Zur Produktgestaltung kohäsiver Pulver ± Mechanische ...
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Chemie Ingenieur Technik (75) 6| 2003<br />
S. 651±661 2003 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim<br />
0009-286X/2003/0606-0651 $17.50+50/0<br />
Partikeltechnologie 651<br />
JÜRGEN TOMAS **<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Produktgestaltung</strong> kohäsiver <strong>Pulver</strong> ±<br />
<strong>Mechanische</strong> Eigenschaften, Kompressionsund<br />
Flieûverhalten*<br />
Mit der Modellvorstellung ¹steife<br />
Partikel mit weichen Kontaktenª<br />
werden die drei Flieûbedingungen<br />
eines <strong>Pulver</strong>kontinuums (beginnendes<br />
und stationäres Flieûen, Verfestigung)<br />
auf partikelmechanischer<br />
Grundlage formuliert. Damit ist der<br />
unmittelbare Einfluss des Kontaktverhaltens<br />
auf das Flieûverhalten<br />
analytisch darstellbar. Mit Hilfe<br />
eines Kompressibilitätsindex lässt<br />
sich das Verdichtungsverhalten einschätzen.<br />
Zusätzlich werden die<br />
Kompressionsrate und die spezifische<br />
Kompressionsarbeit eingeführt.<br />
Damit können die Zusammenhänge<br />
zwischen Kontaktnachgiebigkeit,<br />
Haftkraftverstärkung und <strong>Pulver</strong>flieûfähigkeit<br />
auf physikalischer<br />
Grundlage beurteilt werden. Mit diesen<br />
Modellen können die Antwortfunktionen<br />
auf extreme Beanspruchungs-<br />
und Flieûzustände bei verfahrenstechnischen<br />
Prozessen,<br />
Lager- und Fördervorgängen hinreichend<br />
beschrieben werden. Selbstverständlich<br />
lassen sich damit auch<br />
zweckmäûige Schlussfolgerungen<br />
für die marktgerechte <strong>Produktgestaltung</strong><br />
in der stoffwandelnden Industrie<br />
ziehen.<br />
Product Design of Cohesive Powders ±<br />
Mechanical Properties, Compression<br />
and Flow Behavior<br />
The three yield conditions of a powder<br />
continuum (incipient yield, stationary<br />
flow, consolidation) are formulated on<br />
basis of particle mechanics by the model<br />
¹stiff particles with soft contactsª.<br />
So that the direct influence of contact<br />
behaviour on flow behaviour is analytically<br />
shown. The powder compression<br />
behaviour is characterised by a compressibility<br />
index. Additionally the compression<br />
rate and the specific compression<br />
workare explained. So that the<br />
correlation between contact compliance,<br />
adhesion force intensification and<br />
powder flowability can be physically<br />
consistent evaluated. The response<br />
functions of extreme stressing and flow<br />
conditions at material conversion processes,<br />
storage and transport can be<br />
sufficiently described by these models.<br />
Obviously, suitable conclusions may be<br />
also drawn to design marketable products<br />
of processing industries.<br />
1 Einleitung und Problemstellung<br />
.......................................................................................<br />
*<br />
Vortrag anlässlich des Symposiums<br />
¹Partikeltechnologieª, 14./15. Nov. 2002<br />
in Pfinztal.<br />
**<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. J. TOMAS (E-mail:<br />
juergen.tomas@vst.uni-magdeburg.de),<br />
<strong>Mechanische</strong> Verfahrenstechnik,<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,<br />
Universitätsplatz 2, D-39106 Magdeburg,<br />
Germany.<br />
Es gibt nur wenige Zweige einer Volkswirtschaft, in der<br />
nicht in irgendeiner Form Schüttgüter erzeugt, transportiert,<br />
umgeschlagen, gelagert, verfahrenstechnisch gewandelt,<br />
verarbeitet oder verbraucht werden. Bei den wichtigsten<br />
mechanischen Prozessen, wie Trennen und Mischen,<br />
Zerkleinern und Agglomerieren, aber auch bei thermischen<br />
Prozessen, wie z. B. Kristallisieren, Trocknen, oder bei den<br />
Partikelsynthesen in der chemischen Industrie bzw. Grundstoffindustrie,<br />
Pharmazie, Metallurgie, Glas- und Keramikindustrie,<br />
Baustoffindustrie, Leicht- und Lebensmittelindustrie,<br />
Energiewirtschaft, Landwirtschaft sowie den<br />
modernen Technologien in der Umweltschutztechnik,<br />
Werkstofftechnik, Biotechnik und selbst auch in der Elektronik<br />
müssen Schüttgüter gelagert, gefördert und dosiert<br />
werden. Die Anzahl der in einer hochentwickelten Volkswirtschaft<br />
als Rohstoffe, Hilfsstoffe, Zwischenprodukte und<br />
Fertigerzeugnisse vorkommenden Schüttgüter dürfte vielleicht<br />
einige Hunderttausend, wenn nicht sogar Millionen<br />
erreichen, und nahezu täglich erhöht sich deren Zahl, da<br />
entsprechend den Marktanforderungen immer speziellere<br />
Kundenwünsche zu befriedigen sind.<br />
Während sich Festkörper oder Stückgüter und<br />
Fluide vergleichsweise einfach handhaben lassen, hängt<br />
das mechanische Verhalten eines <strong>Pulver</strong>s oder eines Granulates<br />
[1 ± 3] unmittelbar von seiner Beanspruchungsvorgeschichte<br />
ab. Die lässt sich wohl am einfachsten mit einem<br />
Neigungsversuch eines Transportbehälters verdeutlichen<br />
[4]. Je nachdem, ob das <strong>Pulver</strong> in den Behälter eingefüllt,<br />
geneigt und wieder zurück bewegt wurde, wird sich eine jeweils<br />
andere Form der Schüttoberfläche einstellen, s. Abb. 1.
