Single-Source-Projekte am Universitätsklinikum Erlangen
Single-Source-Projekte am Universitätsklinikum Erlangen
Single-Source-Projekte am Universitätsklinikum Erlangen
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Schwerpunkt<br />
<strong>Single</strong> <strong>Source</strong> | EDC<br />
<strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-<strong>Projekte</strong> <strong>am</strong><br />
Universitätsklinikum <strong>Erlangen</strong><br />
Beispielprojekte zur Nutzung von Daten aus der elektronischen<br />
Krankenakte für die klinische und translationale Tumorforschung<br />
Dr. Thomas Ganslandt 2<br />
E-Mail:<br />
thomas.ganslandt@<br />
uk-erlangen.de<br />
Hans-Ulrich Prokosch 1,2<br />
Alexander Beyer 2<br />
Martin Schwenk 2<br />
Katrin Starke 2<br />
Barbara Bärthlein 1<br />
Felix Köpcke 1<br />
Sebastian Mate 1<br />
Marcus Martin 2<br />
Winfried Schöch 2<br />
Christoph Seggewies 2<br />
Thomas Bürkle 1<br />
1 : Lehrstuhl für<br />
Medizinische Informatik<br />
der Friedrich-Alexander-<br />
Universität <strong>Erlangen</strong>-<br />
Nürnberg<br />
2 : Medizinisches<br />
Zentrum für<br />
Informations- und<br />
Kommunikationstechnik<br />
des<br />
Universitätsklinikums<br />
<strong>Erlangen</strong><br />
Die immer umfangreicheren und komplexeren Anforderungen<br />
der DRG-basierten Abrechnung stationärer<br />
Krankenhausleistungen, die Notwendigkeit<br />
zur juristischen Absicherung aller ärztlichen Handlungen,<br />
die vielfältigen Anforderungen zur Qualitätssicherung<br />
und speziell in der Onkologie eine Vielzahl zusätzlicher<br />
Verpflichtungen zum Nachweis entsprechender Qualitätsindikatoren<br />
zur Zertifizierung als onkologisches Organzentrum<br />
haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass<br />
der Dokumentationsaufwand pro Arzt-Patient-Kontakt,<br />
verglichen mit den Zuständen vor drei oder vier Jahrzehnten,<br />
extrem zugenommen hat. Ärzte klagen darüber,<br />
dass viele identische Informationen und Daten auch in<br />
zahlreichen Wiederholungen gleichermaßen an mehreren<br />
Stellen in teilweise sehr unterschiedlichen Dokumentations<br />
systemen niedergelegt werden müssen. Beckmann<br />
und Kollegen sprechen von einem gigantischen dokumentatorischen<br />
Ges<strong>am</strong>twerk, in dem sich zahlreiche<br />
Dokumentationsprozesse allein schon durch Redundanz<br />
bis zur Unendlichkeit gegenseitig aufplustern [1].<br />
Angesichts all dieser »administrativen Doku mentations<br />
be lastungen« bleibt neben der Krankenversorgung<br />
kaum noch Zeit, um auch medizinische Forschung zu<br />
betreiben. In der Regel basieren medizinische Forschungsprojekte<br />
auf zusätzlich aufzubauenden Forschungsdatenbanken,<br />
die den oben beschriebenen Dokumentationsaufwand<br />
noch weiter erhöhten. Die Medizinische Informatik<br />
ist in dieser Situation gefordert, durch neue innovative<br />
Ansätze zur Mehrfachverwendung einmal dokumentierter<br />
Daten [2] (sogenannte <strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-Konzepte [3]),<br />
einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Dokumenta<br />
tionsaufkommens zu leisten. Ziel muss es sein, dass<br />
klinische Behandlungsdaten nur einmal, unmittelbar im<br />
Kontext und zur Unterstützung des jeweiligen medizinischen<br />
Prozesses, elektronisch dokumentiert werden<br />
und dass diese Daten dann sowohl im weiteren Behandlungsverlauf<br />
überall dort zur Verfügung stehen, wo sie<br />
benötigt werden, als auch gleichzeitig für Abrechnungszwecke,<br />
Anforderungen der Qualitätssicherung, verschiedene<br />
Registerdokumentationen und die medizinische Forschung<br />
verwendet werden können.<br />
Im Rahmen des Aufbaus standardisierter, interdisziplinärer<br />
Strukturen zur Optimierung sowohl der Prozesse<br />
