und andere Umstände eröffnen<br />

uns andere Blickwinkel und lassen die Prioritäten<br />

verschieben. Dabei gibt es auch<br />

kein ‚Richtig‘ oder ‚Falsch‘, denn Änderungen<br />

sind normal.<br />

Bitte fassen Sie nochmal kurz zusammen,<br />

was Sie als Geisteswissenschaftlerin<br />

auszeichnet.
<br />

Meine Stärke liegt in der konzeptionellen<br />

Entwicklung von Themen und Aufgaben.<br />

Es liegt mir, innerhalb kürzester Zeit aus<br />

einer großen Informationsmenge die<br />

wichtigen Dinge zu erfassen und sie in<br />

einer logischen Struktur auf den Punkt zu<br />

bringen. Auch in komplexe Themen kann<br />

ich mich schnell einarbeiten.
Natürlich<br />

profitiere ich auch von meinen kommunikativen<br />

Fähigkeiten und der Beherrschung<br />

von drei Fremdsprachen. Auch eine sehr<br />

gute Selbstorganisation im Spannungsfeld<br />

zwischen Qualität und Zeit ist etwas,<br />

dass mich auszeichnet.
<br />

Welche Ereignisse würden Sie als Meilensteine<br />

Ihrer beruflichen Laufbahn<br />

bezeichnen?<br />

Der größte Meilenstein war für mich das<br />

eine Jahr Auszeit mit den daraus resultierenden<br />

Veränderungen. Aber es muss<br />

nicht immer so extrem sein. Im Grunde<br />

genommen setzt jede Lebensentscheidung<br />

einen größeren oder kleineren<br />

Meilenstein. Nicht jede Entscheidung war<br />

glücklich, aber immer sinnvoll für meine<br />

eigene Entwicklung. Die Devise lautet:<br />

entscheiden, ausprobieren, reflektieren<br />

und gegebenenfalls reagieren, wenn ich<br />

feststelle „ist nicht meins“.
<br />

Welchen Rat geben Sie jungen Leuten,<br />

die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren<br />

und denen, die es bereits studieren?<br />

Das wichtigste ist, in sich selbst zu horchen,<br />

was man wirklich will und dann<br />

den Mut zu haben, dies auch zu tun. Die<br />

wenigsten Menschen wissen nach der<br />

Schulzeit ganz genau, was sie beruflich<br />

machen wollen, und daher sollte die ausschlaggebende<br />

Frage sein: Was ist meine<br />

Leidenschaft? Vielleicht muss ich auch<br />

erst entdecken, was mich begeistert. Ein<br />

Hindernis auf diesem Weg ist oftmals<br />

die Unterscheidung zwischen dem, was<br />

ich will, und dem, was meiner Meinung<br />

nach von mir erwartet wird. Für die Entwicklung<br />

der eigenen Identität sollte man<br />

sich aber Zeit nehmen. Von Eltern vorgeschlagene<br />

Werdegänge enden viel zu<br />

häufig entweder im zähneknirschenden<br />

Arrangement mit dem Job oder mit einem<br />

späteren Umschwenken. Jede*r sollte<br />

sich sagen: „Es ist mein Leben, ich muss<br />

etwas finden, mit dem ich glücklich bin<br />

und nicht meine Eltern oder mein sonstiges<br />

Umfeld.“
<br />

Dann möchte ich noch den dringenden<br />

Rat geben, Berufserfahrung zu sammeln<br />

und Praktika zu machen, auch wenn sich<br />

das Studium dadurch etwas verlängert.<br />

Auch wenn einem das System suggeriert,<br />

dass es besser sei, beim Start in das Berufsleben<br />

so jung wie möglich zu sein,<br />

was zählt ist, ob der*die Bewerber*in<br />

Persönlichkeit hat und damit aus dem Einheitsbrei<br />

raussticht. Ein Studienabschluss<br />

ist heutzutage leider nichts Besonderes<br />

mehr, daher entscheiden andere Kriterien<br />

über den Erfolg.
<br />

Für die Phase des Berufseinstiegs empfehle<br />

ich, sich soviel wie möglich zu bewerben,<br />

damit man Erfahrungen in den<br />

Gesprächen bekommt. Die Wenigsten<br />

können sich direkt souverän verkaufen.<br />

Zu Beginn kann man sich daher ruhig auf<br />

Jobs bewerben, die man gar nicht unbedingt<br />

haben will, und diese Vorstellungsgespräche<br />

als Übung begreifen. Zudem<br />

gerät gerne in Vergessenheit, dass man<br />

nicht nur sich für den Job vorstellt, sondern<br />

dass einem auch das Unternehmen<br />

zusagen sollte.
<br />

Zuletzt möchte ich den Rat geben, sich<br />

immer weiter zu entwickeln, um zu entdecken,<br />

was noch für Potentiale in einem<br />

stecken. Solche Entdeckungen an sich<br />

selber und der Austausch mit anderen<br />

darüber machen glücklich und erweitern<br />

auch den Horizont, wenn es darum geht<br />

einen Job zu bekommen. Nach meiner<br />

Erfahrung darf ein Lebenslauf ruhig ein<br />

paar Ecken und Kanten haben, wenn<br />

man dazu steht. In Bewerbungsgesprächen<br />

wurde ich immer viel intensiver nach<br />

meiner Auszeit gefragt, als nach meiner<br />

Marketingtätigkeit. Das macht mich interessant,<br />

weil ich damit etwas eigenes<br />

mitbringe, was mich von vielen anderen<br />

unterscheidet. Meines Erachtens bedarf<br />

es genau dreier lei zum Erfolg: Mut, Begeisterung,<br />

Persönlichkeit.<br />

27


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

28<br />

„VOR NEUEM HAT<br />

MAN KEINE ANGST“<br />

© Christian Tepper | Landeshauptstadt<br />

Hannover, Museum August Kestner<br />

INTERVIEW: SILKE FEUCHTINGER<br />

MUSEUMSKURATORIN DR. SIMONE VOGT<br />

RÄT ZU EINEM STUDIUM DER NEUGIER<br />

UND DER INTERESSEN<br />

© shutterstock | ULKASTUDIO<br />

Simone Vogt hat ihr Studium der Klassischen<br />

Archäologie im Jahr 1998 an der<br />

Philosophischen Fakultät der Universität<br />

zu Köln mit dem Magister Artium abgeschlossen.<br />

Drei Jahre später hat sie mit<br />

einer Dissertation über „Römische Idealplastik<br />

in Oberitalien“ außerdem den<br />

Doktorgrad erworben. Nach einer Station<br />

als Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Deutschen Archäologischen Institut<br />

in Rom fand sie 2002 den Einstieg in<br />

den Museumsbetrieb bei der Museumslandschaft<br />

Hessen Kassel. Nach einem<br />

Volontariat und verschiedenen Stellen als<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie seit<br />

