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7_Hinweise zur Fallbearbeitung

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Wiss. Mit. David Jahn PÜ BGB AT - WS 10/11<br />

II. Syllogismus und Rechtsanwendung 1<br />

In Büchern <strong>zur</strong> Methodik der <strong>Fallbearbeitung</strong> heißt es häufig, Rechtsanwendung vollziehe<br />

sich nach dem Grundprinzip des Syllogismus.<br />

1. Der Syllogismus<br />

Als Syllogismus bezeichnet man seit Aristoteles den Schluss aus zwei Prämissen auf eine<br />

Konklusion („conclusio“). Diese Schlussfolgerung ist beim syllogistischen Schluss logisch<br />

zwingend, weil die Prämissen (Obersatz und Untersatz) einen gemeinsamen und identischen<br />

Mittelbegriff enthalten, so dass zwischen Ober- und Untersatz ein Ableitungszusammenhang<br />

besteht, der es ermöglicht, die beiden Prämissen in einem neuen Urteil zu verknüpfen. Der<br />

gültige syllogistische Schluss liefert zu wahren Prämissen eine wahre Schlussfolgerung.<br />

Zentrales Element des syllogistischen Schlusses ist der identische Mittelbegriff. Mit ihm steht<br />

und fällt der syllogistische Schluss. Ob der identische Mittelbegriff vorliegt oder nicht, ist<br />

wegen der Mehrdeutigkeit der Sprache keine Frage der formalen Logik, sondern eine der<br />

Wertung. In den einfachen Schulbeispielen (Aristoteles ist ein Mensch. Jeder Mensch ist<br />

sterblich. Also ist Aristoteles sterblich.) bereitet die Feststellung des – hier offensichtlichen –<br />

identischen Mittelbegriffs keine Schwierigkeiten.<br />

2. Die Rechtsanwendung<br />

Kennzeichnendes Merkmal der Gesetzesanwendung ist das „Hin- und Herwandern des Blicks<br />

zwischen Lebenssachverhalt und Rechtsnorm“ (K. Engisch). Die Rechtsnorm wird im<br />

Hinblick auf den zu beurteilenden Sachverhalt konkretisiert, indem ihre einzelnen<br />

Tatbestandsmerkmale erläutert werden.<br />

Die Rechtsanwendung durch einen einzelnen Syllogismus ist regelmäßig schon deshalb<br />

ausgeschlossen, weil gesetzliche Tatbestände fast immer mehre Voraussetzungen haben. Aber<br />

auch die Erörterung der einzelnen Tatbestandsmerkmale weist nur gewisse Parallelen zum<br />

Syllogismus auf. Zwar kann man das jeweilige Tatbestandsmerkmal („Voraussetzung“) als<br />

Obersatz und den Sachverhalt als Untersatz eines syllogistischen Modells begreifen. Der<br />

entscheidende Unterschied liegt aber darin, dass das abstrakte Tatbestandsmerkmal und der<br />

konkrete Sachverhalt meist noch keinen identischen Mittelbegriff aufweisen. Dieser wird im<br />

Prozeß der Rechtsanwendung erst erstellt, indem die einzelnen Tatbestandsmerkmale definiert<br />

werden. Am Ende der Auslegung steht ein auf den Einzelfall hin konkretisierter Begriff. Ist<br />

der identische Mittelbegriff erst einmal wertend produziert worden, dann bereitet doe<br />

Schlussfolgerung keine nennenswerten Probleme mehr.<br />

3. Ergebnis<br />

Rechtsanwendung ist kein primär logisch-syllogistischer Erkenntnisakt. Der Rechtsanwender<br />

beurteilt konkrete Sachverhalte anhand gesetzlich normierter Wertmaßstäbe. Seine<br />

Hauptaufgabe besteht nicht darin, logische Schlüsse zu ziehen, sondern wertend Zwecke zu<br />

verwirklichen.<br />

1 Nach Fischer, Christian, Prof. an der Universität Jena.

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