der Krankenversorgung von Tumorpatienten als auch<br />
der klinischen und translationalen Tumorforschung (im<br />
Kontext der Einrichtung eines von der deutschen Krebshilfe<br />
geförderten onkologischen Spitzenzentrums, des<br />
University Cancer Center <strong>Erlangen</strong>; UCC) wurden <strong>am</strong> Universitätsklinikum<br />
<strong>Erlangen</strong> seit 2008 verschiedene <strong>Projekte</strong><br />
initiiert, die den Grundgedanken der Nutzung von<br />
Daten aus der elektronischen Krankenakte für die Forschung<br />
verfolgen.<br />
Anhand der beispielhaften <strong>Projekte</strong> 1.) zur primären<br />
Dokumentation des Behandlungsverlaufs für Prostatakarzinompatienten<br />
im Klinischen Arbeitsplatzsystem<br />
Soarian TM , 2.) zum Aufbau eines Projekt-/Probenvermittlungsportals<br />
für das Deutsche Prostatakarzinomkonsortium,<br />
3.) zur Umsetzung der Primärdokumentation für<br />
das BMBF-geförderte multizentrische Forschungsprojekt<br />
Polyprobe innerhalb von Soarian TM und 4.) dem Aufbau<br />
einer Tumorbank für das UCC werden die verschiedenen<br />
Erlanger <strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-Initiativen nachfolgend kurz<br />
vorgestellt.<br />
Dokumentation des Behandlungsverlaufs<br />
von Patienten<br />
mit Prostatakarzinom<br />
Die Urologische Klinik des Universitätsklinikums<br />
<strong>Erlangen</strong> setzte sich Ende 2007 das Ziel, die EDV-Unterstützung<br />
für die klinische Dokumentation deutlich auszubauen,<br />
dabei gleichzeitig die Anforderungen zur Datenbereitstellung<br />
für das Erlanger Klinische Krebsregister zu<br />
erfüllen und auch die für die Zertifizierung als Prostatakarzinomzentrum<br />
relevanten Qualitätsindikatoren möglichst<br />
automatisiert aus dieser Dokumentation ableiten<br />
zu können. Nach der Evaluation verschiedener kommerziell<br />
angebotener Spezialdokumentationen k<strong>am</strong> man<br />
zu der Entscheidung, dass deren Leistungs- und Funktionsumfang<br />
zwar sehr gut auf die von OnkoZert für die<br />
Zertifi zierung als Prostatakarzinomzentrum geforderten<br />
Qualitätsindikatoren zuge schnitten war, dass dies aber<br />
dennoch den d<strong>am</strong>it verbundenen enormen Aufwand<br />
zur Integration eines solchen organbezogenen Spezialdokumentationssystems<br />
in die Erlanger KIS-Umgebung<br />
und die d<strong>am</strong>it dann gleichzeitig verbundene Dokumentation<br />
in unterschiedlichen EDV-Systemen nicht rechtfertigen<br />
würde. Es wurde deshalb d<strong>am</strong>it begonnen, eine<br />
62 Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 2/2010
Schwerpunkt<br />
<strong>Single</strong> <strong>Source</strong> | EDC<br />
umfassende Tumordokumentation für Prostatakarzinompatienten<br />
innerhalb des Klinischen Arbeitsplatzsystems<br />
(KAS) Soarian TM aufzubauen. Ange lehnt an die Dokumentationsvorgaben<br />
der Arbeitsgemeinschaft Deutscher<br />
Tumor zentren (ADT) wurden Dokumentationsbögen zur<br />
Erfassung der an<strong>am</strong>nestisch/diagnostischen Informationen,<br />
des Operationsverlaufs, der Strahlen therapie, der<br />
systemischen Therapie und der Tumornachsorge realisiert.<br />
Weiterhin wurden in Soarian TM prozessunterstützende<br />
Formulare zur Planung und Dokumen tation der<br />
interdisziplinären Tumorkonferenz sowie zur Anforderung<br />
der patholo gischen Diagnostik und der pathologischen<br />
Befunderstellung erstellt. Da das bisher in der Pathologie<br />
eingesetzte Dokumentationssystem lediglich die Erstellung<br />
von Freitextbefunden unterstützte, für den Aufbau<br />
einer Tumorbank und die Bereitstellung von Daten für das<br />
Klinische Krebsregister allerdings die strukturierte Befundung<br />
(u.a. von TNM, ICD-O, Gleason-Score) unumgänglich<br />
