Download Tagungsband 2009 - DGAUM
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Dokumentation Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. 49. Wissenschaftliche Jahrestagung 11. – 14. März 2009 in Aachen In Zusammenarbeit mit: Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. – Berufsverband Deutscher Arbeitsmediziner – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Hauptthemen: Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge Herausgegeben von: Prof. Dr. med. Thomas Kraus Dr. med. Monika Gube Rosemarie Kohl 1
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- Seite 8 und 9: Inhalt Schichtarbeit V 47a Thomas E
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- Seite 12 und 13: Inhalt Psychische Belastungen und B
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- Seite 20 und 21: Inhalt Arbeitsphysiologie I P 110 W
- Seite 22 und 23: Inhalt Foren F1 F2 F3 Atemwege / Lu
- Seite 24 und 25: Inhalt Sarah Driessen, Roman Wiener
- Seite 26 und 27: Vorwort Vorwort Sehr geehrte Damen
- Seite 28 und 29: Eröffnungsveranstaltung - Begrüß
- Seite 30 und 31: Eröffnungsveranstaltung - Begrüß
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- Seite 38 und 39: Ehrungen Von Ihren vielen Aktivitä
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- Seite 42 und 43: Ehrungen Ihr primärer arbeitsphysi
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- Seite 48 und 49: Einführung zu den Hauptthemen unte
- Seite 50 und 51: Einführung zu den Hauptthemen übe
Dokumentation<br />
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />
Umweltmedizin e. V.<br />
49. Wissenschaftliche Jahrestagung<br />
11. – 14. März <strong>2009</strong> in Aachen<br />
In Zusammenarbeit mit:<br />
Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. – Berufsverband Deutscher<br />
Arbeitsmediziner –<br />
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung<br />
Hauptthemen:<br />
Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben<br />
Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge<br />
Herausgegeben von:<br />
Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />
Dr. med. Monika Gube<br />
Rosemarie Kohl<br />
1
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen<br />
Wiedergabe und der Übersetzung in andere Sprachen vorbehalten.<br />
Copyright <strong>2009</strong> by<br />
Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.<br />
Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Aachen,<br />
Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
ISBN 978-3-9811784-2-5<br />
ISSN 1861-6577<br />
2
Inhalt<br />
Inhalt<br />
Vorwort 26<br />
Eröffnungsveranstaltung 28<br />
Begrüßung 28<br />
Grußworte 34<br />
Ehrungen 36<br />
E.W. Baader-Preis<br />
Franz-Koelsch-Medaille<br />
Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong><br />
Joseph-Rutenfranz-Medaille<br />
36<br />
37<br />
39<br />
41<br />
Einleitung zu den Hauptthemen 43<br />
Walther Heipertz<br />
Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben 43<br />
Michael Nasterlack<br />
Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge 53<br />
3
Inhalt<br />
Vorträge<br />
Unfallprävention<br />
V 1 Kurt Rinnert<br />
V 2<br />
V 3<br />
V 4<br />
V 5<br />
Diabetes mellitus und Fahrtüchtigkeit<br />
Britta Husemann, Isabel Löffler, Alexander Mentel, Katharina Fella, Bernd<br />
Rossbach, Stephan Letzel<br />
Musik beim Autofahren - Unfallrisiko erhöht oder Fahrleistung verbessert?<br />
Heiko Rüger, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Fernpendeln und Gesundheit. Gibt es Hinweise auf einen „healthy commuter<br />
effect“?<br />
Axel Muttray, Oliver Weirich, Jean-Baptist du Prel, Katrin Meinken, Britta<br />
Geißler, Lorenz Hagenmeyer<br />
Beurteilung von Fahrerschläfrigkeit von Berufskraftfahrern mittels<br />
Videoanalyse<br />
Thomas Küpper, Jürgen Steffgen<br />
Kälteexposition bei alpinen Luftrettungseinsätzen – Konsequenzen für die<br />
Sicherheit von Retter und Patient<br />
Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
V 6 Elke Ochsmann, Heiko Rüger, Thomas Kraus, Hans Drexler, Stephan Letzel,<br />
Eva Münster<br />
V 7<br />
V 8<br />
V 9<br />
V 10<br />
V 11<br />
Geschlechtsspezifische Risikofaktoren akuter Rückenschmerzen -<br />
Ansatzpunkte für eine Zielgruppen-spezifische Prävention<br />
Dirk Ditchen, Rolf Ellegast, Bernd Hartmann, Monika A. Rieger<br />
Zeitanteile kniebelastender Tätigkeiten in ausgesuchten Berufen der<br />
Bauwirtschaft<br />
Claus Jordan, Andreas Theilmeier, Norbert Wortmann, Stefan Kuhn, Alwin<br />
Luttmann, Matthias Jäger<br />
Wirbelsäulenbelastung von Pflegepersonen beim Transfer schwergewichtiger<br />
Patienten<br />
Gunter Spahn, Reinhard Bartsch, Gunther Hofmann, Marcel Peter, Rainer<br />
Schiele<br />
Verteilung von Knorpelschäden in Beziehung zur beruflichen Belastung.<br />
Ergebnisse einer arthroskopischen Studie<br />
Bernd Hartmann, Dirk Seidel<br />
Multiple Gesundheitsbeschwerden bei Beschäftigten mit Befunden am<br />
Muskel-Skelett-System<br />
Sonja Freitag, Albert Nienhaus, Isabell Fincke<br />
Messtechnische Analyse von ungünstigen Körperhaltungen bei Pflegekräften<br />
– Kranken- und Altenpflege im Vergleich<br />
60<br />
64<br />
69<br />
73<br />
77<br />
79<br />
83<br />
89<br />
94<br />
96<br />
99<br />
4
Inhalt<br />
Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
V 12 Tobias Weiß, Michael Castillo, Wolfgang Lanters, Dietmar Breuer, Holger<br />
Martin Koch, Thomas Brüning<br />
V 13<br />
V 14<br />
V 15<br />
V 16<br />
V 17<br />
Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten - Nikotin und seine<br />
Metabolite als Marker der inneren Belastung<br />
Wolfgang Lanters, Dietmar Breuer, Helmut Blome, Tobias Weiß, Michael<br />
Castillo, Holger Martin Koch, Thomas Brüning<br />
Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten: Luftmessungen von<br />
Nikotin und Acrylnitril zur Unterstützung des Biomonitoring<br />
Thomas Schettgen, Elke Ochsmann, Anne Alt, Anita Musiol, Thomas Kraus<br />
Simultane Bestimmung der Mercaptursäuren von Acrylnitril (CEMA) und 1,3-<br />
Butadien (DHBMA, MHBMA) im Urin der Allgemeinbevölkerung. Ein neuer<br />
Biomarker zur Evaluierung einer Passivrauchbelastung?<br />
Eva-Maria Coester, Maryam Dashti Ardakani, Dirk Walter, Udo Knecht<br />
Untersuchungen zum Metabolismus von Ethyltoluol als Grundlage der<br />
Evaluierung eines BAT-Wertes<br />
Gabriele Leng<br />
Die Bedeutung des Biomonitoring im Rahmen eines Chemieunfalles<br />
Wolfgang Will, Rolf-Peter Pluto, Bernd Trauth<br />
Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl<br />
103<br />
107<br />
110<br />
115<br />
117<br />
120<br />
Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches Gesundheitsmanagement I<br />
V 18 Mekail-Cem Keskin, Anja Kühnlein, Katja Radon, Joachim Stork<br />
V 19<br />
V 20<br />
V 21<br />
V 22<br />
V 23<br />
Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Beschäftigten eines<br />
Industrieunternehmens<br />
Andreas Tautz, Helmut Schulte, Gerd Assmann<br />
Prävention von Herzkreislauferkrankungen – Deutschlands größtes<br />
Gesundheitsscreening am Arbeitsplatz und Folgeaktivitäten.<br />
Monika Schwarze, Nina Ristel, Thomas Schröder, Ingra-A. Manecke, Frank<br />
Teumer, Michael Spallek, Renate Wrbitzky, Christoph Gutenbrunner, Thomas<br />
Rebe<br />
Arbeitsplatzorientierte Rehabilitation bei Mitarbeitern mit Muskel-Skelett-<br />
Erkrankungen: Konsequenzen für die Wiedereingliederung und präventive<br />
Interventionen im Betrieb<br />
Christian Hetzel, Fritz Allinger, Reinhold Watzele, Andreas Weber<br />
Gesundheitsindikatoren und Arbeitsbedingungen bei über 55jährigen<br />
Personen in der bayerischen Land- und Forstwirtschaft - ein repräsentativer<br />
Querschnitt<br />
Heike Niedermeier, Harald Gündel, Thomas Graf, Anke Manthey, Wolfgang<br />
Hilla, Peter Angerer<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung für übergewichtige Auszubildende<br />
(Fit4You-Studie) - Ergebnisse nach 1-jähriger Intervention<br />
Stephan F. Schlosser<br />
Wiedereingliederungsmanagement als Grundlage für Betriebliche<br />
Präventionsstrategie - Ein Widerspruch?<br />
123<br />
129<br />
131<br />
139<br />
145<br />
150<br />
5
Inhalt<br />
Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
V 24 Elisabeth Eckert, Thomas Göen, Hans Drexler<br />
V 25<br />
Bestimmung von Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin mittels einer LC-<br />
MS/MS-Multimethode zum Biomonitoring von kanzerogenen Arbeitsstoffen<br />
Monika Gube, Katharina Heinrich, Thomas Schettgen, Peter Brand, Thomas<br />
Kraus<br />
Innere Belastung mit aromatischen Diaminen bei Friseuren durch die<br />
berufliche Anwendung von Oxidations-Haarfarben<br />
V 26 Tobias Weiß, Holger Martin Koch, Jana Henry, Volker Harth, Heiko U.<br />
Käfferlein, Kai Süsselbeck, Thomas Brüning<br />
V 27<br />
V 28<br />
Äußere und innere Belastung von Beschäftigten einer europäischen Kokerei<br />
mit humankanzerogenen aromatischen Aminen<br />
Rudolf Schierl, Antje Böhlandt, Dennis Nowak<br />
Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-<br />
Arbeitsplätzen<br />
Wolfgang Rosenberger, Götz Graubner, Renate Wrbitzky, Michael Bader<br />
Untersuchungen zur Freisetzung von Ethylenoxid aus gassterilisierten<br />
neurochirurgischen Implantaten<br />
Malignome<br />
V 29 Wolfgang Ahrens, Birte Mester, Nils Schmeisser, Ingo Langner, Thomas<br />
Behrens<br />
V 30<br />
V 31<br />
V 32<br />
V 33<br />
V 34<br />
Männliche Keimzelltumoren in der Metallindustrie – erste Ergebnisse einer<br />
eingebetteten Fall-Kontrollstudie<br />
Volker Harth, Andreas Seidler, Dirk Taeger, Matthias Möhner, Annekatrin<br />
Bergmann, Johannes Haerting, Kurt Straif, Hermann M. Bolt, Thomas Brüning<br />
Krebsinzidenz von beruflich gegenüber Dinitrotoluol exponierten Arbeitern des<br />
Mansfelder Kupferschieferbergbaus<br />
Peter Morfeld, Robert McCunney<br />
Korrektur einer potentiell verzerrten SMR: Industrieruß und Lungenkrebs<br />
Andreas Seidler, Nikolaus Becker, Alexandra Nieters, Evelin Deeg, Rolf<br />
Arhelger, Birte Mester, Gine Elsner, Massimo Melis, Simonetta Sesler,<br />
Guiseppe Avataneo, Michele Meloni, Pierluigi Cocco<br />
Asbestexposition und maligne Lymphome: eine gepoolte Auswertung der<br />
deutschen und italienischen EPILYMPH-Studie<br />
Klaus Golka, Matthias Hermes, Silvia Selinski, Meinolf Blaszkewicz, Thilo<br />
Seidel, Gerhard Roth, Holger Dietrich, Hans-Martin Prager, Jan G. Hengstler<br />
Einfluß einer c-myc nahen Mutation auf das Harnblasenkarzinom-<br />
Erkrankungsrisiko<br />
Beate Pesch, Gerhard Feil, Carolin Sturtz, Dirk Taeger, Michael Nasterlack,<br />
Bernd Scheuermann, Gabriele Leng, Heike Bontrup, Harald Wellhäußer,<br />
Matthias Kluckert, Friedhelm Eberle, Georg Johnen, Martin Pelster, Marcus<br />
Horstmann, Arnulf Stenzl, Thomas Brüning<br />
Untersuchung der chromosomalen Instabilität bei Harnblasenkarzinomen<br />
mittels urinbasiertem Tumormarkertest UroVysion in der Früherkennungstudie<br />
UroScreen<br />
151<br />
157<br />
162<br />
165<br />
168<br />
175<br />
176<br />
179<br />
180<br />
183<br />
187<br />
6
Inhalt<br />
Sinnesphysiologie<br />
V 35 Gerhard Triebig, Thomas Bruckner, Andreas Seeber<br />
V 36<br />
V 37<br />
V 38<br />
Styrol und Sehvermögen - Eine Längsschnittstudie bei Laminierern im<br />
Schiffsbau<br />
Gintautas Korinth, Andreas Remky, Thomas Göen, Niklas Plange, Oliver<br />
Arend, Hans Drexler<br />
Einfluss von Schwefelkohlenstoff-Exposition auf die Blutgefäße des<br />
Augenfundus<br />
Thomas Rebe, Susanne Genth, Cornelia Franke, Bernhard Vaske, Renate<br />
Wrbitzky<br />
Einfluss des Bildschirmarbeitsplatzes auf die hypovolämische Form des<br />
„Trockenen Auges“<br />
Kirsten Sucker, Rolf Both, Gerhard Winneke<br />
Expositions-Wirkungsuntersuchung von Geruchsimmissionen und subjektiver<br />
Gesundheit und der Einfluss von Belästigung und Krankheit<br />
192<br />
197<br />
201<br />
207<br />
Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches Gesundheitsmanagement II<br />
V 39 Klaus Schmid, Jana Schönlebe, Hans Drexler, Michael Mück-Weymann<br />
V 40<br />
Bereits bei jungen Männern führt Übergewicht zu negativen Auswirkungen auf<br />
das Herz- Kreislaufsystem - Betriebliche Gesundheitsförderung muss<br />
frühzeitig beginnen<br />
Hans Martin Hasselhorn, Sascha Schmidt, Jian Li, Bernd H. Müller<br />
Kann Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit eine gute Arbeitsfähigkeit<br />
haben?<br />
V 41 Der Beitrag wurde zurückgezogen 219<br />
V 42<br />
V 43<br />
Rudolf C. Zelfel, Torsten Alles, Andreas Weber<br />
Gesunde Arbeit in kleinen und mittleren Unternehmen - Ergebnisse einer<br />
Befragung zum Stand und Bedarf bei kleinen und mittleren Unternehmen<br />
Jochen Heuer, Bettina Hesse, Erika Gebauer<br />
Älter, kränker, verbrauchter - Und doch lieber keine Reha?<br />
Rehabilitationsbedürftigkeit und Reha-Antragsverhalten bei Versicherten der<br />
DRV Westfalen aus kleinen und mittleren Unternehmen - Ergebnisse aus der<br />
KoRB-Studie<br />
210<br />
215<br />
220<br />
225<br />
Molekulare Arbeitsmedizin<br />
V 44 Simone Schmitz-Spanke, Albert W. Rettenmeier<br />
V 45<br />
V 46<br />
V 47<br />
Arbeitsmedizin trifft Proteomics – Perspektiven einer neuen Technologie<br />
Mario Pink, Albert W. Rettenmeier, Simone Schmitz-Spanke<br />
Proteomische Analyse humaner Harnblasenkarzinomzellen (RT 4) nach<br />
Benzo(a)pyren-Exposition<br />
Frank Mosel, Susanne Standar, Albert W. Rettenmeier<br />
Ein neues und schnelles Verfahren zum Direktnachweis von Umweltkeimen<br />
mittels MALDI-TOF-MS<br />
Hans-Peter Rihs, Boleslaw Marczynski, Anne Spickenheuer, Monika Raulf-<br />
Heimsoth, Thomas Brüning<br />
Modulation von oxidativen DNA-Schädigungen durch die Reparaturenzyme<br />
XRCC1 und OGG1<br />
230<br />
234<br />
238<br />
239<br />
7
Inhalt<br />
Schichtarbeit<br />
V 47a Thomas Erren, Peter Morfeld, Joachim Stork, Peter Knauth, Matthias von<br />
Mülmann, Rolf Breitstadt, Uta Müller, Michael Emmerich, Claus Piekarski<br />
V 48<br />
V 49<br />
V 50<br />
V 51<br />
IARC 2007: Schichtarbeit, Chronodisruption und Krebs? 10 Thesen zur<br />
Forschung und zur Prävention als Ergebnisse des Kölner Kolloquiums 2008<br />
Reingard Seibt, Stefan Ulbricht, Annelore Seibt, Bettina Hunger<br />
Zusammenhang von Nachtarbeitsanteil und Komponenten der Gesundheit<br />
und des Schlafes bei Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie<br />
in Bäckereien<br />
Volker Harth, Sylvia Rabstein, Anne Spickenheuer, Markus Schiffermann,<br />
Christian Baisch, Yon Ko, Beate Pesch, Thomas Brüning<br />
Der Einfluss von Wechsel- und Nachtschichtarbeit auf die Entstehung des<br />
Mammakarzinoms (GENICA-Studie)<br />
Barbara Griefahn, Sibylle Robens<br />
Ist der Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen ein geeigneter Indikator der<br />
physiologischen Anpassung an Nachtarbeit?<br />
Matthias Weigl, Andreas Müller, Andrea Zupanc, Peter Angerer<br />
Erfassung ärztlicher Aktivitäten und Belastungen im Krankenhaus mittels<br />
teilnehmender Ganzschichtbeobachtungen<br />
Atemwege<br />
V 52 Bernd Roßbach, Ernst Kiesswetter, Karl-Heinz Schaller, Stephan Letzel<br />
V 53<br />
V 54<br />
V 55<br />
Exposition gegenüber aluminiumhaltigen Schweißrauchen – Zusammenhänge<br />
zwischen Markern der äußeren und inneren Belastung<br />
Peter Brand, Karl Holzinger, Elke Ochsmann, Thomas Kraus<br />
Nanopartikel im Schweißrauch an verschiedenen Arbeitsplätzen<br />
Monika Raulf-Heimsoth, Christoph van Thriel, Frank Hoffmeyer, Jürgen<br />
Bünger, Thomas Brüning<br />
Einsatz nicht-invasiver Methoden zur Abschätzung von Effekten durch niedrig<br />
dosierte akute Schwefeldioxid-Exposition auf die Atemwege<br />
Yi Sun, Frank Bochmann, Weihong Chen<br />
Expositionsmuster, Dosis-Wirkungsbeziehung und "lifetime risk" von Silikose -<br />
Das "extended follow-up" der chinesischen Quarzstudie<br />
Psychomentale Belastungen<br />
V 56 Horst Hildebrandt, Victor Candia, Matthias Nübling<br />
V 57<br />
V 58<br />
Evaluation gesundheitlicher Belastungen und Arbeitseinstellungen bei<br />
Studienanfängern an Musikhochschulen<br />
Marcus Oldenburg, Ralf Wegner, Clara Schlaich, Andrea Ruppert, Dieter<br />
Hillmer, Xaver Baur<br />
Burnout-Syndrom unter Seeleuten<br />
Jessica Lang, Jonas W.B. Lang, Ingo Zettler, Matthias Dreger, Thomas<br />
Kraus<br />
Der inkrementelle Beitrag von Persönlichkeitsfaktoren in der Aufklärung<br />
arbeitsbezogener psychischer Gesundheitsprobleme<br />
242<br />
246<br />
253<br />
256<br />
262<br />
267<br />
272<br />
276<br />
279<br />
280<br />
286<br />
290<br />
8
Inhalt<br />
V 59<br />
V 60<br />
V 61<br />
Michael Unrath, Andrea Jaenicke, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Effort-Reward Imbalance und der Gesundheitszustand von Schuldnerberatern<br />
in Rheinland-Pfalz<br />
Andreas Müller, Raluca Petru, Lucia Seitz, Peter Angerer<br />
Ist der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ein sensitiver Indikator<br />
unmittelbarer mentaler Beanspruchungen bei der Arbeit?<br />
Matthias Nübling, Martin Vomstein, Sabine Gregersen, Madeleine Dulon,<br />
Albert Nienhaus<br />
Psychische Belastungen in der Altenpflege im Vergleich zu anderen<br />
Berufsgruppen<br />
291<br />
296<br />
300<br />
Haut<br />
V 62<br />
V 63<br />
V 64<br />
V 65<br />
V 66<br />
V 67<br />
Hans F. Merk, Hagen Ott, Claudia Skazik, Richard Brans, Jens Malte Baron<br />
EU-Sen-si-tiv: Entwicklung alternativer Methoden zur Risikobewertung<br />
kontaktsensibilisierender Stoffe<br />
Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />
Validität, Inter- und Intraobserver-Variabilität eines Hautscores zur<br />
Früherkennung des Handekzems in der arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />
Manigé Fartasch, Dirk Taeger, Sandra Schöneweis, Beatrice Gellert,<br />
Thomas Brüning<br />
Experimenteller Nachweis einer erhöhten Irritabilität der Haut nach<br />
Feuchtarbeit<br />
Dirk Taeger, Beate Pesch, Heinrich Dickel, Anke Leiste, Sandra<br />
Schöneweis, Natascha Goldscheid, Michael Haufs, Rolf Merget, Peter<br />
Altmeyer, Thomas Brüning<br />
Ergebnisse einer randomisierten und kontrollierten Studie zur Überprüfung<br />
der Wirksamkeit von Hautschutzpräparaten an kühlschmierstoffexponierten<br />
Beschäftigten<br />
Birgitta Kütting, Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Wolfgang<br />
Uter, Hans Drexler<br />
Akzeptanz des dreistufigen Hautschutzkonzepts bei 1355 Beschäftigten der<br />
metallbearbeitenden Industrie<br />
Birgit Fillies, Theo Blättler, Manfred Dreier, Hardy Mannheims<br />
Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen<br />
304<br />
305<br />
308<br />
309<br />
311<br />
315<br />
Umweltmedizin<br />
V 68 Thomas Göen, Lutz Nitschke, Hermann Fromme, Hans Drexler<br />
V 69<br />
V 70<br />
V 71<br />
Biologisches Monitoring von Glykolethern bei geringen<br />
Innenraumluftbelastungen<br />
Thomas Schettgen, Anne Alt, Doris Keller, Dieter Preim, Thomas Kraus<br />
Innere Belastung von Beschäftigten eines PCB-kontaminierten Gebäudes mit<br />
dioxin-ähnlichen und nicht-dioxin-ähnlichen PCB-Kongeneren<br />
Dieter Preim, Doris Keller, Thomas Kraus, Thomas Schettgen<br />
Strategiewechsel durch Bestimmung der PCB-Konzentration im Blut<br />
Ingrid Sander, Monika Raulf-Heimsoth, Gerhard Kraus, Stefan Mayer, Heinz-<br />
Dieter Neumann, Eva Zahradnik, Christina Fleischer, Thomas Brüning<br />
Hausstaubmilbenallergenkonzentrationen in Bodenstäuben und<br />
luftgetragenen Stäuben von Arbeitsplätzen und Privatwohnungen<br />
319<br />
325<br />
330<br />
334<br />
9
Inhalt<br />
V 72<br />
V 73<br />
Jürgen Bünger, Jürgen Krahl, Axel Munack, Yvonne Ruschel, Olaf Schröder,<br />
Claudia Handrich, Michael Müller, Ernst Hallier, Götz Westphal, Thomas<br />
Brüning<br />
Erhöhte Gentoxizität durch Dieselmotoremissionen bei Verbrennung von<br />
Kraftstoffmischungen mit Biodieselanteil<br />
Renate Kimbel, Ulrich T. Egle, Barbara Schmidt, Christian Geber, Sandra<br />
Weihert, Joachim Schüz, Stephan Letzel, Wilfred A. Nix<br />
Erfassung umwelt- oder arbeitsplatzbezogener Belastungsfaktoren bei<br />
Personen mit subjektiver Elektrosensibiliät (SES) in Rheinland-Pfalz<br />
337<br />
341<br />
Lehrergesundheit<br />
V 74 Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />
V 75<br />
V 76<br />
V 77<br />
Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung, Arbeitsbelastungen und<br />
Arbeitsfähigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern<br />
Ralf Wegner, Peter Berger, Xaver Baur<br />
Burnout bei Lehrkräften, Ergebnisse einer klinisch-psychologischen<br />
Interventionsstudie<br />
Juliane Hardt, Reingard Seibt, Klaus Scheuch<br />
Hypertonierisiko, Arbeitsbedingungen und personenbezogene Faktoren bei<br />
Lehrkräften<br />
Reingard Seibt, Stefanie Deckert, Silvia Spitzer, Klaus Scheuch, Gabriele<br />
Freude<br />
Altersbezogener Zusammenhang von Effort-Reward-Imbalance und<br />
kardiovaskulären Risikofaktoren bei Führungskräften und Lehrern<br />
Infektionsgefährdung<br />
V 78 Ulrich Bolm-Audorff<br />
V 79<br />
V 80<br />
V 81<br />
V 82<br />
V 83<br />
Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der sicheren Nadeltechnik<br />
in Justizvollzugsanstalten<br />
Albert Nienhaus, Roland Diel<br />
Risikofaktoren für eine latente Tuberkulose-Infektion<br />
Gabriela Petereit-Haack, Ulrich Bolm-Audorff<br />
Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der Verwendung sicherer<br />
Nadelsysteme in psychiatrischen Kliniken<br />
Andreas Wittmann, Jan Köver, Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
Schutzwirkung unterschiedlicher Handschuhsysteme in der Chirurgie<br />
Andreas Wittmann, Jan Köver, Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />
Übertragene Blutvolumina nach Nadelstichverletzungen an s.c. Kanülen<br />
Jennifer Martin, Klemens Neppach, Burkhard Rieke, Thomas Küpper<br />
Infektiöse Risiken junger Freiwilliger von Non-Governmental Organizations<br />
(NGOs)<br />
Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
V 84 Michael Spallek, Klaus Giersiepen, Annika Friedebold, David A. Groneberg<br />
Karpaltunnelsyndrom und Berufskrankheit<br />
344<br />
348<br />
353<br />
358<br />
364<br />
369<br />
373<br />
378<br />
382<br />
385<br />
387<br />
10
Inhalt<br />
V 85<br />
V 86<br />
V 87<br />
V 88<br />
V89<br />
V 90<br />
V 91<br />
Ulrich Glitsch, Nicole Lundershausen, Dorothee Knieps, Alexander<br />
Johannknecht, Rolf Ellegast<br />
Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei Tätigkeiten im Hocken<br />
und Knien<br />
Monika A. Rieger, André Klußmann, Hansjürgen Gebhardt, Matthias Nübling,<br />
Falk Liebers, Bertil Bouillon, Köln-Wuppertal ArGon-Studiengruppe<br />
Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die Kniegelenksarthrose –<br />
Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie<br />
Ulrike Noll, Elke Ochsmann, Gerhard Krahn, Siegfried Leuchte, Thomas<br />
Kraus<br />
Plantare Druckbelastung bei verschiedenen Boden-Schuh-Kombinationen –<br />
eine Untersuchung an typischen Arbeitsplätzen der Automobilindustrie<br />
Martin Fritz, Oliver Geiss<br />
Risikoabschätzung bei Ganzkörper-Schwingungen mittels<br />
Schwingungsbewertung nach VDI 2057 und einer kraftbezogenen Bewertung<br />
- Methodenvergleich<br />
Rolf Ellegast, Kathrin Keller, Helmut Berger, Frank Krause, Liesbeth<br />
Groenesteijn, Merle Blok, Peter Vink<br />
Vergleichende ergonomische Laboranalyse besonders dynamischer<br />
Büroarbeitsstühle<br />
Fritz Andreas Schön, Dieter Preim<br />
Zur Biomechanik des dynamischen Sitzens<br />
Ulrike Hoehne-Hückstädt, Sandra Chandra Keller, Rolf Ellegast<br />
Beurteilung der Ergonomie von PC-Eingabemitteln<br />
391<br />
395<br />
400<br />
402<br />
406<br />
411<br />
416<br />
Poster<br />
Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
P 1 Karsten Sonntag, Katrin Groneberg, Rolf Hess-Gräfenberg, Wolfgang<br />
Schuster, Andreas Tautz<br />
P 2<br />
P 3<br />
P 4<br />
P 5<br />
Erfassung von psychischen und sozialen Belastungen bei Beschäftigten in der<br />
Briefzustellung<br />
Detlev Jung, Verena Bopp, Rolf Helbig, Ralph Bruder<br />
Untersuchung der psychomentalen Belastung und Beanspruchung im<br />
Internationalen Schaltraum einer deutschen Fernsehanstalt<br />
Kathleen Karge, Silvia Spitzer, Klaus Scheuch, Reingard Seibt<br />
Führungsverhalten von Schulleitern - eine Ressource für gute<br />
Arbeitsfähigkeit?<br />
Andrea Wittich, Wilfried E. Dieterle, Silke Senn, Michael Wirsching<br />
Supervision im Krankenhaus. Effekte und Umsetzung - Ergebnisse einer<br />
formativen Evaluation<br />
Andrea Wittich, Michael Wirsching<br />
Teambezogene Frühintervention nach Tod eines Kollegen oder einer Kollegin<br />
420<br />
421<br />
424<br />
427<br />
429<br />
11
Inhalt<br />
Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
P 6 Franz J. Heeg<br />
P 7<br />
P 8<br />
P 9<br />
P 10<br />
Integrierte betriebsärztliche Diagnose und Therapie von Stress, Ineffizienz und<br />
Ineffektivität<br />
Anja Roggentin, Johannes Tümler, Rüdiger Mecke, Eberhard Alexander<br />
Pfister, Irina Böckelmann<br />
Beanspruchungsanalyse bei der Arbeit mit modernen Technologien<br />
Wolfgang Hagemann, Katja Geuenich, Svenja Waclawiak<br />
Diagnostik von Stressbelastung, Burnout und psychosomatischen<br />
Beschwerden im beruflichen und sozialen Kontext<br />
Beatrice Thielmann, Evelin Ackermann, Jörg Frommer, Irina Böckelmann<br />
Psychophysiologische Untersuchungen bei Teilnehmern eines<br />
Stressbewältigungskurses für Studenten<br />
Britta Geißler, Lorenz Hagenmeyer, Katrin Meinken, Axel Muttray<br />
Arbeitsbelastung und -beanspruchung von Busfahrern<br />
Prävention I<br />
P 11 Martina Michaelis, Ulrich Stößel, Jürgen Pietsch<br />
P 12<br />
P 13<br />
P 14<br />
P 15<br />
P 16<br />
Arbeit und Gesundheit bei Universitätsbeschäftigten – Ergebnisse einer<br />
MitarbeiterInnenbefragung an der Universität Freiburg<br />
Ulrich Funke<br />
Der überarbeitete G24: evidenzbasierte effiziente Hautvorsorge<br />
Gabriele Freude, Reingard Seibt, Olga Jakob, Peter Martus, Uwe Rose<br />
Biologisches vs. kalendarisches Alter - arbeits- und gesundheitsbezogene<br />
Prädiktoren<br />
Dagmar Arndt, Mohit Kumar, Steffi Kreuzfeld, Matthias Weippert, Markus<br />
Preuss, Regina Stoll, Sebastian Neubert<br />
Möglichkeiten des Einsatzes eines Telemonitoring-Systems im<br />
arbeitsmedizinischen Bereich<br />
Manuela Merchlewicz, Claudia Peters, Albert Nienhaus<br />
Betriebliche Suchtprävention – Engagement und Kompetenz von<br />
Betriebsärzten<br />
Michael Schneider<br />
Diabetes-Screening im betrieblichen Umfeld: Die Bewertung postprandialer<br />
Blutzuckerwerte nach einer gemischten standardisierten Testmahlzeit<br />
Prävention II<br />
P 17 Andrea Jaenicke, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
P 18<br />
P 19<br />
Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Abhängigkeit<br />
des Erwerbsstatus und der beruflichen Stellung<br />
Christa Weßel, Kristina Harth, Ulrike Burger, Stephan Letzel<br />
Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften In Rheinland-Pfalz -<br />
Pilotkonzept<br />
Elke Ochsmann, Heike Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Überschuldung von Privathaushalten in Deutschland - Arbeitsmedizinische<br />
Relevanz am Beispiel der Adipositas<br />
432<br />
435<br />
438<br />
439<br />
442<br />
444<br />
447<br />
448<br />
451<br />
453<br />
455<br />
458<br />
461<br />
464<br />
12
Inhalt<br />
P 20<br />
P 21<br />
P 22<br />
Michael Schneider<br />
Influenza-Schutzimpfung: Wer lässt sich impfen?<br />
N. Patrick Mayr, Tanja Leban, Peter Tassani-Prell<br />
Verbreitung und Einsatz von Frühdefibrillatoren im betrieblichen Umfeld<br />
Markus Preuss, Steffi Kreuzfeld, Dagmar Arndt, Matthias Weippert, Mohit<br />
Kumar, Regina Stoll, Sebastian Neubert<br />
Körperbezogene Lebensqualität und psychologische Faktoren bei älteren<br />
Langzeitarbeitslosen: Fit 50+<br />
467<br />
470<br />
472<br />
Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
P 23 Simone Schröder, Paul Jansing, Thomas Küpper<br />
P 24<br />
P 25<br />
P 26<br />
P 27<br />
P 28<br />
P 29<br />
P 30<br />
Vergleichende Untersuchungen zur Lärmbelastung bei alpinen Helikopter-<br />
Rettungseinsätzen<br />
Thomas Küpper, Jürgen Steffgen, Volker Schöffl<br />
Technisches und alpinistisches Anforderungsprofil bei der alpinen Luftrettung<br />
Thomas Küpper, Jürgen Steffgen, Volker Schöffl<br />
Epidemiologie alpiner Notfälle im Hinblick auf das fachliche Anforderungsprofil<br />
des Rettungsdienstpersonals<br />
Thomas Küpper, Jürgen Steffgen<br />
Who is fit for rescue? – Mindestanforderungen an die körperliche<br />
Leistungsfähigkeit bei alpinen Luftrettungseinsätzen<br />
Eileen M. Wanke, Roland Wolff<br />
Zur gesundheitlichen Situation von hauptberuflich tätigen<br />
Tanzpädagogen/innen in Deutschland<br />
Eileen M. Wanke, Roland Wolff, Helmgard Mill<br />
Akute Verletzungen bei heranwachsenden Bühnentanzschüler/innen -<br />
Ursachen und Prävention<br />
Eileen M. Wanke<br />
Die arbeitsmedizinische Betreuung von Bühnentänzern in der DDR<br />
Eileen M. Wanke, Roland Wolff, Helmgard Mill<br />
Präventionsaspekte im professionellen Bühnentanz<br />
Lehre / Fortbildung<br />
P 31 Monika Gube, Andrea Pirkl, Christian Eisenhawer, Lars Knoll, Michael Felten,<br />
Thomas Schettgen, Michaela Weishoff-Houben, Irmgard Classen-Linke,<br />
Thomas Kraus<br />
P 32<br />
P 33<br />
Interaktives Lehrkonzept durch Einsatz von Simulationspatienten im Fach<br />
Arbeitsmedizin im Rahmen des Aachener Modellstudienganges<br />
Birgit Emmert, Anne Simmenroth-Nayda, Jean-Francois Chenot, Ernst Hallier<br />
Verbesserung der Lehre im Fach Arbeits- und Sozialmedizn durch den Einsatz<br />
von Schauspielpatienten<br />
Sibylle Hildenbrand, Verena Röder, Monika A. Rieger<br />
Arbeitsmedizinische Betriebsbegehungen in der Lehre – Aktivität schafft<br />
Interesse<br />
474<br />
475<br />
476<br />
477<br />
478<br />
480<br />
482<br />
484<br />
487<br />
489<br />
492<br />
13
Inhalt<br />
P 34<br />
Katja Radon, Stefanie Kolb, Laura Wengenroth<br />
Online CME-Bedarf deutschsprachiger Arbeits- und Betriebsmediziner<br />
495<br />
Schichtarbeit / Stress<br />
P 35 Anke van Mark, Andreas Otto, Stephan W. Weiler, Michael Spallek, Richard<br />
Kessel<br />
Die Auswirkungen von Schichtarbeit auf junge Arbeitnehmer<br />
P 36 Der Beitrag wurde als Vortrag präsentiert (siehe V 47a) 499<br />
P 37<br />
P 38<br />
P 39<br />
P 40<br />
Ulrich Bolm-Audorff<br />
Ableitung von Normwerten für die Adrenalin- und Noradrenalinkonzentration<br />
im Sammelurin während der Arbeitszeit<br />
Thomas Rebe, Susanne Netz-Piepenbrink, Uwe Johansson, Michael Bader,<br />
Renate Wrbitzky<br />
Katecholaminausscheidung im Urin bei Motorradfahrern in Abhängigkeit vom<br />
Stresstypus<br />
Dorothea Nitsche, Heiko Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Berufspendeln und Fehlzeiten. Fehlen Fernpendler häufiger bei der Arbeit?<br />
Detlev Jung, Johannes Jung<br />
Die Relevanz der Zeit für den Menschen und die Auswirkungen auf sein<br />
Verhältnis zur Arbeit<br />
496<br />
500<br />
503<br />
505<br />
508<br />
Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
P 41 Elke Ochsmann, Thorsten Kunst, Monika Gube, Alice Müller-Lux, Thomas<br />
Kraus<br />
P 42<br />
P 43<br />
P 44<br />
P 45<br />
P 46<br />
Kann durch individuelle Anpassung von Sicherheitsschuhen die Akzeptanz<br />
verbessert werden?<br />
Andreas Glatz, Nadine Nutt, Oliver Kaltheier, Helmut Wallrabenstein,<br />
Andreas Bahemann, Walter Heipertz, Andreas Weber, Thomas Kraus<br />
Das Event-Videografierungs-System EVS - eine neue Methode zur<br />
Dokumentation der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit<br />
Matthias Mozdzanowski, Andreas Glatz<br />
Replizierbarkeit der Ergebnisse ärztlicher Beurteilung der arbeitsbezogenen<br />
körperlichen Leistungsfähigkeit durch Einbezug ERGOS-gestützter Befundung<br />
Gert Notbohm, Sieglinde Schwarze, Martin Albers<br />
LWS-Schäden durch Ganzkörpervibrationen: Bedeutung von Schwellenwert<br />
und Expositionsdauer für das Risiko einer Gesundheitsgefährdung<br />
Matthias Jäger, Jürgen Voß, Annekatrin Bergmann, Ulrich Bolm-Audorff, Rolf<br />
Ellegast, Joachim Grifka, Martina Michaelis, Andreas Seidler, Alwin Luttmann<br />
Verteilung der Wirbelsäulen-Belastungsdosis bei Personen mit<br />
bandscheibenbedingten lumbalen Erkrankungen – Zusatzanalysen zur<br />
Deutschen Wirbelsäulenstudie<br />
Falk Liebers, Martina Jakob<br />
Experimentelle Studie zur physischen Beanspruchung beim maschinellen<br />
Melken mit Berücksichtigung der Art des Melkzeuges und der Arbeitshöhe<br />
511<br />
513<br />
514<br />
515<br />
518<br />
521<br />
14
Inhalt<br />
Atemwege I<br />
P 47 Alexandra Marita Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />
P 48<br />
P 49<br />
P 50<br />
P 51<br />
Vergleich von CO- und NO-Diffusionskapazität in verschiedenen<br />
Patientenkollektiven<br />
Holger Dressel, Philipp Fischer, Dorothea Motte de la, Dennis Nowak, Rudolf<br />
A. Jörres<br />
Untersuchungen zur Anwendbarkeit von exhaliertem Kohlenmonoxid zwecks<br />
Detektion alveolärer Entzündung<br />
Marcus Bauer, Rainer Bayer, Ilse Folgmann, Oliver Hofer, Stephan Kruse,<br />
Gerd Laschinski, Gert Notbohm, Lutz Richter, Klaus Siegmund, Sieglinde<br />
Schwarze<br />
Vergleichende Messungen der Lungendiffusionskapazität mittels<br />
Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei gesunden Nichtrauchern<br />
Lioubov Barbinova, Alexandra M. Preisser, Xaver Baur<br />
Änderung der Stickstoffmonoxid-Konzentration (NO) in den Atemwegen der<br />
Raucher<br />
Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Jana Henry, Gerda Borowitzki,<br />
Rolf Merget, Jürgen Bünger, Thomas Brüning<br />
Serumspiegel von sCD95 bei ehemals Beschäftigten im Steinkohlenbergbau<br />
Atemwege II<br />
P 52 Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Volker Harth, Jürgen Bünger, Rolf<br />
Merget, Thomas Brüning<br />
P 53<br />
P 54<br />
P 55<br />
Einfluss des Kondensatortyps auf die Nachweisbarkeit von Biomarkern im<br />
Atemkondensat<br />
Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />
Polyamid-Faserstäube als Auslöser einer Flockarbeiterlunge<br />
Wolfgang Marek, Nicola Kotschy-Lang, Eike Marek, Klaus Mückenhoff<br />
Brauchen wir für die Begutachtung neue Referenzwerte für die ventilatorische<br />
Lungenfunktion?<br />
Ulrike Euler, Andreas Seidler, Frank Thalau, Ute Latza, Dirk Dahmann,<br />
Karoline I. Gaede, Annette Gäßler, David A. Groneberg, Michael Heger,<br />
Kristina Krutz, Monika Lelgemann, Rolf Merget, Joachim Müller-Quernheim,<br />
Thomas Nauert, Stephan Letzel<br />
Leitlinienentwicklung am Beispiel der S 3-Leitlinie: „Arbeitsmedizinische<br />
Vorsorge der chronischen Berylliose“<br />
Atemwege III<br />
P 56 Vera van Kampen, Rolf Merget, Dirk Taeger, Martin Butz, Thomas Brüning<br />
P 57<br />
Trends in der Entwicklung berufsbedingter Lungen- und<br />
Atemwegserkrankungen in Deutschland zwischen 1970 und 2005<br />
Sabine Kespohl, Monika Raulf-Heimsoth, Nicola Kotschy-Lang, Silke<br />
Maryska, Thomas Brüning<br />
Berufsbedingte IgE-vermittelte Nadelholz-Allergie - Nachweis einer klinischen<br />
Relevanz<br />
524<br />
527<br />
529<br />
532<br />
534<br />
537<br />
540<br />
542<br />
543<br />
545<br />
548<br />
15
Inhalt<br />
P 58<br />
P 59<br />
P 60<br />
P 61<br />
Stefan Baars<br />
Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Mehlstaubexposition. Leisten<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen einen Beitrag zur Diagnose<br />
einer Berufskrankheit 4301 bei Bäckern?<br />
Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />
Allergische Rhinopathie durch Maispollen-Exposition am Arbeitsplatz<br />
Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />
Aussagekraft verschiedener Untersuchungsverfahren für die Diagnose des<br />
Berufsasthmas<br />
Thomas Baumeister, Wobbeke Weistenhöfer, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />
Ist die subjektive Beeinträchtigung am Arbeitsplatz ein prädiktiver Marker für<br />
die Entwicklung beruflicher Atemwegserkrankungen bei Beschäftigten in der<br />
metallverarbeitenden Industrie?<br />
550<br />
553<br />
555<br />
558<br />
Atemwege IV<br />
P 62 Eva Zahradnik, Rudolf Schierl, Ingrid Sander, Anne Flagge, Joachim Sültz,<br />
Dennis Nowak, Thomas Brüning, Monika Raulf-Heimsoth<br />
P 63<br />
P 64<br />
P 65<br />
P 66<br />
Quantifizierung von Rinderhaarallergenen mittels zweiseitigem<br />
Enzymimmunoassay<br />
Astrid R.R. Heutelbeck, Ernst Hallier, Ullrich Schmelz<br />
Mikrobielle Kontamination von Atemschutz in Abhängigkeit von der<br />
Tragedauer bei Landwirten mit berufsbedingter Atemwegsallergie<br />
Siegfried Turowski, Jürgen Krause, Ernst Hallier, Hermann Riedesel, Astrid<br />
Heutelbeck<br />
Mus m 1 Exposition unter verschiedenen Arbeits- und Haltungsbedingungen in<br />
der Labortierhaltung<br />
Monika A. Rieger, Nicole Blomberg<br />
Arbeitsplatz Geflügelstall – hohe biologische Belastungen in artgerechten<br />
Haltungsformen<br />
Elke Ochsmann, Barbara Jüngert, Hans Drexler<br />
Polyaziridinvernetzer in der Lederindustrie - Auslöser eines<br />
pseudoallergischen Berufsasthmas?<br />
Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
P 67 Grita Schedlbauer, Wolfgang Wegscheider, Udo Eickmann, Albert Nienhaus<br />
P 68<br />
P 69<br />
P 70<br />
Gibt es ein Krebsrisiko durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />
Gesundheitswesen?<br />
Simone Franz, Saskia Kuhnert, Albert Nienhaus, Anja Schablon, Annett Zeh<br />
Gewalt und Aggression gegenüber Beschäftigten in Pflege- und<br />
Betreuungsberufen<br />
Sabine Wicker, Pia Lechner, Holger Rabenau, René Gottschalk, Alexander<br />
Bockenheimer, Christina Berger<br />
Wie sicher ist sicher? Entsorgung sicherer Instrumente<br />
Frank Haamann, Chris Williams, Udo Buchholz, Albert Nienhaus<br />
Ist Grippe bei Krankenschwestern häufiger als in der Normalbevölkerung?<br />
561<br />
563<br />
566<br />
569<br />
572<br />
575<br />
577<br />
580<br />
582<br />
16
Inhalt<br />
P 71<br />
P 72<br />
P 73<br />
P 74<br />
Sabine Wicker, Stefan Zielen, Markus A. Rose<br />
Pertussis: Akzeptanz der Schutzimpfung bei pädiatrischem Personal einer<br />
Universitätskinderklinik<br />
Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
Tuberkuloseausbruch in einer Behörde<br />
Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />
Zur arbeitsmedizinischen Bedeutung der Legionellose<br />
Claudia Handrich, Jürgen Bünger, Götz A. Westphal, Ernst Hallier, Michael<br />
Müller<br />
Neues zytotoxisches Mykotoxin in Aspergillus nidulans<br />
584<br />
586<br />
588<br />
591<br />
Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
P 75 Monika Gube, Sarah Schaal, Michael-Rüdiger Suchodoll, Peter Brand,<br />
Thomas Kraus<br />
P 76<br />
P 77<br />
P 78<br />
P 79<br />
P 80<br />
Wie effektiv sind betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen in Form von<br />
Aktionstagen? Validierung der Untersuchungsergebnisse 2006 und 2007 in<br />
zwei Großbetrieben<br />
Eva Haufe, Andreas Genz, Constance Winkelmann, Klaus Scheuch<br />
Gesundheitsförderung in der Lehrer-Schüler-Interaktion an der<br />
Berufsbildenden Schule<br />
Thomas Muth, Georg von Groeling-Müller, Werner Mölders<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung - was wünschen sich Beschäftigte der<br />
Stahlindustrie?<br />
Georg von Groeling-Müller, Thomas Muth, Werner Mölders<br />
Die erweiterte arbeitsmedizinische Anamnese als Instrument des betrieblichen<br />
Gesundheitsmanagements<br />
Rudolf C. Zelfel, Bettina Begerow, Andreas Glatz, Andreas Weber<br />
Health Promotion in Adult Learning - Gesundheitsförderung in der<br />
Erwachsenenbildung. Ein europäisches Projekt<br />
Michael Schneider, Anna Ernsting<br />
FIT IM LEBEN-FIT IM JOB: Eine effektive Maßnahme zur nachhaltigen<br />
Veränderung des Gesundheitsverhaltens<br />
Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
P 81 Michael G. Haufs, Dirk Eichelberg, Pamela Wehling<br />
P 82<br />
P 83<br />
P 84<br />
Wellness und Work Ability: Versuch einer Synthese aus Sicht der<br />
Gesundheitsförderung<br />
Astrid Brammertz<br />
Gesunde Verwaltung - Modernes Gesundheitsmanagement am Beispiel der<br />
Stadtverwaltung Aachen<br />
Ulrich Funke<br />
Lassen sich die Prinzipien der Prozessgestaltung und des<br />
Komplexitätsmanagements für ein wirksames Gesundheitsmanagement<br />
nutzen?<br />
Frank Thalau, Felix Holzinger, Nina Adelberger, Andreas Seidler<br />
Kosteneffektivität betrieblicher Interventionen zur Primärprävention<br />
kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
593<br />
596<br />
599<br />
602<br />
604<br />
606<br />
609<br />
610<br />
612<br />
613<br />
17
Inhalt<br />
P 85<br />
P 86<br />
Beate Peter, Irina Böckelmann, Christiane Seik, Eberhard Alexander Pfister<br />
Test- und Retestergebnisse einer Herz-Kreislauf-Präventionsstudie<br />
Sascha Eberwein, Heinz Joh. Bicker, Guido Mann, Martina Dahlmann<br />
Überprüfung der Eignung bestimmter Laborparameter als Alkoholismusmarker<br />
bei vorwiegend unter Tage beschäftigten männlichen Mitarbeitern der RAG<br />
Aktiengesellschaft<br />
615<br />
617<br />
Asbest I<br />
P 87<br />
P 88<br />
P 89<br />
P 90<br />
P 91<br />
P 92<br />
Alexandra Marita Preisser, Xaver Baur<br />
Ab wann ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei der BK 4103<br />
fassbar?<br />
Dennis Wilken, Xaver Baur<br />
Asbestbedingte Lungenfunktionsveränderungen auch bei normalem<br />
Röntgenthoraxbefund?<br />
Rolf Arhelger, Paul Mayer, Kurt Georg Hering, Joachim Schneider<br />
Korrelation des Streuungsgrades einer Lungenasbestose nach ILO und HRCT<br />
mit der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis<br />
Michael Felten, Lars Knoll, Christian Eisenhawer, Diana Ackermann,<br />
Johannes Hüdepohl, Wolfgang Zschiesche, Thomas Kraus<br />
Retrospektive Ermittlung der Asbestexposition bei Mitarbeitern der<br />
Energieindustrie<br />
Christian Schikowsky, Diana Ackermann, Michael Felten, Thomas Kraus<br />
Statistische Verfahren zur Behandlung fehlender Werte in epidemiologischen<br />
Studien<br />
Marion Voigt, Lars Knoll, Michael Felten, Khaled Khatab, Thomas Kraus<br />
Deskriptive Analyse asbestbedingter Malignome ehemals exponierter<br />
Kraftwerksmitarbeiter<br />
Asbest II<br />
P 93 Kraisorn Chaisaowong, Achim Knepper, Elke Ochsmann, Til Aach, Thomas<br />
Kraus<br />
P 94<br />
P 95<br />
P 96<br />
Automatische Detektion und quantitative Beurteilung pleuraler Verdickungen<br />
in thorakalen CT Daten<br />
Monika Gube, Georg Johnen, Beate Pesch, Peter Brand, Dirk Taeger, Daniel<br />
Weber, Isabelle Gross, Thorsten Wiethege, Hendrik Müller-Berndorff, Thomas<br />
Kraus, Thomas Brüning<br />
Bedeutung von SMRP, CA 125 und CYFRA 21-1 als Biomarker zur<br />
Früherkennung von Mesotheliomen und Lungenkrebs bei ehemals<br />
Asbestexponierten<br />
Simone Helmig, Nahid Aliahmadi, Joachim Schneider<br />
Assoziation der Tumor Necrosis Factor TNF α Genpolymorphismen mit<br />
Asbestfaserstaub verursachten Krebserkrankungen der Lunge oder der Pleura<br />
(BK-Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />
Simone Helmig, Jelena Wübbeling, Joachim Schneider<br />
Assoziation der Interleukin 6 (IL6) und Interleukin 10 (IL10) Genpolymorphismen<br />
mit asbestfaserstaubverursachten Krebserkrankungen der<br />
Lunge oder der Pleura (BK-Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />
620<br />
623<br />
624<br />
627<br />
630<br />
633<br />
636<br />
639<br />
642<br />
645<br />
18
Inhalt<br />
P 97<br />
Volker Neumann, Margit Fischer, Andrea Tannapfel<br />
Erfüllen Karzinoidtumoren der Lunge die Legaldefinition für den Begriff<br />
„Lungenkrebs“ der Berufskrankheitenverordnung?<br />
648<br />
Gefahrstoffe I<br />
P 98 Michael Erler, Rainer Schiele, Anne Löffler<br />
P 99<br />
P 100<br />
P 101<br />
Amalgam – eine Bewertung unter Zusammenführung von Biomonitoringdaten<br />
und psychometrischen Testverfahren<br />
Michael Heck, Bernd Brückel, Rolf Arhelger, Dirk Walter<br />
Charakterisierung von Kfz-Dieselrußstäuben unterschiedlicher Provenienz<br />
Irina Böckelmann, Friederike Maier, Eberhard Alexander Pfister<br />
Psychologische Ergebnisse bleibelasteter Polizeischießausbilder<br />
Carl-Gerhard Winter, Friederike Maier<br />
Luft- und Biomonitoring bei bleibelasteten Polizeischießausbildern<br />
P 102 Elke Dopp, Susanne Tautz, Ute Zimmermann, Ludwig Jonas, Albert W.<br />
Rettenmeier<br />
P 103<br />
Zelluläre Aufnahme und Toxizität von Tonerpartikeln in vitro<br />
Dorothea Koppisch, Ulrike Koch, Rainer Van Gelder, Stefan Gabriel<br />
Schwerpunkte der Exposition gegenüber ototoxischen Gefahrstoffen<br />
Gefahrstoffe II<br />
P 104 Rolf Merget, Boleslaw Marczynski, Vera van Kampen, Thomas Brüning<br />
P 105<br />
P 106<br />
P 107<br />
P 108<br />
P 109<br />
Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehung im standardisierten Expositionstest mit<br />
Diphenylmethan-4,4´-diisocyanat (MDI)<br />
Sibylle Hildenbrand, Roman Wodarz, Elfriede Wiest<br />
Phthalatweichmacher-Untersuchungen bei Schwangeren in der 15.-17.<br />
Schwangerschaftswoche in Urin, Serum und Fruchtwasser<br />
Lygia Therese Budnik, Elke Finsel, Xaver Baur<br />
Einfluss der Substitutionsrate von in-vitro generieren Isocyanat-Albumin-<br />
Konjugaten auf massenspektrometrische Strukturparameter und das<br />
Antikörper-Bindungsverhalten<br />
Alexandra Marita Preisser, Frank Heblich, Wolfgang H. Zangemeister, Birgit<br />
Hottenrott, Lygia Therese Budnik, Xaver Baur<br />
Übersicht über die Folgen von Begasungmittel-Intoxikationen in einer webbasierten<br />
Datenbank<br />
Anne Spickenheuer, Monika Raulf-Heimsoth, Benjamin Kendzia, Thomas<br />
Brüning, Beate Pesch<br />
Anwendung verschiedener statistischer Modelle am Beispiel eines Biomarkers<br />
in der Humanstudie Bitumen<br />
Peter Welge, Anne Spickenheuer, Boleslaw Marczynski, Monika Raulf-<br />
Heimsoth, Benjamin Kendzia, Anja Erkes, Rainer Bramer, Dietmar Breuer,<br />
Heiko U. Käfferlein, Beate Pesch, Thomas Brüning<br />
Einflussfaktoren auf die Mikrokernraten in Lymphozyten von Beschäftigten bei<br />
der Heißverarbeitung von Bitumen<br />
651<br />
654<br />
656<br />
659<br />
662<br />
664<br />
667<br />
670<br />
673<br />
674<br />
679<br />
681<br />
19
Inhalt<br />
Arbeitsphysiologie I<br />
P 110 Wolfgang Marek, Eike Marek, Nicola Kotschy-Lang, Petra Vogel, Yvonne<br />
Rüttgers, Klaus Mückenhoff<br />
P 111<br />
P 112<br />
P 113<br />
P 114<br />
P 115<br />
Zur Reproduzierbarkeit der Wegstrecke im 6-Minuten Gehtest<br />
Lutz Schega, Gunther Claus, André Niklas<br />
Anpassungsverhalten bei Immersion: Herz-Kreislauf-Patienten vs. gesunde<br />
Normalpersonen<br />
Matthias Weippert, Steffi Kreuzfeld, Dagmar Arndt, Mohit Kumar, Markus<br />
Preuss, Sebastian Neubert, Regina Stoll<br />
Kardiale Aktivität bei unterschiedlicher muskulärer Beanspruchung<br />
Wolfgang Jaschinski<br />
Ein optometrisches Messverfahren zur Bestimmung der Bereiche des<br />
Scharfsehens beim Tragen von Bildschirmarbeitsplatzbrillen<br />
Claudia Gutsch, Volker Kielstein, Irina Böckelmann<br />
Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen Patienten<br />
Saskia Lüthke, Anja Schlossmacher, Siegfried Kropf, Irina Böckelmann<br />
Untersuchungen zur Farb- und Kontrastwahrnehmung bei bestimmten<br />
Arbeitnehmergruppen mit chronischen Erkrankungen<br />
Arbeitsphysiologie II<br />
P 116 Isabelle Lang, Ajnur Jusufoska, Thomas Bruckner, Gerhard Triebig<br />
P 117<br />
P 118<br />
P 119<br />
P 120<br />
P 121<br />
P 122<br />
Formaldehyd und olfaktorische Funktion - Eine experimentelle<br />
Längsschnittstudie<br />
Birgit Emmert, Ernst Hallier<br />
Retrospektive Studie zum Hörvermögen bei Arbeitnehmern in einem<br />
metallverarbeitenden Betrieb im Hinblick auf die Einführung der neuen<br />
Lärmverordnung<br />
Reinhard Müller, Gerald Fleischer, Joachim Schneider<br />
Entwicklung der Reinton-Hörschwelle bei Schulkindern<br />
Anke Marks, Barbara Griefahn<br />
Schläfrigkeit während der Tag- und Nachtschicht nach Lärmexposition im<br />
Schlaf<br />
Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher Gegebenheiten der<br />
Beschäftigten im Friseurhandwerk und der Abschätzung der fachkundigen<br />
Personen<br />
Stephan Becher, Friedrich Hofmann<br />
Berufsunfähigkeit bei Privatversicherungen – Ursachen und Hintergründe<br />
Monika Kolberg, Reinhard Bartsch, Christine Salzmann, Michael Erler,<br />
Rainer Schiele<br />
Berufskrankheiten in Thüringen<br />
Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
P 123 Nils Schmeisser, Birte Mester, Wolfgang Ahrens<br />
Einsatz von Insektiziden in häuslicher Umgebung und Hodentumorrisiko<br />
684<br />
685<br />
688<br />
691<br />
694<br />
696<br />
699<br />
700<br />
703<br />
706<br />
709<br />
711<br />
712<br />
718<br />
20
Inhalt<br />
P 124 Georg Johnen, Daniel Weber, Ricarda Zdrenka, Jens Schreiber, Albert W.<br />
Rettenmeier, Thomas Brüning, Elke Dopp<br />
P 125<br />
P 126<br />
P 127<br />
P 128<br />
P 129<br />
Verminderte COX2-Expression in Arsen-exponierten UROtsa-Zellen korreliert<br />
mit einer Erhöhung von regulierenden microRNAs<br />
Klaus Golka, Jürgen Zumbe, Michael Zellner, Wolfgang Schöps<br />
CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />
Urothelkarzinomen<br />
Heike Bontrup, Marcus Horstmann, Judith Delbanco, Anne Weber, Dirk<br />
Taeger, Georg Johnen, Beate Pesch, Jörg Hennenlotter, Oliver Patschan,<br />
Gerhard Feil, Arnulf Stenzl, Thomas Brüning<br />
Harnblasenkrebserkennung durch den molekularen Marker Survivin<br />
Gerlinde Kaul, Eva Backé, Carmen Thim<br />
Individuelle Disposition oder subjektive Interpretation – Was erklärt den<br />
Leidensdruck bei „Elektrosensibilität“?<br />
Gerlinde Kaul, Bernd Schmitt, Siegfried Eggert, Klaus Hentschel, Hannelore<br />
Neuschulz<br />
Untersuchung von Aufmerksamkeitsleistungen während des Telefonierens mit<br />
einem TETRAPOL-Handfunkgerät<br />
Elke Dopp, Elisabeth Preckel, Ute Zimmermann, Achim Seebens, I. Erol<br />
Sandalcioglu, Albert W. Rettenmeier<br />
Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf zerebrale<br />
Gliazellen in vitro<br />
719<br />
721<br />
723<br />
726<br />
730<br />
733<br />
Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums „Arbeitsphysiologie<br />
für Nachwuchswissenschaftler“<br />
P 130<br />
P 131<br />
P 132<br />
P 133<br />
P 134<br />
P 135<br />
André Klußmann, Hans Jürgen Gebhardt, Matthias Nübling, Falk Liebers,<br />
Bertil Bouillon, Monika A. Rieger, ArGon Studiengruppe<br />
Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die Entstehung von<br />
Kniegelenkarthrose. Erste Ergebnisse der ArGon-Studie.<br />
Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />
Physische Beanspruchung versus subjektives Erleben bei<br />
Kommissionierarbeit in Kälte<br />
Kathrin Hey, Stephanie Juran, Christoph van Thriel<br />
Gibt es eine Veränderung der kognitiven Leistungen durch lokale Reizstoffe?<br />
- Experimentelle Untersuchung zu Acetaldehyd<br />
Franziska Schulz<br />
Messungen der bequemen vertikalen Augen- und Kopfneigung<br />
Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />
Geschlechtseffekte und Korrelate im Burnouterleben sächsischer Lehrkräfte<br />
Sebastian Neubert, Dagmar Arndt, Markus Preuss, Mohit Kumar, Regina<br />
Stoll<br />
Mobiles Online-Erfassungssystem zur Aufnahme physiologischer Parameter<br />
und des subjektiven Beanspruchungsempfindens<br />
735<br />
738<br />
739<br />
743<br />
745<br />
750<br />
21
Inhalt<br />
Foren<br />
F1<br />
F2<br />
F3<br />
Atemwege / Lunge<br />
Thomas Kraus<br />
HR-CT, konventionelle Aufnahmen des Thorax und Lungenfunktion bei<br />
Bauarbeitern<br />
Joachim Schneider<br />
Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern<br />
Alexandra M. Preisser<br />
Eigene Erfahrungen mit den neuen Compliance-Sollwerten von Galetke et al.<br />
Astrid Heutelbeck<br />
Nicht-allergische Atemwegserkrankungen in der Landwirtschaft<br />
Arbeitsphysiologie<br />
Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />
Subjektive Beurteilung der Arbeitsbedingungen in Warenverteilzentren für<br />
Kühl- und Tiefkühlkost<br />
Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />
Beanspruchungsreaktionen auf Kältearbeit bei +3° C und -24° C durch<br />
Blutdruck und Herzschlagfrequenz<br />
Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />
Änderungen der Hautoberflächen- und Körperkerntemperatur beim<br />
Kommissionieren in einem Tiefkühlzentrum mit Arbeitsumgebungstemperaturen<br />
von +3° C bzw. -24° C<br />
Epidemiologie<br />
Andreas Seidler<br />
Welches Potential kommt dem Arbeitsplatz bei der Prävention von Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen zu?<br />
Johannes Siegrist<br />
Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen: ERI<br />
Matthias Nübling<br />
Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen: COPSOQ<br />
Renate Rau<br />
Beurteilung psychosozialer Arbeitsbelastungen aus arbeitspsychologischer<br />
Sicht - Vergleich zwischen Expertenassessment und ERI<br />
Detlev Jung<br />
Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher Sicht<br />
751<br />
752<br />
757<br />
761<br />
762<br />
762<br />
762<br />
763<br />
767<br />
768<br />
771<br />
772<br />
22
Inhalt<br />
F4<br />
F5<br />
Gefahrstoffe<br />
Thomas Kraus, Hans Drexler<br />
Human Biomonitoring bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen im Hinblick auf die<br />
Gefahrstoffverordnung<br />
Thomas Schettgen<br />
Hb-Addukte als biochemische Effektmarker krebserzeugender Arbeitsstoffe<br />
Thomas Göen, Karl-Heinz Schaller, Hans Drexler<br />
Qualitätssicherung für das Biomonitoring -<br />
Entwicklungen<br />
Umweltmedizin<br />
Rolf Merget<br />
Erkrankungen durch Schimmelpilze - die pneumologische Sicht<br />
Guido Fischer<br />
Schimmelpilze - eine Expositionserfassung<br />
Thomas Baumeister<br />
Feinstaub in Innenräumen - ein Gesundheitsrisiko?<br />
aktueller Stand und neue<br />
774<br />
774<br />
774<br />
775<br />
775<br />
775<br />
Symposien<br />
SY1<br />
SY2<br />
Etablierung eines Risikomanagementsystems in der betrieblichen<br />
Betreuung<br />
Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch<br />
Strom und Felder -<br />
Jens Jühling<br />
Unfälle durch elektrischen Strom - Unfallformen<br />
Jiri Silny<br />
Wirkungsmechanismen elektrischer Ströme im Organismus - Schwellenwerte<br />
Reinhard Hirtler<br />
Gesundheitliche Risiken der Körperdurchströmung (Strom-Zeit-Kurven)<br />
Wolfgang Zschiesche<br />
Medizinische Befunde und Krankheitsbilder nach Körperdurchströmung<br />
Alexander Dorsch<br />
Erste Hilfe und medizinische Maßnahmen nach Stromunfällen<br />
Dietmar Ulrich<br />
Pathophysiologie der Stromverbrennung und ihre Behandlung<br />
Jiri Silny<br />
Gesundheitliche Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF)<br />
776<br />
777<br />
777<br />
777<br />
777<br />
777<br />
777<br />
777<br />
23
Inhalt<br />
Sarah Driessen, Roman Wienert<br />
EMF-Portal: wissenschaftliche Literatur zu gesundheitlichen Wirkungen EMF<br />
Markus Fischer<br />
Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz - Regelungen und Maßnahmen<br />
nach BGV B11<br />
Stephan Joosten<br />
Störbeeinflussung von aktiven und passiven Implantaten durch elektrische<br />
Ströme und EMF<br />
Hannah Heinrich<br />
Besondere Gefahrenbereiche in der Industrie<br />
777<br />
777<br />
778<br />
778<br />
SY3<br />
Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Ursula Mikulicz<br />
Arbeitsmedizinische Betreuung bei Auslandstätigkeit<br />
- Aufgaben - Inhalte - Probleme<br />
Matthias Kluckert<br />
Neue rechtliche Rahmenbedingungen der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei<br />
Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Andreas Welker<br />
Aspekte der betriebsärztlichen Betreuung bei Auslandseinsätzen<br />
Andreas Müller<br />
Untersuchungen nach Auslandstätigkeit (Inhalt und Umfang)<br />
Burkhard Rieke<br />
Arbeitsaufenthalt im Ausland bei Vorerkrankungen<br />
Peter Schmitz<br />
Psychische Belastungen bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Wolfgang Mayrhofer<br />
Der Heimtransport aus medizinischen Gründen<br />
779<br />
779<br />
779<br />
779<br />
779<br />
779<br />
779<br />
Seminare<br />
AMD-Kolloquium<br />
Dietmar Groß, Andreas Genz, Karsten Rossa, Klaus Scheuch, Dirk Seidel<br />
Qualität der Prävention: Betriebsärztliche und sicherheitstechnische<br />
Betreuung<br />
Bernd Hartmann<br />
Die Funktionen des Kompetenzzentrums von AMD und STD der Bau BG<br />
Kurt Rinnert<br />
Praktische Umsetzung des G 25 und G 41 und die neue Rechtsverordnung<br />
„Arbeitsmedizinische Vorsorge“<br />
Beate Nölle<br />
AMD-Mitarbeit in Netzwerken<br />
780<br />
786<br />
789<br />
789<br />
24
Inhalt<br />
Thomas Diepgen<br />
Hautkrebs durch UV-Licht - aus dermatologischer Sicht<br />
Otto Blome<br />
Hautkrebs durch UV-Licht - aus BK-rechtlicher Sicht<br />
Kerstin Rathmann<br />
Das neue Einstufungs- und Kennzeichnungssystem GHS - ein Überblick<br />
Norbert Kluger<br />
Sachstand zu künstlichen Mineralfasern<br />
Reinhold Rühl, Klaus Kersting<br />
Sicherer Umgang mit optimierten Epoxidharzprodukten<br />
789<br />
789<br />
789<br />
789<br />
789<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Harald Wellhäußer<br />
Projekt „Evaluation der Grundsätze“<br />
Michael Nasterlack<br />
Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention braucht praxisnahe Forschung<br />
Stephan Letzel<br />
Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention aus Sicht der <strong>DGAUM</strong><br />
Jens Petersen<br />
Leitfaden für Betriebsärzte zur Beratung des Arbeitgebers bei der<br />
Gefährdungsbeurteilung<br />
Alexander Paaßen<br />
Vorgehen in der Praxis eines Groß-/Mittelbetriebes<br />
Detlef Glomm<br />
Vorgehen in der betriebsärztlichen Praxis<br />
Referentenverzeichnis<br />
790<br />
795<br />
799<br />
807<br />
815<br />
819<br />
822<br />
25
Vorwort<br />
Vorwort<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,<br />
es ist mir eine große Freude, Sie als Gastgeber und Tagungspräsident der diesjährigen<br />
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.<br />
(<strong>DGAUM</strong>) in Aachen begrüßen zu dürfen. Die wissenschaftliche Jahrestagung wird nun<br />
schon zum 49. Mal ausgerichtet, ein deutliches Zeichen für die langjährige und<br />
nachhaltige Tradition der Arbeitsmedizin in Deutschland, aber auch ein Zeichen für das<br />
große Engagement und die bemerkenswerte Aktivität der wissenschaftlich- und<br />
praktisch-orientierten arbeits- und umweltmedizinischen Gemeinschaft.<br />
Für das Jahr <strong>2009</strong> hat die wissenschaftliche Fachgesellschaft zwei besonders aktuelle<br />
und praxisrelevante Hauptthemen gewählt.<br />
„Krank und trotzdem arbeiten? – der chronisch Kranke im Erwerbsleben“ ist das<br />
erste dieser beiden Hauptthemen. In Zeiten, in denen der demographische Wandel und<br />
die daraus resultierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft diskutiert werden, ist die<br />
Aktualität dieser Fragestellung unverkennbar und muss, angesichts der Inzidenz und<br />
Prävalenz von chronischen Erkrankungen bei älteren Mitarbeitern, hohe Priorität sowohl<br />
in der arbeitsmedizinischen Praxis als auch in der Wissenschaft haben. Um die<br />
Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter durch enge Zusammenarbeit von<br />
Arbeitsmedizinern, Sicherheitsfachkräften, Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch im Fall<br />
von chronischen Erkrankungen zu erhalten, ist die gezielte Fachdiskussion und der<br />
Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis unverzichtbar und es ist mir ein<br />
besonderes Anliegen, diesen Austausch im Rahmen der 49. Jahrestagung anzustoßen<br />
und zu fördern.<br />
Im Jahr 2008 veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />
Daten zur „Arbeitswelt im Wandel“ und berichtete hier über eine seit vielen Jahren<br />
erstmals wieder ansteigende Zahl tödlicher Arbeitsunfälle (letzter Stand aus dem Jahr<br />
2006). Das zweite Hauptthema „Unfallprävention und arbeitsmedizinische<br />
Vorsorge“ erhält durch diese Entwicklung besondere Aktualität. Dass sich die<br />
Arbeitsmedizin mit den Risiken für den Menschen in der modernen Arbeitswelt<br />
auseinandersetzen muss ist unbestritten. Bei ausschließlicher Fokussierung auf sog.<br />
„moderne Themen“ besteht jedoch die Gefahr, dass die Notwendigkeit zur<br />
Unfallprävention ob der hervorragenden Entwicklungen in diesem Feld in der<br />
Vergangenheit in den Hintergrund tritt.<br />
26
Vorwort<br />
Leider ist es in diesem Zusammenhang nicht gelungen, zentrale Forderungen der<br />
Arbeitsmedizin zur Optimierung der Unfallprävention z.B. durch Implementierung von<br />
speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die der Unfallprävention<br />
dienen, als Pflichtuntersuchung in der neuen Verordnung zur arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge durchzusetzen. Gleichwohl gilt es, die Unfallprävention zukünftig sowohl auf<br />
der Ebene der Verhältnisprävention als auch in der Verhaltensprävention weiter zu<br />
optimieren.<br />
Der Freitag und der Samstag stehen schwerpunktmäßig neben den Vorträgen zu den<br />
beiden Hauptthemen ganz im Zeichen der Präsentation und Diskussion von neuen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen in Form von ca. 100 Vorträgen und mehr als 120<br />
Postern, die ein umfangreiches Spektrum arbeits- und umweltmedizinischer Themen<br />
abdecken.<br />
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion am Samstag soll eines der zentralen<br />
Herausforderungen behandelt werden: die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich<br />
des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Unternehmen. Hier werden Experten<br />
verschiedener Fachrichtungen und Organisationen ihre Aufgabenfelder und Pflichten<br />
darstellen und insbesondere Schnittstellen und Synergien diskutieren.<br />
Ich freue mich zusammen mit Ihnen auf viele neue Erkenntnisse und Anregungen für<br />
unsere Arbeit, v. a. auf den Erfahrungsaustausch, zahlreiche gute Kontakte und schöne<br />
gemeinsame Tage in Aachen.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Ihr<br />
Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />
- Tagungspräsident -<br />
27
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel, Präsident der<br />
Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />
e. V.<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
zur 49. wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin<br />
und Umweltmedizin darf ich Sie hier in Aachen ganz herzlich begrüßen.<br />
Besonders begrüßen möchte ich<br />
die Bundesministerin für Gesundheit Frau Ulla Schmidt.<br />