mehr als sieben Jahren Kuratorin am Museum<br />

August Kestner in Hannover.<br />

Frau Vogt, warum liegen<br />

Ihnen die Geisteswissenschaften<br />

am Herzen?<br />

Unsere Gesellschaft ist immer<br />

stärker an Kosten-/Nutzenrechnungen<br />

orientiert. Selbstverständlich<br />

gibt es Bereiche, in denen das<br />

nötig ist. Aber auf der anderen Seite geht<br />

auch vieles an intellektuellem Reichtum<br />

verloren, wenn wir alles durchökonomisieren.<br />

Das freie Denken, die Neugier und<br />

die Leidenschaft für eine Arbeit dürfen<br />

wir nicht verlieren. Das tut auf lange Sicht<br />

auch der Entwicklung einer Gesellschaft<br />

gut – in jeder Hinsicht. Die Geisteswissenschaften<br />

leisten hier einen wichtigen<br />

Beitrag, weil sie sich mit Gebieten befassen,<br />

die nicht schon von vornherein einen<br />

zweckgebundenen Ansatz verfolgen. Sich<br />

von der eigenen Begeisterung tragen zu<br />

lassen, kann oft der richtige Wegweiser<br />

sein. Der ‚Nutzen‘ zeigt sich dann manchmal<br />

erst in der Rückschau.<br />

Wie muss man sich Ihr jetziges Tätigkeitsfeld<br />

vorstellen?<br />

Ich bin Kuratorin des Bereiches ‚Münzen<br />

und Medaillen‘ im Museum August Kestner<br />

in Hannover. Unser Museum umfasst<br />

eine reiche, kulturgeschichtliche Sammlung<br />

vom 4. Jahrtausend v. Chr. bis in unsere<br />

heutige Zeit. Wir zeigen altägyptische<br />

Objekte, griechisch-römische Kunst sowie<br />

mittelalterliche Gegenstände bis hin zu<br />

modernem Design. Die Münzsammlung,<br />

die ich betreue, umfasst Prägungen aus<br />

dem antiken Griechenland, aus dem Römischen<br />

Reich und aus Deutschland vom<br />

Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Wir<br />

präsentieren also 2500 Jahre Geldgeschichte.<br />

Meine Tätigkeit ist dabei eine<br />

ganz klassische Kuratorenaufgabe: Sammeln,<br />

Bewahren, Forschen, Ausstellen,<br />

Vermitteln – so formuliert der Deutsche<br />

Museumsbund unsere Standards. Für unsere<br />

verschiedenen Ausstellungen bereite<br />

ich die Sammlung immer wieder so auf,<br />

dass die Besucher ihr Wissen bereichern<br />

und etwas mitnehmen aus ihrem Besuch<br />

bei uns – sei es nun durch die Art der Präsentation,<br />

durch erklärende Texte oder<br />

durch Führungen. Ich empfinde es als<br />

großes Glück, eine Arbeit zu haben, die<br />

mir Freude macht und die auch anderen<br />

Menschen etwas mitgibt.<br />

„Das freie<br />

Denken, die<br />

Neugier<br />

und die<br />

Leidenschaft<br />

für eine<br />

Arbeit dürfen<br />

wir nicht<br />

verlieren.“<br />

Haben Sie als Geisteswissenschaftlerin<br />

spezielle Fähigkeiten, die Ihnen<br />

dabei besonders von Nutzen sind?<br />

Mit Münzen und Medaillen habe ich mich<br />

während meines Studiums nur ganz am<br />

Rande befasst. Dennoch hat mich meine<br />

Universitätsausbildung sehr gut auf meinen<br />

Beruf vorbereitet. Als Geisteswissenschaftlerin<br />

kann ich mich schnell auf neue<br />

Bereiche einstellen, Texte und Themen<br />

schnell erfassen, strukturiert denken und<br />

arbeiten. Mein Studium hat mir hierfür<br />

eine ganze Bandbreite an ‚Werkzeug‘ an<br />

die Hand gegeben, auf das ich immer wieder<br />

zurückgreife. Das hat mich durch meine<br />

gesamte berufliche Laufbahn getragen<br />

und mir ein stabiles Selbstbewusstsein<br />

gegeben. Als Geisteswissenschaftlerin hat<br />

man vor Neuem keine Angst – man weiß,<br />

dass man mit fast allem wird umgehen<br />

können.<br />

Würden Sie aus heutiger Sich dasselbe<br />

noch einmal studieren? Gibt es etwas,<br />

das Sie anders machen würden?<br />

Tatsächlich würde ich mehr oder weniger<br />

alles genauso wiedermachen. Sicherlich<br />

habe ich einen langen Atem gebraucht,<br />

um schließlich in meinem Wunschberuf<br />

arbeiten zu können – aber es hat sich gelohnt.<br />

Hatten Sie zu Beginn Ihres Studiums<br />

ein klares berufliches Ziel vor Augen?<br />

Nein, mit 19 Jahren hatte ich das tatsächlich<br />

noch nicht. Archäologie hat mich<br />

zunächst einmal ganz grundsätzlich interessiert<br />

und fasziniert. Die Frage, was<br />

ich damit machen werde, habe ich mir<br />

so konkret zunächst gar nicht gestellt. Ich<br />

finde, Studierende sollten grundsätzlich<br />

die Zeit und die Möglichkeit bekommen,<br />

in verschiedene Schwerpunkte hineinzuschnuppern<br />

und auch durch Praktika<br />

und Jobs in andere Arbeitsfelder Einblick<br />

zu erhalten. Man muss sich ausprobieren<br />

während des Studiums. Dann fällt einem<br />

hinterher vieles leichter.<br />

Wann haben Sie sich für den Museumsbereich<br />

entschieden?<br />

Als Studentin war ich auf mehreren archäologischen<br />

Grabungen, das hat mir<br />

viel Spaß gemacht. Aber als berufliche<br />

Perspektive kam das für mich nicht in Frage<br />

– auch wegen der enormen Reisetätigkeit,<br />

die damit verbunden ist. Für mich<br />

selbst wurde schnell klar, dass ich mich<br />

29


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

30<br />

an der Schnittstelle von Wissenschaft<br />

und Kulturvermittlung sehe – da lag der<br />

Museumssektor natürlich nahe. Von diesem<br />

Zeitpunkt an, also etwa nach sechs<br />

Semestern, wusste ich dann sehr deutlich,<br />

wohin ich will.<br />

Hängt Ihre Entscheidung, nach dem<br />

Studium eine Promotion anzuschließen,<br />

mit diesem Ziel zusammen?<br />

Sicherlich. Anfangs hatte ich eine Promotion<br />

noch gar nicht auf dem Schirm.<br />

Es wurde mir dann aber bald klar, dass<br />

mir der Doktortitel nutzen würde für<br />

den Bereich, in dem ich heute bin. Somit<br />

war das durchaus eine pragmatische Entscheidung.<br />

Und natürlich hat diese wissenschaftliche<br />

Weiterqualifikation auch<br />

meine methodischen Fertigkeiten noch<br />

weiter geschärft.<br />

„Man<br />

muss sich<br />

habilitierten Kolleginnen und Kollegen<br />

haben jedoch durchaus Probleme gehabt,<br />

nach einigen Jahren in der Wissenschaft<br />

nochmal in eher praxisorientierten Bereichen<br />

Fuß zu fassen.<br />

Wie haben Sie den Einstieg ins Berufsleben<br />

empfunden? Können Sie hier<br />

auch von Schwierigkeiten berichten?<br />

Die gab es zweifelsohne, da muss man<br />

ehrlich sein. Der Einstieg war sicherlich<br />

nicht leicht, meine Leidensfähigkeit wurde<br />

hier ein ums andere Mal auf die Probe<br />

gestellt: zeitlich begrenzte Forschungsprojekte,<br />

freie Mitarbeiten, befristete Verträge.<br />

Dass ich schließlich meine jetzige<br />

Stelle bekommen habe und diese dann<br />