ist, wurde ein entsprechendes Befundungsformular<br />
zusätzlich in Soarian TM implementiert. Wesent lich für die<br />
Akzeptanz dieser klinischen Tumordokumentation und die<br />
d<strong>am</strong>it automatisch verbundene Dokumentationsqualität<br />
war es, dass mit Hilfe der Soarian-Workflow-Engine eine<br />
Vielzahl prozessunterstützender Funktionalitäten realisiert<br />
wurden, die – insbesondere im Kontext der interdisziplinären<br />
Therapie des Prostata karzinoms – jeweils<br />
in Arbeitslisten der betroffenen klinischen Partner, genau<br />
die jenigen Patienten und die relevanten Dokumentationsformulare<br />
unmittelbar zur Doku men tation anbieten,<br />
die jeweils im entsprechenden Behandlungskontext<br />
anstehen.<br />
Diese Dokumentation wird von den Kliniken für Urologie,<br />
Hämatologie/Onkologie und Strahlentherapie sowie<br />
dem Institut für Pathologie seit Herbst 2008 genutzt. Auf<br />
der Basis dieser Dokumentation wurden die Daten/Auswertungen<br />
zur Zertifizierung als Prostatakarzinomzentrum<br />
im Frühjahr 2009 gewonnen. Eine automatisierte<br />
Übermitt lung dieser Daten an das Klinische Krebsregister<br />
soll Anfang 2011 (nach Einführung des Tumordokumentationssystems<br />
GTDS [4] <strong>am</strong> Erlanger Tumorzentrum)<br />
umgesetzt werden.<br />
Aufbau eines Projekt-/Probenvermittlungs<br />
portals für das Deutsche<br />
Prostatakarzinomkonsortium<br />
Wie bereits oben erwähnt, war es das Ziel der KASbasierten<br />
Dokumentation des Behandlungsverlaufs von<br />
Prostatakarzinompatienten, diese Daten für möglichst<br />
viele sekundäre Dokumentationsziele weiterzuverwenden.<br />
Als einer der Partner im Deutschen Prostatakarzinomkonsortium<br />
(DPKK) hatte die Erlanger Urologie in<br />
den letzten Jahren bereits <strong>am</strong> Aufbau einer gemeins<strong>am</strong>en<br />
Web-basierten Prostata karzinom-Datenbank mitgewirkt.<br />
Allerdings wurde es im Laufe des Jahres 2009<br />
immer deutlicher, dass – trotz eines großen gemeins<strong>am</strong>en<br />
wissenschaftlichen Interesses – angesichts der<br />
sowieso schon im lokalen Umfeld aller Partner existierenden<br />
Dokumentationsvorgaben eine zusätzliche Eingabe<br />
von Daten in diese Datenbank dauerhaft nicht akzeptiert<br />
wurde. Das Interesse, zum Zwecke einer zukünftigen<br />
Forschungskooperation für bestimmte Fragestellungen<br />
gemeins<strong>am</strong>e Patienten kohorten (und für diese<br />
auch vorhandene Tumorproben) identifizieren zu können,<br />
war aber weiterhin groß. Aus gleichem Grund bestand<br />
seitens der Erlanger Urologie gleichzeitig großes Interesse,<br />
sich dem CRIP-Projekt (CRIP = Central Research<br />
Infrastructure for Molecular Pathology) anzuschließen.<br />
CRIP ist als Internetportal konzipiert, über welches Forschungsprojekte,<br />
die auf der Verwendung von gesunden<br />
und pathologischen Gewebeproben beruhen, vermittelt<br />
werden können (vgl. [5, 6] sowie https://crip.fraunhofer.<br />
de/). Es wurde durch die Pathologischen Institute der<br />
Charité Berlin, der Medizinischen Universität Graz und<br />
der TU München initiiert und vom Fraunhofer Institut<br />
IBMT entwickelt.<br />
Zwar verfolgen CRIP und das DPKK letztendlich das<br />
gleiche Ziel, doch unter scheiden sich beide Ansätze in<br />
der Breite des Merkmalsdatensatzes, welcher jeweils<br />
der Web-basierten Recherche von Patientenkohorten<br />
zugrunde gelegt werden kann. Ähnlich wie im vom <strong>am</strong>erikanischen<br />
National Cancer Institute (NCI) geförderten<br />
Projekt zum Aufbau einer »Cooperative Prostate Cancer<br />
Abb. 1:<br />
Schematische<br />
Darstellung der<br />
Mehrfachverwendung<br />
der im Soarian KAS<br />
durchge führten Dokumentation<br />
für Patienten<br />
mit Prostatakarzinom;<br />
die Daten werden<br />