Es ist uns eine besondere Ehre, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben um<br />
uns die Grußworte Ihres Ministeriums zu überbringen.<br />
Herzlichen Dank hierfür!<br />
Genauso herzlich begrüße ich,<br />
Herrn Prof. Dr. Rolf Rossaint<br />
Prorektor der RWTH Aachen,<br />
Herrn Prof. Dr. Johannes Noth<br />
Dekan der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen,<br />
Herrn Dr. Hans-Joachim Wolf<br />
Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,<br />
Frau Isabel Rothe<br />
Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,<br />
sowie last but not least Herrn Dr. Wolfgang Panter<br />
Präsident des Verbandes der Deutschen Betriebs- und Werksärzte.<br />
Begrüßen möchte ich auch Frau Rita Janning, Leiterin des Referates III b 1 im<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Frau Dr. Klien, die Präsidentin der<br />
Österreichschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Herrn Prof. von Kieparski, den<br />
Präsidenten des Verbandes Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) und Herrn Prof.<br />
Strasser, den Pastpräsidenten der Gesellschaft für Arbeitswissenschaften (GfA).<br />
Seien Sie alle herzlich willkommen bei unserer Jahrestagung.<br />
28
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Unser besonderer Dank gilt auch dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn<br />
Olaf Scholz, der die Schirmherrschaft für unsere Veranstaltung übernommen hat.<br />
Bereits an dieser Stelle darf ich Herrn Kollegen Thomas Kraus und seinen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Aachener Instituts Arbeitsmedizin und<br />
Sozialmedizin, für die Ausrichtung unserer diesjährigen wissenschaftlichen Jahrestagung<br />
ganz herzlich danken. Ich weiß aus eigener Erfahrung, mit welchem enormen<br />
persönlichen Aufwand die Vorbereitung und Durchführung eines solchen Kongresses<br />
verbunden ist. Lieber Thomas, herzlichen Dank dafür.<br />
Herrn Thomas Kraus ist es in den letzten Jahren gelungen das Institut für<br />
Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der RWTH zu einem der großen arbeitsmedizinischen<br />
Institute in Deutschland zu machen. Bei den günstigen Rahmenbedingungen an der<br />
RWTH in Aachen und der Nähe zur technischen Fakultät verwundert es dann auch<br />
nicht, dass Du lieber Thomas, in den letzten Jahren, 2 ehrenvollen Rufen auf die W3-<br />
Professuren für Arbeitsmedizin an den Universitäten in Gießen und Tübingen abgelehnt<br />
hast. Du hast Dich entschlossen, das Aachener Institut weiter auszubauen, was Dir<br />
hervorragend gelungen ist. Bei Deiner großen wissenschaftlichen Reputation, die weit<br />
über Deutschland hinaus anerkannt ist, ist es uns nicht schwer gefallen, die diesjährige<br />
Jahrestagung in Deine Hände zu legen.<br />
Als Hauptthemen hast Du als Tagungspräsident zwei sehr wichtige und aktuelle Themen<br />
ausgewählt, die derzeit nicht nur im Bereich der Arbeitsmedizin lebhaft diskutiert werden.<br />
Es handelt sich dabei um folgende beiden Themen:<br />
<br />
<br />
„Krank und trotzdem arbeiten? – der chronisch Kranke im Erwerbsleben“<br />
„Unfallprävention und arbeitsmedizinische Vorsorge“<br />
Ich bin schon sehr auf die Einführungsreferate zu den beiden Hauptthemen gespannt.<br />
Doch bevor wir uns den Tagungsthemen zuwenden, möchte ich im Folgenden kurz auf<br />
die Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Politik,<br />
und<br />
die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Arbeitsmedizin und<br />
praktischer Betriebsmedizin<br />
eingehen.<br />
29
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Politik:<br />
Die rechtlichen Rahmenbedingungen der betriebsärztlichen Versorgung der<br />
Beschäftigten, greifen in einzelnen Bereichen in die Autonomie der Unternehmen und<br />
damit in das Arbeitsrecht ein. Es ist daher absolut nachvollziehbar, dass das<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales diese rechtlichen Rahmenbedingungen des<br />
Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz vorgibt und damit wichtiger Ansprechpartner der<br />
Arbeitsmedizin ist.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Arbeitsmedizin und dem BMAS ist gut, ich<br />
habe in den letzten Jahren sehr wohl wahrgenommen, dass das arbeitsmedizinische<br />
Fachwissen im BMAS sehr gerne eingeholt wird und weitgehend in die entsprechenden<br />
Gesetze und Verordnungen einfließt. Exemplarisch möchte ich hier nur die neue<br />
Rechtsverordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge ansprechen. Für die gute<br />
Zusammenarbeit möchte ich den Vertreterinnen und Vertreter des<br />
Bundesarbeitsministeriums, insbesondere Ihnen Frau Janning, ganz herzlich danken.<br />
Aufgabe der Wissenschaft ist es hier, die entsprechenden Grundlagen für eine effiziente<br />
und Evidenzbasierte arbeitsmedizinische Prävention zu schaffen. Gerade unter<br />
Berücksichtigung der sich wandelnden Arbeitswelt, ist hier die Generierung neuer<br />
Erkenntnisse dringend erforderlich. Bei der derzeitigen, z. T. sehr ungünstigen Situation<br />
an ca. 1/3 bis der Hälfte der arbeitsmedizinischen Universitätsinstituten in Deutschland,<br />
ist die Etablierung geeigneter Förderinstrumente für eine unabhängige<br />
arbeitsmedizinische Forschung unabdingbar.<br />
Der Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat für den 23. März dieses Jahres zur<br />
Startkonferenz der Initiative „Neue Kultur der Arbeit“ nach Berlin eingeladen. Diese<br />
Veranstaltung bildet den Auftakt für die Erarbeitung eines gemeinsamen<br />
Aktionsprogramms zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Deutschland. In seinem<br />
Einladungsschreiben hat der Bundesarbeitsminister formuliert: „Der Schaffung guter und<br />
zukunftsfähiger Arbeitsbedingungen fühle ich mich verpflichtet.“<br />
Ich hoffe, dass dem Minister und dem zuständigen Ministerium klar ist, dass dies nur auf<br />
der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse möglich ist. Im Rahmen dieser Initiative<br />
erscheint es daher auch dringend erforderlich zu sein, dass Projekte für entsprechende<br />
arbeitsmedizinische Forschung eingeplant und ausgeschrieben werden. Ich betone die<br />
„Arbeitsmedizin“ hier ganz bewusst, die entsprechende Forschung muss sowohl die<br />
speziellen Belastungen des Arbeitsplatzes, als auch den Menschen, seine Gesundheit<br />
30
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
und seine Krankheiten im Focus haben, und da ist eben die Arbeitsmedizin die<br />
entsprechende Fachdisziplin.<br />
Sehr geehrte Frau Bundesgesundheitsministerin, erlauben Sie mir auch auf die<br />
Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Bundesgesundheitsministerium kurz<br />
einzugehen. Wenn ich ehrlich bin, diese Schnittstelle besteht nicht bzw. ist nur sehr<br />
rudimentär ausgeprägt, was aus Sicht der deutschen Arbeitsmedizin ein großes Manko<br />
für das deutsche Gesundheitssystem darstellt.<br />
Ich darf dies kurz erläutern. Der größte gesundheitspolitische Settingansatz und damit<br />
der wesentliche Schlüssel zur Prävention in Deutschland sind ca. 40 Millionen<br />
Erwerbstätige, die über bestehende rahmenrechtliche Regelungen des Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutzes von derzeit ca. 12.000 Ärztinnen und Ärzten mit<br />
arbeitsmedizinischer Fachkunde erreicht werden können. Jährlich werden in diesem<br />
Bereich über 5 Millionen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt. Ich meine, dieses<br />
System muss über die arbeitsplatzbezogene Prävention hinaus, generell für die<br />
Prävention und Gesundheitsförderung unserer Bevölkerung genutzt werden. Über die<br />
betriebsärztliche Betreuung in den Unternehmen können Personen erreicht werden, die<br />
aus den verschiedensten Gründen nicht oder noch nicht den Arzt aufsuchen. Die<br />
Arbeitsmedizin wäre damit eine hervorragende Plattform für eine Koordination von<br />
Prävention und ambulanter Versorgung.<br />
Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Vor wenigen Tagen hat in Mainz die 1. Nationale<br />
Impfkonferenz stattgefunden. Sie Frau Ministerin, hatten hierzu auch ein Grußwort<br />
einspielen lassen. Auf dieser 1. Nationalen Impfkonferenz wurden die großen Defizite der<br />
deutschen Bevölkerung im Rahmen der Impfprävention mehrfach angesprochen und in<br />
der Diskussion nach geeigneten Lösungswegen gesucht. Hier hätte die Arbeitsmedizin in<br />
den Altersgruppen zwischen ca. 20 und 65 Jahren ein erhebliches Potential. Der<br />
Aufwand, sich im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung den<br />
Impfpass vorzulegen zu lassen – selbstverständlich absolut freiwillig – und den<br />
Mitarbeiter adäquat zu beraten, erforderliche Impfungen anzubieten und ggf. auch<br />
durchzuführen, wäre minimal. Ich verstehe nicht, warum diese Möglichkeiten nicht<br />
ausreichend genutzt werden.<br />
Erlauben Sie mir noch einen weiteren Punkt anzusprechen. Das mehr oder weniger<br />
geplante Präventionsgesetz des Bundesministeriums für Gesundheit und die<br />
gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie, die vom Bundesministerium für Arbeit und<br />
31
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Soziales, der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung und den Ländern<br />
verabschiedet wurde und demnächst umgesetzt werden soll.<br />
In dem letzten Referentenentwurf des Präventionsgesetztes wurde auf den Settingansatz<br />
„Beruf“ ausführlich eingegangen und der Stellenwert der Arbeitsmedizin aufgeführt. Sie<br />
können sich vorstellen, dass wir hierüber sehr erfreut waren und dies aus unserer Sicht<br />
in die richtige Richtung weist. Absolut unverständlich ist es jedoch für viele von uns, dass<br />
nach außen hin keine Abstimmung zwischen den beiden Ministerien im Bereich der<br />
Prävention sichtbar wird. Es wäre sinnvoll, die Bemühungen auf dem Gebiet der<br />
Prävention zu bündeln und die entsprechenden Aktivitäten – auf der einen Seite im<br />
Rahmen des Präventionsgesetztes und auf der anderen Seite bei der gemeinsamen<br />
deutschen Arbeitsschutzstrategie – zusammenzuführen und zu koordinieren. Schon<br />
alleine aus Effizienzgründen erscheint hier ein Überschreiten der Ressortgrenzen<br />
dringend erforderlich.<br />
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich glaube, ich kann hier auch im Namen des Verbandes<br />
Deutscher Betriebs- und Werksärzte sprechen, bei Bedarf steht die deutsche<br />
Arbeitsmedizin gerne für weiterführende Gespräche zur Prävention, Ihrem Ministerium<br />
zur Verfügung.<br />
Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft:<br />
Lassen Sie mich nun noch kurz auf die Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft<br />
kommen. Aus meiner Sicht hat sich hier in den letzten Jahren zwischen den beiden<br />
Gesellschaften, dem Berufsverband also dem Verband der Deutschen Betriebs- und<br />
Werksärzte und der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Deutschen Gesellschaft für<br />
Arbeits- und Umweltmedizin eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Ich<br />
darf Ihnen lieber Herr Panter und Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Vorstand,<br />
hierfür ganz herzlich danken.<br />
Wir hatten in den letzten Monaten mehrfach über bessere Kooperationsmöglichkeiten im<br />
Bereich der Forschung gesprochen. Alleine schon für die Generierung des<br />
Nachwuchses, ist aus meiner Sicht eine engere Kooperation zwischen Praxis und<br />
Wissenschaft dringend erforderlich. Wir würden es auch sehr begrüßen, wenn mehr<br />
wissenschaftliche Fragestellungen aus der Industrie an uns herangetragen würden und<br />
diese Themen sowie der Forschungsbedarf auch in den entsprechenden Gremien<br />
benannt würden.<br />
32
Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />
Von Seiten der Arbeitgeber würde ich mir auch wünschen, dass bei der z. T. prekären<br />
Situation an den arbeitsmedizinischen Hochschulinstituten diese Tatsache nicht einfach<br />
hingenommen wird sondern aktiv dagegen Stellung bezogen wird.<br />
Ich glaube Arbeit braucht Gesundheit und damit auch ein Fach, das sich mit dieser<br />
Wechselbeziehung beschäftigt, nämlich die Arbeitsmedizin. Die Arbeitsmedizin braucht<br />
für ein evidenzbasiertes Handeln auch wissenschaftliche Grundlagen, und diese fallen<br />
nicht von Himmel sondern setzen gezielte, unabhängige Forschungsaktivitäten voraus<br />
und diese wiederum benötigen eine entsprechende Förderung.<br />
Abschließend möchte ich noch einen kurzen Blick auf unsere letzte Jahrestagung in<br />
Hamburg zurückwerfen. Eines der Hauptthemen war damals „Ethik in der<br />
Arbeitsmedizin“. Wir hatten hier über manches z. T. kontrovers diskutiert, jedoch erkannt,<br />
dass es für unser Fach wichtig ist, dass wir uns diesem Thema stellen. Die Prävention<br />
am Arbeitsplatz und die Kompensation von Berufskrankheiten braucht auch die<br />
Berücksichtigung der ethischen Dimension. Wir - Vertreter der <strong>DGAUM</strong> und des VDBW -<br />
haben daher zwischenzeitlich in Fortführung der Hamburger Jahrestagung die Ethik-<br />
Leitlinie der <strong>DGAUM</strong> überarbeit und als Ethikkodex in den Vorständen verabschiedet.<br />
Den Ethikkodex und weitere Beiträge zu dieser Thematik haben wir in einem Buch<br />
zusammengefasst. Dieses Buch werde ich anschließend gerne den Rednern der<br />
Grußworte überreichen.<br />
Ich wünsche uns allen nun interessante wissenschaftliche Beiträge, anregende<br />
Diskussionen und gute Gespräche am Rande des wissenschaftlichen Programms und<br />
danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
33
Eröffnungsveranstaltung - Grußworte<br />
Grußworte<br />
Olav Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales<br />
34
Eröffnungsveranstaltung - Grußworte<br />
35
Ehrungen<br />
Ehrungen<br />
Verleihung des E.W. Baader-Preises <strong>2009</strong><br />
Die Verleihung erfolgte an Herrn Privatdozenten Dr. med. Volker Harth.<br />
Die Laudatio hielt Herr Professor Dr. med. Hans-Joachim Woitowitz.<br />
36
Ehrungen<br />
Franz-Koelsch-Medaille <strong>2009</strong><br />
Verleihung an Herrn Diplom Ingenieur Karl-Heinz Schaller<br />
Anlässlich des 90. Geburtstags von Prof. Dr. med. Franz Koelsch, dem Nestor der<br />
deutschen Arbeitsmedizin, stiftete die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin 1967 die<br />
Franz-Koelsch-Medaille. Seitdem wird die Franz-Koelsch-Medaille an Persönlichkeiten<br />
verliehen, die sich durch besondere Leistungen auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin<br />
ausgezeichnet haben.<br />
In diesem Jahr wird die Franz-Koelsch-Medallie an Herrn Diplom Ingenieur Karl-Heinz<br />
Schaller, Mitarbeiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und<br />
Umweltmedizin der Universität Erlangen, für seine besonderen Verdienste um die<br />
Arbeitsmedizin verliehen.<br />
Erlauben Sie mir diese Auszeichnung kurz zu begründen:<br />
Herr Schaller wurde 1966 als Chemiker von Professor Valentin am Erlanger Institut mit<br />
der Entwicklung des Biomonitorings beauftragt und hat seitdem maßgeblich dazu<br />
beigetragen, dass dieses diagnostische Verfahren weiterentwickelt wurde und den<br />
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz beim Umgang mit Gefahrstoffen sehr viel sicherer<br />
gemacht hat und u. a. dadurch zu einem deutlichen Rückgang von toxischbedingten<br />
Berufskrankheiten geführt hat.<br />
Sie lieber Herr Schaller, waren sicherlich einer der ersten Naturwissenschaftler in<br />
unserem Fach, die sich systematisch mit der arbeitsmedizinischen Prävention<br />
beschäftigt haben. Ihr enormes Fachwissen hat dazu geführt, dass Sie als wichtiger<br />
Ratgeber in zahlreiche nationale und internationale Gremien berufen wurden. Man kann<br />
ohne zu übertreiben sagen, dass in den letzten Jahrzehnten keine wesentlichen<br />
Weichenstellungen im Bereich des arbeitsmedizinischen Biomonitorings erfolgten, ohne<br />
dass Sie mit Ihrem enormen Sachverstand dazu maßgeblich beigetragen haben.<br />
37
Ehrungen<br />
Von Ihren vielen Aktivitäten darf ich exemplarisch nennen:<br />
Ihre langjährige Mitgliedschaft der BEI Gruppe des US amerikanischen ACGIH<br />
bis 2006<br />
und<br />
die über 30-jährige Mitgliedschaft in der Senatskommission zur Prüfung<br />
gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />
Sie waren hier nicht nur Mitglied sondern sehr aktives Mitglied und waren an der<br />
Erarbeitung einer Vielzahl von Analysemethoden und wissenschaftlichen<br />
Begründungen maßgeblich beteiligt.<br />
Nicht vergessen werden darf auch Ihre langjährige sehr engagierte Tätigkeit als Co<br />
Editor für eine der weltweit renommiertesten arbeitsmedizinischen Fachzeitschriften, den<br />
International Archives of Occupational and Environmental Health. Das Wohlergehen<br />
dieser Fachzeitschrift lag Ihnen immer besonders am Herzen.<br />
Kaum zu zählen ist die große Anzahl von Doktoranden, die durch Sie betreut wurden.<br />
Nahezu alle Erlanger Habilitanden schulden Ihnen großen Dank für die aktive<br />
Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Qualifikation. Es wären hier noch viele<br />
Aktivitäten in den verschiedensten Gremien zu benennen, dies würde aber den Rahmen<br />
dieser Veranstaltung sprengen.<br />
Lieber Herr Schaller als Anerkennung und Dank für Ihre vielseitigen Aktivitäten für die<br />
nationale und internationale Arbeitsmedizin macht es mir eine besondere Freude Ihnen<br />
die Franz-Koelsch-Medaille überreichen zu dürfen.<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />
(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />
38
Ehrungen<br />
Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong><br />
Verleihung an Herrn Chefarzt a.D. Dr. med. Kurt Georg Hering<br />
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin verleiht<br />
für besondere innovative Leistungen zum Nutzen der Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />
den Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong>. Mit dem Innovationspreis werden innovative<br />
Leistungen in Forschung, Lehre, Weiterbildung und Fortbildung ausgezeichnet, die für<br />
die Arbeitsmedizin und Umweltmedizin von wesentlicher Bedeutung sind.<br />
Der Preisträger des Jahres <strong>2009</strong> ist Herr Dr. med. Kurt Georg Hering, ehemaliger<br />
Chefarzt der Radiologischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses Dortmund.<br />
Herr Dr. Hering ist Mitglied der Arbeitsgruppe des International Labour Office (ILO),<br />
- die permanent Schulungen weltweit für die Anwender der ILO<br />
Staublungenklassifikation anbietet,<br />
- wegweisende Weiterentwicklungen der ILO Staublungenklassifikation erarbeitet<br />
und<br />
- derzeit maßgeblich auch den schwierigen Transfer von der analogen zur digitalen<br />
Röntgenwelt in diesem Bereich begleitet und gestaltet.<br />
Bereits in den 70er Jahren beschäftigte sich Herr Dr. Hering sehr intensiv mit den damals<br />
neuen Methoden der Bildgebung insbesondere mit der Computertomographie.<br />
Sie lieber Herr Hering zählen hierbei zu einem der international führenden Experten der<br />
Anwendung der Computertomographie im Bereich arbeits- und umweltbedingter<br />
Erkrankungen. Mitte der 90er Jahre hatten Sie erkannt, dass bei einer zunehmenden<br />
Anwendung der Computertomographie in der Staublungendiagnostik die Notwendigkeit<br />
einer zur ILO Klassifikation analoge standardisierte Diagnostik besteht.<br />
Bereits sehr früh haben Sie erste Entwicklungen zu einer standardisierten CT-<br />
Klassifikation voran getrieben, die schließlich in Kooperation mit einer internationalen<br />
Forschergruppe zur ersten Internationalen CT-Klassifikation für arbeits- und<br />
umweltbedingte Atemwegserkrankungen führten.<br />
39
Ehrungen<br />
Für diese wegweisenden Leistungen und für den wichtigen Beitrag zur Entwicklung und<br />
Weiterentwicklung von Methoden, die zu einer Verbesserung der Diagnostik von<br />
staubbedingten Erkrankungen führen, überreicht die <strong>DGAUM</strong> Herrn Dr. Kurt Georg<br />
Hering, den Innovationspreis <strong>2009</strong>.<br />
Lieber Herr Hering, es ist mir eine große Freude Ihnen diesen Preis zu überreichen.<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />
(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />
40
Ehrungen<br />
Joseph-Rutenfranz-Medaille <strong>2009</strong><br />
Verleihung an Herrn Prof. Dr. rer. nat. Alwin Luttmann<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin hat zum Gedenken an<br />
den 1989 verstorbenen Professor Dr. med. Dr. phil. Joseph Rutenfranz eine Medaille<br />
gestiftet. Professor Rutenfranz hat sich sowohl als Wissenschaftler als auch als<br />
Vorstandsmitglied und Präsident unserer Fachgesellschaft sehr um die Entwicklung der<br />
Arbeitsphysiologie verdient gemacht. Die Joseph-Rutenfranz-Medaille wird daher an<br />
Wissenschaftler verliehen, die sich durch besondere Leistungen in der<br />
Arbeitsphysiologie, als einem bedeutenden Teil der Arbeitsmedizin, ausgezeichnet<br />
gemacht haben.<br />
In diesem Jahr wird die Joseph-Rutenfranz-Medallie an Herrn Prof. Dr. Alwin<br />
Luttmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsphysiologie an der<br />
Universität Dortmund, für seine besonderen Verdienste um die Arbeitsphysiologie<br />
verliehen.<br />
Erlauben Sie mir diese Auszeichnung kurz zu begründen:<br />
Herr Prof. Luttmann studierte zwischen 1963 und 1969 an der Technischen Universität<br />
Hannover Elektrotechnik. Nach einer etwa einjährigen Tätigkeit an der Physikalisch-<br />
Technischen Bundesanstalt in Braunschweig begann er seine wissenschaftliche<br />
Laufbahn am Institut für Physiologie der Ruhr Universität in Bochum. 1977 erfolgte die<br />
Promotion und 1980 die Habilitation im Fach Physiologie. Darauf wechselte er zum<br />
Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund und übernahm dort in der<br />
Abteilung Ergonomie eine Leitungsfunktion.<br />
Auf dem Gebiet der Arbeitsphysiologie, speziell der Arbeitsphysiologie des<br />
Bewegungsapparates, haben Sie sich – lieber Herr Luttmann - wissenschaftlich große<br />
Verdienste erworben. Sie haben über viele Jahre hinweg eine Brückenfunktion zwischen<br />
der Arbeitsmedizin und der Ergonomie/Arbeitswissenschaft eingenommen und haben<br />
Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse gleichermaßen kontinuierlich sowohl im Bereich der<br />
Arbeitsmedizin als auch der Arbeitswissenschaften publiziert.<br />
41
Ehrungen<br />
Ihr primärer arbeitsphysiologischer Ansatzpunkt war die Muskelphysiologie und der<br />
Einsatz des EMG für arbeitsphysiologische Untersuchungen, die Sie zunächst in der<br />
ergonomischen Abteilung von Prof. Dr.-Ing. W. Laurig im Dortmunder IfADo<br />
durchführten, und zwar noch in der Zeit von Joseph Rutenfranz. Rutenfranz war ein<br />
ständiger Förderer Ihrer Ideen und wichtiger Diskussionspartner für Ihre damalige<br />
wissenschaftliche Arbeit.<br />
Inhaltlich fokussiert sich auch heute noch Ihre wissenschaftlichen Arbeiten auf die<br />
Ermittlung muskulärer Beanspruchungen und skelettaler Belastungen im Feld und im<br />
Labor.<br />
Ihr wissenschaftliches Wirken spiegelt sich in über 400 nationalen und internationalen<br />
Publikationen wieder. Nicht vergessen werden darf Ihr vielfältiges Wirken sowohl im<br />
Rahmen von Vorlesungen an den Universitäten Bochum, Dortmund und Zürich als auch<br />
im Rahmen von Seminaren zur Fort- und Weiterbildung.<br />
Lieber Herr Luttmann als Anerkennung und Dank für Ihre vielseitigen Aktivitäten für die<br />
Arbeitsphysiologie macht es mir eine besondere Freude Ihnen die Joseph-Rutenfranz-<br />
Medaille überreichen zu dürfen.<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />
(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />
42
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Krank und trotzdem arbeiten?<br />
– Chronisch Krank im Erwerbsleben<br />
Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Walther Heipertz<br />
Leitender Arzt der Bundesagentur für Arbeit<br />
Ausgangssituation<br />
Krankschreibungen nehmen gemäß BMAS seit 30 Jahren kontinuierlich ab (Abb. 1). Dies<br />
ist nicht ausschließlich krankheitsbedingt, sondern es wirken sich u.a. auch Ängste vor<br />
Arbeitsplatzverlust und rechtliche Veränderungen aus. Trotzdem liegt nahe, dass Arbeit<br />
immer weniger krank macht, was auch mit dem technischen Fortschritt zu erklären wäre.<br />
Allgemein herrscht aber sogar der gegenteilige Eindruck: Arbeit mache noch kränker.<br />
Gelegentlich werden auch Statistiken präsentiert, speziell dann zur Inzidenz psychischer<br />
Erkrankungen.<br />
Statistiken bedürfen aber der umsichtigen Interpretation, werden dennoch oft von<br />
„Gesundheitsmanagern“ und „Versorgungsprofis“ speziell im Sinne sich epidemisch<br />
ausbreitender psychischer Störungen instrumentalisiert, was automatisch auf mehr<br />
Stress in der neuen Arbeitswelt zurückgeführt wird. Obwohl arbeitswirtschaftliche<br />
Analysen moderner Arbeitsprozesse und gerade auch prekärer Arbeitsverhältnisse dafür<br />
sprechen, muss man sich vor Pseudoplausibilitäten hüten: Gemäß Angaben der TKK<br />
(Abb. 2) ging innerhalb eines Jahres der Anteil psychisch bedingter Fehlzeiten drastisch<br />
zurück. Nimmt das Psychoproblem wieder ab? Oder lässt man sich nur aus Angst solche<br />
Diagnosen nicht stellen? Warum aber gerade im Jahre 2005? Bemerkenswert wäre es<br />
ohnehin, denn Angst und Depression sollen doch an sich manifest krank machen. Wirkt<br />
der Druck protektiv? Auch wenn das abwegig ist, kann man diese Zahlen nicht<br />
ignorieren, insbesondere wenn das Gegenteil im öffentlichen Bewusstsein zur<br />
Gewissheit zu werden droht.<br />
Ärztliche Diagnosen werden einerseits in der öffentlichen Diskussion kritisch hinterfragt,<br />
durchaus zu Recht. Zu fragen wäre dann aber auch, ob nicht viele psychische<br />
Störungen in Wirklichkeit gar keine Beeinträchtigung von Krankheitswert sind, sondern<br />
vorrangig Etikettierungen zur Selbstverständigung und professionellen Einordnung in<br />
eine wichtige Konvention. Andererseits interessiert aber gerade diese Kritik an der<br />
„Medikalisierung gesellschaftlicher Aspekte“ die sonst heftigen Medizinkritiker<br />
insbesondere dann nicht, wenn die diagnostischen Fieberkurven ihren soziotechnischen<br />
Ansätzen zupass kommen und etwa Bewältigungstrainings, Coaching etc. „erforderlich“<br />
machen. Dies passt ja auch zum allfälligen Rückgang physischer Gesundheitsgefahren<br />
in der Arbeitswelt.<br />
43
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Die „bedrohliche“ demographische Entwicklung<br />
Die Gegenüberstellung der demographischen Momentaufnahmen für Deutschland aus<br />
den Jahren 1900 und 1998 (siehe Abb. 3) zeigt links eine in Wirklichkeit gar nicht<br />
gesunde Tannenbaumfigur, denn damals gab es „Kinder auf Vorrat“ und eine erst jetzt<br />
drastisch abnehmende Kindersterblichkeit. Die Baumkrone rechts zeigt<br />
erfreulicherweise, dass wir alle eine deutlich längere Lebenserwartung haben. Wie aber<br />
soll das im Generationenvertrag bewältigt werden? Unser Thema ist die Antwort: durch<br />
mehr Aktivität und Erwerbstätigkeit auch im Alter. Dennoch wird die breite Spitze zum<br />
Sinnbild „demographischer Bedrohung“. Zwar sind demographische Prognosen sicher,<br />
denn an den vorangegangenen Geburtenraten ändert sich nichts, sie reichen aber auch<br />
nicht länger als 30 Jahre in die Zukunft, so dass auch hier Szenariotechnik und<br />
Vorannahmen unabdingbar sind. In der öffentlichen Diskussion wird aber die fatalste<br />
Version zur Gewissheit – eine moderne Form „wissensbasierter“ Endzeiterwartung.<br />
Oft wird der Fachkräftemangel angesprochen, obwohl dies zumindest laut OECD in der<br />
BRD – abgesehen von schon aktuellen berufsspezifischen Ausnahmen – drastisch erst<br />
ab 2030 zu erwarten ist. Allerdings sind in Deutschland gemäß Studien der EU die<br />
Möglichkeiten zum persönlichen Wachstum in Arbeit – etwa durch weiteres berufliches<br />
Lernen, was im Alter ein wesentlicher Faktor für die Gesundheitsverträglichkeit von<br />
Arbeit ist - ausnehmend schlecht. Dies ist aber weniger wegen bevorstehender<br />
Katastrophen ein Skandal. Vielmehr ist es offenkundig widersinnig, leistungsfähige<br />
Menschen aus dem Erwerbsleben zu verbannen, bloß weil die vorherrschende<br />
Markterwartung an die Erwerbsarbeit das veränderte Leistungsprofil der erwerbsfähigen<br />
Bevölkerung ignoriert.<br />
„Kollaps der Altersversorgung“<br />
Heute beziehen mehr Menschen als früher Rente und dies länger. Aus einer Statistik der<br />
DRV-Bund (Abb. 4) ergibt sich, dass insbesondere Frauen im Jahre 2005 fast doppelt so<br />
lang bereits Rentnerinnen sind als vor 45 Jahren. Dies nährt die vorbeschriebene Sorge.<br />
Abgesehen von der beschlossenen schrittweisen Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist<br />
aber auch zu erwähnen, dass wichtige sozialpolitische Umsteuerungen nicht zwingend<br />
immer nur sehr langsam, schwer und insofern „schmerzhaft“ möglich sind. So haben die<br />
innerhalb des Jahres 2005 komplett umgesetzten Hartz-Gesetze zur Flexibilisierung des<br />
Arbeitsmarktes auch laut OECD Deutschland schlagartig wieder zu einem<br />
ausgesprochenen „zukunftsfähigen“ Gemeinwesen, sogar in Zeiten der aktuellen Finanzund<br />
Wirtschaftskrise, gemacht. Dies trotz vieler Jahre zerstörerischer Selbstkritik in<br />
Sachen „Standort Deutschland“.<br />
44
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Bis zum Jahre 2050 wird das Erwerbspersonenpotential in Deutschland gemäß OECD<br />
um ca. 7,9 Millionen sinken, entsprechend 21%. Auch wenn der Produktivitätsfortschritt<br />
hier viel auffängt, weiß niemand, welche Friktionen noch hinzukommen. Diese müssen<br />
aber nicht per se negativ sein. Kein Verantwortlicher dürfte deshalb zwar auf den<br />
Fortbestand global unbalancierter Verhältnisse setzen, dennoch darf aber die<br />
Gesellschaft weiterhin nach Wegen der Zukunftsgestaltung suchen und diese auch<br />
erproben.<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement als Motor der Beschäftigungsfähigkeit bis ins<br />
hohe Alter<br />
So positiv es ist, dass es neben den Herausforderungen auch noch Handlungsoptionen<br />
gibt, so bedauerlich ist die Kehrseite dessen: große Konzerne beispielsweise lassen sich<br />
ihre aktuelle Personalpolitik mitnichten von diesen Schicksalsfragen diktieren. Sie<br />
verhalten sich vielmehr oft „unvernünftig“ bzw. prozyklisch. Das BGM ist insofern<br />
keineswegs alternativlos und wird deshalb ja auch oft so „bitter ernst“ und „lockereinladend“<br />
zugleich dargestellt. Wie sollte aber die „Humanisierung der Arbeitswelt“ auf<br />
einem ständigen Siegeszug voranschreiten, wenn die Zukunft immer wieder Zwänge mit<br />
sich bringt: etwa schnell Kosten einzusparen, die Geschäftspolitik und das<br />
Produktportfolio zu ändern und gegebenenfalls auch Personal frei zu setzen. Da bedarf<br />
es weiterhin der gesetzlichen Absicherung, damit dies so sozialverträglich wie möglich<br />
geschieht und auch der Arbeitende selbst in einer flexibler werdenden Welt nicht<br />
jahrelang – innerlich und qualifikatorisch – an einem Arbeitsplatz „klebt“. Außerdem ist<br />
aber eine aktivere Funktion der Sozialleitungsträger erforderlich, wie auch einer Art<br />
„Pushfunktion“ der Fachleute, speziell auch der Betriebsärzte, die nachfolgend zu<br />
erklären sein wird.<br />
Im Windschatten des „Trommelfeuers“ für eine gute betriebliche Gesundheitsförderung<br />
findet aber eine interessante Stilbildung statt: Aus dem ständigen „Es wäre so einfach“,<br />
„Schaut auf den return on invest“ etc. resultiert eine Verabsolutierung der „weichen<br />
Faktoren“. Sie seien einerseits natürlich sehr ernst, andererseits aber mit gutem Willen<br />
und richtiger Technik leicht zu lösen. Auch hier die Monopolisierung des „psychischen<br />
Schadens“! Wird der dann, gleichsam ganz BGM-gemäß, auch noch „weggedacht“,<br />
reduziert sich Arbeit tatsächlich auf einen „beglückenden Akt der Teilhabe“. Sie hat dann<br />
nur noch schemenhaft mit existenziellem Zwang zu tun – zumindest in den Parolen und<br />
Forderungen, die auch die Politik publikumswirksam an die Arbeitgeber richtet.<br />
Unabhängig von diesen Polarisierungen im öffentlichen Diskurs ist aber – etwa im<br />
Hinblick auf Prävention – unübersehbar, dass sich die Dinge entwickeln. Die Mehrheit<br />
der Bevölkerung lebt gesünder als früher, nur in Extrembereichen kommt es zur<br />
45
Einführung zu den Hauptthemen<br />
„Entmischung“, wobei die marginalisierten Schichten zurzeit wieder zunehmen. Soweit<br />
aber Menschen über ausreichende Freiheitsgrade im Denken und Handeln verfügen,<br />
ziehen sie – auch zum Erhalt dieser Freiheit – in der Regel persönliche, im gros aber<br />
ähnliche und geeignete Konsequenzen aus den durch die Medien und vor ihren Augen<br />
multiplizierten Auseinandersetzungen. Diesem Mainstream, der auch Themen wie<br />
Aktivierung und Selbstlimitierung betrifft, passen sich dann wieder die Meinungsmacher<br />
an.<br />
Für die Arbeitswelt heißt das, dass auch sie sich weiterentwickelt, und zwar zum<br />
Positiven, von wirtschaftlichen Schwankungen abgesehen, die schon „eingerechnet“<br />
sind. Dies zeigen die vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte deutlich. Wenn aber<br />
heute speziell psychische Probleme in der Diskussion eine große Rolle spielen, dann<br />
auch, weil die Menschen sie in dieser Weise tatsächlich wahrnehmen und haben – wie<br />
immer man sie bezeichnet. Dass diese Diskussion vielfach dramatisierend und<br />
bagatellisierend zugleich geführt wird, ändert nichts daran, dass sie die Menschen<br />
weiterbringt und umgekehrt. Dies geschieht aber nicht durch ein perfektes betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement sondern durch eigene Entscheidung, durch das Herausgreifen<br />
der mich ansprechenden Botschaften (aus einem präventiven „Angebot“, das insofern<br />
natürlich auch im Betrieb in geeigneter und möglichst glaubwürdiger Weise vorhanden<br />
sein sollte).<br />
Die Frage ist also nicht, ob die Arbeitsmedizin sich aus epochalen Gründen radikal<br />
verändern muss, sondern wie die Schwerpunkte nach jahrzehntelangen Erfolgen<br />
fachärztlicher Arbeit vor Ort und in Forschung und Lehre eines medizinischen<br />
Spezialgebietes neu gesetzt werden sollten.<br />
Die Rolle des Psychischen in der Medizin – Konsequenzen für die Arbeitsmedizin<br />
In unserer westlichen Medizin war bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts Psychiatrie<br />
vorrangig ein Thema der Verwahrung und der Zwangsanwendung. Wissenschaftlich<br />
ernst zu nehmen war lediglich die Psychologie. Psychotherapie gab es noch nicht. Wie<br />
die Medizin hatte sie einen naturwissenschaftlichen Zugang, etwa in der<br />
Wahrnehmungspsychologie, bezog sich aber auf die Norm. Die Abweichung fiel hier<br />
noch schlicht aus dem Rahmen. Qualitativ entscheidend für die Verankerung in der<br />
Medizin – gegen heftigen Widerstand – war die Freudsche Psychoanalyse, in der das<br />
Psychische als physiologisches System zum „Apparat“ wurde. Die darauf aufbauende,<br />
rein verbale Kommunikation zwischen Arzt und Patient hatte deshalb einen ausdrücklich<br />
„instrumentellen“ Charakter und wurde von Freud selbst als künftig zugunsten selektiv<br />
wirksamer Psychopharmaka potentiell wegfallend angesehen.<br />
46
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Parallel und im Gefolge entwickelte sich die Psychiatrie weiter, mit einer Verfeinerung<br />
der Beobachtung und der pharmakologischen Möglichkeiten, allerdings noch weit<br />
entfernt von der Freudschen Projektion. Auch die Psychotherapie entwickelte sich weiter<br />
- anhaltend in der Polarisierung zwischen einer naturwissenschaftlich orientierten<br />
verhaltenstherapeutische Richtung und den sich zunehmend verstehend verstehenden<br />
psychoanalytischen Schulen. Dies blieb nicht ohne Folgen für den Gegenstand bzw. hat<br />
eben zu einer weiteren „Vergegenständlichung“ des Psychischen und damit auch zum<br />
Konzept therapeutisch-technischer Beeinflussbarkeit geführt. Gesprochen wird jetzt –<br />
ganz ohne Zungenbrecher – von „psychischen“ Schäden neben den somatischen. Hinzu<br />
kommt ungeprüft die Vorstellung einer ein-eindeutigen Ursache-Wirkungsbeziehung<br />
zwischen spezifisch psychotroper Schädigung und korrespondierendem psychogenem<br />
Schaden. Folgerichtig kam es so in den letzten Jahren zu einer regelrechten Invasion<br />
psychagogischer und pädagogischer Konzepte, speziell natürlich in der Sozialmedizin,<br />
wo beispielsweise ein ganzes Heft der Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“ dem<br />
„Empowerment“ gewidmet ist, welches quantifizierend und bewertend nach allen<br />
denkbaren Facetten ausgeleuchtet wird.<br />
So erlangen auch klassische Themen der Personalführung „Medizinreife“, so dass selbst<br />
in einem - ausdrücklich für Betriebsärzte und Personalverantwortliche herausgegebenen<br />
– Leitfaden des VDBW nicht nur fundierte psychosomatische Kenntnisse bei<br />
Betriebsärzten angemahnt werden, sondern man sich auch anbietet, gemeinsam – in<br />
verteilten, aus meiner Sicht aber gefährlich unscharf bleibenden Rollen – diese neuen<br />
Herausforderungen zu bewältigen. Zu dieser Diktion passen auch Ausführungen in dem<br />
Büchlein „Arbeitsmedizin – Mut zum Wandel“ von Szadkowski und von Lutterotti, wo<br />
unter anderem steht: „Medizinische Fachkenntnisse allein reichen nicht“. Der<br />
Betriebsarzt brauche insbesondere soziale Kompetenz und „betriebsspezifische<br />
Sachkenntnisse“. Was aber soll dies sein, wenn damit nicht die immer schon<br />
unverzichtbare Vertrautheit mit den vorkommenden Arbeitsprozessen gemeint ist. Es<br />
gehe um eine Öffnung in Richtung Mitverantwortung im Management. Zitiert werden<br />
Befragte, die den Betriebsarzt in leitender Verantwortung für sämtliche Fragen des<br />
Gesundheitsschutzes und des Gesundheitsmanagementes sehen.<br />
Die neue Rolle des Betriebsarztes<br />
Wenn sich gemäß DAK-Gesundheitsreport <strong>2009</strong>, gestützt durch Mitteilungen der<br />
Bundesärztekammer, 800.000 Erwerbspersonen in Deutschland regelmäßig für den Job<br />
„dopen“, sogar ca. dreimal so viel dies des Öfteren schon gemacht haben und<br />
bekanntermaßen Arzneimittelmissbrauch und Abhängigkeit ständig zunehmen, dann<br />
sind das die Menschen, die nicht nur einen misslingenden Selbstheilungsversuch<br />
47
Einführung zu den Hauptthemen<br />
unternehmen, sondern dringendst der Prävention bedürfen, zu der sie aber keinen<br />
Zugang finden, so attraktiv diese sich auch darstellt. Genau diese Menschen werden<br />
beim Qi-Gong, mit dem Apfel aus der Eingangshalle, im Ruheraum und im zwingend<br />
ambivalenten Krankenrückkehrergespräch leider nur im Ausnahmefall den Ansatz finden,<br />
der ihnen zurück hilft auf einen Weg der Bewältigung. Wenn aber psychische<br />
Belastungen zugenommen haben, so heißt das nichts anderes, als dass noch viel mehr<br />
Menschen, als wir es wissen, mit solchen Krisen unerkannt am Arbeitsplatz präsent sind,<br />
die sich niemals im BGM „outen“ werden, an denen das BGM in der Regel also immer<br />
vorbei geht.<br />
Das spricht nicht gegen das BGM. In einer Arbeitsgesellschaft aber – auf dem in<br />
Deutschland erreichten Niveau – bleibt es gerade deshalb unabdingbar, einen von<br />
betriebswirtschaftlichen Handlungstakten unabhängigen, für diese existenziellen Krisen<br />
professionell zuständigen, gut ausgebildeten Ansprechpartner zu haben – also das in der<br />
Menschheitsgeschichte herausgearbeitete Gegenüber kranker Menschen, den Arzt und<br />
die Ärztin! Dies gilt auch für den nicht vorrangig kurativen Betriebsarzt, denn er ist vor Ort<br />
und keineswegs nur der „Vertrauensarzt“ seines Dienstherrn. Nur so hat er nämlich<br />
Zugang zu den im Betrieb Arbeitenden. Ohne diese Grundlage kann auch kein BGM<br />
funktionieren und dies ist sein Hauptbeitrag dazu. Nur der unabhängige Arzt kann im<br />
Betrieb Menschen im Dialog empfänglich machen für vorhandene Angebote und Hilfe.<br />
Nur hieraus ergeben sich auch Hinweise für betriebsspezifische Bedarfe!<br />
Wir sollten deshalb keiner modernistischen „Ergebnisorientierung“ verfallen. Die banale<br />
Logik einer „Win-Win-Situation“ – dass eben gesunde Mitarbeiter auch gut arbeiten und<br />
ein dadurch erfolgreicher Betrieb deshalb auch seine Mitarbeiter gesund erhalten will und<br />
kann – lässt mitnichten die Interessen der Beteiligten zusammenfallen. Effiziente<br />
Prävention ist ja gerade wegen der Verwerfungen und Chronifizierung nötig, die sich nun<br />
einmal auch im Zuge abhängiger Positionen ergeben. Zusammengehörigkeit im Betrieb<br />
ist möglich und wichtig, sie wird aber immer wieder nur durch den bestmöglichen, nie<br />
aber kompletten Interessensausgleich erworben. Gesundheit, Leistungsfähigkeit und<br />
Zufriedenheit der Mitarbeiter ist selbstverständlich ein Ziel betriebsärztlicher Tätigkeit,<br />
nicht aber ein mit allen geeigneten Mitteln zu verfolgender „Management-Benchmark“.<br />
Geringere Fehlzeiten sind vorrangig in qualitativer Hinsicht Ergebnis auch guter<br />
betriebsärztlicher Versorgung. Dies lässt sich aber nicht umstandslos quantifizieren,<br />
sondern nur durch nachhaltige Beobachtung bestätigen.<br />
48
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Schlussfolgerungen<br />
1. Die Frage im Thema ist rhetorisch. Chronisch kranke Menschen werden in Zukunft<br />
immer länger arbeiten. Dies wird möglich durch Prävention und eine<br />
gesundheitsgerechtere Arbeitswelt, die sich nach Maßgabe der Möglichkeiten im<br />
gesellschaftlichen Konsens weiterentwickelt. Dies passiert nicht automatisch, sondern<br />
benötigt – neben einem guten betrieblichen Gesundheitsmanagement – vor allem auch<br />
ein insgesamt präventiver ausgerichtetes Gesundheitswesen. „Völlig neue Antworten“<br />
auf „völlig neue Herausforderungen“ sind nicht erforderlich!<br />
2. Die Arbeitsmedizin und die Betriebsmedizin haben die Aufgabe, diesen Prozess zu<br />
unterstützen, indem sie – dem Wandel der Arbeitswelt entsprechend – insbesondere<br />
mehr psychosomatische „Früherkennungskompetenz“ entwickeln. Sie benötigt aber<br />
keinen „Methodenwechsel“ und keinen grundlegend anderen „Aufgabenzuschnitt“.<br />
Zusätzliches Engagement im betrieblichen Gesundheitsmanagement ist unabdingbar,<br />
darf sich aber weder zeitlich noch fachlich zu Lasten der klassischen<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorge etablieren.<br />
3. Die zunehmende Aufgabe, als Arzt gegenüber Patienten/Probanden/Ratsuchenden<br />
einen Zuwachs an Gesundheitskompetenz zu fördern, verlangt eine neue Qualität<br />
interkollegialer Kooperation – speziell zwischen Kuration, betriebsärztlicher Tätigkeit und<br />
praktischer Sozialmedizin bei den Sozialleistungsträgern. Die Sozialversicherungszweige<br />
dürfen nicht mehr nur auf die veränderten Anforderungen einer älter werdenden<br />
Bevölkerung reagieren, sondern müssen aufsuchend ihren Service im<br />
trägerübergreifenden Netzwerk erbringen, wie dies auch dem Paradigmenwechsel des<br />
Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe) entspricht.<br />
Ausblick<br />
Es geht um einen neuen ärztlichen „Instrumentenkoffer“. Integration in Arbeit und<br />
Gesellschaft sowie Integrationserhalt bedeuten nie nur Protektion, sondern auch<br />
Fordern. Pflichten kann aber nur der Mensch in Not nachkommen, der hierfür Wege sieht<br />
und Hilfe zur Selbsthilfe bekommt. Bei nicht mehr üppigen Transfers sind viele<br />
Menschen kooperationsbereiter, als die Öffentlichkeit dies wahrnimmt. Den dann<br />
dennoch erforderlichen „Druck“ bauen im Betrieb Personalverantwortliche und im<br />
Jobcenter die Vermittler auf, nie aber der Arzt! Der muss Potentiale aufzeigen und den<br />
Betroffenen vertraulich auch mit unbequemen Zumutbarkeiten konfrontieren. Gerade<br />
ärztliche Gutachter wünschen sich aber oft mehr Durchgriff über Trägergrenzen hinweg,<br />
übersehen dabei allerdings, dass im gelegentlich schwerfälligen gegliederten System seit<br />
49
Einführung zu den Hauptthemen<br />
über 100 Jahren ein kontinuierlicher Ausgleich zwischen Anpassungsdruck und den<br />
Interessen der Versichertengemeinschaft und der Versicherten stattfindet. Dies ist auch<br />
ein Schutz vor Fehlentwicklungen und politischer Instrumentalisierung auch der<br />
Fachleute! Dies lässt außerdem durchaus eine souveräne und nicht nur kraftlose<br />
Betreuung im Einzelfall zu, wobei gerade die neue (?) Soziotechnik des „Case-<br />
Management“ ihre Legitimation eigentlich nur der immer noch ärgerlich schlechten<br />
Durchlässigkeit der Hilfesysteme infolge mangelnder trägerübergreifender Kooperation<br />
verdankt.<br />
Die zielführende, personenzentrierte, interkollegiale Kooperation der Ärzte – mit<br />
Zustimmung und unter Beteiligung des Betroffenen, der in der Regel durch eine Person<br />
seines Vertrauens gut zu motivieren ist – und die konsequente ärztliche Systemberatung<br />
unserer Institutionen und der Politik, aus einer Position der Unabhängigkeit heraus, kann<br />
hier weiterhelfen. Dadurch festigen wir auch unsere Rolle als Ärzte und befähigen uns für<br />
die beschriebenen Herausforderungen der Zukunft.<br />
Abb.1<br />
50
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Abb.2<br />
Abb. 3<br />
51
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Abb. 4<br />
52
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Unfallprävention und arbeitsmedizinische Vorsorge<br />
Dr. med. Michael Nasterlack<br />
Aus der Abteilung Occupational Medicine & Health Protection der BASF SE, Ludwigshafen, (Direktor: Dr.<br />
Stefan Lang)<br />
Arbeitsunfallstatistiken enthalten vielfältige Angaben über die Tätigkeit, die zum<br />
Unfallzeitpunkt ausgeübt wurde, die betroffenen Körperteile, die Verletzungsschwere, die<br />
resultierende Dauer von Arbeitsunfähigkeit u.v.m. Als externe begünstigende Faktoren<br />
werden beispielsweise rutschige Oberflächen, defekte Maschinen, Werkzeuge oder<br />
Hilfsmittel, organisatorische Mängel wie Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen,<br />
verstellte Verkehrswege oder behinderte Sicht untersucht und genannt. Um die<br />
vorliegende Fragestellung bearbeiten zu können, sind jedoch andere, überwiegend in<br />
der Person der Verunfallten liegende Risikofaktoren zu betrachten. „Alle Krankheiten, die<br />
zur Reduktion der psychophysischen Leistungsfähigkeit führen können, kommen als<br />
Unfallursache in Betracht“ (Karger et al. 2003).<br />
Hierbei sollen folgende Fragen gestellt werden:<br />
Was wissen wir über intrapersonale Risikofaktoren für Arbeitsunfälle?<br />
Welche davon sind durch Vorsorgeuntersuchungen erkennbar?<br />
Sind diese der Intervention („Vorsorge“) zugänglich?<br />
Sind positive Einflüsse solcher Interventionen auf die Unfallzahlen aus der<br />
Literatur belegbar?<br />
Es ist nicht einfach, quantitative Informationen über intrapersonale Faktoren zu erhalten,<br />
welche die Entstehung von Arbeitsunfällen begünstigt haben. Diese werden durch die<br />
Versicherungsträger in der Regel nicht retrospektiv analysiert, nicht zuletzt, um den<br />
Eindruck von Schuldzuweisungen post factum gar nicht erst aufkommen zu lassen.<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen zur Bedeutung dieser intrapersonalen Risikofaktoren<br />
liegen überwiegend in Bezug auf häusliche und Verkehrsunfälle vor; ihre Ergebnisse sind<br />
nicht ohne weiteres auf die Situation an Arbeitsplätzen übertragbar. Dennoch kennen wir<br />
aus einigen Studien, zumeist im Fall-Kontrolldesign, eine Reihe von solchen<br />
Risikofaktoren.<br />
Visus<br />
Die meisten Studien zur Bedeutung einer eingeschränkten Sehfähigkeit für das<br />
Unfallrisiko liegen aus dem häuslichen Bereich und bei älteren Personen vor. Die<br />
53
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Datenlage aus der Arbeitswelt ist hingegen bemerkenswert übersichtlich und nicht sehr<br />
beeindruckend.<br />
In einer Übersicht berichteten Palmer et al. (2008) von 4 Fall-Kontrollstudien, 4<br />
Querschnittsstudien und 2 Kohortenstudien, in denen überwiegend nicht signifikante<br />
relative Risiken bzw. OR zwischen ca. 0.5 und 1.5 im Zusammenhang mit „Brille tragen“,<br />
„selbstberichtetes schlechtes Sehen“ oder „medizinische Diagnose einer Augenkrankheit<br />
(ICD 360-379)“ gefunden wurden.<br />
Dem gegenüber stehen Einschätzungen zur Bedeutung einer verminderten Sehfähigkeit<br />
für allgemeine Verkehrsunfälle. Nach Erhebungen des SOV (Schweizer Optikverband)<br />
und Studien des Instituts für Demoskopie in Allensbach sollen gut 20-30% aller<br />
Verkehrsteilnehmer „zu schlecht sehen“ und keine oder nur unzureichende Sehhilfen<br />
tragen. Der ADAC und das Kuratorium Gutes Sehen, Deutschland, zitieren den<br />
Bundesverband der Deutschen Augenärzte, nach dem 300.000 Verkehrsunfälle (ca. 7<br />
%) pro Jahr auf schlechtes Sehen zurückzuführen sein sollen.<br />
Hörfähigkeit<br />
Palmer et al. (2008) fanden 5 Fall-Kontrollstudien, 7 Querschnittsstudien und 3<br />
Kohortenstudien, die „selbstberichtetes schlechtes Hören“ (mit oder ohne Hörgerät),<br />
„audiometrisch gemessenen Hörverlust“ oder „ärztlich festgestellte Schwerhörigkeit“<br />
beurteilen. Die assoziierten Risikoerhöhungen lagen zumeist zwischen 1.5 bis 2.0, bei<br />
Subgruppenanalysen bis ca. 4.0. Insbesondere in einer lauten Umgebung könnten<br />
Risiken noch beträchtlicher erhöht sein (Viljoen et al. 2006, zit. n. Palmer et al. 2008).<br />
Adipositas<br />
Bei Arbeitern in acht Aluminium-produzierenden Betrieben in den USA zwischen 2002<br />
und 2004 korrelierte ein erhöhter BMI, adjustiert auf eine Vielzahl von Kovariablen, mit<br />
der Unfallhäufigkeit (Pollack et al. 2007). Leichtes Übergewicht (BMI 25 - 29.9) war mit<br />
einem OR von 1.26, ein BMI von 30 - 39.9 mit OR 1.54 und erhebliches Übergewicht<br />
(BMI > 40) mit einem OR von 2.21 assoziiert. Demgegenüber korrelierte bei Craig et al.<br />
(2006) der BMI negativ mit dem Unfallrisiko („desirable BMI range“: OR 10.05, und<br />
„grade one obesity range“: OR 6.67) gegenüber den Fettleibigen als Referenzkategorie.<br />
Allerdings war auch in dieser Studie der Körperfettanteil (niedrig = Referenz, mittel OR<br />
1.4, hoch OR 2.7) ein Prädiktor der Unfallhäufigkeit.<br />
„Andere Krankheiten“<br />
Palmer et al. (2008) fanden für ihre Übersicht nur wenige Studien zu Epilepsie, Allergie,<br />
Depression, Neurosen und Psychosen. Sie folgerten: „On balance, we assessed the<br />
54
Einführung zu den Hauptthemen<br />
evidence as favouring a higher risk of injury in those with emotional problems, while not<br />
firmly establishing this to be so”. Für Diabetes und Epilepsie fanden sie “although<br />
consistent with a small increase in risk, … limited evidence base on which to draw<br />
conclusions”. Letzteres erscheint nicht sehr verwunderlich, da die Diagnose Epilepsie in<br />
der Regel bekannt ist und (außer vor einer Erstmanifestation) bereits zu<br />
Vorsorgemaßnahmen am Arbeitsplatz geführt hat. In einer neuen Studie fanden Sprince<br />
et al. (2008) das Risiko für einen Arbeitsunfall bei „Vorliegen der Diagnose Diabetes“ auf<br />
1.18 (0.86 - 1.61) und bei „Behandlung mit Insulin“ auf 1.61 (1.00 - 2.60) erhöht. Bei<br />
„Behandlung mit Tabletten“ war es tendenziell mit 0.75 (0.46 - 1.21) vermindert. „Keine<br />
Behandlung“ eines Diabetes war jedoch mit einem signifikant erhöhten Risiko von 1.87<br />
(1.01 - 3.47) assoziiert.<br />
Alkohol<br />
Die generelle Geeignetheit von akutem und chronischem Alkoholkonsum, das<br />
Unfallrisiko zu erhöhen, muss wohl kaum hinterfragt werden. Die relative<br />
Wahrscheinlichkeit eines Sturzes oder Verkehrsunfalls ist bei einem Blut-Alkoholspiegel<br />
von 0,5 bis 1,0 ‰ verdreifacht, zwischen 1,0 und 1,5 ‰ verzehnfacht und erhöht sich<br />
darüber auf das ca. 40 - 60-fache (Borkenstein et al., The Grand Rapids Study, 1974;<br />
Honkanen et al., J. Stud. Alcohol, 1983; zit. nach Hein et al. 1989). Da auch die<br />
Unfallschwere unter Alkoholeinfluss (wegen beeinträchtigter Schutzreflexe) erhöht ist, ist<br />
der Effekt in der Praxis noch relevanter (Hein et al. 1989). Nach Angaben der<br />
Haftpflichtversicherer in Deutschland soll ca. jeder vierte schwere Verkehrsunfall auf<br />
Alkohol zurückzuführen sein. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland 603 Personen bei<br />
alkoholbedingten Verkehrsunfällen getötet, das waren 11 % aller Verkehrstoten.<br />
Im Gegensatz zu den relativ gut belegten Zahlen aus dem Straßenverkehr liegen aus der<br />
Arbeitswelt keine belastbaren Angaben zur Rolle von Alkoholkonsum bei der Entstehung<br />
von Arbeitsunfällen vor.<br />
Rauchen:<br />
Ein in Studien vergleichsweise häufig gefundener Risikofaktor ist der Zigarettenkonsum.<br />
Craig et al. (2006) finden bei Rauchern und Ex-Rauchern eine signifikante OR von 1.8 im<br />
Vergleich zu Nie- Rauchern und zitieren eine Reihe von weiteren Studien mit ähnlichen<br />
Ergebnissen (Cady et al., 1985; Tsai et al., 1992; Lahad et al., 1994; Reynolds et al.,<br />
1994; Sacks and Nelson, 1994; McSweeney et al., 1999; zit. n. Craig et al. 2006). Auch<br />
bei der Analyse der „BASF Schichtkohorte“ finden wir einen solchen signifikanten, wenn<br />
auch geringer ausgeprägten Zusammenhang mit einer OR von 1.23 (Ott et al. <strong>2009</strong>).<br />
Abgesehen vom Risiko, welches mit der Handhabung eines brennenden Gegenstandes<br />
55
Einführung zu den Hauptthemen<br />
ohnehin verbunden ist, ist es auch plausibel und aus zahlreichen Unfallberichten<br />
belegbar, dass allein das Halten einer Zigarette in bestimmten Situationen die<br />
Handnutzung zur Vermeidung eines drohenden Unfalls einschränkt oder verzögert.<br />
Zusätzlich zu diesen „mechanistischen“ Erklärungen ist aber eine Verbindung zwischen<br />
Rauchverhalten und einer anderen, unfallträchtigen Persönlichkeitseigenschaft zu<br />
nennen: die Risikobereitschaft („risk taking behaviour“).<br />
Risikobereitschaft<br />
In der Studie von Craig et al. (2006) war „häufiges Überschreiten der<br />
Geschwindigkeitsbegrenzung“ um 6 - 10 mph mit einer OR von 2.4, um > 11 mph sogar<br />
mit einer OR von 4.0 assoziiert. Eine weitere Assoziation, „Jagen oder Fischen in der<br />
Freizeit“, wurde von den Autoren mangels besserer Erklärung auch als Ausdruck von<br />
Risikobereitschaft interpretiert. In einer anderen Studie war im gleichen Sinne<br />
„Risikobereitschaft in der Freizeit“, beispielsweise beurteilt anhand „Nutzung des<br />
Sicherheitsgurtes bei weniger als 90 % der Fahrten“ oder „Motorradfahren in der<br />
Freizeit“, ein signifikanter Prädiktor des Arbeitsunfallrisikos (Forrester et al. 1996).<br />
Andere Faktoren<br />
Eine angstgeprägte Betriebskultur und empfundene fehlende Fürsorge der Mitarbeiter<br />
wirken sich ungünstig auf die Unfallzahlen aus. Arbeiterinnen auf Geflügelfarmen, die<br />
über Schikanen („retaliatory supervision“) durch Vorgesetzte berichten, hatten ein<br />
erhöhtes Risiko (OR 1.31, 1.13 - 1.53) für Arbeitsunfälle (Marin et al. <strong>2009</strong>).<br />
Auf der anderen Seite kann eine Betriebskultur der Aufmerksamkeit („near misses“ und<br />
„minor injuries“ werden gemeldet und dokumentiert) instrumental für das<br />
Bewusstmachen von unfallgeneigten Situationen werden. Alamgir et al. (<strong>2009</strong>) zeigten,<br />
dass die zugrunde liegenden Ursachen und Verhaltensweisen bei „near misses“ und<br />
schweren Unfällen ähnlich sind und liefern damit eine empirische Rechtfertigung der<br />
„Unfallpyramide“ und der daraus abgeleiteten präventiven Maßnahmen des<br />
Arbeitsschutzes.<br />
Gehen diese Erkenntnisse gezielt in die arbeitsmedizinische Vorsorge ein?<br />
Fast alle genannten Faktoren sind grundsätzlich medizinisch diagnostizierbar. Sie sind<br />
zumindest theoretisch einer Intervention und damit der arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />
zugänglich. Voraussetzung ist allerdings, dass sich diese Vorsorge nicht in einem<br />
Abarbeiten gesetzlicher Vorschriften erschöpft, sondern Teil einer präventiv orientierten,<br />
sicherheits- und gesundheitsbewussten Firmenkultur ist. Hierzu zählt auch, dass aus<br />
56
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Untersuchungsergebnissen sowohl im Einzelfall als auch auf Gruppenbasis<br />
Konsequenzen gezogen werden.<br />
Am Beispiel des immer wieder kontrovers diskutierten berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsatzes G25 lässt sich dieses drastisch illustrieren. Aus dem Umstand, dass diese<br />
Untersuchung keine gesetzliche Grundlage habe, wird häufig gefolgert, dass eine ggf.<br />
resultierende Nicht-Eignung auch nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des betroffenen<br />
Arbeitnehmers an das zuständige Management kommuniziert werden dürfe. Ohne diese<br />
Diskussion an dieser Stelle juristisch kompetent führen zu können, halte ich doch diese<br />
Argumentation vor dem Hintergrund einer eventuellen Fremdgefährdung nicht für<br />
überzeugend. Die Entscheidung eines Arztes, ob er beispielsweise einen Arbeitnehmer<br />
mit erheblich eingeschränktem Visus in einem Hochregallager einen Gabelstapler fahren<br />
lässt, muss sich immer an der „Gretchenfrage des Arbeitsschutzes“ messen lassen:<br />
„Würde ich an diesem Arbeitsplatz meinen Sohn oder meine Tochter arbeiten lassen?“ In<br />
einer vernünftigen Betriebskultur kann es hier kein Dilemma geben, und in einer<br />
unvernünftigen greifen Fürsorgepflicht und Schutz von Leben und Gesundheit Dritter.<br />
In der neuen Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) kommt der<br />
Begriff „Unfall“ oder gar „Unfallprävention“ jedoch nicht einmal vor. Sie beschränkt sich in<br />
ihrem Vorsorgebegriff (§ 2 Abs. 2) allerdings auch ausdrücklich auf „Früherkennung<br />
arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie … Feststellung, ob bei Ausübung einer<br />
bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht.“ Diese<br />
gesundheitliche Gefährdung bezieht sich ausschließlich auf den Arbeitenden, seine<br />
Kollegen finden in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung. Folglich bezieht sich<br />
auch die Maßgabe in § 6 Abs. 3: „Nur im Falle einer Pflichtuntersuchung erhält der<br />
Arbeitgeber eine Kopie der Bescheinigung [des Untersuchungsergebnisses]“ nur auf<br />
dieses Schutzgut der Gesundheit des Mitarbeiters selbst. Da Eignungsuntersuchungen<br />
nach verschiedenen Kommentaren nicht Gegenstand dieser Verordnung sind, kann auch<br />
ein Übermittlungsverbot an den Arbeitgeber für die Beurteilung „gesundheitliche<br />
Bedenken“ nach diesen Grundsätzen nicht aus der ArbMedVV abgeleitet werden.<br />
Angesichts der bestehenden erheblichen Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der<br />
Durchführung und Weitergabe von Ergebnissen von Eignungsuntersuchungen wäre es<br />
aber zu begrüßen, wenn der Verordnungsgeber diese Lücke, sei es durch eine Änderung<br />
der ArbMedVV oder durch eine andere Verordnung, baldmöglichst schließen würde.<br />
Ist nun eine Reduktion von Unfallzahlen durch arbeitsmedizinische Vorsorge belegbar?<br />
Schichtarbeiter werden in der BASF häufiger untersucht als Tagarbeiter. In einer großen<br />
retrospektiven Analyse von Unfallzahlen und Akutkrankheiten in der „BASF<br />
Schichtkohorte“ war als Nebenbefund aufgefallen, dass Schichtarbeiter weniger Unfälle<br />
57
Einführung zu den Hauptthemen<br />
hatten als Tagarbeiter (adjustiert für Alter, Berufsdauer, Art der Tätigkeit und<br />
Sozialstatus) (Ott et al. <strong>2009</strong>). In einem erweiterten Modell, welches das Ergebnis der<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen einschloss, war die arbeitsmedizinisch<br />
beurteilte Einsatzfähigkeit in den bekannten Kategorien „keine gesundheitliche<br />
Bedenken“, „bestimmte Voraussetzungen“, „befristete gesundheitliche Bedenken“ ein<br />
unabhängiger Risikofaktor für die Unfallhäufigkeit mit einem Hazard Ratio von 1.13 (1.03<br />
- 1.23) je Stufe.<br />
Wir halten dies explizit nicht für einen belastbaren Beweis für die Reduktion von<br />
Unfallzahlen durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen! Wir glauben aber,<br />
dass in einer Betriebskultur, in der eine von der Verantwortung für die Mitarbeiter<br />
bestimmte präventivmedizinische und sicherheitsbewusste Sichtweise von allen<br />
Beteiligten getragen wird, die konsequente Umsetzung von Erkenntnissen aus<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen zur Unfallvermeidung beiträgt.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Ein monokausaler Zusammenhang zwischen dem Faktum „arbeitsmedizinische<br />
Vorsorge wird durchgeführt“ einerseits sowie Unfallhäufigkeit und -schwere<br />
andererseits ist weder aus der Literatur belegbar noch plausibel.<br />
Dass arbeitsmedizinische Vorsorge zur frühzeitigen Aufdeckung von<br />
Risikofaktoren für Unfälle führen kann, ist plausibel.<br />
Wenn als Ausdruck eines hohen betrieblichen Sicherheits- und<br />
Gesundheitsbewusstseins hieraus Konsequenzen durch Prävention und<br />
Intervention gezogen werden, wird dies wahrscheinlich zur Vermeidung von<br />
Unfällen beitragen.<br />
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen werden bisher vom Gesetzgeber<br />
nicht als Instrument der Unfallprävention aufgefasst. Dies sollte im Interesse einer<br />
verbesserten Rechtssicherheit und zur Verbesserung der Arbeitssicherheit<br />
geändert werden.<br />
Literatur<br />
Alamgir H, Yu S, Gorman E, Ngan K, Guzman J (<strong>2009</strong>) Near miss and minor<br />
occupational injury: does it share a common causal pathway with major injury? Am J Ind<br />
Med 52:69-75<br />
Craig BN, Congleton JJ, Kerk CJ, Amendola AA, Gaines WG (2006) Personal and nonoccupational<br />
risk factors and occupational injury/illness. Am J Ind Med 49:249-260<br />
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predictors of occupational injury among 3415 municipal employees. J Occup Environ<br />
Med 38:515-521<br />
58
Einführung zu den Hauptthemen<br />
Hein PM, Schulz E (1989) Sturz und Alkoholbeeinflussung. Med Sach 85:39-41<br />
Karger B, Brinkmann B, Madea B (2003) Handbuch gerichtliche Medizin, Springer<br />
Lehtola MM, Rautiainen RH, Day LM, Schonstein E, Suutarinen J, Salminen S, Verbeek<br />
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systematic review and meta-analysis. Scand J Work Environ Health 34:327-336<br />
Marin AJ, Grzywacz JG, Arcury TA, Carrillo L, Coates ML, Quandt SA (<strong>2009</strong>) Evidence<br />
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health and safety among latino workers in North Carolina. Am J Ind Med 52:37-48<br />
Ott MG, Oberlinner C, Lang S, Hoffmann G, Nasterlack M, Pluto R-P, Trauth B, Messerer<br />
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rotating shift system: program design and acute injury and illness experience at work. J<br />