nach drei Jahren auch noch entfristet wurde,<br />

das hat auch viel mit Zufall und Glück<br />

zu tun. Viele meiner Kollegen hatten nicht<br />

dieses Glück. Die haben den geisteswissenschaftlichen<br />

Bereich schließlich verlassen<br />

und sind an ganz anderen Orten<br />

untergekommen – in Unternehmensberatungen<br />

oder in der PR-Abteilung von Banken<br />

oder Versicherungen. Auch das kann<br />

am Ende die richtige Entscheidung sein.<br />

Hatten Sie einen Plan B?<br />

Erstaunlicherweise hatte ich den nicht.<br />

Ich habe immer darauf vertraut, dass es<br />

irgendwie weiter geht, habe mich meiner<br />

Fähigkeiten versichert und gehofft, dass<br />

es irgendwann klappt mit der festen Stelle.<br />

Und das hat es dann ja auch. Am Ende<br />

hat man sicherlich auch schwere Phasen<br />

hinter sich, aber gleichzeitig auch eine<br />

wahnsinnig reichhaltige Lebens- und Be-<br />

rufserfahrung. Und das möchte ich nicht<br />

missen – bei allen Schwierigkeiten, die es<br />

gab.<br />

Wäre eine freiberufliche Tätigkeit für<br />

Sie längerfristig auch eine Option gewesen?<br />

Für mich persönlich nicht, weil ich ein Gefühl<br />

der Sicherheit gebraucht habe. Das<br />

sollte man vorher gut hinterfragen und<br />

einschätzen können.<br />

Haben Sie sich während oder nach<br />

Ihrem Studium Zusatzqualifikationen<br />

erworben?<br />

Ganz wichtig waren auf alle Fälle meine<br />

Sprachkenntnisse. Dank meines zweiten<br />

Nebenfachs Romanistik und einem Auslandstudium<br />

in Italien beherrsche ich neben<br />

Englisch sowohl Französisch als auch<br />

Italienisch fließend. Diese drei Sprachen<br />

haben mir bei allen Stationen sehr geholfen.<br />

Auch heute noch: schnell mal einen<br />

fremdsprachigen Text erfassen – das ist<br />

für mich Alltag. In einer kurzen Phase der<br />

Arbeitslosigkeit, die es durchaus gab und<br />

die ich auch nicht verschweigen möchte,<br />

habe ich außerdem einen Weiterbildungskurs<br />

in BWL gemacht. Ob ich den wirklich<br />

gebraucht hätte, kann ich gar nicht recht<br />

beurteilen. Aber einige Einblicke, die mir<br />

weiterhelfen, hat er mir schon gegeben.<br />

Die meisten Zusatzqualifikationen habe<br />

ich mir aber durch alle möglichen Jobs<br />

erarbeitet – allein schon zur Mit-Finanzierung<br />

meines Studiums. Auch aus völlig<br />

fachfremden Jobs wie als Verkäuferin in<br />

einer Boutique habe ich dabei eine Menge<br />

mitgenommen.<br />

Haben Sie daneben auch Praktika absolviert?<br />

Als Geisteswissenschaftler sollte man immer<br />

offen sein. Da sind Praktika eine gute<br />

Möglichkeit, neben der Wunschbranche<br />

auch noch andere Bereiche kennenzulernen.<br />

Als Studentin habe ich ein Praktikum<br />

bei einem Verlag in Köln gemacht. Da ich<br />

es in meinem heutigen Beruf auch immer<br />

wieder mit der Publikation von Schriften<br />

zu tun habe, denke ich daran oft zurück.<br />

Sind Ihnen, als Sie Ihr Studienfach<br />

gewählt haben, aus Familienkreisen<br />

Ressentiments entgegen gebracht<br />

worden?<br />

Erstaunlicherweise nicht – und das<br />

obwohl mein Elternhaus eigentlich<br />

keinen akademischen Hintergrund<br />

hatte. Ein Studium aus Neugier und<br />

Interesse war für meine alleinerziehende<br />

Mutter nie ein Problem.<br />

Würden Sie heutigen Studienanfänger*innen<br />

zu einem geisteswissenschaftlichen<br />

Studium raten?<br />

Auf jeden Fall. Ein gewisses Maß an<br />

Leidenschaft muss man allerdings<br />

mitbringen. Dass man in einem bestimmten<br />

Schulfach einigermaßen<br />

gut war, reicht als Entscheidungsgrundlage<br />

nicht aus. Aber wenn die<br />

Begeisterung da ist, dann würde ich<br />

immer zuraten. Gleichzeitig würde<br />

ich aber auch empfehlen, die eigene<br />

Leidensfähigkeit richtig einschätzen<br />

zu können – zum Beispiel in Bezug<br />

auf Befristungen und örtliche Flexibilität.<br />

Und immer den Blick dafür offen<br />

behalten, was einem das Leben sonst<br />

noch so bringt.<br />

31<br />

ausprobieren<br />

während des<br />

Studiums.<br />

Dann fällt<br />

einem<br />

hinterher<br />

vieles<br />

leichter.“<br />

Gab es auch berufliche Situationen, in<br />

denen Ihnen der Doktortitel eher hinderlich<br />

war?<br />

Nein. Als Überqualifikation wurde der<br />

Titel in meiner Branche nie wahrgenommen.<br />

Auch in meinem Umfeld habe ich<br />

dafür keine Anhaltspunkte. Einige meiner


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

32<br />

© Janine Guldener<br />

KREATIV STATT<br />

KONFORM<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

JULIA BEERHOLD ABSOLVIERTE PARALLEL ZU IHREM STUDIUM EINE<br />

SCHAUSPIELAUSBILDUNG. IN IHREN HEUTIGEN TÄTIGKEITEN ALS<br />

SCHAUSPIELERIN UND VORSTANDMITGLIED DES BUNDESVERBAND<br />

SCHAUSPIEL KOMMEN IHR BEIDE AUSBILDUNGSWEGE ZU GUTE.<br />

Viele junge Menschen Mit meinen Studienfächern war ich zwar<br />

träumen von einer gut ausgelastet, aber irgendwie war ich<br />

Karriere beim Film. Bei mir sicher, dass das noch nicht alles sein<br />

Ihrer Studienwahl war konnte. Also habe ich beschlossen einen<br />

dies jedoch noch gar Teil meines Studiums in Madrid zu absolvieren,<br />

was auch der Romanistik sehr zu<br />

nicht geplant. Wie haben Sie sich für<br />

Ihre Studienfächer entschieden? Gute kam.<br />

Nach dem Abitur stand ich vor dem Problem,<br />

dass ich zu viele Themen spannend<br />

fand. Zuerst hab ich mich für ein Studium Wie haben Sie das Studium in Spanien<br />

erlebt?<br />

im Bereich Regie interessiert, aber da haben<br />

mir die Hochschulen nicht sonderlich Im Vergleich zum Studium in Köln, kam<br />

zugesagt. Letztlich hab ich mich dann mir die Universität in Madrid sehr verschult<br />

vor. Es gab viel Frontalunterricht,<br />

für Theater-, Film- und- Fernsehwissenschaft,<br />

Kunstgeschichte, und Romanistik wenig Diskussion und zu wenig Raum für<br />

eingeschrieben. Da das Studium erst im kritische Reflexion. Aber mir ist in dieser<br />

Herbst begann und ich nicht so lange Zeit sehr bewusst geworden, dass gerade<br />

warten wollte, habe ich bereits im Sommer<br />

ein Fernstudium zur Übersetzerin für rer Universitäten und nicht zuletzt auch<br />

letzteres ein wesentliches Merkmal unse-<br />

Spanisch angefangen. Mit der Arbeit als unserer Demokratie ist. Dadurch habe<br />

Übersetzerin konnte ich mein Hochschulstudium<br />

gut finanzieren, aber mir war gelernt.<br />

ich das Studium in Köln sehr schätzen<br />

schnell klar, dass ich in dem Beruf nicht In anderen Bereichen gibt es in Spanien<br />