klinikumsintern mittels<br />
HL7-Schnittstelle an das<br />
Klinische Krebsregister<br />
kommuniziert und<br />
mittels standardisiertem<br />
Export an jeweils<br />
lokale CRIP- und<br />
DPKK-I2B2-Instanzen<br />
übermittelt; von<br />
dort aus werden sie<br />
anonymisiert in die<br />
jeweils öffentlichen<br />
Vermittlungsportale<br />
übertragen.<br />
Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 2/2010 63
Schwerpunkt<br />
<strong>Single</strong> <strong>Source</strong> | EDC<br />
I2B2-Instanz befüllt werden. Beide <strong>Projekte</strong> befinden<br />
sich derzeit (Mai 2010) in einer Pilotierungsphase. Als<br />
zweiter Testpartner für das DPKK richtet im Moment das<br />
Universitätsklinikum Münster (welches ebenfalls bereits<br />
seit einiger Zeit eine umfassende Prostatakarzinomdokumentation<br />
im Münsteraner KAS realisiert hat [10])<br />
eine lokale I2B2-Instanz ein.<br />
Abb. 2:<br />
Schematische<br />
Darstellung der Mehrfachverwendung<br />
der im<br />
Soarian KAS durch geführten<br />
Dokumentation<br />
für Patienten mit<br />
kolorektalem Karzinom;<br />
die Daten werden<br />
klinikumsintern mittels<br />
HL7-Schnittstelle an das<br />
Klinische Krebsregister<br />
kommuniziert. Mittels<br />
Batch-Import werden<br />
sie in die Studien-DB<br />
geladen. Von externen<br />
Projektpartnern werden<br />
Genexpressionsdaten<br />
(ebenfalls über Batch-<br />
Import) und weitere<br />
klinische Patientendaten<br />
aus dem Frankfurter<br />
Klinikum (mittels<br />
Web-Oberfläche) in die<br />
Studien-DB übertragen.<br />
Tissue Resource« (CPCTR) [7], beabsichtigt das DPKK<br />
neben den aus der pathologischen Untersuchung st<strong>am</strong>menden<br />
Par<strong>am</strong>etern, auch eine Reihe anderer Merkmale<br />
aus der An<strong>am</strong>nese, Diagnostik und Therapie der Prostatakarzinompatienten<br />
in einem gemeins<strong>am</strong>en Kern datensatz<br />
zus<strong>am</strong>men zuführen. Der CRIP-Datensatz besteht aber<br />
zurzeit lediglich aus wenigen Par<strong>am</strong>etern, die unmittelbar<br />
aus der pathologischen Diagnostik gewonnen<br />
werden können. Das Vermittlungsportal für das DPKK<br />
wurde deshalb vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik<br />
als zweistufiges Data-Warehouse-Konzept entwickelt.<br />
Als Basiskomponente hierzu wurde die I2B2-Workbench<br />
verwendet, welche im Rahmen eines translationalen<br />
NCI-geförderten Projekts entwickelt wurde [8, 9] und in<br />
vielen <strong>Projekte</strong>n in den USA als klinisches Data Warehouse<br />
mit einer benutzerfreundlichen Query-Oberfläche<br />
zum Recherchieren von Patientenkohorten für neu zu<br />
konzipierende Forschungsprojekte eingesetzt wird. Für<br />
die DPKK-Projekt ver mittlungsdatenbank können aus den<br />
Primärdokumentationen der urologischen Kliniken (also<br />
z.B. dem Erlanger KAS) Daten exportiert, in einem Zwischenschritt<br />
pseudonymisiert und dann in eine lokale<br />
I2B2-Instanz importiert werden. Mehrere jeweils lokale<br />
I2B2-Instanzen kommunizieren dann mit einer zentralen<br />
DPKK-I2B2-Instanz und übermitteln ihre Daten dorthin in<br />
anonymisierter Form. Diese DPKK-I2B2-Instanz wiederum<br />
bietet eine Web-basierte Rechercheoberfläche zur Identifikation<br />
von Patientenkohorten für gemeins<strong>am</strong>e <strong>Projekte</strong>.<br />
Um beide Ziele mit einem generischen IT-Ansatz<br />
erreichen zu können, wurde ein standardisierter Export<br />
der in Soarian TM dokumentierten Prostatakarzinomdaten<br />
erstellt. Aus diesem heraus können nun sowohl die<br />
lokale Erlanger CRIP-Datenbank als auch eine lokale<br />
<strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-Konzepte für ein<br />
multizentrisches Forschungsprojekt<br />