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Palmer KT, Harris EC, Coggon D (2008) Chronic health problems and risk of accidental<br />
injury in the workplace: a systematic literature review. Occup Environ Med 65:757-764<br />
Pollack KM, Sorock GS, Slade MD, Cantley L, Sircar K, Taiwo O, Cullen MR (2007)<br />
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manufacturing employees. Am J Epidemiol 166:204-211<br />
Sprince NL, Pospisil S, Peek-Asa C, Whitten PS, Zwerling C (2008) Occupational injuries<br />
among workers with diabetes: the national health interview survey, 1997-2005. J Occup<br />
Environ Med 50:804-808<br />
59
V01<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Diabetes mellitus und Fahrtüchtigkeit<br />
Kurt Rinnert<br />
AMD, Arbeitsmedizinischer Dienst der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft<br />
Diabetes mellitus und Fahreignung<br />
Die Gewährleistung der Mobilität hat in unserer Gesellschaft, in der Freizeit und vor<br />
allem im Berufsleben einen hohen Stellenwert. Für viele Berufstätige mit Diabetes<br />
mellitus ist Mobilität bedeutsam, um einen Arbeitsplatz zu erlangen oder zu erhalten.<br />
Ebenso ist der Erhalt der Fahrerlaubnis für alle Berufskraftfahrer mit Diabetes mellitus<br />
von existenzieller Bedeutung.<br />
Der Diabetes mellitus kann aufgrund krankheitsbedingter Komplikationen oder<br />
therapiebedingter Nebenwirkungen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in<br />
unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigen sowie aus arbeitsmedizinischer Sicht zu<br />
Einschränkungen der Berufstauglichkeit bei Fahr- und Steuertätigkeiten führen.<br />
Die Rechtsgrundlagen zur Beurteilung der Kraftfahrereignung finden sich in der<br />
Fahrerlaubnisverordnung und den zugehörigen Begutachtungsleitlinien, die<br />
rechtlichen Grundlagen für arbeitsmedizinische Beratung, Untersuchung und<br />
Beurteilung finden sich im Arbeitssicherheitsgesetz, im Arbeitsschutzgesetz, in den<br />
Unfallverhütungsvorschriften sowie u. a. in dem berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsatz G 25 für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bei Fahr-, Steuerund<br />
Überwachungstätigkeiten und in weiteren betriebsspezifischen Richtlinien.<br />
Die Fahrerlaubnisverordnung und die genannten Vorschriften und Empfehlungen<br />
schließen das Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 und auch 2 für Menschen<br />
mit Diabetes, auch unter Insulinbehandlung, nicht grundsätzlich aus. Dabei sind<br />
jedoch die in den verschiedenen Regelungen genannten Eignungsvoraussetzungen<br />
zu erfüllen, wie z. B. in der Anlage 4 der FEV ausgeführt.<br />
Die individuelle Beurteilung arbeitsplatzbezogener Risiken und Ressourcen bei der<br />
arbeitsmedizinischen Bewertung von Menschen mit Diabetes mellitus schafft die<br />
Möglichkeit einer differenzierten Beratung im Einzelfall. Das individuelle Risiko für das<br />
Auftreten von Akutkomplikationen – insbesondere Hypoglykämien verschiedener<br />
Schwere - am Arbeitsplatz oder bei der Fahrt wird u. a. beeinflusst durch:<br />
60
V01<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Bedingungen des Arbeitsplatzes und der Fahrtätigkeit,<br />
Art und Dauer des Diabetes mellitus,<br />
Therapiekonzept,<br />
Suffizienz der Behandlung,<br />
Selbstbehandlungskompetenz,<br />
Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle.<br />
Zu beachten ist, dass alle genannten Punkte durch geeignete Intervention modifiziert<br />
werden können, also keineswegs statisch sind. Beurteilungsrelevant sind daher auch<br />
Kompensationsmöglichkeiten (Berufserfahrung, reflektierter vorausschauender<br />
Umgang mit gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz, Hypoglykämiewahrnehmungstraining,<br />
Therapieumstellung, Dosisanpassung, Schulung, qualifizierte<br />
diabetologische Betreuung) bei den vorliegenden individuellen Risiken<br />
(Hypoglykämiegefährdung, Folgeerkrankungen, Qualität der Stoffwechseleinstellung).<br />
Eine vom Ausschuss Soziales der DDG entwickelte Checkliste „Diabetes und<br />
Arbeitsplatz“ kann zur Risikobewertung und -minderung auch hinsichtlich der<br />
Fahreignung eingesetzt werden (modifiziert nach: Empfehlungen zur Beurteilung<br />
beruflicher Möglichkeiten bei Personen mit Diabetes mellitus, Deutsche Diabetes-<br />
Gesellschaft 2007).<br />
61
V01<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
D I A B E T E S U N D A R B E I T S P L A T Z<br />
Checkliste für Betriebsärzte und Diabetologen<br />
So können Betriebsärzte und Diabetologen prüfen, ob ein Diabetiker<br />
für einen risikoreichen Arbeitsplatz geeignet ist:<br />
1. Nachweisbare Zusammenarbeit von Patient, Hausarzt/Diabetologen und<br />
Betriebsarzt?<br />
• Who is who?<br />
• Betreuung durch oder mit Diabetologen DDG?<br />
2. Gute Stoffwechseleinstellung (Blutzucker- und HbA1c)?<br />
• entsprechend den vereinbarten Zielwerten (Diabetologe/Diabetespaß)<br />
• ggf. Sonderuntersuchung Ergo + CGMS (in besonderen Fällen)<br />
3. Blutzuckerselbstmessung und Dokumentation?<br />
• plausible Messprotokolle im Blutzuckertagebuch<br />
4. Gibt es die Möglichkeit, am Arbeitsplatz den Blutzucker zu messen und<br />
Insulin zu spritzen?<br />
5. Arbeitet der Patient bei der Behandlung gut und zuverlässig mit?<br />
• belastungsadaptiertes Therapiekonzept<br />
6. Hat der Patient eine geeignete Schulung besucht?<br />
• Schulung gemäß DDG-Leitlinie<br />
• Hypowahrnehmungstraining (HYPOS®)<br />
7. Bestätigen die beteiligten Ärzte, dass keine relevanten Folgeschäden<br />
vorliegen und es bislang zu keinen schweren Unterzuckerungen gekommen ist?<br />
Stellungnahme Facharzt (Diabetologe/Internist, Augenarzt, Neurologe):<br />
• Diabetesdauer<br />
• Dauer und Art der Behandlung<br />
• Qualität der Einstellungen<br />
• Folgeerkrankungen (Status und Prognose)<br />
• ab 10 J. Diabetesdauer: Untersuchung auf autonome Neuropathie,<br />
Herzfrequenzvariabilität<br />
8. Wissen Arbeitgeber und Kollegen im Notfall, was zu tun ist?<br />
9. Besteht bei leichten Unterzuckerungen Gefahr für Dritte?<br />
• Dauer der Berufstätigkeit<br />
• Berufserfahrung<br />
• Konkretisierung beruflicher Einsatz (Differenzierung!)<br />
• ggf. Arbeitsplatztraining mit Awareness-Protokoll<br />
10. Kann die Arbeit unterbrochen werden, falls die Therapie angepasst werden<br />
muss, zum Beispiel bei Unterzuckerung?<br />
11. Wird der Patient alle 6 bis 12 Monate von einem Arbeitsmediziner und<br />
Diabetologen untersucht?<br />
62
V01<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
12. Wird das Unternehmen sorgfältig mit arbeitsmedizinischen Informationen<br />
durch den Betriebsarzt versorgt?<br />
63
V02<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Musik beim Autofahren - Unfallrisiko erhöht oder Fahrleistung<br />
verbessert?<br />
Britta Husemann, Isabel Löffler, Alexander Mentel, Katharina Fella, Bernd Rossbach, Stephan<br />
Letzel<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
Einleitung<br />
1,5 Mrd. Personenkilometer werden in Deutschland täglich mit einem PKW zurück<br />
gelegt. 29% davon stehen in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung (21%<br />
Arbeitswege 8% Dienstreisen u. ä.) [1]. Im Jahr 2007 starben 4970 Personen im<br />
Straßenverkehr 431.500 wurden verletzt [2].<br />
90% aller Autofahrer hören beim Autofahren Musik [3]. Die Wirkung der Musik wird<br />
kontrovers diskutiert: Einerseits wird ihr ein leistungssteigernder [4] und<br />
stressreduzierender Effekt nachgesagt [5], andererseits wird angenommen, dass Musik<br />
Aufmerksamkeitsressourcen in Anspruch nimmt und daher zu Leistungseinbußen im<br />
kognitiven Bereich führen kann. Kognitive Beeinträchtigungen durch Stress wurden<br />
beschrieben [6]. Dabei hat Stress einen negativen Einfluss auf<br />
Aufmerksamkeitsprozesse (Tunnel-Hypothese) [7, 8], auf die Gedächtnisleistung [9],<br />
Entscheidungsfindung und Beurteilung [10] und psychomotorische Leistungen<br />
(Autofahren) [11].<br />
Beim Autofahren ist eine Abnahme der Leistung kritisch, da sie zu verminderter<br />
Verkehrssicherheit führen kann. Dabei können sowohl die Unterforderung in monotonen<br />
Fahrsituationen wie die Überbeanspruchung durch anspruchsvolle Fahrsituationen<br />
negative Auswirkungen auf die Fahrleistung haben.<br />
Die Wirkung von Musik in dieser sicherheitsrelevanten Situation ist von großer<br />
praktischer Bedeutung, da ein potentieller Musikeffekt sowohl Fahrleistung steigern oder<br />
auch beeinträchtigen könnte. Beides wäre von allgemeinem und insbesondere auch<br />
arbeitsmedizinischem Interesse.<br />
Das Ziel der hier vorgestellten experimentellen Untersuchung ist, die Ermittlung des<br />
Effektes von Musik auf Fahrleistung und Beanspruchung während einer simulierten<br />
Autofahrt in einer beanspruchenden Situation.<br />
Fragestellung<br />
Beeinflusst Musik die kognitive Leistungsfähigkeit und das subjektive<br />
Beanspruchungserleben während einer beanspruchenden Fahrsituation?<br />
Methode<br />
60 Probanden (Studenten, Alter: 18 - 35) fuhren für eine Stunde eine simulierte<br />
Überlandfahrt in einem Fahrsimulator (Foerst, F10PF). 30 Probanden fuhren mit Musik<br />
(„Musik zum Autofahren, Entspannend Volumne I vom deutschen<br />
64
V02<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Verkehrssicherheitsrat), die anderen fuhren als randomisierte Kontrollgruppe ohne<br />
Musik. Die Fahrleistung wurde aus den Protokolldateien des Fahrsimulators berechnet.<br />
Dabei wurde eine Tauglichkeitskennzahl ermittelt. Diese ist eine Gesamtmesszahl für die<br />
Fahrleistung und setzt sich folgendermaßen zusammen: 100 / (1+Spurabweichung +<br />
(t1/Gefahrene Strecke in Kilometern) Dabei entspricht t1einem Gewichtungsfaktor in den<br />
die Reaktionsgeschwindigkeit und die Anzahl der Unfälle eingeht. Der Kurzfragebogen<br />
zur aktuellen Beanspruchung (KAB) diente dazu die subjektive Beanspruchung in kurzen<br />
Retestintervallen zu erfassen. Die aktuelle Beanspruchung wird dabei als Teilaspekt des<br />
momentanen Befindens definiert. Eine Person kann sich dabei zwischen minimal und<br />
maximal beansprucht erleben [12]. Die Durchführung erfolgte vor und nach der<br />
Stressinduktion sowie nach der Simulatorfahrt. Während der Simulatorfahrt wurden die<br />
Probanden gebeten, ihre Befindlichkeit subjektiv zu bewerten und diesen Wert auf einer<br />
Skala von 0 bis 20 einzuordnen. 20 bedeutete dabei, sehr gutes Befinden und 0<br />
bedeutete extrem schlechtes Befinden. Zusätzlich wurden Teilaspekte der<br />
Beanspruchung mit Hilfe von weiteren Testparametern objektiviert: Herzfrequenz,<br />
Muskelanspannung und Cortisol im Speichel. Für die statistische Auswertung wurde<br />
SPSS 14.0 für Windows verwendet. Zunächst erfolgte eine explorative Datenanalyse.<br />
Aufgrund der Datenstruktur (Kategorien) und teilweise nicht normaler Verteilung wurden<br />
Gruppenunterschiede zu Beginn der Untersuchung und nach Intervention mit Hilfe des<br />
Mann-Whitney-U Test berechnet. Unterschiede im Zeitverlauf wurden mit Hilfe des<br />
Wilcoxon-Matched-Pair-Test berechnet. Um eventuelle Hinweise auf kleine<br />
Gruppenunterschiede zu erhalten, wurde bei den kategorialen Parametern zusätzlich<br />
eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholungsdesign durchgeführt. Diese wurde<br />
ebenso bei den intervalskalierten Parametern angewendet. Das Signifikanzniveau wurde<br />
auf α=0,05 festgesetzt.<br />
Ergebnisse<br />
Die angewendete Musik zeigte keinen Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit<br />
(Tauglichkeitskennzahl). Die Fahrleistung ist bei Beginn der Simulatorfahrt am geringsten<br />
und nimmt in beiden Gruppen kontinuierlich zu [siehe Abbildung 1]). Das<br />
Beanspruchungserleben [siehe Abbildung 2] sowie die physiologische oder humorale<br />
Reaktionen zeigen keine Gruppenunterschiede durch die Anwendung der Musik.<br />
Insbesondere unterschieden sich Experimental- und Kontrollgruppe nicht in ihrer<br />
aktuellen Befindlichkeit vor (16,9±1,5 mit Musik vs. 16,0±2,6 ohne Musik), während und<br />
nach (13,8±3,3 mit Musik vs. 13,9±3,2 ohne Musik) der Simulatorfahrt (jeweils<br />
Punktescore: Mittelwert ± SD). Die Befindlichkeit ist vor der Simulatorfahrt am höchsten<br />
und nimmt in beiden Gruppen kontinuierlich ab.<br />
65
V02<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Diskussion<br />
In der vorliegenden Studie wurde die Wirkung von Musik bei einer simulierten Autofahrt<br />
untersucht. Es handelt sich um eine praxisorientierte experimentelle randomisierte<br />
kontrollierte, Studie. Die vorliegende Versuchsanordnung ist geeignet einen Beitrag dazu<br />
zu leisten, die gestellte Fragestellung zu beantworten. Dabei sind jedoch einige<br />
Einschränkungen zu beachten: 1. die Übertragbarkeit von der experimentellen<br />
Umgebung auf die reale Umwelt ist nur eingeschränkt möglich. Weitere Untersuchungen<br />
in realen Umgebungen wären wünschenswert. 2. Das Ausmaß des experimentell<br />
induzierten Stresses reicht möglicherweise nicht aus, um auf die Fahrleistung negativ zu<br />
wirken. 3. Des Weiteren ist es möglich, dass die Wirkung des induzierten Stresses vor<br />
der Fahrt im Fahrsimulator schnell wieder reversibel ist und die folgen der<br />
Beanspruchung nicht lang genug dauerten und 4. handelte es sich ausschließlich um<br />
junge gesunde Probanden, die Ergebnisse können bei älteren Menschen oder bei<br />
Kranken anders aussehen.<br />
Da die betrachtete Probandengruppe von besonderem Interesse ist, (junge gesunde<br />
Erwachsene sind besonders gefährdet sind im Straßenverkehr Unfälle zu verursachen)<br />
und da beim Autofahren im allgemeinen ein mittleres Beanspruchungsniveau<br />
vorherrscht, kann trotz dieser Einschränkungen eine sinnvolle und interessante<br />
Schlussfolgerung aus den vorhandenen Daten abgeleitet werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
In der vorliegenden Studie wurde anhand eines komplexen Versuchs die Wirkung von<br />
Musik auf die Beanspruchung und die kognitive Leistungsfähigkeit bei einer simulierten<br />
Autofahrt untersucht. Unter den gegebenen Bedingungen (junge Probanden, moderate<br />
Stresssituation, vorgegebene Musik) zeigte die Musik keinen Effekt auf die Zielgrößen.<br />
Förderung<br />
Das Forschungsprojekt wurde finanziell von der KSB-Stiftung Frankenthal unterstützt.<br />
1. Follmer, R., Mobilität in Deutschland. 2004, Bundesministerium für Verkehr-Bauund<br />
Wohnungswesen.<br />
2. Mikrozensus 2007 2008, Statistisches Bundesamt.<br />
3. Brodsky, W., The effects of music tempo on simulated driving performance and<br />
vehicular control. Transportation Research, 2002. 4(4): p. 219-241.<br />
4. Rauscher, F.H., G.L. Shaw, and K.N. Ky, Listening to Mozart enhances spatialtemporal<br />
reasoning: Towards a neurophysiological basis. Neuroscience Letter,<br />
1995. 1985(44-47).<br />
5. Pelletier, C.L., The Effects of Musik on Decreasing Arousal Due to Stress - A<br />
Meta-Analysis. Journal of Music Therapy, 2004. 41(3): p. 192-214.<br />
6. Staal, M.A., Stress, Cognition, and Human Performance: A Literature Review and<br />
Conceptual Framework, M.F. Ames Research Center, California, Editor. 2004,<br />
National Aeronautics and Space Administration.<br />
66
V02<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
7. Baranski, J.V., et al., Effects of modafinil on cognitive and meta-cognitive<br />
performance. Human Psychopharmacology: Clinical and Experimental, 2004.<br />
19(5): p. 323-332.<br />
8. Braunstein-Bercovitz, H., I. Dimentman-Ashkenazi, and R.E. Lubow, Stress<br />
affects the selection of relevant from irrelevant stimuli. Emotion, 2001. 1(2): p.<br />
182-92.<br />
9. Ashcraft, M.H. and E.P. Kirk, The Relationships Among Working Memory, Math<br />
Anxiety, and Performance. Journal of Experimental Psychology, 2001. 130(2): p.<br />
224-237.<br />
10. Baradell, J.G. and K. Klein, Relationship of life stress and body consciousness to<br />
hypervigilant decision making. Journal of Personality and Social Psychology,<br />
1993. 64: p. 267-73.<br />
11. Matthews, G., Towards a transactional ergonomics for driver stress and fatigue.<br />
Theoretical Issues in Ergonomic Science, 2002. 3: p. 1-17.<br />
12. Müller, B. and H.D. Basler, KAB Kurzfragebogen zur aktuellen Beanspruchung.<br />
Beltz Test Manual. 1993, Weinheim: Beltz Test GmbH.<br />
Abbildung 1: Fahrleistung anhand der Tauglichkeitskennzahl [Prozent] während der<br />
Simulatorfahrt. Kein signifikanter Gruppenunterschied. Statistisch signifikante Zunahme der<br />
Fahrleistung im Verlauf der Fahrt (Copyright Ergomed 05/2008)<br />
67
V02<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Abbildung 2: Subjektive Bewertung der aktuellen Beanspruchung [Boxplots] vor und nach<br />
Stressinduktion sowie nach der Simulatorfahrt. Kein signifikanter Gruppenunterschied. Statistisch<br />
signifikante Zunahme der Beanspruchung nach Stressinduktion im Vergleich zu beiden anderen<br />
Messzeitpunkten. (Copyright Ergomed 05/2008)<br />
68
V03<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Fernpendeln und Gesundheit. Gibt es Hinweise auf einen<br />
„healthy commuter effect“?<br />
Heiko Rüger, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
Zusammenfassung<br />
In Deutschland legen viele Erwerbstätige regelmäßig lange Strecken zwischen dem<br />
Wohnort und dem Arbeitsort zurück. Inwieweit für diese zusätzlichen Belastungen<br />
Effekte auf den Gesundheitszustand und die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu<br />
beobachten sind, wird in der vorliegenden Arbeit anhand von Daten des Soziooekonomischen<br />
Panels (SOEP) untersucht. Daneben werden Hinweise auf mögliche<br />
Selektionsprozesse erörtert, die diesen Effekten entgegenstehen könnten. Die<br />
vorliegenden Befunde verweisen auf eher geringe Unterschiede und sprechen insgesamt<br />
für einen möglichen „healthy commuter effect“. Weitere Untersuchungen sowie spezielle<br />
Erhebungen zur Thematik „Arbeitsmobilität und Gesundheit“ sind jedoch erforderlich.<br />
Ziel der Studie<br />
Das tägliche Pendeln zur Arbeit stellt eine von vielen weiteren Formen arbeitsbedingter<br />
räumlicher Mobilität, wie z.B. Umzugsmobilität oder Dienstreisen, dar (Schneider et al.<br />
2008). In Deutschland sind insgesamt rund 30 Millionen Erwerbstätige als Berufspendler<br />
unterwegs, darunter etwa 5 %, die als Fernpendler entweder mindestens 50 Kilometer<br />
für den einfachen Weg zur Arbeit zurücklegen oder länger als eine Stunde für ihren<br />
einfachen Arbeitsweg benötigen (Statistisches Bundesamt 2005). In verschiedenen<br />
Studien wurden für (Fern-) Pendler vermehrt negative Beanspruchungsfolgen (Häfner et<br />
al. 2001; Häfner et al. 2007), erhöhte Stressbelastungen (Koslowsky et al. 1995;<br />
Schneider et al. 2002) sowie häufiger gesundheitliche Beschwerden (Costa et al. 1988)<br />
beschrieben. Ein erstes Ziel vorliegender Studie besteht darin, den Gesundheitszustand<br />
und die Fehlzeiten von Fernpendlern im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern zu<br />
untersuchen. Dabei kann angenommen werden, dass sich – wegen erhöhter<br />
Mobilitätsbelastungen – für Fernpendler im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern häufiger ein<br />
negativer Gesundheitszustand und höhere Fehlzeiten nachweisen lassen (Hypothese 1).<br />
Dieser These könnte ein möglicher Selektionsprozess, ähnlich dem bekannten „healthy<br />
worker effect“, gegenüberstehen. Demnach könnten besonders gesunde und robuste<br />
Personen – wegen der antizipierten Belastungen – vermehrt Fernpendler werden und<br />
auch häufiger langfristig Fernpendler bleiben, während die übrigen Personen, die hohe<br />
Belastungen erfahren, frühzeitig ausscheiden (Hypothese 2). Unter der Annahme von<br />
Hypothese 2 dürften die in Zusammenhang mit Hypothese 1 erwarteten Effekte lediglich<br />
69
V03<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
abgeschwächt auftreten. Ein zweites Ziel der Studie besteht darin, Hinweise auf einen<br />
solchen „healthy commuter effect“ zu erörtern.<br />
Methode<br />
Auf Basis der Wellen 21-23 (2003-2005) des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP),<br />
einer repräsentativen Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, wurde<br />
eine Sekundärdatensatzanalyse durchgeführt. Als Fernpendler wurden 1) nach dem<br />
„Zeitkonzept“ Personen definiert, die für den einfachen Arbeitsweg eine Stunde oder<br />
länger benötigten (Welle 21, 2003) bzw. 2) nach dem „Wegstreckenkonzept“ Personen<br />
bestimmt, die mindestens 50 km für den einfachen Arbeitsweg zurücklegten (Wellen 22<br />
und 23, 2004/2005). Vollzeiterwerbstätige Fernpendler von 2003 (n=708) wurden<br />
hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes untersucht und mit Vollzeiterwerbstätigen, die<br />
nicht fernpendelten (n=8297), verglichen. Verwendet wurde dabei der Indikator: „Wie<br />
würden Sie Ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand beschreiben? Sehr gut, gut,<br />
zufrieden stellend, weniger gut, schlecht?“. Personen, die im Jahr 2004 Fernpendler<br />
waren, im Jahr 2005 jedoch nicht mehr (n=113), wurden auf Fehlzeiten im Jahr 2004 hin<br />
untersucht. Vergleichsgruppe waren hier Fernpendler im Jahr 2004, die auch 2005 noch<br />
pendelten (n=346). Herangezogen wurden folgende Indikatoren: „Wie viele Tage haben<br />
Sie im Jahr 2004 wegen Krankheit nicht gearbeitet?“ sowie „Kam es im letzten Jahr vor,<br />
dass Sie länger als 6 Wochen krankgemeldet waren?“. Die Analysen erfolgten mit<br />
ungewichteten Daten. Bivariate Gruppenunterschiede wurden mittels Chi²-Test bzw. T-<br />
Test geprüft. Kontrolliert wurde in der multiplen OLS-Regressionsanalyse<br />
(Einschlussverfahren) nach Geschlecht, Alter und formaler Schulbildung. Alle<br />
statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt, wobei das Signifikanzniveau<br />
mit α=0,05 definiert wurde.<br />
Ergebnisse<br />
Einen „weniger guten“ bzw. „schlechten“ Gesundheitszustand berichteten im Jahr 2003<br />
11,2 % der Fernpendler und im Vergleich dazu 9,4 % der Nicht-Fernpendler (p=0,116)<br />
(vgl. Tabelle 1). Adjustiert nach den oben genannten Merkmalen nimmt der Effekt leicht<br />
zu (aOR=1,30, 95%-KI=1,01-1,70; p=0,045).<br />
70
V03<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Tabelle 1: Selbstberichteter Gesundheitszustand bei vollzeiterwerbstätigen Fernpendlern<br />
und Nicht-Fernpendlern<br />
N<br />
„weniger gut“ bzw. „schlecht“<br />
(in %)<br />
Fernpendler 708 11,2<br />
Nicht-Fernpendler 8297 9,4<br />
Signifikanz<br />
p=0,166<br />
Anmerkungen: SOEP, Welle 21 (2003), eigene Berechnungen<br />
Personen, die im Jahr 2004 Fernpendler waren, im Jahr 2005 jedoch nicht mehr, wiesen<br />
mit durchschnittlich 10,8 mehr krankheitsbedingte Fehltage auf als Personen, die im Jahr<br />
2004 und auch noch im Jahr 2005 Fernpendler waren (6,6 Fehltage; p=0,065). Zudem<br />
wiesen diejenigen Fernpendler, die im Jahr 2004 kurz vor Beendigung ihrer Mobilität<br />
standen („Fernpendelaussteiger“), häufiger lange Krankmeldungen von über 6 Wochen<br />
auf (6,2 %) im Vergleich zu denjenigen Fernpendlern, die auch 2005 noch mobil waren<br />
(3,2 %; p=0,152). (vgl. Tabelle 2)<br />
Tabelle 2: Fehlzeiten bei Fernpendelaussteigern im Jahr 2004 und Fernpendlern im Jahr<br />
2004, die auch 2005 mobil waren<br />
N<br />
lange<br />
Fehltage<br />
Krankmeldungen (in<br />
(Durchschnitt)<br />
%)<br />
Fernpendler bis 2004 113 10,8 6,2<br />
Fernpendler 2004 und<br />
2005<br />
346 6,6 3,2<br />
Signifikanz p=0,065 p=0,152<br />
Anmerkungen: SOEP, Wellen 22-23 (2004/2005), eigene Berechnungen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Unterschiede hinsichtlich des selbst berichteten Gesundheitszustandes zwischen<br />
vollzeiterwerbstätigen Fernpendlern und vollzeiterwerbstätigen Nicht-Fernpendlern sind<br />
nachweisbar, fallen angesichts der zusätzlichen Mobilitätsbelastungen bei Fernpendlern<br />
jedoch eher gering aus. Dieser Befund war vor dem Hintergrund eines möglichen<br />
„healthy commuter effect“ zu erwarten. Wird berücksichtigt, dass die Fernpendler<br />
insgesamt eine bessere formale Bildung aufweisen und häufiger männlich sind, nimmt<br />
der berichtete Gesundheitseffekt leicht zu. Daneben lässt sich zeigen, dass diejenigen<br />
Fernpendler, die mehr krankheitsbedingte Fehltage sowie häufiger lange<br />
71
V03<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Krankmeldungen von über 6 Wochen aufweisen, eher dazu neigen, ihre Arbeitsmobilität<br />
innerhalb des nächsten Jahres zu beenden. Diese punktuellen Befunde sprechen für<br />
einen möglichen Selektionseffekt, der bei der arbeitsmedizinischen Gesamtbilanz des<br />
Fernpendelns zu berücksichtigen wäre. Die Befunde verweisen jedoch auf bestehende<br />
methodische Schwierigkeiten und sind zukünftig durch weitere Untersuchungen und<br />
spezielle Erhebungen zur Thematik „Arbeitsmobilität und Gesundheit“ zu ergänzen.<br />
Dabei ist die mögliche Risikogruppe der „Mobilitätsaussteiger“ näher zu bestimmen, um<br />
bei diesen Personen Beratungs- und Präventionsprogramme implementieren zu können.<br />
Die nähere Bestimmung der Gruppe der langfristig mobilen Personen und deren Coping-<br />
Strategien könnten Hinweise auf daraus ableitbare Präventionsmaßnahmen liefern.<br />
Danksagung<br />
Die in diesem Beitrag verwendeten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)<br />
wurden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) bereitgestellt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Costa G, Pickup L, Di Martino V. Commuting – a further stress factor for working people:<br />
evidence from the European Community. Int Arch Occup Environ Health 1988; 60:<br />
371-376, 377-385.<br />
Häfner S, Kächele H, Zipfel S. Immer auf Achse – der gesundheitliche Preis der Mobilität<br />
in einer 24-h- Gesellschaft. Psychother Psych Med 2007; 57:307-8.<br />
Häfner S, Kordy H, Kächele H. Psychosozialer Versorgungsbedarf bei Berufspendlern.<br />
Psychother Psychosom med Psychol 2001; 51: T55-T61.<br />
Koslowsky M, Avraham NK, Reich M. Commuting Stress: Causes, Effects and Methods<br />
of Coping. New York: Plenum Press, 1995<br />
Schneider NF, Limmer R, Ruckdeschel K. Berufsmobilität und Lebensform.<br />
Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (8-<br />
2001). Berlin, 2002.<br />
Schneider NF, Ruppenthal S, Lück D, Rüger H, Dauber A. Germany – A Country of<br />
Locally Attached but Highly Mobile People. In: Schneider NF, Meil G (eds.). Mobile<br />
Living Across Europe I. Relevance and Diversity of Job-Related Spatial Mobility in Six<br />
European Countries. Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich Publishers, 2008:<br />
105-149.<br />
Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Leben und Arbeiten in Deutschland – Ergebnisse des<br />
Mikrozensus 2004. Wiesbaden, 2005.<br />
72
V04<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Beurteilung von Fahrerschläfrigkeit von Berufskraftfahrern<br />
mittels Videoanalyse<br />
Axel Muttray 1 , Oliver Weirich 1* , Jean-Baptist du Prel 2 , Katrin Meinken 3 , Britta Geißler 1 , Lorenz<br />
Hagenmeyer 3<br />
1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz;<br />
2<br />
Zentrum Präventive Pädiatrie und Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Johannes Gutenberg-<br />
Universität, Mainz;<br />
3<br />
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart<br />
*Daten aus der medizinischen Dissertation von O.W., in Vorbereitung<br />
1. Ziel der Studie<br />
Müdigkeit und Schläfrigkeit werden oft synonym verwendet, genau genommen handelt<br />
es sich jedoch um unterschiedliche Zustände. Erstere bezeichnet eine<br />
Erschöpfungsform, letztere die Unfähigkeit wach zu bleiben und somit einen Schlafdruck.<br />
Fahrerschläfrigkeit ist die Ursache von etwa einem Viertel aller tödlichen<br />
Autobahnunfälle. Unseres Wissens gibt es bisher keine Systeme, die den Fahrer<br />
rechtzeitig und nachgewiesenermaßen zuverlässig vor Schläfrigkeit warnen.<br />
Nachträglich kann Fahrerschläfrigkeit mittels Videoanalyse nach Wierwille und Ellsworth<br />
bewertet werden. Diese Methode befindet sich noch in Erforschung. In einer Pilotstudie<br />
hatten wir mit einem gering modifizierten Verfahren eine gute Intrarater-Reliabilität bei<br />
einem Bewerter gefunden (Muttray et al. 2007). Mit einer darauf aufbauenden Studie<br />
wollten wir herausfinden, wie hoch die Intrarater- und Interrater-Reliabilität der Methode<br />
sind.<br />
2. Methoden<br />
2.1 Videomaterial<br />
Das hier analysierte Videomaterial stammt von 28 Busfahrern, die im regulären<br />
Reisefernverkehr gefilmt worden waren, sowie von 14 Simulatorfahrern nach<br />
Schlafentzug. Von jedem Probanden wurden einminütige Videosequenzen mit einem<br />
möglichst unterschiedlichen Grad an Fahrerschläfrigkeit selektiert. Aus insgesamt 300<br />
Sequenzen wurden zwei Filme erstellt, welche sich nur in der Reihenfolge der<br />
Sequenzen unterschieden. Das schriftliche Einverständnis der Probanden sowie die<br />
Zustimmung der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz waren vor<br />
den Experimenten eingeholt worden.<br />
73
V04<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
2.2 Ermittlung der Fahrerschläfrigkeit<br />
Drei trainierte Bewerter ermittelten unabhängig von einander je zweimal im Abstand von<br />
einem Monat das Ausmaß an Fahrerschläfrigkeit. Verwendet wurde eine 17-stufige<br />
Ordinalskala mit fünf Ankerpunkten, die durch Deskriptoren detailliert erläutert waren<br />
(Muttray et al. 2007). Zusammengefasst bedeuten die ganzzahligen Ankerpunkte auf der<br />
Skala: „0“ gar nicht schläfrig, „1“ etwas schläfrig, „2“ mäßig schläfrig, „3“ sehr schläfrig<br />
und „4“ extrem schläfrig. Im Zustand 1 zeigt der Fahrer erste Erscheinungen von<br />
Schläfrigkeit, die im Zustand 2 deutlicher ausgeprägt sind. Dazu gehören so genannte<br />
Manierismen wie Reiben des Gesichts oder der Augen und Rutschen auf dem Sitz, die<br />
als aktive Maßnahmen zur Schläfrigkeitsbekämpfung angesehen werden. Im Zustand 3<br />
sind die Augenlider bereits mehr als zur Hälfte geschlossen und Lidschlüsse von mehr<br />
als 2 Sekunden Dauer mit Aufwachreaktionen kommen vor. Der Zustand 4 ist u. a. durch<br />
Einschlafen und verlängerte Aufwachreaktionen mit Desorientiertheit gekennzeichnet.<br />
2.3 Statistische Analysen<br />
Cohen’s Kappa diente als Maß der Übereinstimmung zwischen je zwei Messungen<br />
(Altman 1999). Für die Berechnung wurden die Schläfrigkeitsscores in vier Klassen<br />
zusammengefasst. Der Übereinstimmungsgrad wurde mit Hilfe von Bland-Altman-<br />
Diagrammen (Bland und Altman 1986) visualisiert.<br />
3. Ergebnisse<br />
Das (ungewichtete) Kappa-Maß betrug bei allen Ratern sowohl bei der Intra- als auch bei<br />
der Interrater-Reliabilität mehr als 0,6 (Tabelle 1). Ein Wert größer als 0,6 wird als eine<br />
gute Übereinstimmung zwischen zwei Messergebnissen betrachtet (Altman 1999).<br />
Tabelle 1:<br />
Kappa-Maße bei der Bewertung von Fahrerschläfrigkeit<br />
Bewerter 1 Bewerter 2 Bewerter 3<br />
Bewerter 1 0,622 0,620 0,696<br />
Bewerter 2 - 0,687 0,694<br />
Bewerter 3 - - 0,688<br />
Dieses Ergebnis wurde durch die Bland-Altman-Diagramme bestätigt. Abbildung 1 zeigt<br />
beispielhaft den Vergleich zwischen den beiden Messungen mit dem (relativ) niedrigsten<br />
Kappa-Wert von 0,620.<br />
74
V04<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
1<br />
MW+2<br />
*<br />
SD<br />
0,5<br />
Differenz der Scores (Bewerter 1 – Bewerter 2)<br />
0<br />
-0,5<br />
MW<br />
MW-2<br />
*<br />
SD<br />
n = 300<br />
0 1 2 3 4<br />
Mittelwert der Scores von Bewerter 1 und 2<br />
Abbildung 1: Vergleich der von den Bewertern 1 und 2 vergebenen Scores für Fahrerschläfrigkeit<br />
mittels Bland-Altman-Diagramm. Um mehrere identische Wertepaare<br />
visualisieren zu können, wurde ein so genanntes Blümchen-Diagramm verwendet. Dabei<br />
ist jeder Wert durch ein „Blütenblatt“ repräsentiert (MW: Mittelwert, SD:<br />
Standardabweichung).<br />
4. Schlussfolgerungen<br />
Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die eine gute Reliabilität eines Verfahrens der<br />
Videoanalyse von Fahrerschläfrigkeit belegt. Demgegenüber war in früheren<br />
Publikationen (Vöhringer-Kuhnt et al. 2004; Wierwille und Ellsworth 1994) der<br />
Pearson’sche Korrelationskoeffizient als ein Maß für die Übereinstimmung verwendet<br />
worden. Dies ist jedoch aus methodischer Sicht problematisch (Bland und Altman 1986).<br />
Eine gute Reliabilität ist aber eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des<br />
Verfahrens.<br />
In der „100-Car Naturalistic Driving Study“ (Klauer et al. 2006) trug Fahrerschläfrigkeit zu<br />
über 20 % der Unfälle und Beinahe-Unfälle bei. Das Kriterium für Schläfrigkeit war ein<br />
Score von ≥ 60 auf der originalen Wierwille-Skala. Dies würde auf unserer Skala einem<br />
75
V04<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Wert von 2,4 entsprechen, wenn die Skala stetig wäre. Die Autoren machten jedoch<br />
keine hinreichenden Angaben zur Validierung ihres Auswertungsverfahrens. Bereits die<br />
bloße Betrachtung von Probanden mit einem Schläfrigkeitsscore von 2,25 sowie die<br />
Deskriptoren dafür sprechen eindeutig für eine Schläfrigkeit in einem Ausmaß, das mit<br />
einer deutlichen Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens und somit mit einem<br />
erhöhten Unfallrisiko verbunden ist. Zur Validierung der Methode sind weitere Studien<br />
erforderlich. Nach erfolgreicher Validierung könnte das Verfahren „Videoanalyse von<br />
Fahrerschläfrigkeit“ helfen, Schläfrigkeitswarnsysteme in ihrer Wirkung zu überprüfen,<br />
und so zur Unfallprävention beitragen.<br />
5. Danksagung<br />
Die Studie wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />
unterstützt.<br />
6. Literatur<br />
1. Altman DG (Hrsg.). Practical statistics for medical research. CRC Press, Boca Raton;<br />
1999<br />
2. Bland JM, Altman DG. Statistical methods for assessing agreement between two<br />
methods of clinical measurement. Lancet 1986, 327, 307-310<br />
3. Klauer SG, Dingus TA, Neale VL, Sudweeks JD, Ramsey DJ, 2006. The impact of<br />
driver inattention on near-crash/crash risk: an analysis using the 100-car naturalistic<br />
driving study data. U.S. Department of Transportation. National Highway Traffic Safety<br />
Administration.<br />
http://www-nrd.nhtsa.dot.gov/departments/nrd-13/driverdistraction/PDF/DriverInatten<br />
tion.pdf<br />
4. Muttray A, Hagenmeyer L, Unold B, du Prel J-B, Geißler B. Videoanalyse der<br />
Schläfrigkeit von Fahrern. Z Arb Wiss 2007, 61, 245-254<br />
5. Vöhringer-Kuhnt T, Baumgarten T, Karrer K, Briest S, 2004. Wierwille’s method of<br />
driver drowsiness evaluation revisited. In: 3rd International Conference on Traffic &<br />
Transport Psychology, International Association of Applied Psychology (Hrsg.).<br />
http://www.psychology.nottingham.ac.uk/IAAPdiv13/ICTTP2004papers2002/Impairment/<br />
Vohringer.pdf: Nottingham<br />
6. Wierwille WW, Ellsworth LA. Evaluation of driver drowsiness by trained raters. Accid<br />
Anal Prev 1994, 26, 571-581<br />
76
V05<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Kälteexposition bei alpinen Luftrettungseinsätzen -<br />
Konsequenzen für die Sicherheit von Retter und Patient<br />
Thomas Küpper 1, 2 , Jürgen Steffgen 3<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
2<br />
Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />
3 Institut für Nephrologie, Universität Göttingen<br />
Studienziel: Es wird die Kälteexposition der Personen, die in 1082 alpine<br />
Luftrettungseinsätze im Bereich Oberwallis (Schweizer Alpen) involviert sind, untersucht.<br />
Material und Methode: Die Rettungseinsätze werden im Hinblick auf die lokal<br />
herrschenden Wetterbedingungen, die Höhe und die Expositionszeit analysiert. Mittels<br />
zweier unabhängiger Modelle wird die äquivalente Chilltemperatur berechnet und<br />
klassifiziert, wobei eine mittlere Exposition und eine „Worst case-Situation“ angenommen<br />
werden. Die Ergebnisse werden nach dem „klassischen“ Siple-Passel-Modell nach dem<br />
neueren Modell nach Danielsson, sowie nach ISO 11079, ISO 9920, DIN 33403.5 und<br />
„G21“ bewertet.<br />
Ergebnisse: Die beiden Berechnungsmopdelle zeigen weitgehende Übereinstimmung in<br />
der Chilltemperatur. Bei „Worst Case Bedingungen“ liegen im Siple-Passel-Modell 87,1%<br />
der Rettungseinsätze im Bereich > -30°C, 12,1% zwischen -30° und -45°C und 0,8%<br />
unterhalb von -45°C. Die niedrigste Chilltemperatur betrug -54,6°C. Das Danielsson-<br />
Modell ergab, daß in 77,6% der Einsätze kein akutes Erfrierungsrisiko bestand, während<br />
in 20,1% ein Risiko von >5%, in 6% eines von >50% und in 1,8% eines von >95%<br />
bestand. Nach DIN 33403.5 wurden nur 1,5% der Einsätze bei Chilltemperaturen<br />
oberhalb der Kälteklasse 1, dagegen 2,3% in Klasse 1, 13,3% gemäß Klasse 2, 34,7% in<br />
Klasse 3, 34,6% in Klasse 4 und 13,7% in Kälteklasse 5 durchgeführt. Die maximale<br />
Expositionszeit wurde in mindestens 0,5% der Einsätze überschritten. Nach ISO 11079<br />
ist bei Sommereinsätzen eine Bekleidung mit 2,0 clo in nur 40,2% bei<br />
Durchschnittsexposition und 23,9% bei Worst case-Szenario ausreichend. Im Winter<br />
liegen die entsprechenden Werte bei 0,3% und 0,0%. Die Duration of limited Exposure<br />
wird in 9,1% der Sommereinsätze (IREQ min.) bzw. 19,8% (IREQ neutr.) überschritten<br />
(Winter: 10,3% bzw. 19,8%). Nach ISO 9920 wird ICL min. und ICL neutr. bei allen<br />
Einsätzen, sowohl im Sommer als auch im Winter, überschritten.<br />
Schlußfolgerungen: Alpine Rettungseinsätze sind ein typisches Beispiel für einen<br />
Kältearbeitsplatz. Dadurch, daß bei den meisten Einsätzen die Expositionszeit begrenzt<br />
ist, tritt die Gefahr der Hypothermie in den Hintergrund, wobei jedoch ein z.T. erhebliches<br />
Gefährdungspotential für lokale Erfrierungen besteht. Die Crews müssen spezifisch<br />
unterwiesen und arbeitsmedizinisch gemäß G21 „Kältearbeitsplätze“ überwacht werden.<br />
77
V05<br />
Vorträge – Unfallprävention<br />
Neben solider Ausrüstung zum Kälteschutz ist für Verunglückte im alpinen Gelände ein<br />
Mobiltelefon ein besonders wesentlicher Sicherheitsfaktor, um durch kurze<br />
Alarmierungszeiten schwere Unterkühlung zu vermeiden.<br />
Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />
Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />
Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />
78
V06<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Geschlechtsspezifische Risikofaktoren akuter Rückenschmerzen<br />
– Ansatzpunkte für eine zielgruppen-spezifische Prävention<br />
Elke Ochsmann 1, 2 , Heiko Rüger 3 , Thomas Kraus 1 , Hans Drexler 2 , Stephan Letzel 3 , Eva Münster 3<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Erlangen-Nürnberg;<br />
3 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Mainz<br />
Einleitung<br />
Rückenschmerzen stellen in der betrieblichen Gesundheitsförderung und in der<br />
Arbeitsmedizin ein relevantes Problem dar, das immer mehr Beschäftigte betrifft. In etwa<br />
85% der Fälle mit chronischen und/oder akuten Rückenschmerzen können jedoch keine<br />
präzisen und spezifischen patho-anatomischen Diagnosen gestellt werden. Man spricht<br />
in diesen Fällen von unspezifischen Rückenschmerzen.<br />
Bekannte Risikofaktoren für Rückenschmerzen sind:<br />
– individuelle Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen),<br />
– psychosoziale Faktoren (z. B. Schmerzverhalten, Depression, soziale Schicht)<br />
– arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren (Ganzkörpervibration,<br />
Arbeitsplatzunzufriedenheit, monotone Arbeit, geringe<br />
Einflussnahmemöglichkeiten)<br />
Frauen klagen generell häufiger als Männer über Rückenschmerzen, wobei die Gründe<br />
für diesen geschlechtsspezifischen Unterschied bislang unklar geblieben sind. Das Ziel<br />
dieser Studie war es daher, geschlechtsspezifische Risikofaktoren für akute<br />
Rückenschmerzen in der deutschen Allgemeinbevölkerung zu identifizieren, um somit<br />
die Erarbeitung und Implementierung von sinnvollen betrieblichen Präventivmaßnahmen<br />
zu unterstützen.<br />
Methodik:<br />
Es wurde eine Sekundärdatenanalyse des telefonischen Gesundheitssurveys 2003<br />
(Robert-Koch-Institut) durchgeführt. Hier wurde eine repräsentative Stichprobe der<br />
bundesdeutschen Bevölkerung (N=8318) mittels eines computerassistierten<br />
Telefoninterviews (CATI) nach verschiedenen Aspekten des Lebens, wie Berufstätigkeit,<br />
Einkommen, soziale Kontakte, Familie und Gesundheit (darunter auch<br />
Rückenschmerzen) befragt.<br />
79
V06<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Operationalisierung „akuter Rückenschmerzen“ (vgl. Abb.1):<br />
Personen mit chronischen Rückenschmerzen (n=465) und Probanden ohne Angaben zur<br />
Rückenschmerzsymptomatik (n=18) wurden von der Analyse ausgeschlossen. Sofern<br />
ein Proband angab, in den letzten 12 Monaten Rückenschmerzen gehabt zu haben, die<br />
jedoch nicht als chronisch definiert wurden, folgte die Frage „Hatten Sie gestern<br />
Rückenschmerzen“. Wenn diese Frage bejaht wurde, so wurde der Proband als Fall<br />
„akuter Rückenschmerz“ definiert. Als Kontrollen wurden in der Analyse Probanden<br />
definiert, die weder chronischen Rückenschmerz hatten noch als Fall definiert waren (in<br />
Abb. 1 grün dargestellt).<br />
Statistische Auswertung:<br />
Mit dem statistischen Programmpaket SPSS, Version 17.0, wurden bi- und multivariate<br />
Analysen durchgeführt, wobei das Signifikanzniveau mit alpha=0,05 festgelegt wurde.<br />
Das adjustierte Endmodell wurde geschlechtsstratifiziert mittels binär logistischer<br />
Regression durch Rückwärtsselektion erstellt. Folgende Faktoren wurden (anfänglich) in<br />
das multivariable Modell aufgenommen: Alter, Arthrose, Arthritis, Osteoporose,<br />
Depression, BMI, Sport, Rauchen, Lebenspartner, soziale Schicht, Arbeitszeit, berufliche<br />
Stellung, tägliche Arbeit durch körperliche Beschwerden gestört. Adjustierte Odds Ratios<br />
(aOR) mit dazugehörigen 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) wurden berechnet.<br />
Methodik: Operationalisierung „akuter Rückenschmerz“<br />
Hatten Sie in den letzten 12 Monaten Rückenschmerzen?<br />
k.A.<br />
N=18<br />
nein ja ja, chronische RS<br />
N=3103<br />
N=4732<br />
N=465<br />
Nein<br />
N=5980<br />
Hatten Sie gestern RS?<br />
nein<br />
N=2877<br />
ja<br />
N=1849<br />
k.A.<br />
N=9<br />
Abb. 1: Operationalisierung von „akuten Rückenschmerzen (RS)“ in der<br />
Sekundärdatenanalyse (grün markiert: Kontrolle; rot markiert: Fall)<br />
80
V06<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Ergebnisse:<br />
Insgesamt konnten die Daten von 7829 Personen ausgewertet werden (53,1 % Frauen).<br />
Das Alter lag im Median bei 45 Jahren (Range: 18-96 Jahre). 33,7 % der Teilnehmer<br />
sind Raucher. Bei den Vorerkrankungen, die evtl. Einfluss auf die Angabe von akuten<br />
Rückenschmerzen haben könnten, berichteten 17,3% der Teilnehmer, an einer Arthrose<br />
zu leiden, 3,9 % an einer Arthritis. 3,3 % der Teilnehmer litten unter einer Osteoporose<br />
und 4,2 % unter einer Depression. Das Gesamtkollektiv setzt sich aus 46,2 % Vollzeit-<br />
Beschäftigten, 20,3 % Rentnern oder (Vor)Ruheständlern und 3,9 % Arbeitslosen<br />
zusammen. 61 % berichteten, als Angestellte oder Beamte tätig zu sein, 18,6 % als<br />
Arbeiter.<br />
Insgesamt gaben 28,5 % der Frauen und nur 18,1 % der Männer an, unter akuten<br />
Rückenschmerzen zu leiden.<br />
In der geschlechtsstratifizierten multivariablen Analyse (vgl. Tab. 1) sind die adjustierten<br />
Odds Ratios für Männer und Frauen zum Teil unterschiedlich ausgeprägt. Während z.B.<br />
bei Männern keine signifikante Assoziation zwischen akuten Rückenschmerzen und dem<br />
Rauchstatus nachgewiesen werden konnte, hatten Raucherinnen im Vergleich zu „Nie-<br />
Raucherinnen“ ein erhöhtes Risiko (aOR 1,37; 95%-KI 1,14-1,65), an akuten<br />
Rückenschmerzen zu leiden.<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen:<br />
Die zwischen den beiden Geschlechtern unterschiedlich verteilten bzw. ausgeprägten<br />
Risikofaktoren hinsichtlich der Prävalenz von akuten Rückenschmerzen lassen den<br />
Schluss zu, dass auch bei der Prävention von akuten Rückenschmerzen der Einfluss des<br />
Geschlechts als Moderator berücksichtigt werden sollte. Besonders rauchende Frauen<br />
aus der unteren sozialen Schicht mit relevanten Vorerkrankungen könnten von<br />
primärpräventiven Maßnahmen profitieren. Der deutliche Zusammenhang zwischen<br />
akuten Rückenschmerzen und Beschwerden bei der täglichen Arbeit könnte zu der<br />
Schlussfolgerung führen, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht gerade<br />
Präventivmaßnahmen am Arbeitsplatz erfolgversprechend sein könnten.<br />
81
V06<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Tab. 1: Akute Rückenschmerzen: geschlechtsstratifizierte multivariate Analyse*<br />
Risikofaktor Männer Frauen<br />
aOR 95%KI aOR 95%KI<br />
Alter 50-59 Jahre vs. 19-291,81 1,28-2,56<br />
Jahre<br />
Arthrose Ja vs. nein 2,82 2,25-3,52 2,10 1,72-2,56<br />
Osteoporose Ja vs. nein 2,10 1,53-2,87<br />
Depression Ja vs. nein 2,01 1,30-3,09 2,01 1,46-2,78<br />
Raucher Raucher vs. Nie-<br />
1,37 1,14-1,65<br />
Raucher<br />
Tägliche Arbeit durch Ein bisschen vs. 2,62 2,08-3,29 3,46 2,88-4,15<br />
körperliche<br />
überhaupt nicht<br />
Beschwerden gestört<br />
Mäßig vs. überhaupt4,61 3,53-6,03 5,41 4,35-6,73<br />
nicht<br />
Ziemlich bis stark vs. 7,16 5,17-9,93 7,27 5,42-9,77<br />
überhaupt nicht<br />
Erwerbsstatus Rente vs. Vollzeit 0,63 0,49-0,80<br />
Soziale Schicht Mittelschicht vs. 0,79 0,63-0,98<br />
Unterschicht<br />
Oberschicht vs. 0,60 0,47-0,78 0,71 0,56-0,90<br />
Unterschicht<br />
* Folgende Faktoren wurden in das multivariate Modell aufgenommen: Alter, Arthrose,<br />
Arthritis, Osteoporose, Depression, BMI, Sport, Rauchen, Lebenspartner, soziale<br />
Schicht, Arbeitszeit, berufliche Stellung, tägliche Arbeit durch körperliche Beschwerden<br />
gestört; dargestellt sind Befunde nach Rückwärtsselektion<br />
82
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Zeitanteile kniebelastender Tätigkeiten in ausgesuchten Berufen<br />
der Bauwirtschaft<br />
Dirk Ditchen 1 , Rolf Ellegast 1 , Bernd Hartmann 2 , Monika A. Rieger 3, 4<br />
1<br />
BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin,<br />
2<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hamburg,<br />
3<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />
Universität Witten/Herdecke,<br />
4<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />
Einleitung<br />
Ende 2005 empfahl der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für<br />
Gesundheit und Soziale Sicherung in einer wissenschaftlichen Begründung, die<br />
„Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer<br />
kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000<br />
Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht“ [1]<br />
als neue Berufskrankheit in die Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufzunehmen.<br />
Zu den relevanten Kniebelastungen wurden Tätigkeiten im Knien (mit und ohne<br />
Abstützung des Oberkörpers), Hocken, Fersensitz und Kriechen gezählt. Die Angaben<br />
zur Einwirkungsdauer wurden aus Studien abgeleitet, in denen Fragebögen zur<br />
Erfassung der Exposition eingesetzt wurden.<br />
Diese Legaldefinition einer neuen Berufskrankheit stellt die gesetzlichen<br />
Unfallversicherungsträger vor die Frage, in welchem Beruf wie lange typischerweise in<br />
den genannten Körperhaltungen gearbeitet wird. Da über Vorkommen und Zeitdauer<br />
kniebelastender Tätigkeiten in den verschiedenen Berufen keine gesicherten<br />
Erkenntnisse vorlagen, wurde 2006 im BGIA die Studie „GonKatast“ in Kooperation mit<br />
verschiedenen Berufsgenossenschaften (BG BAU, HBG, BGM, BGETF, LiBG, BGF)<br />
gestartet. Ziel der Studie ist die Erstellung eines Belastungskatasters auf Grundlage<br />
valider Messdaten für relevante Berufsgruppen wie Fliesenleger, Estrichleger,<br />
Installateur und Maler.<br />
Methodik<br />
Zur Erfassung der Körperhaltungen wurden Feldmessungen mit dem im BGIA<br />
entwickelten Messsystem CUELA durchgeführt [2]. Dieses Messsystem erlaubt die<br />
Untersuchung der relevanten Tätigkeiten direkt am Arbeitsplatz, ohne die Probanden<br />
einzuschränken. Die Auswertesoftware wurde dahingehend modifiziert, dass die<br />
relevanten Körperhaltungen (Knien mit und ohne Abstützung des Oberkörpers,<br />
Fersensitz, Hocken und Kriechen) automatisch erkannt und quantifiziert werden konnten<br />
(Abbildung 1). Durch eine parallel durchgeführte Dokumentation der gesamten<br />
Schichtinhalte durch einen Beobachter konnten die Einzelmessungen später so<br />
83
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
zusammengefügt werden, dass die Abbildung eines vollständigen Arbeitsschichtprofils<br />
mit den verschiedenen Tätigkeiten, Pausen, Fahrzeiten u. ä. möglich war. Um der<br />
Heterogenität und Komplexität der Berufe gerecht zu werden, wurden die Arbeitsinhalte<br />
in jeweils typische Tätigkeitsmodule gegliedert, wobei angestrebt wurde, pro<br />
Tätigkeitsmodul mindestens drei Probanden zu messen.<br />
Abbildung 1: a) Fliesenleger mit CUELA-Messsystem, b) Rekonstruktion der<br />
Körperhaltungen, c) Übersicht zu den Zeitanteilen kniebelastender Haltungen an der<br />
Arbeitsschicht<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt konnten 234 h Arbeitszeit messtechnisch erfasst werden, aus denen sich<br />
102 vollständige Arbeitsschichtprofile erstellen ließen (Tabelle 1). Die Zeitangaben der<br />
Kniebelastung in Minuten setzen sich dabei aus den Tätigkeiten Knien, Hocken,<br />
Fersensitz und Kriechen zusammen – jeweils bezogen auf eine „Standard-<br />
Arbeitsschicht“ von 8 h Dauer und angegeben als gerundeter Mittelwert aus den<br />
Einzelmessungen eines Moduls.<br />
Bei den Fliesenlegern konnten 20 Arbeitsschichten gemessen werden, die sich auf<br />
fünf Tätigkeitsmodule und drei „Sonderfälle“ verteilten. Die „Sonderfälle“ beinhalteten<br />
Tätigkeiten, die (heute) eher selten anzutreffen sind bzw. die keine typischen Tätigkeiten<br />
des Berufsbildes widerspiegeln. Alle untersuchten Fliesenleger-Arbeitsschichten wiesen<br />
eine Kniebelastung i. S. der wissenschaftlichen Begründung von über einer Stunde pro<br />
Standard-Arbeitsschicht auf. Spitzenwerte von über fünf Stunden lagen z. B. bei den<br />
Modulen „Bodenfliesen ausfugen“ (320 min) und „Bodenfliesen verlegen (Dünnbett)“<br />
(305 min) vor.<br />
84
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Tabelle 1: Dauer der Kniebelastung in verschiedenen Tätigkeitsmodulen von Fliesenlegern,<br />
Estrichlegern, Installateuren und Malern (S = „Sonderfall“)<br />
Tätigkeitsmodule<br />
Kniebelastung Kniebelastung gesamt<br />
Anzahl gesamt [min pro 8h-Schicht]<br />
Probanden<br />
[%] Mittelwert Median Min Max<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Fliesenleger<br />
Bodenfliesen verlegen,<br />
Dünnbett<br />
Wand- und Bodenfliesen<br />
verlegen, Dünnbett<br />
Wandfliesen verlegen,<br />
Dünnbett<br />
5<br />
1<br />
3<br />
64<br />
48<br />
29<br />
305 310<br />
230 230<br />
140 100<br />
250 375<br />
- -<br />
85 230<br />
4 Bodenfliesen ausfugen 2 67 320 320 310 330<br />
5 Wandfliesen ausfugen 5 29 140 150 95 160<br />
S1 Vorbereitungsarbeiten, Boden 2 27 130 130 110 155<br />
S2 Bodenfliesen verlegen, Dickbett 1 62 295 295 - -<br />
S3 Silikon-Ausfugarbeiten 1 33 160 160 - -<br />
Estrichleger<br />
1<br />
Fließestrich: Vorarbeiten<br />
(Dämmen)<br />
4 49 235 240 200 265<br />
2 Fließestrich: Einbauen 5 7 35 35 0 70<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Zementestrich: Einbauer 3-<br />
Mann-Kolonne<br />
Zementestrich: Glätter 3-Mann-<br />
Kolonne<br />
Zementestrich: Maschinist 3-<br />
Mann-Kolonne<br />
Zementestrich: Einbauer 2-<br />
S1 Mann-Kolonne<br />
Zementestrich: Maschinist 2-<br />
S2 Mann-Kolonne<br />
Installateur<br />
3 52 250 245 215 290<br />
3 33 160 155 95 230<br />
2 0 0 0 0 0<br />
1 55 265 265 - -<br />
2 18 85 85 75 95<br />
1 Fußbodenheizung-Vorbereitung 3 66 315 350 200 400<br />
2 Fußbodenheizungsmontage 5 40 195 175 120 290<br />
3 Heizkesselmontage 3 8 40 35 15 60<br />
4 Heizkörpermontage 3 51 245 235 225 275<br />
5 Rohrleitungsmontage 6 38 180 195 100 255<br />
6 Abwasserleitungsmontage 2 52 250 250 230 275<br />
7 Unterputzkastenmontage 2 35 165 165 80 255<br />
8 Sanitär-Feinmontage 4 42 200 205 185 205<br />
9 Dach-Anschlussarbeiten 4 20 95 65 35 220<br />
10 Dachrinnenmontage 3 6 30 15 0 70<br />
11 Photovoltaik-Montage,<br />
3 5 25 10 10 55<br />
85
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
12<br />
Flachdach<br />
Photovoltaik-Montage,<br />
Steildach<br />
2<br />
26 125 125 110 135<br />
S1 Leitungsmontage unter Decke 1 0 0 0 0 0<br />
Maler/Lackierer<br />
1 Fassadenvorbereitung 3 35 170 140 80 280<br />
2 Fassadenanstrich 3 9 45 35 25 70<br />
3 Fassade Vollwärmeschutz 5 9 45 5 0 130<br />
4 Tapezieren 3 24 115 95 95 155<br />
5 Lackierarbeiten, innen 2 35 170 170 140 200<br />
S1 Anstrich Treppenhaus 2 14 65 65 45 90<br />
S2 Decke tapezieren 2 0 0 0 0 0<br />
S3 Innenanstrich 1 3 15 15 15 15<br />
Bei den 20 untersuchten Arbeitsschichten der Estrichleger zeigte sich die Bedeutung<br />
der Einteilung nach Tätigkeitsmodulen: Während bei drei der fünf Tätigkeitsmodulen<br />
Kniebelastungen von deutlich mehr als einer Stunde auftraten (Spitzenwert: 265 min),<br />
konnte bei den Modulen „Fließestrich: Einbauen“ und „Zementestrich: Maschinist 3-<br />
Mann-Kolonne“ keine i. S. der wissenschaftlichen Begründung relevante Kniebelastung<br />
von über einer Stunde pro Arbeitsschicht gemessen werden.<br />
Das Berufsbild des Installateurs stellte sich deutlich komplexer dar als die beiden<br />
zuerst genannten. Dies wird deutlich durch die Gesamtzahl von zwölf untersuchten<br />
Tätigkeitsmodulen und einem „Sonderfall“, die in den 41 gemessenen Arbeitsschichten<br />
abgebildet werden konnten. Spitzenwerte der Kniebelastung wurden hier im Bereich der<br />
„Fußbodenheizung-Vorbereitung“ (315 min) und „Abwasserleitungsmontage“ (250 min)<br />
gemessen. Dagegen ließ sich bei drei Tätigkeitsmodulen keine relevante<br />
Kniebelastungsdauer im oben genannten Sinne feststellen. Insgesamt wurden bei ca.<br />
75% der Installateur-Arbeitsschichten Kniebelastungen von mehr als einer Stunde<br />
gemessen.<br />
Die Tätigkeit des Malers und Lackierers wurde in dieser Studie in fünf<br />
Tätigkeitsmodule und drei Sonderfälle unterteilt. Von den 21 untersuchten<br />
Arbeitsschichten wiesen ca. 60% eine Kniebelastung von mehr als einer Stunde auf. Die<br />
Spitzenwerte finden sich bei den Tätigkeitsmodulen „Lackierarbeiten, innen“ und<br />
„Fassadenvorbereitung“ mit jeweils 170 min. Diesen stehen Tätigkeitsmodule wie<br />
„Fassadenanstrich“ und „Vollwärmeschutz Fassade“ gegenüber, bei denen keine<br />
86
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
relevanten Kniebelastungszeiten i. S. der wissenschaftlichen Begründung nachgewiesen<br />
werden konnten.<br />
Diskussion<br />
Frühere Untersuchungen zu beruflichen Kniebelastungen setzten hinsichtlich der<br />
Expositionserhebung lediglich qualitative bis semiquantitative Methoden ein: In der Regel<br />
beruht die Erhebung der beruflichen Kniebelastungen auf standardisierten<br />
Probandenbefragungen (z. B. [3]) mit relativ großen Expositionsklassen wie „Knien > 1h<br />
am Tag“ [4]. In einer neueren Untersuchung [5] wurde die Dauer von Kniebelastungen<br />
zwar mittels Stoppuhr direkt am Arbeitsplatz gemessen, allerdings wurden die<br />
untersuchten Tätigkeiten nicht nach Modulen o. ä. unterteilt, sondern als Ergebnis jeweils<br />
ein Mittelwert der Kniebelastungsdauer für ein gesamtes Berufsbild angegeben.<br />
Die hier vorliegende Studie zeichnet sich nun durch einen hohen messtechnischen<br />
Aufwand zur systematischen Quantifizierung der Kniebelastungen am Arbeitsplatz in<br />
verschiedenen Berufen aus. Die Untersuchungen zeigen, dass das Ausmaß<br />
kniebelastender Tätigkeiten in den untersuchten Berufen je nach ausgeübter Tätigkeit<br />
und auch zwischen Probanden, die dieselbe Tätigkeit ausüben, stark variiert, so dass die<br />
reine Angabe des Berufes zur quantitativen Beurteilung der Kniebelastung als nicht<br />
ausreichend erscheint.<br />
Im Hinblick auf die in der wissenschaftlichen Begründung zitierten epidemiologischen<br />
Studien zum Gonarthroserisiko von Bauarbeitern kann aus dieser Untersuchung u.a.<br />
abgeleitet werden, dass die Berufsgruppe „Maler“ als Kontrollkollektiv [6, 7] ungeeignet<br />
erscheint aufgrund der z. T. auch hier vorliegenden hohen Kniebelastungszeiten.<br />
Die Ergebnisse der Studie können der Entwicklung gezielter Präventionsmaßnahmen zur<br />
Reduzierung beruflicher Kniebelastungen dienen und stellen zugleich eine hilfreiche<br />
Datengrundlage für die Anamnese in zukünftigen Berufskrankheiten-<br />
Feststellungsverfahren dar. Die Frage nach der Vergleichbarkeit von Mess- und<br />
Befragungsdaten ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.<br />
Literatur<br />
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wissenschaftliche<br />
Begründung für die Berufskrankheit „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder<br />
vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des<br />
Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von<br />
insgesamt einer Stunde pro Schicht“. Bundesarbeitsblatt 2005; (10): 46-54.<br />
87
V07<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Ellegast R, Hermanns I. Einsatz des Messsystems CUELA zur Erfassung und Bewertung<br />
physischer Arbeitsbelastungen. Information des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für<br />
Arbeitsschutz – BGIA, Sankt Augustin. 2006, März. Erhältlich unter:<br />
http://www.dguv.de/bgia/de/fac/ergonomie/pdf/cuela.pdf.<br />
Coggon D, Croft P, Kellingray S, Barrett D, McLaren M, Copper C. Occupational physical<br />
activities and osteoarthritis of the knee. Arthr. Rheum. 2000; 43: 1443-1449.<br />
Sandmark H, Hogstedt C, Vingard E. Primary osteoarthritis of the knee in men and<br />
women as a result of lifelong physical load from work. Scand. J. Work Environ Health.<br />
2000; 26: 20-25.<br />
Bolm-Audorff U, Kronen A, Hoffmann M, Riedel W. Dauer der Kniegelenksbelastung in<br />
ausgewählten Berufsgruppen. Symposium Medical. Arbeits- und Umweltmedizin. 2007;<br />
4: 8 -10.<br />
Wickström G, Hänninen K, Mattson T, Niskanen T, Riihimäki H, Zitting A. Knee<br />
degeneration in concrete reinforement workers. British J Ind Med. 1983; 40: 216-219.<br />
Kivimäki J, Riihimäki H, Hänninen K. Knee disorders in carpet floor layers and painters.<br />
Scand J Work Environ Health. 1992; 18: 310-316.<br />
88
V08<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Wirbelsäulenbelastung von Pflegepersonen beim Transfer<br />
schwergewichtiger Patienten<br />
Claus Jordan 1 , Andreas Theilmeier 1 , Norbert Wortmann 2 , Stefan Kuhn 3 , Alwin Luttmann 1 ,<br />
Matthias Jäger 1<br />
1 IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund,<br />
2 BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hauptverwaltung, Hamburg<br />
3 BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Präventionsdienst Mainz,<br />
Ziel der Studie – In vorhergehenden Kooperationen der Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und des Leibniz-Instituts für<br />
Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) wurde für einen großen Teil von<br />
Pflegetätigkeiten mit Patiententransfer, die von der BGW als „sicher gefährdend“<br />
hinsichtlich der Überlastung der Lendenwirbelsäule eingestuft werden, eine<br />
biomechanische Bewertung der Wirbelsäulenbelastung durchgeführt. Dabei wurden<br />
Kennwerte für die Druckkraft auf die Lendenwirbelsäule abgeleitet, die seither von der<br />
BGW in Feststellungsverfahren zur Berufskrankheit Nr. 2108 (BMA 1992) genutzt<br />
werden und die vormals verwendete Werte aus Expertenschätzungen (Kuhn et al. 2001)<br />
ersetzen (Jäger et al. 2003, 2005; Theilmeier et al. 2006a). Zusätzlich wurden mit dem<br />
Ziel der Ableitung biomechanisch begründeter Präventionsmaßnahmen verschiedene<br />
Arbeitsweisen („optimiert“, „optimiert mit Kleinen Hilfsmitteln“) identifiziert, mit denen die<br />
Wirbelsäulenbelastung der Pflegepersonen erheblich reduziert werden kann (Jäger et al.<br />
2008, Jordan et al. 2008, Theilmeier et al. 2008). Diese Forschungsvorhaben, wie auch<br />
die von der BGW in BK-Verfahren genutzte Vorgehensweise zur Berechnung der<br />
Belastungsdosis der Lendenwirbelsäule, fokussierten auf Pflegetätigkeiten mit<br />
normalgewichtigen Patienten. Die demographische Entwicklung in Deutschland mit<br />
deutlicher „Akzeleration” legt nahe, dass mit dem Körperlängenwachstum auch das<br />
durchschnittliche Gewicht von Patienten, die vom Pflegepersonal bewegt werden,<br />
ansteigt. Zur Zeit fehlen wissenschaftlich abgesicherte Werte sowohl zur<br />
Wirbelsäulenbelastung beim Bewegen von schwergewichtigen Patienten für die<br />
praktische Anwendung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren als auch für weitere<br />
Präventionsmaßnahmen. Bleibt dieser Sachverhalt der Gewichtszunahme<br />
unberücksichtigt, kann es bei der Verwendung der bisher ermittelten Kennwerte in BK-<br />
Feststellungsverfahren zu einer Unterschätzung der Belastung und des<br />
Überlastungsrisikos des Pflegepersonals kommen. Ziel des hier beschriebenen<br />
Forschungsvorhabens ist es daher, die Wirbelsäulenbelastung des Pflegepersonals beim<br />
Bewegen schwer- und übergewichtiger Patienten für ausgewählte Tätigkeiten zu<br />
quantifizieren und insbesondere das Ausmaß der Belastungserhöhung aufgrund des<br />
erhöhten Körpergewichts zu ermitteln. Zusätzlich soll exemplarisch der Einfluss des<br />
„Körperbautyps“ erhoben werden.<br />
89
V08<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Methode – Die Wirbelsäulenbelastung wurde „indirekt“ durch die Verwendung eines<br />
sogenannten biomechanischen Modells, des Simulationswerkzeugs Der Dortmunder<br />
(Jäger et al. 2000), ermittelt. Die Quantifizierung der Wirbelsäulenbelastung erfordert<br />
Informationen zum einen hinsichtlich der von der Pflegeperson ausgeübten Kräfte und<br />
zum anderen hinsichtlich ihrer Körperhaltung. Die Körperhaltungserfassung wurde durch<br />
Videodokumentationen aus unterschiedlichen Perspektiven in Kombination mit einem<br />
optoelektronischen Körperhaltungs- und -bewegungsmesssystem, bei dem Infrarot-<br />
Leuchtdioden an mehreren Körpersegmenten der Pflegeperson angebracht und deren<br />
räumliche Position bei der Tätigkeitsausführung messtechnisch „verfolgt“ wird, erfasst<br />