652<br />
ÜBERSICHTSBEITR¾GE<br />
Chemie Ingenieur Technik (75) 6 | 2003<br />
Abbildung 1.<br />
Lagerung in Behältern ± mechanisches Verhalten von<br />
Feststoff, Flüssigkeit, Gas und Schüttgut [4].<br />
als Eins (h Sz Scherzonenhöhe, e b scheinbare Viskosität des<br />
flieûenden <strong>Pulver</strong>s, b Schüttgutdichte):<br />
2<br />
2<br />
3<br />
v<br />
S<br />
hSz<br />
ρ<br />
b<br />
v<br />
S<br />
ρ<br />
b 1 m 1000 kg / m<br />
Re<br />
b<br />
= ≈ =<br />
= 1<br />
(1)<br />
2<br />
η<br />
b<br />
τ s 1 kPa<br />
Das flieûende <strong>Pulver</strong> würde sich also ¹laminarª<br />
verhalten. Ein zusätzlicher Scherspannungsanteil durch<br />
Partikelkollisionen infolge ¹turbulentemª Impulsaustausch<br />
wird weitestgehend ausgeschlossen. Wechselwirkungen mit<br />
Fluiden, wie z. B. Porenströmungen, die durch die Partikelbewegung<br />
induziert werden, sollen hier ebenfalls vernachlässigt<br />
werden. Der Scherwiderstand wird im Wesentlichen<br />
auf die Coulomb-Reibung zwischen den vorzugsweise haftenden<br />
Partikelkontakten zurückgeführt.<br />
Ein kohäsives <strong>Pulver</strong> verhält sich wie ein ziemlich<br />
unvollkommener Festkörper, flieût manchmal wie eine<br />
Flüssigkeit oder kann wie ein Gas verdichtet werden. Oftmals<br />
zeigt es die Eigenschaften, die gerade am wenigsten erwartet<br />
werden und die zu den meisten verfahrenstechnischen<br />
Problemen führen. Und diese sind dann doch<br />
ziemlich zahlreich und schwerwiegend, z. B. funktionelle<br />
Probleme durch Flieûstörungen infolge Anbackungen,<br />
Selbstfluidisierung oder Lawinenbildung, schwankende<br />
Mengenströme, Entmischungen, zu breite Verweilzeitverteilungen<br />
verbunden mit der Gefahr von Zeitverfestigungen,<br />
Stoffumwandlungen, Explosions- und Verderbgefahr. Dazu<br />
kommen noch mangelhafte Mengenstrom- bzw. Qualitätskontrolle<br />
sowie Havariegefahr durch Verschleiû und Überlastungen<br />
der Konstruktion der Schüttgutförderer und letztlich<br />
mangelhafte Verfügbarkeit des Verfahrens bzw. der<br />
gesamten Anlage. Eine tiefere Betrachtung erscheint aus<br />
der Sicht einer zweckmäûigen Kombination von Partikelund<br />
Kontinuumsmechanik [5, 6] sowohl wissenschaftlich als<br />
auch praktisch angewandt als ausgesprochen lohnenswert.<br />
Abb. 1 zeigt ebenfalls, dass das <strong>Pulver</strong> ein Gedächtnis<br />
hinsichtlich seiner physikalischen und chemischen<br />
Produkteigenschaften hat. Im Falle mineralischen Ursprunges<br />
eines Schüttgutes umfasst dies durchaus erdgeschichtliche<br />
Zeiträume. Diesen Eigentümlichkeiten eines kohäsiven<br />
<strong>Pulver</strong>s, verbunden mit seinem nahezu<br />
unergründlichen ¹eigenen Willenª zum Flieûen oder auch<br />
Nichtflieûen, wollen wir nun auf den Grund gehen.<br />
2 Langsames reibungsbehaftetes Flieûen<br />
kohäsiver <strong>Pulver</strong><br />
Es wird nur das langsame Flieûen einer Schüttung mit einer<br />
Flieû- oder Schergeschwindigkeit v S < 1 m/s betrachtet 1) .<br />
Eine Schüttgut-Reynolds-Zahl ist somit für s > 1 kPa kleiner<br />
.......................................................................................<br />
1) Eine Zusammenstellung der Formelzeichen<br />
befindet sich am Schluss des Beitrags.<br />
2.1 Kraft-Weg-Gesetz der elastisch-plastischen<br />
Partikelkontaktdeformation mit Haftung<br />
Die ersten Grundlagen eines elastischen Kontaktverhaltens<br />
bei Normalbelastung, d. h. die elliptische Druckverteilung<br />
innerhalb des Kontaktes, wurden von HERTZ [7] erarbeitet.<br />
Von HUBER [8] wurden die Hauptspannungen innerhalb und<br />
auûerhalb des Kontaktkreises eingeführt. Eine zusätzliche<br />
Normalkraft durch ein konstantes Haftvermögen des elastischen<br />
Kontaktes wurde von DERJAGUIN [9, 10], DAHNEKE [13]<br />
und JOHNSON [14, 15] betrachtet, s. Abb. 2a. Eine elastische<br />
Tangentialkraft und die resultierende Druckverteilung wurde<br />
von MINDLIN [17] hergeleitet. Die Viskoelastizität wurde<br />
von YANG [22] und KRUPP [12] in das Kontaktverhalten eingeführt,<br />
s. Abb. 2c.<br />
KRUPP [12], MOLERUS [16], SCHUBERT [18], MAUGIS<br />
[19], WALTON [20] und zuletzt THORNTON [21] bewerten das<br />
plastische Flieûen als wesentlich im Kontakt. MOLERUS [16]<br />
und SCHUBERT [18] erhalten erstmals eine variable Haftkraft,<br />
die von der Vorverfestigung abhängt, s. Abb. 2b. Diese Erkenntnis<br />
lässt sich schrittweise ergänzen durch ein nichtlinear<br />
plastisches Verhärtungs- oder Verfestigungsverhalten<br />
und durch ein Erweichungsverhalten, s. Abb. 2d. Dies kann<br />
dem dilatanten (shear-thickening) und dem strukturviskosen<br />
(shear-thinning) Verhalten in der Suspensions- und Pastenrheologie<br />
[26] entlehnt werden. Die Energiedissipation<br />
berücksichtigte SADD [23], s. Abb. 2e. Das zeitabhängige viskoplastische<br />
Flieûen wurde ausführlich von RUMPF [24]<br />
behandelt, s. Abb. 2f. Davon ausgehend kann man diese<br />
bekannten Vorstellungen zu einem einzigen komplexeren<br />
Modell zusammenfassen, das die adhäsive, elastischplastische<br />
(s. Abb. 2g) und die viskoelastisch-viskoplastische<br />
Kontaktdeformation mit der Entlastungs-Wiederbelastungshysterese<br />
und Energiedissipation verknüpft,<br />
s. Abb. 2h.<br />
Wir betrachten nun den Kontakt von zwei monodispersen,<br />
isotropen und glatten Kugeln als den typischen<br />
Bestandteil einer Schüttung oder einer Partikelpackung unter<br />
statischer Auflast. Die erzeugten Kontaktflächen sind<br />
klein im Vergleich zum Kugelquerschnitt. Deshalb werden<br />
nur Kontaktkräfte und deren unmittelbares Antwortverhalten,<br />
d. h. die Annäherung der Mittelpunkte beider Partner<br />
(Abplattungshöhe) h K behandelt. Meistens sind Druckkräfte
Chemie Ingenieur Technik (75) 6| 2003<br />
Partikeltechnologie 653<br />
Abbildung 2.<br />
Stoffeigenschaftsmodelle der Kontaktdeformation von<br />
glatten Kugeln in Normalrichtung ohne bzw. mit Haftung<br />
gemäû HERTZ [7], JOHNSON [15], MOLERUS [16], SCHUBERT [18]<br />
und THORNTON [21], WALTON [20], YANG [22], SADD [23], RUMPF<br />
[24] und TOMAS [36 ± 38].<br />