Das multizentrische BMBF-geförderte Projekt Polyprobe<br />
verfolgt das Ziel, eine Gruppe von Biomarkern auf mRNA-<br />
Ebene zu validieren, um d<strong>am</strong>it Tumorstadien, Überleben<br />
und Ansprechen auf Chemotherapie und Radiochemotherapie<br />
einzelner Patienten besser vorhersagen zu können.<br />
Ein Industriepartner innerhalb des Konsortiums hat ein<br />
Verfahren entwickelt, mit dem erstmals intakte RNA aus<br />
Formalin-fixiertem Paraffin-eingebettetem Gewebe extrahiert<br />
werden kann, das im Routineablauf pathologischer<br />
Diagnostik gewonnen wurde. Dieses Verfahren und darauf<br />
basierende diagnostische Tests sollen im Projekt validiert<br />
werden. An den Universitätskliniken <strong>Erlangen</strong> und Frankfurt<br />
sollen dazu innerhalb eines Projektzeitraums von<br />
36 Monaten 650 Patienten mit kolorektalem Karzinom<br />
rekrutiert werden. Entsprechende Gewebeproben dieser<br />
Patienten werden dem Industrie partner zur RNA-Extraktion<br />
und Durchführung entsprechender Genexpressions analysen<br />
(Polyprobe-Test) übermittelt. Der klinische Dokumentations<br />
daten satz lehnt sich stark an die bisher schon im<br />
Erlanger Chirurgischen Krebsregister verwendeten Merkmale<br />
für Patienten mit kolorektalem Karzinom an. Anstatt<br />
der Entwicklung einer neuen isolierten Forschungsdatenbank<br />
für dieses 2009 initiierte Projekt, wurde beschlossen,<br />
auf den Erfahrungen aus der KAS-basierten Tumorboarddokumentation<br />
sowie der oben beschriebenen Prostatakarzinom<br />
dokumentation auf zu setzen und die entsprechenden<br />
Dokumentations formulare der Studie innerhalb von<br />
Soarian TM abzubilden. Als Zielsystem für die endgültige<br />
Zus<strong>am</strong>menführung aller klinischer Daten aus <strong>Erlangen</strong> und<br />
Frankfurt, sowie der Genexpressionsdaten aus der externen<br />
Labordiagnostik wurde das kommerzielle Studiensystem<br />
SecuTrial TM ausgewählt. Innerhalb von SecuTrial TM<br />
wurden eCRF angelegt, die den ent sprechenden Soaria n-<br />
Dokumentationsformularen entsprechen. Während die klinischen<br />
Studiendaten der Erlanger Patienten sowie die<br />
Analyseergebnisse aus der Gen expressionsanalyse elektronisch<br />
aus der jeweiligen Primärdatenquelle bereitgestellt<br />
und mittels Batch-Import-Verfahren in SecuTrial<br />
eingespielt werden, nutzt das Frankfurter Studienzentrum<br />
die Web-basierten eCRF zur direkten Online-Dateneingabe<br />
in SecuTrial.<br />
64 Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 2/2010
Schwerpunkt<br />
<strong>Single</strong> <strong>Source</strong> | EDC<br />
Aufbau einer Tumorbank für das UCC<br />
Tumorbanken, in denen Proben klinisch gut charakterisierter<br />
Probanden/Patienten ges<strong>am</strong>melt und gelagert<br />
werden, stellen ein zunehmend wichtiges Forschungsinstrument<br />
dar und sind Kernkomponenten eines jeden<br />
deutschen onkologischen Spitzenzentrums (Comprehensive<br />
Cancer Center = CCC). In fast allen deutschen CCCs<br />
werden zur IT-Unterstützung im »Tumorbanking« allerdings<br />
noch Eigenent wicklungen genutzt, die oft nicht mit der klinikumsweiten<br />
Tumordokumentation verknüpft sind. Diese<br />
Situation galt Ende 2008 gleichermaßen für sehr viele<br />
deutsche Biobanken. Im Rahmen des TMF IT-Strategieprojekts<br />
wurde deshalb im Laufe des Jahres 2009 ein Architekturkonzept<br />
entwickelt, welches einen verteilten Ansatz<br />
zur IT-Unterstützung im Biobanking ermöglicht [11]. Kerngedanke<br />
ist es hierbei, dass der Wert der Proben einer<br />
Tumorbank erst durch die zugehörige klinische Annotation<br />
entsteht. Wie aber bereits von verschiedenen Forschern<br />
auch international festgestellt wurde, erfolgt diese klinische<br />
Dokumentation in der Regel bereits – völlig unabhängig<br />