(Jordan 2003a,b). Für die Analyse der durch die Pflegeperson aufgebrachten Kräfte<br />
wurde hier das aus den früheren Untersuchungen bewährte System „Messbett“ – bei<br />
dem an den Eckpunkten eines Bettrahmens 3-achsige Kraftaufnehmer eingebaut wurden<br />
– weiterentwickelt und eingesetzt (Theilmeier 2006, Theilmeier et al. 2006b). Unter<br />
Verwendung der erhobenen Körperhaltungs- und Kraftdaten wurden mit Hilfe des<br />
Dortmunder verschiedene Kenngrößen der Wirbelsäulenbelastung (Kräfte und Momente<br />
an der lumbosakralen Bandscheibe) bestimmt.<br />
Für die aktuelle Studie wurden aus den 16 Pflegetätigkeiten, die bislang für Patienten mit<br />
einem Gewicht von 65 kg bzw. 80 kg hinsichtlich der Wirbelsäulenbelastung untersucht<br />
worden sind, Tätigkeiten ausgewählt, bei denen zwar einerseits eine außergewöhnliche<br />
Belastung des Pflegepersonals erwartet wird, die jedoch andererseits auch von einer<br />
Pflegeperson noch allein ausgeführt werden können, ohne offensichtlich oder fahrlässig<br />
biomechanische Überlastungen zu provozieren. Unter Einhaltung dieser Kriterien wurden<br />
die Tätigkeiten „Drehen des Patienten auf die Seite“, „Bewegen des Patienten in<br />
Richtung Kopfende“ und „Bewegen des Patienten vom Liegen an die Bettkante “ für die<br />
Messungen ausgewählt. Dem Patientenkollektiv gehörten Personen mit einem<br />
Körpergewicht von 90 kg bis zu 150 kg (in Stufen von 20 kg) an. Darüber hinaus wurden<br />
für das Patientengewicht 110 kg exemplarisch zwischen einem eher kurzen,<br />
„gedrungenen“ und einem eher langen Körperbautyp unterschieden. Weitere<br />
Untersuchungsvarianten ergaben sich aus den drei verschiedenen Arbeitsweisen<br />
(konventionell, optimiert und optimiert mit Kleinen Hilfsmitteln) und zwei Aktivitätsgraden<br />
des Patienten (eher aktiv sowie eher passiv).<br />
Ergebnisse – Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen teilweise einen eindeutigen<br />
Zusammenhang zwischen dem Patientengewicht und der Wirbelsäulenbelastung der<br />
Pflegepersonen. Das in Abbildung 1 dargestellte Diagramm verdeutlicht am Beispiel der<br />
untersuchten Tätigkeit „Bewegen des Patienten vom Liegen an die Bettkante“, dass sich<br />
die Belastungen der Wirbelsäule in Abhängigkeit des Patientengewichts für 80 und 110<br />
kg erhöhen. Das Druckkraftmaximum während der jeweiligen Aktion steigt von 3,3 kN für<br />
90
V08<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
einen Patienten mit einem Körpergewicht von 80 kg über 3,7 kN bei 90 kg auf 5,4 kN<br />
bzw. 6,5 bei 110 kg an. Das Beispiel dieser Messung an einem 110 kg schweren<br />
Patienten verdeutlicht die zusätzlich zum Patientengewicht existierende Abhängigkeit der<br />
Wirbelsäulenbelastung der Pflegeperson zum Körperbautyp des Patienten. Ein<br />
gedrungener Körperbau mit vergleichsweise kurzen Beinen und einem schweren<br />
Oberkörper verursacht – speziell bei der hier untersuchten Tätigkeit – eine höhere<br />
Wirbelsäulenbelastung als ein langer Körperbau, bei dem die Gewichtsanteile der<br />
Körpersegmente bezüglich des Beckens, das bei dieser Bewegung als Dreh- bzw.<br />
Auflagerpunkt fungiert, gleichmäßiger verteilt sind. Eine Abweichung der Abhängigkeit<br />
der Wirbelsäulenbelastung vom Patientengewicht wurde beim Bewegen eines Patienten<br />
mit 65 kg gefunden. Entsprechende Analysen der zugehörigen Videoaufnahmen lassen<br />
Abbildung 1: Wirbelsäulenbelastung der Pflegeperson beim Bewegen des Patienten vom Liegen<br />
an die Bettkante unter Einbeziehung von Patienten mit einem Körpergewicht von 65 bis 110 kg<br />
mit kurzem bzw. langen Körperbau. (Details zu dem mit einem roten Kreis markierten Wert siehe<br />
Text)<br />
vermuten, dass die vergleichsweise hohe Belastung der Lendenwirbelsäule auf eine sehr<br />
ruckhafte Ausführung des Patiententransfers zurückzuführen ist.<br />
Schlussfolgerungen – Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen, dass bei der<br />
Durchführung von Patiententransfertätigkeiten mit schwergewichtigen Patienten ein<br />
erhöhtes Patientengewicht mit einer erhöhten Wirbelsäulenbelastung einhergeht. In<br />
einigen Fällen wurden jedoch auch Ausführungsvarianten der Tätigkeit festgestellt, bei<br />
denen ein eher geringes Patientengewicht zu einer hohen Wirbelsäulenbelastung führte.<br />
Nach weiterer Auswertung der Erhebungen sind wissenschaftlich abgesicherte Werte zu<br />
91
V08<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
vermeintlich belastenden Tätigkeiten in Abhängigkeit vom Patientengewicht für die<br />
Verwendung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren zu erwarten. Mit Hilfe der<br />
erhobenen Daten wird es weiter möglich sein, präventive Interventionsmaßnahmen zur<br />
Verringerung der Belastung bei entsprechenden Pflegetätigkeiten zu entwickeln und zu<br />
beurteilen.<br />
Literatur<br />
BMA: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Zweite Verordnung zur Änderung<br />
der Berufskrankheitenverordnung. Bundesgesetzblatt I, Nr. 59, 1992, S. 2343-2344.<br />
Jäger M, Luttmann A, Göllner R, Laurig W: Der Dortmunder: Biomechanische<br />
Modellbildung zur Bestimmung und Beurteilung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei<br />
Lastenhandhabungen. In: Radandt, S, Grieshaber, R, Schneider, W (Hrsg.) Prävention<br />
von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und Erkrankungen. Monade, Leipzig 2000, S.<br />
105-124.<br />
Jäger M, Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A: Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 3:<br />
Ermittlung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei ausgewählte Pflegetätigkeiten mit<br />
Patiententransfer. Teil 1: Entwicklung und exemplarische Anwendung der Methodik.<br />
Shaker, Aachen 2003.<br />
Jäger M, Theilmeier A, Jordan C, Luttmann A: wie zuvor, Teil 2: Belastungskennwerte<br />
von sicher gefährdenden Tätigkeiten im Sinne der Berufskrankheit 2108. Shaker,<br />
Aachen 2005.<br />
Jäger M., Theilmeier A, Jordan C. Luttmann A: wie zuvor, Teil 3: Biomechanische<br />
Beurteilung von Tätigkeiten im Gesundheitsdienst hinsichtlich der Möglichkeit zur<br />
Prävention von Gefährdungen der Wirbelsäule. Shaker, Aachen 2008.<br />
Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A, Jäger M: Opto-electronic posture recording during<br />
patient transfer for determining lumbar load. In: Strasser H, Kluth K, Rausch H, Bubb H<br />
(Eds.): Quality of work and products in enterprises of the future. Qualität von Arbeit und<br />
Produkt in Unternehmen der Zukunft Stuttgart: ergonomia Verlag, 2003 pp. 1010-1013<br />
Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A, Jäger M: Lumbar load during care-activities with<br />
patient transfer. Part 1: Determination of postures and movements. In: de Waard D,<br />
Brookhuis KA, Sommer SM, Verwey WB. (Eds.) Human Factors in the Age of Virtual<br />
Reality, Shaker, Maastricht 2003b, pp. 235-238.<br />
Jordan C, Theilmeier A, Wortmann N, Kuhn S, Luttmann A, Jäger M: Beurteilung der<br />
Wirbelsäulenbelastung bei Patiententransfers im Hinblick auf die Anwendung präventiver<br />
Maßnahmen. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 43 (2008)178.<br />
Kuhn S, Baumann W, Lang R, Wortmann N: MDD-Pflege - Vorläufige Dosisberechnung<br />
(Gesundheitsdienst). In: BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.). BGW,<br />
Hamburg 2001.<br />
Theilmeier A: Erfassung von zeitvarianten Aktionskräften zur Erhebung der<br />
mechanischen Wirbelsäulenbelastung bei ausgewählten beruflichen Tätigkeiten.<br />
Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 1106. VDI-Verlag, Düsseldorf 2006.<br />
Theilmeier A, Jordan C, Wortmann N, Kuhn S, Nienhaus A, Luttmann A, Jäger M:<br />
Belastung der Lendenwirbelsäule von Pflegepersonen bei Patiententransfers –<br />
Kennwerte zur Nutzung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren. Zbl Arbeitsmed 56<br />
(2006a) 228-251.<br />
92
V08<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Theilmeier A, Jordan, C Luttmann A, Jäger M. & DOLLY Group: Measurement of exerted<br />
forces for determining nurses' lumbar load during patient transfers. In: Pikaar RN,<br />
Koningsveld EAP, Settels PJM. (Eds.) Meeting Diversity in Ergonomics. CD-ROM paper,<br />
Elsevier, Amsterdam 2006b.<br />
Theilmeier A, Jordan C, Wortmann N, Kuhn St, Luttmann A, Jäger M: Risk prevention for<br />
health-care workers by reduction of lumbar load during patient-transfer activities. In:<br />
Mondelo P, Mattila M, Karwowski W, Hale A (Eds.), Proceedings of the Sixth<br />
International Confer-ence on Occupational Risk Prevention. ORP, La Coruña, Spain,<br />
2008.<br />
Danksagung: Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Barbara-Beate Beck und Frau Beate<br />
Wiedmann (Forum fBB Hamburg) sowie Herrn Dietmar Frenk (Herdecke) für die<br />
kompetente und konstruktive Zusammenarbeit.<br />
93
V09<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Verteilung von Knorpelschäden in Beziehung zur beruflichen<br />
Belastung. Ergebnisse einer arthroskopischen Studie<br />
Gunter Spahn 1 , Reinhard Bartsch 2 , Gunther Hofmann 3 , Marcel Peter 2 , Rainer Schiele 2<br />
1 Unfallchirurgie und Orthopädie, Praxisklinik Eisenach<br />
2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
3 Klinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
Zielstellung:<br />
Arthroskopische Studie zum altersadjustierten Vergleich von Schweregrad und<br />
Verteilung der Knorpelschäden des Kniegelenks bei leichter und schwerer beruflicher<br />
Belastung sowie bei Tätigkeiten mit hockender oder kniender (BK-relevanter)<br />
Arbeitsposition.<br />
Material und Methode<br />
Patienten:<br />
75 männliche Patienten, davon je 25 Büroarbeiter, 25 Bauarbeiter ohne besondere<br />
kniende Tätigkeit und 25 Bauarbeiter mit zusätzlicher Kniebelastung (Fliesenleger,<br />
Installateure) wurden nach einer mindestens 3-monatigen Knieschmerzanamnese<br />
arthroskopiert.<br />
Durch das Computerprogramm SPSS wurden insgesamt 4 Alterscluster ermittelt: 25<br />
Jahre (n=15), 42 Jahre (n=25), 59 Jahre (n=17) und 71 Jahre (n=18).<br />
Es wurde für alle Gelenkkompartimente getrennt die Knorpelschädigung der Belastungsund<br />
Nichtbelastungs-zone bestimmt.<br />
Ergebnisse:<br />
Signifikante Unterschiede fanden sich bezüglich der Schweregrade der<br />
Knorpelschädigung bei Vergleich der Alterscluster. Mit zunehmendem Alter nahm sowohl<br />
Häufigkeit als auch Schweregrad der Schäden zu.<br />
In den Hauptbelastungszonen der Kondylen und Tibiaplateaus sowie im Bereich der<br />
zentralen Fläche der Patella zu fanden sich signifikant schwerere Chondropathien als im<br />
Bereich der weniger belasteten Ränder.<br />
Die gravierendsten Knorpelschäden fanden sich im Bereich des medialen Femurkondyls,<br />
gefolgt von der Patellarückfläche.<br />
Innerhalb der Altersklassen fanden sich keine Unterschiede bezüglich des<br />
Schweregrades oder der Lokalisation der Knorpelschäden in Abhängigkeit von den von<br />
den Patienten angegebenen Tätigkeiten.<br />
94
V09<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die Annahme, dass kniende Tätigkeiten oder schwere berufliche Belastung zu einer<br />
höheren Frequenz von Knorpelschäden innerhalb des Kniegelenkes führen, konnte<br />
durch die Untersuchung nicht bestätigt werden. Es fand sich ein erwartungsgemäßer<br />
Anstieg der Frequenz der Knorpelschäden mit zunehmendem Lebensalter. Hinweise<br />
darauf, dass Patienten mit schwerer körperlicher Tätigkeit oder gar knienden Berufen ein<br />
anderes Verteilungsmuster von Knorpelschäden aufweisen, konnte durch unsere<br />
Untersuchungen nicht bestätigt werden. Insofern können Knien und schwere körperliche<br />
Tätigkeit nicht als ursächlich für druck- und schwerbelastungsbedingte Knorpelschäden<br />
des Kniegelenkes angesehen werden.<br />
95
V10<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Multiple Gesundheitsbeschwerden bei Beschäftigten mit<br />
Befunden am Muskel-Skelett-System<br />
Bernd Hartmann, Dirk Seidel<br />
BG der Bauwirtschaft – Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg<br />
1. Zielsetzung<br />
Muskel-Skelett-Erkrankungen haben neben körperlichen auch psychosomatische<br />
Ursachen, die zur Klagsamkeit führen können. Ihre Berücksichtigung in der Diagnostik<br />
kann umfassender als allein auf somatischer Grundlage die Entstehung von<br />
Beschwerden und Befunden erklären. In dieser Untersuchung wird geprüft, wie stark<br />
gehäufte körperliche Beschwerden außerhalb des Muskel-Skelett-Systems verbunden<br />
sind mit Rücken- oder Gelenkbeschwerden sowie mit Befunden am Muskel-Skelett-<br />
System.<br />
2. Material und Methoden<br />
Es werden die Daten von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen an 99.000<br />
männlichen Beschäftigten der Bauwirtschaft und des Reinigungsgewerbes aus<br />
Norddeutschland ausgewertet. Die Untersuchungen fanden zwischen 1994 und 2003<br />
beim AMD der BG BAU – Region Hamburg statt. Als Kriterium der Unterscheidung<br />
zwischen Beschäftigten ohne oder mit multiplen, jedoch für das Muskel-Skelett-System<br />
unspezifischen Beschwerden - sog. „Vielfachbeschwerden“ = VFB galt die Angabe von<br />
≥4 Beschwerden an anderen Organen.<br />
3. Ergebnisse<br />
Für das Muskel-Skelett-System unspezifische Beschwerden betreffen insbesondere<br />
„häufigen Schnupfen“ (20,9%), „Hauterkrankungen“ (11,3%) und „Kopfschmerzen“<br />
(11,0%) sowie „Halsentzündungen“ (9,3%) – Bild 1.<br />
Die Häufigkeiten der Beschwerden im Rücken und in den Gelenken – auf Grund der<br />
Struktur des Routineinstruments für die Vorsorge nicht nach Körperregionen differenziert<br />
erfasst – zeigt in allen Altersgruppen erhebliche Steigerungen der Beschwerden für VFB-<br />
Personen gegenüber jenen, die keine oder nur 1 bis 3 Beschwerden angaben - Bild 2.<br />
Dabei nehmen die Unterschiede mit steigendem Alter ab.<br />
96
V10<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Bild 1: Häufigkeiten der Angaben subjektiver Beschwerden am Muskel-Skelett-System (MSS)<br />
sowie bei 10 weiteren für das MSS unspezifischen Angaben bei Männern<br />
Rückenbeschwerden<br />
41,6<br />
Gelenkbeschwerden<br />
30,0<br />
Schnupfen<br />
20,9<br />
Hauterkrankungen<br />
11,3<br />
Kopfschmerzen<br />
11,0<br />
Halsentzündungen<br />
9,3<br />
Allergien<br />
9,2<br />
Magen-/Darmbeschwerden<br />
8,7<br />
Bronchitis<br />
7,3<br />
Herz-/Kreislaufbeschwerden<br />
6,9<br />
Schwindel- / Gleichgewst.<br />
6,9<br />
Erkältungskrankheiten<br />
5,2<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45<br />
Anteil mit Beschwerden in %<br />
Bild 2: Häufigkeitsunterschiede der Angabe von Rückenschmerzen bzw. Gelenkbeschwerden bei<br />
Männern ohne / mit Vielfachbeschwerden.<br />
Rückenschmerzen 0 - 3<br />
100<br />
80<br />
Rückenschmerzen 4 und mehr<br />
Gelenbeschwerden 0 - 3<br />
Gelenbeschwerden 4 und mehr<br />
76,1<br />
80,3<br />
89,7<br />
81,5<br />
92,0<br />
86,3<br />
mit Beschwerden in %<br />
60<br />
40<br />
58,1<br />
38,4<br />
31,7<br />
58,3<br />
38,6<br />
63,5<br />
25,3<br />
47,9<br />
34,4<br />
59,5<br />
47,5<br />
20<br />
17,8<br />
20,0<br />
6,6<br />
0<br />
bis 24 25 - 34 35 - 44 45 - 54 55 und älter<br />
Altersgruppe<br />
Die Häufigkeiten der Angabe von unspezifischen Beschwerden wirken sich auch auf die<br />
Feststellung klinischer Befunde am Muskel-Skelett-System durch die Betriebsärzte aus.<br />
Eine schmerzhafte Verhärtung der paravertebralen Muskulatur<br />
der LWS-Region findet sich bei Vielfachbeschwerden etwa doppelt so häufig (OR =<br />
2,2 / 1,9 – 2,5), in<br />
der HWS-Region ähnlich stark gehäuft (OR = 2,3 / 2,1 – 2,6).<br />
97
V10<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
In den Gelenkregionen sind<br />
an den oberen Extremitäten die Schultergelenke am stärksten betroffen (OR = 2,0 /<br />
1,7 – 2,5), gefolgt von den Ellenbogengelenken (OR = 1,8 / 1,4 – 2,4).<br />
an den unteren Extremitäten sind Hüft- und Kniegelenke etwa gleich stark betroffen<br />
(OR = 1,8 / 1,4 – 2,5 bzw. OR = 1,8 / 1,5 – 2,1).<br />
4. Diskussion und Schlussfolgerungen<br />
Vielfach (≥4x) auftretende und weitgehend für das Muskel-Skelett-System unspezifische<br />
allgemeine Gesundheitsbeschwerden haben bei jüngeren Beschäftigten die stärkste<br />
Beziehung sowohl zu Rückenbefunden als auch zu Gelenkbeschwerden. Mit steigendem<br />
Alter wird dieser Unterschied zwar relativ geringer. Das dürfte insbesondere auf die<br />
steigende Zahl weiterer körperlicher Beeinträchtigungen zurückzuführen sein. Damit<br />
bekommen zunehmend gesundheitlich beeinträchtigte Personen vielfache Beschwerden.<br />
Andererseits ist zu beachten, dass unter den älteren Beschäftigten nahezu alle Personen<br />
mit Vielfachbeschwerden sowohl Rückenschmerzen (ab 55 Jahre 92,0%)als auch<br />
Gelenkbeschwerden (ab 55 Jahre 86,3%) angeben.<br />
Die Berücksichtigung nichtskelettaler Vielfachbeschwerden gibt Hinweise auf eine<br />
mögliche Klagsamkeit bei jüngeren Beschäftigten, im fortgeschrittenen Alter jedoch auch<br />
auf die zunehmende Multimorbidität. Die orientierende Abschätzung von<br />
Vielfachbeschwerden außerhalb des Muskel-Skelett-Systems kann vergleichbar mit einer<br />
Beschwerdenskala vorgenommen werden. Sie ist bei klinischer Wertung der Art der<br />
Klagen geeignet, ohne den Einsatz eines besonderen Werkzeugs wie Fragebogen zur<br />
Erkennung psychosomatischer Beeinträchtigungen bei Krankheitsbildern am Muskel-<br />
Skelett-System in Betriebsarzt-Untersuchungen beizutragen.<br />
98
V11<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Messtechnische Analyse von ungünstigen Körperhaltungen bei<br />
Pflegekräften: Kranken- und Altenpflege im Vergleich<br />
Sonja Freitag 1 , Isabell Fincke 1 , Rolf Ellegast 2 , Albert Nienhaus 1<br />
1 Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />
Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />
2 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
Beschäftigte in Pflegeberufen weisen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von<br />
muskuloskelettalen Beschwerden im Bereich des Rückens auf. Bislang wurden vor allem<br />
Hebe- und Tragevorgänge als Hauptursachen verantwortlich gemacht. Allerdings ließ<br />
sich in entsprechenden Studien, die überwiegend auf das Erlernen von<br />
Transfertechniken und den Einsatz von Hilfsmitteln fokussierten, kein ausreichender<br />
Effekt im Hinblick auf die Reduktion von Rückenbeschwerden bei Pflegekräften<br />
nachweisen. Daher liegt es nahe, dass zusätzliche Faktoren, wie statische<br />
Körperhaltungen oder häufiges Beugen des Oberkörpers, an der Entstehung von<br />
Rückenbeschwerden beteiligt sind 1,2 . Ziel der vorliegenden Studie ist die messtechnische<br />
Analyse, wie häufig und in welchem Ausmaß Pflegekräfte in Krankenhäusern und<br />
Altenpflegeeinrichtungen ungünstige Körperhaltungen einnehmen und bei welchen<br />
Tätigkeiten es besonders häufig zu solchen Körperhaltungen kommt. Durch die<br />
Identifizierung entsprechender Arbeitssituationen soll ein Schulungskonzept entwickelt<br />
werden, das Pflegekräfte in die Lage versetzt, die Anzahl ungünstiger Körperhaltungen in<br />
ihrem Arbeitsalltag zu verringern.<br />
In der vorliegenden Untersuchung trugen 31 Pflegekräfte aus 7 Krankenhäusern und 4<br />
Altenpflegeeinrichtungen in jeweils drei aufeinander folgenden Frühdienstschichten das<br />
CUELA-Messsystem (Abb 1). Mit Hilfe von Sensoren<br />
erfasst dieses Messsystem sowohl Oberkörper- als auch<br />
Beinhaltungen. Die an den Gelenken und am Oberkörper<br />
angebrachten Sensoren liefern die erforderlichen Lagebzw.<br />
Winkelinformationen und ermöglichen so die<br />
kinematische Rekonstruktion der Bewegungen des<br />
Probanden. Während der Messung wurden die<br />
Probanden zusätzlich mit einer Videokamera gefilmt.<br />
Nach der Synchronisation der Mess- und Videodaten<br />
konnten auf diese Weise nicht nur Anzahl und Ausmaß<br />
der ungünstigen Körperhaltungen bestimmt werden,<br />
sondern es ließen sich auch diejenigen Tätigkeiten<br />
„sichtbar“ machen, die diese Körperhaltungen überwiegend hervorgerufen haben.<br />
99
V11<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Für die ergonomische Bewertung werden die Oberkörperbewegungen in<br />
unterschiedliche Winkelklassen eingeteilt (DIN EN 1005-4, DIN EN-1005-1, ISO 11226).<br />
Darunter fallen z. B. Oberkörpervorneigungen in einem Winkel von mehr als 20 oder<br />
mehr als 60 Grad. Aber auch unsymmetrische Bewegungen durch Oberkörper-<br />
Seitneigungen oder Verdrehungen zwischen der Brust- und Lendenwirbelsäule zählen<br />
dazu. Als ungünstig bewertet werden ebenfalls so genannte statische Körperhaltungen.<br />
Darunter sind Körperhaltungen außerhalb des Neutralbereichs zu verstehen, die länger<br />
als 4 Sekunden eingenommen werden. Im Anschluss an die Messungen wurden anhand<br />
der Videoaufnahmen diejenigen Tätigkeiten ermittelt, bei denen die Probanden starke<br />
Oberkörperneigungen über 60 Grad bzw. statische Körperhaltungen über 20 Grad<br />
eingenommen haben. Diese Tätigkeiten wurden zu Tätigkeitsgruppen zusammen<br />
gefasst, wie z. B.: "Grundpflege im Bett", "Betten machen", "Mobilisation",<br />
"Behandlungspflege", "Umgang mit Materialien", "Dekubitusprophylaxe" oder<br />
"Aufräumen, Putzen, Entsorgen".<br />
Zusätzlich wurden die Häufigkeit und die Gesamtdauer aller Tätigkeiten mit<br />
Lastentransfer ermittelt, bei denen eine hohe Druckbelastung der Bandscheibe L5/S1<br />
nachgewiesen wurde. Dazu gehören Tätigkeiten, bei denen Gegenstände<br />
(Wäschesäcke, Bettgitter, Geräte etc.) bewegt werden und auch der Transfer von<br />
Patienten, wie z. B. das Umsetzen von der Bettkante in den Rollstuhl oder das Aufrichten<br />
des Oberkörpers im Bett. Vor- und Nachbereitungen, die bei den meisten<br />
Patiententransfers erforderlich sind, werden zeitlich nicht berücksichtigt, sondern<br />
lediglich die Dauer des eigentlichen Hebe- bzw. Tragevorgangs.<br />
Da die Pflegekräfte einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit Tätigkeiten am Patienten- bzw.<br />
Bewohnerbett verbringen, sollte ein Laborversuch darüber hinaus Aufschluss bringen, ob<br />
und in welchem Ausmaß die Optimierung der Betthöhe einen Einfluss auf die Anzahl von<br />
ungünstigen Körperhaltungen hat. Dazu absolvierten drei Probanden nach einem<br />
standardisierten Ablauf typische Pflegetätigkeiten (Aufnehmen der Vitalparameter,<br />
Waschen und Umlagern eines Patienten, Laken wechseln etc.). Die Probanden führten<br />
den standardisierten Ablauf der genannten Pflegetätigkeiten je zwei Mal an drei<br />
unterschiedlichen Betthöhen durch (Kniehöhe, Mitte Oberschenkel, Leistengegend).<br />
Bei Altenpflegekräften wurden pro Arbeitsschicht im Mittel 1529 Oberkörperneigungen<br />
über 20 Grad und 307 Neigungen über 60 Grad erfasst. Insgesamt waren die<br />
Altenpflegekräfte durchschnittlich 2 Stunden ihrer Arbeitszeit in vorgeneigter Haltung von<br />
mehr als 20 Grad tätig. Überwiegend hervorgerufen wurden die starken Neigungen über<br />
100
V11<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
60 Grad durch die Tätigkeiten „Grundpflege“, „Betten machen“ und „Mobilisation der<br />
Bewohner“. Die Anzahl der statischen Neigungen über 20 Grad°, die länger als 4<br />
Sekunden eingenommen wurden, beträgt durchschnittlich 443-mal. Im Mittel wurden 30<br />
Lastentransfers durchgeführt. Alle Transfervorgänge nahmen zusammen etwa eine<br />
Zeitdauer von fünf Minuten pro Arbeitsschicht ein.<br />
In der Krankenpflege (chirurgische und internistische Stationen) hingegen wurden<br />
Neigungen über 20 Grad im Mittel 1214-mal und über 60 Grad 121-mal eingenommen.<br />
Insgesamt waren die Krankenpflegekräfte durchschnittlich 1 Stunde und 17 Minuten ihrer<br />
Arbeitszeit in vorgeneigter Haltung von mehr als 20 Grad tätig. Die starken Neigungen<br />
wurden hier überwiegend durch die Tätigkeiten „Betten machen“, Ein-/Ausräumen von<br />
Materialien“ und „Aufräumen, Putzen“ verursacht. Statische Neigungen wurden 245-mal<br />
eingenommen. Im Mittel wurden 13 Lastentransfers durchgeführt. Alle Transfervorgänge<br />
nahmen zusammen etwa eine Zeitdauer von drei Minuten pro Arbeitsschicht ein.<br />
Die Auswertung des Laborversuchs ergab, dass die Probanden bei der Betthöhe in<br />
Kniehöhe ein Drittel der Messzeit in aufrechter Körperhaltung und über zehn Prozent der<br />
Zeit in starker Oberkörpervorneigung verbrachten. Bei der Justierung des Bettes auf<br />
Leistenhöhe hingegen verbrachten die Probanden zwei Drittel der Messzeit in aufrechter<br />
Haltung. Starke Rumpfneigungen über 60 Grad traten nicht mehr auf.<br />
Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Stationen waren an allen drei Messtagen<br />
vollständig belegt und alle Probanden hatten bettlägerige und pflegebedürftige Patienten<br />
zu versorgen. Dennoch wurden im Mittel nicht mehr als 30 Transfervorgänge (Altenheim)<br />
bzw. 13 Transfervorgänge (Krankenhaus) pro Arbeitsschicht durchgeführt. Die Zeit, die<br />
für diese Transfervorgänge benötigt wurde, betrug im Mittel weniger als drei bis fünf<br />
Minuten pro Arbeitsschicht. Würde man lediglich die reinen Hebevorgänge für eine<br />
Belastungsanalyse bei den an der Studie beteiligten Pflegekräften heranziehen, so<br />
blieben 98% der hier gemessenen Arbeitszeit unbewertet. Die Auswertung der<br />
gemessenen Körperhaltungen hingegen zeigt, dass die Altenpflegekräfte im Laufe einer<br />
Arbeitsschicht eine Vielzahl von ungünstigen Körperhaltungen eingenommen haben und<br />
im Mittel zwei Stunden in einer vorgeneigten Oberkörperhaltung gearbeitet haben. Der<br />
Laborversuch macht im Hinblick auf die Betthöhe deutlich, dass die Optimierung der<br />
Arbeitshöhe einen hohen Einfluss auf die Anzahl der ungünstigen Körperhaltungen hat.<br />
Pflegekräfte können durch eine optimierte Arbeitshöhe am Bett nicht nur die starken<br />
Rumpfneigungen fast vollständig vermeiden, sondern erhöhen dadurch auch den<br />
Zeitanteil, den sie in aufrechter Haltung verbringen, maßgeblich.<br />
101
V11<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />
Nächstes Etappenziel dieser Studie ist die Entwicklung und Evaluation einer<br />
Schulungsmaßnahme, mit der sich die Anzahl der ungünstigen Körperhaltungen bei<br />
Pflegekräften nachhaltig reduzieren lässt.<br />
Literaturverzeichnis<br />
1 Freitag S, Ellegast R, Dulon M, Nienhaus A. Quantitative Measurement of Stressful<br />
Trunk Postures in Nursing Professions. Ann Occup Hyg 2007; 51:385–395<br />
2 Freitag S, Ellegast R, Dulon M, Nienhaus A. Messtechnische Analyse von ungünstigen<br />
Körperhaltungen bei Pflegekräften – eine geriatrische Station im Vergleich mit anderen<br />
Krankenhausstationen. Ergo Med 2007; 31:130-150<br />
102
V12<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten:<br />
Nikotin und seine Metabolite als Marker der inneren Belastung<br />
Tobias Weiß 1 , Michael Castillo 1 , Wolfgang Schneider 2 , Dietmar Breuer 2 , Holger M. Koch 1 ,<br />
Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum,<br />
2 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
Nikotin und sein Metabolit Cotinin werden im Ambient bzw. Biological Monitoring zur<br />
Abschätzung von Tabakrauchexpositionen eingesetzt. Zu Personen, die beruflich bedingt<br />
in besonderem Umfang Passivrauch ausgesetzt sind, zählen Beschäftigte in Teilen der<br />
Gastronomiebranche. Zwar bestehen mittlerweile in allen Bundesländern<br />
Nichtraucherschutzgesetze, die das Rauchen einschränken, durch unterschiedliche<br />
Ausnahmeregelungen werden Gastronomiebeschäftigte jedoch auch weiterhin<br />
Passivrauch ausgesetzt sein. Allerdings liegen kaum Daten zur Belastung von<br />
Gastronomiebeschäftigten in Deutschland vor. Die einzige international publizierte<br />
Studie, die in Deutschland die Passivrauchexposition in der Raumluft von<br />
Gastronomiebetrieben untersucht hat, wurde 2007 von Bolte und Mitarbeitern publiziert<br />
(1).<br />
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Geeignetheit entsprechender Parameter für das<br />
Biological Monitoring zu prüfen und darüber hinaus die Bandbreite von<br />
Passivrauchbelastungen von Gastronomiebeschäftigten zu objektivieren.<br />
Die Belastung gegenüber Nikotin bzw. Cotinin und 3-Hydroxycotinin wurde bei 37<br />
nichtrauchenden Gastronomieangestellten (Cafe, getränkegeprägte Gastronomie,<br />
Diskothek) über personengetragene Luftmessungen sowie über ein Biological Monitoring<br />
zu Beginn und Ende der Messzeit (5h) ermittelt. Als Vergleich für die innere Belastung<br />
dienten nicht passivrauchexponierte Nichtraucher (N=37), passivrauchexponierte<br />
Nichtraucher (N=110) und aktive Raucher (N=67).<br />
Die in der Luft gemessenen Nikotin-Konzentrationen der Gastronomiebeschäftigten<br />
lagen zwischen 1,6 und 145 µg/m3 (MW=24). Die höchsten Belastungen fanden sich in<br />
der Diskothek (MW=63 µg/m3; N=6). Für Nikotin, Cotinin und 3-Hydroxycotinin im Urin<br />
bestanden auf Gruppenbasis signifikante Unterschiede (p< 0,001) zwischen Rauchern<br />
(Mediane in µg/L: 1582; 2714; 3943), Gastronomieangestellten (Vorschicht: 5,3; 9,5;<br />
19,3; Nachschicht: 34,8; 14,6; 18,4), Passivrauchexponierten (1,5; 2,5; 4,8) und nicht<br />
Passivrauchexponierten (0,3; 1,0; 1,6). Allerdings überschnitten sich die Bereiche der<br />
inneren Belastung der Gastronomiebeschäftigten und der Nichtraucher, wie auch der<br />
Nichtraucher und der nicht Passivrauchexponierten zu großem Teil (Abb. 1). Zwischen<br />
den Nikotin-Luftkonzentrationen und den Nachschichtnikotinwerten im Urin fand sich<br />
103
V12<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
eine enge Korrelation (Abb. 2; R 2 =0,83). Cotinin und 3-Hydroxycotinin hingegen<br />
unterschieden sich nicht.<br />
Die Bandbreite der die Passivrauchbelastung von Gastronomieangestellten<br />
beeinflussenden Parameter ist vergleichsweise komplex. So hatten neben den<br />
räumlichen Gegebenheiten auch die Art des Gastronomiebetriebs, die spezielle Tätigkeit<br />
wie auch die Tageszeit der beruflichen Tätigkeit Einfluss auf die individuelle Höhe der<br />
Belastung. Durch den kombinierten Einsatz von biologischem Monitoring und Ambient<br />
Monitoring war es möglich, die Aussagekraft der im Rahmen dieser Studie eingesetzten<br />
Parameter im Vergleich zu prüfen:<br />
Dabei stellte sich heraus, dass es nur über einen Biomonitoring-Parameter mit einer<br />
Eliminationshalbwertszeit im Bereich weniger Stunden (hier Nikotin im Urin) möglich ist,<br />
berufsbedingte Passivrauchexpositionen (von Nichtrauchern) auf individueller Basis<br />
abzuschätzen. Die Nikotin-Metaboliten Cotinin und 3-Hydroxycotinin (in Urin oder<br />
Speichel) konnten dies aufgrund ihrer Verstoffwechselungskinetik<br />
(Eliminationshalbwertszeit > 17 Stunden) nicht leisten. Cotinin und 3-Hydroxycotinin<br />
waren offenbar deutlich von der vorangegangenen (auch privaten) Passivrauchbelastung<br />
beeinflusst. Diese beiden Nikotin-Metaboliten stellen somit ein kumulatives Maß für die<br />
Summe der vorangegangenen privaten und beruflichen Passivrauchexposition dar. Nur<br />
durch die Kombination mehrerer Parameter war es möglich, zwischen privater und<br />
beruflicher Belastung zu differenzieren und die Höhe der beruflichen Belastung adäquat<br />
abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass insbesondere in der untersuchten Diskothek die<br />
dort beschäftigten Nichtraucher Nikotinmengen aufnehmen können, wie man sie<br />
ansonsten bei Rauchern mit einem geringen Zigarettenkonsum findet.<br />
104
V12<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
100000<br />
Cut-Off NR/R<br />
3OH-Cotinin [µg/L Urin]<br />
10000<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
0,01 0,10 10 100 1000 10000<br />
0,10<br />
0,01<br />
Cotinin [µg/L Urin]<br />
Raucher (N=71)<br />
Nicht Passivrauch-Exp. (N=37)<br />
Nichtraucher (N=110)<br />
NR Gastronomie (N=37)<br />
Abbildung 1: ETS-Belastung der Gastronomiebeschäftigten im Vergleich zu aktiven Rauchern,<br />
nicht Passivrauch-Exponierten und Nichtrauchern anhand der Nikotinmetabolite Cotinin und 3-<br />
Hydroxycotinin (logarithmische Achsen).<br />
Nikotin in der Luft [µg/m 3 ; 5h-Messung]<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Nikotin in der Luft [µg/m 3 ; 5h-Messung]<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
y = 0,2522x + 5,2004<br />
R² = 0,8331<br />
y = 0,2522x + 5,2004<br />
R² = 0,8331<br />
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />
Nikotin im Urin [µg/ L; Nachschicht]<br />
Diskothek<br />
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />
Nikotin im Urin [µg/L; Nachschicht]<br />
Abbildung 2: Assoziation Nikotin in der Arbeitsplatzluft (personengebundenen Messung) und<br />
Nikotin im Urin (Nachschicht-Probe).<br />
105
V12<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Literatur:<br />
Bolte G, Heitmann D, Kiranoglu M, Schierl R, Diemer J, Koerner W, Fromme H.<br />
Exposure to environmental tobacco smoke in German restaurants, pubs and<br />
discotheques. J Expo Sci Environ Epidemiol. 18(3):262-71 (2008)<br />
106
V13<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten:<br />
Luftmessungen von Nikotin und Acrylnitril zur Unterstützung<br />
des Biomonitoring<br />
Wolfgang Schneider 1 , Dietmar Breuer 1 , Helmut Blome 1 , Tobias Weiß 2 , Michael Castillo 2 , Holger<br />
M. Koch 2 , Thomas Brüning 2<br />
1 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
2 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Nach Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze werden in Deutschland auch weiterhin<br />
Gastronomiebeschäftigte durch die Einrichtung von Raucherbereichen in den<br />
Gasträumen gegen Tabakrauch exponiert sein. Im Passivrauch wurden durch das<br />
Ambient Air Monitoring bisher über 4000 Substanzen gefunden, darunter ca. 70<br />
krebserzeugende Stoffe. Als Leitkomponente wird seit vielen Jahren das Hauptalkaloid<br />
des Tabaks Nikotin verwendet. Für Acrylnitril als Vertreter der Kanzerogene sollte die<br />
Eignung als weitere Leitkomponente nachgewiesen werden.<br />
Da es zu der Passivrauchexposition von nichtrauchenden Gastronomiebeschäftigten in<br />
Deutschland kaum veröffentlichte Daten gab, war das Ziel der Studie, deren Belastung in<br />
der Bandbreite zu ermitteln und die Eignung der Parameter des Ambient Air Monitoring<br />
für die Abschätzung von Passivrauchbelastungen im Zusammenspiel mit dem Biological<br />
Monitoring zu prüfen. Zur Abschätzung von Tabakrauchexpositionen mittels Biological<br />
Monitoring werden Nikotin, sein Metabolit Cotinin und das Hb-Addukt des Acrylnitril<br />
Cyanoethylvalin genutzt, letzteres gilt als ein Maß für die längerfristige Exposition.<br />
Um die zu erwartenden Konzentrationen in der Luft in ihrer Bandbreite zuverlässig<br />
erfassen zu können, wurden zunächst geeignete Messmethoden für Nikotin und<br />
Acrylnitril entwickelt und validiert. Nikotin wird auf XAD4-Harz und Acrylnitril auf<br />
Aktivkohle gesammelt. Beide Probenträger werden mit Methanol/Ethylacetat (1:9)<br />
extrahiert und die Extrakte über Gaschromatographie und stickstoffselektivem Detektor<br />
analysiert. Die angestrebte Bestimmungsgrenze von 0,1 µg/m 3 wird für Nikotin mit 4 h<br />
Probenahme (1 L/min, 240 L) und für Acrylnitril mit 5 h Probenahme (0,66 L/min, 200 L)<br />
erreicht.<br />
Im Zeitraum vom 31. Mai bis 28. Juni 2008 wurden insgesamt 134 Proben in der<br />
Gastronomie genommen. Stationäre Messungen wurden im Tresenbereich als<br />
permanent besetztem Arbeitsplatz durchgeführt. Parallel dazu wurden bei 37<br />
nichtrauchenden Gastronomiebeschäftigten Proben personengetragen gezogen; diese<br />
107
V13<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Personen wurden auch für das Biological Monitoring ausgewählt. Messbeginn war<br />
jeweils der Arbeitsbeginn des Personals.<br />
Die an der Messreihe beteiligten Gastronomiebetriebe lassen sich in folgende Gruppen<br />
einteilen: Café / Bistro (44 Proben), Gaststätte / Bar (68 Proben) und Diskothek (22<br />
Proben). Die überwiegende Zahl der Proben wurde in den Abendstunden bis in den<br />
frühen Morgen genommen. In den Cafés / Bistros fanden zusätzliche Messungen am<br />
Vormittag statt.<br />
An allen Messorten wurden Nikotin und Acrylnitril gefunden. Die Nikotinkonzentrationen<br />
lagen zwischen 1,2 und 152 µg/m 3 und die Acrylnitrilkonzentrationen zwischen 0,1 und<br />
8,2 µg/m 3 , bei einer hervorragenden Korrelation (R² = 0,83) untereinander.<br />
160,0<br />
140,0<br />
Nikotin [µg/m 3 ]<br />
120,0<br />
100,0<br />
80,0<br />
60,0<br />
40,0<br />
20,0<br />
y = 16,271x<br />
R 2 = 0,83<br />
0,0<br />
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0<br />
Acrylnitril [µg/m 3 ]<br />
Abbildung 1: Korrelation zwischen Nikotin und Acrylnitril im Passivrauch<br />
Die Bandbreite der Passivrauchexposition lässt sich sehr gut an den Werten für die<br />
einzelnen Lokalgruppen erkennen. Die höchsten Belastungen fanden sich in einer<br />
Diskothek (Nikotin 19,5 – 152,4 µg/m³, Mittelwert 74,6 µg/m³, Median 55,5 µg/m³;<br />
Acrylnitril 1,9 – 8,2 µg/m³, Mittelwert 5,0 µg/m³, Median 4,9 µg/m³) während die<br />
niedrigsten Konzentrationen in Cafés / Bistros (Nikotin 1,2 – 43,2 µg/m³, Mittelwert<br />
13,8 µg/m³, Median 9,8 µg/m³; Acrylnitril 0,1 – 2,5 µg/m³, Mittelwert 0,8 µg/m³, Median<br />
0,7 µg/m³) bestimmt wurden, wobei sich die einzelnen Wertebereiche überschneiden.<br />
Die ermittelten Nikotinkonzentrationen von 3,1 – 96,8 µg/m³ (Mittelwert 21,3 µg/m³,<br />
Median 15 µg/m³) bzw. Acrylnitrilkonzentrationen von 0,6 – 3,1 µg/m³ (Mittelwert<br />
1,2 µg/m³, Median 0,9 µg/m³) für Gaststätten / Bars belegen diesen Übergang.<br />
108
V13<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Für das Gastronomiepersonal konnten unterschiedliche Belastungen in Abhängigkeit<br />
vom Tätigkeitsprofil festgestellt werden. Personen, die räumlich begrenzt z. B. nur im<br />
Tresenbereich tätig waren, hatten zum Teil deutlich höhere Belastungen als das<br />
Bedienpersonal.<br />
60,0<br />
50,0<br />
Nikotin [µg/m 3 ]<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Lokal 1, Sa. 31.05. Lokal 2 Lokal 1, Mi. 11.06. Lokal 3<br />
Lokal<br />
Thekenpersonal stationär Bedienung<br />
Abbildung 2: Vergleich der Nikotinbelastung in Abhängigkeit vom Arbeitsplatz bei paralleler<br />
Probennahme<br />
Neben einem tageszeitlichen Trend, wobei die höchsten Belastungen am späten Abend<br />
festgestellt wurden, zeigen die Resultate höhere Nikotin- und Acrylnitrilkonzentrationen<br />
an den Wochenenden im Vergleich zu Werktagen.<br />
Die Ergebnisse der Messungen zeigen deutlich die Bandbreite der Passivrauchbelastung<br />
des nichtrauchenden Personals in der Gastronomie. Einen typischen Arbeitsplatz mit<br />
einer charakteristischen Exposition gegen Passivrauch gibt es nicht. Die Belastung hängt<br />
neben der Zahl der rauchenden Gäste von verschiedenen Einflüssen ab, die sowohl<br />
durch räumliche (z.B. Lokaltyp, Arbeitsplatz im Lokal, Lüftung) als auch zeitliche<br />
Faktoren (unterschiedliche Belastungen im Laufe eines Tages, einer Woche und eines<br />
Jahres) bestimmt werden. Weiterhin hat sich gezeigt, dass mit Acrylnitril eine weitere<br />
geeignete Leitkomponente für das Ambient Air Monitoring neben Nikotin zur Verfügung<br />
steht.<br />
109
V14<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Simultane Bestimmung der Mercaptursäuren von Acrylnitril<br />
(CEMA) und 1,3-Butadien (DHBMA, MHBMA) im Urin der<br />
Allgemeinbevölkerung – ein neuer Biomarker zur Evaluierung<br />
einer Passivrauchbelastung?<br />
Thomas Schettgen, Elke Ochsmann, Anita Musiol, Anne Alt, Thomas Kraus<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Passivrauchen wurde sowohl von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als auch von<br />
zahlreichen internationalen Agenturen als eindeutig krebserregend für den Menschen<br />
eingestuft [1,2]. Als spezifischer Biomarker einer Exposition gegenüber Passivrauch hat<br />
sich die Ausscheidung des Nikotin-Metaboliten Cotinin im Urin in den letzten<br />
Jahrzehnten bewährt. Da Nikotin als Tabakrauch-Bestandteil bisher nicht als<br />
krebserzeugend eingestuft wurde, kommt dem Nachweis von Biomarkern, die dem<br />
kanzerogenen Potential einer Passivrauch-Exposition näher stehen, eine große<br />
Bedeutung in der Arbeits- und Umweltmedizin zu.<br />
Sowohl Acrylnitril als auch 1,3-Butadien wurden in der Literatur als Bestandteile von<br />
Tabakrauch (bzw. Nebenstromrauch) beschrieben. Die im Tabakrauch<br />
(Hauptstromrauch) nachgewiesenen Konzentrationen reichen für Acrylnitril von 3 – 15<br />
µg/Zigarette, für 1,3-Butadien werden im Mittel Konzentrationen von 30-40 µg/Zigarette<br />
angegeben [3,4].<br />
Beide Stoffe wurden von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher<br />
Arbeitsstoffe als krebserzeugend (Acrylnitril K2; 1,3-Butadien K1) gekennzeichnet [2].<br />
Acrylnitril wird nach den Ergebnissen von Tierversuchen nach der Aufnahme im Körper<br />
unter anderem durch direkte Reaktion mit Glutathion und anschließendem Abbau zur<br />
Mercaptursäure N-acetyl-S-2-cyanoethyl-cystein (Cyanoethylmercaptursäure, CEMA)<br />
verstoffwechselt [5]. Als Mercaptursäuren des 1,3-Butadiens wurde N-acetyl-S-3,4-<br />
dihydroxybutyl-cystein (Dihydroxybutylmercaptursäure, DHBMA) sowie ein Gemisch<br />
zweier isomerer Monohydroxybutenylmercaptursäuren (MHBMA) in der Literatur<br />
beschrieben und bereits als Biomarker in arbeits- und umweltmedizinischen Studien<br />
angewandt [6].<br />
Die genannten Mercaptursäuren können sich als spezifische Biomarker beider<br />
Kanzerogene also auch zur Beurteilung des krebserzeugenden Potentials einer<br />
Passivrauch-Exposition eignen.<br />
Ziel der Studie<br />
Es war deshalb das Ziel unserer Arbeiten, zunächst eine Methode zur simultanen<br />
Bestimmung der Mercaptursäuren des Acrylnitrils und des 1,3-Butadiens im Urin zu<br />
110
V14<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
entwickeln und zu validieren. Die Methode sollte dann auf Spontanurinproben von<br />
Personen der Allgemeinbevölkerung ohne bekannte Arbeitsplatz-Exposition gegenüber<br />
beiden Stoffen angewandt werden. Durch die genaue Anamnese des Rauchverhaltens<br />
der Studienteilnehmer lässt sich so eine Aussage über die durch Tabakrauch-Exposition<br />
aufgenommene Dosis beider Kanzerogene treffen.<br />
Material und Methoden<br />
An unserem Institut in Aachen wurde eine moderne HPLC/MS/MS-Methode mit<br />
Säulenschaltung zur Quantifizierung der CEMA, DHBMA sowie MHBMA in Urin<br />
entwickelt, die eine schnelle, hochspezifische und sehr sensitive Analytik erlaubt [7].<br />
Ausgehend von 0,5 ml Urin erfolgt die Probenvorbereitung automatisch durch online-<br />
Anreicherung der Analyten an einer RAM-Phase. Nach dem Transfer der Analyten auf<br />
die analytische Säule werden die Analyten weiter von Störsubstanzen abgetrennt und<br />
tandem-massenspektrometrisch nachgewiesen. Die Bestimmungsgrenzen für CEMA,<br />
DHBMA und MHBMA betragen 1, 10 und 2 µg/L Urin. Als Interner Standard wurden<br />
jeweils deuterium-markierte Analoga der Mercaptursäuren eingesetzt, um die Richtigkeit<br />
der Messung sicherzustellen.<br />
Die anamnestisch ermittelten Rauchgewohnheiten aller untersuchten Probanden wurden<br />
durch die spezifische Analyse von Cotinin im Urin mittels GC/MS objektiviert<br />
(Nachweisgrenze: 1 µg/L Urin).<br />
Kollektive<br />
Die Methode wurde auf Spontanurinproben von 210 Personen (12 w, 198 m; Alter: 19 –<br />
80 Jahre, Altersmedian: 57,5 Jahre) der Allgemeinbevölkerung angewandt, die an ihrem<br />
Arbeitsplatz nicht gegenüber Acrylnitril oder 1,3-Butadien exponiert sind.<br />
Diese Personen wurden anhand der anamnestischen Angaben sowie der Analyse von<br />
Cotinin im Urin in insgesamt 4 Gruppen mit steigender Exposition gegenüber<br />
Tabakrauch unterteilt:<br />
- Gruppe 1: Nichtraucher ohne Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten < 5 µg/L<br />
Urin (n=73, 2 w, 71 m; Altersmedian 60 Jahre)<br />
- Gruppe 2: Nichtraucher mit leichter Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten von 5<br />
– 10 µg/L Urin (n=38, 1 w, 37 m; Altersmedian 60 Jahre)<br />
- Gruppe 3: Nichtraucher mit hoher Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten von 10<br />
– 60 µg/L Urin (n=18, 18 m; Altersmedian 59 Jahre)<br />
- Gruppe 4: aktive Raucher mit Cotinin-Gehalten von 77 – 4300 µg/L Urin (n=81, 9 w, 72<br />
m; Altersmedian 48 Jahre)<br />
111
V14<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Ausscheidung der Mercaptursäuren in den 4<br />
genannten Gruppen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />
Tabelle 1: Ergebnisse der Untersuchungen zur Mercaptursäurenausscheidung bei 4 Gruppen der<br />
Allgemeinbevölkerung mit steigender Exposition gegenüber Tabakrauch (Passivrauch).<br />
DHBMA<br />
(µg/L Urin)<br />
MHBMA<br />
(µg/L Urin)<br />
CEMA<br />
(µg/L Urin)<br />
Gruppe 1<br />
Nichtraucher<br />
(n=73)<br />
Gruppe 2<br />
Leicht Passivrauchexponiert<br />
(n=38)<br />
Gruppe 3<br />
Hoch Passivrauchexponiert<br />
(n=18)<br />
Gruppe 4<br />
Aktive Raucher<br />
(n=81)<br />
Median 289 384 250 398<br />
95. Perz. 760 1113 759 1079<br />
Bereich 19 – 2500 56 – 2008 70 - 771 15 - 1959<br />
Median < 2 < 2 < 2 < 2<br />
95. Perz. < 2 2,4 < 2 8,6<br />
Bereich < 2 – 2,5 < 2 – 3,5 < 2 < 2 – 17,5<br />
Median 2,0 3,2 6,6 240<br />
95. Perz. 5,9 12,6 37,7 870<br />
Bereich < 1 – 21,3 < 1 – 19,9 < 1 – 71,1 2 – 1382<br />
Während DHBMA in allen untersuchten Urinproben quantifiziert werden konnte, gelang<br />
dies für den Butadien-Metaboliten MHBMA nur in ca. 20 % aller Proben, hier fast<br />
ausschließlich in der Gruppe der aktiven Raucher (Gruppe 4). Die DHBMA-<br />
Ausscheidung der 4 Gruppen zeigte keine signifikanten Unterschiede. Obwohl die<br />
aktiven Raucher (Gruppe 4) im Median mit 398µg/L eine deutlich höhere Ausscheidung<br />
aufwiesen als die Nichtraucher (Gruppe 1) mit einem Median von 289 µg/L, war dieser<br />
Unterschied statistisch jedoch nicht signifikant (Mann-Whitney-U, p = 0.14). Die DHBMA-<br />
Ausscheidung ist offensichtlich kein ausreichend spezifischer Parameter, um die<br />
Tabakrauch-bedingte, individuelle Butadien-Belastung anzuzeigen. Die Gründe hierfür<br />
liegen in einer physiologisch bedingten, stark variierenden Ausscheidung dieser<br />
Mercaptursäure auch bei unbelasteten Personen, die spezifische Aussagen im<br />
Niedrigdosisbereich nicht zulässt.<br />
Im Gegensatz dazu schieden Raucher statistisch signifikant höhere Mengen der<br />
Butadien-Mercaptursäure MHBMA aus (Mann-Whitney-U, p < 0.01). Es muss<br />
einschränkend jedoch betont werden, dass auch bei aktiven Rauchern (Gruppe 4)<br />
lediglich 47 % aller Urinproben über der Bestimmungsgrenze von 2 µg/L Urin für diesen<br />
Parameter lagen. MHBMA ist augenscheinlich ein deutlich spezifischerer Biomonitoring-<br />
Parameter zur Erfassung arbeits- und umweltmedizinischer Expositionen gegenüber 1,3-<br />
Butadien.<br />
Die Acrylnitril-Mercaptursäure CEMA war in mehr als 90 % aller Urinproben<br />
quantifizierbar. Somit belegen unsere Ergebnisse erstmals eine ubiquitäre<br />
112
V14<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung gegenüber Acrylnitril, wobei sich die<br />
Exposition gegenüber Tabakrauch (Passivrauch) als maßgeblicher Einflussfaktor für die<br />
Ausscheidung der Acrylnitril-Mercaptursäure herausstellte. Verglichen mit den<br />
Nichtrauchern der Gruppe 1 zeigten Personen mit leichter bzw. hoher Passivrauch-<br />
Exposition (Gruppe 2 und 3) im Median mit 3,2 und 6,6 µg/L Urin eine statistisch<br />
signifikant erhöhte CEMA-Ausscheidung (Mann-Whitney-U, p=0.009 bzw. p
V14<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Es wurde anhand der Acrylnitril-Metaboliten CEMA erstmals eine ubiquitäre<br />
Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung gegenüber Acrylnitril erfasst<br />
Die CEMA-Ausscheidung steigt parallel mit der Exposition gegenüber<br />
Passivrauch bzw. Tabakrauch an<br />
Schlussfolgerungen<br />
‣ Passivrauchen führt zu einer quanitifizierbaren, erhöhten inneren Exposition mit<br />
dem K-2-Stoff Acrylnitril<br />
‣ Demnach trägt Passivrauchen zum individuellen Krebsrisiko bei<br />
‣ Die Ausscheidung der Acrylnitril-Mercaptursäure CEMA ist ein wichtiger<br />
zusätzlicher Parameter zur individuellen Risikobewertung einer Passivrauch-<br />
Exposition<br />
Literatur<br />
[1] International Agency for Research on Cancer (IARC). Tobacco smoke and Involuntary<br />
smoking. IARC Monograph Eval Carcinog Risks Hum 83: 1191 – 1413 (2004).<br />
[2] Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). MAK- und BAT-Werte Liste 2008.<br />
[3] Hoffmann D, Hoffmann I, El-Bayoumy K. The less harmful cigarette: a controversial<br />
issue. A tribute to Ernst L. Wynder. Chem Res Toxicol 14: 767-790 (2001).<br />
[4] Adam T, Mitschke S, Streibel T, Baker RR, Zimmermann R. Quantitative puff-by-puff<br />
resolved characterisation of selected toxic compounds in cigarette mainstream<br />
smoke. Chem Res Toxicol 19: 511-520 (2006).<br />
[5] Sumner SCJ, Selvaraj L, Nauhaus SK, Fennell TR. Urinary metabolites from F344<br />
rats and B6C3F1 mice coadministered acrylamide and acrylonitrile for 1 or 5 days.<br />
Chem Res Toxicol 10: 1152-1160 (1997).<br />
[6] Sapkota A, Halden RU, Dominici F, Groopman JD, Buckley TJ. Urinary biomarkers of<br />
1,3-butadiene in environmental settings using liquid chromatography isotope dilution<br />
tandem mass spectrometry. Chem Biol Interact 160: 70-79 (2006).<br />
[7] Schettgen T, Musiol A, Alt A, Ochsmann E, Kraus T. A method for the quantification of<br />
biomarkers of exposure to acrylonitrile and 1,3-butadiene in human urine by columnswitching<br />
liquid chromatography-tandem mass spectrometry. Anal Bioanal Chem 393:<br />
969-981 (<strong>2009</strong>).<br />
114
V15<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Untersuchungen zum Metabolismus von Ethyltoluol als<br />
Grundlage der Evaluierung eines BAT-Wertes<br />
Eva-Maria Coester, Maryam Dashti Ardakani, Dirk Walter, Udo Knecht<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen/Marburg<br />
Die Datenlage zur Toxikokinetik von Ethyltoluol, insbesondere zum Metabolismus, ist<br />
derzeit defizitär. Sie soll durch human-experimentelle Untersuchungen aufgeklärt<br />
werden, um ein praxisorientiertes Biomonitoring etablieren zu können.<br />
Insgesamt nahmen 21 Versuchspersonen, die keinen beruflichen und außerberuflichen<br />
Umgang mit Ethyltoluol hatten, an der Studie teil. Davon wurden jeweils 7 Probanden<br />
gegenüber einer der drei isomeren Verbindungen in Anlehnung an einen Arbeitstag über<br />
8 Stunden exponiert. Die Expositionen erfolgten bei Konzentrationen von jeweils 35 mg<br />
der entsprechenden Ethyltoluol-Komponente/m³ Luft, wobei der Proband halbstündlich<br />
praxisorientiert eine 10-minütige körperliche Belastung von 75 Watt auf einem Fahrrad-<br />
Ergometer erbringen musste. Unterbrochen wurden die Versuche nach jeweils 4 h durch<br />
eine 45-minütige Pause außerhalb der Kammer.<br />
Die Luftkonzentrationen wurden kontinuierlich gemessen. Blut- und Harnkonzentrationen<br />
konnten vor, während und nach der Exposition asserviert werden.<br />
Als relevante Ausscheidungsprodukte ließen sich in den Harnproben die isomeren<br />
Metabolite 1-Hydroxyethyl-benzoesäure, Ethylhippursäure, Acetyl- und Ethylbenzoesäure<br />
sowie die Methylmandelsäure nachweisen. Gaschromatographischmassenspektros-kopisch<br />
wurden ebenfalls die Vinylbenzoesäuren identifiziert, die bei<br />
der Probenaufbereitung zur instrumentellen Analyse als Artefakt aus den 1-Hydroxyethylbenzoesäuren<br />
zu gleichen Anteilen entstehen.<br />
Exemplarisch resultieren im Fall des 4-Ethyltoluols am Expositionsende durchschnittliche<br />
Konzentrationen von 104 ± 21 µg unverstoffwechselte Komponente/L Blut mit einem 95-<br />
Perzentil von 130 µg/L und einer biologischen Halbwertszeit (HWZ) von etwa 40 min. Die<br />
renale Konzentrationen o. g. Metabolite rangieren von ca. 2 mg/L (4-Methylmandelsäure)<br />
bis 110 mg/L (4-(1-Hydroxyethl)benzoesäure). Die resultierenden HWZ betragen 3,8 ±<br />
0,3 h.<br />
Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen eine quantitative Beziehung<br />
zwischen äußerer und innerer Belastung auf, wobei die Daten auch qualitativ für die<br />
anderen beiden Isomere zutreffen. Im Fall für 4-Ethyltoluol können zum einen für ein zu<br />
evaluierendes Biomonitoring die Bestimmung des 4-Ethyltoluols im Blut und andererseits<br />
dessen Abbauprodukte im Urin herangezogen werden. Vorzuschlagen sind die<br />
Metabolite 4-(1-Hydroxyethyl)benzoesäure bzw. 4-Vinylbenzoesäure, da sie in den<br />
115
V15<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Urinproben mit den höchsten Konzentrationen ausgeschieden werden und insbesondere,<br />
da experimentell abgeklärt werden konnte, dass das Verhältnis beider Substanzen<br />
zueinander wegen der Beständigkeit der Probenvorbereitung stets in der gleichen<br />
Größenordnung auftritt.<br />
116
V16<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Die Bedeutung des Biomonitoring im Rahmen eines<br />
Chemieunfalles<br />
Gabriele Leng<br />
Currenta GmbH & Co.OHG, Sicherheit-Gesundheitsschutz-Institut für Biomonitoring, Leverkusen<br />
Einleitung und Ziel:<br />
Am 17. März 2008 wurde im Chempark Dormagen aufgrund eines Unfalles Acrylnitril<br />
(ACN) und Ethylen freigesetzt. Mehr als 1000 Personen (z.B. Feuerwehrleute, Polizisten,<br />
Chempark-Bedienstete, Allgemeinbevölkerung) waren potentiell gegenüber ACN<br />
(Kanzerogenitätsklasse 2) und Ethylen (Kanzerogenitätsklasse 3 B) exponiert. Die Folge<br />
hiervon war, dass viele Menschen wissen wollten, ob sie durch den Chemieunfall<br />
belastet wurden und falls ja, wie hoch ihre Belastung ist. Luftmessungen wurden in der<br />
Umgebung des Chemparks durchgeführt. ACN wurde in Konzentrationen bis maximal 20<br />
ppm gemessen, im Durchschnitt 7 ppm (8 Std.) bzw. 1,6 ppm (120 Std.). Der frühere<br />
TRK-Wert für ACN betrug 3 ppm.<br />
Um Erkenntnisse über die individuelle Gefahrstoffaufnahme zu bekommen, wurde allen<br />
betroffenen Personen die Teilnahme an einer Biomonitoring-Untersuchung angeboten.<br />
Kollektiv und Methoden:<br />
Bei 863 Personen wurde ein Biomonitoring durchgeführt.<br />
Als Kurzzeitmarker einer ACN-Belastung wurde ACN und Blausäure im Blut analysiert.<br />
Weil ACN schnell verstoffwechselt wird, macht dies nur innerhalb von 6 Std. nach der<br />
potentiellen Exposition Sinn. Daher wurden diese Kurzzeitmarker nur bei 55 Personen<br />
bestimmt.<br />
Als Langzeitmarker einer ACN und Ethylen-Belastung wurden die entsprechenden<br />
Globin-Addukte bestimmt – so ist es möglich, die individuelle Belastungssituation der<br />
letzten 3 Monate zu ermitteln. Zum Nachweis einer ACN-Belastung wurde<br />
Cyanoethylvalin und zum Nachweis einer Ethylen-Belastung Hydroxyethylvalin bestimmt.<br />
Zur Bewertung der Belastungshöhe dienen die Referenzwerte (Hintergrundbelastung der<br />
Allgemeinbevölkerung). Für Raucher beträgt der Referenzwert für beide Addukte 15 µg/l<br />
Blut, für Nichtraucher kleiner Nachweisgrenze. Eine Belastung oberhalb dieser<br />
Referenzwerte wurde auf den Chemieunfall zurückgeführt und es wurden Kontroll-<br />
Untersuchungen nach ca. 2 Monaten angeboten, um den weiteren Konzentrationsverlauf<br />
zu beobachten.<br />
117
V16<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Ergebnisse:<br />
Bei 50 Personen waren die Konzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze von 50 µg/l.<br />
Bei 5 Personen wurde ACN/Blausäure gefunden in Konzentrationen bis zu 137 µg/l.<br />
Bei 863 Personen wurden die Addukte nachgewiesen. Wie Abbildung 1 zeigt war das für<br />
eine ACN-Belastung spezifische Addukt Cyanoethylvalin in 60 % der Fälle unterhalb der<br />
Nachweisgrenze von 1 µg/l Blut, in 39 % zwischen 1 und 15 µg/l und in 1 % oberhalb von<br />
15 µg/l (Mittelwert: 2,4 µg/l, 95th Perzentil: 9,7 µg/l und Maximalwert: 47,1 µg/l).<br />
Die Hydroxyethylvalin-Konzentration (Ethylen-Belastung) war in 77 % der Fälle unterhalb<br />
der Nachweisgrenze von 2 µg/l Blut, in 22 % zwischen 2 und 15 µg/l und in 1 % oberhalb<br />
von 15 µg/l (Mittelwert: 2,3 µg/l, 95th Perzentil: 8,8 µg/l und Maximalwert: 22 µg/l) wie<br />
Abbildung 2 zeigt. Personen, bei denen mehr als 15 µg/l des entsprechenden Adduktes<br />
nachgewiesen wurde, sind Kontrolluntersuchungen nach ca. 3 Monaten angeboten<br />
worden. Bei sämtlichen durchgeführten Kontrollen waren die Werte dann wieder im<br />
Referenzbereich.<br />
Abbildung 1: Verteilung der Acrylnitril-Addukt-Konzentrationen bei 863 untersuchten Personen<br />
Verteilung von N-Cyanoethylvalin (ACN-Belastung)<br />
in 863 Proben (Anzahl; Prozent)<br />
< 1 µg/l<br />
12; 1%<br />
1 - 15 µg/l<br />
336; 39%<br />
> 15 µg/l<br />
Referenzbereich Nichtraucher<br />
Referenzbereich Raucher<br />
515; 60%<br />
Mittelwert:<br />
Median:<br />
95th Perz.:<br />
Max:<br />
2.4 µg/l Blut<br />
< 1 µg/l Blut<br />
9.7 µg/l Blut<br />
47.1 µg/l Blut<br />
118
V16<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Abbildung 2: Verteilung der Ethylen-Addukt-Konzentrationen bei 863 untersuchten Personen<br />
Verteilung von Hydroxyethylvalin (Ethylen-Belastung)<br />
in 863 Proben (Anzahl; Prozent)<br />
193; 22%<br />
8; 1%<br />
< 2 µg/l<br />
2 - 15 µg/l<br />
> 15 µg/l<br />
Referenzbereich Nichtraucher<br />
Referenzbereich Raucher<br />
662, 77%<br />
Mittelwert: 2.3 µg/l Blut<br />
Median: < 2 µg/l Blut<br />
95th Perz.: 8.8 µg/l Blut<br />
Max: 22.0 µg/l Blut<br />
Diskussion und Schlußfolgerungen:<br />
Die Belastung durch Acrylnitril und Ethylen lag bei 99 % der Betroffenen im Bereich der<br />
Referenzwerte und war nur bei 1 % höher als 15 µg/l (gemessener Höchstwert war 47,1<br />
µg/l Cyanoethylvalin). Anhand der in der Luft gemessenen Werte wären rein<br />
kalkulatorisch wesentlich höhere Adduktkonzentrationen zu erwarten gewesen. Hieraus<br />
ist ersichtlich, dass die wahre individuelle Belastung nur mittels Biomonitoring erfassbar<br />
ist.<br />
Es sollte daher diskutiert werden, routinemäßig nach Chemieunfällen betroffenen<br />
Personen Biomonitoring anzubieten.<br />
119
V17<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl<br />
Wolfgang Will, Rolf-Peter Pluto, Bernd Trauth<br />
Occupational Medicine and Health Protection, BASFSE, Ludwigshafen<br />
Ziel der Studie<br />
Aus Biomonitoring-Ergebnissen nach Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl sollen<br />
Aussagen zur Toxikokinetik und der aufgenommenen Dosis abgeleitet werden.<br />
Fallbeschreibung<br />
Am 03.03.2008 erlitten drei Schlosser bei der Demontage eines Hochdruckreaktors im<br />
Zuge der jährlichen Revision einer Propionsäureanlage Intoxikationen mit<br />
Nickeltetracarbonyl, die durch die Bestimmung von Nickel im Urin erstmals objektiviert<br />
werden konnte, als sich einer der betroffenen Personen am 05.03. in der<br />
Werksambulanz vorstellte. Die gering ausgeprägten gesundheitlichen Beschwerden, die<br />
zunächst das Bild eines „grippalen Infektes“ bzw. einer „beginnenden<br />
Lungenentzündung“ boten, wurden wegen des hohen akut-toxischen Potenzials anfangs<br />
täglich ärztlich kontrolliert und symptomatisch behandelt. Sie waren bei allen drei<br />
Mitarbeitern nach einer Woche vollständig abgeklungen. Spätere Untersuchungen gaben<br />
keinerlei Hinweis auf bleibende Gesundheitsschäden.<br />
Bestimmungen von Nickel in Urinproben eines vierten Schlossers belegten, dass dieser<br />
bei der Öffnung des Reaktors in einer zentralen Werkstatt am 04.03.2008 ebenfalls<br />
gegenüber Nickeltetracarbonyl exponiert wurde. Die Stoffaufnahme zog jedoch keine<br />
gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach sich.<br />
Toxikokinetik<br />
Da der Schlosser aus der zentralen Werkstatt bereits vor Aufnahme der Tätigkeiten am<br />
Hochdruckreaktor Urinproben abgegeben hatte, konnte festgestellt werden, dass dessen<br />
Ausscheidungsmaximum von 217 µg Ni / g Kreatinin mehr als 24 h verzögert eintrat. Die<br />
Nickelausscheidung in den folgenden 24 h lässt sich unter Annahme einer Kinetik erster<br />
Ordnung mit einer Halbwertszeit von 13 h beschreiben. Anschließend nehmen die Nickel<br />
konzentrationen in den Urinproben deutlich langsamer ab. So liegen die Halbwertszeiten<br />
drei Wochen nach dem Expositionsereignis bei etwa 6,5 Tagen. Die Biomonitoring-<br />
Bestimmungen über mehrere Wochen zeigen, dass die Nickelausscheidung einer<br />
komplizierten Kinetik unterliegt, die nur mit Hilfe eines Mehrkompartmentmodells<br />
beschrieben werden kann. Zwischen den Probanden bestehen nur geringe<br />
interindividuelle Unterschiede (Abb. 1).<br />
120
V17<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
1000<br />
Nickel im Urin [µg/g Kreatinin] .<br />
100<br />
10<br />
0 2 4 6 8 10 12<br />
Tage nach Exposition<br />
Abb. 1:<br />
Semilogarithmische Darstellung der Ausscheidung von Nickel im Urin nach<br />
inhalativer Aufnahme von Nickeltetracarbonyl von vier Personen<br />
Dosisabschätzung<br />
Die höchste Nickelausscheidung der vorliegenden Untersuchungen beträgt 597 µg/g<br />
Kreatinin. Weil bei diesem Mitarbeiter die erste Probennahme zum Biomonitoring aber<br />
erst 2 Tage nach dem Expositionsereignis erfolgte, wurde der tatsächliche Spitzenwert<br />
analytisch mit Sicherheit nicht erfasst. Unterstellt man eine identische Biokinetik zu dem<br />
Schlosser aus der zentralen Werkstatt, lässt sich ein Ausscheidungsmaximum von etwa<br />
2000 µg Ni / g Kreatinin berechnen.<br />
Aus dem Integral der gemessenen und abgeschätzten Ausscheidungskurve für Nickel im<br />
Urin und unter Annahme einer Ausscheidung von 1,8 g Kreatinin pro Tag errechnet sich<br />
für den Mitarbeiter, der wegen gesundheitlicher Beschwerden am 05.03. die<br />
Werksambulanz aufgesucht hat, eine Gesamtausscheidung von etwa 7 mg Nickel im<br />
Zeitraum vom 03.03.-03.04., was stöchiometrisch einer Dosis von 20 mg<br />
Nickeltetracarbonyl entspricht. Da Nickeltetracarbonyl kaum quantitativ in Form von<br />
Nickel-II-Ionen über die Nieren ausgeschieden sondern zum Teil direkt wieder abgeatmet<br />
wird, dürfte die tatsächlich aufgenommene Menge noch deutlich höher gelegen haben.<br />
Überträgt man die Ergebnisse aus Tierversuchen an Ratten, errechnet sich eine<br />
Gesamtdosis von 32 mg Nickeltetracarbonyl.<br />
121
V17<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />
Bei Annahme einer vollständigen Aufnahme über die Lunge und einen Atemvolumen von<br />
20 m³ / 8 h (mittelschwere körperliche Arbeit) wäre bei einer Exposition von 8 h eine<br />
Luftkonzentration von 1,5 mg/m³ notwendig, um diese Menge an Nickeltetracarbonyl zu<br />
erreichen. Unterstellt man eine nur kurzzeitige Exposition von ~½ h, beträgt die<br />
erforderliche Luftkonzentration ~25 mg/m³, also über der Geruchsschwelle von 7 - 21<br />