glücklich würde. Daher habe das Übersetzen<br />

nach Studienende aufgegeben. land ist es fast undenkbar, eine<br />

hingegen deutliche Vorteile. In Deutsch-<br />

vernünftige<br />

Arbeit zu bekommen, ohne eine<br />

entsprechende Ausbildung absolviert zu<br />

haben. In Spanien ist das keine Seltenheit.<br />

Das ist dort viel flexibler.<br />

Neben dem Studium an der Universität<br />

haben Sie in Madrid zusätzlich<br />

eine Schauspielschule besucht und<br />

dadurch Ihre Karriere gestartet. Wie<br />

beschreiben Sie diesen Weg?<br />

Ich fühlte mich auch in Madrid immer<br />

noch etwas auf der Suche und kam dann<br />

auf die Idee, mich zusätzlich an einer<br />

Schauspielschule zu bewerben. Was ich<br />

dort gelernt habe, hat mich total gepackt<br />

und begeistert. Mein Studium wollte ich<br />

aber keinesfalls aufgeben, sondern sah<br />

es im Gegenteil als sinnvolle Ergänzung.<br />

Daher ging ich nach Abschluss der Schauspielschule<br />

zurück<br />

nach Köln, um hier<br />

mein Studium abzuschließen.<br />

Nach<br />

einiger Zeit im spanischen<br />

Bildungssystem<br />

konnte ich<br />

unseres viel mehr<br />

schätzen, so dass<br />

es mir noch mehr<br />

Freude bereitet hat<br />

als zuvor. Aber die<br />

Begeisterung für<br />

die Schauspielerei<br />

blieb und daher<br />

bemühte ich mich<br />

parallel um meine<br />

ersten Rollen. Ich<br />

bekam zunächst<br />

eine Rolle am<br />

Theater, wechselte aber nach einem Jahr<br />

zum Fernsehen. Dort wurde ich für eine<br />

Serie engagiert. Heute spiele ich in Serien<br />

und in Filmen und kann für mich sagen,<br />

meinen Traumberuf gefunden zu haben.<br />

Dennoch ist es nicht leicht als Schauspielerin<br />

sein Geld zu verdienen. Gerade<br />

Frauen haben es da extrem schwer und<br />

daher ist der Aufbau eines Netzwerks<br />

unerlässlich. Mit Ehrgeiz, starken Nerven<br />

und Durchhaltevermögen ist das aber<br />

durchaus zu schaffen.<br />

Sie sind aber nicht nur Schauspielerin,<br />

sondern auch noch Vorstandsmitglied<br />

im Bundesverband Schauspiel. Was<br />

bedeutet dieses zusätzliche Standbein<br />

für Sie?<br />

Es ist großartig zu sehen, was wir in recht<br />

kurzer Zeit erreicht haben und dass unter<br />

Schauspielern wirklich eine Gemeinschaft<br />

und ein Netzwerk besteht. Es allerdings<br />

sehr arbeits- und zeitintensiv. Die Verbandsarbeit<br />

ist im Grunde ein zweiter<br />

Vollzeitjob. Das hätte ich zu Beginn nicht<br />

gedacht.<br />

Bei der Gründung war ich recht skeptisch,<br />

weil ich nicht gedacht habe, dass sich<br />

genug Leute engagieren. Aber die berufliche<br />

Situation für Schauspieler*innen<br />

ist sehr problematisch und da ist es gut,<br />

dass es eine Gruppe von Leuten gegeben<br />

hat, die Strategien entwickelt haben, aus<br />

dem Verband eine einflussreiche Gewerkschaft<br />

zu machen, anstatt nur zu lamentieren.<br />

Das hat natürlich nur funktioniert,<br />

weil sie die Leute überzeugt haben und<br />

sich immer mehr Schauspieler*innen angeschlossen<br />

haben. So bin ich auch dazu<br />

kommen und war dann auch recht schnell<br />

im Vorstand. Heute engagiere mich mit<br />

ganz viel Herzblut für den Bundesverband<br />

Schauspiel und diese Tätigkeit ist mir so<br />

wichtig, dass ich bereit bin, meine Freizeit<br />

auf ein Minimum zu reduzieren.<br />

Kommt Ihnen Ihr geisteswissenschaftliches<br />

Studium bei der Verbandsarbeit<br />

zu Gute?<br />

Ja, das tut es in jedem Fall! Wir kümmern<br />

uns um die Verbesserung der beruflichen<br />

Situation von Schauspieler*innen und<br />

waren dabei schon sehr erfolgreich. Es<br />

kommt dabei vor allem darauf an, dass<br />

man sich die Themen intensiv erarbeiten<br />

kann. Da die Arbeit immer im Team stattfindet,<br />

ist das Zwischenmenschliche sehr<br />

wichtig. Mit vielen verschiedenen Menschen<br />

an einem Projekt zu arbeiten, kann<br />

extrem schwierig sein, vor allem, wenn es<br />

anfängt stressig und belastend zu werden.<br />

Hierbei sehe ich mich als Geisteswissenschaftlerin<br />

im Vorteil, weil ich zum<br />

einen gelernt habe, mich selbstständig<br />

in neue Themen einzuarbeiten und zum<br />

anderen in den Seminaren immer wieder<br />

mit neuen Leuten<br />

zusammen arbeiten<br />

musste. Nicht<br />

zuletzt lernen Geisteswissenschaftler*innen<br />

über<br />

den Tellerrand zu<br />

gucken und die<br />

Dinge zu hinterfragen.<br />

Das ist sehr<br />

hilfreich für die<br />

Verbandsarbeit.<br />

Welche Tätigkeiten<br />

haben Sie<br />

dort genau?<br />

Wir bekommen<br />

viel Einblick in<br />

die Kulturpolitik.<br />

Beispielsweise haben wir uns für eine<br />

korrekte Sozialversicherung während<br />

der Dreharbeiten eingesetzt und die Beantragung<br />

von Arbeitslosengeld I für<br />

Schauspieler*innen möglich gemacht.<br />

Da wir häufig nur kurzzeitig bei den Produktionsfirmen<br />

angestellt sind, war dies<br />

bis dato nicht gegeben und in der Folge<br />

für viele von uns regelmäßig Hartz IV bedeutete.<br />

Die Beschäftigungsarten haben<br />

sich geändert, viele Arbeitnehmer*innen<br />

arbeiten mal auf Rechnung und mal im<br />

33


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

34<br />

Angestelltenverhältnis. Wir wollten erreichen,<br />

dass die Politik diesen diversen Beschäftigungsverhältnissen<br />

Rechnung trägt<br />

und das nicht nur bei Schauspieler*innen.<br />

Aktuell recherchiere ich zu der Situation<br />

von Schauspielerinnen. Frauen sind<br />

immer noch weniger repräsentiert und<br />

zudem bei gleicher Leistung schlechter<br />

bezahlt. Die Gleichstellung ist das nächste<br />

große Projekt.<br />

Welche Vorteile bringen Geisteswissenschaftler*innen<br />

Ihrer Meinung<br />

nach für den Arbeitsmarkt mit?<br />

Geisteswissenschaften zu studieren, bedeutet<br />

zum einen, sich in der Tradition<br />

unseres kulturellen Erbes zu bewegen<br />

und daran zu partizipieren. Zum anderen<br />

lernen wir selbstständiges Denken und<br />

die Fähigkeit Zusammenhänge herzustellen,<br />

die sich nicht auf den ersten Blick<br />

erschließen. Darüber hinaus hinterfragen<br />

Geisteswissenschaftler*innen häufig ihre<br />

eigenen Perspektiven und erweitern auf<br />

diese Weise ihren Horizont. Das sind alles<br />

Kompetenzen, die man in vielen Jobs<br />

brauchen kann. Zu Beginn einer neuen<br />

Anstellung muss ich mich ohnehin mit<br />

dem Job vertraut machen und mich in die<br />

Thematik einarbeiten, egal was ich studiert<br />

habe. Das ist kein Nachteil, der allein<br />

den Geisteswissenschaften anhängt.<br />

Natürlich kann ich als Geisteswissenschaftlerin<br />

beispielsweise keine Elektronikteile<br />

entwickeln, dafür fehlt mir das<br />

Fachwissen, aber ich kann zum Beispiel<br />

überlegen, was die Kunden brauchen und<br />

was dementsprechend entwickelt werden<br />

muss. Aber auch hinsichtlich neuer<br />

Firmenstrukturen, Qualitätsverbesserung,<br />

Beratung etc. können sich Geisteswissenschaftler*innen<br />

einbringen und neue<br />

Denkansätze geben.<br />

Zu Studienbeginn hat man uns direkt gesagt,<br />

dass es kein Praxisstudium ist, sondern<br />

dass wir hier lernen, zu denken und<br />

„Geisteswissenschaften<br />

zu<br />

studieren, bedeutet<br />

selbstständiges Denken<br />

zu lernen“<br />

wer besser denkt, könne besser arbeiten.<br />

Dies ist meines Erachtens ein Kernsatz, an<br />

dem sich nichts geändert hat. Wer den<br />

Sinn von Geisteswissenschaften hinterfragt,<br />