vom Gedanken einer Tumorbank – in verschiedenen<br />
anderen Informationssystemen und auf eine redundante<br />
Datenerfassung sollte verzichtet werden (»For optimal efficiency,<br />
clinical research data should be captured efficiently<br />
at the point of care as byproduct of the normal clinical processes«<br />
[12], »if the submission of data for research and<br />
monitoring purposes requires an extra step, ... the process<br />
will likely fail« [13]).<br />
Wie aus den obigen Darstellungen bereits ersichtlich<br />
ist, fallen im Kontext des Erlanger UCC die für die<br />
Tumorbank relevanten klinischen Annotationen zukünftig<br />
primär in der elektronischen Krankenakte Soarian TM<br />
und dem Pathologiesystem (aus welchem die strukturierten<br />
Befundinformationen aber über eine Schnittstelle zu<br />
Soarian ebenfalls in die EKA fließen) an. Die gemäß der<br />
ADT-Vorgaben dokumentierten Tumordaten sollen dann an<br />
das in 2010 einzuführende Tumordokumentationssystem<br />
GTDS übermittelt werden. Da das Erlanger Tumor zentrum<br />
als bevölkerungsbezogenes klinisches Krebsregister arbeitet,<br />
werden zu künftig die Follow-up-Daten zu Erlanger<br />
Tumorpatienten durch die Bereitstellung von Web-Clients<br />
des GTDS bei kooperierenden niedergelassenen Ärzten und<br />
Kliniken der Region erhoben und im klinischen Tumorregister<br />
gespeichert.<br />
Die Ges<strong>am</strong>tarchitektur zur IT-Unterstützung für das<br />
Biobanking im Erlanger UCC ist schematisch in Abb. 3<br />
dargestellt. Sie besteht aus den in Hellgrau gehaltenen<br />
Primärquellen der Tumordokumentation innerhalb des<br />
Erlanger Universitäts klinikums, sowie den in Dunkelgrau<br />
dargestellten eigentlichen Kernkomponenten der IT-Unterstützung<br />
für das Biobanking. Die Daten aus den Erlanger<br />
Primärquellen müssen vor der Übermittlung in das klinische<br />
Data Warehouse (I2B2) einen Pseudonymisierungsschritt<br />
durchlaufen. Die Abfrage der klinischen Annotationen<br />
zur Recherche nach Patientenkohorten für neue<br />
Studien kann über die grafische Benutzeroberfläche der<br />
I2B2-Workbench [9] erfolgen. Das eigentliche Probenund<br />
Lagerorte-Management der Biobank inkl. der Verwaltung<br />
aller Qualitätssicherungs daten zu den einzelnen<br />
Proben und der evtl. unterschiedlich abgestuften Patienteneinwilligungen<br />
erfolgt im Biobankmanagementsystem<br />
Starlims TM . Innerhalb von Starlims werden die Probendaten<br />
(gemäß des TMF-Datenschutzkonzepts für Biobanken<br />
[14]) völlig ohne Patientenbezug gespeichert. Die für eine<br />
spätere Verwendung der Proben notwendige Verknüpfung<br />
zu den Patientendaten erfolgt über die Proben-ID innerhalb<br />
von Soarian.<br />
Diskussion<br />
Immer höhere Anforderungen an die ärztliche Dokumentation<br />
führen zu immer größeren Akzeptanzhürden<br />
für die Vielzahl mittlerweile in Krankenhäusern für unterschiedliche<br />
Zielsetzungen und gesetzliche Vorgaben eingesetzte<br />
Dokumentationssysteme [1]. Wenn Ärztinnen<br />
und Ärzte mindestens ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit<br />
medizinischer Routinedokumentation befasst sind [15],<br />
ist es nachvollziehbar, dass ein noch dazu kommender<br />
Dokumentationsaufwand für Forschungsprojekte kaum<br />
noch akzeptiert wird. Aus diesem Grund werden in den<br />
letzten Jahren verstärkt <strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-<strong>Projekte</strong> initiiert,<br />
in denen Daten der klinischen Primärdokumentation für<br />
möglichst viele Sekundärziele weiterverwendet werden<br />
sollen. Die oben dargestellten Beispiele aus dem Erlanger<br />
Abb. 3:<br />
Schematische Darstellung<br />
der Mehrfachverwendung<br />
der im Soarian<br />
KAS durchge führten<br />
Tumordokumentation<br />