Abbildung 3.<br />
Charakteristische Partikelkontaktdeformation; a) Partikelannäherung,<br />
b) elastische Kontaktdeformation, c) elastischplastische<br />
Deformation zum Nanoplatte-Platte-Kontakt und<br />
d) Kontaktablösung für Titandioxid, Sauter-Durchmesser d ST<br />
= 200 nm, spezifische Oberfläche A S,m =12m 2 /g, Oberflächenfeuchte<br />
X W = 0,4 %, Umgebungstemperatur h = 20 C [38].<br />
der Kontaktzone voraussetzt ± im Gegensatz zu Metallen.<br />
Die Antwort einer zunehmenden äuûeren Druckkraft F N<br />
und Verdichtungen zu betrachten. Diese werden positiv definiert.<br />
Zugkräfte und Dehnungen sind negativ, s. Abb. 3.<br />
Zuerst müssen sich selbstverständlich beide Kugeln<br />
annähern -1 < h K < a F=0 , um in einen unmittelbaren<br />
Kontakt mit dem Mindestabstand a F=0 » 0,3 ± 0,4 nm zu geraten.<br />
Dabei wird immer eine attraktive van-der-Waals-Haftkraft<br />
F H ~ a Ð2 über einen Partikelabstand a ˆ a Fˆ0<br />
‡ jh K<br />
jzwischen<br />
beiden Kugeln aufgebaut. Der Kugelabstand ohne<br />
jegliche Kontaktdeformation, h K = 0, ist gleich diesem Mindestabstand.<br />
Das entspricht also dem Koordinatenursprung<br />
der Abb. 3. Durch die Wirkung der erzeugte Haftkraft<br />
F H0 (a F=0 ) selbst oder/und durch die Wirkung einer zusätzlichen<br />
statische Auflast F N , z. B. durch das Eigengewicht einer<br />
Aufschüttung, folgt als unmittelbare Antwort eine elastische<br />
Kontaktabplattung der Gesamthöhe h K , die sich nach HERTZ<br />
[7] vergleichsweise einfach mathematisch beschreiben lässt.<br />
Sie wird in Abb. 3 als gestrichelte Linie dargestellt.<br />
Bei weiterführender Normalbelastung F N wird<br />
bald der Punkt Y erreicht, bei dem der maximale Druck der<br />
elliptischen Druckverteilung im Zentrum des Kontaktes [7]<br />
ins plastische Flieûen übergeht p max = p f , Kurve F H0 -Y in<br />
Abb. 3. Diese innere Druckspannung lässt sich nicht weiter<br />
steigern, wenn man ideal plastisches Materialverhalten in<br />
kann folglich nur eine zunehmende Abplattungshöhe h K<br />
sein, die sich einfach mittels einer charakteristischen Geraden<br />
Y±U beschreiben lässt [36, 38]. Diese verhält sich im<br />
Mikroskopischen analog einer Flieûbedingung (Grenzspannungsfunktion)<br />
der Kontinuumsmechanik [29] und wird in<br />
Abb. 3 elastisch-plastische Flieûgrenze genannt. Ein Überschreiten<br />
dieser Linie ist daher nicht möglich, da ja das<br />
Flieûen schon vorher eingesetzt hatte. Der Anstieg dieser<br />
Geraden ist ein Maû der elastisch-plastischen Kontaktsteifigkeit.<br />
Geringer Anstieg bedeutet plastisch weiches oder<br />
nachgiebiges, und umgekehrt groûer Anstieg steifes Kontaktverhalten.<br />
Dieser Anstieg verhält proportional zur Partikelgröûe<br />
oder präziser zum Krümmungsradius der unverformten<br />
Kontaktflächen.<br />
Neben der hohen spezifischen Oberfläche von<br />
Nanopartikeln ist die abnehmende Kontaktsteifigkeit mit<br />
abnehmender Partikelgröûe die Hauptursache für zahlreiche<br />
Adhäsionseffekte. Deshalb ist es hier zweckmäûig, die<br />
Modellvorstellung ¹steife Partikel mit weichen Kontaktenª<br />
einzuführen. Steife Partikel deswegen, weil mit der mikroskopisch<br />
kleinen Kontaktabplattung h K = 0 ± 0,25 nm bzw.<br />
Kontaktkreisradien r K = 0 ± 6 nm bei einer mittleren Partikelgröûe<br />
von d 50 = 610 nm, s. Abb. 3, keine nennenswerte<br />
¾nderung der Partikelform verbunden sein sollte.
654<br />
ÜBERSICHTSBEITR¾GE<br />
Chemie Ingenieur Technik (75) 6 | 2003<br />
Abbildung 4.<br />
Zweiachsige Spannungszustände in einer gescherten<br />
Partikelpackung ± Scheren und Auflockern, einaxialer Druck<br />
und Zug.<br />
Bei sehr groûer Kontaktsteifigkeit kommt es erst<br />
gar nicht zu einer plastischen Deformation. Der Kontakt<br />
verhält sich elastisch. Das ist bei vergleichsweise groben<br />
Partikeln von etwa d > 100 lm der Fall. Man möge hier nur<br />
das mechanische Verhalten eines rieselfähigen Ostseesandes<br />
mit dem eines kohäsiven Mahlproduktes gleicher chemisch-mineralogischer<br />
Zusammensetzung vergleichen.<br />
Im Kontakt selbst wird ein begrenztes plastisches<br />
Feld im kreisförmigen Kontaktzentrum erzeugt, wobei sich<br />
der äuûere Ring elastisch verhalten wird. Dadurch wird eine<br />
höhere Mikroflieûspannung p f » 3 r F als bei makroskopischer<br />
Beanspruchung erwartet [16]. Bei Entlastung wird<br />
nun der elastische Anteil verschwinden. Die gestrichelte<br />
Entlastungskurve erreicht die Abszisse. Eine weitere Entlastung<br />
lässt sich nur durch Anwendung von Zugkräften erzeugen.<br />
Am Punkt A würde der direkte Kontakt sich ablösen<br />
(versagen). Entlang der strich-punktierten Kurve A±U kann<br />
aber der Kontakt wieder belastet werden. Die linsenförmige<br />
Fläche zwischen den Wiederbelastungs- und Entlastungskurven<br />
ist ein Maû der Energiedissipation [38] während<br />
eines Zyklus. Unser Kontakt zeigt also eine typische Hysterese<br />
und damit im Falle von dynamischen Belastungs-/Entlastungszyklen<br />
(Oszillationen) eine Dämpfung als Antwort,<br />
die hier unabhängig von der angewandten Geschwindigkeit<br />
ist.<br />
Die Haftgrenzlinie am Ablösepunkt A, s. Abb. 3<br />
unten, ist ebenfalls eine Grenzspannungsfunktion im vorstehenden<br />
Sinne. Ihre Neigung ist ein Maû für die Haftsteifigkeit<br />
im Zugkraftbereich. Eine groûe Neigung bedeutet<br />
nachgiebiges Kontaktverhalten verbunden mit hohem Haftverstärkungsvermögen<br />
des Partikelkontaktes. Wenig Neigung<br />
ist ein Zeichen für einen steifen Kontakt mit nahezu<br />
konstanter Haftkraft F N,Z » F H0 . Das sog. JKR-Modell [14]<br />
und auch das DMT-Modell [10] geben in etwas unterschiedlicher<br />
Weise diesen Spezialfall elastischen Verhaltens wieder.<br />
Im Falle einer Kontaktablösung wird sich der Abstand<br />
des Kontaktes um a = a F=0 + h K , A ± h K vergröûern, und<br />
für die Abreiûkraft F N,Z (a) gilt (A K,A bleibend deformierte<br />
Kontaktkreisfläche am Punkt A, C H,sls Hamaker-Konstante<br />
nach der Lifschitz-Theorie [11]):<br />
CH,sls<br />
A<br />
K,A<br />
FN,Z<br />
=<br />
(2)<br />
6 π ( a ) 3<br />
F=<br />
0+<br />
h<br />