sollte sich einmal die Frage stellen,<br />

in was für einer Welt wir ohne Geisteswissenschaften<br />

leben würden? Mir begegnet<br />

das selbst häufig genug in Form der Frage,<br />

warum wir überhaupt Theater brauchen.<br />

Man muss sich einfach nur einmal<br />

vorstellen: Eine Welt ohne Theater, ohne<br />

Bilder, ohne Musik, ohne Literatur. Was ist<br />

das dann für eine seelenlose, arme Welt?<br />

Wir stellen uns selbst ein Armutszeugnis<br />

aus, wenn wir gesellschaftliche Relevanz<br />

nur noch an ökonomischen Größen messen.<br />

Wenn es nur ein paar Eliteunis gibt,<br />

an denen Kinder reicher Eltern studieren<br />

können und wenn es nur noch Studienfächer<br />

gibt, die einen direkten berufspraktischen<br />

Nutzen versprechen, dann verliert<br />

die Gesellschaft.<br />

Seit einiger Zeit wird versucht, die<br />

jungen Leute möglichst schnell auf<br />

den Arbeitsmarkt zu bringen, beispielsweise<br />

indem Schulzeit und Studium<br />

verkürzt bzw. straffer organisiert<br />

werden. Wie schätzen Sie diese<br />

Entwicklung ein?<br />

Ich denke, dass wir uns an dieser Stelle<br />

unbedingt die Frage stellen müssen, was<br />

für ein Staat wir sein wollen. Wenn die<br />

Frage nach der Ausbildung nur noch auf<br />

rein ökonomischen Überlegungen basiert,<br />

führt das dazu, dass wir gute Mitläufer<br />

generieren, aber ansonsten bringt es uns<br />

nicht unbedingt weiter. Wir sollten uns<br />

fragen, was die Kaderschmieden für unsere<br />

Köpfe sind? Wir brauchen flächendeckend<br />

gute staatliche Universitäten,<br />

die die Leute zum Denken befähigen.<br />

Diese Leute qualifizieren sich dadurch für<br />

Tätigkeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen.<br />

Wo steuern wir hin, wenn die Leute, die<br />

nach ihrem Studium auf den Arbeitsmarkt<br />

wollen, so jung sind, dass sie noch gar<br />

keine Gelegenheit hatten, eine Persönlichkeit<br />

auszubilden? Sind die Leute erstmal<br />

in den Mühlen des Arbeitsmarktes<br />

drin, wird es ihnen erschwert, ihre Persönlichkeit<br />

herauszubilden. Sie können dann<br />

zwar businessaffin, aber nicht selbstständig<br />

denken. Die Personaler eines Unternehmens<br />

fragen sich doch auch, was<br />

Bewerber*innen für die Firma bringen,<br />

was für Fähigkeiten und Interessen sie<br />

mitbringen, ob sie zuverlässig, intelligent<br />

und diszipliniert sind und auch mal über<br />

den Tellerrand schauen können? Natürlich<br />

gibt es solche und solche Firmen, aber<br />

ich denke, das Geisteswissenschaftler*innen<br />

mit Ehrgeiz, Engagement und einem<br />

guten Netzwerk in vielen Bereichen gute<br />

Chancen haben.<br />

Was würden Sie sagen, zeichnet Sie<br />

persönlich als Geisteswissenschaftlerin<br />

aus?<br />

Wenn ich ein neues Projekt angehe,<br />

merke ich, dass sich meine Arbeitsweise<br />

von der vielen Kolleg*innen unterscheidet.<br />

Ich kann sehr schnell recherchieren,<br />

eine klare Fragestellung formulieren und<br />

überlegen, welche Methode die Richtige<br />

für mein Projekt ist. Diese wende ich<br />

dann an und schaue, was ich mit den<br />

gewonnenen Erkenntnissen anfange.<br />

Diese Arbeitsweise ist klassisch geisteswissenschaftlich<br />

und hilft mir vor allem in<br />

der Verbandsarbeit aber auch sonst hervorragend<br />

weiter. Eine weitere Fähigkeit,<br />

die mich als Geisteswissenschaftlerin auszeichnet<br />

ist, dass ich mich über einen mittelfristigen<br />

Zeitraum gut organisieren und<br />

dann selbstdiszipliniert an dem jeweiligen<br />

Projekt arbeiten kann. Im Studium gilt es<br />

häufig viel Stoff zu bewältigen, zum Beispiel<br />

für Klausuren oder Hausarbeiten.<br />

Dafür muss man lernen, sich über einen<br />

längeren Zeitraum in den Stoff einzuteilen<br />

und anzueignen. Anders schafft man<br />

„Eine Welt ohne<br />

Geisteswissenschaften<br />

wäre ein Albtraum“<br />

das Studium gar nicht. Letztlich zeichnet<br />

mich als Geisteswissenschaftlerin natürlich<br />

auch die schon angesprochene Fähigkeit<br />

des kritischen Denkens aus sowie der<br />

Blick über den Tellerrand.<br />

Was waren die Meilensteine, die zentralen<br />

Entscheidungen und Wendepunkte<br />

in Ihrer beruflichen Laufbahn?<br />

Ein Meilenstein war auf jeden Fall meine<br />

Entscheidung gegen eine Laufbahn als<br />

Übersetzerin. Ich war zwar gut darin, aber<br />

ich habe darauf vertraut, dass es auch<br />

noch andere Sachen gibt, die ich kann<br />

und die ich lieber mache. Entsprechend<br />

kann ich als weiteren Meilenstein meine<br />

Entscheidung, parallel zum Studium die<br />

Schauspielschule zu absolvieren, nennen.<br />

Das war zwar viel Arbeit neben meinem<br />

Studium, aber es hat mich so begeistert,<br />

dass ich es durchgehalten habe.<br />

Nach meinem Abschluss habe ich kurzzeitig<br />

überlegt zu promovieren. Aber dadurch,<br />

dass ich relativ schnell TV-Rollen<br />

bekommen habe, habe ich mich dagegen<br />

entschieden. Auch das war eine wichtige<br />

Entscheidung. Es erschien mir damals<br />

zwar als sicherer Weg, da die Schauspielerei<br />

ja kein besonders sicheres Berufsfeld<br />

ist, aber ich habe mich da durchgeboxt.<br />

Hätte ich eine Laufbahn bei einem Sender<br />

angestrebt, wäre eine Promotion nützlich<br />

gewesen, aber für mich war das einfach<br />

nicht das richtige. In einem Berufsfeld,<br />

von dem dir das Umfeld immer wieder<br />

sagt, wie unsicher es ist, erfordert es Mut<br />

zu sagen: ‚Ich mache es trotzdem‘. Ich bin<br />

froh, dass ich es so gemacht habe, weil es<br />

für mich genau das Richtige ist.<br />

Welchen Rat geben Sie jungen Leuten,<br />

die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren<br />

und denen, die es bereits studieren?<br />

Es ist wichtig Selbstachtung zu haben<br />

und sich selber wertzuschätzen. Vielleicht<br />

geht es diesbezüglich vielen Leuten wie<br />

mir: In meinem Elternhaus hatte man<br />

keine große Meinung von Geisteswissenschaftler*innen.<br />

Ich hatte es schwer, nicht<br />

auf die negativen Stimmen zu hören und<br />

den Weg einzuschlagen, den ich selber<br />

wollte. Ich möchte den Leuten, die in der<br />

gleichen Situation sind, raten, sich davon<br />

nicht einnehmen zu lassen. Sie sollten<br />

versuchen, sich selbst, ihr Wissen und ihre<br />

Entscheidungen wertzuschätzen, denn<br />

wer etwas wirklich will, schafft es auch.<br />

Dazu kommt noch das Bewusstsein, dass<br />

Frauen leider immer noch in der selben<br />

Position dreimal besser sein müssen als<br />

Männer. Ähnlich ist es leider auch in den<br />

Geisteswissenschaften. Auch hier muss<br />

man immer einmal öfter beweisen, dass<br />

man gut ist. Daher ist es besonders wichtig,<br />

sich bewusst zu machen, was man im<br />

gesamtgesellschaftlichen Kontext leistet<br />

und was eine Welt ohne Geisteswissenschaften<br />

wäre.<br />

Studieninteressierte sollten in sich rein<br />

horchen, ob sie wirklich konform und<br />

hierarchiehörig sein möchten oder ob<br />

sie sich trauen, selbst Impulse zu setzen.<br />

Geisteswissenschaften sind etwas für Leute,<br />

die die Welt gestalten wollen und die<br />

auch für sie Verantwortung übernehmen<br />

wollen. Von diesen Leuten braucht unsere<br />

Gesellschaft ständig fähigen Nachwuchs!<br />

35<br />

©shutterstock | Kateryna


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

36<br />

IT & LITERATUR<br />

INTERVIEW: CONSTANZE ALPEN<br />

JAN-ERIK BOLZ ARBEITE<br />

WÄHREND SEINES STUDIUMS<br />