mg/m³ und im Bereich einer Belastung, die eine schwere Intoxikation mit Todesfolge<br />
hätte auslösen können.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Erst ein gezieltes Biomonitoring führte in unseren Fällen zur Diagnosesicherung<br />
„Nickeltetracarbonyl-Intoxikation“. Die auftretenden gesundheitlichen Beschwerden sind<br />
in der Regel so unspezifisch, dass schon bei ersten Hinweisen auf eine<br />
Nickeltetracarbonyl-Exposition Biomonitoring-Untersuchungen durchgeführt werden<br />
sollten.<br />
Literatur<br />
‣ BGIA Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung:<br />
GESTIS-Stoffdatenbank. http://www.dguv.de/bgia/de/gestis/stoffdb/index.jsp<br />
‣ Ludewigs H-J, Thiess AM (1970) Arbeitsmedizinische Erkenntnisse bei der Nickelcarbonyl-Vergiftung.<br />
Zentralblatt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz 20: 329-339.<br />
‣ Pluto R-P, Trauth B, Will W, Nasterlack M, Lang S (<strong>2009</strong>) Drei Intoxikationen mit<br />
Nickeltetracarbonyl. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 44: 81-86.<br />
122
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Beschäftigten eines<br />
Industrieunternehmens<br />
Mekail-Cem Keskin 1 , Anja Kühnlein 2 , Katja Radon 2 , Joachim Stork 1<br />
1 Gesundheitswesen, AUDI AG, Ingolstadt<br />
2 Arbeitsgruppe Arbeits- und Umweltepidemiologie & Net Teaching, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozialund<br />
Umweltmedizin des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Zielstellung<br />
Die Individualprävention wird zukünftig in der Arbeitsmedizin neben der Prävention<br />
arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen eine immer größere Rolle spielen. Hierzu<br />
führte die AUDI AG 2006 im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements den<br />
Audi Checkup ein, bei der es die Integration des allgemeinen Präventionsscreenings in<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ermöglichte, ca. 90% einer<br />
Industriebelegschaft individuell gesundheitlich zu beraten (Haller 2008). Zur zukünftigen<br />
Schwerpunktbildung der betrieblichen Prävention sollten die Prävalenzen häufiger<br />
chronischer Erkrankungen in einem großen Teilkollektiv ermittelt werden.<br />
Methoden<br />
Der Audi Checkup beinhaltet die Anamnese mit Angaben zur persönlichen Befindlichkeit<br />
(SF-12), den klinischen Untersuchungsbefund, klinisch-chemische Parameter (Blutbild,<br />
Blutzucker, Triglyceride, Cholesterin, Leberparameter, Bilirubin, Harnsäure, Harnstoff,<br />
Kreatinin) sowie physikalische Routineuntersuchungen (Ruhe-EKG ab dem 45.<br />
Lebensjahr, Biometrie, Körperfettanalyse, Spirometrie, Seh- und Hörtest), zusätzlich den<br />
aus diesen Werten errechneten PROCAM-Score. Es konnten im Rahmen des<br />
Präventionsscreenings Daten von 13.832 Beschäftigten (10,7% weiblich, 89,3%<br />
männlich, mittleres Alter 40,6 10,3 Jahre, Raucheranteil 32%) der inländischen Audi-<br />
Standorte gewonnen werden, dies entspricht über 29% der Mitarbeiter des<br />
Unternehmens. Als chronische Erkrankungen wurden neben den ICD-10-<br />
Diagnosegruppen E (Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten), I<br />
(Krankheiten des Kreislaufsystems) und M (Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems<br />
und des Bindegewebes) die Einzeldiagnosen Diabetes mellitus Typ 2, arterielle<br />
Hypertonie und Erkrankungen der Wirbelsäule ausgewertet. Die Daten wurden mit Hilfe<br />
des statistischen Programms SPSS univariat und multivariat unter Einbeziehung<br />
bekannter Risikofaktoren analysiert.<br />
123
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Ergebnisse<br />
Die gewonnenen Daten wurden zunächst bezüglich ihrer unterschiedlichen Verteilung in<br />
den verschiedenen Geschäftsbereichen analysiert. Hierzu wurden im ersten Schritt die<br />
demographischen Daten der Geschäftsbereiche verglichen, die sich zum Teil beträchtlich<br />
unterscheiden. Die mittlere Altersstruktur (36,6 – 41,9 Jahre) zeigt hierbei die geringste<br />
Streuung; die Geschlechtsverteilung hingegen war von beinahe ausgewogen (weiblich :<br />
männlich 40,9 : 59,1) bis eindeutig männlich dominiert (weiblich : männlich 6,6 : 93,4)<br />
sehr variabel. Sämtliche vorkommende Berufsgruppen wurden entweder als manuellhandwerklich<br />
(„blue collar“) oder organisatorisch-koordinierend („white collar“)<br />
klassifiziert; auch hier zeigten sich große Differenzen in den Geschäftsbereichen;<br />
naturgemäß war der Anteil der eher manuell-handwerklichen Mitarbeiter in den<br />
produktionsnahen Geschäftsbereichen mit bis zu 77,1% deutlich höher als in eher<br />
administrativen Geschäftsbereichen, bei denen dieser Anteil auf bis zu 0% absinken<br />
konnte. Ähnlich variabel waren die unterschiedlichen Arbeitsschichtmodelle (siehe<br />
3.1. Demographie, Beschäftigungsstruktur und Schichtsysteme, bezogen auf Geschäftsbereiche, n = 13.832<br />
Abbildung 1).<br />
Geschlecht [%] Tätigkeitsgruppe [%] Schicht [%]<br />
Gesamt<br />
Geschlecht<br />
Gesamt<br />
89,3<br />
10,7<br />
T ätigkeit Gesamt<br />
54,8<br />
45,2<br />
Schi cht Gesamt<br />
8,6<br />
44,7<br />
7,8<br />
34,9<br />
4<br />
n = 13.832<br />
Geschäftsbereich 1<br />
Geschlecht 1<br />
74,9<br />
25,1<br />
Tätigkeit 1<br />
0<br />
100<br />
Sc hi c ht 1<br />
12 , 6<br />
85<br />
2,4<br />
0<br />
n = 207<br />
Geschäftsbereich 2<br />
Geschlecht 2<br />
93,4<br />
6,6<br />
Tätigkeit 2<br />
36,9<br />
63,1<br />
Sc hi c ht 2<br />
12 , 3<br />
81,4<br />
0,4 3,5 2,4<br />
n = 2.903<br />
Geschäftsbereich 3<br />
Geschlecht 3<br />
75,7<br />
24,3<br />
Tätigkeit 3<br />
0<br />
100<br />
Sc hi c ht 3<br />
13 , 8<br />
80,5<br />
0,2 05,4<br />
n = 514<br />
Geschäftsbereich 4<br />
Geschlecht 4<br />
86,9<br />
13,1<br />
Tätigkeit 4<br />
2<br />
98<br />
Sc hi c ht 4<br />
13 , 5<br />
62,7<br />
5<br />
16 , 6<br />
2,2<br />
n = 957<br />
Geschäftsbereich 5<br />
Geschlecht 5<br />
92,9<br />
7,1<br />
Tätigkeit 5<br />
77,1<br />
22,9<br />
Sc hi c ht 5<br />
5,5<br />
21,4<br />
13 , 2<br />
56<br />
4<br />
n = 7.693<br />
Geschäftsbereich 6<br />
Geschlecht 6<br />
59,1<br />
40,9<br />
Tätigkeit 6<br />
34,4<br />
65,3<br />
Sc hi c ht 6<br />
19 , 1<br />
56,8<br />
0,8 3,1<br />
20,1<br />
n = 518<br />
Geschäftsbereich 7<br />
Geschlecht 7<br />
78,9<br />
21,1<br />
Tätigkeit 7<br />
37,7<br />
62,3<br />
Sc hi c ht 7<br />
7,2<br />
67,6<br />
0,3<br />
23,4<br />
1, 5<br />
n = 1.011<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
männlich<br />
weiblich<br />
manuell-handwerklich<br />
organisat.-koordinierend<br />
Tagschicht<br />
Gleitzeit<br />
Dauernachtschicht<br />
2-Schicht<br />
Andere<br />
Abb.1: Einige demographische Daten der verschiedenen Geschäftsbereiche.<br />
Entsprechend zeigen sich hinsichtlich gesundheitlicher Risikofaktoren und chronischer<br />
Erkrankungen auffällige Unterschiede. In produktionsnahen Bereichen waren der<br />
höchste Raucheranteil [Vergleich mit Geschäftsbereich mit der geringgradigsten<br />
Ausprägung] (bis zu 38,9%[19,7%]) sowie der höchste Anteil an Mitarbeitern mit<br />
erhöhten Cholesterinwerten (23,7%[13,7%]) und erhöhten Harnsäurewerten<br />
(5,5%[2,9%]) zu finden. Auch der Anteil an chronischen Stoffwechselerkrankungen<br />
124
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
(34,3% der Mitarbeiter [17,4]), chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (13,1% der<br />
Mitarbeiter [4,8%]) und chronischen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (16,9%<br />
der Mitarbeiter [6,8%]) war in den produktionsnahen Geschäftsbereichen mit einem<br />
hohen Anteil an „blue collar workers“ am höchsten.<br />
Bei der weiteren deskriptiven Analyse der Prävalenzen wurden nur die männlichen<br />
Beschäftigten weiter betrachtet, da sie 89,3% der Mitarbeiter stellen. Analysiert man die<br />
Prävalenzen chronischer Stoffwechselerkrankungen, chronischer Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen und chronischer Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems im Altersgang<br />
bei Unterscheidung des Tätigkeitsprofils („blue collar workers“ versus „white collar<br />
workers“), so zeigt sich erwartungsgemäß bei allen drei Krankheitsgruppen ein<br />
gleichartiges Muster: Zum einem steigt die Prävalenz chronischer Erkrankungen mit<br />
zunehmendem Alter an, zum anderen ist die Prävalenz dieser Erkrankungen bei<br />
Mitarbeitern aus dem manuell-handwerklichen Bereich („blue collar“) höher als bei<br />
Mitarbeitern aus dem organisatorisch-koordinierenden Bereich („white collar“). So nimmt<br />
z.B. der Anteil der an chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Betroffenen im manuellhandwerklichen<br />
Bereich von 1,6% bei den unter 20jährigen bis auf 28,6% bei den über<br />
50jährigen stetig zu; während der Anteil bei Mitarbeitern aus dem organisatorischkoordinierenden<br />
Bereich unter stetiger Zunahme mit dem Alter unter den<br />
entsprechenden Referenzwerten der ersten Gruppe bleibt und bei den über 50jährigen<br />
maximal 23% erreicht.<br />
In einem weiteren Schritt wurden – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass<br />
gegenwärtig nur Daten aus einer Querschnittsstudie vorliegen – multivariat<br />
Assoziationen ausgewählter Einzeldiagnosen ermittelt. Hierzu wurden u.a. die<br />
Einzeldiagnose Diabetes mellitus Typ 2 (insgesamt 276 Erkrankte, entspricht 2% des<br />
Untersuchungskollektivs) und arterielle Hypertonie (insgesamt 1.494 Erkrankte,<br />
entspricht 10,8% des Kollektivs) näher betrachtet. Als Assoziationsgrößen wurden u.a.<br />
Alter, Geschlecht, Familienstand, Schichtmodell (Gleitzeit, Dauernachtschicht, 2-Schicht-<br />
Modell), Tätigkeitsprofil („white collar“, „blue collar“), Übergewicht, Hypercholesterinämie<br />
und Hyperurikämie ausgewählt. Hierbei zeigte sich folgendes Bild (siehe Abbildung 2):<br />
125
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
5.1. Assoziationen für Diabetes mellitus Typ 2 [logistische Regression], AUDI gesamt n = 13.231<br />
Prävalenz Diabetes mellitus Typ 2 im Gesamtbetrieb 2,0% (n = 276)<br />
Odds Ratio<br />
17<br />
16<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Alter<br />
1,15<br />
weibl. Geschlecht<br />
0,36<br />
Fam.stand verheiratet<br />
1,21 1,3<br />
Gleitzeit<br />
Dauernachtschicht<br />
10,3<br />
4,84<br />
1,7<br />
1,62<br />
1,25<br />
1,29 1,07<br />
2-Schicht<br />
Tätigkeit org.-koord,<br />
0,45<br />
Übergewicht<br />
Adipositas<br />
Adipositas per magna<br />
Hypercholesterinämie<br />
Hyperurikämie<br />
Assoziationen für Diabetes mellitus.<br />
Darstellung der Odds ratio und der<br />
95%-Konfidenzintervalle bei den<br />
statistisch signifikanten<br />
Assoziationen.<br />
Schwarze Datenpunkte bedeuten:<br />
keine statistische Signifikanz.<br />
Grüne Datenpunkte bedeuten:<br />
statistisch signifikant, Ausprägung<br />
verhindert eher Diabetes mellitus.<br />
Rote Datenpunkte bedeuten:<br />
statistisch signifikant, Ausprägung<br />
begünstigt eher Diabetes mellitus.<br />
95%-Konfidenzintervalle<br />
Abb. 2.: Assoziationen für Diabetes mellitus Typ 2<br />
Bei allen untersuchten Diagnosen war das Tätigkeitsprofil relevant; bei organisatorischkoordinierenden<br />
Tätigkeiten („white collar“) war das Erkrankungsrisiko sowohl für<br />
Diabetes mellitus Typ 2 (Odds Ratio OR 0,45; 95%-Konfidenzintervall 0,31-0,65) als<br />
auch für arterielle Hypertonie (OR 0,77; 0,66-0,91) gegenüber einem manuellhandwerklichen<br />
Tätigkeitsprofil („blue collar“) reduziert. Demgegenüber stieg<br />
erwartungsgemäß die Odds Ratio sowohl für Diabetes mellitus als auch für die arterielle<br />
Hypertonie mit zunehmenden Übergewicht an. Bei Diabetes mellitus Typ 2 betrugen die<br />
Werte für Übergewicht (BMI >25-29) OR 1,62; 1,05-2,52 ; für Adipositas (BMI 30-34) OR<br />
4,84; 3,10-7,57 ; für Adipositas per magna (BMI > 34) OR 10,3; 6,33-16,9. Bei der<br />
arteriellen Hypertonie ergaben sich ebenfalls gleichsinnige Zusammenhänge: Bei<br />
Übergewicht (BMI >25-29) betrug die OR 2,30; 1,92-2,76 ; bei Adipositas (BMI 30-34)<br />
betrug die OR 6,00; 4,92-7,33 ; bei Adipositas per magna schließlich lauten die Werte für<br />
die OR 14,4; 11,2-18,5. Schließlich zeigte sich bei beiden Einzeldiagnosen eine<br />
zunehmende Odds Ratio mit steigendem Lebensalter; bei Diabetes mellitus Typ 2 betrug<br />
die OR 1,15; 1,13-1,18 ; die entsprechenden Werte für arterielle Hypertonie lauten OR<br />
1,10; 1,09-1,11.<br />
Ausschließlich bei der arteriellen Hypertonie waren signifikante Assoziationen mit dem<br />
Vorhandensein einer Hypercholesterinämie und einer Hyperurikämie vorhanden. Eine<br />
126
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
vorhandene Hypercholesterinämie bedingte eine OR von 1,58; 1,39-1,80 ; bei der<br />
Hyperurikämie lauten die entsprechenden Werte für die OR 2,09; 1,71-2,55.<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen<br />
Die Etablierung eines der Individualprävention dienenden Vorsorgeangebots in die<br />
betrieblich etablierten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen bietet den Vorteil,<br />
einen hohen Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung zu erreichen und wird künftig an<br />
Bedeutung zunehmen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde der Audi Checkup<br />
konzipiert und Juli 2006 im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
eingeführt. Durch die Kopplung an arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen konnte<br />
eine hohe Teilnahmequote von über 90% erreicht und seitdem auch gehalten werden 3 .<br />
Neben der Individualprävention, deren langfristige Erfolge im Längsschnitt beobachtet<br />
und verifiziert werden müssen, ermöglichen die im Checkup gewonnenen Daten, die<br />
Prävalenzen häufiger chronischer Erkrankungen zu ermitteln, die sich in den einzelnen<br />
Bereichen eines Unternehmens zum Teil beträchtlich unterscheiden können und zur<br />
Entwicklung bereichsbezogener, adaptierter Präventionsprogramme bekannt sein<br />
sollten.<br />
In der vorliegenden Analyse zeigten sich zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen<br />
erhebliche Unterschiede hinsichtlich Demografie sowie Prävalenz gesundheitlicher<br />
Risikofaktoren und chronischer Erkrankungen. Auffällig war in den produktionsrelevanten<br />
und produktionsnahen Bereichen mit einem deutlichen Überwiegen von handwerklichmanuellen<br />
Tätigkeiten („blue collar workers“) eine erhöhte Prävalenz kardiovaskulärer<br />
Risikofaktoren wie Rauchen, Hypercholesterinämie und Hyperurikämie.<br />
Erwartungsgemäß war in diesen Bereichen auch die Prävalenz chronischer<br />
Erkrankungen, die durch kardiovaskuläre Risikofaktoren begünstigt werden, wie Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen oder die über das metabolische Syndrom assoziierten<br />
Stoffwechselerkrankungen, höher als in den anderen Bereichen. In unseren multivariaten<br />
Analysen, die wir unter anderem exemplarisch für die Einzeldiagnosen Diabetes mellitus<br />
Typ 2 und arterielle Hypertonie durchführten, war entsprechend reziprok eine Tätigkeit im<br />
produktionsfernen Geschäftsbereich (organisatorisch-koordinierend, „white collar“)<br />
signifikant mit einer Odds Ratio unter 1 assoziiert.<br />
Um Prädiktoren für das Auftreten chronischer Erkrankungen zu ermitteln, also auch den<br />
kausalen Zusammenhang zwischen individuellen Risikofaktoren und arbeitsbedingten<br />
Risikofaktoren einerseits und dem tatsächlichen Auftreten dieser Erkrankungen<br />
andererseits festzustellen, sind Daten einer Längsschnittstudie unerlässlich. Diese<br />
127
V18<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
werden frühestens in 3-5 Jahren vorliegen, wenn die Beschäftigten die Gelegenheit zu<br />
einer zweiten Teilnahme am Audi Checkup haben. Daher müssen die multivariaten<br />
Analysen, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgeführt haben, unter dem Aspekt<br />
einer Querschnittsstudie gesehen werden, weswegen wir hier eher von Assoziationen<br />
sprechen.<br />
Die vorliegenden Daten zeigen bereits jetzt zum Zeitpunkt der Querschnittsanalyse<br />
bekannte Assoziationen wie eine Zunahme von Diabetes mellitus Typ 2 und arterieller<br />
Hypertonie mit steigendem Alter und zunehmenden Übergewicht. Schwieriger wird die<br />
Interpretation solcher Assoziationen bei Erkrankungen wie solche des<br />
Bewegungsapparates, hier sind die Analysen der Querschnittstudie wenig ergiebig,<br />
weswegen hier in diesem Zusammenhang die angelaufene Längsschnittanalyse<br />
abgewartet werden muss.<br />
Bereits jetzt gestatten es die gewonnenen Daten aber, für die einzelnen<br />
Geschäftsbereiche aufgrund der ermittelten, selektiven Prävalenzen chronischer<br />
Erkrankungen adaptierte, bereichsbezogene Präventionsprogramme zu entwickeln, die<br />
derzeit bereits teilweise umgesetzt werden und über deren nachhaltige Wirksamkeit<br />
ebenso im Verlaufe der Längsschnittstudie berichtet werden wird.<br />
3 Keskin, M.-C.; Haller, A.; Heinrich, U.; Nachbar, L.B.; Stork, J.:<br />
Integration von arbeitsmedizinischer Vorsorge und allgemeiner Prävention – Ergebnisse<br />
des „Audi Checkup“. 48. Jahrestagung der <strong>DGAUM</strong><br />
128
V19<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Prävention von Herzkreislauferkrankungen - Deutschlands<br />
größtes Gesundheitsscreening am Arbeitsplatz und<br />
Folgeaktivitäten<br />
Andreas Tautz 1 , Helmut Schulte 2 , Gerd Assmann 2<br />
1 Deutsche Post World Net, Bonn<br />
2 Assmann-Stiftung für Prävention, Münster<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) machen jährlich 24 % aller Todesfälle in der<br />
Erwerbsbevölkerung der EU25 aus. Der Arbeitsplatz ist das ideale Setting, um<br />
Risikofaktoren erkennen und ihnen begegnen zu können. In 2006 und 2007 wurde daher<br />
von der Deutschen Post in Zusammenarbeit mit deren Betriebskrankenkasse (Deutsche<br />
BKK) und wissenschaftlicher Begleitung (Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung /<br />
Universität Münster) die für Deutschland bisher größte betriebliche<br />
Präventionssmaßnahme „HerzCheck im Betrieb“ durchgeführt.<br />
Methode: 245.000 Beschäftigten der Deutschen Post wurde über die Mitarbeitermedien<br />
ein Herz-Kreislauf-Risiko-Schnelltest zur Verfügung gestellt. Beschäftigte mit im<br />
Schnelltest identifizierten, erhöhten Risiken, erhielten das Angebot einer weitergehenden<br />
betriebsärztlichen Untersuchung und angepassten Interventionen. In der Folge wurden<br />
5.528 Männer und 5.814 Frauen im Rahmen des „Herz Check im Betrieb“ von den<br />
Betriebsärzten der Deutschen Post untersucht und beraten.<br />
Ergebnisse: Im Vergleich zu gleichaltrigen Teilnehmern der PROCAM Studie wiesen die<br />
Teilnehmer am „HerzCheck im Betrieb“ ein ungünstigeres Risikoprofil auf. 16,9% der<br />
Männer hatten ein mittelgradiges bis hohes Risiko in 10 Jahren einen Herzinfarkt zu<br />
erleiden. Jeder zweite Mann und jede dritte Frau wurde von den Betriebsärzten an einen<br />
Facharzt zur weiteren Diagnostik und Therapie überwiesen. Bei über einem Drittel der<br />
Teilnehmer wurden direkt arbeitsmedizinische Interventionsmaßnahmen, z.B. in Form<br />
von Raucherentwöhnung, Ernährungsberatung und Bewegungstraining eingeleitet. Im<br />
Anschluss an den „HerzCheck im Betrieb“ werden weitere Programme zur<br />
Gesundheitsförderung aufgelegt und Daten zur Arbeitszufriedenheit und empfundenen<br />
Wertschätzung z.B. aus der Mitarbeiterbefragung und der Gefährdungsbeurteilung<br />
analysiert.<br />
Diskussion: Die Ergebnisse belegen die hohe Bedeutung des Präventionssetting<br />
„Betrieb“, ebenso, wie die Bedeutung der Arbeitsmedizin als koordinierendes<br />
Element in der Gesundheitsförderung. Im Hinblick auf weitere Einflussfaktoren<br />
129
V19<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
auf die Entstehung von HKE, z.B. der Bedeutung des sozialen Status für<br />
Gesundheit, bestehen weitere Analysebedarfe. Hinzugezogen werden dazu u.a.<br />
Erkenntnisse aus der Mitarbeiterbefragung.<br />
130
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Arbeitsplatzorientierte Rehabilitation bei Mitarbeitern mit Muskel-<br />
Skelett-Erkrankungen: Konsequenzen für die Wiedereingliederung<br />
und präventive Interventionen im Betrieb<br />
Monika Schwarze 1 , Nina Ristel 1 , Thomas Schröder 1 , Ingra-A. Manecke 2 , Frank Teumer 3 , Michael<br />
Spallek 4 , Renate Wrbitzky 5 , Christoph Gutenbrunner 1 , Thomas Rebe 5<br />
1 Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung, Klinik für Rehabilitationsmedizin Medizinische<br />
Hochschule Hannover<br />
2 Arbeitsmedizin, SNL Personalservice Halle, Braunschweig<br />
3<br />
Gesundheitswesen, Volkswagen Nutzfahrzeuge Hannover<br />
4<br />
Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor e.V., Berlin<br />
5<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />
Einleitung und Ziel der Studie<br />
Eine wesentliche Zielsetzung medizinsicher Rehabilitation ist der Erhalt bzw. die<br />
Wiederherstellung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit. Es besteht heute weitgehende<br />
Einigkeit, dass sich Rehabilitationsmaßnahmen stärker an den Rehabilitationszielen<br />
„Verbleib am Arbeitsplatz“ oder „return to work“ orientieren müssen. Im Zentrum steht<br />
dabei eine möglichst nahtlose Wiedereingliederung und/oder Rückkehr an den<br />
bestehenden Arbeitsplatz nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme.<br />
Erkrankungen des Bewegungsapparates (z.B. chronische Rückenschmerzen) haben<br />
eine hohe epidemiologische, ökonomische und subjektive Relevanz (Raspe et al., 1998;<br />
Göbel, 2001). Laut BKK Gesundheitsreport 2005 entfielen z.B. knapp 27% aller<br />
Arbeitsunfähigkeitstage bei ihren erwerbstätigen Pflichtmitgliedern auf die<br />
Erkrankungsgruppe der Bewegungsorgane, wobei der Erkrankungsschwerpunkt in<br />
Produktion und im verarbeitenden Gewerbe sowie in körperlich belastenden<br />
Dienstleistungsbranchen liegt. Besonders betroffen sind Beschäftigten der Post- und<br />
Kurierdienste sowie im KFZ-Bau (BKK, 2005).<br />
Studien zu evidenzbasierten Effektivität berufsbezogener Maßnahmen führen den Erfolg<br />
auf eine bedarfsbezogene Durchführung der berufsbezogenen Maßnahmen in<br />
strukturierten Behandlungspfaden, eine kognitiv-verhaltenstheoretische Basierung der<br />
Maßnahmen, eine bedarfsorientierte Kombination verschiedener Bausteine (nicht auf<br />
einzelne Behandlungsbausteine) und eine Kooperation der beteiligten Akteure zurück<br />
(Wadell & Burton, 2001; Müller-Fahrnow et al., 2005).<br />
Die Ergebnisse einer Metanalyse von Bethge und Müller-Fahrnow (2008) erbringen eine<br />
konsistente Evidenz, dass eine intensivierte orthopädische Rehabilitation gegenüber der<br />
herkömmlichen Rehabilitation mittelfristig als auch langfristig positive Effekte auf den<br />
subjektiven Gesundheitszustand zeigt.<br />
131
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
In einer Studie der Klinikgruppe Enzenberg in Kooperation mit der Audi AG<br />
Gesundheitsschutz, der Audi BKK und der LVA Oberbayern kommen Haase et al. (2002)<br />
zu dem Schluss, dass die betriebliche Wiedereingliederung durch eine systematische<br />
Kooperation zwischen Reha-Arzt und Betriebsarzt verbessert werden kann. Die<br />
Ergebnisse zeigen für AU-Tage und Dauer bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz<br />
signifikante Effekte zu Gunsten der Interventionsgruppe.<br />
Medizinische Rehabilitation sind aus der Sicht der Betriebsmedizin zu stark auf die<br />
allgemeine Funktionsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der Rehabilitanden nur auf dem<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet und meistens liegen den Rehabilitationskliniken<br />
in der Regel nur unzureichende Informationen über den konkreten Arbeitsplatz und die<br />
Leistungsanforderungen im Betrieb vor. Generell ist die sozialmedizinische Beurteilung<br />
im Entlassungsbericht für die Betriebsärzte oft wenig hilfreich für die konkrete<br />
Einschätzung der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz, meistens erreicht sie den Betriebs-<br />
/Werksarzt gar nicht (Manecke et al., 2008; Schwarze et al., 2008a).<br />
Aus diesem Grund wurde das Modellprojekt JobReha initiiert, vorerst mit einer<br />
Fokussierung auf Erkrankungen des Bewegungsapparates. Kernelemente sind eine<br />
stärkere Fokussierung von Rehabilitationsmaßnahmen auf einen vorhandenen<br />
Arbeitsplatz, ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Betrieb und<br />
Rehabilitationseinrichtung sowie eine bessere Abstufung der Rehabilitationsleistungen<br />
auf die individuelle Bedürfnisse von Betroffenen im Sinne eines so-viel-wie-nötig–und-sowenig-wie-möglich<br />
(Schwarze et al., 2008b).<br />
Ziel der begleitenden Gesamtevaluation war es, die Durchführbarkeit und den Nutzen<br />
dieser JobReha-Maßnahme zu überprüfen. Als Teilfragestellung werden in der<br />
vorliegenden Untersuchung der Einsatz des projektspezifischen JobReha-<br />
Entlassungsberichtes (Kurzentlassungsbericht) und Konsequenzen für nachgehende<br />
arbeitsplatzspezifische präventive und rehabilitative Maßnahmen bei der<br />
Wiedereingliederung am Arbeitsplatz im Betrieb analysiert.<br />
Methoden:<br />
Studiendesign<br />
Die Pilotstudie ist als deskriptive Studie angelegt. Die Begleitforschung umfasst die<br />
Modellentwicklung, eine Vollerfassung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer inklusive<br />
Befragung zur Zufriedenheit sowie Veränderungen des Gesundheitsstatus mit<br />
132
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
standardisierten Assessments im Verlauf, eine Befragung von Betriebs- und<br />
Rehabilitationsärzten zum Schnittstellenmanagement und Machbarkeit des Konzeptes.<br />
Die unten beschriebene JobReha Intervention wurde Mitarbeiter/innen von Volkswagen<br />
Nutzfahrzeuge und der Deutschen Post AG im Rahmen eines zweijährigen Modellphase<br />
abgeboten. Die Mitarbeiter/innen wurden nach schriftlicher Information und Einwilligung<br />
in die Studie vor der Reha, nach der Reha, sechs Monaten und 12 Monate nach der<br />
Rehabilitation befragt. Die Analysen erfolgten mittels deskriptiver statistischer Verfahren<br />
(SPSS 16).<br />
JobReha Durchführung<br />
Im Konsensprozess wurde mit allen beteiligten Akteuren ein arbeitsplatzorientiertes<br />
Rehabilitationsmodell entwickelt, welches folgende Elemente beinhaltet:<br />
Bekanntgabe im Betrieb und Freiwilligkeit der Maßnahme (Teilnehmer willigen<br />
auch in Kommunikation zwischen Betriebs- und Rehabilitationsärzten ein)<br />
o JobReha-Flyer<br />
o Einwilligungserklärungen<br />
Veranlassung durch den Betriebsarzt und rasche Genehmigung der Maßnahme<br />
durch Kostenträger (mit quasi 100-prozentiger Genehmigungsrate)<br />
o Formalisierter rascher Genehmigungsprozess<br />
Bedarfgerechte Staffelung der Interventionen (angelehnt an vorhandenes System<br />
der Rentenversicherung)<br />
o Stufe I (Ambulante Intensivintervention)<br />
o Stufe IIa (Ambulante dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme)<br />
o Stufe IIs (Stationäre dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme)<br />
Direkte, rasche und standardisierte Kommunikation an den Schnittstellen<br />
Betriebsmedizin - Rehabilitationsmedizin und vice versa)<br />
o JobReha-Arbeitsplatzbeschreibung<br />
o JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />
Inhaltliche Orientierung der Rehabilitationsmaßnahmen auf das bestehende<br />
Arbeitsplatzproblem<br />
o arbeitspatzorientierte Diagnostik<br />
o arbeitsplatz- und problemorientiertes Training<br />
Fortsetzung trainierender Maßnahmen im Betrieb<br />
o Betriebseigenes Trainingszentrum<br />
Gemeinsame Fortbildungen aller Beteiligten<br />
o Fallbesprechungen, Arbeitsplatzbesichtigungen<br />
133
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Datenerhebung anhand des JobReha-Entlassungsberichtes<br />
Der am Ende der Intervention durch den Rehabilitationsmediziner erstellte<br />
arbeitsplatzspezifische JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht) besteht<br />
aus drei Elementen.<br />
1. Einseitige Empfehlungen bezüglich eines fähigkeitsgerechten Einsatzes im<br />
Betrieb und ein weitergehendes Trainingsprogramm.<br />
2. Abgleich des Fähigkeits- und Anforderungsprofils anhand der<br />
Arbeitsplatzbeschreibung<br />
3. Befund zur funktionellen Leistungsfähigkeit<br />
Die einseitige Empfehlung enthält neben den relevanten Diagnosen Aussagen zu<br />
folgenden Fragen:<br />
• Ist ein Einsatz des Mitarbeiters am bisherigen Arbeitplatz möglich? (ja/nein)<br />
• Bestehen Einschränkungen bei Wiedereinsatz? (ja/nein)<br />
• Wenn ja, welche Einschränkungen gibt es bei der Wiedereingliederung bzw. -<br />
einsatz? (Freitext)<br />
• Gibt es Empfehlungen zum Wiedereinsatz bzw. Veränderungen am bestehenden<br />
Ar beitsplatz? (ja/nein)<br />
• Wenn ja, welche Empfehlungen zur Veränderungen am bestehenden Arbeitsplatz<br />
werden ausgesprochen? (Freitext)<br />
• Gibt es Empfehlungen für arbeitsplatzspezifische und berufsbegleitende Rehaund<br />
Trainingsmaßnahmen? (ja/nein)<br />
• Wenn ja, welche Empfehlungen für weitere allgemeine und<br />
arbeitsplatzspezifische und be rufsbegleitende Reha- und Trainingsmaßnahmen<br />
werden gegeben? (Freitext)<br />
Der Kurzentlassungsbericht wurde dem Rehabilitanden bei Entlassung mitgegeben oder<br />
per Fax an den behandelnden Betriebs-/Werksarzt geschickt. Am Tag der<br />
Wiederaufnahme stellt sich der Mitarbeiter beim Betriebs-Werksarzt vor und bespricht<br />
das Ergebnis der JobReha und die Umsetzung der nachgehenden Trainingsmaßnahme<br />
bzw. Wiedereingliederungsempfehlungen.<br />
Ergebnisse:<br />
Stichprobenbeschreibung<br />
In zwei Betrieben meldeten sich im Zeitraum von Januar 2007 bis Januar <strong>2009</strong><br />
insgesamt 273 Mitarbeiter/-innen zur Teilnahme an der JobReha. Die Maßnahme wurde<br />
in fünf Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt und von der Deutschen BKK, der<br />
134
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover oder der Postbeamtenkrankenkasse<br />
finanziert.<br />
Zur Auswertungen gingen in die Studie 250 Patienten ein. Davon entfallen 111<br />
Mitarbeiter/-innen auf VW Nutzfahrzeuge und 139 Mitarbeiter/-innen auf die Deutsche<br />
Post AG. Eine ambulante Intensivintervention (Stufe I) wurde in 64 Fällen, eine<br />
ambulante dreiwöchige Rehabilitation in 67 und die stationäre Rehabilitation in 119<br />
Fällen durchgeführt.<br />
Die Mitarbeiter/innen waren bei Einschluss in die Studie zwischen 23 und 61 Jahre alt<br />
(Mittelwert: 45,3 Jahre, Standardabweichung 7,4 Jahre). 70,8 % der Teilnehmer waren<br />
männlich und 29,2% weiblichen Geschlechts. Als berufliche Position gaben 28,9%<br />
ungelernte/r Arbeiter/-in, 23,2% gelernte Arbeiter/in und 40,7% Beamter/Beamtin im<br />
einfachen Dienst an.<br />
Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer/-innen gibt als Erstdiagnose chronische<br />
Rückenschmerzen (Lumbalsyndrom) (52,4%), gefolgt von Halswirbelsäulenbeschwerden<br />
(Zervikalsyndrom) (18,5%) und Kniegelenkserkrankungen (12,0%) an.<br />
JobReha Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />
In 247 Fällen lag der Kurzentlassungsbericht zur Auswertung vor. In Tabelle 1 sind die<br />
absoluten Zahlen zur Auswertung der vier Fragen in der Übersicht dargestellt.<br />
Bei 92,3% (228 von 247 Fällen) der Rehabilitanden beider Betriebe wurde von den<br />
behandelnden Rehabilitationsärzten ein Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz empfohlen<br />
(Stufe I: 98,4%; Stufe IIa: 81,8 % und Stufe IIs: 95,0%). Bei 17,4% (43 von 247 Fällen)<br />
der Mitarbeiter/-innen ist dies nur mit Einschränkungen möglich, wobei in Stufe I nur in<br />
2% der Fälle Einschränkungen angegeben werden und für die Stufe IIa und IIs jeweils in<br />
7,6% der Fälle ein Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz mit Einschränkungen als möglich<br />
eingeschätzt wird. Als Begründung für die Einschränkungen bei insgesamt 43<br />
Mitarbeitern werden am Häufigsten „Heben, Tragen, Schieben, Lenken, Über-Kopf-<br />
Arbeiten nicht/eingeschränkt möglich“ (22x), „Laufen, Treppensteigen<br />
nicht/eingeschränkt möglich“ (9x) und „Trainingsdefizit“ (3x) genannt.<br />
Empfehlungen zum Wiedereinsatz bzw. Veränderungen am Arbeitsplatz wurden<br />
insgesamt bei 78 (31,6%) der Mitarbeiter/-innen vom Rehabilitationsmediziner<br />
ausgesprochen. Für Stufe I ist dies bei 25,8%, für Stufe IIa bei 47% und für Stufe IIs bei<br />
26% der Mitarbeiter der Fall.<br />
135
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Am häufigsten genannt werden „Stufenweise Wiedereingliederung“ (23x), „Reduzieren/<br />
Vermeiden spezieller Haltungen“ (z.B. kein Heben oder Tragen (22x) und<br />
„Arbeitsplatzumsetzung/innerbetriebliche Umsetzung“ (14x) genannt.<br />
Empfehlungen für weitere Trainingsmaßnahmen werden insgesamt für 90,3% der<br />
Mitarbeiter ausgesprochen. 47% der Rehabilitanden in Stufe I, 87,9 % der<br />
Rehabilitanden in Stufe IIa und 93,3% der Rehabilitanden in Stufe IIs erhalten<br />
Empfehlungen für weitere Trainingsmaßnahmen. Betrachtet man die Art der<br />
Empfehlung, so werden 75% aller Mitarbeiter/-innen eine Medizinische<br />
Trainingstherapie/ Muskelaufbautraining im Anschluss an die JobReha empfohlen. 12%<br />
erhalten als Empfehlung die Weiterführung der Selbstübung bzw. Heimtraining und 4.9%<br />
Rehasport bzw. Sporttherapie.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die bei 17,4 % der Rehabilitanden genannten Einschränkungen bei Wiederaufnahme der<br />
der Arbeit und für 31,8% der Mitarbeiter ausgesprochenen Veränderungen am<br />
bisherigen Arbeitsplatz verdeutlichen die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit<br />
zwischen Betriebs- und Rehabilitationsärzten. Einsatzeinschränkungen führen<br />
innerbetrieblich aus organisatorischen Gründen oft doch zu Arbeitsplatzumsetzungen,<br />
obwohl medizinisch-gesundheitlicher Sicht ein Verbleib am ursprünglichen Platz möglich<br />
wäre. Die Zahl und Art der Veränderungen und Einschränkungen beim Einsatz am<br />
bisherigen Arbeitsplatz macht deutlich, dass dem Arbeitsplatz ein gewichtiger Faktor für<br />
die Genese und Aufrechterhaltung von Beschwerden des Bewegungsapparates zu<br />
kommt. Dies ist bei Prävention und Therapie zu berücksichtigen.<br />
Die Empfehlung für weitere Therapien in über 90 % der Fälle weist darauf hin, dass die<br />
Effektivität einer arbeitsplatzorientierten Rehabilitation nicht nur in ihrer singulären<br />
Diagnostik und Therapie zu sehen ist, sondern auch in der Fortführung ihrer<br />
Maßnahmen.<br />
Als nächster Schritt folgt die Analyse der weiteren Bestandteile des JobReha-<br />
Entlassungsberichtes. Das Formular „Abgleich des Anforderungs- und Fähigkeitsprofils“<br />
und die „Ergebnisse der funktionellen Leistungsfähigkeit“ können als Instrument bei der<br />
Wiedereingliederung unterstützende Hinweise liefern.<br />
136
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Tabelle 1: Anzahl der Empfehlungen im JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />
nach Interventionsstufen (absolute Zahlen)<br />
Ist der Einsatz am alten<br />
Arbeitsplatz möglich?<br />
Stufe I - ambulante<br />
Intensivintervention<br />
Stufe IIa -<br />
ambulante<br />
Rehabilitation<br />
Stufe IIs -<br />
stationäre<br />
Rehabilitation<br />
Gesamt<br />
ja 61 54 113 228<br />
nein 1 12 6 19<br />
gesamt 62 66 119 247<br />
Bestehen<br />
Einschränkungen beim<br />
Wiedereinsatz?<br />
ja 5 19 19 43<br />
Nein 57 47 100 204<br />
gesamt 62 66 119 247<br />
Gibt es Empfehlungen<br />
zum Wiedereinsatz bzw.<br />
veränderungen am<br />
Arbeitsplatz?<br />
Ja 16 31 31 78<br />
nein 46 35 88 169<br />
gesamt 62 66 119 247<br />
Gibt es Empfehlungen<br />
für weitere<br />
ja 54 58 111 223<br />
berufsbegleitende nein 8 8 8 24<br />
Rehabilitations- und<br />
Trainingsmaßnahmen? Gesamt 62 66 119 247<br />
Literatur:<br />
Bethge M. & Müller-Fahrnow, W. (2008). Wirksamkeit einer intensivierten stationären<br />
Rehabilitation bei muskuloskelettalen Erkrankungen: systematischer Review und<br />
Meta-Analyse. Die Rehabilitation, 47, 200 - 209.<br />
BKK Bundesverband (2005). BKK Gesundheitsreport. Krankheitsentwicklungen –<br />
Blickpunkt: Psychische Gesundheit. Essen: Dobler.<br />
Göbel, H. (2001). Epidemiologie und Kosten chronischer Schmerzen. Spezifische und<br />
unspezifische Rückenschmerzen. Der Schmerz, 15, (2), 92-98.<br />
Haase, I, Riedl, G, Birkholz, l.B. & Zellner, M. (2002). Verzahnung von medizinischer<br />
Rehabilitation und beruflicher Reintegration. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,<br />
Umweltmedizin, 37, 7.<br />
Manecke, I.-A., Spallek, M., Rebe, T., Wrbitzky, R., Gutenbrunner, C., Ristel, N. &<br />
Schwarze, M. (2008). Das Modellprojekt „JobReha“-Hintergrund und<br />
Praxisbericht., Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, 8, 36-40.<br />
Müller-Fahrnow, W., Greitemann, B., Radoschewski, F. M., Gerwinn, H. & Hansmeier, T.<br />
(2005). Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und<br />
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Rehabilitation, 44, 32-45.<br />
Raspe, H. & Kohlmann, T. (1998). Die aktuelle Rückenschmerz-Epidemie. In: Pfingsten,<br />
M. & Hildebrandt, J. (Hrsg.). Chronischer Rückenschmerz. Wege aus dem<br />
Dilemma. Bern u.a.: Huber, 20-33.<br />
Schwarze, M., Rebe, T., Spallek, M., Manecke, I.-A., Wrbitzky, R. & Gutenbrunner, C.<br />
(2008a). Betriebs- und Werksärzte als Schnittstellen-Manager in der<br />
medizinischen Rehabilitation: JobReha., Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,<br />
Umweltmedizin, 43, 187.<br />
137
V20<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Schwarze, M., Ristel, N., Rebe, T., Wrbitzky, R., Gutenbrunner, C., Manecke, I. &<br />
Spallek, M. (2008b). Schnittstellenmanagement in der "JobReha"- Notwendigkeit<br />
einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Betriebs- und<br />
Rehabilitationsärzten, Zentralblatt für Arbeitsmedizin, 58, 216-218.<br />
Waddell, G. & Burton, A.K. (2000). Occupational health guidelines for the management<br />
of back pain at work - evidence review. London: Faculty of Occupational<br />
Medicine.<br />
Danksagung<br />
Folgenden am Projekt JobReha beteiligten Personen und Einrichtungen sind wir zu<br />
besonderem Dank verpflichtet:<br />
Rehazentrum Bad Eilsen (Dr. Daalmann), Rehazentrum Bad Pyrmont (Dr. Kasprowski),<br />
Gesundheitszentrum Kestnerstrasse Hannover (Dr. Busche), Ambulantes Reha Centrum<br />
Braunschweig (Herr Jacobs, Herr Wehe), Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-<br />
Hannover (Dr. Moesch, Herr Rodewald, Frau Eisenhauer), Deutsche BKK (Herr Cordes,<br />
Frau Noll), Postbeamtenkrankenkasse (Herr Jähnke).<br />
138
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Gesundheitsindikatoren und Arbeitsbedingungen bei über<br />
55jährigen Personen in der bayerischen Land- und<br />
Forstwirtschaft - eine repräsentativer Querschnitt<br />
Christian Hetzel 1 , Fritz Allinger², Reinhold Watzele³, Andreas Weber 1<br />
1 Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH, Deutsche Sporthochschule Köln<br />
2 Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben<br />
3 Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Franken und Oberbayern<br />
Ausgangslage<br />
Arbeiten bis ins hohe Alter ist in der Land- und Forstwirtschaft die Regel, sei es wegen<br />
der eigenen Existenzsicherung, wegen des Erhalts des Familienbetriebs oder aus<br />
Gründen der Arbeitsfreude. Einerseits kann Arbeit eine Quelle von Gesundheit sein.<br />
Andererseits können belastende Arbeitsbedingungen insbesondere mit zunehmendem<br />
Alter aber auch zu Beeinträchtigungen in Gesundheit und Lebenszufriedenheit sowie zu<br />
erhöhtem Unfallrisiko führen. Die Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung<br />
Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben sowie die Land- und forstwirtschaftliche<br />
Sozialversicherung Franken und Oberbayern (beide im Folgenden kurz LSVen) stehen<br />
u.a. vor folgenden Herausforderungen: 75% der Neu-Rentenfälle (Unfallrente) sind älter<br />
als 60 Jahre, 60-80 % der tödlich Verunglückten sind 60 Jahre und älter, auf einen<br />
Beitragszahler kommen mehr als zwei Rentner, circa 75% der Versicherten in der<br />
Landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse sind Rentner. Daher haben die LSVen in<br />
Bayern die Aktion 55plus ins Leben gerufen, die mit einer Ermittlung des Kundenprofils<br />
im Sinne einer Bestandsaufnahme beginnt. Thema des Vortrags sind Teilergebnisse<br />
zum Zusammenhang zwischen subjektiven Gesundheitsindikatoren und<br />
Arbeitsbedingungen.<br />
Stichprobe und Datenerhebung<br />
Grundgesamtheit sind alle Personen älter als 55 Jahre, die in land- oder<br />
forstwirtschaftlichen Betrieben in Bayern erwerbstätig sind oder mithelfen. Aus dieser<br />
Grundgesamtheit wurde eine dreistufige, zum regionalen Populationsumfang<br />
proportionale Zufallsstichprobe gezogen. Die Generalisierbarkeit der<br />
Stichprobenergebnisse ist aufgrund des Auswahlverfahrens gewährleistet,<br />
Transformationsgewichtungen sind nicht notwendig.<br />
Insgesamt gehen von 8122 ausgegebenen Fragebögen 3176 in die Auswertung ein<br />
(39,1% Rücklauf). 64 Bögen wurden aus der Auswertung gestrichen, weil die Befragten<br />
unter 55 Jahre alt waren oder grob unvollständig ausgefüllt wurden. Die Rücklaufquote<br />
ist als sehr gut zu bewerten, insbesondere vor dem Hintergrund der Länge des<br />
139
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Fragebogens, der Abfrage durchaus sensibler Daten und der Zielgruppe der Älteren.<br />
Erfolgsvoraussetzung war das hohe Engagement der LSV-Beteiligten und der<br />
persönlichen Ansprache durch die Landfrauen. In der Auswertung sind<br />
- 59,8% Männer<br />
- Altersklassen: 55-59 Jahre 21,8%, 60-64 Jahre 17,4%, 65- 69 Jahre 23,1% und<br />
70 Jahre und älter 37,7%.<br />
- Betriebswirtschaftliche Hauptausrichtung: Ackerbau 26,7%, Sonderkulturen ohne<br />
Schwerpunkt Ackerbau 4,8%, Milcherzeugung 32,2%, Viehhaltung ohne<br />
Schwerpunkt Milcherzeugung 19,0% und Pflanzenbau-Viehhaltung 17,3%.<br />
Die Stichprobe kommt den Referenzdaten aus der amtlichen Statistik und den LSV-<br />
Daten relativ nahe. Auch ohne Strukturgewichtung ist von einer Verallgemeinerbarkeit<br />
der Stichprobenergebnisse auf die Grundgesamtheit auszugehen. Aufgrund der üblichen<br />
wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen beträgt die Fehlertoleranz bei 3.000<br />
Befragten bei einem Gruppenanteil von 50% +/-1,7 Prozentpunkte und bei einem<br />
Gruppenanteil von 10% +/-1,1 Prozentpunkte.<br />
Positivindikatoren der Gesundheit<br />
Die allgemeine Lebenszufriedenheit wurde mit fünf Fragen erfasst (vgl. Diener 1985). In<br />
Abb. 1 ist die mittlere Lebenszufriedenheit für jeden Jahrgang bis 85 Jahre dargestellt,<br />
getrennt nach Geschlecht.<br />
140
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Lebenszufriedenheit nach Alter und Geschlecht<br />
7<br />
6<br />
Geschlecht<br />
männlich<br />
weiblich<br />
Punkte/Linien zeigen Mittelwerte<br />
Lebenszufriedenheit<br />
5<br />
Fehlerbalken: 95% Konfidenzintervalle<br />
Lezu: 1=extrem unzufrieden, 7=extrem zufrieden<br />
4<br />
3<br />
2<br />
82% aller Befragten sind mit ihrem Leben zufrieden;<br />
im Mittel etwas zufriedener als dt. Vergleichsstichprobe<br />
40-85 Jahre (vgl. Tesch-Römer et al. 2006)<br />
1<br />
55 60 65 70 75 80 85<br />
Alter<br />
Abb. 1: Lebenszufriedenheit nach Alter und Geschlecht.<br />
Die Darstellung zeigt 1 :<br />
die mittlere Lebenszufriedenheit liegt durchgängig deutlich über der neutralen<br />
Mitte (insgesamt sind 82% der Befragten mit ihrem Leben zufrieden)<br />
<br />
Frauen und Männer unterscheiden sich insgesamt nur minimal.<br />
Auffällig ist, dass bei Männern ab 65 ein sprunghafter Anstieg der mittleren<br />
Lebenszufriedenheit zu beobachten ist. Dies könnte mit der Hofübergabe mit dem<br />
65. Lebensjahr zusammenhängen.<br />
<br />
Jenseits der 75 wird die Schwankung der Werte immer größer, was einerseits mit<br />
den abnehmenden Fallzahlen und andererseits mit Krankheit, Pflege, Tod und<br />
Trauer zusammenhängen dürfte.<br />
<br />
Statistisch signifikant aber praktisch nur gering bedeutsam (Eta>.1) haben höhere<br />
Werte: 65-jährige und älter, Personen in Großbetrieben mit mindestens 100 EGE,<br />
in Betrieben die künftig den Stand halten oder ausbauen sowie in Betrieben mit<br />
geregelter Hofübergabe.<br />
Sind aktive Bäuerinnen und Landwirte zufriedener als andere Personen? In der<br />
Repräsentativbefragung von 40-85-jährigen Personen „Altwerden in Deutschland“ von<br />
1 Ähnliches zeigt sich auch bei der Skala Arbeitsfreude/-stolz, die im Vergleich zur Industrie sehr deutlich<br />
höher (Cohens d 1,32) ist, hier nicht dargstellt.<br />
141
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
2002 (vgl. Tesch-Römer et al. 2006) wurden dieselben Fragen gestellt, allerdings mit 5-<br />
stufiger Antwortmöglichkeit. Dort haben Männer bzw. Frauen im Jahr 2002 im Vergleich<br />
zur neutralen Skalenmitte um 15,6% bzw. 17,0% höhere Werte. Hier sind die Werte<br />
etwas höher: Männer bzw. Frauen haben 18,8% bzw. 18,0% höhere Werte als die<br />
neutrale Mitte. Aktive ältere Bäuerinnen und Landwirte sind also etwas zufriedener als<br />
die älteren Erwachsenen in Deutschland.<br />
Negativindikatoren der Gesundheit<br />
Auf der körperlichen Ebene dominieren Beschwerden des Muskel-Skelett-Apparats. Das<br />
deckt sich u.a. mit der Krankheitsursachenstatistik der LSV. Hautbeschwerden werden<br />
nur von wenigen Befragten berichtet, was vor dem Hintergrund der aktuellen<br />
Hautschutzkampagnen beachtenswert erscheint. Faktorenanalytisch können die<br />
einzelnen Beschwerden zu 2 Gruppen aggregiert werden: orthopädische und nichtorthopädische<br />
Beschwerden. Praktisch bedeutsame Unterschiede (Eta>.1) zeigen sich<br />
nur bei den nicht-orthopädischen Beschwerden: hier dominieren Personen älter als 75<br />
Jahre leicht. Im Vergleich zu Beschäftigten aus dem gewerblich-technischen Bereich<br />
werden insgesamt etwas weniger körperliche Beschwerden berichtet (vgl. Ducki 2000).<br />
Psychischen Beeinträchtigungen sind auch in der Landwirtschaft von zunehmender<br />
Bedeutung, z.B. ersichtlich bei den Zugängen zu Erwerbsminderungsrenten. Personen<br />
zwischen 55 und 64 Jahren fühlen sich etwas stärker psychisch beeinträchtigt als die<br />
älteren (Eta>.1). Dies könnte mit der Phase der Hofübergabe zusammenhängen. Im<br />
Vergleich zu Beschäftigten aus dem gewerblich-technischen Bereich werden insgesamt<br />
etwas weniger Beeinträchtigungen berichtet (vgl. Ducki 2000).<br />
Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheitsindikatoren<br />
Die Befragten haben überdurchschnittlich Freude an der Arbeit und sind<br />
überdurchschnittlich lebenszufrieden. Gleichzeitig arbeiten sie im Wochenmittel 27,5<br />
Stunden auf Hof, Feld und im Wald und sind nicht kränker als andere. Liegt das an den<br />
Arbeitsbedingungen?<br />
Bei den Arbeitsbedingungen wurden Themen abgefragt, denen in der Literatur eine<br />
gesundheitsförderliche Wirkung zugesprochen wird: interessante und<br />
abwechslungsreiche Arbeitsinhalte, hohe Entscheidungsspielräume, Sinnbezug bei der<br />
Arbeit (z.B. unser Hof hat Zukunft), soziale Unterstützung (z.B. wir helfen uns bei der<br />
Arbeit gegenseitig).<br />
Außerdem wurden belastende Arbeitsbedingungen thematisiert: Arbeitsintensität und<br />
finanzieller Druck (z.B. ich habe fürs Alter ausreichend vorgesorgt, meine finanzielle<br />
142
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Gesamtsituation belastet mich). Im Vergleich zu gewerblich-technischen Betrieben<br />
werden Entscheidungsspielräume und Arbeitsinhalte sehr viel positiver bewertet, der<br />
Sinnbezug dagegen geringer.<br />
Nachfolgend (siehe<br />
Tab. 1) ist der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und<br />
Gesundheitsindikatoren dargestellt. Die Einflüsse von Alter und Geschlecht sind<br />
herauspartialisiert (bleibt stabil wenn zusätzlich die Variable „Zukunftsbetrieb“ partialisiert<br />
wird).<br />
Kontrollvariablen<br />
Alter &<br />
Geschlecht<br />
Körperlich<br />
e<br />
Beschwer<br />
den<br />
Psych.<br />
Befindensbeeinträch<br />
tigungen<br />
Lebenszufriedenheit<br />
Arbeitsfreu<br />
de / -stolz<br />
Arbeitsinhalt<br />
-,115 -,126 ,351 ,674<br />
Entscheidungsspielraum -,099 -,160 ,270 ,522<br />
Sinnbezug -,075 -,039 ,270 ,223<br />
Soziale Unterstützung -,109 -,091 ,256 ,278<br />
Arbeitsintensität ,254 ,402 -,201 ,029<br />
Finanzieller Druck ,238 ,243 -,431 -,206<br />
Tab. 1: Partialkorrelation: Gesundheit und Arbeitsbedingungen (grau hinterlegt sind praktisch<br />
bedeutsame Zusammenhänge r>0,2)<br />
Es zeigt sich<br />
Höhere belastende Arbeitsbedingungen (Arbeitsintensität, finanzieller Druck)<br />
gehen mit höheren Beschwerden und mit geringeren Positivindikatoren der<br />
Gesundheit einher.<br />
Höhere gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen (Arbeitsinhalt,<br />
Entscheidungsspielraum, Sinnbezug, Soziale Unterstützung) gehen mit<br />
geringeren Beschwerden und höheren Positivindikatoren einher. Die Pufferung<br />
von Beschwerden ist tendenziell ersichtlich, aber nur sehr gering ausgeprägt.<br />
<br />
Die Zusammenhänge sind zum Teil sehr deutlich.<br />
Zwar sind derartige Zusammenhänge durchaus bekannt. Neu ist hier jedoch die deutlich<br />
ältere Befragtengruppe. Was bedeuten diese Zusammenhänge für einen<br />
Sozialversicherungsträger?<br />
Auch wenn Korrelationen in Querschnittsuntersuchung statistisch nicht kausal<br />
interpretiert werden können, so zeigt sich: Alle genannten Arbeitsbedingungen hängen<br />
eng mit Gesundheit zusammen. Gleichzeitig sind sie aber nicht das Kerngeschäft eines<br />
Sozialversicherungsträgers. Es stellt sich die Frage, ob diese Themen<br />
143
V21<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
a) in das Beratungs- und Betreuungsangebot eines Sozialversicherungsträgers<br />
aufgenommen werden sollen, was intern vernetztes Arbeiten nötig macht;<br />
b) ob entsprechende externe Netzwerke – hier z.B. mit dem Bauernverband –<br />
intensiviert werden können.<br />
Schlussfolgerungen<br />
• Körperliche Arbeit bis ins hohe Alter ist möglich<br />
• Unter salutogenetischer Perspektive ist Arbeit eine Quelle von Vitalität, die es zu<br />
fördern gilt<br />
• Gleichzeitig darf die Präventionsarbeit nicht vernachlässigt werden, die<br />
Unfallzahlen in der Landwirtschaft belegen dies<br />
• Wirtschaftliche Perspektive des Betriebes und Regelungen zur Hofübergabe<br />
hängen mit Gesundheit zusammen<br />
• Transferpotenzial:<br />
– Setting Familienbetrieb insbesondere im gewerblichen / handwerklichen<br />
Bereich (z.B. Betriebsübergabe)<br />
– Arbeit und Alter<br />
– die demografische Versichertenstruktur in der Landwirtschaft ist<br />
derjenigen der allg. Sozialversicherung vorweggenommen ist.<br />
Literatur<br />
Diener, E., Emmons, R. A., Larsen, R. J. & Griffin, S. (1985). The Satisfaction With Life<br />
Scale. Journal of Personality Assessment, 49, 71-75.<br />
Ducki, A. (2000). Diagnose gesundheitsförderlicher Arbeit. Zürich: vdf Hochschulverl.<br />
Tesch-Römer, C., Engstler, H. & Wurm, S. (2006). Altwerden in Deutschland.<br />
Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.<br />
144
V22<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung bei Auszubildenden – das<br />
Fit4you Projekt: Ergebnisse nach einjähriger Intervention<br />
Heike Niedermeier 1 , Harald Gündel², Thomas Graf³, Anke Manthey 4 , Wolfgang Hilla 5 , Peter<br />
Angerer 1<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits -, Sozial – und Umweltmedizin der LMU München<br />
² Psychosomatik und Psychotherapie der MHH Hannover<br />
³ Adipositas Rehazentrum Insula Bischofswiesen<br />
4<br />
Gesundheitsförderung AUDI AG Ingolstadt<br />
5<br />
Gesundheitsschutz I/SW-1 AUDI AG Ingolstadt<br />
1. Einleitung<br />
Übergewicht und Adipositas zählen zu den schwerwiegendsten Gesundheitsrisiken<br />
unserer Zeit. Eine im Jugendalter auftretende Fettleibigkeit muss als prädiktiv für eine<br />
Adipositas im Erwachsenenalter angesehen werden; auch erhöht sie das Risiko für<br />
kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen sowie für Erkrankungen des muskulo–<br />
skelettalen Systems (Jansen et al 2002, Felson 1991). Das Projekt richtet sich daher an<br />
Auszubildende, die sich aufgrund ihres jugendlichen Alters in einer Phase der Ablösung<br />
aus dem Elternhaus befinden und in der sich eigene Gewohnheiten hinsichtlich<br />
Ernährung und Bewegung ausbilden. Ziele der Studie sind: Primärprävention von<br />
Gewichtszunahme bei normalgewichtigen Auszubildenden (Einstellungsjahrgang 2006<br />
bei AUDI Ingolstadt); Primärprävention von Folgeerkrankungen bei übergewichtigen<br />
Auszubildenden durch gezielte Gesundheitsförderung (übergewichtige und adipöse<br />
Auszubildende der Einstellungsjahrgänge 2006 und 2007 bei AUDI Ingolstadt)<br />
2. Methode<br />
Das Präventionsprojekt hat eine Laufzeit von 3 Jahren und wird seit dem Frühjahr 2007<br />
für die Einstellungsjahrgänge 2006 und 2007 in Kooperation zwischen der AUDI AG<br />
Ingolstadt (IN), dem Institut und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial– und Umweltmedizin<br />
der LMU München, der Medizinischen Hochschule Hannover sowie der Katholischen<br />
Universität Eichstätt durchgeführt. Allen Auszubildenden der o. g. Jahrgänge, die bei der<br />
Untersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz einen BMI >= 25 kg/m² aufwiesen,<br />
wurde eine Teilnahme am Projekt angeboten. Die Untersuchung erfolgte mit Zustimmung<br />
der Ethikkommission des Universitätsklinikums der Ludwig–Maximillians–Universität<br />
München. Der Ablauf der Studie ist in Abb. 1 veranschaulicht.<br />
145
V22<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Im Rahmen der Studie soll die Wirksamkeit von verhältnis- (z. B. Gesundheitsunterricht<br />
an der Berufsschule, Sportangebot, temporäre Umstellung des Speisenangebotes in der<br />
Firmenkantine) – und verhaltenspräventiven Maßnahmen (z. B. Ernährungsberatung in<br />
der Gruppe, Fitnessprogramm, soziales Kompetenztraining) untersucht werden. Je nach<br />
Fragestellung wird als Kontrollgruppe (KG) der entsprechende Ausbildungsjahrgang der<br />
AUDI AG (übergewichtige Auszubildende, kein Interventionsangebot) in Neckarsulm<br />
(NSU) herangezogen. Nachdem zu Studienbeginn die Baselinedaten der Teilnehmer<br />
erhoben wurden, wird der Effekt der präventiven Maßnahmen z. B. mittels<br />
Spiroergometrie, Bioimpedanzanalyse, Laboruntersuchungen und psychometrischen<br />
Testungen nach einem und nach zwei Jahren (Followup) untersucht. Zum gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt befinden wir uns in der Vorbereitungsphase zum zweiten Followup. Die<br />
Ergebnisse des ersten Followups sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.<br />
3. Fragestellungen<br />
Wirkt sich das Interventionsprogramm auf das Essverhalten, Freizeitverhalten und auf<br />
Indikatoren des kardiovaskulären Risikos aus? Wirkt sich eine Änderung des<br />
Essverhaltens auf Indikatoren des kardiovaskulären und metabolischen Risikos aus?<br />
Hypothesen: Das Interventionsprogramm wirkt sich sowohl positiv auf das Ess – und<br />
Freizeitverhalten als auch auf die Indikatoren des kardiovaskulären Risikos aus. Eine<br />
146
V22<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Änderung des Essverhaltens zeigt einen positiven Effekt auf die Indikatoren des<br />
kardiovaskulären und metabolischen Risikos.<br />
4. Ergebnisse<br />
Zur Erfassung des Essverhaltens, wurde der Fragebogen FEV II verwendet, der auch<br />
häufig in der Evaluation von Gesundheitsförderung, Adipositasprävention und – therapie<br />
Einsatz findet. Er weist drei Dimensionen / Konstrukte auf: Kognitive Kontrolle<br />
(Beispielsatz: „Wenn ich in letzter Zeit zugenommen habe, esse ich weniger als sonst“.);<br />
Störbarkeit (Beispielsatz: „Wenn ich andere essen sehe, möchte ich auch gerne etwas<br />
essen.“); Emotionalität (Beispielsatz: „Ich würde am liebsten etwas essen, wenn ich<br />
enttäuscht bin.“) (30 Items, 5 – stufige Likert – Skala: 1 = stimmt gar nicht; 5 = stimmt<br />
total).<br />
Essverhalten: Nur in der Dimension „Kognitive Kontrolle des Essverhaltens“ unterschied<br />
sich die Veränderung (IG vs. KG; p = 0,016): In der Interventionsgruppe (IN) zeigt sich<br />
eine verbesserte Kontrolle des Essverhaltens. (Abbildung 2)<br />
In den Dimensionen „Emotionalität“ und „Störbarkeit“ zeigt sich dagegen kein Einfluss<br />
des Interventionsprogramms. Freizeitverhalten: Sowohl bei den Stunden, die pro Tag am<br />
TV als auch am PC zugebracht werden, gab es keine signifikanten Unterschiede<br />
zwischen den Messzeitpunkten in der IG und der KG. Die Zeit in Stunden / Woche, die<br />
147
V22<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
die Probanden mit sportlichen Aktivitäten verbrachten, nahm zwar bei der IG und bei der<br />
KG im Mittel signifikant zu (p = 0,023); allerdings lag kein signifikanter Unterschied (p =<br />
0,526) in der Veränderung zwischen den beiden Gruppen vor. Indikatoren des<br />
kardiovaskulären Risikos: Es fand eine signifikante Zunahme des Gewichtes (p = 0,015)<br />
und des BMI (p = 0,001) sowohl in der IG als auch in der KG statt, doch ließ sich kein<br />
Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Veränderung des Gewichts<br />
(p = 0,531) und des BMI (p = 0,611) feststellen. Keine signifikanten Veränderungen<br />
waren beim systolischen und diastolischen Blutdruck nachweisbar. Die<br />
Ernährungsberatung stellte einen wesentlichen Bestandteil des Interventionsprogramms<br />
dar. In Abhängigkeit von der Teilnahmehäufigkeit wurden die Probanden in 3 Gruppen<br />
eingeteilt (Gruppe 0: keine Teilnahme, Gruppe 1: geringe Teilnahme, Gruppe 2: häufige<br />
Teilnahme). Es zeigte sich, dass die Teilnahmehäufigkeit lediglich auf die Subskala<br />
„Emotionalität“ einen signifikanten Einfluss (p = 0,015) hatte: Die Gruppen, in denen die<br />
Teilnahmehäufigkeit „fehlend“ bzw. „hoch“ war, verzeichneten eine Abnahme an<br />
Scorepunkten, welches eine Verbesserung darstellt. Die Gruppe mit der „mittleren“<br />
Teilnahmefrequenz zeigte eine Zunahme der Scorepunkte; dieses stellt eine<br />
Verschlechterung dar. Signifikant unterschied sich aber nur die Gruppe „fehlend“ von der<br />
Gruppe „mittel“. Verbessertes Essverhalten (Emotionalität) ging einher mit einer<br />
Abnahme von Adiponektin und Leptin (p = 0.050) sowie einer Zunahme des CRP. Um<br />
eine Änderung des kardiovaskulären Risikos in Abhängigkeit von der Änderung des<br />
salutogenen Verhaltens zu untersuchen, wurde der „FEV salut“ (Dimension „Umsetzung<br />
von Ernährungswissen in Verhalten“; Beispielsatz: Ich versuche so oft wie möglich, Obst<br />
und Gemüse zu essen.) eingesetzt. Bei den Probanden, die ein verbessertes<br />
salutogenes Verhalten zeigten, kam es zu einer Zunahme des LDL – Cholesterin (p =<br />
0.039) und zu einer Abnahme des TNF – Alpha.<br />
5. Zusammenfassung / Diskussion<br />
Das Interventionsprogramm zeigte bislang einen positiven Effekt auf die kognitive<br />
Kontrolle des Essverhaltens. Unsere Annahmen hinsichtlich einer positiven<br />
Einflussnahme auf Freizeitverhalten und auf Indikatoren des kardiovaskulären /<br />
metabolischen Risikos werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigt. Ab März 09<br />
findet die Folgeerhebung statt. Erstmalig werden dabei auch narrative Interviews<br />
durchgeführt werden, um Motivation und Gesundheitsverhalten der Probanden näher<br />
untersuchen zu können. Ziel dieser zusätzlichen qualitativen Analyse (sequentielle<br />
Textanalyse, Vornahme von Typisierungen) soll sein, erfolgreiche Studienaspekte in<br />
Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung bei der AUDI AG zu<br />
implementieren.<br />
148
V22<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Anhang / Literatur:<br />
Janssen, I. et al, Body mass Index, waist cirumference and health risk: evidence in<br />
support of current National Institutes of Health guidelines, Archives of International<br />
medicine, 162 (18): 2074 - 2079<br />
Felson, D. T et al; Occupational physical demands, knee bending and knee<br />
osteoarthritis; results from the Framingham study, The Journal of Rheumatology, 18 (10):<br />
1587 – 92.<br />
149
V23<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement I<br />
Wiedereingliederungsmanagement als Grundlage für betriebliche<br />
Präventionsstrategie? - Ein Widerspruch?<br />
Stephan F. Schlosser<br />
Betriebsärztlicher Dienst, Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
150
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Bestimmung von Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin mittels<br />
einer LC-MS/MS-Multi-Methode zum Biomonitoring von<br />
kanzerogenen Arbeitsstoffen<br />
Elisabeth Eckert, Thomas Göen, Hans Drexler<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />
Nürnberg, Erlangen<br />
Einleitung und Ziel<br />
An vielen Arbeitsplätzen der modernen gewerblichen Industrie werden Arbeitsstoffe<br />
eingesetzt, die alkylierend wirken bzw. die zu solchen Alkylantien abgebaut werden<br />
können. Hierzu zählt der Einsatz von Ethylenoxid als Sterilisationsmittel, die Verwendung<br />
von Propylenoxid, Acrolein und 1,3-Butadien als Grundbaustein für chemische<br />
Synthesen (z. B. für die Herstellung von Synthesekautschuk), sowie der Einsatz von<br />
Glycidol für die Herstellung und Modifizierung von Epoxidharzen. Nach Aufnahme in den<br />
Körper können diese Substanzen in vivo durch Alkylierung von Proteinen und DNA<br />
genotoxisch wirken. Die o. g. alkylierenden Arbeitsstoffe wurden von der DFG in die<br />
Kanzerogenitätskategorien 1, 2 oder 3 eingestuft. Durch eine Reaktion dieser<br />
Substanzen oder ihrer reaktiven Metabolite mit körpereigenem Glutathion werden<br />
substratspezifische Hydroxyalkylmerkaptursäuren gebildet, die im Urin ausgeschieden<br />
werden und die für ein biologisches Belastungs-monitoring zur Verfügung stehen.<br />
Alkylierende Substanzen finden sich jedoch nicht nur an bestimmten Arbeitsplätzen,<br />
sondern kommen auch in der Umwelt vor. Hauptquellen für einige dieser Substanzen<br />
sind Zigarettenrauch sowie Auto- und Industrieabgase. Acrolein wird außerdem auch in<br />
geringen Konzentrationen endogen gebildet. Aus diesen Gründen findet sich auch bei<br />
Personen ohne berufliche Exposition mit alkylierenden Substanzen eine<br />
Hintergrundbelastung an Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin.<br />
Ziel der Arbeit war es, ein sensitives und spezifisches Analysenverfahren zur<br />
Bestimmung eines breiten Spektrums von Hydroxyalkylmerkaptursäuren zu entwickeln,<br />