K,A−<br />
h<br />
K<br />
Das ergibt in Richtung negativer Mittelpunktsannäherung<br />
h K ein hyperbolisches Abklingen der van-der-<br />
Waals-Haftung über einige Nanometer Kontaktabstand hinweg,<br />
gestrichelte Kurve in Abb. 3. Analoges gilt für die Ablösung<br />
eines Kugelkontaktes ohne Kontaktdeformation. Der<br />
Ordinatenpunkt der Haftkraft F H0 bei h K = 0 ist sozusagen<br />
der einzige des gesamten Diagramms, der keine Deformation<br />
und damit Beanspruchungsvorgeschichte kennt.<br />
Ausgewählte Modelle werden zur Auswertung<br />
von AFM-Messungen [25] und bei DEM-Simulationen granularer<br />
Medien [6] methodisch genutzt.<br />
2.2 Zweiachsige Spannungszustände in einer<br />
flieûenden Partikelpackung<br />
Einführend sollen die wichtigsten Kennwerte des Flieûverhaltens<br />
erläutert werden [5, 27, 28]. Im Gegensatz zu anderen<br />
Ingenieurdisziplinen ist man in der Verfahrenstechnik<br />
insbesondere am Transport, d. h. am Flieûen, der Materialien<br />
(Schüttgüter, Fluide) interessiert. Diese Flieûvorgänge<br />
sind zugleich irreversible Schervorgänge. Sie können mittels<br />
direkter Scherversuche Punkt für Punkt ausgemessen<br />
werden, s. Abb. 4 oben. Die Verbindungslinie der Punkte<br />
ergibt unter festgelegten Beanspruchungsbedingungen eine<br />
Grenzspannungsfunktion, den sog. Flieûort, die nicht überschritten<br />
werden kann. Der Flieûort hat den Anstiegswinkel<br />
j i , der auch als innerer Reibungswinkel bezeichnet wird;<br />
der tanj i ist der innere Reibungskoeffizient. Er ist ein mittleres<br />
oder charakteristisches Maû für das Kontaktversagen<br />
beim Gleiten.<br />
Es ist nun eine typische Eigenart einer gescherten<br />
Partikelpackung oder Schüttung, dass das Flieûen hier unter<br />
Volumenausdehnung stattfinden kann und zwar dann,<br />
wenn die geometrisch vorgegebene, makroskopische Scherebene<br />
nicht mit den mittleren oder charakteristischen Tangentialebenen<br />
der Partikelkontakte einer Scherzone übereinstimmt.<br />
Die Partikel werden sozusagen ¹berghochª über<br />
die unten liegende Schicht verschoben, und als Antwort<br />
dehnt sich die Scherzone aus, dV > 0. Das wird auch als<br />
Dilatanz bezeichnet [31]. Sie ist charakteristisch für das Verhalten<br />
überverfestigter Packungen.<br />
Der charakteristische Dilatanzwinkel im Mikromaûstab<br />
m sei positiv im mathematisch positiven Drehsinn<br />
(entgegen dem Uhrzeiger) definiert. Der Ordinatenabschnitt
Chemie Ingenieur Technik (75) 6| 2003<br />
Partikeltechnologie 655<br />
des Flieûortes wird als Kohäsion s c bezeichnet und stellt den<br />
Scherwiderstand bei äuûerer Normalspannung r = 0 dar.<br />
Dieser merkbare Widerstand wird allein durch die Wirkung<br />
der Kontaktdeformationen (schwarz hervorgehoben) und<br />
resultierenden Haftkraftverstärkungen einer vorherigen<br />
Verfestigung erzeugt, s. Abb. 4. Dies wird durch Pfeile in<br />
Normalrichtung zwischen den Partikeln verdeutlicht. Auf<br />
die Darstellung der jeweiligen Tangentialkräfte wurde verzichtet.<br />
Damit wird ein innerer Druck ±r Z in den Kontakten<br />
erzeugt, der zur äuûerer Normalspannung (r + r Z ) als Absolutbetrag<br />
zu addieren ist. Die Folge davon sind wiederum<br />
die einaxiale Druckfestigkeit r c der Packung (Mohrkreis<br />
rechts der Ordinate mit der kleineren Hauptspannung r 2<br />
= 0) und die einaxiale Zugfestigkeit r Z,1 (Mohrkreis links mit<br />
der hier absolut betrachteten, kleineren Hauptspannung r 2<br />
= 0). Der Schnittpunkt des Flieûortes im Negativen mit der<br />
Abszisse bei verschwindender Scherspannung s = 0 stellt<br />
somit eine zweiachsige bzw. isostatische Zugfestigkeit r Z<br />
dar.<br />
Wird nun eine kritisch vorverfestigte Schüttung<br />
geschert, flieût sie stationär unter Volumenkonstanz dV =0,<br />
s. Abb. 5 oben. Dilatanz (svw. Auflockerung) und Verdichtung<br />
befinden sich im dynamischen Gleichgewicht und heben<br />
sich im Mittel auf. Die zugehörige Grenzspannungsfunktion<br />
wird stationärer Flieûort genannt. Dessen<br />
Anstiegswinkel wird durch den stationären (inneren) Reibungswinkel<br />
j st gebildet. Er ist ein charakteristisches Maû<br />
für das stationäre Gleichgewicht aus Kontaktannäherung,<br />
-bildung, Kontaktversagen und Partikelablösung. Der<br />
Schnittpunkt des stationären Flieûortes im Negativen mit<br />
Abbildung 5.<br />
Zweiachsige Spannungszustände in einer gescherten<br />
Partikelpackung ± stationäres Flieûen, Scheren und<br />
Verdichten, isostatischer Zug und Druck.<br />
der Abszisse bei verschwindender Scherspannung s = 0<br />
stellt die isostatische Zugfestigkeit r 0 der unverfestigten<br />
Kontakte dar. In Abb. 5 oben fehlen die schwarz markierten<br />
Kontaktdeformationen. Die Kugeln berühren sich gerade<br />
auf Mindestabstand a F=0 » 0,3 ± 0,4 nm, ohne sich jedoch zu<br />
überlappen oder ¹durchdringenª ± ein ziemlich idealisierter<br />
Zustand, der sich nur durch die Extrapolation des stationären<br />
Flieûortes quantifizieren lässt. Bei Anlegen der Spannung<br />
r 0 versagen die Kontakte sofort ohne nennenswerte<br />
Dehnung und makroskopische Volumenänderung dV =0.<br />
Die Mittelpunktsspannung r M , z. B. des gröûten<br />
Kreises in der Bildmitte, wird aus dem Mittelwert der beiden<br />
scherspannungsfreien Hauptnormalspannungen r 1 , r 2 des<br />
zweiachsigen Spannungszustandes gebildet (Kugeltensor<br />
im dreiachsigen Spannungsraum [29]). Während die<br />
Radiusspannung r R aus der Differenz der beiden Hauptnormalspannungen<br />
r 1 , r 2 des zweiachsigen Spannungszustandes<br />
besteht (Deviator im dreiachsigen Spannungsraum<br />
[29]). Sie charakterisiert das Scherspannungsniveau, das<br />
zum Flieûen führt, s. Abb. 5 oben.<br />
Wird nun eine unterverfestigte Schüttung geschert,<br />
flieût sie unter Volumenabnahme dV < 0 bis zum<br />
Erreichen des kritischen Verfestigungszustandes, s. Abb. 5<br />
unten. Der Dilatanzwinkel ist hier also negativ (Verdichtung).<br />
Die Partikel werden sozusagen ¹bergabª gegeneinander<br />
verschoben. Die Verbindungslinie zwischen dem isostatischen<br />
Druck und dem Mohrkreis des stationären Flieûens<br />