BEREITS SELBSTSTÄNDIG<br />

ALS IT-BERATER. FÜR SEINEN<br />

BERUFSEINSTIEG HAT ER EBENFALLS<br />

DIE IT-BRANCHE GEWÄHLT, IST<br />

ABER DENNOCH VON SEINEM<br />

<strong>GEIST</strong>ESWISSENSCHAFTLICHEN<br />

STUDIUM UND DEN DARIN<br />

ERWORBENEN FÄHIGKEITEN<br />

ÜBERZEUGT.<br />

©shutterstock | Oleksiy Mark<br />

© André Boeck<br />

Es ist eher ungewöhnlich,<br />

als Absolvent der Philosophischen<br />

Fakultät im IT-Bereich<br />

durchzustarten. Wie<br />

kam es dazu?<br />

Ich hatte schon früh großes Interesse an<br />

Technik. Meine Familie unterstützte das<br />

und ließ mich auf ein technisches Gymnasium<br />

gehen. Ich wollte nach dem Abitur<br />

ein Studium der Elektrotechnik beginnen.<br />

Aber kurz vorher habe ich mich dann doch<br />

dagegen entschieden. Bei uns zu Hause<br />

wurde schon immer viel gelesen und<br />

meine Mutter schreibt auch für eine norddeutsche<br />

Lokalzeitung. Zudem hatte ich<br />

eine sehr gute Deutschlehrerin, die mein<br />

Interesse an Literatur gefördert hat. Daher<br />

hab ich im Laufe der Zeit erkannt, dass ich<br />

mit reiner Elektrotechnik nicht glücklich<br />

werden würde. Ich hatte das Gefühl, dass<br />

mir ein geisteswissenschaftliches Studium<br />

mehr Freude bereiten würde und dass<br />

das ein gutes Entscheidungskriterium sei.<br />

Dennoch war ich mir bewusst, dass der<br />

technische Sektor viel geeigneter ist, um<br />

Karriere zu machen. Also suchte ich nach<br />

einem Kompromiss und war sehr glücklich,<br />

als ich heraus fand, dass die Uni Köln<br />

mit dem Fach Informationsverarbeitung<br />

einen solchen anbietet.<br />

Sie schrieben sich an der Philosophischen<br />

Fakultät aber zunächst für<br />

eine Kombination mit geisteswissenschaftlichem<br />

Schwerpunkt ein.<br />

Ja, das stimmt. Ich habe mich zunächst<br />

für Germanistik, Anglistik und Informationsverarbeitung<br />

eingeschrieben. Allerdings<br />

merkte ich bald, dass mir Anglistik<br />

nicht gut lag. Da inzwischen im Rahmen<br />

des Bolognaprozesses die Umstellung<br />

auf das Bachelor-Master-Studiensystem<br />

erfolgt war, wechselte ich somit auf Germanistik<br />

und Informationsverarbeitung<br />

als 2-Fach-Bachelor. Hierbei waren beide<br />

Fächer gleich gewichtet. Dieses Studium<br />

war für mich genau die richtige Entscheidung<br />

und ich habe in dieser Kombination<br />

sowohl den Bachelor als auch den Master<br />

absolviert.<br />

Informationsverarbeitung ist als geisteswissenschaftliches<br />

Fach noch wenig<br />

bekannt, aber es beinhaltet die<br />

Verknüpfung von IT und Geisteswissenschaften,<br />

die sogenannten Digital<br />

Humanities, die eine große Chance für<br />

die Geisteswissenschaften darstellen.<br />

Wie beurteilen Sie dieses Fach?<br />

Informationsverarbeitung ist ein Fach,<br />

das häufig missverstanden wird. Es ist ein<br />

Fach der Philosophischen Fakultät, in dem<br />

aber hauptsächlich programmiert wird.<br />

Das schreckt zum einen viele Studienanfänger*innen<br />

ab zum anderen fühlen sich<br />

auch viele vor den Kopf gestoßen, weil sie<br />

den technischen Anteil nicht so intensiv<br />

erwartet haben. Es ist aber nur auf den<br />

ersten Blick ungewöhnlich, da wir nicht<br />

daran gewöhnt sind Geisteswissenschaften<br />

und Technik zusammen zu denken.<br />

Aber ich denke, dass in diesem Bereich<br />

die Zukunft der Geisteswissenschaften<br />

liegt. Hier lernt man zum Beispiel Suchmaschinen<br />

für Museen zu entwickeln<br />

oder kreative Nutzeroberflächen für Archivierungsprojekte.<br />

Die Nutzung der digitalen<br />

Möglichkeiten für die Bewahrung<br />

und Bereitstellung von Informationen zu<br />

geisteswissenschaftlichen Themen gibt<br />

diesen eine völlig neue Dimension. Wir<br />

haben uns im Studium intensiv damit<br />

auseinandergesetzt und viele Möglichkeiten<br />

kennengelernt. Zudem gab es auch<br />

immer die Möglichkeit praktische Erfahrungen<br />

in außeruniversitären Projekten zu<br />

sammeln. Das war alles in allem sehr gut.<br />

Haben Sie das technische Know-how<br />

im Studium erworben oder hatten Sie<br />

bereits Vorkenntnisse?<br />

Ich hatte mir bereits vor dem Studium<br />

aus Interesse Programmierkenntnisse erarbeitet.<br />

Das war auch gut so, denn es<br />

ist durchaus sinnvoll Vorkenntnisse zu<br />

haben, wenn man anfängt, Informationsverarbeitung<br />

zu studieren. Natürlich gibt<br />

es auch Möglichkeiten, das im Studium zu<br />

erlernen, aber da muss man schon ziemlich<br />

schnell sein. Ein gutes Angebot ist das<br />

IT-Zertifikat für Geisteswissenschaftler*innen.<br />

Das ist eine Zusatzqualifikation, die<br />

von der Philosophischen Fakultät angeboten<br />

wird. Daran können Studierende<br />

jeglicher Fachrichtungen teilnehmen. Es<br />

ist recht anspruchsvoll, aber man gewinnt<br />

einen Einblick in viele Bereiche der Informatik.<br />

Zudem sichert man sich dadurch<br />

sicher auch einen Pluspunkt bei Bewerbungen,<br />

weil man damit – neben den<br />

fachlichen Qualifikationen – ganz klar<br />

nachweist, über die Grenzen des eigenen<br />

Fachs hinaus zu blicken. Aber auch<br />

für die Studierenden aus der Informationsverarbeitung<br />

ist das Zertifikat sinnvoll,<br />

denn wir machen zwar vieles davon auch<br />

im Studium, aber durch so einen Kurs<br />

bekommt man einen zusätzlichen schriftlichen<br />

Nachweis über die eigenen Kenntnisse<br />

und das ist in jedem Fall sinnvoll. Ich<br />

hatte allerdings Glück, weil ich die Basis<br />

schon drauf hatte und daher das Studium<br />

für mich mehr Vertiefung, Schärfung und<br />

Erweiterung der Kenntnisse war.<br />

Als einer der ersten Masterabsolventen<br />

der Philosophischen Fakultät haben<br />

Sie die bildungspolitischen Veränderungen<br />

der letzten Jahre direkt<br />

am eigenen Leib zu spüren bekommen.<br />

Inwieweit hatten Sie und Ihre<br />

Kommiliton*innen Sorgen bezüglich<br />

beruflichen Perspektiven mit dem Bachelor<br />

und/oder Master?<br />

Das Thema der beruflichen Perspektiven<br />

ist tatsächlich in den letzten Jahren immer<br />

präsenter geworden. Das hängt aber meines<br />

Erachtens nicht nur mit den bildungspolitischen<br />

Entwicklungen zusammen,<br />

sondern mit den gesellschaftlichen und<br />

politischen Entwicklungen allgemein. Zu<br />

Beginn habe ich mir um das, was nach<br />

dem Studium kommt nicht so viele Ge-<br />

37


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

STUDIUM – UND NUN?<br />

38<br />

danken gemacht. Ich sah darin ein Stück<br />

meiner persönlichen Freiheit, erst mal<br />

‚nur’ zu studieren. Aber irgendwann wurde<br />

der Druck größer und ich würde schon<br />

sagen, dass die Studienanfänger*innen<br />

sich heute früher Gedanken machen müssen,<br />

was sie mit ihrem Studium machen<br />

möchten. Das Streben nach wirtschaftlicher<br />

Effizienz hat da vor den Geisteswissenschaften<br />

keinen Halt gemacht.<br />

Kam es für Sie infrage nach dem Bachelor<br />

aufzuhören?<br />

Nein, ich habe mich direkt im Anschluss<br />

für den Master eingeschrieben. Meiner<br />

Meinung nach ist der Bachelor nicht ausreichend.<br />

Viele Leute probieren es zwar<br />

auf dem Arbeitsmarkt, stellen dann aber<br />

bald fest, dass die Aufstiegschancen nicht<br />

optimal sind. Viele gehen dann noch mal<br />

zurück an die Uni.<br />

Wann wussten Sie, dass Ihr beruflicher<br />

Weg in den IT-Sektor führen<br />

würde?<br />

Da ich mich in meinem Studium komplett<br />