um anhand der im Urin ermittelten Merkaptursäure-Gehalte Aussagen über die innere<br />
Belastung von Personen mit beruflicher Exposition mit alkylierenden Substanzen zu<br />
ermöglichen und diese von der allgemeinen Hintergrundbelastung zu differenzieren.<br />
Methoden<br />
Als analytische Parameter wurden sechs Hydroxyalkylmerkaptursäuren in das<br />
Analysenverfahren aufgenommen: 2,3-Dihydroxypropylmerkaptursäure (Parameter für<br />
Glycidol), Hydroxyethylmerkaptursäure (für Ethylenoxid), 2-Hydroxypropylmerkaptursäure<br />
(für Propylenoxid), 3-Hydroxypropylmerkaptursäure (für Acrolein), 3,4-<br />
Dihydroxybutyl- und Monohydroxybutenylmerkaptursäure (für Butadien).<br />
151
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Zur Bestimmung der Hydroxyalkylmerkaptursäuren wurden jeweils 2 ml Urin angesäuert<br />
und zur internen Standardisierung mit isotopenmarkierten Referenzsubstanzen versetzt.<br />
Die Anreicherung der Analyten erfolgte mittels selektiver Festphasenextraktion. Das<br />
resultierende Eluat wurde anschließend durch Hochleistungsflüssigchromatographie<br />
getrennt und tandem-massenspektrometrisch detektiert (LC-MS/MS). Die Kalibrierung<br />
erfolgte in externen Standardlösungen in Nichtraucherpoolurin, die wie die Proben<br />
aufgearbeitet wurden. Die Zuverlässigkeit der Methode wurde im Rahmen der<br />
Methodenvalidierung geprüft. Für die Nachweisgrenzenbestimmung wurde die DIN<br />
32645 herangezogen.<br />
Zur Bestimmung der Hintergrundbelastung mit Hydroxyalkylmerkaptursäuren wurde ein<br />
Kollektiv von 44 Beschäftigten der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht (21<br />
männlich, 23 weiblich, 15 Raucher, 29 Nichtraucher, Alter: 20 – 61 Jahre), die keine<br />
berufliche Exposition zu alkylierenden Substanzen aufwiesen (Kontrollkollektiv).<br />
Weiterhin wurde ein Kollektiv von 37 Beschäftigten einer Raffinierie untersucht (36<br />
männlich, 1 weiblich, 18 Raucher, 19 Nichtraucher, Alter: 20 – 67 Jahre), die dort<br />
beruflich mit 1,3-Butadien Umgang hatten (Raffinierie-Kollektiv). Alle Probanden der<br />
Studie haben ihr schriftliches Einverständnis für die Durchführung der Untersuchungen<br />
erteilt.<br />
Ergebnisse<br />
Im Rahmen der Validierung der Methode wurden für die verschiedenen Hydroxyalkylmerkaptursäuren<br />
Nachweisgrenzen im unteren µg/l-Bereich ermittelt: 2,3-<br />
Dihydroxypropyl-merkaptursäure 5,5 µg/L, 2-Hydroxyethylmerkaptursäure 4,0 µg/L, 2-<br />
Hydroxypropyl-merkaptursäure 7,0 µg/L, 3-Hydroxypropylmerkaptursäure 3,0 µg/L, 3,4-<br />
Dihydroxybutyl-merkaptursäure 4,5 µg/l und die Isomere der<br />
Monohydroxybutenylmerkaptursäure 5,0 µg/L. Bei der Untersuchung von Urinproben des<br />
Kontrollkollektives konnte für alle untersuchten Merkaptursäuren eine<br />
Hintergrundbelastung nachgewiesen werden. Die HEMA wurde allerdings nur in etwa der<br />
Hälfte der untersuchten Proben in Konzentrationen oberhalb der Nachweisgrenze<br />
detektiert.<br />
Bei der Differenzierung der Ergebnisse des Kontrollkollektives zwischen Rauchern und<br />
Nichtrauchern zeigt sich, dass die Urine von Rauchern signifikant höhere Gehalte an den<br />
untersuchten Merkaptursäuren aufwiesen als die der Nichtraucher. Für die<br />
Merkaptursäure des Acroleins, 3-Hydroxypropyl-Merkaptursäure (3-HPMA), und für eine<br />
Merkaptursäure des Butadiens, der Monohydroxybutenylmerkaptursäure (MHBMA), war<br />
der Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern besonders ausgeprägt (siehe<br />
Abb. 1). Bezogen auf Kreatinin enthielten die Nichtraucherurine im Median (Range)<br />
152
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Konzentrationen von 82 (29-761) µg/g Kreatinin an 3-HPMA bzw. von 6 (2-24) µg/g<br />
Kreatinin an MHBMA, während in den Raucherurinen signifikant höhere Median-<br />
Konzentrationen (Range) von 645 (99-2050) µg/g Kreatinin an 3-HPMA bzw. 61 (10-225)<br />
µg/g Kreatinin an MHBMA gefunden wurden. Der Gehalt dieser beiden Merkaptursäuren<br />
korreliert zudem deutlich mit dem Cotiningehalt des Urins (3-HPMA r = 0,76; MHBMA r =<br />
0,80) (siehe Abb. 1).<br />
1750<br />
1500<br />
Kontrollkollektiv<br />
3-HPMA<br />
Nichtraucher<br />
Raucher<br />
350<br />
300<br />
Kontrollkollektiv<br />
MHBMA<br />
Nichtraucher<br />
Raucher<br />
3-HPMA [µg/g Kreatinin]<br />
1250<br />
1000<br />
750<br />
500<br />
250<br />
MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
0<br />
Nichtraucher<br />
Raucher<br />
Nichtraucher<br />
Raucher<br />
2000<br />
1600<br />
R 2 = 0,58<br />
250<br />
200<br />
R 2 = 0,64<br />
3-HPMA [µg/l]<br />
1200<br />
800<br />
400<br />
MHBMA [µg/l]<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
0<br />
-500 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000<br />
Cotinin [µg/l]<br />
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500<br />
Cotinin [µg/l]<br />
Abb. 2: oben: 3-HPMA (links) bzw. MHBMA-Gehalte (rechts) in µg/g Kreatinin bei Nichtrauchern<br />
und Rauchern des Kontrollkollektives, unten: Korrelation von Cotinin im Urin in µg/l mit<br />
den Gehalten an 3-HPMA (links) und MHBMA (rechts) in µg/l im Urin.<br />
153
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
800<br />
700<br />
DHBMA bei Nichtrauchern<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffineriekollektiv<br />
40<br />
MHBMA bei Nichtrauchern<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffineriekollektiv<br />
DHBMA [µg/g Kreatinin]<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffinerie-Kollektiv<br />
0<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffinerie-Kollektiv<br />
600<br />
500<br />
DHBMA bei Rauchern<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffineriekollektiv<br />
300<br />
250<br />
MHBMA bei Rauchern<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffineriekollektiv<br />
DHBMA [µg/g Kreatinin]<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffinerie-Kollektiv<br />
0<br />
Kontrollkollektiv<br />
Raffinerie-Kollektiv<br />
Abb. 3: oben: DHBMA- (links) und MHBMA- (rechts) Gehalte in µg/g Kreatinin bei Nicht-Rauchern<br />
im Kontrollkollektiv und im Raffineriekollektiv, unten: DHBMA- (links) und MHBMA-<br />
(rechts) Gehalte in µg/g Kreatinin bei Rauchern im Kontrollkollektiv und im<br />
Raffineriekollektiv<br />
Für die 95%-Perzentile ergeben sich aus den Kontrollkollektiv-Daten folgende Werte:<br />
Hydroxyethylmerkaptursäure: Nichtraucher 4,7 µg/g Kreatinin, Raucher 11,4 µg/g<br />
Kreatinin; 2-Hydroxypropylmerkaptursäure: Nichtraucher 25,3 µg/g Kreatinin, Raucher<br />
162,2 µg/g Kreatinin; 3-Hydroxypropylmerkaptursäure: Nichtraucher 284,2 µg/g<br />
Kreatinin, Raucher 1389,7 µg/g Kreatinin; 2,3-Dihydroxypropylmerkaptursäure:<br />
Nichtraucher: 265,3 µg/g Kreatinin, Raucher 284,7 µg/g Kreatinin; 3,4-<br />
Dihydroxybutylmerkaptursäure: Nichtraucher 465,6 µg/g Kreatinin, Raucher 420,7 µg/g<br />
Kreatinin, Monohydroxybutenylmerkaptursäure: Nichtraucher: 18,6 µg/g Kreatinin,<br />
Raucher 165,7 µg/g Kreatinin.<br />
Zum Vergleich des Kontrollkollektives (KK) und des Raffinerie-Kollektives (RK) wurden<br />
die Gehalte der beiden Butadien-Merkaptursäuren 3,4-Dihydroxybutylmerkaptursäure<br />
(DHBMA) und Monohydroxybutenylmerkaptursäure (MHBMA) herangezogen. In<br />
Abbildung 2 ist dieser Vergleich für die Gruppe der Raucher und Nichtraucher graphisch<br />
dargestellt. Für die DHBMA wurden folgende Median- (Range-)Gehalte bestimmt:<br />
154
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Nichtraucher: KK – 193 (75-748) µg/g Kreatinin, RK – 222 (113-349) µg/g Kreatinin;<br />
Raucher: KK – 277 (158-451) µg/g Kreatinin, RK – 271 (136-481) µg/g Kreatinin. Die<br />
Untersuchung auf MHBMA lieferte folgende Median- (Range-)Gehalte: Nichtraucher: KK<br />
– 6 (2-24) µg/g Kreatinin, RK – 9 (5-34) µg/g Kreatinin; Raucher: KK – 61 (10-225) µg/g<br />
Kreatinin, RK – 57 (9-138) µg/g Kreatinin.<br />
Diskussion<br />
Durch die mit der entwickelten Analysenmethode erzielten Nachweisgrenzen war es<br />
möglich für die verschiedenen Hydroxyalkylmerkaptursäuren die Hintergrundbelastung<br />
von beruflich unbelasteten Personen zu bestimmen. Dass die HEMA mit einer<br />
Nachweisgrenze von 4 µg/L nur in etwa der Hälfte der untersuchten Urinproben<br />
nachweisbar war, liegt dabei in guter Übereinstimmung mit den Untersuchungen von<br />
Calafat et al. (1999) und Schettgen et al. (2008), in denen die HEMA-<br />
Hintergrundbelastung im Bereich von 1 – 10 µg/L angegeben wird. Erstmals war es mit<br />
dieser Methode auch möglich die Merkaptursäure des Glycidols (2,3-<br />
Dihydroxypropylmerkaptursäure) im menschlichen Urin zu bestimmen und deren<br />
Hintergrundbelastung in der Allgemeinbevölkerung zu ermitteln. Ebenfalls in<br />
Übereinstimmung mit der bisherigen Literatur sind die Ergebnisse, die generell höhere<br />
Hydroxyalkylmerkaptursäure-Ausscheidungen von Rauchern im Vergleich zu<br />
Nichtrauchern zeigen. Die Ergebnisse sind überdies plausibel, da viele der alkylierenden<br />
Substanzen im Tabakrauch enthalten sind. In den aktuellen Untersuchungen wird dabei<br />
deutlich, dass die Monohydroxyalkylmerkaptursäuren besonders stark vom<br />
Rauchverhalten beeinflusst werden. Weiterhin ließ sich zeigen, dass in der Gruppe der<br />
Nichtraucher die Probanden des Raffineriekollektives geringfügig höhere Gehalte an den<br />
beiden Butadien-Merkaptursäuren im Urin aufweisen als beruflich unbelastete Personen.<br />
Für MHBMA ist dieser Unterschied statistisch signifikant (Mann-Whitney, P = 0,015).<br />
Diese Beobachtung deckt sich mit den Aussagen anderer Studien, wonach MHBMA im<br />
Vergleich zu DHBMA der spezifischere Biomarker für eine 1,3-Butadien-Exposition ist<br />
(Boogaard et al., 2001). In der Gruppe der Raucher ist zwischen den Kollektiven kein<br />
signifikanter Unterschied feststellbar, was dadurch erklärt werden kann, dass Raucher 5-<br />
10fach höhere MHBMA-Gehalte im Urin ausscheiden als Nichtraucher. Der geringe<br />
Unterschied zwischen dem Kontroll- und dem Butadien-exponierten Raffinieriekollektiv<br />
ist vermutlich auf gut greifende Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz zurückzuführen,<br />
d.h. die berufliche Exposition führt nur zu einer geringen Erhöhung der nachweisbaren<br />
inneren Belastung mit 1,3-Butadien.<br />
155
V24<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Schlussfolgerung<br />
• Das entwickelte Analysenverfahren ermöglicht die simultane Bestimmung von sechs<br />
Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin zur Durchführung eines Biomonitorings auf<br />
alkylierende Arbeitsstoffe, wie 1,3-Butadien, Acrolein, Ethylenoxid, Propylenoxid und<br />
Glycidol.<br />
• Das Verfahren ist ausreichend sensitiv, um auch die Hintergrundbelastung der<br />
Hydroxyalkylmerkaptursäuren in der Allgemeinbevölkerung zu erfassen.<br />
• Erstmals ist es mit der entwickelten Methode möglich auch ein Biomonitoring auf<br />
Glycidol anhand der 2,3-Dihydroxypropyl-Merkaptursäure im menschlichen Urin<br />
durchzuführen.<br />
• Die Ergebnisse bestätigen andere Untersuchungen über den Einfluss des Rauchens<br />
auf die Ausscheidung von Merkaptursäuren mit dem Urin. Dabei konnte der größte<br />
Einfluss bei den Monohydroxyalkylmerkaptursäuren des Acroleins und Butadiens, der<br />
3-HPMA und den MHBMA-Isomeren, festgestellt werden. Bei diesen Parametern<br />
liegen die Werte von Rauchern bis zu 10fach höher als bei den Nichtrauchern.<br />
Literatur<br />
Boogaard PJ, van Sittert NJ, Megens HJJJ: Urinary metabolites and haemoglobin<br />
adducts as biomarkers of exposure to 1,3-butadiene: a basis for 1,3-butadiene cancer<br />
risk assessment. Chemico-Biological Interactions. 135 – 136. 2001. 695 – 701.<br />
Calafat AM, Barr DB, Pirkle JL, Ashley DL: Reference range concentrations of N-acetyl-<br />
S-(2-hydroxyethyl)-L-cysteine, a common metabolite of several volatile organic<br />
compounds, in the urine of adults in the United States. J Expo Anal Environ Epidemiol. 9.<br />
1999. 336 – 342.<br />
Schettgen T, Musiol A, Kraus T: Simultaneous determination of mercapturic acids<br />
derived from ethylene oxide (HEMA), propylene oxide (2-HPMA), acrolein (3-HPMA),<br />
acrylamide (AAMA) and N,N-dimethylformamide (AMCC) in human urine using liquid<br />
chromatography / tandem mass spectrometry. Rapid Commun Mass Spectrom. 22.<br />
2008. 2629 – 2638.<br />
156
V25<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Innere Belastung mit aromatischen Diaminen bei Friseuren<br />
durch die berufliche Anwendung von Oxidations-Haarfarben<br />
Monika Gube, Katharina Heinrich, Thomas Schettgen, Peter Brand, Thomas Kraus<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
Ziel der Studie<br />
Nachdem Herr Dr. Schettgen bereits bei der Jahrestagung 2008 einen Vortrag zur<br />
inneren Belastung mit aromatischen Diaminen der Anwenderinnen von Oxidations-<br />
Haarfarben gehalten hat, sollte in dieser weiteren Studie der Frage nachgegangen<br />
werden, wie hoch die innere Belastung mit aromatischen Diaminen der professionellen<br />
Anwender – sprich: der Friseure – wohl sei.<br />
Hintergrund<br />
Nach wie vor stehen Haarfärbemittel im Verdacht Krebserkrankungen, und hierunter<br />
insbesondere Harnblasenkrebs, zu erregen bzw. mit zu verursachen. Dieser Verdacht<br />
wird durch einige epidemiologische Studien unterstützt (wie zum Beispiel Gago-<br />
Dominguez 2001) während andere Arbeiten dies nicht bestätigen können (Kogevinas et<br />
al. 2003, Czene et al. 2003).<br />
Bisher wurden vornehmlich die privaten Endverbraucher betrachtet. Jedoch sind auch<br />
die Friseure durch die berufliche Anwendung potentiell gegenüber Oxidationshaarfarben<br />
und deren Inhaltsstoffe exponiert.<br />
Die aktiven Bestandteile der Haarfärbemittel sind meist 2,5-Toluylendiamin und deutlich<br />
seltener p-Phenylendiamin (im Folgenden mit TDA und p-PDA benannt), welche als<br />
sogenannte „Kuppler“ fungieren. Sie reagieren mit anderen Bestandteilen zu<br />
höhermolekularen Farbstoffen, die die dauerhafte Färbung des Haares hervorrufen.<br />
Von der DFG wurden die Stoffe als hautsensibilisierend und hautresorptiv eingestuft. P-<br />
phenylendiamin wurde darüber hinaus sogar in die Kategorie 3B der krebserzeugenden<br />
Arbeitsstoffe eingestuft – das heißt: es liegen aus Tier- oder In-Vitro-Versuchen<br />
wenigstens Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung vor.<br />
Nachdem Herr Schettgen im letzen Jahr also gezeigt hatte, wie hoch die innere<br />
Belastung der Anwenderinnen war, beschäftigte hier die Frage nach der Höhe der<br />
inneren Belastung der Friseure.<br />
Methoden<br />
Aus insgesamt 16 Friseursalons in der Region Aachen wurden 51 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter rekrutiert, die angehalten wurden diejenigen Tätigkeiten zu dokumentieren,<br />
die mit einer potentiellen Exposition einhergehen:<br />
157
V25<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Also Anrühren von Haarfarben, Auftragen der Farbe, Auswaschen und Schneiden von<br />
frisch gefärbtem Haar.<br />
Hierbei wurde neben der Anzahl der einzelnen Vorgänge auch dokumentiert, ob dabei<br />
Handschuhe getragen wurden oder nicht.<br />
Zur Bestimmung der internen Belastung mit TDA und p-PDA gaben die Probanden<br />
Urinproben am Morgen vor Beginn der Arbeitswoche, nach 3 Arbeitstagen vor und nach<br />
Arbeitsschicht sowie am Ende der Arbeitswoche vor und nach Schicht ab.<br />
Die im Folgenden angegebenen Konzentrationen sind immer auf Kreatinin im Urin<br />
bezogen.<br />
Die Kontrollgruppe bestand aus 19 alters- und geschlechtsgematchten Personen.<br />
Zur Analyse werden 5ml Urin mit konzentrierter Salzsäure hydrolysiert, um die<br />
Aromatischen Amine aus den entsprechenden Konjugaten freiszustezen.<br />
Unter Kühlen wird dann mit Natronlauge ein alkalischer pH-Wert eingestellt, der<br />
entsprechende Interne Standard zugesetzt und die Aromatischen Amine 2x in Toluol<br />
extrahiert.<br />
Schließlich wird mit PFPA (Pentafluorpropionsäureanhydrid) derivatisiert und die<br />
Diamine spezifisch mittels GC/MS quantifiziert.<br />
Mit dieser Methode können TDA und p-PDA parallel bestimmt werden; die<br />
Nachweisgrenzen liegen bei < 0,2 bzw. < 1 µg pro Liter Urin.<br />
Ergebnisse<br />
Es fand sich eine deutlich höhere innere Belastung mit TDA der Friseure im Vergleich mit<br />
den Probanden der Kontrollgruppe – nämlich ein Median von 0,91 µg pro g Kreatinin und<br />
ein maximaler Wert von 155,8 µg pro g Kreatinin (siehe Tabelle 1).<br />
Der Nachweis geringer Mengen TDA auch innerhalb der Kontrollgruppe rührt daher,<br />
dass sich hierunter auch Probanden befanden, die intermittierend ihr Haar färben und<br />
offenbar der zeitliche Abstand der letzten Färbung zu kurz gewählt war, um einen Wert<br />
unterhalb der Nachweisgrenze zu ergeben (Vorgabe waren mind. 4 Tage).<br />
Gleichzeitig war p-PDA nur in Einzelfällen in der Gruppe der Friseure, nicht jedoch in der<br />
Kontrollgruppe nachweisbar.<br />
Insgesamt konnten wir weder einen Intra-Shift-Effekt (eine Kumulation über den<br />
Arbeitstag hinweg) noch über die gesamte Arbeitswoche nachweisen.<br />
158
V25<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Ebenso zeigte sich kein Effekt in Abhängigkeit der Benutzung von Schutzhandschuhen<br />
gegenüber dem Arbeiten mit bloßen Händen.<br />
Bei Betrachtung der einzelnen Tätigkeiten fand sich, dass das Anrühren sowie das<br />
Auftragen der Farbe offensichtlich am meisten zur inneren Belastung beitragen.<br />
Wie oben schon erwähnt, konnten nur in Einzelfällen geringe Mengen p-PDA in den<br />
Urinproben der Friseure nachgewiesen werden.<br />
Die Mittelwerte der nachgewiesenen Ausscheidung für die einzelnen Salons zeigten,<br />
dass nur in den beiden ausländischen Salons (1 niederländischer (Mittelwert 3,11 µg/g<br />
Kreatinin), 1 belgischer (Mittelwert 4,7 µg/g Kreatinin)) und bei nur einer Person in einem<br />
deutschen Salon (Mittelwert 1,92 µg/g Kreatinin) p-PDA nachweisbar war.<br />
Die ist so zu erklären, dass in den ausländischen Salons Haarfarben angewandt werden,<br />
die in Deutschland nicht zum Einsatz kommen. Die Person aus dem deutschen Salon<br />
hatte nach eigenen Angaben solche Farben privat verarbeitet.<br />
Die angefügte Grafik 1 gibt den Vergleich der nachgewiesenen Konzentration von TDA in<br />
den Einzel-Urinproben von der Kontrollgruppe (in der Darstellung ganz links mit Werten <<br />
0,2 µg pro g Kreatinin) mit der Gruppe der Friseure (hier in blau gehalten mit Werten bis<br />
maximal 155,8 µg pro g Kreatinin) und den Anwenderinnen in der Studie von Herrn Dr.<br />
Schettgen (mit Werten bis ca. 3000 µg pro g Kreatinin in der Zeitspanne von 5-10<br />
Stunden nach Anwendung der Oxidationshaarfarbe) wider.<br />
Zusammenfassung<br />
Bei den professionellen Anwendern von Oxidationshaarfarben konnten deutlich<br />
geringere Mengen von 2,5-TDA im Urin nachgewiesen werden im Vergleich zur inneren<br />
Belastung der Anwenderinnen.<br />
Hier stehen Konzentrationen von < 0,2 bis maximal 155,8 µg pro g Kreatinin bei den<br />
Friseuren maximalen Konzentrationen von bis zu 300µg pro g Kreatinin bei den<br />
Anwenderinnen gegenüber.<br />
p-PDA hingegen konnte auch bei den Friseuren nur in Einzelfällen und hier bei den im<br />
Ausland tätigen Personen bzw. einer Person, die nicht in Deutschland vertriebene<br />
Produkte angewandt hatte, nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich aber um sehr<br />
geringe Mengen von < 0,5 bis maximal 36,6 µg pro g Kreatinin.<br />
159
V25<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Schlussfolgerungen<br />
Aus den Ergebnissen dieser Studie lassen sich folgende Schlüsse ziehen:<br />
Die innere Belastung bei Friseuren ist mittels Biomonitoring nachweisbar<br />
Sie liegt bezogen auf 2,5-TDA bei den beruflich Exponierten um etwa den Faktor 200<br />
niedriger als bei den Anwenderinnen<br />
In dem hier vorgestellten Studiendesign konnte weder ein Intra-Shift-Effekt noch ein<br />
Kumulationseffekt über die Arbeitswoche hinweg nachgewiesen werden.<br />
Ein signifikanter Anstieg der inneren Belastung zeigte sich bei keiner Tätigkeit, wobei<br />
dies auch unabhängig vom Tragen von Schutzhandschuhen war<br />
Die tendenziell höhere Belastung durch Anrühren und Auftragen von Farbe rührt am<br />
ehesten daher, dass Farbspritzer während dieser Vorgänge auf die Unterarme der<br />
Person gelangt sind, die dort verblieben bis der Vorgang komplett abgeschlossen<br />
war.<br />
Das Auswaschen von Farbe stellt wahrscheinlich deshalb keine besondere<br />
Exposition dar, weil hier die Reaktion bereits abgelaufen ist und außerdem ein<br />
sofortiger extremer Verdünnungseffekt unterm fließenden Wasser eintritt<br />
Die also ohnehin geringe innere Belastung könnte durch Tragen langärmeliger<br />
Arbeitskleidung gegebenenfalls weiter gesenkt werden.<br />
Tabelle 1<br />
Ergebnisse<br />
Friseure<br />
Kontrolle<br />
Median<br />
0,91<br />
< 0,2<br />
2,5-TDA<br />
(µg/g Krea)<br />
95. Perz.<br />
Max.<br />
14,39<br />
155,8<br />
0,9<br />
3,33<br />
p-PDA<br />
(µg/g Krea)<br />
Median<br />
95. Perz.<br />
Max.<br />
< 1<br />
< 1<br />
36,6<br />
< 1<br />
< 1<br />
< 1<br />
• Kein Intra-Shift-Effekt, kein Effekt über die Arbeitswoche<br />
nachweisbar<br />
• Kein Effekt in Abhängigkeit von Handschuh-Nutzung<br />
nachweisbar<br />
• Anrühren und Auftragen der Farbe trägt am meisten zur<br />
inneren Belastung bei (Multiple Regressionsanalyse; 2,5-TDA u.<br />
p-PDA als AV und Expositionsparameter als UV).<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />
Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />
6<br />
160
V25<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Grafik 1<br />
Vergleich Friseure vs. Anwenderinnen<br />
1000<br />
Kontrollen (n=19)<br />
Friseure (n=255)<br />
Anwender bis zu 48 h nach Färben (n=43)<br />
2,5-TDA [µg/g Kreatinin]<br />
100<br />
10<br />
1<br />
0,1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />
Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />
10<br />
161
V26<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Äußere und innere Belastungen von Beschäftigten einer<br />
europäischen Kokerei mit humankanzerogenen aromatischen<br />
Aminen<br />
Tobias Weiß 1 , Holger M. Koch 1 , Jana Henry 1 , Volker Harth 1 , Heiko U. Käfferlein 1 , Kai<br />
Süsselbeck 2 , Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2 IGF – Institut für Gefahrstoff-Forschung der Bergbau-Berufsgenossenschaft an der Ruhr-Universität<br />
Bochum<br />
Expositionen in Kokereien sind seitens der IARC als humankanzerogen eingestuft.<br />
Grundlage für diese Einstufung waren vornehmlich epidemiologische Studien, die ein<br />
erhöhtes Lungenkrebsrisiko aufzeigten. Neben einer wissenschaftlich bereits gut<br />
dokumentierten Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen<br />
ist in Kokereien auch von Expositionen gegenüber humankanzerogenen aromatischen<br />
Aminen (AA) auszugehen. AA wurden einerseits in Kokereirohgasen gefunden, treten<br />
aber auch in Steinkohlenteerpechen auf, die als Nebenprodukt bei der Koksherstellung<br />
anfallen (1,2). Es sollte daher überprüft werden, inwieweit Beschäftigte in Kokereien<br />
gegenüber AA exponiert sind und ob sich daraus ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko ableiten<br />
lässt.<br />
Insgesamt wurden 47 männliche Kokereiarbeiter (26 Raucher) auf ihre Belastung<br />
gegenüber 2-Naphthylamin (2NA), 4-Aminodiphenyl (4ADP), Benzidin (Bz) und o-<br />
Toluidin (oT) untersucht. Das Untersuchungskollektiv setzte sich aus Mitarbeitern des<br />
Koksofenbetriebs (N=34) sowie der Chemischen Fabrik (N=13) zusammen. Die äußere<br />
Belastung (personengetragen) wurde mittels Gaschromatographie (GC) und<br />
hochauflösender Massenspektrometrie (HRMS) erfasst, während die innere Dosis im<br />
Urin (Biological Monitoring) über GC und Tandem-Massenspektrometrie gemessen<br />
wurde.<br />
Die in der Luft gemessenen Konzentrationen lagen unterhalb von 10 ng/m 3 und somit<br />
deutlich unterhalb von Konzentrationen, wie sie in älteren Kokereien vereinzelt<br />
gemessen wurden (2). Die ermittelten inneren Belastungen lagen im Bereich der<br />
Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung (3). Ein Unterschied zwischen Vor- und<br />
Nachschichtproben bestand ebenso wenig wie zwischen Beschäftigten an ofennahen<br />
und ofenfernen Arbeitsplätzen. Die innere Belastung war durch das individuelle<br />
Rauchverhalten bestimmt, wie am Beispiel der engen Korrelation des 4ADP mit dem<br />
Tabakrauchparameter 3OHC in Abb. 1 illustriert. Es bestanden signifikante Unterschiede<br />
(p
V26<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Belastungen der Beschäftigten dieser<br />
modernen Kokerei gegenüber den untersuchten AA im Wesentlichen vom individuellen<br />
Rauchverhalten beeinflusst sind. Eine zusätzliche, arbeitsplatzbedingte Belastung war<br />
nicht ersichtlich. Dies zeigt sich beispielhaft für o-Toluidin anhand von Abb. 3.<br />
ng/L Urin<br />
600<br />
550<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
NH 2<br />
H 2 N<br />
NH 2<br />
C NH 2<br />
NH 2<br />
o-T<br />
NR<br />
H 3<br />
o-T<br />
Raucher<br />
2-NA<br />
NR<br />
21 Nichtraucher<br />
26 Raucher<br />
2-NA 4-ABP<br />
Raucher NR<br />
4-ABP<br />
Raucher<br />
Benzidin Benzidin<br />
NR Raucher<br />
Abb. 1: Messergebnisse des Biomonitorings aromatischer Amine im Urin: Vergleich Nichtraucher /<br />
Raucher<br />
4-Aminodiphenyl im Urin [ng/L]<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
y = 0,006x + 5,0578<br />
r= 0,83<br />
0,0<br />
0,0 2000 4000 6000 8000 10000 12000<br />
3OH-Cotinin im Urin [µg/L]<br />
Abb. 2: Einfluss des Tabakrauchens auf die innere Belastung: Assoziation zwischen 4-<br />
Aminobiphenyl im Urin und dem Nikotinmetaboliten 3-Hydroxycotinin im Urin<br />
163
V26<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
o-Toluidin im Urin [ng/L]<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Nichtraucher<br />
Allgemein-<br />
Bevölkerung<br />
N=145<br />
(Weiß 2005)<br />
Raucher<br />
Allgemein-<br />
Bevölkerung<br />
N=45<br />
(Weiß 2005)<br />
Nichtraucher<br />
Kokerei<br />
N=21<br />
Raucher<br />
Kokerei<br />
N=26<br />
Abb. 3: Vergleich der Messwerte der inneren Belastung zwischen Kokereibeschäftigten und der<br />
Allgemeinbevölkerung (3) am Beispiel des o-Toluidins (differenziert nach Nichtrauchern und<br />
Rauchern)<br />
Literatur:<br />
1) Blome H, Lichtenstein N, Kredel P, Goergens U: 2-Naphthylamin. Gefahrstoffe<br />
Reinhaltung der Luft 59 Nr. 11/12, 445-446 (1999)<br />
2) Grimmer G, Naujack KW, Dettbarn G: Beitrag zur Ursachenforschung exogen<br />
bedingter Blasenkarzinome – Profilanalyse aromatischer Amine am Arbeitsplatz.<br />
Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bonn (1987)<br />
3) Weiss T: Entwicklung & Anwendung analytischer Methoden zum Biologischen<br />
Monitoring & Biochemischen Effektmonitoring von aromatischen Aminen im<br />
Rahmen arbeits- & umweltmedizinischer Fragestellungen. Erlangen (2005).<br />
http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=977680002<br />
164
V27<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-<br />
Arbeitsplätzen<br />
Rudolf Schierl, Antje Böhlandt, Dennis Nowak<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Einleitung<br />
Zytostatika werden in großen Mengen verabreicht, sind aber häufig als CMR-Arzneimittel<br />
eingestuft. Da es bisher keine Grenzwerte für ein Umgebungsmonitoring gibt, ist eine<br />
adäquate Gefährdungsbeurteilung in den zubereitenden Apotheken schwierig.<br />
Wischproben eignen sich optimal zur Aufdeckung von Flächenkontaminationen und<br />
wurden bereits in mehreren Studien erfolgreich eingesetzt (Turci et al. 2003, Hedmer et<br />
al. 2005, Mason et al. 2005, Brouwers et al. 2007).<br />
Ziel unserer Studie war es, auf der Grundlage einer seit dem Jahr 2000 angelegten<br />
Datenbasis, Kontaminationslevel mit den Zytostatika Platin (PT, als Marker für Cis-,<br />
Carbo- und Oxaliplatin) und 5-Fluorouracil (FU) in deutschen Krankenhausapotheken<br />
und öffentlichen Apotheken zusammenzufassen und auf deren Basis Empfehlungswerte<br />
für optimale Arbeitspraktiken abzuleiten.<br />
Methodik<br />
Im Jahr 2000 haben wir ein Wischprobenverfahren entwickelt und validiert (Schmaus<br />
2002, Funck 2004), mit dem inzwischen 1237 Proben auf Kontaminationen von 5-<br />
Fluorouracil (FU) sowie 1008 auf Platin (PT als Marker für Cis-, Cabo-, Oxaliplatin)<br />
untersucht wurden. Die Proben stammen von 64 Krankenhausapotheken und 38<br />
öffentlichen Apotheken aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Proben wurden nach<br />
exakter Anleitung vom Personal vor Ort genommen und über Nacht im Kühlpaket in<br />
unser Labor gesandt. Dort wurde FU nach Extraktion mittels GCMS (NWG 0,7 pg/cm²)<br />
und Platin durch Voltammetrie (NWG 0,2 pg/cm²) analysiert.<br />
Ergebnis<br />
Je nach Probenahmeort lagen 97-100 % der PT-Proben sowie 69-85 % der Fluorouracil-<br />
Proben über der Nachweisgrenze, wobei die Maximalwerte 23.100 pg/cm² für PT (vgl<br />
Tab. 1) und 253.000 pg/cm² für FU (vgl. Tab. 2) betrugen. Die mittleren Mediane aller<br />
Wischorte lagen bei 0,6 pg/cm² für Platin bzw. 5,0 pg/cm² bei FU und die 75. Perzentile<br />
bei 4,0 pg/cm² (PT) bzw. 30.0 pg/cm² (FU). Es zeigte sich, dass die Höhe der<br />
Kontaminationen unabhängig von der zubereiteten Menge und offensichtlich im<br />
Wesentlichen durch die jeweiligen Arbeitsweisen verursacht war. Deshalb können,<br />
unabhängig von der Anzahl der Zubereitungen, durch optimierte Arbeitsweisen<br />
vorhandene Kontaminationen reduziert werden.<br />
165
V27<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Tabelle 1: Wischprobenergebnisse für Platin (PT)<br />
PT (pg/cm²)<br />
Probenahmestelle n Median 75.Perz Max<br />
Boden direkt vor LAF 132 0,43 1,50 950<br />
Boden, sonstige Flächen 123 0,33 0,88 170<br />
Lager (Regale und Schübe) 145 0,80 4,30 23100<br />
Ablage Vorbereitung 154 0,36 1,60 216<br />
Arbeitsfläche im LAF 96 1,70 8,70 5500<br />
Ablage Nachbereitung 113 0,50 1,80 34<br />
Abfallbehälter 55 0,94 17,00 2700<br />
Transportbehälter 66 0,25 1,10 27<br />
Materialschleuse 49 0,23 1,70 152<br />
Sonstige Flächen (Türklinken, Telefon, Tastatur) 75 0,20 0,43 16<br />
Tabelle 2: Wischprobenergebnisse für 5-Fluorouracil (FU)<br />
FU (pg/cm²)<br />
Probenahmestelle n Median 75.Perz Max<br />
Boden direkt vor LAF 162 5,1 20 1300<br />
Boden, sonstige Flächen 136 4,9 17 2160<br />
Lager (Regale und Schübe) 126 8,3 80 72000<br />
Ablage Vorbereitung 200 4,5 13 19300<br />
Arbeitsfläche im LAF 123 10,0 78 20600<br />
Ablage Nachbereitung 177 2,5 10 5500<br />
Abfallbehälter 58 3,9 15 1680<br />
Transportbehälter 82 5,0 19 3800<br />
Materialschleuse 55 6,3 23 253000<br />
Sonstige Flächen (Türklinken, Telefon, Tastatur) 118 2,9 16 1570<br />
Um diese Ergebnisse für die Praxis zu verwenden, schlagen wir die Einführung eines<br />
„Ampelsystems“ für PT und FU vor, bei dem die mittleren Mediane aller Wischorte den<br />
„grünen“ Bereich und die mittleren 75. Perzentile den „roten“ Bereich abgrenzen; Werte<br />
dazwischen sind demzufolge „gelb“ markiert. Durch dieses anschauliche System können<br />
die Apotheken ihre Messergebnisse nicht nur intern beurteilen, sondern sehen, wie sie<br />
im Vergleich zu allen anderen Apotheken liegen („Benchmarking“).<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Einführung dieser Empfehlungswerte<br />
eine objektive Beurteilung von Kontaminationen ermöglicht und somit die<br />
vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung erleichtert. Zudem können durch wiederholte<br />
Messungen Verbesserungen in der Arbeitsweise dokumentiert werden. Inwieweit dieses<br />
System auch auf den Patientenbereich (Station, Tagesklinik etc.) übertragbar ist, muss<br />
noch überprüft werden.<br />
166
V27<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Dank<br />
Wir danken allen Teilnehmern der Studie für die gute Kooperation sowie Frau Fischer,<br />
Frau Dietrich-Gümperlein, Herrn Gröbmair und Herrn Pfaller für die sorgfältige Analytik.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Brouwers EEM, Huitema AD, Bakker EN, Douma JW, Schimmel KJM, van Weringh G, et<br />
al. Monitoring of platinum surface contamination in seven Dutch hospital<br />
pharmacies using inductively coupled plasma mass spectrometry. Int Arch Occup<br />
Environ Health 80 (2007): 689-699.<br />
Funck S, Schierl R. Sicherheit bei der Zytostatikaherstellung. Deutsche Apotheker<br />
Zeitung;144 (2004): 55-60.<br />
Hedmer M, Georgiadi A, Bremberg ER, Jonsson BA, Eksborg S. Surface contamination<br />
of cyclophosphamide packaging and surface contamination with antineoplastic<br />
drugs in a hospital pharmacy in Sweden. Ann Occup Hyg;49 (2005): 629-637.<br />
Mason HJ, Blair S, Sams C, Jones K, Garfitt SJ, Cuschieri MJ, et al. Exposure to<br />
antineoplastic drugs in two UK hospital pharmacy units. Ann Occup<br />
Hyg;49(2005):603-610.<br />
Schmaus G, Schierl R, Funck S. Monitoring surface contamination by antineoplastic<br />
drugs using gas chromatography-mass spectrometry and voltammetry. Am J<br />
Health Syst Pharm;59 (2002):956-961<br />
Turci R, Sottani C, Spagnoli G, Minoia C. Biological and environmental monitoring of<br />
hospital personnel exposed to antineoplastic agents: a review of analytical<br />
methods. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci;789 (2003):169-209.<br />
.<br />
167
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Untersuchungen zur Freisetzung von Ethylenoxid aus<br />
gassterilisierten neurochirurgischen Implantaten<br />
Wolfgang Rosenberger 1 , Götz Graubner 2 , Renate Wrbitzky 1 , Michael Bader 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />
2<br />
Abteilung Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover<br />
Einleitung<br />
Neurochirurgische Implantate werden u. a. aus Metall (z. B. Titan), Keramik (z. B.<br />
Hydroxyl-apatit) und Polymeren (so genannten Knochenzementen) als individuell<br />
angepasste Produkte seit Jahrzehnten hergestellt. An der Medizinischen Hochschule<br />
Hannover (MHH) ist der Einsatz von Polymethylmethacrylat (PMMA) als<br />
Implantatmaterial für Schädelersatz-plastiken in der Rekonstruktionschirurgie seit 1991<br />
fest etabliert. Neben der Möglichkeit, derartige Produkte unmittelbar während der<br />
Operation herzustellen, was insbesondere in Notfallsituationen angezeigt ist, werden die<br />
Implantate üblicherweise vor dem eigentlichen Eingriff auf der Basis eines Modells<br />
gefertigt. Grundlage hierfür sind computertomo-graphische Aufnahmen der relevanten<br />
Areale des Patienten sowie die anschließende Herstellung einer Abdruckform, die zur<br />
Modellierung des Implantates dient. Diese Vorgehensweise reduziert die<br />
Operationsdauer z. T. erheblich [1], allerdings muss das End-produkt vor der Operation<br />
sterilisiert werden. Da Produkte aus PMMA thermisch nicht behandelt werden können,<br />
kommen nur Niedertemperatursterilisationsverfahren in Frage. Eine hohe Sicherheit im<br />
Sinne der Vermeidung mikrobieller Belastungen bietet hier der Einsatz von Ethylenoxid<br />
(EO) als Sterilisationsmittel. Das PMMA resorbiert, wie auch andere Kunststoffe, das<br />
eingebrachte EO sehr gut. Bei der Lagerung unter typischen Raumluft-bedingungen<br />
kann es zu langen EO-Desorptionsphasen kommen. Aus Gründen der<br />
Patientensicherheit ist es im Rahmen der Prozessvalidierung erforderlich, die<br />
Restmengen an Ethylenoxid (EO) und Folgeprodukten (Ethylenglykol und 2-<br />
Chlorethanol) quantitativ zu bestimmen und gemäß den Forderungen der DIN EN ISO<br />
10993-7 [2] zu bewerten. Da es sich bei den hier beschriebenen<br />
Schädelknochenersatzplastiken jeweils um aufwändig hergestellte Einzelstücke handelt,<br />
ist die Entnahme repräsentativer Proben nicht möglich.<br />
Ethylenoxid<br />
Ethylenoxid (EO, 1,2-Epoxyethan, CAS-Nummer: 75-21-8) ist ein farbloses,<br />
hochentzünd-liches Gas (bp: 10,45 °C bei 1013 hPa) mit süßlichem Geruch. Das Epoxid<br />
ist ein wichtiges Zwischenprodukt bei der Herstellung von Ethylenglykol und anderen<br />
Chemikalien. Ethylenoxid wird u. a. als Desinfektionsmittel für medizinische Geräte<br />
168
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
verwendet [3]. EO ist eine krebserzeugende Substanz. Ein rechtsverbindlicher<br />
Grenzwert für diesen Stoff in der Luft am Arbeitsplatz liegt in der Bundesrepublik<br />
gegenwärtig nicht vor [4]. In der MAK- und BAT-Wert-Liste der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) ist EO als krebserzeugender Gefahrstoff der Kategorie 2<br />
sowie als Keimzellmutagen der Kategorie 2 eingestuft und als hautresorptiv „H“ markiert<br />
[5]. Da EO als alkylierende Substanz u. a. an Hämoglobin anbindet, ist das<br />
Hydroxyethylvalin (HEV) ein Untersuchungsparameter für das Biomonitoring. Im Rahmen<br />
einer Pilotstudie im Klinikum Augsburg konnte durch Untersuchungen an 30 Personen<br />
gezeigt werden, dass bei den dort vorliegenden Arbeitsbedingungen keine zusätzliche<br />
Aufnahme von EO beim Umgang mit EO-sterilisierten Produkten vorlag [6].<br />
Grenzwerte in Medizinprodukten<br />
Eine durch Implantate hervorgerufene Exposition gegenüber EO, ECH und Ethylenglykol<br />
ist unerwünscht und nach Möglichkeit zu vermeiden. Als Bewertungsmaßstab dienen die<br />
in der DIN EN ISO 10993-7 festgelegten Grenzwerte für EO-sterilisierte Materialien.<br />
Dabei wird insbesondere die Anwendungsdauer eines Produkts am Patienten<br />
berücksichtigt. Bei implantierten Schädelknochenersatzplastiken ist i. d. R. von<br />
Produktgruppe „c“ auszugehen. Hierbei handelt es sich um Produkte mit Dauerkontakt,<br />
deren einmalige, mehrfache oder Langzeitanwendung mehr als 30 Tage dauert. Die an<br />
den Patienten abgegebene durchschnittliche Tagesdosis an EO darf 0,1 mg/d nicht<br />
überschreiten. Außerdem darf die maximale EO-Dosis nicht überschreiten: 4 mg in den<br />
ersten 24 h, 60 mg in den ersten 30 d und 2,5 g auf Lebenszeit. Neben einer denkbaren<br />
EO-Emission besteht die Möglichkeit, dass auch 2-Chlorethanol und Ethylenglykol<br />
freigesetzt werden. Weiterhin werden flächen-bezogene Grenzwerte genannt: Das<br />
Produkt darf bei den Mengen an EO und ECH, die für das Produkt bei der Freigabe<br />
zulässig sind, keine Reizungen hervorrufen. Das bedeutet, dass die tolerierbare<br />
Kontaktdosis (TCL) für EO und ECH 10 µg/cm² bzw. 5 mg/cm² nicht überschreiten darf.<br />
Ziele der Arbeit<br />
Im Rahmen einer experimentellen Untersuchung sollte das Desorptionsverhalten von<br />
Ethylenoxid anhand von implantatähnlichen Prüfkörpern charakterisiert werden. Auf der<br />
Basis der Untersuchungsergebnisse sollten Maßnahmenempfehlungen für die praktische<br />
Durchführung der Gassterilisation von PMMA-Produkten vor dem Hintergrund des<br />
Medizinproduktegesetzes (MPG) abgeleitet werden. Dazu wurden geeignete Prüfkörper<br />
hergestellt, einer Gassterilisation unterzogen und anschließend in einem Wärmeschrank<br />
gelagert. Der Restgehalt des Ethylenoxids wurde nach erschöpfender Extraktion mittels<br />
Gaschromatographie-Massenspektrometrie quantitativ bestimmt.<br />
169
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Methoden<br />
Herstellung geeigneter Prüfkörper<br />
Die Untersuchung des Rest-Ethylenoxidgehalts in Prüfkörpern [7] soll das Emissionsverhalten<br />
„echter“ Implantate widerspiegeln, um den Anforderungen der DIN EN ISO 10993-<br />
7 gerecht zu werden. Das bedeutet, dass die Materialeigenschaften identisch sein<br />
müssen. Hinsichtlich der Rohstoffe des Knochenzements sind diese Bedingungen<br />
gegeben. Das Anmischen des Zweikomponentensystems erfolgt immer in denselben<br />
Mengenverhältnissen, so dass die Zusammensetzung, folglich auch die<br />
Materialeigenschaften als weitestgehend konstant anzusehen sind. Die Abmessungen<br />
der Prüfkörper orientieren sich einerseits an der analytischen Handhabbarkeit<br />
(Prüfkörper 1), andererseits sollte die Geometrie typischer Implantate (Prüfkörper 2)<br />
berücksichtigt werden. Diese Kriterien erfüllen die in Abbildung 1 dargestellten<br />
Prüfkörper aus PMMA. Die Zylinder wurden im Gießverfahren aus Palacos ® LV und die<br />
Scheiben aus Refobacin ® R+G durch Ausstechen aus gepresstem Knochenzement<br />
gewonnen. Auf diese Weise lassen sich beliebig viele Prüfkörper anfertigen, die<br />
zerstörungs-frei analysiert werden können.<br />
Abb. 1: Prüfkörper<br />
Gassterilisation<br />
Prüfkörper 1: Zylinder,<br />
gegossen aus Palacos ® LV<br />
Prüfkörper 2: Scheiben,<br />
gepresst aus Refobacin ® R+G<br />
d = 9,6 mm<br />
l = 44 mm<br />
d = 68 mm<br />
h = 8,2 mm<br />
Volumen = 3,2 cm³<br />
Volumen = 30 cm³<br />
Oberfläche = 15 cm²<br />
Oberfläche = 90 cm²<br />
V/A = 0,21<br />
V/A = 0,33<br />
Die Prüfkörper werden zunächst in gegenüber EO diffusionsoffenen Umverpackungen<br />
(Kunststoff/Papierbeutel) doppelt eingeschweißt. Es folgt eine<br />
Niedertemperatursterilisation bei ca. 40 °C und anfänglich ca. 1,7 bar über einen<br />
Zeitraum von insgesamt ca. 10,5 Stunden. Die in diesem Programm integrierte<br />
Desorptionsphase umfasst ca. 6 Stunden. Die Begasung erfolgt unter Beachtung der<br />
gerätespezifischen Technischen Regelungen der EO-Anlage sowie unter Einhaltung<br />
170
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
sicherheitstechnischer Regelungen in der Zentralsterilisation der MHH [8]. Das<br />
Sterilisationsgas (6 % Ethylenoxid in 94 % Kohlendioxid) wird aus einer zentralen<br />
Gasversorgung über zwei Vorverdampfer in die Sterilisationskammern eingeleitet. Im<br />
Anschluss an die geräteinterne Desorptionsphase werden die sterilen Implantate in<br />
einem speziell zur Ausgasung von Ethylenoxid hergerichteten Wärmeschrank bei einer<br />
Temperatur von 40 °C ± 2 °C und einem Luftwechsel von 80 h -1 gelagert. Diese<br />
Vorgehensweise soll ein beschleunigtes Ausgasen von möglicherweise vorhandenem<br />
Rest-EO bewirken. Die Behandlung von Implantaten erfolgt unter identischen<br />
Bedingungen. Innerhalb der Untersuchungsserien wurden nach dem Öffnen des<br />
Sterilisationsgerätes Prüfkörper beider Typen direkt zur Untersuchung auf den Gehalt an<br />
Ethylenoxid entnommen und wie nachfolgend beschrieben analysiert. Die hierbei<br />
ermittelten Konzentrationen an EO dienen als Basiswert für die sich aus der<br />
Wärmeschranklagerung ergebende Desorptions-charakteristik. Die restlichen Prüfkörper<br />
wurden zeitgleich in den Wärmeschrank gelegt. In äquidistanten Schritten von 24 h<br />
wurden je zwei Muster entnommen und analysiert.<br />
Analytische Bestimmung<br />
Die Prüfkörper werden direkt in ein Probengefäß eingewogen, mit 15 mL (Prüfkörper 1)<br />
bzw. 100 mL (Prüfkörper 2) Lösungsmittel überschichtet und verschlossen. Im<br />
vorliegenden Fall wurde tert.-Butylmethylether (MTBE) eingesetzt. In Vorversuchen<br />
zeigte sich, dass das Implantatmaterial aus PMMA gegenüber diesem Lösungsmittel<br />
inert ist. Die Extraktion er-folgte durch wiederholtes 24-stündiges Ausschütteln auf einem<br />
Laborschüttler mit 120 min -1 bei Raumtemperatur (t = 21 °C ± 2 °C). Gemäß der<br />
zugrunde liegenden Norm gilt ein Prüfkörper als erschöpfend extrahiert, wenn der letzte<br />
Extraktionsschritt weniger als 10 % der EO-Menge des ersten Schrittes aufweist oder der<br />
Bereich der Bestimmungsgrenze des Verfahrens erreicht ist. Zur Kalibrierung wurden<br />
aus einer zertifizierten Ethylenoxid-Lösung (50 mg/ml in Methanol, Fa. Supelco,<br />
Bellefonte, USA) durch Verdünnung mit MTBE (p. A., Fa. Merck, Darmstadt)<br />
Kalibrierstandards von 0,1 bis 100 µg/mL hergestellt. Die Ethylenglykol- und 2-<br />
Chlorethanol-Standards wurden entsprechend durch Verdünnen von Originalsubstanzen<br />
(p. A., Fa. Merck, Darmstadt) hergestellt. Die Kalibrierungen erfolgten arbeitstäglich mit<br />
jeder Probenserie. Hierzu wurde je 1 µL Messlösung mit einem Split-verhältnis von 1:10<br />
in einen programmierbaren Injektor (PTV, KAS 4, Fa. Gerstel) injiziert (100 °C bis 250<br />
°C). Die Trennsäule (60 m DB-624, innerer Durchmesser: 0,32 mm, Filmdicke: 1,8 µm,<br />
J&W Scientific) wurde von 33 °C auf 250 °C in einem Gaschromato-graphen (Agilent<br />
6890A) aufgeheizt. Die Detektion erfolgte per Massenspektrometer (Agilent 5973) im<br />
171
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
SIM-Modus, wobei für EO 44 m/z und für 2-Chlorethanol und Ethylenglykol 31 m/z mit<br />
einer Messzeit pro Ion von 50 ms gewählt wurden.<br />
Ergebnisse<br />
Die hier beschriebene GC-MS-Methode ermöglicht eine sensitive und selektive Analyse<br />
der Zielsubstanzen. Die analytische Nachweisgrenze für Ethylenoxid beträgt 0,13 mg/mL<br />
Messlösung bzw. 0,05 mg/100 g Prüfkörper, die Bestimmungsgrenze nach DIN 32 645<br />
beträgt 0,44 mg/mL bzw. 0,15 mg/100 g. Damit kann die Einhaltung des Grenzwertes<br />
von 4 mg EO für diese Produktgruppe mit ausreichender Empfindlichkeit überprüft<br />
werden. Die Präzision in der Serie wurde durch die Untersuchung von 10 sterilisierten<br />
Prüfkörpern ermittelt (Mittelwert: 6,28 mg/100 g ± 0,83 mg/100 g, relative<br />
Standardabweichung 13,2 %). Die Wiederfindung nach Dotierung unsteriler Prüfkörper<br />
liegt bei 95 – 110 %. Weiterhin wurde die Anzahl der erforderlichen Extraktionsschritte an<br />
10 Prüfkörpern ermittelt. Nach fünf Extraktionen wurden ca. 4 % des Ausgangswertes<br />
gemessen. Im sechsten Extraktionsschritt wurde die Bestimmungsgrenze des<br />
Verfahrens erreicht. Zur Untersuchung des Restethylen-oxidgehaltes wurde jeder<br />
Prüfkörper somit fünf Extraktionszyklen unterzogen, deren Mess-ergebnisse aufsummiert<br />
wurden. Direkt nach Sterilisationsende entnommene Prüfkörper wiesen Belastungen<br />
oberhalb des in der DIN EN ISO 10993-7 genannten Grenzwertes von 4 mg auf. Auch<br />
der flächenbezogene Grenzwert von 10 µg/cm² wurde bei diesen Proben überschritten<br />
(16 bis 34 µg/cm²). In der Abbildung 2 ist die massenabhängige Desorption des<br />
Ethylenoxids aus den Prüfkörpern dargestellt. Das flächenbezogene<br />
Desorptionsverhalten der Prüfkörper ist nahezu identisch. Bereits zwei Tage nach der<br />
Lagerung im Wärmeschrank werden die Grenzwerte unterschritten. Am vierten Tag<br />
beträgt der EO-Gehalt bereits < 10 % der zulässigen Grenzwerte. 2-Chlorethanol und<br />
Ethylenglykol wurden nur in Spuren nachge-wiesen. Die entsprechenden Grenzwerte<br />
wurden damit jederzeit sicher eingehalten.<br />
172
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
12<br />
10<br />
8<br />
10,1<br />
7,73<br />
Scheiben, einfach verpackt<br />
Scheiben, doppelt verpackt<br />
Zylinder, einfach verpackt<br />
6<br />
6,28<br />
4<br />
2<br />
0<br />
3,51<br />
2,99<br />
2,28<br />
2,16 2,10<br />
1,34 1,21<br />
0,85 0,87<br />
0,32 0,43<br />
0,22 0,43<br />
0,16 0,09 0,13 0,24 0,22 0,10 0,11 0,02 0,04 0,10<br />
0,11<br />
0,06 0,05<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
Tage<br />
Abb. 2:<br />
Desorption nach Lagerung im Wärmeschrank (mg EO/100 g Implantat)<br />
Zusammenfassung<br />
Durch die Untersuchung von speziell hergestellten Prüfkörpern anhand einer hierfür<br />
entwickelten Analysenmethode wurde der Gehalt an Ethylenoxid in Knochenzement aus<br />
PMMA bestimmt. Unmittelbar nach einer EO-Sterilisation können Produkte aus PMMA<br />
über den zulässigen Grenzwerten für Medizinprodukte mit Ethylenoxid belastet sein. Auf<br />
der Basis der Untersuchung des Desorptionsverhaltens ist eine Lagerung von<br />
Schädelknochenersatz-plastiken aus PMMA über einen Zeitraum von mindestens vier<br />
Tagen unter den gewählten Bedingungen in einem Wärmeschrank zu empfehlen. Eine<br />
unzulässige Exposition von Patienten gegenüber dem Gefahrstoff Ethylenoxid kann bei<br />
Einhaltung dieser Empfehlung praktisch ausgeschlossen werden.<br />
Literaturverzeichnis<br />
[1] Jatzwauk L, Schültke E, Hecht R, Hampel JA (1999) Untersuchungen zur Herstellung<br />
und Sterilisation von Schädelknochenersatzplastiken im Krankenhaus. Hyg Med 24:<br />
304-308<br />
[2] DIN EN ISO 10993-7 [Entwurf] November 2006, Biologische Beurteilung von<br />
Medizinprodukten – Teil 7: Ethylenoxid-Sterilisationsrückstände, Beuth-Verlag, Berlin<br />
[3] GESTIS (Gefahrstoffinformationssystem), Berufsgenossenschaftliches Institut für<br />
Arbeitsschutz, www. dguv.de/bgia/de/gestis/stoffdb/index.jsp, Stand: März 2008<br />
[4] Gefahrstoffe 2007, Universum Verlag, Wiesbaden<br />
[5] DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) (2008) MAK- und BAT-Werte-Liste 2008,<br />
Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, Mitteilung 44;<br />
Wiley-VCH, Weinheim<br />
[4] Hardt J, Schrömer ML, Angerer J (2006) Untersuchung zur Exposition bei der<br />
Verwendung Ethylenoxid-sterilisierter Medizinprodukte im Krankenhaus. Arbeitsmed<br />
Sozialmed Umweltmed 41: 244-247<br />
[7) Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (2001)<br />
Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim<br />
173
V28<br />
Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />
Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und<br />
Medizinprodukte<br />
(BfArM), Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 44: 1115-<br />
1126<br />
[8] Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 513 (2008) Begasungen mit Ethylenoxid<br />
und Formaldehyd in Sterilisations- und Desinfektionsanlagen. www.baua.de<br />
174
V29<br />
Vorträge – Malignome<br />
Männliche Keimzelltumoren in der Metallindustrie - erste<br />
Ergebnisse einer eingebetteten Fall-Kontrollstudie<br />
Wolfgang Ahrens, Birte Mester, Nils Schmeisser, Ingo Langner, Thomas Behrens<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin,<br />
Bremen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
175
V30<br />
Vorträge – Malignome<br />
Krebsinzidenz von beruflich gegenüber Dinitrotoluol exponierten<br />
Arbeitern des Mansfelder Kupferschieferbergbaus<br />
Volker Harth 1 , Andreas Seidler 2 , Dirk Taeger 1 , Matthias Möhner 2 , Annekatrin Bergmann 3 ,<br />
Johannes Haerting 3 , Kurt Straif 4 , Hermann M. Bolt 5 , Thomas Brüning 1<br />
1<br />
BGFA-Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />
3<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik<br />
4<br />
International Agency for Research on Cancer, World Health Organization, Lyon<br />
5<br />
Institut für Arbeitsphysiologie an der Technischen Universität Dortmund (IfADo)<br />
Technisch hergestelltes Dinitrotoluol (DNT) - ein inhalativ und dermal resorbierbares<br />
Gemisch insbesondere von 2,4- und 2,6-DNT-Isomeren - wird als energetischer<br />
Weichmacher in Sprengstoffen, als Inhaltsstoff von Treib- und Farbstoffen und<br />
Polyurethan-Schäumen (Toluol-Diisocyanaten) und als Intermediat bei der Nitrierung von<br />
o- und p-Nitrotoluolen zu Trinitrotoluol (TNT) verwendet.<br />
Im Jahre 1985 stufte die MAK-Kommission DNT auf der Basis von Langzeit-<br />
Tierversuchen und Mutagenitätsstudien in die Kanzerogenitätsklasse A2 ein (DFG 1985).<br />
Bei Menschen wurden darüber hinaus hämato- und hepatotoxische Effekte beobachtet.<br />
Auf der Basis von zwei Kohortenstudien ergaben sich jedoch keine einheitlichen<br />
Ergebnisse bezüglich der Humankanzerogenität von DNT (Levine et al. 1986, Stayner et<br />
al. 1993). Das Ziel dieser Studie ist es daher, das Krebsrisiko von ehemals DNT-<br />
Exponierten des Kupferschieferbergbaus in Mansfeld zu untersuchen.<br />
Die historische Kohortenstudie umfasst untertägig tätige männliche Arbeiter, die in den<br />
Jahren 1920 bis 1974 geboren wurden (n=16.441). Im Rahmen des case-cohort-Designs<br />
wurde eine Subkohorte als Zufallsstichprobe aus der Gesamtkohorte gezogen (n=999<br />
nach Ausschluss einer Frau). Für diese Subkohorte wurden die berufliche Tätigkeit und<br />
der Arbeitsort für jede Arbeitsphase im Mansfelder Kupferschieferbergbau erhoben.<br />
Anschließend konnte der Vitalstatus für 88% der Subkohortenmitglieder mittels Abfrage<br />
an die Einwohnermeldeämter und die Bundesknappschaft ermittelt werden. Das Follow-<br />
Up begann am 1. Januar 1961 und endete mit dem 31. Dezember 2005 bzw. dem<br />
Todestag des Kohortenmitgliedes. Personen, die den Kupferschieferbergbau vor dem 1.<br />
Januar 1961 verließen (n=139) oder verstarben (n=1), wurden von der Auswertung<br />
ausgeschlossen. Personen mit einem unbekannten Vitalstatus wurden ausgeschlossen.<br />
Dahingegen wurden Personen mit einem unbekannten Datum der Tätigkeitsaufgabe im<br />
Kupferschiefer-bergbau, die aber zum Studienende als lebend bekannt waren (n=2), in<br />
der Studie belassen.<br />
Um die Personenjahre für die Gesamtkohorte zu berechnen, wurden die Personenjahre<br />
der Subkohorte auf die Gesamtkohorte hochgerechnet. Da 69% der Mitglieder der<br />
176
V30<br />
Vorträge – Malignome<br />
Subkohorte ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt hatten, wurden die erwarteten Fälle auf<br />
Grundlage der Krebsinzidenzen in Sachsen-Anhalt berechnet. Die beobachteten und<br />
erwarteten Fälle wurden in 5-Jahresgruppen (1961 bis 2005) und 5-Jahres-Altersklassen<br />
berechnet (15 bis 85 Jahre). Standardized incidence ratios (SIR) wurden für<br />
Krebserkrankungen (nach ICD-10) als Verhältnis zwischen der Anzahl der beobachteten<br />
und erwarteten Fälle berechnet. Die entsprechenden 95% Konfidenz-Intervalle (95 % KI)<br />
wurden nach der Methode von Suissa et al. (1998) berechnet, um zu berücksichtigen,<br />
dass die Personenjahre aus der Subkohorte hochrechnet wurden.<br />
Bei Vergleich der beobachteten Kohorte mit der Allgemeinbevölkerung von Sachsen-<br />
Anhalt zeigte sich das SIR aller Krebserkrankungen leicht erhöht (SIR=1,26; 95% KI<br />
1,14-1,38). Diese Erhöhung wurde hauptsächlich durch einen Anstieg an<br />
respiratorischen Malignomen verursacht (SIR=1,51; 95% KI 1,36-1,68). Es wurden keine<br />
statistisch signifikant erhöhten SIRs für maligne Nierenzell- oder Urothel-karzinome<br />
beobachtet (SIR= 1,24; 95% KI 0,98-1,57 bzw. SIR 1,12; 95% KI 0,88-1,44). Für<br />
Carcinomata in situ und Papillome der Harnblase zeigte sich jedoch ein erhöhtes SIR<br />
(1,28; 95% KI 1,03-1,59).<br />
Die SIR-Analyse der Arbeiter im Mansfelder Kupferschieferbergbau zeigte im Vergleich<br />
zur Allgemeinbevölkerung von Sachsen-Anhalt keine statistisch signifikant erhöhten<br />
Risiken für Nierenzell- oder Urotheltumoren. Die Aussagekraft dieser Analyse ist jedoch<br />
dahingegen limitiert, dass nur etwa 64% der Subkohorte inhalativ bzw. nur 8% der<br />
Subkohorte dermal gegenüber DNT exponiert war. Das Krebsregister der Neuen<br />
Bundesländer zeigte darüber hinaus in den frühen 1990er Jahren eine unvollständige<br />
Registrierung.<br />
Die Fall-Kohorten-Analyse, die auf einer Bewertung der DNT-Exposition durch einen<br />
Experten basiert und die die zusätzlich in einem klinischen Netzwerk von Pathologien<br />
erfassten Tumoren beinhaltet, soll daher Aufschluss über die potenzielle Kausalität<br />
(Dosis-Wirkungsbeziehung) von DNT auf die Entstehung von Nierenzell- und<br />
Urothelkarzinomen geben.<br />
Literatur<br />
Deutsche Forschungsgemeinschaft. Dinitrotoluole (alle Isomere in technischen<br />
Gemischen). In: Greim H, Henschler D (Hrsg): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe.<br />
Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Weinheim, VCH<br />
Verlagsgesellschaft Chemie, 1985.<br />
Levine RJ, Andjelkovich DA, Kersteter SL, Arp EW, Balogh SA, Blunden PB, Stanley JM:<br />
Heart disease in workers exposed to dinitrotoluene. J Occup Environ Med 1986, 28: 811-<br />
816.<br />
177
V30<br />
Vorträge – Malignome<br />
Stayner L, Dannenberg AL, Bloom T, Thun M: Excess hepatobiliary cancer mortality<br />
among munitions workers exposed to dinitrotoluene. J Occup Environ Med 1993, 35:<br />
291-296.<br />
Suissa S, Edwardes MD, Boivin JF. External comparisons from nested case-control<br />
designs. Epidemiology 1998,9:72-78.<br />
178
V31<br />
Vorträge – Malignome<br />
Korrektur einer potentiell verzerrten SMR: Industrieruß und<br />
Lungenkrebs<br />
Peter Morfeld 1,2 , Robert J. McCunney 3<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Universität zu Köln<br />
2<br />
Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt, Evonik Services GmbH, Essen<br />
3<br />
Massachusetts Institute of Technology, Department of Biological Engineering, Cambridge, USA<br />
Ziel der Studie Zur Bewertung des kanzerogenen Potentials einer beruflichen Exposition<br />
wird häufig auf die SMR (standardisierte Mortalitätsrate) abgehoben. Diese Größe<br />
vergleicht das Sterberisiko der beruflich exponierten Kohorte mit der Normalbevölkerung,<br />
wobei die Einflüsse von Alter, Geschlecht und Kalenderzeit durch Standardisierung<br />
kontrolliert werden. Weitere mögliche Confounder (Rauchen, andere Expositionen)<br />
bleiben aber unberücksichtigt. In einer Studie zu 1528 Arbeitern eines<br />
Industrierusswerkes wurde eine signifikant erhöhte Lungenkrebs-SMR von 2.18 (0.95-<br />
Konfidenzintervall: 1.61, 2.87) gefunden, aber kein Zusammenhang mit der kumulierten<br />
Exposition gegenüber Industrieruß. Eine in die Kohorte eingebettete Fall/Kontroll-Studie<br />
identifizierte Rauchen und Vorexpositionen gegenüber bekannten Karzinogenen als<br />
zusätzliche Risikofaktoren. Wie groß ist der Einfluss dieser potentiellen Confounder auf<br />
die SMR?<br />
Methoden Wir haben den Einfluss dieser zusätzlichen Größen auf die SMR durch sog.<br />
Bayes-Verfahren quantifiziert. Zur Berechnung werden Monte Carlo-Techniken<br />
eingesetzt. Als Statistikpaket haben wir R benutzt.<br />
Ergebnisse Für die korrigierte SMR ergab sich im Median 1.32 (zentraler 0.95-Bereich:<br />
0.7, 2.1) bzw. 1.00 (zentraler 0.95-Bereich: 0.2, 3.3). Das Ergebnis variiert mit der Art,<br />
wie vorgängige Expositionen gegenüber Karzinogenen bestimmt wurden.<br />
Schlussfolgerungen Quantitative Verfahren zur Ermittlung der Größe einer Verzerrung<br />
z.B. der SMR-Statistik sollten nach Möglichkeit in epidemiologischen Studien eingesetzt<br />
werden, um die allein narrative Diskussion von systematischen Fehlern zu ergänzen<br />
oder gar zu ersetzen. In diesem Fall (Industrieruß und Lungenkrebssterblichkeit) wurden<br />
das relative Risiko und seine Präzision durch die Angabe einer nicht zusätzlich<br />
adjustierten SMR deutlich überschätzt. Die Grenzen der Aussagekraft einer auffälligen,<br />
aber lediglich nach Alter, Geschlecht und Kalenderzeit adjustierten SMR sollten auch in<br />
Entscheidungsgremien angemessen berücksichtigt werden.<br />
179
V32<br />
Vorträge – Malignome<br />
Asbestexposition und maligne Lymphome: eine gepoolte<br />
Auswertung der deutschen und italienischen EPILYMPH-Studie<br />
Andreas Seidler 1 , Nikolaus Becker 2 , Alexandra Nieters 2 , Rolf Arhelger 3 , Birte Mester ,4,5 , K.<br />
Rossnagel 6 , Evelin Deeg 2 , Gine Elsner 4 , Massimo Melis 7 , Simonetta Sesler 7 , Guiseppe<br />
Avataneo 7 , Michele Meloni 7 , Pierluigi Cocco 7<br />
1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />
2 Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg<br />
3 Universität Gießen, Institut für Arbeits- und Sozialmedizin<br />
4 Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Arbeitsmedizin, Frankfurt am Main<br />
5 Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen<br />
6 Berlin School for Public Health an der Charité, Berlin<br />
7 Universität Cagliari, Abteilung für Public Health, Sektion Arbeitsmedizin, Cagliari, Italien<br />
Ziel der Studie<br />
Pathophysiologische Überlegungen lassen eine Lymphomgenese durch<br />
Asbestexposition als biologisch plausibel erscheinen: Bekannt sind<br />
immunpathogene Effekte von Asbestfasern im Sinne einer immunologischen<br />
Dysbalance. Weiterhin werden Asbestfasern insbesondere durch<br />
Alveolarmakrophagen phagozytiert, es erfolgt ein lymphogener Abtransport mit<br />
Akkumulation der Fasern in Lymphknoten. Experimentell ließen sich Mutationen und<br />
chromosomale Aberrationen nachweisen. Den drei bisher durchgeführten Reviews<br />
zufolge lässt die bisherige Datenlage keinen Rückschluss auf eine Kausalbeziehung<br />
zwischen Asbestexposition und der Lymphomentstehung zu (Goodman et al. 1999,<br />
Weisenburger et al. 2002, Becker et al. 2001). In einer gepoolten Auswertung der in<br />
Deutschland und Italien nach dem gleichen Studienprotokoll durchgeführten<br />
multizentrischen Fallkontrollstudie „EPILYMPH“ wird daher der Zusammenhang<br />
zwischen Asbestexposition und malignen Lymphomen untersucht.<br />
Methoden<br />
Männliche und weibliche Patienten mit einem malignen Lymphom (n=1.034) im Alter<br />
zwischen 18 und 80 Jahren wurden in sieben Studienregionen in Deutschland<br />
(Ludwigshafen, Heidelberg, Würzburg, Hamburg, Bielefeld, München) und zwei<br />
Studienregionen in Italien (Cagliari, Nuoro-Provinz) gewonnen. Die<br />
Kontrollpersonen (n=1.173) wurden als Zufallsstichprobe der regionalen<br />
Einwohnermeldeämter gewonnen. In einem strukturierten Interview wurde die<br />
komplette Arbeitsanamnese erhoben. Zwei erfahrene Experten schätzten auf der<br />
Grundlage tätigkeitsbezogener Zusatzfragebögen für jede Berufsphase die<br />
Intensität und die Häufigkeit einer etwaigen Asbestexposition; aus diesen<br />
Expertenangaben wurde die kumulative Asbestexposition (Faserjahre) berechnet.<br />
180
V32<br />
Vorträge – Malignome<br />
Weiterhin wurde der Sicherheitsgrad der Einstufung angegeben. Als Effektschätzer<br />
für die Erkrankungsrisiken wurden mittels unkonditionaler logistischer<br />
Regressionsanalyse Odds Ratios mit 95%-Konfidenzintervallen berechnet,<br />
adjustiert für Alter, Geschlecht und Studienregion. Rauchen (Packungsjahre) und<br />
Alkoholkonsum stellten keine Confounder dar. Zusätzlich wurde eine Subanalyse<br />
einzelner Lymphom-Subentitäten durchgeführt.<br />
Ergebnisse<br />
Es konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der kumulativen<br />
Asbestexposition und dem Lymphomrisiko gefunden werden (siehe Tabelle 1); die<br />
Odds Ratio für Lymphome insgesamt lag bei Begrenzung auf Probanden mit<br />
wahrscheinlicher oder sicherer Lymphomexposition in der höchsten<br />
Expositionskategorie (>2,6 Faserjahre) bei 1,0 (95% CI 0,4-2,5). In der höchsten<br />
Expositionskategorie ergab sich bei niedriger Felderbelegung (n=3 Fälle, n=12<br />
Kontrollpersonen) ein signifikant erhöhtes Plasmozytom-Risiko (Odds Ratio=4,6;<br />
95%-Konfidenzintervall 1,2-18,0); für die übrigen Lymphom-Subentitäten ließ sich in<br />
der höchsten Expositionskategorie keine signifikante Risikoerhöhung aufzeigen.<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen<br />
Als Stärken der Studie ist auf die Studiengröße, die Anwendung der WHO-<br />
Klassifikation und auf die Expertenabschätzung der kumulativen Dosis hinzuweisen.<br />
Die in der vorliegenden Studie ermittelten Faserkonzentrationen liegen - bei<br />
gleicher Asbestexposition - deutlich niedriger als die in Berufskrankheiten-Verfahren<br />