wird auch als Verfestigungsort bezeichnet. Dessen Neigung<br />
muss ebenfalls durch die Verhältnisse der Tangentialkräfte<br />
zu den Normalkräften in den versagenden Partikelkontakten<br />
bestimmt werden. Folglich ist auch beim Verfestigen der<br />
innere Reibungswinkel j i das charakteristische Maû des<br />
Kontaktgleitens.<br />
2.3 Flieûbedingungen für beginnendes und<br />
stationäres Flieûen<br />
Scherspannungen s haben Winkeländerungen c =ds/dh Sz<br />
(Scherverzerrungen) zur Folge, die zunächst reversibel, d. h.<br />
elastisch, verlaufen. In der Verfahrenstechnik und Fördertechnik<br />
interessiert vorrangig das mechanische Verhalten<br />
des flieûenden <strong>Pulver</strong>s. Die Scherspannungen erreichen<br />
eine Flieûspannung bzw. Flieûspannungsfunktion, und<br />
nachfolgend werden irreversible Scherverzerrungen in<br />
einer Scherzone erzeugt. Im Mikroskopischen bedeutet dies<br />
immer massenhaftes Kontaktversagen [6].<br />
Der Mikro-Makro-Übergang von den Normalund<br />
Tangentialkräften in einem charakteristischen Partikelkontakt<br />
zu den Spannungen in einem repräsentativen Element<br />
eines flieûenden Kontinuums soll möglichst bequem<br />
gestaltet werden [39]. Dazu wurde zunächst die Methodik<br />
von MOLERUS [5, 16] übernommen [33 ± 40]. Im Gegensatz<br />
zum starr-plastisch angenommenen Kontaktverhalten von<br />
MOLERUS [5, 16] wird allerdings ein wesentlich komplexerer<br />
Zusammenhang für das elastisch-plastische Kontaktverhalten<br />
eingeführt, s. Abschnitt 3.1 [36 ± 38]. Diese Kontaktkräfte<br />
und die resultierenden Spannungen im Kontinuum<br />
lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen ineinander
656<br />
ÜBERSICHTSBEITR¾GE<br />
Chemie Ingenieur Technik (75) 6 | 2003<br />
umrechnen [16]. Nach ziemlich aufwändigen<br />
Umrechnungen der Kräftebilanzen<br />
für die Bedingungen des Kontaktversagens<br />
[40] folgen aus linearisierten<br />
Haft- und Gleitbedingungen der Partikel<br />
nichtlineare Flieûbedingungen des Kontinuums<br />
[39], die mittels einer Taylor-<br />
Reihe um den Mohrkreis des stationären<br />
Flieûens nochmals linearisiert werden.<br />
Mit dieser physikalisch begründeten,<br />
theoretischen Vorbereitung<br />
lassen sich die direkten Scherversuche<br />
ausgesprochen bequem auswerten [33],<br />
s. Abb. 6. Die wesentlichen Flieûkennwerte<br />
sind nunmehr in einem Satz überschaubarer,<br />
linearer konstitutiver Gleichungen<br />
enthalten: für die momentane<br />
Verfestigung der sog. Verfestigungsort<br />
Abbildung 6.<br />
Direkter Scherversuch mit beginnender Verfestigung, beginnendem Flieûen<br />
und stationärem Flieûen mit den Kennwerten: r 1 Verfestigungsspannung,<br />
r c einaxiale Druckfestigkeit, j i innere Reibungswinkel, j st stationärer (innerer)<br />
Reibungswinkel.<br />
( − σ<br />
M+ σ<br />
M,st) +<br />
R, st<br />
σ = ϕ<br />
(3)<br />
R<br />
sin<br />
i<br />
σ<br />
für das beginnende Flieûen der Flieûort<br />
( σ<br />
M−<br />
σ<br />
M,st) +<br />
R, st<br />
σ (4)<br />
R<br />
= sin ϕ<br />
i<br />
σ<br />
und für das stationäre Flieûen der stationärer Flieûort [39],<br />
s. Abb. 6:<br />
( σ + )<br />
σ (5)<br />
R,st<br />
= sin ϕ st M,st<br />
σ 0<br />
Für die Gleichheit der beiden Mittelpunktsspannungen<br />
r M = r M,st ist in den Gln. (3) und (4) unmittelbar ablesbar,<br />
dass daraus die Radiusspannung des Mohrkreises<br />
für stationäres Flieûen r R,st = r R plausibel folgt. Wie man<br />
den Gln. (3) bis (5) unmittelbar entnimmt, lassen sich beginnende<br />
Verfestigung, beginnendes Flieûen und stationäres<br />
Flieûen mit nur drei physikalisch begründeten Parametern<br />
hinreichend beschreiben [16, 39]:<br />
(1) j i ± instationäre Coulomb-Reibung versagender Partikelkontakte<br />
(analog: Haftreibung zwischen Festkörpern<br />
mit Kohäsion),<br />
(2) j st ± stationäres Gleichgewicht der Partikelreibung zwischen<br />
versagenden und sich simultan neu bildenden<br />
Partikelkontakten (analog: Gleitreibung zwischen Festkörpern),<br />
Zunahme des Reibungswiderstandes infolge<br />
verfestigender äuûerer Kräfte und elastisch-plastische<br />
Kontaktdeformation als Antwort,<br />
(3) r 0 ± dreiachsige Zugfestigkeit des unverfestigten <strong>Pulver</strong>s<br />
resultierend aus den Partikelhaftkräften ohne jegliche<br />
Kontaktdeformation.<br />
Als wichtigster Parameter der Vorgeschichte wird<br />
der äuûere mittlere Druck r M,st beim stationären Flieûen<br />
eingeführt. ¾quivalent dazu könnte man auch die Normalspannungen<br />
des Endkreises, d. h. die Normalspannung des<br />
Endpunktes des Flieûortes r E , die Anschernormalspannung<br />
r An oder die gröûte Hauptspannung r 1 nutzen, s. Abb. 6.<br />
Letztere wird unmittelbar für die Trichterauslegung benötigt<br />
und drückt im Wesentlichen einen scheinbaren einaxialen<br />
Spannungszustand oder eine Vergleichsspannung aus.<br />
Der messbare Zusammenhang zwischen den beiden<br />
Reibungswinkeln lässt sich wie folgt ausdrücken (k elastisch-plastischer<br />
Kontaktverfestigungskoeffizient) [5, 16,<br />
40]:<br />
st<br />
( 1+ κ ) tan ϕ<br />
i<br />
tan ϕ =<br />
(6)<br />
Je gröûer der Unterschied zwischen diesen beiden<br />
Winkeln ist, desto kohäsiver wird sich das trockene <strong>Pulver</strong><br />
verhalten. Bei einem leicht flieûenden bis rieselfähigen<br />
<strong>Pulver</strong> fallen dagegen alle Flieûorte nahezu auf einer Linie<br />
zusammen. Beide Reibungswinkel sind praktisch gleich: j i »<br />
j st . Die Kontakte verhalten sich sehr steif, d. h. k ! 0.<br />
Die beiden Kennwerte des stationären Flieûens<br />
j st und r 0 lassen sich direkt mit Hilfe der linearen Gl. (5)<br />
des stationären Flieûortes ermitteln. Dazu wird eine Ausgleichsgerade<br />
mit den r R,st (r M,st )-Punkten in einem r R =<br />
f(r M ) Diagramm berechnet. Die Genauigkeit der Extrapolation<br />
dieser Geraden, die zur isostatischen Zugfestigkeit r 0<br />
führt, hängt insbesondere von der Akkuratesse der Messwertgewinnung<br />
des stationären Flieûens ab. Unterverfestigte<br />
oder irgendwie geringfügig vorentlastete Proben führen<br />