selbst finanzieren musste, habe ich währenddessen<br />

diverse Jobs vom Catering bis<br />

zur IT-Administration gemacht und konnte<br />

mir von vielen Bereichen einen Eindruck<br />

verschaffen. In diesem Zuge habe<br />

ich auch ein Praktikum in der Pressestelle<br />

des Bundesinstituts für Arzneimittel und<br />

Medizinprodukte gemacht. Das hat mir so<br />

viel Spaß gemacht, dass ich eine Zeit lang<br />

gerne in den PR-Bereich gegangen wäre.<br />

Dann habe ich aber in meinem Nebenjob<br />

als Systemadministrator an der Uni Bonn<br />

sehr viel IT-Praxis gelernt und dieses Wissen<br />

auch noch durch Eigeninitiative erweitert.<br />

Daher bekam ich bereits während<br />

des Studiums Angebote für die Gestaltung<br />

und Programmierung von Webseiten.<br />

Ich stellte schnell fest, dass sich damit<br />

gut Geld verdienen ließ. Dann habe mich<br />

kurzerhand selbstständig gemacht und<br />

damit Geld neben dem Studium verdient.<br />

Seit dieser Zeit hatte ich mich dann für die<br />

IT-Laufbahn entschieden.<br />

Gerade für die Selbstständigkeit ist<br />

ein gutes Netzwerk notwendig. Welche<br />

Erfahrungen haben Sie mit dem<br />

Thema Netzwerk gemacht?<br />

Netzwerke sind meines Erachtens unerlässlich.<br />

Je früher man damit anfängt,<br />

desto besser. Ich habe den Eindruck, dass<br />

viele Geisteswissenschaftler*innen die<br />

Notwenigkeit eines Netzwerks verdrängen.<br />

Da herrscht zu häufig die Einstellung,<br />

erst mal den Abschluss zu machen<br />

und dann mal gucken. Diese Leute haben<br />

es alle schwer reinzukommen. Ich hatte<br />

schon während meines Studiums angefangen,<br />

mir ein Netzwerk aufzubauen,<br />

indem ich beispielsweise ein Xing-Profil<br />

angelegt und Kontakte gepflegt habe.<br />

Das hat mir sowohl in der Phase der<br />

Selbstständigkeit als auch bei dem Weg<br />

in die Festanstellung geholfen. Auch den<br />

gerade anstehenden Jobwechsel verdanke<br />

ich meinen Kontakten.<br />

Haben Sie nach Ihrem Studium noch<br />

eine Zeit lang weiter selbstständig<br />

gearbeitet oder wollten Sie danach<br />

lieber in eine Festanstellung?<br />

Ich habe lediglich eine Zeit lang während<br />

meines Studiums selbstständig gearbeitet.<br />

Dann wurde ich über Xing von einem<br />

Start-up eingeladen, mich dort vorzustellen.<br />

Somit hatte ich quasi schon vor Studiumsende<br />

einen Job und konnte nahtlos in<br />

die Anstellung übertreten. Ich habe dort<br />

im Oktober 2013 als Web-Entwickler und<br />

Online-Marketing-Manager angefangen.<br />

Nachdem ich das einige Zeit gemacht hatte,<br />

wollte ich gerne neue berufliche Herausforderungen<br />

suchen und habe mich<br />

in meinem Netzwerk umgehört – mit Erfolg.<br />

Anfang dieses Jahres konnte ich eine<br />

neue Stelle antreten.<br />

„In den<br />

Digital<br />

Humanities<br />

liegt die<br />

Zukunft der<br />

Geisteswissenschaften“<br />

„Ich gehe<br />

die Themen<br />

anders an als<br />

Kolleginnen<br />

und Kollegen<br />

ohne<br />

geisteswissenschaftliches<br />

Studium“<br />

liches Studium. Beispielsweise in meiner<br />

ersten Tätigkeit als Online-Marketing-Manager<br />

war ich unter anderem mit der<br />

Texterstellung und -verarbeitung für verschiedene<br />

Medien, wie Webseite, Social<br />

Media etc. betraut. Ein anderes Beispiel ist<br />

der Bereich der Suchmaschinenoptimierung.<br />

Hier bedarf es neben technischem<br />

Können auch sprach- und kommunikationswissenschaftliches<br />

Verständnis darüber,<br />

welche Suchworte wann und warum<br />

benutzt werden und wie man dies beeinflussen<br />

kann, um so die Userzahlen zu<br />

steigern. Darüber hinaus wurden mir aufgrund<br />

meiner geisteswissenschaftlichen<br />

Qualifikation der Unternehmensblog und<br />

die Korrespondenzen mit Messebetreibern,<br />

Presse etc. übertragen.<br />

Tatsächlich gibt es in der IT-Branche aber<br />

wenige Geisteswissenschaftler*innen und<br />

ich fühle mich da manchmal schon als<br />

Exot. Aber ich empfinde sowohl die Kombination<br />

meiner Studienfächer als auch<br />

den geisteswissenschaftlichen Anteil als<br />

Gewinn.<br />

Was charakterisiert Geisteswissenschaftler*innen<br />

Ihrer Meinung nach?<br />

Als Erstes würde ich auf jeden Fall die Fähigkeit<br />

nennen, besser und schneller über<br />

den Tellerrand zu gucken und die Themen<br />

offener anzugehen, als es viele der rein<br />

technisch geschulten Personen tun. Darüber<br />

hinaus können Geisteswissenschaftler*innen<br />

gut Diskurse einordnen und Zusammenhänge<br />

erkennen. Ganz praktisch<br />

würde ich dann noch hinzufügen, dass<br />

sie gut präsentieren und sich schnell in<br />

neue Themen einarbeiten können. Daran<br />

kommt im Studium keiner vorbei.<br />

überlegt hat, kann man auch gut dafür<br />

argumentieren. Sobald die Entscheidung<br />

gefallen ist, sollte man sich aber mit der<br />

Frage auseinandersetzen, in welche Richtung<br />

es gehen soll. Dafür würde ich zu<br />

mindestens einem Nebenjob raten und<br />

natürlich zu Praktika. Neben dem inzwischen<br />

sehr strukturierten Studium ist das<br />

manchmal nicht ganz einfach und kostet<br />

Energie, aber es ist wichtig, weil man dadurch<br />

lernt, sich zu organisieren und ein<br />

Stück weit belastbar zu sein. Das kommt<br />

einem beim Berufseinstieg dann auf jeden<br />

Fall zugute. Darüber hinaus würde ich jedem<br />

Studierenden raten, von den vielen<br />

Zusatzqualifikationen der Uni zu profitieren<br />

– egal, ob das ein IT-Kurs ist, ein<br />

PR-Seminar oder ein Kurs über Drehbuchschreiben.<br />

Da gibt es so viel mitzunehmen,<br />

man macht tolle Erfahrungen und<br />

erweitert den eigenen Horizont.<br />

39<br />

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen<br />

geben, die sich für ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium interessieren,<br />

aber unsicher bezüglich der<br />

© shutterstock | Syzonenko Sergii<br />

Inwiefern sehen Sie sich als Geisteswissenschaftler<br />

in Ihren bisherigen<br />

Tätigkeiten?<br />

Trotz des technischen Arbeitsfeldes bin<br />

ich auf jeden Fall froh, ein geisteswissenschaftliches<br />

Studium absolviert zu haben.<br />

Ich merke in vielerlei Hinsicht, dass ich die<br />

Themen anders angehe als Kolleginnen<br />

und Kollegen ohne geisteswissenschaft-<br />

Perspektiven sind?<br />

Bei der Studienwahl sollten sie zunächst<br />

nach ihren Interessen fragen. Ein Studium,<br />

das einem karrieresicher erscheint,<br />

auf das man aber gar keine Lust hat,<br />

bringt nichts. Auch wenn einem vielleicht<br />

Gegenwind entgegen kommt, sollte<br />

man versuchen die eigenen Wünsche zu<br />

kommunizieren. Wenn man es sich gut


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

VON WEGEN PERSPEKTIVLOS!<br />

40<br />

VON WEGEN PERSPEKTIVLOS!<br />

DER CAREERSERVICE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN<br />

UNTERSTÜTZT BEI FRAGEN RUND UM DEN BERUFSEINSTIEG<br />

Welchen Beruf ergreife<br />

ich nach und selbstständig zu arbeiten. Sie lernen Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern.<br />

Präsentation und der Fähigkeit analytisch marktes vorzubereiten und ihnen den<br />

dem Studium? quer zu denken und können sich rasch in In Zusammenarbeit mit dem Professional<br />

Welche Tätigkeitsfelder<br />

liegen mir? Kompetenzen, die verstärkt eine zentrale CareerService als zentrale Anlaufstelle für<br />

komplexe Themengebiete einarbeiten – Center der Universität zu Köln wirkt der<br />