ermittelten Faserkonzentrationen, da die 50%-Perzentile und nicht die 90%-<br />
Perzentile der Verteilung zugrunde gelegt wurde. Einschränkend ist auf einen<br />
möglichen Selektions-Bias durch die relativ niedrige Teilnahmerate und auf eine<br />
mögliche nichtdifferenzielle Fehlklassifikation der Exposition hinzuweisen. Weiter ist<br />
die Aussagekraft (Power) der Studie durch das relativ geringe Erkrankungsalter der<br />
Lymphompatienten und die damit verbundene geringe Zahl jemals<br />
asbestexponierter Studienprobanden limitiert. In der Zusammenschau spricht<br />
unsere Studie gegen einen Zusammenhang zwischen einer Asbestexposition und<br />
der Diagnose eines malignen Lymphoms.<br />
181
V32<br />
Vorträge – Malignome<br />
Literatur<br />
Becker N, Berger J, Bolm-Audorff U. Asbestos exposure and malignant lymphomas – a<br />
review of the epidemiological literature. Int Arch Occup Environ Health 2001;74:459-69.<br />
Goodman M, Morgan RW, Ray R, Malloy CD, Zhao, K. Cancer in asbestos-exposed<br />
occupational cohorts: a meta-analysis. Cancer Causes Control 1999;10:453-465.<br />
Weisenburger DD, Chiu BC. Does asbestos exposure cause non-Hodgkin's lymphoma or<br />
related hematolymphoid cancers? A review of the epidemiologic literature. Clin<br />
Lymphoma 2002;3,1:36-40.<br />
Tabelle 1: Berufsbezogene kumulative Asbest-Exposition und maligne Lymphome<br />
Fälle Kontrollen Adj. OR a 95% CI<br />
N (%) N (%)<br />
Asbest [Faserjahre]<br />
0 Faserjahre 926 (89,6) 1.056 (90,0) 1,0 -<br />
>0-0,3 Faserjahre 56 (5,4) 63 (5,4) 1,0 0,7-1,4<br />
>0,3-2,6 Faserjahre 33 (3,2) 42 (3,6) 0,9 0,6-1,5<br />
>2,6 Faserjahre 12 (1,2) 12 (1,0) 1,3 0,6-2,9<br />
Asbest [Faserjahre], nur Probanden mit wahrscheinlicher oder sicherer Asbestexposition werden<br />
als exponiert angesehen<br />
0 Faserjahre 926 (89,6) 1.056 (90,0) 1,0 -<br />
>0-0,3 Faserjahre 55 (5,3) 61 (5,2) 1,0 0,7-1,4<br />
>0,3-2,6 Faserjahre 32 (3,1) 38 (3,2) 1,0 0,6-1,6<br />
>2,6 Faserjahre 8 (0,8) 11 (0,9) 1,0 0,4-2,5<br />
a adjustiert für Alter, Region und Geschlecht; berechnet mit unkonditionaler logistischer Regression<br />
182
V33<br />
Vorträge – Malignome<br />
Einfluss einer c-myc nahen Mutation auf das<br />
Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko<br />
Klaus Golka 1 , Matthias Hermes 1 , Silvia Selinski 1 , Meinolf Blaszkewicz 1 , Thilo Seidel 2 , Gerhard<br />
Roth 2 , Holger Dietrich 2 , Hans-Martin Prager 3 , Jan G. Hengstler 1<br />
1 Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
2 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul Gerhardt Diakonie Krankenhaus und Pflege GmbH, Lutherstadt<br />
Wittenberg<br />
3 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Castrop-Rauxel<br />
Im Laufe der Jahre wurde eine Reihe von Enzympolymorphismen identifiziert, die jeweils<br />
mit einem erhöhten Risiko verbunden sind, an bestimmten bösartigen Tumoren zu<br />
erkranken (Hengstler et al. 1998). In dieser Hinsicht wurde das Harnblasenkarzinom<br />
besonders intensiv erforscht. Obwohl Polymorphismen mehrerer Enzyme, insbesondere<br />
die NAT2 (Vineis et al. 2001, Golka et al. 2002), mit dem Harnblasenkarzinom-<br />
Erkrankungsrisiko assoziiert sind, können die bislang beobachteten Polymorphismen<br />
dennoch nur einen kleinen Teil des Erkrankungsrisikos erklären. Da Harnblasentumore<br />
erwiesener Maßen durch Fremdstoffe ausgelöst werden können, die auch durch<br />
polymorphe Enzyme verstoffwechselt werden, stellt sich die Frage, welche anderen<br />
genetisch bedingten Faktoren möglicherweise ebenfalls das Erkrankungsrisiko für einen<br />
Harnblasentumor modulieren können. Kürzlich wurde unter Beteiligung der eigenen<br />
Arbeitsgruppe eine Arbeit publiziert, in der der Einfluss einer c-myc nahen Mutation<br />
(single nucleotide polymorphism, SNP) auf das Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko<br />
erstmals beschrieben wurde (Kiemeney et al. 2008). In der vorliegenden Studie war der<br />
Einfluss dieser Mutation sowohl bei unausgewählten Klinikpatienten mit<br />
Harnblasenkarzinom als auch bei Patienten mit einer angezeigten BK 1301 zu<br />
untersuchen.<br />
c-myc<br />
c-myc ist ein Transkriptionsfaktor. Das bedeutet, dass c-myc an sich keine eigenständige<br />
Wirkung hinsichtlich eines bestimmten Fremdstoffes hat. Vielmehr beeinflusst c-myc<br />
nach Expertenschätzungen die Expression von ca. 15% aller Gene. Darunter sind Gene,<br />
die an so wesentlichen zellulären Prozessen wie Zellteilung, Zellwachstum und Apoptose<br />
beteiligt sind (Gearhart et al. 2007). Zudem ist c-myc ein Protoonkogen. Das bedeutet,<br />
dass es nur in seiner mutierten Form als Onkogen wirksam ist.<br />
Über die Bedeutung dieser c-myc nahen Mutation rs9642880 ist bisher lediglich bekannt,<br />
dass sie nur 30 kb upstream des Protoonkogens c-myc liegt, 20 % der Mitteleuropäer<br />
bezüglich dieser Mutation homozygot sind, keine Wechselwirkung mit dem<br />
Rauchverhalten bei Harnblasenkarzinompatienten vorliegt und sie bei<br />
183
V33<br />
Vorträge – Malignome<br />
Krebserkrankungen von Prostata, Brust, Kolorektum und Lunge keine Bedeutung hat<br />
(Kiemeney et al. 2008).<br />
Untersuchte Kollektive und Methoden<br />
Von 212 Patienten mit Harnblasenkarzinom und 194 Patienten der gleichen Klinik ohne<br />
Malignom in der Anamnese, 216 Harnblasenkarzinompatienten mit angezeigter BK 1301<br />
sowie 699 Kontrollpersonen aus Nordrhein-Westfalen wurde die DNA mittels<br />
Standardmethoden isoliert und bei -20° gelagert. Die c-myc nahe Mutation rs9642880<br />
wurde mittels TaqMan ® -Technik bestimmt. Das Einverständnis der Patienten zur<br />
Untersuchung der Blutproben sowie die Zustimmung der Ethikkommission zur<br />
Sammlung der Proben lag vor.<br />
Ergebnisse<br />
Das Kollektiv von unausgesuchten Harnblasenkarzinompatienten aus der Lutherstadt<br />
Wittenberg wies einen geringen Anteil an Patienten mit Exposition gegen aromatische<br />
Amine (6 %) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (8 %) sowie einen<br />
doppelt so hohen Anteil mit Exposition gegen Azofarbstoffe (17 %) auf. Das<br />
Gutachtenpatientenkollektiv hingegen zeigte erwartungsgemäß einen hohen Anteil an<br />
Patienten mit Exposition gegen aromatische Amine (61 %) und/oder Azofarbstoffe (62 %)<br />
sowie einen deutlich geringeren Anteil an Patienten mit Exposition gegen polyzyklische<br />
aromatische Kohlenwasserstoffe (27 %).<br />
Die beobachtete Mutation wies in den 3 untersuchten Patientenkollektiven die folgende<br />
Häufigkeit auf: 56% in dem Harnblasenkarzinompatientenkollektiv der Klinik, 48% im<br />
Kollektiv der Klinikpatienten ohne Malignom, 51% im Kollektiv der Gutachtenpatienten<br />
mit angezeigter BK 1301 und 49% im Kollektiv der NRW-weiten Kontrollpersonen (Tab.<br />
1).<br />
Tab.1: Häufigkeit des c-myc nahen SNP rs9642880[T]<br />
Kollektiv<br />
(Fälle/Kontr.)<br />
Wittenberg<br />
(212/194)<br />
BK 1301 Anzeige<br />
(216/699)<br />
Kiemeney et al.<br />
Bandbreite<br />
Kiemeney et al.<br />
(3.855/37.985)<br />
Fälle<br />
56%<br />
51%<br />
44 -<br />
53%<br />
50%<br />
Kontroll.<br />
48%<br />
49%<br />
41 -<br />
48%<br />
45%<br />
OR<br />
1,36<br />
1,22<br />
95% KI<br />
1,15-<br />
1,29<br />
1,02-<br />
1,82<br />
1,11<br />
1,11-<br />
1,43<br />
0,89-<br />
1,39<br />
P-<br />
Wert<br />
0,029<br />
0,350<br />
9,34 x<br />
10 -12<br />
184
V33<br />
Vorträge – Malignome<br />
Der Anteil der c-myc nahen Mutation im Kollektiv der Harnblasenkarzinompatienten der<br />
urologischen Klinik war im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöht und steht somit<br />
in Einklang mit der bei der Erstbeschreibung berichteten Verteilung. Der Anteil bei den<br />
untersuchten Harnblasenkarzinompatienten mit angezeigter BK 1301 zeigte hingegen<br />
keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe.<br />
Tab. 2: SNP-Chip Studien und Harnblasenkrebs (Kiemeney et al. (2008)<br />
verwendeten Illumina SNP-Chips)<br />
Enzympolymorphismus<br />
NAT2 (7 relevante SNPs)<br />
GSTM1 Wildtyp, Deletion<br />
GSTT1 Wildtyp, Deletion<br />
GSTP1 A1578G (Ile105Val)<br />
UGT2B7 C802T (His268Tyr)<br />
C-myc nahe Mutation<br />
Illumina<br />
hap300duo<br />
1 von 7*<br />
entfällt<br />
entfällt<br />
ja<br />
nein<br />
ja<br />
Affymetrix<br />
genomewide_5<br />
2 von 7**<br />
entfällt<br />
entfällt<br />
nein<br />
nein<br />
nein<br />
*rs1208 („803“) **rs1799929 („481“), rs1799930 („491“)<br />
Diskussion<br />
Was bedeuten die Erkenntnisse der SNP-Chip-Studie von Kiemeney et al. (2008) für die<br />
bisherigen Untersuchungsergebnisse bei Harnblasenkarzinomkollektiven hinsichtlich des<br />
Einflusses von Polymorphismen? Man könnte zunächst versucht sein daraus abzuleiten,<br />
dass die bislang untersuchten SNPs bei größeren Patientenzahlen keinen relevanten<br />
Einfluss zeigen. Eine derartige Schlussfolgerung ist jedoch keinesfalls zulässig, da mit<br />
dem verwendeten SNP-Chip, wie mit allen derzeit kommerziell verfügbaren SNP-Chips,<br />
nur ein Teil der SNPs im menschlichen Genom untersucht werden kann. So werden 6<br />
der 7 für Mitteleuropäer relevanten SNPs der NAT2 von dem verwendeten Chip nicht<br />
erfasst und damit auch nicht die daraus üblicherweise abgeleiteten Haplotypen.<br />
Deletionen des gesamten für das Enzym kodierenden Bereiches, wie sie für GSTM1 und<br />
GSTT1 charakteristisch sind, können ebenfalls von dem Chip derzeit nicht erfasst<br />
werden. Hinsichtlich des bei PAH-Exposition möglicherweise relevanten SNPs von<br />
GSTP1 zeigte sich in der Studie von Kiemeney et al. (2008) kein signifikanter<br />
Unterschied zur Kontrollgruppe. Der interessierende Basenaustausch an Stelle 820 des<br />
polymorphen Enzyms UGT2B7 kann mit dem verwendeten SNP-Chip nicht detektiert<br />
werden. Schließlich sei erwähnt, dass nur einer von 300.000 untersuchten SNPs eine<br />
Assoziation mit dem Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko zeigte. Diese Mutation kann<br />
mit dem SNP-Chip der Firma Illumina, aber nicht mit dem der Firma Affymetrix bestimmt<br />
werden (Tab. 2).<br />
185
V33<br />
Vorträge – Malignome<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Ergebnisse der Studie weisen auf einen unterschiedlich starken Einfluss der<br />
beobachteten Mutation auf das Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko bei Patienten mit<br />
und ohne berufliche Exposition gegen Harnblasenkarzinogene hin.<br />
Literatur<br />
Gearhart J., Pashos E.E., Prasad M.K. Pluripotency redux -- advances in stem-cell<br />
research. N. Engl. J. Med. 357(2007) 1469-1472<br />
Golka K., Prior V., Blaszkewicz M., Bolt H.M. The enhanced bladder cancer susceptibility<br />
of NAT2 slow acetylators towards aromatic amines: a review considering ethnic<br />
differences. Toxicol. Lett. 128 (2002) 229-241<br />
Hengstler J.G., Arand M., Herrero M.E., Oesch F. Polymorphisms of N-<br />
acetyltransferases, glutathione S-transferases, microsomal epoxide hydrolase and<br />
sulfotransferases: influence on cancer susceptibility. Recent Results Cancer Res. 154<br />
(1998) 47-85<br />
Kiemeney L.A., Thorlacius S., Sulem P., Geller F. et al. Sequence variant on 8q24<br />
confers susceptibility to urinary bladder cancer. Nat. Genet. 40 (2008) 1307-1312<br />
Vineis P., Marinelli D., Autrup H., Brockmöller J. et al. Smoking, occupation, N-<br />
acetyltransferase-2 and bladder cancer: a pooled analysis of genotyped studies. Cancer<br />
Epidemiol. Biomarkers Prev. 10 (2001) 1249-1252<br />
186
V34<br />
Vorträge – Malignome<br />
Untersuchung der chromosomalen Instabilität bei<br />
Harnblasenkarzinomen mittels urinbasiertem Tumormarkertest<br />
UroVysion TM in der Früherkennungsstudie UroScreen<br />
Beate Pesch 1 , Gerhard Feil 2 , Carolin Sturtz 1 , Dirk Taeger 1 , Michael Nasterlack 3 , Bernd<br />
Scheuermann 3 , Gabriele Leng 4 H. Stockmann 1 , Harald Wellhäußer 5 , Matthias Kluckert 5 ,<br />
Friedhelm Eberle 1 , Georg Johnen 1 , Martin Pelster 1 , Marcus Horstmann 2 , Arnulf Stenzl 2 , Thomas<br />
Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />
Universität Bochum<br />
2<br />
Klinik für Urologie, Eberhard Karls Universität, Tübingen<br />
3 BASF, Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz, Ludwigshafen<br />
4 Currenta, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, Leverkusen<br />
5<br />
BG Chemie, Fachreferat Arbeitsmedizin, Heidelberg<br />
Einführung und Ziel der Studie<br />
Bei der Entstehung von Harnblasenkarzinomen kommt es zu ausgeprägten<br />
chromosomalen Veränderungen. Der urinbasierte Test UroVysion TM weist<br />
Amplifikationen und Deletionen in ausgewählten Regionen der Chromosomen 3, 7, 17<br />
und 9p21 mit Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung nach. Er wurde von der U.S.-Behörde<br />
FDA für Personen mit Hämaturie als Diagnosemarker zugelassen. In der<br />
Längsschnittstudie UroScreen soll der Vorhersagewert von UroVysion TM -Ergebnissen<br />
und weiteren neuen Tumormarken zur Früherkennung des Harnblasenkarzinoms<br />
ermittelt werden. Eine Entscheidung für einen positiven Befund basiert bisher auf dem<br />
Nachweis einer bestimmten Zahl von morphologisch abnormen Zellen mit<br />
Amplifikationen der Chromosomen 3, 7 und 17 oder dem Allelverlust im Locus 9p21.<br />
Vom Hersteller und von Experten werden unterschiedliche Entscheidungsregeln<br />
vorgeschlagen. In dieser statistischen Analyse werden die Verteilungen der Allelverluste<br />
oder Amplifikationen als copy number variations (CNV) der einzelnen chromosomalen<br />
Bereiche mit Daten aus mehr als 100.000 Zellen genauer untersucht, um den<br />
Entscheidungsalgorithmus gegebenenfalls optimieren zu können.<br />
Material und Methoden<br />
Die prospektive Studie UroScreen (Laufzeit: 01.09.2003 – 31.08.2010) wird im Rahmen<br />
arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen gemäß BG-Grundsatz G33 durchgeführt.<br />
Insgesamt 1.772 ehemalige Chemiearbeiter, die gegenüber krebserzeugenden<br />
aromatischen Aminen exponiert waren, werden jährlich zu einer Untersuchung bei BASF<br />
oder BAYER eingeladen. Von dort werden geeignet aufbereitete Urinproben an die Klinik<br />
für Urologie der Universität Tübingen zur Bestimmung von Zytologie, UroVysion TM und<br />
NMP22 und an das BGFA zur Bestimmung von Survivin gesendet. Bei positiven<br />
Befunden für Zytologie, UroVysion TM und NMP22 wird eine Zystoskopie der Harnblase<br />
187
V34<br />
Vorträge – Malignome<br />
empfohlen. Die Untersuchungsergebnisse werden am BGFA in einer Datenbank erfasst<br />
und statistisch ausgewertet.<br />
Chromosomale Aberrationen werden mit dem UroVysion TM Bladder Cancer Kit<br />
(Vysis/Abbott, IL/USA) nach dem Protokoll des Herstellers bestimmt. In morphologisch<br />
auffälligen Zellen wurden CNV mit Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung in den<br />
chromosomalen Bereichen 3, 7, 17 und 9p21 ermittelt. Als normal gelten diploide Zellen<br />
(CNV=2). Positive Befunde wurden nach den Angaben des Herstellers ermittelt und<br />
liegen dann vor, wenn eine bestimmte Zahl von Zellen Amplifikationen (CNV>2) der<br />
Chromosomen 3, 7 oder 17 bzw. Deletionen (CNV
V34<br />
Vorträge – Malignome<br />
Veränderungen (hier als CNV angegeben) wurde für die 25 untersuchten Zellen<br />
dokumentiert.<br />
Tabelle 1: Verteilung der Zellen anhand der Ergebnisse des UroVysion TM -Tests aus 4409<br />
Urinproben bezüglich der CNV in den chromosomalen Bereichen 3, 7, 17 und 9p21<br />
Bereich<br />
Diploid<br />
(in allen<br />
Bereichen)<br />
Diploid<br />
(nicht in allen<br />
Bereichen)<br />
Tetraploid<br />
(in allen<br />
Bereichen)<br />
Allelverlust<br />
Amplifikation<br />
CNV=2 CNV=2 CNV=4 CNV < 2 CNV > 2<br />
3 113.835 2.250 346 382 645<br />
7 113.835 2.205 346 351 721<br />
17 113.835 1.718 346 1.022 537<br />
9p21 113.835 1.692 346 1.230 355<br />
Tabelle 2: CNV-Verteilung für 25 untersuchte Zellen eines Fallbeispiels mit Blasenkrebs<br />
Zahl der Zellen Chrom. 3 Chrom. 7 Chrom. 17 Locus 9p21<br />
17 2 2 2 2<br />
1 2 2 2 1<br />
1 4 4 9 1<br />
1 4 4 4 2<br />
1 3 4 3 0<br />
1 3 4 4 4<br />
1 4 4 4 0<br />
1 4 4 3 1<br />
1 3 3 2 1<br />
In einer vorausgegangenen Untersuchung von 3.296 Urinproben wurde festgestellt, dass<br />
das Risiko für einen positiven Befund mit aktuellem Rauchen (OR 3,7, 95% KI 1,4-9,7)<br />
und vorherigem Krebs im Urogenitalbereich (OR 4,2, 95% KI 1,4-12,4) assoziiert war.<br />
Ebenfalls fiel auf, dass in Urinproben mit einem hohen Kreatiningehalt (>2,5 g/L) kein<br />
positives Testergebnis gefunden wurde. Dagegen waren Proben mit einer geringen<br />
Kreatininkonzentration (< 0.5 g/L) relativ häufiger positiv. Diese Befunde konnten mit den<br />
CNV-Ergebnissen auf der Basis von mehr als 100.000 einzelnen Zellen bestätigt werden.<br />
Zwei bekannte Risikofaktoren, Rauchen und früherer Krebs um Urogenitalbereich, waren<br />
mit einer erhöhten chromosomalen Instabilität verbunden.<br />
189
V34<br />
Vorträge – Malignome<br />
Diskussion und vorläufige Schlussfolgerungen<br />
Die Diagnose des Harnblasenkarzinoms ist infolge des Fehlens von eindeutigen<br />
Frühsymptomen schwierig. Leitsymptom ist eine schmerzlose Hämaturie ohne<br />
Harnwegsinfekt, jedoch ist der prädiktive Wert einer Hämaturie nicht ausreichend<br />
begründet (1). Die Urinzytologie gilt derzeit als geeignete nicht-invasive Methode, mit<br />
hoher Spezifität Harnblasenkrebs nachzuweisen (2). Nachteil ist jedoch die relativ<br />
geringe Nachweisrate von gut behandelbaren oberflächlich wachsenden,<br />
hochdifferenzierten Tumoren mit Weißlicht-UC (3). Im Rahmen der rasch sich<br />
entwickelnden molekularen Medizin wurden verschiedene urinbasierte Testsysteme für<br />
diagnostische Marker entwickelt, von denen der quantitative und qualitative NMP22-<br />
Nachweis und der UroVysion TM -Test bereits von der U.S. Behörde FDA zugelassen<br />
wurden. Ein International Consensus Panel on Bladder Cancer Tumor Markers hat im<br />
Jahr 2005 den Kenntnisstand und Forschungsbedarf zu urinbasierten Tumormarkern<br />
zusammengefasst (2). Das Expertengremium kommt zu dem Schluss, dass die<br />
Geeignetheit dieser Marker in prospektiven Längsschnitt-Studien mit Gesunden näher<br />
überprüft werden muss. UroScreen ist eine solche prospektive Längsschnittstudie zur<br />
Früherkennung von Harnblasenkrebs.<br />
Insgesamt waren etwa 1% der 4.409 untersuchten Urinproben positiv mit UroVysion TM<br />
getestet worden. Dies waren mehr positive Befunde als zytologisch als positiv eingestuft<br />
wurden. Dabei wurde das gleiche Zellpellet ausgewertet. UroVysion TM war als<br />
chromosomaler Test weniger empfindlich gegenüber Entzündungen als proteinbasierte<br />
Marker wie NMP22. Rauchen und früherer Blasenkrebs waren mit einer erhöhten<br />
chromosomalen Instabilität assoziiert. Es bleibt abzuwarten, ob die als positiv befundeten<br />
Probanden im weiteren Verlauf Blasenkrebs entwickeln, der möglicherweise durch<br />
Zystoskopie noch nicht nachgewiesen werden konnte.<br />
Der Entscheidungsalgorithmus für einen positiven Befund war weniger wichtig als das<br />
Auffinden von geschädigten Zellen im Urin. Wenn geschädigte Zellen zu finden waren,<br />
dann waren diese relativ stark verändert, so dass die Entscheidung ‚positiv’ relativ<br />
einfach zu treffen war. Allerdings traten Veränderungen in 9p21 seltener auf als zu<br />
erwarten war. Die Veränderungen in den chromosomalen Bereichen 3, 7 und 17 waren<br />
jedoch nicht nur Amplifikationen, sondern es lagen auch Allelverluste vor.<br />
Von 15 bislang in UroScreen gefundenen Blasenkrebsfällen hatten sieben Personen<br />
jemals einen positiven UroVysion TM -Befund. Da eine auffällige Abhängigkeit von der<br />
Urinqualität gefunden wurde (keine positiven Befunde in Urinen mit hohem<br />
190
V34<br />
Vorträge – Malignome<br />
Kreatiningehalt, vermehrt positive Befunden in Urinen mit niedrigem Kreatiningehalt),<br />
muss – auch vor dem Hintergrund der geringen Zahl von Zellen in einer Urinprobe - ein<br />
sogenannter ‚sampling error’ diskutiert werden. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit<br />
sich in einem frischern Belastungsurin vermehrt geschädigte Zellen finden lassen.<br />
Der UroVysion TM -Test ist relativ aufwändig bezüglich Durchführung und Auswertung. Hier<br />
bleibt abzuwarten, ob die Ergebnisse erfolgversprechender als die Befunde der<br />
Urinzyotologie sind. Alle positiven Zytologiebefunde waren bisher auch mit einem<br />
positiven UroVysion TM -Test verbunden, jedoch fanden sich mehr positive UroVysion TM -<br />
Ergebnisse. Die umfangreichen Informationen des UroVysion TM -Tests zur Zahl und Art<br />
der veränderten Zellen unter Feldbedingungen geben jedoch gute Hinweise auf die<br />
Entwicklung von chromosomaler Instabilität bei Blasenkrebs. Mit derzeit 15 beobachten<br />
Fällen ist die Aussagekraft des Tests für eine spätere Krebsentstehung noch gering. Mit<br />
einer größeren Zahl von Fällen kann auch der Tumortyp (invasive oder oberflächliche<br />
Veränderungen) berücksichtigt werden.<br />
Die Studie wird durch DGUV, Abbott GmbH & Co. KG und FDI gefördert.<br />
Literatur<br />
1. Rodgers M, Nixon J, Hempel S et al.: Diagnostic tests and algorithms used<br />
in the investigation of haematuria: systematic reviews and economic<br />
evaluation. Health Technol Assess 2006; 10(18):iii-259.<br />
2. Habuchi T, Marberger M, Droller MJ et al.: Prognostic markers for bladder<br />
cancer: International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology<br />
2005; 66(6 Suppl 1):64-74.<br />
3. Rathert P: [Urinary cytology in cases of bladder cancer: a critical evaluation].<br />
Urologe A 2003; 42(7):908-911.<br />
4. Rodgers M, Nixon J, Hempel S et al.: Diagnostic tests and algorithms used<br />
in the investigation of haematuria: systematic reviews and economic<br />
evaluation. Health Technol Assess 2006; 10(18):iii-259.<br />
191
V35<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Styrol und Sehvermögen - Eine Längsschnittstudie bei<br />
Laminierern im Schiffsbau<br />
Gerhard Triebig 1 , Thomas Bruckner 2 , Andreas Seeber 3<br />
1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg<br />
2 Medizinische Biometrie und Informatik, Universität Heidelberg<br />
3 Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund<br />
1. Ziele der Studie<br />
1. Lassen sich die im Schrifttum publizierten Sehstörungen<br />
(Farbensehen/Kontrastsensitivität) reproduzieren?<br />
2. Sind die möglichen Sehstörungen Folge einer akuten oder chronischen<br />
Styrol-Exposition und lässt sich NOEL ableiten?<br />
3. Sind die Effekte - sofern nachweisbar – nach einer 4-wöchigen<br />
Expositionskarenz reversibel?<br />
2. Kollektiv und Methode<br />
In die Studie wurden insgesamt 255 Beschäftigte einer großen Schiffswerft, davon 128<br />
Laminierer und 127 Nicht-Laminierer (Monteure, Schreiner, Elektriker), ein-bezogen.<br />
Unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien (Rot-Grün-Schwäche, schwere<br />
Sehschwäche, Diabetes mellitus) konnten die Ergebnisse von insgesamt 221 Männern<br />
ausgewertet werden.<br />
Das Untersuchungsprogramm umfasste: Anamnese, körperliche Untersuchung, Ishihara-<br />
Test zur Ausschlußdiagnostik von Farbsehstörungen, Farbsehprüfung mittels D-15d-<br />
Test, Bestimmung der Kontrast-sensitivität (Prüftafel VCTS 6500) und Biomonitoring<br />
(Styrol im Blut sowie MA/PGA im Urin).<br />
Die erste Untersuchung fand während einer normalen Arbeitswoche statt, wobei die<br />
Laminierer nach zwei Arbeitstagen (am Mittwoch bis Freitag), die Nicht-Laminierer ohne<br />
Tagespräferenz untersucht wurden.<br />
Die Zweiterhebung fand während der Betriebsferien statt, etwa 6 – 8 Wochen nach der<br />
Erstuntersuchung. Das arbeits- bzw. expositionsfreie Intervall betrug vor der<br />
Zweituntersuchung etwa 14 Tage.<br />
192
V35<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Die Sehprüfungen erfolgten in einem separaten Raum unter Beachtung der empfohlenen<br />
Lichtverhältnisse, d. h. Tageslicht-Fluoreszenzlampe und Beleuchtungsstärke von 1.000<br />
Lux (D-15d-Test) bzw. der beleuchteten Tafel des VCTS 6500 mit einer Leuchtdichte von<br />
100 cd/m 2 .<br />
Der Lanthony Desaturated Panel D-15d-Test besteht aus einer Referenzkappe und 15<br />
Pastell-Farbstufen in Reihenfolge der chromatischen Ähnlichkeit. Die Probanden haben<br />
die Farbstufen gemäß der nächstpassenden Farbstufe zu ordnen. Das Testergebnis<br />
wurde mittels Colour-Confusion-Index (CCI) nach Bowman (1982) ausgewertet. Je<br />
größer die Zahl der Abweichungen von der optimalen Farbenabfolge ist, desto größer ist<br />
der CCI (Minimum 1,0). Zwei Untersuchungen mit dem rechten Auge wurden<br />
durchgeführt bei Ausschluss farbiger Gläser oder Kontaktlinsen.<br />
Zur Prüfung der Kontrastempfindlichkeit diente die Prüftafel VCTS 6500 der Firma<br />
Vistech. Aufgabe der Probanden ist, mit einem Sehabstand von 3 m Streifenmuster mit<br />
Liniendichten von 1,5, 3, 6, 12 und 18 Linienpaaren pro Sehwinkel zu erkennen. 5<br />
Frequenzen und 8 Kontraststufen ergeben 40 zu identifizierende Muster. Die Auswertung<br />
wurde frequenzbezogen sowie als Gesamtindex der Kontrastempfindlichkeit (VCTS-<br />
Score) vorgenommen. Die Prüfung erfolgte getrennt für beide Augen.<br />
Auf der Basis von individuellen historischen Expositionsdaten wurden chronische<br />
Expositionsindizes ermittelt. Ein kumulativer Index (CEI) sowie die durchschnittliche<br />
Langzeitexposition (LWAE) wurden statistisch in Regressionsanalysen genutzt neben<br />
den Daten der akuten Exposition (Styrol/Blut, MA + PGA). Für Ko-Varianzanalysen<br />
wurden die Laminierer und Nicht-Laminierer (mit geringer Styrol-Belastung) in drei<br />
Gruppen gemäß MA + PGA als Bewertung der aktuellen Exposition am Arbeitstag<br />
eingeteilt. Daneben wurden zwei Untergruppen mit „hoher und langer“ bzw. „niedriger<br />
und kurzer“ Exposition gebildet (s. Tabelle 1) zur gesonderten Analyse von<br />
Langzeiteffekten.<br />
193
V35<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Tabelle 1: Gruppeneinteilung und Kenndaten der individuellen Styrol-Exposition<br />
Niedrig<br />
N = 97<br />
Mittel<br />
115<br />
Hoch<br />
31<br />
Niedrig/Kurz<br />
34<br />
Hoch/Lang<br />
17<br />
Styrol / Blut<br />
[mg/L]<br />
MA + PGA/Urin<br />
[mg/gKr. ]<br />
55 ± 69 61 ± 54 112 ± 109 61 ± 87 91 ±127<br />
51 ± 27 229 ± 102 977 ± 414 196 ± 282 319 ± 423<br />
CEI<br />
21 ± 38 21 ± 31 51 ± 104 14 ± 13 125 ± 146<br />
Monate] x 10 3<br />
[(MA + PGA) x<br />
LWAE<br />
[CEI/Monate]<br />
Alter<br />
[Jahre]<br />
251 ± 201 292 ± 264 571 ± 448 200 ± 171 660 ± 613<br />
38 ± 9 38 ± 9 39 ± 11 43 ± 8 44 ± 11<br />
Der CDT-Wert (Alkoholkonsum), Alter, Beschäftigungsdauer, Ausbildung sowie Deutsch<br />
als Muttersprache (ja/nein) wurden in alle statistischen Analysen als Kovariate<br />
einbezogen.<br />
3. Ergebnisse<br />
Farbensehen:<br />
Die Roh-Mittelwerte für den CCI liegen in einem Bereich von 1,15 bis 1,26 und somit in<br />
einem leicht erhöhten Niveau. Die statistischen Auswertungen zeigen in den<br />
Varianzanalysen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen akuter<br />
Exposition (Tabelle 1 „niedrig versus mittel versus hoch“) bzw. langzeitig<br />
unterschiedlicher Exposition (Tabelle 1 niedrig/kurz versus hoch / lang). Die CCI-Werte<br />
während der zweiten Untersuchung im Urlaub zeigen eine signifikante Verbesserung des<br />
Farbensehens an (CCI 1. Unters. = 1,23; CCI 2. Unters. = 1,17). Diese ist aber nicht<br />
expositionsabhängig.<br />
Die Regressionsanalysen zwischen den Expositionsvariablen einerseits (Styrol im Blut,<br />
MA + PGA, CEI, LWAE) und dem CCI andererseits ergeben keine statistisch<br />
bedeutsamen Zusammenhänge. Diese Auswertungen zeigen vielmehr bestätigend zu<br />
den Varianzanalysen, dass ein jüngeres Lebensalter sowie das Sprachverständnis<br />
(Faktor: Muttersprache Deutsch „ja“) mit günstigeren CCI-Werten verbunden sind.<br />
194
V35<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Kontrastsehen:<br />
Die Roh-Mittelwerte für den VCTS-Score liegen zwischen 55,9 bis 61,5 und entsprechen<br />
somit den Vergleichswerten. Die statistischen Auswertungen der Gruppenvergleiche<br />
(siehe Farbensehen) ergeben wiederum keine statistisch bedeutsamen<br />
Gruppenunterschiede bei beiden Gruppierungen der Untersuchten.<br />
Regressionsanalytisch ergeben sich im Wesentlichen ebenfalls keine statistisch<br />
signifikanten Assoziationen der VCTS-Scores zu den Expositionsparametern. Jedoch<br />
gibt es eine signifikante Assoziation zwischen Styrol im Blut als Parameter der akuten<br />
Exposition und dem VCTS-Score (t = -2.05, p < 0.05, Nachlassen der<br />
Kontrastempfindlichkeit mit zunehmender Styrolkonzentration im Blut). Diese Signifikanz<br />
beruht auf geminderten Erkennungsleistungen bei zwei Frequenzen (6 und 18 cpd, nur<br />
am rechten Auge). In Anbetracht von insgesamt 60 Regressionen, bei denen die<br />
maximale aufgeklärte Varianz nur gering war (maximal 12%, meist < 10%), wurde dieses<br />
Ergebnis nicht als belastbarer Beleg für eine Styrolwirkung bewertet. Das Alter ist<br />
wiederum die stärkste Einflussgröße für eine verminderte Kontrastempfindlichkeit.<br />
4. Schlussfolgerungen<br />
Ein vermehrtes Auftreten von subklinischen Sehstörungen läßt sich unter den<br />
Expositionsverhältnissen (Styrol akut ca. 40 ppm, chronisch ca. 30 ppm über 15 Jahre)<br />
nicht nachweisen.<br />
In Beantwortung der eingangs gestellten Ziele der Untersuchung ist festzustellen:<br />
1. Replizieren der publizierten Sehstörungen (Farben- / Kontrastsehen)?<br />
Für Farben- und Kontrastsehen kann mit den eingesetzten Methoden keine Bestätigung<br />
von Styrolwirkungen in dem beschriebenen Expositionsbereich gegeben werden.<br />
2. Folgen akuter oder chronischer Styrolexposition?<br />
Für das Farbensehen sind weder akute noch chronische Effekte zu belegen. Für das<br />
Kontrastsehen gilt diese Aussage ebenfalls, jedoch mit einer Einschränkung. Es gibt<br />
einen schwachen Hinweis auf mögliche Zusammenhang zwischen Styrol im Blut<br />
(nicht jedoch zu MA + PGA, CEI oder LWAE) und der Kontrastwahrnehmung in zwei<br />
Frequenzbereichen. Diese Zusammenhänge wurden nur an einem Auge, nicht an beiden<br />
Augen, gezeigt. Außerdem beruhen sie auf Modellen mit einer geringen<br />
Varianzaufklärung.<br />
195
V35<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
3. Reversibilität nach Expositionskarenz?<br />
Da keine expositionsbezogenen Effekte oder Gruppendifferenzen (nur eine allgemeine<br />
Verbesserung) bei den Messungen im Urlaub festzustellen waren, kann keine<br />
„Reversibilität von Effekten“ festzustellen sein.<br />
5. Literatur<br />
Seeber, A., Th. Bruckner, G. Triebig:<br />
Occupational styrene exposure, colour vision and contrast sensitivity: A cohort<br />
study with repeated measurements.<br />
Int. Arch. Occup. Environ. Health (<strong>2009</strong>) in press<br />
Bowman, K.J.:<br />
A method for quantitative scoring of the Farnsworth Panel D-15.<br />
Acta Ophthalmol. (1982) 60, 907-916<br />
6. Danksagung<br />
Wir danken den Mitarbeitern und der Geschäftsführung des Unternehmens für<br />
ihre Bereitschaft, an der Studie teilzunehmen bzw. diese zu unterstützen.<br />
Weiterhin möchten wir den ehemaligen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern für ihre<br />
Unterstützung bei den Untersuchungen danken.<br />
Das Projekt wurde finanzielle gefördert durch das Styrenics Steering Committee<br />
(SSC) Belgien und das Steering Information and Research Center (SIRC) USA.<br />
196
V36<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Einfluss von Schwefelkohlenstoff-Exposition auf die Blutgefäße<br />
des Augenfundus<br />
Gintautas Korinth 1 , Andreas Remky 2 , Thomas Göen 1 , Niklas Plange 2 , Oliver Arend 2 , Hans<br />
Drexler 1<br />
1<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg<br />
2<br />
Universitäts-Augenklinik der RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Schwefelkohlenstoff (CS 2 ) ist trotz bekannter Toxizität, insbesondere auf das Nervenund<br />
Herz-Kreislauf-System, in der Viskoseindustrie nach wie vor nicht ersetzbar. Eine<br />
hohe, langjährige Exposition gegenüber CS 2 kann auch zu pathologischen Blutgefäß-<br />
Veränderungen im Bereich des Augenfundus führen. Diese Veränderungen sind in der<br />
Literatur als Mikroaneurysmen der Retina beschrieben. Bei gegenüber CS 2 exponierten<br />
Arbeitern in der Viskoseindustrie wurden im Vergleich zum nichtexponierten<br />
Kontrollkollektiv häufiger Mikroaneurysmen der Retina beobachtet. Auch nach einer<br />
Adjustierung um potentielle Confounder blieben diese Unterschiede statistisch signifikant<br />
(Takebayashi et al. 2004).<br />
Beim CS 2 handelt es sich auch um einen Blutgefäß-aktiven Stoff, der u.a. in die<br />
Blutdruckregulation eingreift. Bei exponierten Arbeitern in der Viskoseindustrie wurden im<br />
Vergleich zum nichtexponierten Kontrollkollektiv signifikant höhere Blutdruckwerte<br />
beschrieben (Chang et al. 2007). Dabei wurden insbesondere auch eine Dosis-Effekt-<br />
Beziehung und ein Einfluss der Expositionsdauer beobachtet.<br />
Ziel der Studie<br />
Das Ziel unserer Studie war es zu prüfen, ob es Unterschiede der Blutgefäßdurchmesser<br />
im Bereich des Augenfundus bei beruflich gegenüber CS 2 exponierten im Vergleich zu<br />
nichtexponierten Arbeitern existieren.<br />
Methoden<br />
Im Rahmen einer Querschnittstudie in einem Betrieb der Viskoseindustrie wurden 187<br />
gegenüber CS 2 exponierte und 146 nichtexponierte Arbeiter (Kontrollkollektiv)<br />
untersucht. Ein Fragebogen wurde für die Erhebung von persönlichen Daten, Angaben<br />
zur beruflichen Expositionssituation und persönlichen Risiken eingesetzt. Die Exposition<br />
wurde mittels eines personenbezogenen Luftmonitorings von CS 2 und der Bestimmung<br />
des Metaboliten von CS 2 2-Thio-1,3-thiazolidin-4-carboxylsäure (TTCA) im Nachschicht-<br />
Urin quantifiziert.<br />
Der Augenfundus beider Augen wurde mittels nicht-mydriatischer Photographie (Nidek<br />
Kamera) erfasst. Die Dias des Augenhintergrundes wurden digitalisiert und augenärztlich<br />
ausgewertet. Die venösen und arteriellen Blutgefäße des Augenfundus wurden mit einer<br />
197
V36<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Software (Matrox inspector®) einheitlich im Grauskala-Profil im Abstand des doppelten<br />
Radius vom Diskus entfernt senkrecht zum Gefäß ausgemessen und die Gefäß-<br />
Durchmesser zwischen beiden Kollektiven miteinander verglichen. Darüber hinaus<br />
wurden die Bilder des Augenhintergrundes hinsichtlich von pathologischen Auffälligkeiten<br />
ausgewertet.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Der Vergleich des exponierten und des Kontroll-Kollektivs (Tabelle 1) zeigt, dass<br />
statistisch signifikante Unterschiede zwischen beiden Kollektiven nur für die Variablen<br />
Exposition, Alter, Konstitution und körperliche Leistungsfähigkeit bestanden. Bei<br />
potentiellen Einflussfaktoren auf den Augenhintergrund (vor allem bei Bier-Konsum,<br />
Rauchen und Blutdruck), die gleichzeitig als Confounder wirken können, waren keine<br />
signifikanten Unterschiede festzustellen. Die Exposition gegenüber CS 2 war in unserem<br />
exponierten Kollektiv relativ hoch. Bei 20% der Arbeiter lag die TTCA-Konzentration im<br />
Urin über dem aktuellen BAT-Wert von 2 mg TTCA/g Kreatinin. Die innere Belastung des<br />
Kontrollkollektivs lag beim Vergleich der Median-Werte von TTCA um ca. Faktor 31<br />
niedriger als im exponierten Kollektiv.<br />
Tabelle 1: Vergleich der Kollektive (Median-Werte)<br />
Variable Exponierte Kontrollen p-Wert*<br />
TTCA (mg/g Kreatinin) 1,167 0,038
V36<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Auswertung wurde jedoch nur das rechte Auge der Arbeiter eingeschlossen, da die<br />
Bilder des linken Auges durch das vom Blitz ausgelöste Blinzeln der Augenlider oft<br />
unscharf waren. In der Abbildung 1 sind die Durchmesser der Augenfundusgefäße<br />
dargestellt.<br />
240<br />
210<br />
Exponierte<br />
Kontrollen<br />
Durchmesser (µm)<br />
180<br />
150<br />
120<br />
90<br />
60<br />
30<br />
0<br />
Obere Arterie Untere Arterie Obere Vene Untere Vene<br />
Abb. 1: Durchmesser der Augenfundusgefäße (Mittelwerte ± StAbw)<br />
Bei univariater Betrachtung zeigten gegenüber CS 2 exponierte Arbeiter höhere<br />
Durchmesser der venösen (p0,05) Blutgefäße als das<br />
Kontrollkollektiv. Zur differenzierten Betrachtung des Einflusses der Exposition von CS 2<br />
und potentiellen Confoundern auf die Augenfundusgefäßdurchmesser wurde eine<br />
multiple lineare Regressionsrechnung durchgeführt. Hierbei fand sich bis auf die untere<br />
Augenfundusvene (p0,3). Für die Variable „CS 2 -Konzentration in der Luft“ fand sich für kein<br />
Augenfundusgefäß beim Durchmesser eine signifikante Assoziation. Bei der multiplen<br />
linearen Regressionsrechnung zeigte sich jedoch in Abhängigkeit des jeweiligen<br />
Augenfundusgefäßes variierende, zum Teil statistisch signifikante Assoziationen des<br />
Durchmessers mit potentiellen Confoundern wie dem Alter, Body Mass Index,<br />
körperlicher Leistungsfähigkeit (PWC130), diastolischem Ruhe-Blutdruck oder mit der<br />
täglich gerauchten Zigarettenzahl.<br />
Bei keinem der Arbeiter unseres Kollektivs fanden sich Mikroaneurysmen. In einer<br />
früheren Studie in der Viskoseindustrie wurden bei gegenüber CS 2 exponierten Arbeitern<br />
häufiger „Kreuzungszeichen“ als im Kontroll-Kollektiv beobachtet (unveröffentlichte<br />
199
V36<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Ergebnisse, Drexler 1996). In unserer aktuellen Studie waren die Unterschiede bei der<br />
Variable „Kreuzungszeichen“ zwischen den Kollektiven nicht signifikant (p>0,05).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Ein Effekt von CS 2 auf die Blutgefäße des Augenfundus lässt sich in unserer Studie nicht<br />
nachweisen. Die nicht signifikant größeren Durchmesser der arteriellen und venösen<br />
Augenfundusgefäße bei den Exponierten lassen sich bei der multivariaten Betrachtung<br />
auf Lifestyle-Faktoren zurückführen, die somit als Confounder zu berücksichtigen sind.<br />
Danksagung<br />
Für die finanzielle Förderung dieser Studie danken wir der Industrievereinigung<br />
Chemiefaser e.V.<br />
Literatur<br />
1. Chang SJ, Chen CJ, Shih TS, Chou TC, Sung FC. Risk for hypertension in workers<br />
exposed to carbon disulfide in the viscose rayon industry. Am J Ind Med. 2007; 50,<br />
22-27.<br />
2. Drexler H, Ulm K, Hardt R, Hubmann M, Göen T, Lang E, Angerer J, Lehnert G.<br />
Carbon disulphide. IV. Cardiovascular function in workers in the viscose industry. Int<br />
Arch Occup Environ Health. 1996; 69, 27-32.<br />
3. Korinth G, Göen T, Ulm K, Hardt R, Hubmann M, Drexler H. Cardiovascular function<br />
of workers exposed to carbon disulphide. Int Arch Occup Environ Health. 2003; 76,<br />
81-85.<br />
4. Takebayashi T, Nishiwaki Y, Uemura T, Nakashima H, Nomiyama T, Sakurai H,<br />
Omae K. A six year follow up study of the subclinical effects of carbon disulphide<br />
exposure on the cardiovascular system. Occup Environ Med. 2004; 61, 127-134.<br />
200
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Einfluss des Bildschirmarbeitsplatzes auf die hypovolämische<br />
Form des „Trockenen Auges“ *<br />
Thomas Rebe 1 , Susanne Genth 3 , Cornelia Franke 2 , Renate Wrbitzky 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />
2<br />
Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover<br />
3<br />
Betriebsärztlicher Dienst der Medizinischen Hochschule Hannover,<br />
*gefördert durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Hamburg<br />
Einleitung<br />
Die weit verbreitete Tätigkeit an Bildschirmarbeitsplätzen wird häufig mit<br />
Augenbeschwerden (2, 11) in Verbindung gebracht. Bisherige Studien konnten keine<br />
Gesundheitsgefahr des Bildschirmarbeitsplatzes für das „Trockene Auge“ nachweisen (8,<br />
9).<br />
Pathophysiologisch kann das „Trockene Auge“ in zwei Formen eingeteilt werden,<br />
einerseits die hypovolämische- und andererseits die hyperevaporative Form. Die<br />
hypovolämische Form beruht auf einem primären Tränenmangel durch eine verminderte<br />
Tränenproduktion. Unter anderem tritt dieses wässrig-muzinöse Defizit bei einem<br />
Funktionsverlust der Tränendrüse, durch Entzündungen oder im Rahmen eines<br />
klassischen Sjögren-Syndroms auf. Die hyperevaporative Form hat zwar eine<br />
ausreichende Tränenmenge, aber vor allem aufgrund von Störungen der<br />
Lipidkomponente des Tränenfilms verdunstet die Tränenflüssigkeit zu schnell oder wird<br />
nicht ausreichend aufgebaut.<br />
Wie häufig die hypovolämische- und die hyperevaporative Form des „Trockenen Auges“<br />
am Bildschirmarbeitsplatz vorkommt und welchen Einfluss die Arbeitplatzhygiene<br />
(Arbeitsplatz- und Umgebungsbedingungen) auf diese beiden unterschiedlichen<br />
Benetzungsstörungen haben, war Gegenstand der Untersuchung.<br />
Hierzu wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover eine interdisziplinäre<br />
Querschnittsstudie mit Beteiligung der Abteilung Arbeitsmedizin, der Augenklinik, des<br />
Betriebsärztlichen Dienstes, des Bereiches Arbeitssicherheit und der Abteilung<br />
Epidemiologie durchgeführt.<br />
Material und Methode<br />
Es wurden auf freiwilliger Basis zu einer ergänzenden augenärztlichen Untersuchung<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingeladen, die im Rahmen einer Untersuchung nach<br />
dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G37 (1, 6) im Betriebsärztlichen Dienst der<br />
MHH untersucht wurden. Diese Untersuchung erfolgte in der Augenklinik der MHH,<br />
insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines „trockenen Auges“. Die<br />
augenfachärztliche Untersuchung beinhaltete neben einer Anamneseerhebung eine<br />
201
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Überprüfung der Sehschärfe, Spaltlampenuntersuchung, Erhebung von<br />
lidkantenparallelen konjunktivalen Falten (LIPCOF), Fluoreszein-Vitalfärbung der<br />
Hornhaut, Messung der Tränenfilmstabilität (Break-Up-Time BUT), Messung der<br />
Tränenmenge (Schirmer-Test) und Messung des Augeninnendruckes.<br />
Unter Zuhilfenahme dieser Untersuchungen konnte zwischen den beiden Formen des<br />
„Trockenen Auges“, der hypovolämischen- und der hyperevaporativen Form<br />
unterschieden werden. Die Diagnosestellung dieser beiden Formen wurde jeweils bei<br />
einer reduzierten BUT gestellt. Wenn der Schirmer Test bei reduzierter BUT positiv war,<br />
liegt eine hypovolämische Form vor (Tränenmenge weniger als 10 mm in 5 Minuten), die<br />
hyperevaporative Form lag vor, wenn der Schirmer Test (bei reduzierter BUT) negativ<br />
war (Tränenmenge mehr als 10 mm in 5 Minuten oder Reizsekretion mit kompletter<br />
Durchfeuchtung der Teststreifen).<br />
Für die einzelnen Bildschirmarbeitsplätze erfolgte eine arbeitsmedizinische und<br />
sicherheitstechnische Beurteilung unter Einbeziehung der Umgebungsfaktoren wie<br />
Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Beleuchtungsstärke, Bildschirmfrequenz, maximale<br />
Bildschirmhelligkeit, Kontrast zwischen Monitor und Umgebung sowie eine Messung der<br />
Luftgeschwindigkeit. Diese Arbeitsplatzanalyse erfolgte einschließlich der Erfassung des<br />
Lärmpegels mit einem Mulitmessgerät (BAPPU Multimessgerät der Firma ELK in<br />
Krefeld) in Augenhöhe. Der Zeitraum der Untersuchung war von November 2002 bis<br />
Februar 2005.<br />
Das Untersuchungskollektiv wurde mit einem Kontrollkollektiv verglichen. Hierzu wurden<br />
ebenfalls auf freiwilliger Basis Mitarbeiter der MHH, die nicht an einem<br />
Bildschirmarbeitsplatz tätig waren, zu einer augenärztlichen Untersuchung eingeladen.<br />
Diese augenärztliche Untersuchung hatte den gleichen Untersuchungsinhalt und –<br />
umfang wie bei dem Untersuchungskollektiv.<br />
Ergebnisse<br />
Es konnten 226 MHH-Beschäftigte im Alter zwischen 23 bis 68 Jahren, (Mittelwert 48,38<br />
Jahre) auf freiwilliger Basis augenfachärztlich untersucht werden. Von diesen 226<br />
Beschäftigten arbeiteten 161 an einem Bildschirmarbeitsplatz und 65 nicht an einem<br />
Bildschirmarbeitsplatz.<br />
Gemäß der ZH 1/ 535 Büroarbeitsplätze wurden Raumklimaparameter, die außerhalb<br />
des Empfehlungsbereiches lagen, als „roter Bereich“ definiert. Für die Temperatur ergab<br />
dies Werte oberhalb 26° C, für die relative Luftfeuchtigkeit Werte unter 29%, für die<br />
allgemeine Beleuchtungsstärke Werte unter 300 Lux, für die Bildfrequenz Werte unter 73<br />
202
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Hz, für die maximale Bildhelligkeit Werte oberhalb von 80 cd/m², für den Monitor-<br />
Umgebungskontrast Werte unterhalb von 3:1 und für die Luftgeschwindigkeit Werte<br />
oberhalb von 0,2 m/s.<br />
Bildschirmarbeitsplätze, bei denen einer der Raumklimaparameter im „roten Bereich<br />
lagen“ wurden statistisch mittels logistischer Regression mit dem gesicherten Auftreten<br />
der hypovolämischen- und der hyperevaporativen Form des „Trockenen Auges“<br />
verglichen.<br />
Ergebnisse der augenfachärztlichen Untersuchung<br />
Mit der differenzierten Betrachtung der beiden unterschiedlichen Formen des „Trockenen<br />
Auges“ ließen sich die hypovolämische- und die hyperevaporative Form unterscheiden.<br />
Die Diagnosestellung dieser beiden Formen wird jeweils bei einer reduzierten BUT<br />
gestellt. Eine hypovolämische Form liegt vor, wenn der Schirmer Test bei reduzierter<br />
BUT positiv war (Tränenmenge weniger als 10mm in 5 Minuten), die hyperevaporative<br />
Form, wenn der Schirmer Test (bei reduzierter BUT) negativ war (Tränenmenge mehr als<br />
10mm in 5 Minuten). Tabelle 1 zeigt die Häufigkeit der beiden Formen des „Trockenen<br />
Auges“ für beide Augen an.<br />
Hypovolämische Form Hyperevaporative Form<br />
Rechtes Auge n=13 8,1% 46 28,8%<br />
Linkes Auge n=10 6,3% 53 33,1%<br />
Tabelle 1: Häufigkeit der unterschiedlichen Formen des „Trockenen Auges“ am<br />
Bildschirmarbeitsplatz<br />
Eine Analyse mittels logistischer Regression zur Untersuchung eines möglichen<br />
Zusammenhangs zwischen der Diagnose des hypovolämischen „Trockenen Auges“ und<br />
den Arbeitsplatzbedingungen ergab für das rechte Auge eine Signifikanz hinsichtlich der<br />
Luftgeschwindigkeit und für das linke Auge eine Signifikanz hinsichtlich der relativen<br />
Luftfeuchte, wenn diese zu niedrig war.<br />
Für die hyperevaporative Form des „Trockenen Auges“ ergab sich kein signifikanter<br />
Zusammenhang mit den Arbeitsplatzbedingungen für beide Augen.<br />
203
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Temperatur<br />
Rel. Feuchte in %<br />
Lärm<br />
Beleuchtungsstärke<br />
Bildfrequenz<br />
max. Bildhelligkeit<br />
Luftgeschwindigkeit<br />
nicht signifikant<br />
signifikant für das linke Auge,<br />
p=0,009<br />
nicht signifikant<br />
nicht signifikant<br />
nicht signifikant<br />
nicht signifikant<br />
signifikant für das rechte Auge,<br />
p=0,43<br />
Tabelle 2: Ermittelung des Zusammenhangs zwischen<br />
Arbeitsplatzbedingungen und dem hypovolämischen „Trockenem Auge“ mittels<br />
logistischer Regression<br />
Diskussion<br />
Die Prävalenz des „Trockenen Auges“ variiert je nach zugrunde liegender Definition. In<br />
der Bundesrepublik Deutschland liegt sie zwischen 5,2 und 63% (12), große<br />
epidemiologische Studien ergaben eine Häufigkeit zwischen 10 bis 28,4% (7,10, 13).<br />
Die Diagnose des „Trockenen Auges“ variiert allein durch die unterschiedlichen<br />
Diagnosekriterien und der kumulativen Anwendung von Diagnosekriterien. Legt man bei<br />
der Diagnosestellung nicht nur ein Diagnosekriterium sondern mehrere Diagnosekriterien<br />
zu Grunde, erhöht sich die Häufigkeit der Diagnosestellung. Insofern wird die Häufigkeit<br />
des „Trockenen Auges“ in den unterschiedlichen Studien mit einem großen Streubereich<br />
angegeben. Dies ist bei einem Vergleich von Zahlen zur Häufigkeit bzw. der<br />
Diagnosestellung des „Trockenen Auges“ zu berücksichtigen. Die Häufigkeit des<br />
„Trockenen Auges“ bei augenfachärztlicher Untersuchung liegt bei ca. 20%. Die<br />
Häufigkeit der unterschiedlichen Formen des „Trockenen Auges“ am<br />
Bildschirmarbeitsplatz und nicht am Bildschirmarbeitsplatz in dieser Studie wird von einer<br />
positiven Selektion beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass sich Mitarbeiter<br />
insbesondere dann zu einer freiwilligen augenfachärztlichen Untersuchung meldeten,<br />
wenn bereits Beschwerden im Sinne eines „Trockenen Auges“ vorliegen. Es bestand<br />
kein Unterschied im Auftreten der beiden unterschiedlichen Formen des „Trockenen<br />
Auges“ zwischen Personen, die am Bildschirmarbeitsplatz arbeiteten oder nicht am<br />
Bildschirmarbeitsplatz arbeiten.<br />
Berufliche Risikofaktoren für das Auftreten eines „Trockenen Auges“ ohne<br />
Unterscheidung zwischen der hypovolämischen und hyperevaporativen Form konnten<br />
204
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
anhand dieser Studie nicht identifiziert werden, d.h. dass der Bildschirmarbeitsplatz<br />
dieser Untersuchung nach kein Risiko für das „Trockene Auge“ darstellt. Dieses Ergebnis<br />
stimmt mit anderen Studien überein, die in dem Bildschirmarbeitsplatz ebenfalls keinen<br />
Risikofaktor für das „Trockene Auge“ feststellen konnten (8). Hanne und Brewitt konnten<br />
in einer Studie keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Tränenfilminsuffizienz<br />
(TFI) zwischen der Studiengruppe mit Datensichtgerät und der Kontrollgruppe ohne<br />
Datensichtgerät feststellen.<br />
Jedoch zeigte sich bei der Gegenüberstellung und statistischen Auswertung der beiden<br />
Unterformen des „Trockenen Auges“, der hypovolämischen- und der hyperevaporativen<br />
Form, dass die hypovolämische Form statistisch gesehen in der logistischen Regression<br />
für das rechte Auge mit einer erhöhten Luftgeschwindigkeit und für das linke Auge mit<br />
einer geringen Luftfeuchtigkeit korrelierte.<br />
Somit ergeben sich Hinweise darauf, dass sich bei einem primären Tränenmangel im<br />
Sinne der hypovolämischen Form des „Trockenen Auges“ eine hohe Luftgeschwindigkeit<br />
und eine niedrige Luftfeuchtigkeit ungünstig auswirken können. Dies erscheint<br />
pathophysiologisch plausibel. Jedoch ergaben sich diese Zusammenhänge jeweils nicht<br />
für beide Augen, so dass dieses Ergebnis nur als Hinweis gewertet werden kann und<br />
weitere Untersuchungen in dieser Richtung notwendig erscheinen.<br />
Bei zukünftigen Untersuchungen sollte zudem die Blinzelfrequenz mit berücksichtigt<br />
werden. Aus der Literatur ergeben sich Hinweise, dass Naharbeit insgesamt zu einer<br />
Verringerung der Blinzelfrequenz führt (14). Es muss daher unterschieden werden, ob<br />
eine am Bildschirmarbeitsplatz vorliegende Sicca-Symptomatik auf eine verminderte<br />
Lidschlagaktivität mit einer zeitlich verlängerten Luft-Exposition der Augenoberfläche<br />
oder aber auf eine zu hohe Luftgeschwindigkeit bzw. zu niedrige Luftfeuchtigkeit<br />
zurückzuführen ist, so dass es zu einem Aufreißen des Tränenfilms kommt. Darüber<br />
hinaus ergibt sich die Frage, ob eine präexistente Erkrankung im Sinne des „Trockenen<br />
Auges“ durch Bildschirmarbeit verschlechtert werden kann. Als weiterer Faktor für die<br />
Entwicklung von Sicca-Beschwerden wird die Lidspaltenbreite diskutiert, die sich durch<br />
den bei der Bildschirmarbeit nach oben gerichteten Blickwinkel vergrößern kann und<br />
dadurch eine vergrößerte Verdunstungsoberfläche entsteht, die zu einer vermehrten<br />
Instabilität des Tränenfilms führen kann.<br />
Die Studienergebnisse zeigen, dass weiterer Forschungsbedarf zur Untersuchung des<br />
Einflusses des Bildschirmarbeitsplatzes auf das „Trockene Auge“ bei Unterscheidung<br />
zwischen der hypovolämischen und der hyperevaporativen Form unter Berücksichtigung<br />
205
V37<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
der Blinzelfrequenz, der Luftgeschwindigkeit und der Luftfeuchtigkeit sowie des<br />
Blickwinkels notwendig sind.<br />
Die Einhaltung der Arbeitsstättenverordnung mit Berücksichtigung der empfohlenen<br />
Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit stellt für den Bildschirmarbeitsplatz eine<br />
besondere Präventionsmaßnahme dar. Aus präventivmedizinischen Gründen sollten bei<br />
klinischen Beschwerden im Sinne eines „Trockenen Auges“ rechtzeitig medizinische<br />
Maßnahmen wie Benetzungsmittel ergriffen werden, um dem „Trockenen Auge“ wirksam<br />
entgegentreten zu können und Folgeschäden zu vermeiden. In der Regel kann mit<br />
diesen Benetzungsmitteln eine Beschwerdefreiheit erzielt werden (3-5).<br />
Literatur:<br />
1. Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz für arbeitsmedizinische<br />
Vorsorgeuntersuchungen „Bildschirmarbeitsplätze“ G 37 (mit Kommentar), SP 5.3<br />
(BGI 785).<br />
2. Bildschirm- und Büroarbeitsplätze. Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. SP 2.1<br />
(BGI 650) Dezember 2004.<br />
3. Brewitt H (2000) Das Trockene Auge. Z. prakt. Augenheilkd. 21, 52-58<br />
4. Brewitt H (1995) Diagnostik und Therapie des „trockenen Auges“ Z. prakt.<br />
Augenheilkd 16, 349- 354, 425-431<br />
5. Brewitt H, Kaercher T, Rüfer F (2008) Trockenes Auge und Blepharitis. Klin Mbl<br />
Augenheilkd 225, R 15 – R 30)<br />
6. G 37 Bildschirmarbeitsplätze. Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. HVBG 2004<br />
7. Caffrey B et al. (1998) The Canadian Dry Eye Epidemiology Study. Adv. Exp. Med.<br />
Biol. 438, 805-806<br />
8. Hanne H, Brewitt H: Changes in visual function caused by work at a data display<br />
terminal. Ophthalmologie 91 (1994) Nr. 1, S. 107-112.<br />
9. Horwath J, Schmut O (2000) Der Einfluß von Umweltfaktoren auf die Entstehung des<br />
trockenen Auges Contactologgia 22, 21-29<br />
10. Mc Carty et al. (1998) The epidemiology of dry eyes in Melbourne, Australia.<br />
Ophthalmology 105, 1114-1119<br />
11. Petersen J (2006) Bildschirmarbeitsplätze-eine arbeitsmedizinische Bewertung.<br />
Dtsch Ärzteblatt, 103 (30), 2047-52.<br />
12. Schirra F, Ruprecht K (2004) Das trockene Auge: Ein Update über Epidemiologie,<br />
Diagnose, Therapie und neue Konzepte. Der Ophthalmologe, 101 (1), 10-18<br />
13. Schein OD et al. (1997) Prevalence of dry eye among elderly. Am J. Ophthalmol.<br />
124, 723-728<br />
14. Ziemssen F et al (2005) Liedschlagaktivität während der Bildschirmarbeit. Der<br />
Ophthalmologe, 102, 805-11<br />
206
V38<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
Expositions-Wirkungsuntersuchung von Geruchsimmissionen<br />
und subjektiver Gesundheit und der Einfluss von Belästigung<br />
und Krankheit<br />
Kirsten Sucker 1 , Rolf Both 2 , Gerhard Winneke 3<br />
1<br />
BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />
Universität Bochum<br />
2<br />
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NRW), Essen<br />
3<br />
vormals Medizinisches Institut für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine-Universität (MIU), Düsseldorf<br />
Ziel der Studie<br />
Geruchsimmissionen aus industriellen oder landwirtschaftlichen Anlagen geben häufig<br />
Anlass zu Beschwerden über Belästigungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen.<br />
Für Geruchsbelästigungen konnten Expositions-Wirkungsbeziehungen in Bezug auf<br />
Geruchshäufigkeit, Intensität und die angenehm-unangenehm Qualität (Hedonik) aus<br />
Rasterbegehungen in zwei Feldstudien (N = 2509) nachgewiesen werden [1, 2].<br />
Hinweise auf eine gesundheitsschädliche Wirkung von Geruchsstoffimmissionen wurden<br />
bis jetzt nur unter extremen, „Ekel und Übelkeit erregenden“<br />
Geruchsexpositionsbedingungen gefunden [3]. Unter moderaten<br />
Expositionsbedingungen scheint für die Angabe von gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen die Bewertung der wahrgenommenen Gerüche entscheidend zu sein<br />
[4, 5]. Daher wurde untersucht, welchen Einfluss die Belästigungsreaktion und das<br />
Vorliegen einer bestehenden Erkrankung (z.B. Asthma) auf den Zusammenhang von<br />
Geruchsexposition und der Häufigkeit von Symptomnennungen haben.<br />
Methoden<br />
An elf Standorten mit landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetrieben (Geflügel, Schwein,<br />
Rind) wurden Rasterbegehungen [6] zur Erhebung der Geruchsexposition durchgeführt.<br />
Mit einem standardisierten Fragebogen [7] wurden Anwohner zu Belästigungswirkungen,<br />
gesundheitlichen Beschwerden und relevanten Einflussgrößen befragt. Expositions-<br />
Wirkungszusammenhänge wurden mittels multipler logistischer Regressionsanalysen<br />
analysiert.<br />
Ergebnisse<br />
Der Zusammenhang zwischen Geruchsimmission und Symptomnennungen ist<br />
signifikant, allerdings verschwindet er, wenn die Geruchsbelästigung als Einflussgröße<br />
im Regressionsmodell berücksichtigt wird. Obwohl die Häufigkeit der<br />
Symptomnennungen stark vom Vorliegen einer Erkrankung abhängig wird, bleibt die<br />
Belästigungsreaktion ein signifikanter Einflussfaktor (siehe Abbildung 1).<br />
207
V38<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
OR mit 95% KI<br />
P < 0.05<br />
P < 0.10<br />
Geruchbelastung Belästigung Erkrankung<br />
Abbildung 1: Ergebnisdarstellung der multiplen logistischen Regressionsanalysen zum<br />
Einfluss der Geruchsbelastung (Geruchshäufigkeit, logarithmiert (ld)), der Geruchsbelästigung<br />
(Thermometerskala mit Werten von 0-10) und dem Vorliegen einer<br />
Erkrankung (z.B. Asthma, Allergie, Migräne etc.) auf die Häufigkeit gesundheitlicher<br />
Beschwerden (Häufigkeit: 3-oft oder 4-dauernd) unter Berücksichtigung der Störgrößen<br />
Alter, Geschlecht, Schulbildung, Gesundheitsunzufriedenheit, schlechte<br />
Wohnqualität, Lärmbelästigung und Engagement in der Nachbarschaft<br />
Diskussion<br />
Unter moderaten Geruchsexpositionsbedingungen ist die Geruchsbelästigung die<br />
zentrale Wirkungskategorie. Auch für die Nennung gesundheitlicher Beschwerden zeigt<br />
sich ein Zusammenhang mit der Geruchsexposition. Dieser Zusammenhang wird jedoch<br />
im Wesentlichen durch die Geruchsbelästigung vermittelt und ist auch abhängig vom<br />
Vorliegen einer Erkrankung. Somit kann die Angabe gesundheitlicher Beschwerden als<br />
weiterer Parameter für die Erfassung einer vorliegenden Geruchsbelästigung genutzt<br />
werden. Ob mit Hilfe der Angaben zu gesundheitlichen Beschwerden auch eine<br />
differenzierende Erfassung einer unangemessenen Belästigung (z.B. durch<br />
ekelerregende Gerüche) möglich ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen.<br />
Literatur<br />
1. Sucker K, Both R, Bischoff M, Guski R, Winneke G. Odor frequency and odor<br />
annoyance. Part II: dose-response associations and their modification by hedonic<br />
tone. International Ant Arch Occup Enrion Health (2008); 81(6): 683-94<br />
2. Sucker K, Müller F, Both R. Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft, Bericht zu<br />
Expositions-Wirkungsbeziehungen, Geruchshäufigkeiten, Intensität, Hedonik und<br />
Polaritätenprofilen. Materialien Band 73 (2006); Essen: Landesumweltamt LUA<br />
3. Steinheider B, Winneke G, Schlipköter H-W. Somatische und psychische<br />
Wirkungen intensiver Geruchsimmissionen. Eine Fallstudie aus der<br />
Substratherstellung für die Champignonzucht. Staub – Reinh Luft (1993); 53:<br />
425-31<br />
208
V38<br />
Vorträge – Sinnesphysiologie<br />
4. Cavalini PM, Koeter-Kemmerling LG, Pulles MPJ. Coping with odor annoyance<br />
and odor concentration: three field studies. J Environ Psychol (1991); 11: 123-142<br />
5. Steinheider B, Both R, Winneke G. Field studies on environmental odours<br />
inducing annoyance as well as gastric and general health-related symptoms<br />
(1998); Psychophysiology (1998); Supplement 1: 64-79<br />
6. VDI 3940 Blatt 1 (2006) Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch<br />
Begehungen – Bestimmung der Immissionshäufigkeit von erkennbaren Gerüchen<br />
– Rastermessung. Berlin: Beuth-Verlag<br />
7. VDI 3883 Blatt 1. Wirkung und Bewertung von Gerüchen – Psychometrische<br />
Erfassung der Geruchsbelästigung – Fragebogentechnik. (1997). Berlin: Beuth-<br />
Verlag (wird zurzeit überarbeitet, Gründruck voraussichtlich Ende <strong>2009</strong>)<br />
209
V39<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Bereits bei jungen Männern führt Übergewicht zu negativen<br />
Auswirkungen auf das Herz- Kreislaufsystem - Betriebliche<br />
Gesundheitsförderung muss frühzeitig beginnen<br />
Klaus Schmid 1 , Jana Schönlebe 1 , Hans Drexler 1 , Michael Mück-Weymann 2<br />
1 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen/Nürnberg<br />
2<br />
Institut für Verhaltensmedizin und Prävention, Private Universität für Gesundheitswissenschaften,<br />
Medizinische Informatik und Technik, Hall, Österreich<br />
Ziel:<br />
Steigendes Körpergewicht durch den Rückgang körperlicher Aktivität in Kombination mit<br />
hyperkalorischer Ernährung kann gegenwärtig als wesentliches gesundheitliches Risiko<br />
für Kinder und Jugendliche in westlichen Industrienationen angesehen werden.<br />
Eine verminderte Herzfrequenzvariabilität als Ausdruck einer gestörten neurokardialen<br />
Balance scheint ein unabhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit in verschiedenen<br />
Patientengruppen zu sein, zum Beispiel bei Patienten mit Zustand nach Myokardinfarkt<br />
oder bei älteren Patienten [1]. Mehrere Untersucher konnten eine verminderte<br />
Herzfrequenzvariabilität bei übergewichtigen Personen feststellen. Eine gestörte<br />
neurokardiale Balance könnte deshalb an den Mechanismen beteiligt sein, die bei<br />
übergewichtigen Personen zu Bluthochdruck, Arrhythmien und plötzlichem Herztod<br />
führen [2-6]. Im Gegensatz dazu konnten Antelmi et al. bei Personen ohne<br />
Herzerkrankung keine Korrelation zwischen der Herzfrequenzvariabilität und dem BMI<br />
finden [7]. Während bisherige Studien überwiegend bei älteren Personen bzw. bei<br />
Patienten mit Herzerkrankungen durchgeführt wurden [2], liegen nur einige<br />
Untersuchungen bei übergewichtigen Jugendlichen vor, meist handelt es sich jedoch um<br />
Studien mit einer kleinen Fallzahl [5,6].<br />
Wir konnten den Zusammenhang zwischen Übergewicht, Herzfrequenzvariabilität und<br />
Wohlbefinden in einer großen Kohorte junger wehrpflichtiger Männer untersuchen.<br />
Methoden:<br />
Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden im Zeitraum von April 2005 bis Januar 2006<br />
von 1000 wehrpflichtigen jungen Männern Alter, body-mass Index (BMI), Herzfrequenz,<br />
Blutdruck, sportliche Aktivität, Schlafdauer und psychische Gestimmtheit (WHO-5-<br />
Fragebogen [8]) erfasst. Autonome kardiale Steuerungsprozesse wurden mittels Polar®<br />
Sender-Set T31 und Polar® Advantage TM als Empfänger online als RR-Zeitreihe<br />
aufgezeichnet. Dieses System zeichnet sich durch einfache Handhabbarkeit und<br />
ausreichende Messgenauigkeit aus [9]. Zur Beurteilung herangezogen wurden der<br />