hier zu physikalisch falschen Aussagen. Die Messung<br />
von 4 bis 5 Wertepaaren, d. h. Verfestigungsniveaus mit<br />
mindestens je 8 Einzelmessungen, s. Abb. 7, sollte für die<br />
praktische Apparateauslegung ohnehin der Normalfall sein.<br />
Ein Spezialfall des kohäsiven stationären Flieûens<br />
ist das kohäsionslose stationäre Flieûen, das nach<br />
JENIKE [27] durch den effektive Flieûort beschrieben wird:<br />
σ (7)<br />
R,st=<br />
sin ϕ<br />
e<br />
σ<br />
M,st<br />
Den Zusammenhang zwischen dem druckabhängigen<br />
effektiven Reibungswinkel j e und dem stationären<br />
Reibungswinkel j st als Stoffwert findet man durch Gleichsetzen<br />
der Gln. (5) und (7):
Chemie Ingenieur Technik (75) 6| 2003<br />
Partikeltechnologie 657<br />
Abbildung 7.<br />
Translationsschergerät mit Hubsystem für gröûere<br />
Normallasten r < 70 kPa, Bedienfeld mit Anzeige der<br />
Schergeschwindigkeit, Twister gestaltet nach SCHWEDES [32],<br />
Scherzelle und Belastungsjoch, montiert auf einem<br />
Laborwagen mit Aufnahme des Zubehörs.<br />
2.4 Verfestigungsfunktionen und Flieûfunktion<br />
Mit Hilfe der linearen Flieûortgleichung (4) folgt im positiven<br />
Druckbereich unmittelbar die einaxiale Druckfestigkeit<br />
r c =2r R (r 2 = 0 und r R = r M ):<br />
⎛ ⎞<br />
⎜<br />
σ<br />
0<br />
sin ϕ<br />
e=<br />
sin ϕ<br />
st<br />
1+<br />
⎜ (8)<br />
⎝ σ<br />
M,st ⎠<br />
Für groûe mittlere Spannungen r M,st nähern sich<br />
folglich beide Winkel j e ! j st an. Dieser überschaubare Zusammenhang<br />
steht in völliger Übereinstimmung mit den experimentellen<br />
Erfahrungen bei Schertests. In der Bodenmechanik<br />
wird eine dem stationären Flieûort zumindest<br />
adäquate Scherspannungsfunktion mit einem wirksamen<br />
Reibungswinkel ' verwendet [30], die der Verbindungslinie<br />
der jeweiligen Anscherpunkte der individuellen Flieûorte<br />
entspricht.<br />
Für die Messung der Flieûkennwerte kohäsiver<br />
Schüttgüter können alle direkten oder indirekten Schergeräte<br />
benutzt werden [32]. Für eine zuverlässige Messung<br />
von Zeitverfestigungen [34] bei extremen Umgebungsbedingungen<br />
von h = ±20 C bis 1300 C und Luftfeuchten j L<br />
bis 95 % hat sich die Translationsscherzelle als sehr brauchbar<br />
herausgestellt. Diese Bedingungen können in einem<br />
Klimaschrank bzw. Heizofen mit eingeschränkter Grundfläche<br />
für eine ausreichende Zellenzahl realisiert werden.<br />
Deshalb wurde ein neues Translationsschergerät gebaut,<br />
das zwecks bequemer Handhabung bei der Versuchsdurchführung<br />
mit einem Hubsystem versehen<br />
und auf einem Laborwagen befestigt<br />
wurde, s. Abb. 7. Für die Überprüfung<br />
der Flieûkennwerte bei Einleitung von<br />
Schwingungen unmittelbar in die Scherzone<br />
wird ein zweites Translationsschergerät<br />
genutzt [42]. Bei längeren Scherwegen<br />
sowie bei höheren Belastungen im<br />
Zentrifugalkraftfeld oder im Mitteldruckbereich<br />
von etwa 50 bis 1000 kPa können<br />
wir zusätzlich eine robust ausgelegte<br />
Ringscherzelle anwenden [43].<br />
2<br />
=<br />
( sin ϕ − sin ϕ )<br />
σ<br />
2 sin ϕ<br />
st i<br />
st<br />
σ<br />
c<br />
M,st +<br />
(9)<br />
0<br />
1−<br />
sin ϕ<br />
i<br />
1−<br />
sin ϕ<br />
i<br />
Dem entsprechend erhält man ebenfalls mit<br />
Gl. (4) den Betrag der einaxialen Zugfestigkeit im negativen<br />
Zugbereich r Z,1 =2r R (r 1 = 0 und r R =±r M ):<br />
2<br />
=<br />
( sin ϕ − sin ϕ )<br />
σ<br />
2 sin ϕ<br />
+<br />
st i<br />
st<br />
σ (10)<br />
Z,1<br />
M,st<br />
0<br />
1+<br />
sin ϕ<br />
i<br />
1+<br />
sin ϕ<br />
i<br />
Beide Verfestigungsfunktionen beschreiben physikalisch<br />
begründet die lineare Zunahme der einaxialen<br />
Druck- und Zugfestigkeit mit einer Zunahme der mittleren<br />
Spannung r M,st . Der Anstieg beider Funktionen (9) und (10)<br />
wird im Wesentlichen durch die Differenz der beiden Reibungswinkel<br />
sin j st ± sin j i beeinflusst. Er ist für das flieûende<br />
Kontinuum auch ein Maû der Flieûfähigkeit. Mit Hilfe<br />
der Beziehung (6) wird auch klar, dass dieser Anstieg<br />
auch die Nachgiebigkeit der Partikelkontakte im Mikroskopischen<br />
charakterisiert, s. Tab. 1.<br />
Bei der Auslegung von Trichtern ist es üblich,<br />
statt der bisher benutzten mittleren Spannung r M,st die<br />
gröûte Hauptspannung r 1 zu verwenden [27]. Beide charakterisieren<br />
hinreichend die Beanspruchungsvorgeschichte<br />
des Schüttgutes im Falle des stationären Flieûens.<br />
Mittels der Flieûbedingung für stationäres Flieûen lassen<br />
sich die beiden Spannungen r M,st und r 1 austauschen:<br />
σ − σ<br />
=<br />
sin ϕ<br />
1 0 st<br />
σ<br />
M,st<br />
(11)<br />
1+<br />
sin ϕ<br />
st<br />
Unter Beachtung der gemeinsamen Auftragung<br />
von Druck- und Zugspannungen in Abb. 6 werden die linearen<br />
Verläufe der Verfestigungsfunktionen ebenfalls in Abb.<br />
8 gemeinsam über die Verfestigungsspannung r 1 dargestellt.<br />
Die charakteristischen Geraden der momentanen Verfestigung<br />
und der Zeitverfestigung treffen sich jeweils im gleichen<br />
Abszissenabschnitt der r 1 -Achse. Dieser charakterisiert,<br />
wie die Zugfestigkeit in Abb. 4, ein inneres<br />
Verfestigungsvermögen ohne äuûere Spannungen, allein<br />
aufgrund der Partikelhaftung.<br />
Tabelle 1.<br />
Flieûverhalten und elastisch-plastischer Kontaktverfestigungskoeffizient k für<br />
einen konstanten inneren Reibungswinkel von j i = 30.<br />
Flieûfunktion ff c k-Werte j st in Bewertung Beispiele<br />
100 ± 10 0,01 ± 0,11 30,3 ± 33 frei flieûend trockener Feinsand<br />
10 ± 4 0,11 ± 0,3 33 ± 37 leicht flieûend feuchter Feinsand<br />
4 ± 2 0,3 ± 0,77 37 ± 46 kohäsiv trockene <strong>Pulver</strong><br />
2 ± 1 0,77 ± 1 46 ± 90 sehr kohäsiv feuchte <strong>Pulver</strong><br />
658<br />
ÜBERSICHTSBEITR¾GE<br />
Chemie Ingenieur Technik (75) 6 | 2003<br />
Abbildung 8.<br />
Verfestigungsfunktionen des TiO 2 -<strong>Pulver</strong>s bei den<br />
Lagerzeiten t = 0 und 24 h.<br />
Mit Hilfe des Anstieges der Druckfestigkeitsfunktion<br />
r c (r 1 ) gewinnt man nun den unmittelbaren Zusammenhang<br />