Worin bin ich gut?<br />

Diese Fragen stellen sich alle Studierenden<br />

irgendwann im Laufe ihres Studiums.<br />

Für die Studierenden geisteswissenschaftlicher<br />

Studiengänge ist es dabei besonders<br />

wichtig, dass sie sich bereits während<br />

ihres Studiums Gedanken über die berufliche<br />

Richtung machen. Ganz konkret<br />

sollten sie frühzeitig Netzwerke aufbauen<br />

und in Berufsfelder reinschnuppern,<br />

um die Vorstellung von einem Beruf mit<br />

der Praxis abzugleichen. Den Geisteswissenschaften<br />

wird häufig das Fehlen eines<br />

expliziten Berufsziels nachgesagt. Dieser<br />

Umstand bedeutet aber keinesfalls, dass<br />

Geisteswissenschaftler*innen der Erfolg<br />

im Berufsleben oder gar eine steile Karriere<br />

zwangsläufig versagt bleiben. Ihre Stärken<br />

liegen vor allem in Kommunikation,<br />

Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen. Dies<br />

stellt auch die Bundesagentur für Arbeit<br />

fest, die eine deutliche Zunahme an Geisteswissenschaftler*innen<br />

in Wirtschaftsunternehmen<br />

verzeichnet.<br />

Die Philosophische Fakultät der Universität<br />

zu Köln weiß um die besonderen Herausforderungen<br />

für Geisteswissenschaftler*innen<br />

am Arbeitsmarkt und bietet<br />

daher mit ihrem CareerService Hilfestellung<br />

und Unterstützung unterschiedlichster<br />

Art an. Hier werden die Studierenden<br />

dabei unterstützt, ihre Perspektiven und<br />

Chancen optimal zu nutzen. Die Einrichtung<br />

wurde 2009 ins Leben gerufen und<br />

versteht sich als Schnittstelle zwischen<br />

Universität und Berufswelt. Ihr Ziel ist<br />

es, Studierende der Geisteswissenschaften<br />

auf die Anforderungen des Arbeits-<br />

sämtliche individuelle Fragen speziell in<br />

Bezug auf die Themen Berufsorientierung<br />

und Einstieg ins Berufsleben.<br />

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Studierenden<br />

ganz unterschiedliche Fragen<br />

oder Probleme haben. Manche wissen<br />

schon ganz genau, wo sie hinwollen,<br />

und suchen daher Unterstützung bei der<br />

Zusammenstellung und Optimierung der<br />

Bewerbungsunterlagen oder nach Kontakten<br />

für bestimmte Praktika. Andere<br />

wiederum haben noch keine konkrete<br />

berufliche Richtung vor Augen oder ganz<br />

verschiedene Ideen, wohin ihr Weg sie<br />

nach dem Studium führen könnte. Hier ist<br />

Unterstützung ganz anderer Art gefragt,<br />

zum Beispiel in Form einer Stärkenanalyse<br />

oder der Suche nach Tätigkeitsfeldern, die<br />

zu ihren jeweiligen Stäken passen, weiß<br />

© shutterstock | Concept use<br />

Marketa Chaidou, die die Studierenden<br />

hier betreut. Sie hat über die Jahre ein<br />

stetig wachsendes Angebot entwickelt,<br />

das an die verschiedenen Bedürfnisse angepasst<br />

ist:<br />

Einzelfallberatung von Studierenden<br />

in Bezug auf das Erstellen<br />

von Bewerbungsmappen (regelmäßige<br />

Sprechstunde einmal wöchentlich<br />

sowie außerplanmäßige<br />

Terminvereinbarungen). Die Beratung<br />

umfasst auch englischsprachige<br />

Bewerbungen und Bewerbungen<br />

im Ausland.<br />

Individuelle Laufbahnberatung<br />

(regelmäßige Sprechstunde einmal<br />

wöchentlich sowie außerplanmäßige<br />

Terminvereinbarungen)<br />

Konzeption und Abhaltung von<br />

im Studium Integrale anrechenbaren<br />

Lehrveranstaltungen (z.B.<br />

„Bewerbungstraining für Geisteswissenschaftler*innen“)<br />

Praktikumsmanagement: Recherche,<br />

Akquisition und Veröffentlichung<br />

von Praktikumsangeboten<br />

(Pflege und Aktualisierung der fakultätseigenen<br />

Praktikumsbörse)<br />

Networking: Pflege und kontinuierliche<br />

Erweiterung eines Netzwerks<br />

mit Arbeitgebern und Praktikumsmöglichkeiten<br />

im In- und<br />

Ausland, insbesondere im Bereich<br />

der Medien, Verlage, Sprachschulen,<br />

Übersetzungsbüros, Einrichtungen<br />

für Entwicklungszusammenarbeit<br />

etc.; aber auch im<br />

akademischen Bereich und in der<br />

Wirtschaft<br />

Austausch und Kooperation mit<br />

arbeitsmarktorientierten Initiativen<br />

– u.a. mit den Fachbereichen<br />

der Philosophischen Fakultät,<br />

dem Professional Center und den<br />

Career Services der anderen Fakultäten<br />

Für die Studierenden geisteswissenschaftlicher<br />

Fächer ist es enorm wichtig, die<br />

eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen<br />

zu (er)kennen, diese konsequent zu optimieren<br />

und zielorientiert für den Start in<br />

die Berufswelt einzusetzen. Geisteswissenschaftler*innen<br />

wird oftmals nachgesagt,<br />

sie können alles und nichts; treffender<br />

wäre eher, dass die Möglichkeiten<br />

so vielfältig sind, dass sie selbst gefordert<br />

sind, ihre eigene Richtung zu finden und<br />

ihr Profil so zu schärfen, dass sie dahin<br />

kommen, wo sie hin wollen. Der Weg<br />

ist häufig weniger geradlinig, aber dafür<br />

bringen Geisteswissenschaftler*innen Engagement,<br />

Selbstdisziplin, Organisation,<br />

Eigenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein<br />

und vieles mehr mit. Damit diese<br />

Kompetenzen richtig eingesetzt werden,<br />

ist eine frühe Auseinandersetzung<br />

mit der Frage der beruflichen Richtung<br />

notwendig.<br />

Der CareerService rät dazu, sich direkt bei<br />

Studienbeginn mit Fragen nach Berufsund<br />

Tätigkeitsfeldern und Potentialanalysen<br />

auseinander zu setzen. Nach einer<br />

Phase der Ideensammlung sollte man gezielt<br />

auf die Suche nach Praktikumsplätzen<br />

gehen, um so die Ideen und Vorstellungen<br />

anzupassen und nach und nach<br />

das eigene Profil zu schärfen. Gegen Ende<br />

des Studiums steht dann die Vorbereitung<br />

der Bewerbungsunterlagen an, damit die<br />

Studierenden gut vorbereitet in die Berufswelt<br />

starten können. Sowohl in Seminaren<br />

und diversen universitären Veranstaltungen<br />

als auch durch persönliche<br />

Kontakte oder Praktika können sich viele<br />

neue Perspektiven und Chancen ergeben.<br />

Der CareerService hat ein Phasenmodell<br />

entwickelt, an dem sich die Studierenden<br />

orientieren können, sodass sie ihre Studienzeit<br />

neben dem Fachstudium auch zur<br />

optimalen Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt<br />

nutzen können. Die berufliche Orientierung<br />

erfordert eine Menge Energie<br />

und Eigeninitiative. Aber mit einer guten<br />

Vorbereitung stehen Geisteswissenschaftler*innen<br />

Absolvent*innen anderer Fakultäten<br />

nicht nur in nichts nach, sondern<br />

haben darüber hinaus die Chance ihr<br />

ganzes Potenzial an Entfaltungsmöglichkeiten<br />

zu nutzen.<br />

Der CareerService freut sich auf Ihren<br />

Besuch!<br />

Individualberatung<br />

Bewerbungstrainings<br />

Praktikumssuche<br />

Networking<br />

Kontakt<br />

CareerService<br />

Frau Marketa Chaidou, M.A.<br />

Philosophikum, 2. OG<br />

Raum 2.323<br />

Tel. +49 (221) 470-4226<br />

http://career.phil-fak.uni-koeln.de/<br />

marketa.chaidou@uni-koeln.de<br />

TEXT: MARKETA CHAIDOU<br />

© Le Hai Linh<br />

41


<strong>ZUKUNFT</strong> <strong>GEIST</strong><br />

TIPPS & TERMINE<br />

Linkauswahl rund um Studienwahl, Hochschulen & Berufseinstieg<br />

42<br />

Abi.de (Bundesagentur für Arbeit)<br />

http://www.abi.de/index.htm<br />

© Constanze Alpen<br />

43<br />

einstieg – meine zukunft. mein ding.<br />

http://www.einstieg.com/<br />

Hochschulkompass<br />

http://www.hochschulkompass.de/<br />

Studiengangssuchmaschine – Zeit Online<br />

http://studiengaenge.zeit.de/<br />

Studieren-im-Netz.org<br />

http://www.studieren-im-netz.org/<br />

Studium-Interessentest<br />

http://www.hochschulkompass.de/studium-interessentest.html<br />

Zentrale Studienberatung Uni Köln<br />

http://verwaltung.uni-koeln.de/abteilung21/content/index_ger.html<br />

12job.de – Neuigkeiten, Trends & Termine<br />

http://www.12job.de/tags/Studium_38.html<br />

Informationsversanstaltungen für<br />

Studieninteressierte in NRW<br />

Veranstaltung Datum Link<br />

OPEN CAMPUS – Informationsmesse<br />

der Universität<br />

zu Köln<br />

HORIZON – Die Messe für<br />

Studium und Abiturientenausbildung<br />

STUZUBI 2015<br />

09.05.2015 zsb.uni-koeln.de/opencampus<br />

Münster: 7./8.03.15<br />

Bochum: 16./17.01.16<br />

Dortmund 21.03.15<br />

Düsseldorf 29.08.15<br />

Köln 05.09.15<br />

BACHELOR AND MORE Münster 30.11.15<br />

http://horizon-messe.de/<br />

http://www.stuzubi.de/messe/<br />

messestaedte.html<br />

http://www.bachelor-and-more.<br />

de/bachelor-messen/<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

Universität zu Köln<br />

Philosophische Fakultät<br />

Dekan Prof. Dr. Stefan Grohé<br />

Redaktionsleitung, Konzept,<br />

Gestaltung & Bildredaktion<br />

Constanze Alpen<br />

Autorinnen<br />

Margareta Stanciu<br />

Silke Feuchtinger<br />

Coverfoto<br />

© olly - Fotolia.com / Collage: Jan<br />

Swoboda<br />

© Fotos<br />

Constanze Alpen (S. 2, 3, 4, 43, 44),<br />

Patric Fouad (S. 3), Aleksander Perkovic<br />

(S. 5), Andrea Büscher (privat) (S.6, 9),<br />

STC / Televisor / Verein Kölner Kulturbildarchiv<br />

(Wolfgang Weimer) (S. 6, 13),<br />

Landeshauptstadt Hannover, Museum<br />

August Kestner (Christian Tepper) (S.<br />

6, 28, 30), Janine Guldener (S. 7, 32),<br />

Philipp Schreiber (privat) (S. 7, 21, 22),<br />

Monika Holthoff-Stenger (privat) (S. 7,<br />

17), Christophe Damesme (S. 7, 24, 27),<br />

André Boeck (S. 7, 37), shutterstock | Fer<br />

Gregory (S. 8), shutterstock | wellphoto<br />

(S. 10), shutterstock | Serg64 (S. 11),<br />

Matthias Hornschuh (privat) (S. 12,<br />

15), Max Gäde / SoundTrack_Cologne<br />

(S. 14), shutterstock | Marine‘s (S.<br />

16), shutterstock | NatashaBo (S. 16),<br />

Matthias Jung FOTOGRAFIE (S. 18),<br />

Wörterwelt GmbH (S. 19), shutterstock |<br />

Seamartini Graphics (S. 20), Laura Keller<br />

(S. 21), shutterstock | master_art (S.<br />

23), shutterstock | ULKASTUDIO (S. 28),<br />

shutterstock | Kateryna A. (S. 32, 33, 34,<br />

35), casting-network (out-takes) (S. 33),<br />

WDR/Steven Mahner (S. 34), shutterstock<br />

| Oleksiy Mark (S. 36), shutterstock |<br />

Syzonenko Sergii (S. 38), shutterstock |<br />

Concept use (S. 40), Le Hai Linh (Professional<br />

Center) (S. 41)<br />

Anzeigenverwaltung/Druck<br />

Köllen Druck + Verlag GmbH<br />

Ernst-Robert-Curtius-Straße 14<br />

53117 Bonn-Buschdorf<br />

Anzeigen<br />

Rohat Akarcay<br />

Tel.: 02 28/98 98 2-82<br />

Fax: 02 28/98 98 2-99<br />

druckverlag@koellen.de<br />

www.koellen.de<br />

Auflage<br />

500<br />

© Philosophische Fakultät der<br />

Universität zu Köln 2015<br />

Mit freundlicher Unterstützung von<br />

KölnAlumni - Freunde und Förderer der<br />

Universität zu Köln e.V.


Universität zu Köln<br />

Philosophische Fakultät<br />

Albertus-Magnus-Platz<br />

50923 Köln<br />

http://phil-fak.uni-koeln.de/<br />

© Constanze Alpen

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