als klinische Annotation<br />
für die Tumorbank;<br />
Nachsorgedaten sollen<br />
über den Web-Client<br />
des Klinischen Krebsregisters<br />
zur Klinischen<br />
Annotation hinzugefügt<br />
werden. Die Probendaten<br />
werden getrennt<br />
verwaltet und nur über<br />
die Proben-ID mit den<br />
klinischen Daten der<br />
Patienten verknüpft.<br />
Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 2/2010 65
Schwerpunkt<br />
<strong>Single</strong> <strong>Source</strong> | EDC<br />
Danksagung:<br />
Die obigen <strong>Projekte</strong><br />
wurden zum einen<br />
im Rahmen des<br />
IT-Strategieprojekts der<br />
TMF durchgeführt und<br />
zum anderen durch das<br />
BMBF gefördert.<br />
Universitätsklinikum beleuchten verschiedene Szenarien,<br />
in denen solche Ansätze zum Einsatz kommen können. Sie<br />
belegen weiterhin, dass die rein technische Umsetzung<br />
entsprechender Konzepte machbar ist.<br />
Bei all den positiven Berichten über erfolgreiche <strong>Single</strong>-<br />
<strong>Source</strong>-<strong>Projekte</strong> weltweit darf aber nicht vergessen werden,<br />
dass die wahren Probleme oft auf einer ganz anderen Ebene<br />
liegen. Bevor Daten aus der elektronischen Krankenakte für<br />
Forschungs zwecke weiterverwendet werden, ist es unbedingt<br />
notwendig, den Kontext, in dem Daten für die Krankenversorgung<br />
erhoben werden, genau zu analysieren und<br />
zu prüfen, ob dies tatsächlich auch den Merkmalsdefinitionen<br />
entspricht, die für das jeweilige Forschungsprojekt<br />
definiert wurden. Insbesondere bei Merkmalen, die in der<br />
Krankenversorgung im Rahmen einer Behandlung mehrmals<br />
erhoben werden, ist z.B. zu überlegen, ob im Forschungskontext<br />
alle ent sprechenden Merkmals aus prägungen im<br />
Verlauf relevant sind bzw. welche Aus prägungen für den<br />
Forschungs zweck weiterverwendet werden können. Weiterhin<br />
werden Routinedaten z.B. beim späteren Erkennen<br />
von Fehlbe stimmungen/Messfehlern noch nachträglich<br />
korrigiert. Solche Korrekturen können auch noch sehr viel<br />
Literatur<br />
[1] Beckmann K, Jud S, Hein A, Heusinger K, Bayer C, Schwenk M, Häberle L,<br />
Beckmann MW. Dokumentation in der gynäkologischen Onkologie: Im<br />
Spannungsfeld zwischen Qualitätssicherung und Wissenschaft, Ergonomie<br />
und Rechtssicherheit. Gynäkologe, 2010; 43:400–410 · DOI 10.1007/<br />
s00129-009-2503-y.<br />
[2] Prokosch HU, Ganslandt T. Perspectives for Medical Informatics: Reusing<br />
the Electronic Medical Record for Clinical Research. Methods Inf Med<br />
2009; 48: 38–44. doi: 10.3414/ME9132.<br />
[3] Dugas M, Breil B, Thiemann V, Lechtenbörger J, Vossen G. <strong>Single</strong> source<br />
information systems to connect patient care and clinical research. Stud<br />
Health Technol Inform. 2009;150:61–5.<br />
[4] Altmann U, Katz F, Dudeck J. Das Gießener Tumordokumentationssystem<br />
GTDS, Spiegel der Forschung, 19. Jg./Nr.1, Juli 2002.<br />
[5] Stege A, Hummel M. Erfahrungen bei Einrichtung und Betrieb einer<br />
Biobank. Pathologe. 2008 [Suppl 2] 29:214–217.<br />
[6] Asslaber M, Zatloukal K. Biobanks: transnational, European and global<br />
networks. Brief Funct Genomic Proteomic. 2007 Sep;6(3):193–201.<br />
[7] Patel AA, Kajdacsy-Balla A, Berman JJ, Bosland M, Datta MW, Dhir R,<br />
Gilbertson J, Mel<strong>am</strong>ed J, Orenstein J, Tai KF, Becich MJ. The development<br />
of common data elements for a multi-institute prostate cancer tissue bank:<br />
the Cooperative Prostate Cancer Tissue Resource (CPCTR) experience. BMC<br />
Cancer. 2005 Aug 21;5:108.<br />
[8] Murphy SN, Weber G, Mendis M, Gainer V, Chueh HC, Churchill S, Kohane<br />
I. Serving the enterprise and beyond: informatics for integrating biology<br />
and the bedside (i2b2). JAMIA 17, 124–130, 2010. doi: 10.1136/<br />