zwischen dem elastisch-plastischen Partikelkontaktverfestigungskoeffizienten<br />
k = f(ff c ) und der Flieûfunktion<br />
nach JENIKE [27]:<br />
κ =<br />
1+<br />
(2 ff<br />
tan ϕ<br />
i<br />
c<br />
− 1) sin ϕ<br />
( 2 ff − 1+<br />
sin ϕ )<br />
c<br />
i<br />
i<br />
1<br />
2<br />
⎛ 1+<br />
(2 ff<br />
c<br />
− 1) sin ϕ ⎞<br />
i<br />
1−<br />
⎜<br />
⎜<br />
⎝ 2 ff<br />
c<br />
− 1+<br />
sin ϕ<br />
i ⎠<br />
− 1<br />
(12)<br />
Tab. 1 enthält die semi-empirischen Werte gemäû<br />
JENIKE und die Ergänzung ¹nicht flieûend, verhärtetª für ff c<br />
1. Geringe Flieûfunktionswerte bedeuten kohäsives bis<br />
nicht flieûendes Verhalten, verursacht durch hohe Kontaktnachgiebigkeiten,<br />
und umgekehrt steife Kontakte erzeugen<br />
freie Flieû- oder Rieselfähigkeit, eben wie trockener Ostseesand.<br />
2.5 Kompressionsverhalten eines kohäsiven<br />
<strong>Pulver</strong>s<br />
Das Kompressionsverhalten eines kohäsiven <strong>Pulver</strong>s ist<br />
durch die Druckabhängigkeit der Packungsdichte gekennzeichnet.<br />
Es steht im unmittelbaren Zusammenhang zum<br />
Flieûverhalten und wird beeinflusst von folgenden Mikrovorgängen:<br />
± Umlagerung steifer Partikel mit steifen Kontakten zu<br />
einer dichteren Zufallspackung,<br />
± Deformation weicher Kontakte von harten (mineralischen)<br />
Partikeln und<br />
± Deformation weicher Partikel (z. B. Biozellen).<br />
Bei der Beurteilung eines <strong>Pulver</strong>s in bezug auf<br />
seine Tablettier- oder Brikettierfähigkeit unter hohem<br />
Druck sind auûerdem zu unterscheiden:<br />
± seine Kompressibilität, d. h. das Vermögen zur Volumenreduktion<br />
unter Druck, und<br />
± die Verpressbarkeit, d. h. das Vermögen, unter Druck<br />
einen Pressling mit genügender Festigkeit zu bilden.<br />
Genau diese beiden Eigenschaften eines kohäsiven<br />
<strong>Pulver</strong>s wurden auch in einem Scherversuch überprüft,<br />
und zwar die Kompression beim Vorverfestigen/Anscheren<br />
und anschlieûend die erzeugte Festigkeit durch das Abscheren,<br />
s. Abb. 6. Diese direkt gemessenen Scherfestigkeiten<br />
lassen sich in die Druck- und Zugfestigkeiten umrechnen,<br />
s. Abb. 4. Demzufolge sind Scherversuche, durchgeführt zumindest<br />
in einem mittelgroûen Druckbereich von etwa 50<br />
bis 1000 kPa, ebenfalls geeignet, diese Eigenschaftsfunktionen<br />
zu quantifizieren.<br />
<strong>Zur</strong> Beschreibung wird eine isentropische <strong>Pulver</strong>kompression<br />
in dem Sinne angenommen, dass sich während<br />
der Verdichtung nicht der Ordnungszustand der Zufallspackung<br />
ändert. Es findet kein Übergang in eine reguläre Packung<br />
statt. Im Analogieschluss kann die Gleichung für adiabate<br />
Gaskompression angewandt werden, wobei zusätzlich<br />
noch die innere Haftung zwischen den Partikeln berücksichtigt<br />
wird [36, 39]. Diese isostatische Zugspannung r 0 der<br />
Partikel entspricht somit dem Kohäsionsdruck als Ausdruck<br />
molekularer Anziehung in der van-der-Waals-Gas-Gleichung,<br />
die für reale Gase in der Nähe ihres Kondensationspunktes<br />
gilt. Davon ausgehend werden nun die folgenden<br />
Funktionen des Kompressionsverhalten kohäsiver Schüttgüter<br />
auf dieser physikalischen Grundlage eingeführt:<br />
± Die Auswertung der sog. Kompressionsrate als eine inkrementale<br />
¹Verdichtungsgeschwindigkeitª [44, 45] ist<br />
insbesondere dann geeignet, wenn sich über mehrere<br />
Gröûenordnungen des mittleren Kompressionsdruckes<br />
p = r M,st der Kompressibilitätsindex n ändern kann,<br />
s. Abb. 9.<br />
dρ<br />
dσ<br />
b<br />
M,st<br />
= n<br />
σ<br />
0<br />
ρ<br />
b<br />
+σ<br />
M,st<br />
(13)<br />
Verantwortlich dafür ist ein Wechsel der prozessbestimmenden<br />
Mikrovorgänge, z. B. bei hohen Pressdrücken<br />
der Übergang der Kontaktdeformationen zu einer Partikeldeformation.<br />
Vorschläge für eine Einteilung des Kompressibilitätsindex<br />
im Hinblick auf das Flieûverhalten<br />
kohäsiver Schüttgüter finden sich in Tab. 2.<br />
± Die Kompressionsfunktion b = f(r M,st ), oder häufig<br />
V = f(p) [44], wird durch Integration der Kompressionsrate<br />
Gl. (13) erhalten. Sie beschreibt den Zusammenhang<br />
Abbildung 9.<br />
Isentropische Kompression eines kohäsiven <strong>Pulver</strong>s.
Chemie Ingenieur Technik (75) 6| 2003<br />
Partikeltechnologie 659<br />
Tabelle 2.<br />
Der Kompressibilitätsindex n von Schüttgütern,<br />
semi-empirische Abschätzung für r M,st < 50 kPa.<br />
Index n Bewertung Beispiele Flieûfähigkeit<br />
0 ± 0,01 inkompressibel Schotter frei flieûend<br />
0,01 ± 0,05 wenig kompressibel feiner Sand<br />
0,05 ± 0,1 kompressibel trockene <strong>Pulver</strong> kohäsiv<br />
0,1 ± 1 sehr kompressibel feuchte <strong>Pulver</strong> sehr kohäsiv<br />
Abbildung 11.<br />
Charakteristische Kennwertfunktionen kohäsiver <strong>Pulver</strong> für<br />
nachgiebiges und steifes Partikelkontakt- u. Flieûverhalten<br />
[37].<br />
zwischen der Schüttgutdichte b und dem angewandten<br />
mittleren Druck r M,st nach Entlastung und elastischer<br />
Rückdehnung [36, 39]:<br />
ρ<br />
ρ<br />
b<br />
= 1<br />
b,0<br />
⎛ σ<br />
⎜ +<br />
⎝ σ<br />
M,st<br />
0<br />
n<br />
⎞<br />
⎜ (14)<br />
⎠<br />
± Die spezifische Kompressionsarbeit W m,b eines kohäsiven<br />
<strong>Pulver</strong>s wird durch erneute Integration der reziproken<br />
Kompressionsfunktion Gl. (14) (n 6ˆ 1) erhalten. Sie<br />
beschreibt den Zusammenhang der äuûeren massebezogenen<br />
Arbeit (untere Grenze r M,st = 0) in Abhängigkeit<br />
vom mittleren Druck r M,st beim Verdichten:<br />
W<br />
m,b<br />
= n<br />
σ<br />
1−<br />
n<br />
M,st<br />
dσ<br />
⎡<br />
⎤<br />
M,st n σ ⎛ σ ⎞<br />
0<br />
M,st<br />
∫ = ⎢ ⎜ 1+<br />
⎜ − 1⎥<br />
(15)<br />
ρ ( σ ) 1−<br />
n ρ<br />
b,0 ⎢ ⎣ ⎝ σ<br />
0 b M, st<br />
0 ⎠ ⎥ ⎦<br />
Die prinzipiellen Verläufe dieser drei Funktionen<br />
(13), (14) und (15) können der Abb. 10 entnommen werden.<br />
In der Nähe des Startpunktes r M,st =±r 0 ist durch beginnende<br />
Umlagerung und Kontaktdeformation der Dichtezuwachs<br />
am gröûten (gestrichelte Kurve). Die spezifische Kompressionsarbeit,<br />
strichpunktierte Kurve, beginnt am Nullpunkt<br />
und beträgt beispielsweise 0,2 bis 1,5 J/kg für das TiO 2 -<strong>Pulver</strong><br />
bei den eingestellten Verdichtungsniveaus r M,st = 2 bis<br />
19 kPa der Flieûorte 1 bis 4 einer Translationsscherzelle.<br />
Diese Werte beinhalten nur den Kompressionsanteil des<br />
Energieeintrages durch Normal- und Scherspannungen bis<br />
zum Erreichen einer konstanten Schüttgutdichte durch stationäres<br />
Flieûen. Weiterführende Energieeinträge in die<br />
Scherzone durch stationäres Scheren werden in zusätzliche<br />
inelastische Kontaktdeformationen, Gefügeversetzungen,<br />
Reibungswärme, Partikel- und Wandabrasion oder sogar<br />
Partikelbrüche umgewandelt.<br />
Abbildung 10.<br />
Kompressionsrate, Kompressionsfunktion und spezifische<br />
Kompressionsarbeit eines kohäsiven <strong>Pulver</strong>s.<br />
Die Gln. (14) und (15) zur Auswertung der Kompressions-<br />
und Scherversuche von kohäsiven Schüttgütern<br />
setzen voraus, dass die isostatische Zugfestigkeit r 0 6ˆ 0 verschieden<br />
von Null ist. Es gibt nun einige Schüttgüter, bei denen<br />
die Extrapolation des stationären Flieûortes einen Wert<br />
von praktisch Null liefert. Das bedeutet kohäsionsloses stationäres<br />
Flieûen. Dies wird durch den effektiven Flieûort<br />
nach JENIKE [27] als Spezialfall des stationären Flieûortes<br />
beschrieben. Für solche Schüttgüter ist die Anwendung der<br />
Auswertemethodik ratsam, die schon früher publiziert wurde<br />
[33, 34]. Auûerdem kann für r 0 = 0 auch das Drucker-Prager-Modell<br />
mit Ergänzungen [41] genutzt werden. Allerdings<br />
sind nur 5 Stoffparameter tatsächlich notwendig für<br />
eine überschaubare Formulierung eines Stoffgesetzes des<br />
Flieûens kohäsiver Schüttgüter. Mit den konstitutiven Gln.<br />
(3), (4), (5) und (14), der isostatische Zugfestigkeit r 0 , mit<br />
dem inneren und stationären Reibungswinkel j i , j st sowie<br />
mit dem mittleren Druck beim stationären Flieûen r M,st als<br />
Parameter der Vorgeschichte lassen sich die momentane<br />
Verfestigung, das beginnende und das stationäre Flieûen<br />
vollständig beschreiben.<br />
3 Schlussfolgerungen<br />
Die partikelmechanischen Modellvorstellungen werden beispielsweise<br />
genutzt, um den Einfluss von mechanischen<br />
Schwingungen [42] oder das Auspressen von wassergesättigten<br />
Filterkuchen unter hohem Druck [43] physikalisch<br />
besser zu verstehen.
660<br />
ÜBERSICHTSBEITR¾GE<br />
Chemie Ingenieur Technik (75) 6 | 2003<br />
Erstmalig ist der unmittelbare Einfluss des mechanischen<br />
Partikelkontaktverhaltens, ausgedrückt durch<br />
einen elastisch-plastischen Kontaktverfestigungskoeffizienten,<br />
auf die semi-empirische Flieûfunktion (nach JENIKE)<br />
analytisch darstellbar. Mit Hilfe eines Kompressibilitätsindex<br />
lässt sich das Verdichtungsverhalten einschätzen. Zusätzlich<br />
werden die Kompressionsrate und die spezifische<br />
Kompressionsarbeit eingeführt. Damit können die Schüttgüter<br />
hinsichtlich Kontaktnachgiebigkeit, Haftkraftverstärkung,<br />
Flieûfähigkeit und Kompressibilität auf physikalischer<br />
Grundlage beurteilt werden, s. Abb. 11.<br />
Selbstverständlich lassen sich mit den vorgestellten<br />
Eigenschaftsfunktionen auch zweckmäûige Schlussfolgerungen<br />
für eine marktgerechte <strong>Produktgestaltung</strong> in der<br />
stoffwandelnden Industrie [1] ziehen.<br />
m [] Dilatanzwinkel<br />
[kg/m 3 ] Dichte<br />
r [kPa] Normalspannung<br />
r 0 [kPa] isostatische Zugfestigkeit der<br />
unverfestigten Packung<br />
r 1 [kPa] gröûte Hauptspannung beim stationären<br />
Flieûen<br />
r 2 [kPa] kleinste Hauptspannung<br />
r F [MPa] plastische Flieûgrenze bei Zugbeanspruchung<br />
r Z [kPa] Zugfestigkeit<br />
s [kPa] Scherspannung<br />
s c [kPa] Kohäsion<br />
j i [] innerer Reibungswinkel<br />
j st [] stationärer Reibungswinkel<br />
Der Autor möchte sich bei seinen Mitarbeitern Dr. S. AMAN,<br />
Dr. T. GRÖGER, S. SCHUBERT, B. EBENAU,Dr.B.REICHMANN,Dr.T.<br />
KOLLMANN und Dr. W. HINTZ für die experimentellen Beiträge<br />
und konstruktiven Hinweise bedanken. Ein besonderer Dank<br />
gilt Prof. S. LUDING [6] und Prof. H.-J.BUTT[25] für die intensiven<br />
und kritischen Diskussionen der physikalischen Grundlagen<br />
der Partikel- und Schüttgutmechanik im Rahmen der gemeinsamen<br />
Bearbeitung des Projektes ¹Scherdynamik kohäsiver,<br />
feindisperser Partikelsystemeª innerhalb des DFG-<br />
Sonderprogrammes ¹Verhalten granularer Medienª.<br />
Eingegangen am13. Februar 2003 [B6134]<br />
Formelzeichen<br />
a [nm] Partikelabstand<br />
a F=0 [nm] Mindestabstand für molekulares<br />
Kräftegleichgewicht<br />
C H [J] Hamaker-Konstante nach LIFSCHITZ<br />
[11]<br />
d [m] Partikelgröûe<br />
F [N] Kraft<br />
ff c [±] Flieûfunktion nach JENIKE [27]<br />
h [m] Höhe<br />
h K [nm] Kontaktabplattungshöhe beider<br />
Partner<br />
n [±] Kompressibilitätsindex<br />
p [MPa] Druck<br />
Re [±] Reynolds-Zahl<br />
r K [nm] Kontaktkreisradius<br />
s [mm] Scherweg<br />
t [h] Zeit<br />
v S [mm/min] Schergeschwindigkeit<br />
W [J] Arbeit<br />
X [g/g] Masseanteil<br />
griechische Buchstaben<br />
e 0 [m 3 /m 3 ] Porosität der unverfestigten Pakkung<br />
e [Pa s] dynamische Viskosität<br />
h [C] Temperatur<br />
k [±] elastisch-plastischer Kontaktverfestigungskoeffizient<br />
Indices<br />
0 belastungsfrei, Anfangszustand<br />
A flächenbezogen<br />
b Schüttgutc<br />
Drucke<br />
effektiv (wirksam)<br />
f Flieûen<br />
H Hafti<br />
innerer<br />
iso isostatisch<br />
K Kontaktl<br />
liquid<br />
m massebezogen<br />
M Mittelpunkt des Mohrkreises<br />
max maximal<br />
min minimal<br />
N Normal-<br />
R Radius des Mohrkreises<br />
s solid<br />
S scher-, oberflächenbezogen<br />
st stationär<br />
Sz Scherzone<br />
t zeitabhängig<br />
T tangential-<br />
W Wasser<br />
Z Zug-<br />
Literatur<br />
[1] K. Borho, R. Polke, K. Wintermantel, H. Schubert,<br />
K. Sommer, Chem. Ing. Tech. 1991, 63, 792.<br />
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