j<strong>am</strong>ia.2009.000893.<br />
[9] Prokosch HU, Ganslandt T, Becker A, Mate S, Starke K, Sax U. Abschlussbericht<br />
des TMF-Projekts „IT-Strategie: Teilprojekt 2a: Analyse in den USA<br />
im Rahmen von vernetzten Forschungsprojekten entwickelter und als<br />
open source verfügbarer IT-Komponenten auf ihre Verwendbarkeit in der<br />
deutschen Forschungslandschaft (I2B2). 20. November 2009.<br />
später als die erstmalige Merkmalsdokumentation erfolgen.<br />
Im Forschungs kontext ist in solchen Situationen eindeutig zu<br />
definieren, wie lange nach einer Erstdokumentation (bzw.<br />
erstmaligen Datenübernahme) korrigierte Merkmale auch<br />
wieder in die Forschungsdatenbank übernommen werden.<br />
In vielen dieser Szenarien sind mittlerweile die elektronischen<br />
Daten die einzigen Originaldaten. Insbesondere bei<br />
einem zeitversetzt durchge führten Monitoring und beim<br />
<strong>Source</strong>-Data-Verification-Prozess ist hierzu explizit zu definieren,<br />
welche Daten jeweils als »<strong>Source</strong> Data« anzusehen<br />
sind und wie mit Änderungen dieser primären Quelldaten<br />
umgegangen werden soll, die sich im Laufe der Zeit ergeben<br />
können.<br />
Präzise SOP und eine eindeutige Definition von Merkmalsbeschreibungen,<br />
z.B. mittels eines Meta-Datenrepositories<br />
oder einer Krankenhaus-Ontologie, werden in diesem<br />
Kontext zukünftig immer wichtiger werden. Die Beachtung<br />
der regulatorischen Vorgaben für die jeweiligen Forschungsprojekte<br />
sowie der unterschiedlichen Standards im Bereich<br />
der Krankenversorgung (HL7, DICOM, xDT) und in der Forschung<br />
(CDISC) sind weitere wichtige Gesichtspunkte bei der<br />
Konzeption von <strong>Single</strong>-<strong>Source</strong>-<strong>Projekte</strong>n [16, 17]. n<br />
[10] Breil B, Semjonow A, Dugas M. HIS-based electronic documentation<br />
can significantly reduce the time from biopsy to final report for prostate<br />
tumours and supports quality management as well as clinical research.<br />
BMC Medical Informatics and Decision Making 2009, 9:5.<br />
[11] Prokosch HU, Beck A, Hummel M, Kiehntopf M, Sax U, Ückert F,<br />
Abschlussbericht des TMF-Projekts „IT-Strategie: Teilprojekt 3:<br />
Erstellung eines Anfor derungs katalogs zur IT-Unterstützung von<br />
Biomaterial banken und Analyse der derzeit in Deutschland verfügbaren<br />
IT-Werkzeuge zur Unterstützung des Managements von Biomaterialbanken.<br />
18. Januar 2010.<br />
[12] Ochs MF, Casagrande JT. Information Systems for Cancer Research.<br />
Cancer Investigation. 2008. 26: 1060–1067.<br />
[13] Shortliffe EH, Sondik EJ. The public health informatics infrastructure:<br />
anticipating its role in cancer. Cancer causes contr. 2006. 17(7), 861.<br />
[14] Pommerening K, Becker R, Sellge E, Semler SC. Datenschutz in<br />
Biomaterialbanken. In: Steyer G, Tolxdorff T [Eds.]. TELEMED 2006:<br />
Gesundheits versorgung im Netz. Berlin: Aka GmbH, 2006: 89–99.<br />
[15] Ammenwerth E, Spötl HP. The time needed for clinical documentation<br />
versus direct patient care. A work-s<strong>am</strong>pling analysis of physicians‘<br />
activities. Methods Inf Med. 2009;48(1):84–91<br />
[16] Clinical Data Interchange Standards Consortium, Electronic <strong>Source</strong> Data<br />
Interchange (eSDI) Group. 2006. Leveraging the CDISC Standards to<br />
Facilitate the use of Electronic <strong>Source</strong> Data within Clinical Trials. Version<br />
1.0, 20. November 2006.<br />
[17] Richesson RL, Krischer J. Data Standards in Clinical Research: Gaps,<br />
Overlaps, Challenges and Future Directions. J Am Med Inform Assoc.<br />
2007;14:687– 696. DOI 10.1197/j<strong>am</strong>ia.M2470.<br />
66 Forum der Medizin_Dokumentation und Medizin_Informatik 2/2010