210
V39<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Zeitbereichsparameter RMSSD und der Frequenzbereichsparameter LF/HF während<br />
einer 3minütigen Messung der Herzfrequenzvariabilität in Ruhe.<br />
Ergebnisse:<br />
In die Auswertung wurden nur Personen einbezogen, die keine Medikamente oder<br />
Drogen einnahmen (n= 786; mittleres Alter: 19,4 1,4 Jahre).<br />
Die Klassifikation von Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht und Adipositas<br />
entsprechend dem BMI erfolgte nach den WHO Kriterien [10]. 71,6% der Untersuchten<br />
hatten Normalgewicht, 6,6% Untergewicht, 17,3% Übergewicht und 4,5% waren adipös.<br />
Erhöhte Blutdruckwerte (RR sys. ≥ 140mmHg und/oder RR diast. ≥ 90 mmHg) wiesen 33,6%<br />
der Untersuchten auf. Sportlich aktiv waren 70,2%, 14% klagten über Schlafstörungen.<br />
Bei der Messung der Herzfrequenzvariabilität lag in der Gesamtgruppe der Parameter<br />
RMSSD bei 50,7 ms (Median, 25. und 75. Perzentile: 33,3 ms - 73,5 ms), das Verhältnis<br />
LF/HF bei 1,99 (Median, 25. und 75. Perzentile: 1,31 – 3,20).<br />
Signifikante Unterschiede zwischen Untergewichtigen, Normalgewichtigen,<br />
Übergewichtigen und Adipösen zeigten sich bei den Parametern Alter, Sportliche<br />
Aktivität (h/Woche), systolischer und diastolischer Blutdruck, Herzfrequenz, RMSSD und<br />
LF/HF Quotienten (Abbildung 1).<br />
Personen mit einem verminderten Wohlbefinden (WHO-5
V39<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
nachweisbar sind. Eine ausreichend früh begonnene Primärprävention, vorzugsweise<br />
mittels Lebensstilintervention, könnte wesentlich zur Reduktion des Risikos kardiovaskulärer<br />
Erkrankungen beitragen. Für die betriebliche Gesundheitsförderung stellen<br />
daher auch junge Arbeitnehmer eine wichtige Zielgruppe dar.<br />
Die Aussagefähigkeit der Ergebnisse ist insoweit begrenzt als nur Männer untersucht<br />
wurden. Da die Messungen als Kurzzeitmessungen im Rahmen einer<br />
Reihenuntersuchung während der Stresssituation „Musterung“ durchgeführt wurden, sind<br />
mögliche Störeinflüsse bei der Messung der Herzfrequenzvariabilität zu bedenken. Diese<br />
Störeinflüsse dürften jedoch bei allen Gruppen gleichermaßen vorhanden gewesen sein.<br />
Literatur:<br />
1. Kristal-Boneh E, Raifel M, Froom P, Ribak J. Heart rate variability in health and<br />
disease. Scand J Work Environ Health 1995; 21:85-95.<br />
2. Piestrzeniewicz K, Luczak K, Lelonek M et al. Obesity and heart rate variability in<br />
men with myocardial infarction. Cardiol J 2008;15:43-9.<br />
3. Karason KK, Mølgaard H, Wikstrand J et al. Heart rate variability in obesity and<br />
the effect of weight loss. Am J Cardiol 1999;83:1242-1247.<br />
4. Guizar JM, Ahuatzin R, Amador N et al. Hart autonomic function in overweight<br />
adolescents. Indian Pediatrics 2005;42:464-469.<br />
5. Rabbia F, Silke B, Conterno A et al. Assessment of cardiac autonomic modulation<br />
during adolescent obesity. Obes Res 2003;11:541-548.<br />
6. Gutin B, Barbeau P, Litaker MS et al. Heart rate variability in obese children:<br />
Relations to total body and visceral adiposity, and changes with physical training<br />
and detraining. Obesity Research 2000;8:12-19.<br />
7. Antelmi I, De Paula RS, Shinzato AR et al. Influence of age, gender, body mass<br />
index, and functional capacity on heart rate variability in a cohort of subjects<br />
without heart disease. Am J Cardiol 2004;93:381-385.<br />
8. Psychiatric Research Unit, WHO Collaborating Centre in Mental Health. WHO-<br />
Five Well-being Index (WHO-5) (Version 1998), http://www.who-5.org/ Accessed<br />
October 9, 2008.<br />
9. Radespiel-Tröger M, Rauh R, Mahlke C, Gottschalk T, Mueck-Weymann M.<br />
Agreement of two different methods for measurement of heart rate variability. Clin<br />
Auton Res 2003;13:99-102.<br />
10. World Health Organization. The International Classification of adult underweight,<br />
overweight and obesity according to BMI.<br />
http://www.who.int/bmi/index.jsp?introPage=intro_3.html Accessed October 9,<br />
2008<br />
212
V39<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Tabelle 1: Median, 25. und 75. Perzentile bei Männern mit Untergewicht, Normalgewicht,<br />
Übergewicht und Adipositas.<br />
Untergewicht<br />
Normalgewicht<br />
Übergewicht<br />
Adipositas<br />
n=52<br />
n=563<br />
n=136<br />
n=35<br />
Alter (Jahre)* 18.8<br />
18.8<br />
20.5<br />
19.2<br />
(18.1 – 20.9)<br />
(18.1 – 20.8)<br />
(18.3 – 20.9)<br />
(18.1 –20.8)<br />
Sport (h/Woche)* 1.5<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.5<br />
(0-3.9)<br />
(0-5.6)<br />
(0-5.0)<br />
(0-4.6)<br />
Schlaf<br />
7.0<br />
7.5<br />
7.5<br />
7.5<br />
(h/Nacht)<br />
(6.5-8.0)<br />
(6.5 -8.0)<br />
(6.5-8.0)<br />
(7.0-8.0)<br />
Wohlbefinden<br />
16<br />
17<br />
16<br />
16<br />
(WHO-5-Sore)<br />
(13-19)<br />
(14-19)<br />
(14-18)<br />
(12-19)<br />
RR sys<br />
120<br />
130<br />
140<br />
145<br />
(mmHg)*<br />
(115-130)<br />
(125-140)<br />
(130-140)<br />
(135-155)<br />
RR diast<br />
68<br />
70<br />
75<br />
85<br />
(mm Hg)*<br />
(60-70)<br />
(60-70)<br />
(70-80)<br />
(80-90)<br />
Herzfrequenz<br />
77<br />
75<br />
77<br />
80<br />
(1/min)*<br />
(69-88)<br />
(66-86)<br />
(71-87)<br />
(74-97)<br />
RMSSD<br />
55.4<br />
53.8<br />
43.2<br />
38.2<br />
(ms)*<br />
(39.0 – 80.2)<br />
(34.6 – 75.9)<br />
(26.6 – 59.0)<br />
(19.4 – 55.3)<br />
LF/HF* 1.96<br />
1.98<br />
2.70<br />
2.75<br />
(1.31 – 3.38)<br />
(1.30 – 3.34)<br />
(1.52 – 4.48)<br />
(1.53 – 5.57)<br />
*Die Gruppen unterscheiden sich signifikant (Kruskal Wallis Test)<br />
213
V39<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Tabelle 2: Median, 25. und 75. Perzentile bei Männern mit normalem und vermindertem<br />
Wohlbefinden<br />
Wohlbefinden<br />
“normal”<br />
WHO-5 ≥ 13<br />
n=642<br />
Vermindertes<br />
Wohlbefinden<br />
WHO-5 < 13<br />
n=144<br />
Alter (Jahre)* 18.9 (18.1 – 20.8) 19.7 (18.1 – 20.9)<br />
Sport (h/Woche)* 3.0 (0-6.0) 1.5 (0-3.5)<br />
Schlaf<br />
7.5 (7.0-8.0) 7.0 (6.0 -7.9)<br />
(h/Nacht)*<br />
BMI<br />
22.1(20.3-24.4) 22.7(20.5-24.7)<br />
(kg/m 2 )<br />
RR sys<br />
130(125-140) 135 (125-140)<br />
(mmHg)*<br />
RR diast<br />
70(60-75) 70 (65-79)<br />
(mm Hg)<br />
Herzfrequenz<br />
76 (68-86) 77 (67-87)<br />
(1/min)<br />
RMSSD<br />
50.8 (33.4 – 73.7) 50.5 (32.6 – 72.2)<br />
(ms)<br />
LF/HF 2.06 (1.31 – 3.61) 2.30 (1.42 – 3.48)<br />
* Die Gruppen unterscheiden sich signifikant (Mann-Whitney-U test)<br />
214
V40<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit kann über eine gute<br />
Arbeitsfähigkeit verfügen.*<br />
Hans Martin Hasselhorn, Sascha Schmidt, Jian Li, Bernd H. Müller<br />
Arbeitsgruppe >Empirische Arbeitsforschung
V40<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Fokus der Analysen lag auf den 512 Pflegenden, die eine schlechte Gesundheit berichtet<br />
hatten.<br />
Gesundheit wurde gemessen mit der general health scale aus dem SF 36 [4], die<br />
Spanne reichte von 0 (schlechte Gesundheit) bis 100 (maximale Gesundheit). Werte<br />
unter 41 wurden als „schlechte Gesundheit“ gewertet. Arbeitsfähigkeit wurde mit der<br />
ersten Frage des Work Ability Index (WAI) [3] erfasst: „Wie schätzen Sie Ihre derzeitige<br />
Arbeitsfähigkeit in Bezug zur jemals besten AF ein?“ (visuelle Analogskala von 0 [keine<br />
AF] bis 10 [gegenwärtig beste Arbeitsfähigkeit], 7-10 wurde als „hohe Arbeitsfähigkeit“<br />
gewertet). Auf die Verwendung des gesamten WAI wurde verzichtet, da drei der sieben<br />
Dimensionen stark gesundheitsbezogen sind.<br />
Verschiedene Aspekte der Arbeitsexposition sowie Affektivität wurden mit diversen<br />
Skalen untersucht, die von Kümmerling et al im Detail beschrieben worden sind [6].<br />
T-Tests und Chi 2 Tests wurden zum Gruppenvergleich, bivariate und multiple Logistische<br />
Regressionsanalysen (forcierte Eingabe) zur inferenzstatistischen Analyse sowie twostep<br />
Clusteranalysen wurden verwendet.<br />
Ergebnisse<br />
Von den 3463 Teilnehmern, hatten 512 (14,8%) eine schlechte Gesundheit. Diese<br />
Gruppe unterschied sich von der mit „guter Gesundheit“ signifikant durch ihr etwas<br />
höheres Alter (39,2 vs. 38,0, p
V40<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
niedrige Arbeitsfähigkeit<br />
N=321<br />
63%<br />
46<br />
50<br />
97<br />
80 82<br />
hohe Arbeitsfähigkeit<br />
81<br />
N=191<br />
37%<br />
20<br />
0<br />
21 4 23<br />
19<br />
9<br />
Abbildung 1. Verteilung von 512 Pflegenden mit schlechter Gesundheit in Bezug auf<br />
Arbeitsfähigkeit. Y-Achse zeigt Anzahl der Teilnehmer an.<br />
Im letzten Analyseschritt wurde die Gruppe der Pflegenden mit schlechter Gesundheit<br />
mittels two step Clusteranalyse aufgrund der drei im multivariaten Modell ermittelten<br />
Variablen sowie Arbeitsfähigkeit charakterisiert. 3 Gruppen wurden im signifikanten<br />
Modell identifiziert, denen 87 % aller Teilnehmer zugeordnet werden konnten (Tabelle 1).<br />
Während Gruppe A weitgehend günstige und Gruppe C zumeist ungünstige Belastungsund<br />
Beanspruchungsindikatoren aufweist, ist Gruppe B die interessante: Trotz hoher<br />
körperlicher Exposition, sehr schlechter Gesundheit und hoher negativer Affektivität<br />
verfügt sie mit einem WAI1 Wert von 6,0 über eine passable Arbeitsfähigkeit. Von der<br />
ungünstigen Gruppe C, die mit 4,3 im Mittel eine schlechte Arbeitsfähigkeit aufweist,<br />
unterscheidet sie sich vor allem durch ein geringeres Alter und vor allem durch gute<br />
soziale Beziehungen (sowie höhere Arbeitszufriedenheit).<br />
Gruppe A<br />
(N=146, 29%)<br />
Gruppe B<br />
(N=121, 24%)<br />
Gruppe C<br />
(N=176, 34%)<br />
Clustervariablen:<br />
Arbeitsfähigkeit 6,7 6,0 4,3<br />
Körperliche Exposition geringer hoch mittel<br />
Arbeitsplatzunsicherheit niedrig mittel hoch<br />
Soziale Beziehungen mittel gut schlecht<br />
Weitere Variablen:<br />
Negative Affektivität gering hoch hoch<br />
Arbeitszufriedenheit hoch hoch gering<br />
Gesundheit schlecht sehr schlecht sehr schlecht<br />
Alter jünger (Ǿ 37 Jahre) mittel (Ǿ 38 J.) älter (Ǿ 41 J.)<br />
Tabelle 1. Zuordnung von 443 Pflegenden mit schlechter Gesundheit mittels Clusteranalyse zu<br />
drei Gruppen A bis C, sowie deren Charakterisierung mittels weiterer Variablen. Grün = günstige<br />
Werte, Rot = ungünstige Werte.<br />
217
V40<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Diskussion<br />
Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit eine<br />
hohe Arbeitsfähigkeit aufweisen kann. Damit bestätigen unsere Ergebnisse recht deutlich<br />
das eingangs diskutierte interaktionistische Verständnis von Arbeitsfähigkeit.<br />
Die multivariate und Clusteranalyse weist darauf hin, dass es möglicherweise vor allem<br />
gute Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sind, die es Pflegenden ermöglichen, trotz<br />
schlechter Gesundheit eine hohe Arbeitsfähigkeit beizubehalten. Dies erscheint logisch,<br />
denn gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz legen kollegiale Entlastung nahe und<br />
könnten so die Auswirkungen schlechter Gesundheit auf die Arbeitsfähigkeit deutlich<br />
abpuffern. So erlaubt möglicherweise ein positives und kooperatives Arbeitsmilieu es<br />
Pflegepersonal mit Gesundheitseinschränkungen, die erlebten Defizite zu kompensieren<br />
und sich als einen gut arbeitsfähigen Teil der Arbeitsgemeinschaft zu erleben. In diesem<br />
Punkte wurde<br />
Überraschend ist allerdings, dass bei den Analysen keine weiteren Arbeitfaktoren mit<br />
ähnlicher Wirkung identifiziert werden konnten.<br />
Literatur<br />
1. Berufe im Spiegel der Statistik 1999 – 2007,<br />
http://www.pallas.iab.de/bisds/Data/seite_853_BO_a.htm<br />
2. Ilmarinen J, TuomiK. Past present and future of work ability. In: Ilmarinen, J.;<br />
Lehtinen, S. (Hrsg.): Past present and Future of Work Ability – People and Work<br />
Research Report 65, Finnish Institute of Occupational Health, Helsinki, 2004, S. 1-<br />
25<br />
3. Hasselhorn HM, Freude G. Der Work Ability Index – ein Leitfaden. Schriftenreihe<br />
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, NW Verlag Bremerhaven,<br />
2007, ISBN 978-3-86509-6, 2007. 56 Seiten<br />
4. Ware JE, Sherboune CD. The MOS 36-item short-form health survey (SF-36). I.<br />
Conceptual framework and item selection. Med Care. 1992;30:473-83<br />
5. Hasselhorn HM, Müller BH, Tackenberg P, Kümmerling A, Simon M (Hrsg.).<br />
Berufsausstieg bei Pflegepersonal – Arbeitsbedingungen und beabsichtigter<br />
Berufsausstieg bei Pflegpersonal in Deutschland und Europa. Schriftenreihe der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Ü 15. NW Verlag<br />
Bremerhaven, 2005, ISBN 3-86509-247-0, 166 Seiten<br />
6. Kümmerling A, Hasselhorn HM, Tackenberg P. Psychometric properties of the<br />
scales used in the NEXT-Study. In: Hasselhorn HM, Tackenberg P, Müller B (Hrsg.)<br />
Working conditions and intent to leave the profession among nursing staff in<br />
Europe. Working Life Research Report 7:2003 National Institute for Working Life<br />
Stockholm 2003 ISSN 1404-790X pp 237-258<br />
7. Vaupel JW, von Kistowski KG. Die Plastizität menschlicher Lebenserwartung und<br />
iher Konsequenzen. In Gruss P: Die Zukunft des Alterns. CH Beck oHG, München,<br />
2007, S. 51-78<br />
218
V41<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Selbsteinschätzung des körperlichen und psychischen<br />
Gesundheitszustandes der Mitarbeiter eines Industriebetriebes<br />
(AUDI AG) im Vergleich zu einer Bevölkerungsstichprobe<br />
(Deutsche Normstichprobe)<br />
Mekail-Cem Keskin 1 , Anja Kühnlein 2 , Katja Radon 2 , Joachim Stork 1<br />
1 Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG Ingolstadt<br />
2<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximillians-Univesität München<br />
Der Beitrag wurde zurückgezogen.<br />
219
V42<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Gesunde Arbeit in kleinen und mittleren Unternehmen -<br />
Ergebnisse einer Befragung zum Stand und Bedarf bei kleinen<br />
und mittleren Unternehmen<br />
Rudolf C. Zelfel 1 , Torsten Alles 1 , Andreas Weber 2<br />
1 IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln<br />
2 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) (Essen)<br />
Ziel der Studie<br />
Das Institut führt im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das<br />
bundesweite Projekt „Gesunde Arbeit“ durch. In diesem Projekt werden durch<br />
Regionalstellen „Gesunde Arbeit“ Beratungs- und Vermittlungsleistungen für kleine und<br />
mittlere Unternehmen zum Betriebliches Gesundheitsmanagement, zur altersgerechten<br />
Personalentwicklung und zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen erbracht.<br />
Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurde eine Befragung von kleinen und<br />
mittleren Unternehmen (KMU) vom iqpr mit einem beauftragten sozialwissenschaftlichen<br />
Institut TARGET GROUP GmbH, Nürnberg, durchgeführt. Es wurden 1.441 KMU<br />
interviewt. Ziel der Befragung war es, eine Bestandsaufnahme in KMU durchzuführen<br />
und Beratungsbedarfe zum Themengebiet „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ mit<br />
all seinen Facetten exakter abzuleiten.<br />
Die Themenliste der Befragung ergibt sich aus den fünf Handlungsfeldern des Projektes<br />
„Gesunde Arbeit“:<br />
a) Betriebsstruktur: Gewerbezweig, Branche, Mitarbeiter<br />
b) Beschäftigungsstruktur: Altersverteilung, Geschlechtsverteilung, Anteil<br />
Schwerbehinderter und Gleichgestellter, Anteil von Beschäftigten mit schwerer<br />
körperlicher Arbeit, mit Schichtarbeit, Anteil Leiharbeit<br />
c) Gesundheitsstatus im Betrieb: Krankheitsbedingte Fehlzeiten, Dauer, Häufigkeit<br />
und Terminierung, Existenz einer systematischen Auswertung von<br />
krankheitsbedingten Fehlzeiten<br />
d) Betriebliche Unterstützungssysteme: Mitarbeitervertretung/Betriebsrat,<br />
Schwerbehindertenvertretung, arbeits- und betriebsärztliche Versorgung,<br />
betrieblicher Ansprechpartner für erkrankte Mitarbeiter<br />
e) Arbeits- und Gesundheitsschutz: Umsetzung, Unterstützung des Betriebes durch<br />
Dritte<br />
f) Betriebliches Eingliederungsmanagement: Bekanntheit, Umsetzung,<br />
Unterstützung des Betriebes durch Dritte<br />
220
V42<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
g) Betriebliche Gesundheitsförderung: Umsetzung, Integration in<br />
Unternehmenspolitik, Bestehen einer Integrationsvereinbarung, Unterstützung<br />
durch Dritte<br />
h) Demografischer Wandel: Einschätzung der Situation, Zukunftserwartung,<br />
Konsequenzen für den eigenen Betrieb<br />
i) Beratungsbedarf der Unternehmen in Bezug auf die Handlungsfelder des<br />
Projektes „Gesunde Arbeit“.<br />
Methodisches Vorgehen<br />
Die Befragung führte das beauftragte Institut mit Hilfe des CATI (Computer Assisted<br />
Telephone Interview) Verfahrens im Juni/Juli 2008 durch. Insgesamt wurden 1.441<br />
Betriebe in den sieben Regionen in der Bundesrepublik befragt. Es wurden vier<br />
Betriebsgrößenklassen gebildet: I: 0
V42<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
(31% bzw. 43%). Fast zwei Drittel in den beiden größeren Klassen konnten die Fehltage<br />
nicht benennen. Bei Dauer und Häufung der Erkrankungen gab es keine nennenswerten<br />
Unterschiede in den Klassen. Etwa 27% der Betriebe ergreifen keine Maßnahmen bei<br />
der Rückkehr in den Betrieb. Als häufigste Maßnahmen werden Rückkehrgespräch<br />
(35,8%) bzw. Arbeitszeitreduzierung (32,5%) genannt. Im Durchschnitt haben 3,3% der<br />
Betriebe in den letzten beiden Jahren einmalig krankheitsbedingte Kündigungen<br />
ausgesprochen. Mehrfache krankheitsbedingte Kündigungen gab es bei 0,7% der<br />
Betriebe.<br />
Nur gut ein Drittel der Befragten (34,2%) gibt an, den Begriff „Betriebliches<br />
Eingliederungsmanagement“ (BEM) zu kennen. Die Antworten variieren nach<br />
Betriebsgröße. Von den Betrieben, denen der Begriff BEM bekannt ist, ist wiederum<br />
einem Drittel (32,5%) nicht bekannt, dass dies seit dem 1.7.2004 einer gesetzlichen<br />
Regelung unterliegt. Regionale Unterschiede konnten nicht festgestellt werden.<br />
Drei Viertel der Betriebe (75,6%) geben an, dass in ihren Betrieben Maßnahmen zum<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz umgesetzt werden, davon über 50% bei<br />
Kleinstbetrieben und über 90% in der Größenklasse IV. Der Anteil der Betriebe mit<br />
mindestens einem Arbeitsunfall in den letzten 12 Monaten beträgt 40,2%. Der Anteil ist<br />
bei größeren Betrieben mit 77,4% deutlich höher als bei Kleinstunternehmen (9,1%). Die<br />
Betriebe wurden auch nach der betriebsärztlichen Versorgung befragt. Kleine und<br />
mittlere Unternehmen haben oft keinen eigenen betriebsärztlichen Dienst, sondern<br />
nehmen diesen entweder in Kooperation (z. B. Arbeitsmedizinische Zentren) oder durch<br />
externe Dienstleister wahr. Bei Unternehmen der Klasse III (50 bis 150 Beschäftigte)<br />
geben 7,4% an, einen eigenen Betriebsarzt/-ärztin zu haben, bei über 150 Beschäftigten<br />
sind es 13,4%. 50% bzw. 55% der Unternehmen der beiden größeren Betriebsklassen<br />
erhalten die betriebsärztliche Versorgung über Kooperation, weitere 15% bzw. 17% über<br />
private Dienstleister.<br />
In 32,8% der befragten Betriebe werden Hilfen zum Erhalt oder zur Verbesserung der<br />
Gesundheit angeboten. Die Unterschiede in den Klassen sind groß: I: 20,1%, II: 27,2%,<br />
III: 37,8%, IV: 59,5%. Als Maßnahmen werden genannt: Ergonomische Gestaltung von<br />
Arbeitsplätzen (über 90%) und Arbeitszeitgestaltung (ca. 90%). Weniger genannt werden<br />
Gesundheitsworkshops oder -veranstaltungen zu Stressbewältigung, Rückenschule,<br />
Bewegung, Ernährung oder Sucht w und zwar in den Betrieben bis 150 Mitarbeitern<br />
zwischen 32,4% und 47,8%, in der größten Klasse 71,4%. Die meisten Arbeitsplätze sind<br />
rauchfrei und zwar in Kleinstbetrieben 91,2%, in den größten Betrieben 82,9%. Es gibt<br />
nur in 11,9% der Betriebe Betriebsvereinbarungen zur Gesundheitsförderung,<br />
222
V42<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
andererseits werden Mitarbeiter/innen dagegen in hohem Maß an der Gestaltung ihres<br />
Arbeitsplatzes beteiligt und zwar umso mehr, je kleiner der Betrieb ist: I 95,6%, II 90,5%,<br />
III 87,7%, IV 84,3%.<br />
Demografischer Wandel: Etwa die Hälfte aller Befragten (47,8%) glaubt, dass der<br />
demografische Wandel auch Auswirkungen auf das eigene Unternehmen hat. Der<br />
prozentuale Anteil steigt mit der Betriebsgröße. Als Auswirkungen werden genannt: Mehr<br />
ältere Mitarbeiter/innen (53,8%), fehlende jüngere Fachkräfte (20,6%), nachlassende<br />
Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit (14,9%) sowie ein höherer Krankenstand (12,8%).<br />
Nur 19,3% aller Unternehmen geben an, den demografischen Wandel in der<br />
Personalpolitik zu berücksichtigen. In der größten Klasse IV sind es 29,7%, bei<br />
Kleinstunternehmen nur 6,2%. Als Maßnahmen werden genannt: Nachwuchsförderung<br />
durch Ausbildung (40,6%) und vermehrte Einstellung von jungem Fachpersonal (24,1%).<br />
Über ein Drittel der Betriebe (36,3%, Kleinstbetriebe 26,9%) gibt an, bei<br />
Personalentscheidungen die Alterszusammensetzung zu berücksichtigen.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Fehlzeiten werden in den Unternehmen nur zum Teil systematisch erfasst. Deshalb<br />
ist anzunehmen, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement nicht oder zu spät<br />
eingeleitet wird. Betriebliches Eingliederungsmanagement sowie die gesetzliche<br />
Verpflichtung ist bei 83% der Kleinstbetriebe und 72% der Betriebe unter 50<br />
Beschäftigten nicht bekannt. Der Präventionsgedanke, den der Gesetzgeber in<br />
§ 84 SGB IX formuliert hat, ist in den Betrieben noch nicht umgesetzt.<br />
Prävention und Gesundheitsförderung werden in der Breite möglicher Maßnahmen noch<br />
nicht genutzt. Sie beschränkt sich dies auf Arbeitsplatz- sowie die Arbeitszeitgestaltung.<br />
75% der Unternehmen haben noch keine Anstrengungen unternommen, ihre<br />
Personalpolitik dem demografischen Wandel anzupassen. Hier besteht offensichtlich ein<br />
Bedarf, Unternehmen im betrieblichen Alternsmanagement aufzuklären, zu unterstützten<br />
und ggf. mit geeigneten Dienstleistern für das Unternehmen angepasste Lösungen zu<br />
finden.<br />
Die Befragung der 1.441 KMU ergibt eine gute Bestandsaufnahme zum Stand des<br />
Betrieblichen Gesundheitsmanagement, die durchaus auf andere Regionen in der<br />
Bundesrepublik übertragbar ist. Der Bekanntheitsgrad von BEM aus anderen Studien<br />
Marfels/Niehaus [2008] (66,6%), Köpke [2008] (66,6%) konnte nicht bestätigt werden<br />
(34,8%). Auch die Ergebnisse für betriebliche Gesundheitsförderung lagen mit 32,8%<br />
deutlich niedriger als in anderen Studien DRV [2008] 41%, Meyer [2008] 45%.<br />
223
V42<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Literatur<br />
DRV Bund (Hrsg.). Regionale Initiative Betriebliches Eingliederungsmanagement.<br />
Abschlussbericht über das Modellprojekt. Berlin: DRV Bund, o. J. (2008).<br />
Köpke, K.H. Praxisprobleme des BEM in der betrieblichen Prävention, Vortrag in der<br />
Tagung des Sozialrechtsverbunds Norddeutschland 6./7.11.2008<br />
Meyer, J. Hrsg. von der Techniker-Krankenkasse. Gesundheit in KMU: Widerstände<br />
gegen betriebliches Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen.<br />
Hamburg: Techniker Krankenkasse, 2008<br />
Niehaus, M., Magin, J., Marfels, B., Vater, E.G. & Werkstetter, E. Betriebliches<br />
Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen<br />
Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Köln. Bonn: Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales, Referat Information, 2008.<br />
224
V43<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Älter, kränker, verbrauchter - Und doch lieber keine Reha?<br />
Rehabilitationsbedürftigkeit und Reha-Antragsverhalten bei<br />
Versicherten der DRV Westfalen aus kleinen und mittleren<br />
Unternehmen - Ergebnisse aus der KoRB-Studie<br />
Jochen Heuer 1 , Bettina Hesse 1 , Erika Gebauer 2<br />
1<br />
Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Münster<br />
2<br />
Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Münster<br />
Hintergrund und Ziele<br />
Die demographische Entwicklung in Deutschland stellt den Arbeitsmarkt vor große<br />
Herausforderungen: Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und wird immer älter. Mit<br />
zunehmendem Alter wiederum steigt das Risiko für chronische Erkrankungen. Gerade<br />
jetzt kommen auch die geburtenstarken Jahrgänge in ein Alter, in dem sich physische<br />
und psychische Belastungen zu gesundheitlichen Störungen aufsummieren können.<br />
Alles in allem wird daher der Rehabilitationsbedarf steigen. Gleichzeitig werden sich die<br />
Arbeitgeber auf eine Verknappung der Ressource Arbeitskraft einstellen müssen. Aus<br />
diesen Gründen muss dafür Sorge getragen werden, dass immer mehr Erwerbstätige<br />
länger gesund und fit bleiben. Wie kann das gewährleistet werden? Die Rehabilitation<br />
der Rentenversicherung ist hier ein wichtiges Instrument, um die berufliche<br />
Leistungsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. In vielen Fällen stellen aber<br />
Arbeitnehmer, die subjektiv eine (durchaus hohe) Rehabilitationsbedürftigkeit verspüren,<br />
dennoch keinen Antrag auf Rehabilitation. Welche Gründe sie dabei bewegen, ob diese<br />
subjektiven Gründe auch objektiv belegbar sind und welche Möglichkeiten es gibt, auf<br />
ein bedarfsgerechteres Antragsverhalten hinzuwirken, waren einige der Themen der<br />
KoRB-Studie (Kooperation Rehabilitation und Betrieb). Hierzu wurden im Jahr 2007 u. a.<br />
3.509 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und 697 kleine und<br />
mittlere Betriebe (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitern in Westfalen Lippe befragt.<br />
Ergebnisse<br />
Nur etwa 40% der Befragten fühlten sich nicht in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit<br />
eingeschränkt. Dagegen gab fast die Hälfte der Versicherten an, eine Rehabilitation zu<br />
benötigen. Die Befragten wurden gebeten, auf einer Skala von 0 bis 10 das Ausmaß<br />
ihrer subjektiven Rehabilitationsbedürftigkeit anzugeben, wobei „0“ für keine Bedürftigkeit<br />
und „10“ für höchste Bedürftigkeit stand. Es fiel auf, dass von den Versicherten, die ihre<br />
Rehabilitationsbedürftigkeit sehr hoch (7 - 10) einschätzten, fast 40 % dennoch nicht<br />
225
V43<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
beabsichtigten, innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Antrag auf Rehabilitation zu<br />
stellen. Es konnten vor allem drei Aspekte identifiziert werden, die einer Antragstellung<br />
entgegenstehen:<br />
1. Die Wahrnehmung einer ablehnenden Haltung des Vorgesetzten und die Sorge<br />
um den Arbeitsplatz: „Mein Vorgesetzter sieht es nicht gern, wenn ich in Reha<br />
gehe“ oder „ Die Teilnahme an einer Reha gefährdet meinen Arbeitsplatz“ waren<br />
die Aussagen, denen die Gruppe der stark reha-bedürftigen Versicherten<br />
besonders zustimmte.<br />
2. Die zu leistende Zuzahlung: „Ich kann mir die Zuzahlung für eine Reha nicht<br />
leisten.“<br />
3. Die Wahrnehmung einer nur geringen Bewilligungschance für eine Reha. Nur 14<br />
% der Versicherten beurteilten die allgemeine Bewilligungschance als sehr gut<br />
bis gut bis gut, 44 % als gering bis sehr gering.<br />
Ad 1.: Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes<br />
Ein erhöhtes Risiko für den Verlust des Arbeitsplatzes im Falle einer Reha-Maßnahme<br />
konnte durch die KoRB-Studie nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Die 697 für<br />
Westfalen-Lippe repräsentativ befragten Arbeitgeber aus kleinen und mittleren<br />
Unternehmen, die in dieser Region über 99% aller Betriebe mit etwa zwei Dritteln der<br />
Beschäftigten stellen, stehen einer notwendigen Rehabilitation in der Regel positiv<br />
gegenüber. Dies liegt einerseits daran, dass viele Unternehmen bereits gute Erfahrungen<br />
mit der Rehabilitation gemacht haben und zwar besonders mit Blick auf die<br />
Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit, hinsichtlich der Verringerung der<br />
Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch der Nachhaltigkeit der Reha-Maßnahmen. Darüber<br />
hinaus ist aber auch die große Bedeutung des Themas „betriebliche Gesundheit“ in den<br />
Unternehmen realisiert worden. So sagen 91% der befragten Arbeitgeber, dass der<br />
Betrieb mitverantwortlich für die Gesundheit seiner Mitarbeiter ist und gar 99% sind der<br />
Ansicht, dass die Gesundheit der Mitarbeiter eine wichtige Voraussetzung für den<br />
geschäftlichen Erfolg ist. Wiederum 87% meinen, dass Mitarbeiter mit längeren<br />
Fehlzeiten im Betrieb auf die Möglichkeit einer Rehabilitation angesprochen werden<br />
sollten. Von allen im Rahmen der KoRB-Studie untersuchten Gruppen (u. a.<br />
Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Betriebsärzte, Betriebsräte) waren es die Arbeitgeber, die die<br />
226
V43<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Rehabilitation am positivsten bewerteten. Diese Zustimmung macht sich auch an ganz<br />
persönlichen Einstellungen fest: bei Bedarf und Möglichkeit würden 93% der Arbeitgeber<br />
selbst eine Rehabilitation machen und von denjenigen, die bereits eine solche<br />
Maßnahme absolviert haben, würden 91% noch einmal eine Reha in Anspruch nehmen.<br />
Die Befürchtungen der Arbeitnehmer und die Einstellungen der Arbeitgeber sind konträr<br />
und resultieren aus einem Kommunikations- und Informationsdefizit zwischen den<br />
beteiligten Gruppen. Die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes im Falle einer Reha-<br />
Antragstellung wird daher in den meisten Fällen unbegründet sein.<br />
Ad 2.: Kosten für die Zuzahlung<br />
Nach der Sorge um den Arbeitsplatz waren die zu leistenden Zuzahlungen der am<br />
häufigsten genannte Grund, bei subjektivem Bedarf keinen Reha-Antrag zu stellen. Es<br />
stellte sich aber heraus, dass nur 14 % der Versicherten die Höhe der Zuzahlungen<br />
kannten. Zudem war kaum einer der Arbeitnehmer darüber informiert, unter welchen<br />
Bedingungen eine Befreiung von der Zuzahlung möglich ist. Zwar sind es nicht<br />
ausschließlich die Zuzahlungen, die den Patienten finanziell belasten - gelegentlich<br />
müssen ein neuer Bademantel oder Sportzeug erstanden werden - dennoch gilt in vielen<br />
Fällen, dass der oft genannte Hinderungsgrund „Zuzahlung“ eher auf einen<br />
Informationsmangel denn auf die tatsächliche finanzielle Belastung zurückzuführen ist.<br />
Ein solches Informationsdefizit besteht auch ganz allgemein, wenn es um das Thema<br />
Rehabilitation geht: Nur gut die Hälfte der Versicherten wusste, welchen Nutzen ihnen<br />
eine Rehabilitationsmaßnahme bringen kann, und nur jeweils einem Viertel war bekannt,<br />
welche Arten von Reha-Leistungen es gibt, wer diese finanziert und wie und wo sie zu<br />
beantragen sind.<br />
Ad 3. Geringe Bewilligungschance für Anträge auf Rehabilitation<br />
Der Gedanke einer nur geringen Bewilligungschance war bei den Arbeitnehmern weit<br />
verbreitet und hielt ebenfalls viele von einer Antragstellung ab. 44% der befragten<br />
Versicherten meinten, dass die generelle Chance einen Reha-Antrag bewilligt zu<br />
bekommen gering oder sehr gering sei; dagegen hielten nur 13% diese für hoch oder<br />
sehr hoch. Diese Einschätzungen gehen weit an der Wirklichkeit vorbei: Die reale<br />
Bewilligungsquote liegt in der (ehemaligen) Arbeiterrentenversicherung, der die<br />
befragten Versicherten angehören, etwa bei 70 Prozent.<br />
227
V43<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Schlussfolgerungen<br />
Arbeitgeber sehen notwendige Rehabilitationen ihrer Mitarbeiter durchaus positiv, teils<br />
weil sie bereits gute Erfahrungen damit gemacht haben, teils weil sie wissen, dass die<br />
Gesundheit ihrer Mitarbeiter (die durch eine Reha-Maßnahme ggf. gesichert oder<br />
wiederhergestellt werden kann) unverzichtbar für den Geschäftserfolg ist. Es ist heute<br />
die seltene Ausnahme, dass der Unternehmer den Reha-Wunsch eines Beschäftigten<br />
als „Drückebergertum“ interpretiert. Die positive Einstellung der Arbeitgeber zur<br />
Rehabilitation wird seitens der Arbeitnehmer oft nicht nachvollzogen. Aus Sorge um den<br />
Arbeitsplatz schrecken viele vor einer Rea-Antragstellung zurück. Diese Zurückhaltung,<br />
die besonders bei starker subjektiver Reha-Bedürftigkeit zu beobachten ist, beruht also<br />
häufig auf falschen Annahmen. Gleichzeitig erhöht sie die Gefahr einer Chronifizierung<br />
des Krankheitsbildes und einer dauerhaften Beeinträchtigung der beruflichen<br />
Leistungsfähigkeit. Hier gilt es gegenzusteuern und den Beschäftigten zu vermitteln,<br />
dass bei notwendigen Reha-Maßnahmen eine weitgehende Interessenskongruenz<br />
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern besteht. Information und Unterstützung sind<br />
daher notwendig, um bei bestehender Reha-Bedürftigkeit eine Antragstellung zu<br />
erleichtern oder erst zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit der Rentenversicherung<br />
können dabei die Werks- und Betriebsärzte eine Schlüsselrolle übernehmen.<br />
Die Themen „Zuzahlung“ und „Information zur Rehabilitation“ können aufgearbeitet<br />
werden indem die Rentenversicherung in ihren routinemäßigen Anschreiben (bspw.<br />
Versicherteninfo zur Rente) allgemein zur Reha informiert sowie Zuzahlungshöhe und<br />
Möglichkeiten der Befreiung ebenso kommuniziert wie die Tatsache, dass die<br />
Bewilligungsquote der Arbeiterrentenversicherung bei knapp 70% liegt.<br />
Es erscheint darüber hinaus empfehlenswert, den Arbeitnehmern bei „gefühltem“ Reha-<br />
Bedarf kompetente Ansprechpartner zu benennen; dies können Haus- und Betriebsärzte<br />
und die Auskunfts- und Beratungsstellen der Rentenversicherung sein.<br />
Literatur<br />
Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Rentenversicherung in Zeitreihen 2005.<br />
DRV Schriften Band 22. Berlin 2005<br />
Hesse, Bettina; Heuer, J., Gebauer, E. (2008): Rehabilitation aus Sicht kleiner und<br />
mittlerer Unternehmen: Wissen, Wertschätzung und Kooperationsmöglichkeiten –<br />
Ergebnisse aus der KoRB-Studie. In: Rehabilitation 2008; 47: 324-333.<br />
Maier-Riehle B & Schliehe F.: Rehabilitationsbedarf und Antragsverhalten. Rehabilitation<br />
1999; S100 - S115.<br />
228
V43<br />
Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement II<br />
Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R. & Raspe, H.: Subjektive<br />
Rehabilitationsbedürftigkeit, Antragsverhalten und Antragstellung auf medizinische<br />
Rehabilitation - Ergebnisse einer Befragung von LVA-Versicherten. Rehabilitation 1999;<br />
38: S122 - S127.<br />
Wenn Sie an das Wort Rehabilitation denken, verbinden Sie damit etwas Positives,<br />
etwas Negatives oder würden Sie sagen weder noch?<br />
229
V44<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Arbeitsmedizin trifft Proteomics – Perspektiven einer neuen<br />
Technologie<br />
Simone Schmitz-Spanke, Albert W. Rettenmeier<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />
Die einzelnen omics-Disziplinen, die sich mit den Auswirkungen von Gefahrstoffen auf<br />
die Struktur und Aktivität des Genoms und der nachgeschalteten biologischen Systeme<br />
wie etwa das Transkriptom, das Proteom und das Metabolom, beschäftigen, werden<br />
unter dem Oberbegriff Toxicogenomics zusammengefasst (Abb. 1). Der Schwerpunkt<br />
des Vortrages liegt auf dem Teilbereich der Toxicoproteomics. Ziel des Vortrages ist, das<br />
Potenzial, das diese Disziplin für die Arbeitsmedizin bereithält, darzulegen.<br />
Toxicogenomics<br />
Gefahrstoffe<br />
DNA<br />
Gene<br />
mRNA<br />
Proteine<br />
Metaboliten<br />
Genomics<br />
Transcriptomics<br />
Proteomics<br />
Metabolomics<br />
Abb.1: Analyse von biologischen Effekten von Gefahrstoffen mittels verschiedener omics-<br />
Disziplinen<br />
Unter Proteomics versteht man die Darstellung des gesamten<br />
Proteinexpressionsmusters einer Zelle, eines Organismus oder einer Körperflüssigkeit<br />
unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt. Die Proteine einer<br />
Zelle (oder eines Organismus bzw. Körperflüssigkeiten) stellen ein hochdynamisches<br />
System da, dessen Analyse hohe Anforderungen an die Methode und die<br />
Standardisierung stellt, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Die am häufigsten<br />
verwendete Methode der Proteintrennung ist die zweidimensionale Gelelektrophorese<br />
(2D-Elektrophorese). Ihre Trennkapazität liegt bei > 1000 Proteinen. Die 2D-<br />
230
V44<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Elektrophorese nützt physikalische Eigenschaften der Proteine zur Trennung. In der<br />
ersten Dimension (= isolelektrische Fokussierung) wandern die Proteine entsprechend<br />
ihrer Nettoladung in einem elektrischen Feld entlang eines pH-Gradienten, bis sie ihren<br />
isolelektischen Punkt erreicht haben, d. h. ihre Nettoladung gleich 0 ist. In der zweiten<br />
Dimension werden die Proteine nach ihrer Molekülmasse in einer Natriumdodecylsulfat-<br />
Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) getrennt (Abb. 2). Die Gele werden<br />
anschließend digitalisiert und analysiert, um unterschiedlich exprimierte Spots<br />
detektieren zu können.<br />
Abb.2: Gel einer 2D-Elektrophorese; RT4-Zellen (humane Harnblasenkarzinom-Zelllinie) wurden<br />
gegen BaP (0,5 µmol/l, 24 h) exponiert (eigene Untersuchungen).<br />
Die Spots werden aus dem Gel ausgeschnitten, die Proteine trypsiniert und von den<br />
erhaltenen Peptiden werden massenspektrometrisch Peptidmassen Fingerabdrücke<br />
erstellt. Über die erhaltenen Peptidmassen Fingerabdrücke werden die Proteine mittels<br />
Datenbanken identifiziert.<br />
Weitere proteomische Techniken sind Flüssigkeitschromatographien, gekoppelt mit<br />
Massenspektrometrie (nano-HPLC MS), oder Proteinchip-Technologien (Surfaceenhanced<br />
laser desorption ionization (SELDI)).<br />
231
V44<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Welche Erwartungen stellt die Arbeitsmedizin an die Proteomics? Die Technik eröffnet<br />
die Möglichkeit, hunderte von Proteinen zu einem definierten Zeitpunkt unter definierten<br />
Bedingungen zu erfassen. Dadurch erhält man eine Momentaufnahme der Zelle,<br />
wodurch gleichzeitig Komponenten metabolischer Signalwege, Abwehrmechanismen,<br />
DNA-Kontroll- bzw. Reparatursysteme als auch Komponenten der späteren Phase der<br />
Kanzerogenese erfasst werden können. Durch diesen holistischen Zugang kann unser<br />
Verständnis von Wirkmechanismen erheblich erweitert werden. Ein zweiter großer<br />
Bereich ist die Biomarker-Forschung,<br />
Anhand einiger Beispiele aus der Literatur soll das Potential dieser Technologie erläutert<br />
werden.<br />
Benzol schädigt über seine Metaboliten intrazelluläre Makromoleküle durch kovalente<br />
Bindungen. Zusätzlich wirkt Benzol immunotoxisch. Der letztere Aspekt wurde von einer<br />
koreanischen Arbeitsgruppe (1) untersucht, die Plasma von Arbeitern, die gegen Benzol<br />
exponiert wurden, mittels 2D-Elektrophorese proteomisch analysierten. Sie fanden u.a.<br />
vier Proteine aus dem immunologischen Wirkkreis (T cell receptor β chain, FK506-<br />
binding protein, Interleukin-4 receptor α chain, T cell surface glycoprotein CD1b), deren<br />
Expression nach Benzolexposition erhöht war.<br />
Charakteristische Proteinmuster wurden auch in Studien über Dieselrußpartikel gefunden<br />
werden. Die Auswirkung einer steigenden Konzentration an Dieselrußpartikeln wurde in<br />
Makrophagen untersucht. Wurden zunächst Proteine protektiver Systeme – wie der<br />
antioxidativen Abwehr – exprimiert, markierte die vermehrte Expression<br />
inflammatorischer Proteine bei höheren Konzentrationen das Versagen der zellulären<br />
Abwehr.<br />
Wenn die Kinetik ein dynamisches System wie das Proteom untersucht werden soll,<br />
haben Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten eine größere Aussagekraft.<br />
Diesen Ansatz wählte die Arbeitsgruppe von Lau. Sie exponierten epitheliale<br />
Lungenzelle der Ratte gegen Arsen für 24 h und 12 Wochen (2, 3). Neben<br />
Veränderungen des Energiestoffwechsels fanden sie eine geringere Expression der<br />
Cytokeratine nach längerer Exposition, was sie im Sinne einer beginnenden<br />
Zelldedifferenzierung interpretierten.<br />
Der letzte Ansatz leitet über zum zweiten großen Bereich der Proteomics, der Biomarker-<br />
Forschung. Mit Hilfe proteomischer Methoden können zu verschiedenen Zeitpunkten des<br />
exposure-disease-continuum Momentaufnahmen erstellt werden. Dadurch können<br />
prinzipiell Proteinensets gefunden werden, die charakteristisch für einen bestimmten<br />
Zeitpunkt sind. Von großem Interesse ist dabei, den Zeitpunkt zu ermitteln, an dem eine<br />
geschädigte Zelle ihre Ruhephase verlässt und ihren Selektionsvorteil nutzt<br />
232
V44<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
(Progression). Ein Proteinset, das diesen Zeitpunkt markieren würde, wäre ein<br />
hervorragender Effektbiomarker im Hinblick auf die Entstehung eines Tumors.<br />
Die Perspektiven der Proteomics, oder genauer der Toxicoproteomics, für die<br />
Arbeitsmedizin bestehen in der Möglichkeit Momentaufnahmen von einem<br />
hochdynamischen System zu erhalten. Diese Proteinmuster ermöglichen unerwartete<br />
neue Einblicke in Mechanismen. Aus der Proteomics resultiert aber nur dann ein<br />
Zugewinn an Wissen, wenn sie in andere omics-Disziplinen – wie etwa Genomics oder<br />
Metabolomics – integriert wird.<br />
(1) Joo, W. A., Kang, M. J., Son, W. K., Lee, H. J., Lee, D. Y., Lee, E. and Kim, C. W.<br />
Monitoring protein expression by proteomics: human plasma exposed to<br />
benzene. Proteomics. 3, (2003) 2402-2411.<br />
(2) Lau, A. T. and Chiu, J. F. Proteomic and biochemical analyses of in vitro<br />
carcinogen-induced lung cell transformation: synergism between arsenic and<br />
benzo[a]pyrene. Proteomics. 6, 1(2006) 619-1630.<br />
(3) Lau, A. T., He, Q. Y. and Chiu, J. F. A proteome analysis of the arsenite response<br />
in cultured lung cells: evidence for in vitro oxidative stress-induced apoptosis.<br />
Biochem.J. 382, (2004) 641-650.<br />
233
V45<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Proteomische Analyse humaner Harnblasenkarzinomzellen (RT4)<br />
nach Benzo(a)pyren-Exposition<br />
Mario Pink, Albert W. Rettenmeier und Simone Schmitz-Spanke<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />
Einleitung<br />
In der vorliegenden Studie wurde mit Hilfe der 2D Gelelektrophorese Änderungen im<br />
Gesamtprotein gegen Benzo(a)pyren (BaP) exponierter Zellen untersucht. Da<br />
epidemiologische Studien einen Zusammenhang zwischen einer Exposition gegen<br />
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Leitsubstanz BaP) und der Entstehung<br />
von Blasenkarzinomen vermuten lassen, wurden die Studien an einer humanen<br />
Harnblasenkarzinomzelllinie (RT 4) durchgeführt.<br />
In Voruntersuchungen wurde das zytotoxische Potential von BaP durch die Messung der<br />
Laktat-Dehydrogenase- und der MTT (3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid)-Freisetzung<br />
abgeschätzt. Zusätzlich wurde die Fähigkeit, DNA-<br />
Doppelstrangbrüche auszulösen, anhand des TUNEL-Assay (Terminal Deoxynucleotidyl<br />
Transferase-mediated dUTP Nick End-Labeling) verifiziert. Aufgrund dieser<br />
Untersuchungen wurde eine BaP-Konzentration und Expositionsdauer gewählt, die noch<br />
nicht zytotoxisch oder DNA-schädigend wirkt.<br />
Methode<br />
Die Zellen wurden 24 h gegen 0,5 µM BaP exponiert und anschließend lysiert (n=5). Um<br />
statistisch verwertbare Daten zu erhalten, wurden von den 5 Ansätzen jeweils 4<br />
2D Gelelektrophoresen durchgeführt. Die Proteine exponierter und unexponierten Zellen<br />
wurden nach ihrer elektrischen Ladung (= erste Dimension) und ihrer Molekularmasse (=<br />
zweite Dimension) getrennt. Dieser Stock an Expressionsmustern wurde digital analsiert<br />
(Delta2D, Decodon ® ). Für weitere Analysen wurden nur Proteine ausgewählt, deren<br />
Expression sich zwischen der Kontroll und BaP exponierten Gruppe mindestens um<br />
Faktor ± 2 änderte.<br />
Die Proteine dieser Spots wurden mit Trypsin verdaut und mit Hilfe der Matrixunterstützten<br />
Laser-Desorption/Ionisation (MALDI) massenspektrometrisch untersucht.<br />
Die Identifizierung der Proteine anhand der erhalten Peptide Mass Fingerprint-Spektren<br />
(PMF-Spektren) erfolgte mit der Software Mascot unter Verwendung der Datenbank<br />
MSDB.<br />
234
V45<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Resultate<br />
Mittels digitaler Bildanalyse konnten 24 Spots bestimmt werden, deren Expression sich<br />
um ± 2 unterschied. Von diesen 24 Proteinen zeigten 17 eine signifikante Änderung der<br />
Expression. Anhand der erhaltenen PMF-Spektren konnten 23 dieser Proteine signifikant<br />
identifiziert werden.<br />
Tab. 1: Resultat der Proteinidentifizierung. Die Tabelle umfasst den englische Bezeichnung des<br />
Proteins sowie die Kurzform (Gene name)<br />
Gene name Protein name (Englisch) Gene name Protein name (Englisch)<br />
NPM1 Nucleophosmin HNRPA2B1<br />
heterogeneous nuclear<br />
ribonucleoprotein A2/B1<br />
isoform 2<br />
EIF4B<br />
Eukaryotic translation<br />
initiation factor 4B<br />
TUBB Tubulin, beta polypeptide<br />
STRAP<br />
Serine-threonine kinase<br />
receptor-associated protein<br />
PFDN5 Prefoldin subunit 5<br />
RPS12<br />
Ribosomal protein S12,<br />
cytosolic<br />
GSS Glutathione synthetase<br />
HNRPL<br />
Heterogeneous Nuclear<br />
Ribonucleoprotein L<br />
CASK<br />
Calcium/calmodulindependent<br />
serine protein<br />
kinase<br />
HNRPA3<br />
Heterogeneous Nuclear<br />
Splicing factor, arginine /<br />
SFRS3<br />
Ribonucleoprotein A3<br />
serine-rich 3<br />
PPIA<br />
Peptidyl-prolyl cis-trans<br />
isomerase<br />
Cathepsin d, precursor<br />
NUCB1 Nucleobindin Tubulin beta-7 chain<br />
CTSD Cathepsin d, chain B ARHGDIA<br />
Rho GDP-dissociation<br />
inhibitor 1 (alpha)<br />
ETFA<br />
Electron transfer flavoprotein,<br />
Heat shock 70kDa protein 4<br />
HSPA4<br />
chain A<br />
isoform<br />
HNRPA1<br />
Heterogeneous Nuclear<br />
Proteasome activator PA28<br />
PSME1<br />
Ribonucleoprotein A<br />
alpha chain<br />
SSBP3<br />
Single-stranded DNA-binding<br />
Eukaryotic Translation<br />
EIF3S4<br />
protein 3<br />
Initiation Factor 3, Subunit 4<br />
SSBP3 konnte nicht signifikant identifiziert werden, Sequenzdeckung 43 %<br />
Die identifizierten Proteine wurden von der Software Ingenuity Pathway Analysis (IPA,<br />
Ingenuity Systems ® ) folgenden allgemeinen Funktionen zugeordnet: Tumoröses<br />
Geschehen (34 %), Zellproliferation/-wachstum (24 %), Molekulartransport (16 %),<br />
Proteinsynthese (13 %), Zelltod (13 %). Betrachtet man die biologischen Funktionen der<br />
identifizierten Proteine, so ist ein großer Teil in Splicing und Translations Porzesse<br />
involviert. Anhand dieser Ergebnisse ist es wahrscheinlich, dass BAP eine Veränderung<br />
des mRNA-Processings und der Proteinsynthese in Urothelzellen induziert.<br />
BaP soll über direkte (DNA-Addukte) und indirekte Mechanismen (reaktive<br />
Sauerstoffspezies, Arylhydrocarbon-Rezeptor Weg) Zellen schädigen. Welche Rolle die<br />
identifizierten Proteine in diesen Mechanismen spielen, wurde durch Signalweganalyse<br />
235
V45<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
überprüft. Basierend auf Literaturdaten generierte die Software (Ingenuity Pathway<br />
Analysis) das in Abbildung 1 dargestellte Netzwerk, in dem 21 identifizierten Proteine<br />
Abb. 1:<br />
Ergebnis der Signalweganalyse mittels der IPA Software. Dieses Netzwerk zeigt möglichen Interaktionen zwischen den identifizierten Proteinen<br />
(rot). Als Knotenpunkte (grün) wurde das myc-Onkogen, der Tumorsuppressor p53 und der Splicingfaktor 1 von der Software eingefügt.<br />
miteinander vernetzt wurden (Tubulin beta 7 chain und der Cathepsin d precursor<br />
wurden als Doppeleintrag angesehen).<br />
Ausgehend von einer indirekten Schädigung, die über den Arylhydrocarbon-Rezeptor<br />
(AhR) Signalweg stattfindet, zeigt das erstellte Netzwerk vier Proteine die in Interaktion<br />
mit dem AhR-Weg stehen (gestrichelte Linie). Drei dieser Proteine bilden Knotenpunkte,<br />
die teilweise die identifizierten Proteine regulieren oder von ihnen reguliert werden. Bei<br />
diesen drei Proteinen handelt es sich um das myc-Onkogen, den Tumorsuppressor p53<br />
und den Splicing Faktor 1 (SP1). Das von uns identifizierte Nucleophosmin (NPM1) steht<br />
mit allen drei Knotenpunkten in Interaktion. Das Besondere an Nucleophosmin ist, dass<br />
es die Caspasen 8 und 9 sowie NF-B reguliert, und somit einen direkten Einfluss auf<br />
Transkription und Apoptose hat.<br />
236
V45<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Zusammenfassung<br />
In dieser Studie konnten 24 Proteine detektiert werden, die nach der Exposition gegen<br />
0,5 µmol eine Veränderung der Expression um Faktor ± 2 zeigen. Diese Proteine<br />
interagieren zum einen direkt (Cathepsin d) oder indirekt via myc-Onkogen, Splicing<br />
Faktor 1 und p53 mit AhR. Zum anderen sind die identifizierten Proteine an zahlreichen<br />
Signalwegen beteiligt, die diese drei Proteine als Knotenpunkte besitzen. Die erhaltenen<br />
Informationen geben neue und unerwartete Einblicke in intrazelluläre Reaktionen auf<br />
eine BaP–Exposition. So wurde beispielsweise in der Literatur bisher kein<br />
Zusammenhang zwischen BaP und der Prozessierung der mRNA beschrieben.<br />
237
V46<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Ein neues und schnelles Verfahren zum Direktnachweis von<br />
Umweltkeinen mittels MALDI-TOF-MS<br />
Frank Mosel, Susanne Standar, Albert W. Rettenmeier<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Essen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
238
V47<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Modulation von oxidativen DNA-Schädigungen durch die<br />
Reparaturenzyme XRCC1 und OGG1<br />
Hans-Peter Rihs 1 , Boleslaw Marczynski 1 , Anne Spickenheuer 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 ,Thomas<br />
Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Die Untersuchung dient der Erfassung von Zusammenhängen zwischen den Varianten<br />
bestimmter Reparaturenzyme (APE1, OGG1, XRCC1) und oxidativen DNA-<br />
Schädigungen. Zu diesem Zweck wurden 198 deutsche Beschäftigte mit und 55 ohne<br />
berufliche Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen in diese Studie,<br />
nach ihrer Zustimmung, einbezogen. Die Bestimmung der oxidativen DNA-Schädigung<br />
erfolgte mittels 8-Oxo-7,8-dihydro-2’-desoxyguanosin(8-OxodGuo)-Adduktmessungen.<br />
Methoden<br />
Das mediane Alter der Exponierten betrug 40 Jahre, das der Beschäftigten ohne<br />
Exposition 37 Jahre. Unter den exponierten Beschäftigten waren 60,1% Raucher,<br />
während die Nichtexponierten eine Raucherfrequenz von 45,5% aufwiesen. Das aktuelle<br />
Rauchverhalten erfassten wir mittels Fragebogen. Die gemessene berufliche Exposition<br />
der exponierten Beschäftigten lag bei 2,9 mg/m³ (Medianwert) Dämpfen und Aerosolen<br />
aus Bitumen, während die Nichtexponierten eine Hintergrundbelastung von 0,3 mg/m³<br />
aufwiesen.<br />
Die Bestimmung von fünf polymorphen Genotypen (SNP 500 Cancer ID: APE1 rs<br />
1130409, OGG1 rs 1052133, XRCC1 rs1799782, rs 25487, rs 254489) von<br />
Reparaturenzymen erfolgte auf DNA-Ebene mittels Real-time PCR, analog wie für OGG1<br />
kürzlich beschrieben [1]. Die oxidative DNA-Schädigung weißer Blutzellen wurde in Form<br />
von 8-OxodGuo DNA-Addukten/10^6 dGuo vor und nach der Schicht mit Hilfe einer<br />
HPLC-Methode gemessen [2]. und anschließend die Differenz zwischen Nach- und<br />
Vorschichtwert (Δ8-OxodGuo Addukte/10^6 dGuo) berechnet. Die statistische Analyse<br />
erfolgte mit dem nicht-parametrischen Jonckheere-Terpstra(JT)-Test.<br />
Ergebnisse<br />
Die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse beruhen auf einer im Oktober 2006<br />
vorgenommenen Zwischenauswertung in der Humanstudie Bitumen mit den o.g.<br />
Fallzahlen. Bezogen auf die ganze Studiengruppe (n=253) wurden in weißen Blutzellen<br />
von Personen mit XRCC1 399Gln-Doppelmutation signifikant (p=0.017) höhere mediane<br />
Werte von Δ8-OxodGuo-Addukten/10^6 dGuo im Vergleich zu homozygoten XRCC1<br />
Arg399-Trägern festgestellt (Abb.1).<br />
239
V47<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
8-OxodGuo-Addukte/10 6 dGuo<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
-4<br />
JT: p=0.017<br />
-5<br />
GG<br />
N=103<br />
GA<br />
N=115<br />
XRCC1 rs25487 G>A Arg399Gln<br />
AA<br />
N=35<br />
Abb.1: Verteilung der XRCC1 Arg399Gln-Varianten in weißen Blutzellen in der gesamten<br />
Studiengruppe (N=253) bezogen auf die DNA-Adduktbildung während einer Schicht. JT=<br />
Jonckheere-Terpstra-Test.<br />
Insbesondere galt dies für die Untergruppe der Nichtraucher (n=109; JT: p=0.031).<br />
Im Gegensatz dazu zeigten die weißen Blutzellen von Bitumen exponierten<br />
Beschäftigten (n=198; JT: p=0.015) und die Untergruppe der exponierten Raucher<br />
(n=119; JT: p=0.041) signifikant niedrigere mediane Werte für Δ8-OxodGuo-<br />
Addukte/10^6 dGuo an, wenn die XRCC1 280His-Mutation vorlag.<br />
In der Referenzgruppe (n=55; JT: p=0.017) und in deren Rauchern (n=25; JT: p=0.049),<br />
zeigte nur die Blutzellen von Trägern der OGG1 326Cys-Variante signifikant höhere<br />
mediane Werte für Δ8-OxodGuo Addukte/10^6 dGuo. (Abb. 2)<br />
8-OxodGuo-Addukte/10 6 dGuo<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
-4<br />
JT: p=0.017 JT: p=0.049 JT: p=0.20<br />
Referenz<br />
aktuelle<br />
Raucher<br />
Nichtraucher<br />
JT= Jonckheere-<br />
Terpstra Test<br />
-5<br />
CC<br />
N=30<br />
CG<br />
N=19<br />
GG<br />
N=6<br />
CC<br />
N=12<br />
CG<br />
N=12<br />
GG<br />
N=1<br />
CC<br />
N=18<br />
hOGG1 rs1052133 C>G Ser326Cys<br />
CG<br />
N=7<br />
GG<br />
N=5<br />
Abb.2: Verteilung der OGG1 Ser326Cys-Varianten in weißen Blutzellen der Referenz (N=55),<br />
deren aktuellen Rauchern (N=25) und Nichtrauchern (N=30) bezogen auf die DNA-Adduktbildung<br />
während einer Schicht.<br />
Für Personen mit XRCC1 Arg194Trp- oder APE1 Asp148Glu-Varianten konnten keine<br />
Assoziationen mit den ermittelten Δ8-OxodGuo-Adduktwerten festgestellt werden.<br />
240
V47<br />
Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />
Schlussfolgerung<br />
Die vorliegenden Daten der Zwischenauswertung deuten daraufhin, dass die<br />
Kombination verschiedener Varianten von Reparaturenzymen und ihre Interaktion mit<br />
körperfremden Stoffen (hier: Rauchverhalten und Exposition gegenüber Dämpfen und<br />
Aerosolen aus Bitumen) die Produktion von 8-OxodGuo-Addukten in weißen Blutzellen<br />
während einer Arbeitsschicht modulieren können. Vor dem Hintergrund des geplanten<br />
Gendiagnostikgesetz-GenDG, in dem die Verwendung genetischer Marker u.a. im<br />
Arbeitsschutz geregelt werden sollen, kommt der Erforschung des Zusammenwirkens<br />
zwischen anlagebedingten Faktoren, Lebensstil und beruflichen Faktoren zukünftig eine<br />
besondere Rolle zu.<br />
Literatur<br />
[1] Rihs HP, Marczynski B, Rabstein S, Scherenberg M, Landt O, Brüning T. Rapid<br />
detection of the hOGG1 Ser326Cys polymorphism using LightCycler technology. J<br />
Toxicol Environ Health, Part A 2008; 71:877-880.<br />
[2] Marczynski B, Rihs HP, Rossbach B, Hölzer J, Angerer J, Scherenberg M, Hoffmann<br />
G, Brüning T, Wilhelm M. Analysis of 8-oxo-7,8-dihydro-2'-deoxyguanosine and DNA<br />
strand breaks in white blood cells of occupationally exposed workers: comparison with<br />
ambient monitoring, urinary metabolites and enzyme polymorphisms. Carcinogenesis 23,<br />
2002:273-281.<br />
241
V47a<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
IARC 2007: Schichtarbeit, Chronodisruption und Krebs?<br />
10 Thesen zur Forschung und zur Prävention als Ergebnisse des<br />
Kölner Kolloquiums 2008*<br />
Thomas C. Erren 1 , Peter Morfeld 2 , Joachim Stork 3 , Peter Knauth 4 , Matthias von Mülmann 5 , Rolf<br />
Breitstadt 6 , Uta Müller 7 , Michael Emmerich 8 , Claus Piekarski 1<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu Köln<br />
2 Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA), Evonik Services GmbH,<br />
Essen<br />
3<br />
Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ingolstadt<br />
4<br />
Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP), Universität Karlsruhe (TH)<br />
5<br />
Medizinischer. Dienst, Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt<br />
6<br />
Degussa-Hüls AG Werksärztlicher Dienst, Frankfurt<br />
7<br />
Evonik Industries AG, Essen<br />
8<br />
Arbeitsmedizinisches Zentrum Hirschbach, RAG Deutsche Steinkohle, Sulzbach-Saar<br />
*Shift work, chronodisruption and cancer? - The IARC 2007 challenge for research and<br />
prevention and 10 theses from the Cologne Colloquium 2008. Scand J Work Environ<br />
Health. <strong>2009</strong><br />
Die International Agency for Research on Cancer [IARC] hat im Oktober 2007<br />
Schichtarbeit mit zirkadianer oder Chronodisruption [CD] als wahrscheinliches<br />
Humankarzinogen eingestuft [Gruppe 2A Karzinogen; Straif et al., 2007]. Vor dem<br />
Hintergrund der möglichen Tragweite dieser Klassifizierung – Schichtarbeit ist weit<br />
verbreitet und unverzichtbar; denkbar kausalassoziierte Brust- und<br />
Prostatakrebserkrankungen sind weltweit epidemisch – sollten die IARC-Kategorisierung<br />
und ihre Begründung [soweit publiziert; die ausführliche Monographie Volume 98 ist in<br />
Vorbereitung] systematisch beurteilt werden.<br />
Arbeitsmediziner, Arbeitswissenschaftler, Epidemiologen und Industrievertreter kamen<br />
daher im September des vergangenen Jahres im Rahmen des Kölner Kolloquiums 2008<br />
zusammen, um Grundlagen, Ergebnisse und Implikationen der Klassifizierung durch die<br />
Expertenkommission in Lyon zu diskutieren.<br />
Experimentell gibt es in der Gesamtschau hochaktuelle und biologisch plausible<br />
Einsichten in Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit, Photorezeption,<br />
Phototransduktion, in die Aufgaben und Koordination biologischer Rhythmen, CD und<br />
Krebsentwicklungen. Zentraler Hintergrund für die postulierten Kausalzusammenhänge<br />
ist, dass es während der so genannten „biologischen“ Nacht – genetisch fixiert – zu einer<br />
Vielzahl von Reparatur- und Regenerationsprozessen kommt. Derzeit sind zum Beispiel<br />
neun zirkadiane Uhrgene bekannt, die mit den von ihnen kodierten Proteinen zirkadiane<br />
Rhythmuswechsel von An- zu Entspannung, von Aktivitäts- zu Ruhephasen kontrollieren.<br />
Störungen bzw. Unterbrechungen [„Disruptions“] von gekoppelten und damit zeitlich<br />
geordneten biologischen Rhythmen können zu vielfältigen<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen führen.<br />
242
V47a<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Aufgrund der Qualität und Vielzahl von experimentellen Studien in die postulierten<br />
Zusammenhänge wird neben gesicherten kurz- und mittelfristigen Jet- und Shift-Lag-<br />
Beschwerden die langfristige Entwicklung von Krebserkrankungen im Gefolge von<br />
Chronodisruption bei Schicht- und Flugpersonal diskutiert [Erren et al. 2003; Erren und<br />
Reiter <strong>2009</strong>].<br />
Epidemiologische Auswertungen von Krebsstudien bei Schichtpersonal [vornehmlich im<br />
Gesundheitssektor] und Flugpersonal durch die IARC-Expertengruppe [Straif et al. 2007]<br />
und an der Universität zu Köln darauf hin, dass Störungen des inneren Zeitgefüges der<br />
Physiologie durch Nacht- und rotierende Schichtarbeit sowie durch Transmeridianflüge<br />
mit erhöhten Brust- und Prostatakrebsrisiken assoziiert sein können [Erren et al. 2008].<br />
Als Ergebnis der Kolloquiumsbeiträge und –diskussionen wurden die folgenden 10<br />
Thesen formuliert, um zielführende Studien zu den biologisch plausiblen<br />
Kausalbeziehungen durchzuführen und Möglichkeiten der Prävention zu entwickeln.<br />
These 1 Die Beantwortung der Frage, ob Schichtarbeit über Chronodisruption<br />
Krebsentwicklungen fördern kann, stellt eine globale Herausforderung<br />
dar.<br />
These 2 Als Grundlagen für Forschung und Prävention brauchen wir<br />
Erkenntnisse, welche Aspekte von Schichtarbeit, Chronodisruption und<br />
individueller Empfindlichkeit wichtig sein können.<br />
These 3 Wir brauchen weitere epidemiologische Studien in weiteren<br />
Berufsgruppen und für weitere Krebsendpunkte.<br />
These 4 Populationsbasierte Studien sind geeignet, Industriebasierte Studien zu<br />
ergänzen, um Hypothesen zu generieren oder um diese zu schärfen.<br />
Die Abschätzung von tatsächlichen Krebsrisiken muss durch<br />
epidemiologische Studien an Arbeitsplätzen erfolgen, unabhängig<br />
davon, ob Krebsrisiken dort erhöht, unauffällig oder erniedrigt sind.<br />
These 5 Für Studien und für die Prävention brauchen wir interpretierbare<br />
Biomarker.<br />
These 6 Für Studien sollten experimentelle und epidemiologische<br />
Wissenschaftler mit Schichtarbeitsforschern und Chronobiologen a<br />
priori festlegen, welche Schichtarbeitsbelastungen geeignet sind,<br />
Chronodisruption zu generieren.<br />
These 7 Für die Prävention sollten sich Arbeitsmediziner mit<br />
Schichtarbeitsforschern abstimmen, welche Schichtplangestaltung<br />
geeignet ist, CD zu vermindern und dieses Wissen nutzen,<br />
243
V47a<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Arbeitnehmer von Gesundheitsvorteilen möglicher Änderungen zu<br />
überzeugen.<br />
These 8 Präventivmaßnahmen gegen Chronodisruption könnten<br />
Schichtpersonal<br />
über denkbare Krebsrisiken hinaus vor weiteren, kurz- und<br />
mittelfristigen Gesundheitsstörungen wie Schlaf- und gastrointestinalen<br />
Störungen schützen.<br />
These 9 Arbeitsmediziner und Vertreter weiterer Facharztgebiete der Medizin<br />
sollten sorgfältig über diese IARC Klassifikation, derzeitige<br />
Unsicherheiten und zukünftige Implikationen informiert werden.<br />
These 10 Die <strong>DGAUM</strong> sollte die Option prüfen, eine Arbeitsgruppe zu schaffen,<br />
die allfällige Forschungsmaßnahmen und die Entwicklung von<br />
präventiven Ansätzen koordiniert.<br />
Medizinische Vorsorgeuntersuchungen werden in der näheren Zukunft<br />
keine Optionen für die Prävention bieten.<br />
Darüber hinaus besteht Konsens, dass eine sorgfältige Risikoabschätzung [Samet et al.<br />
1998] die entscheidende Grundlage für eine angemessene Risikokommunikation ist.<br />
Es ist zu betonen, dass von den vier relevanten Evidenzsäulen, die bei einer<br />
angemessenen Risikoabschätzung [„Risikoidentifikation“, „Dosis-Wirkungs-<br />
Abschätzung“, „Expositionsabschätzung“, „Risikocharakterisierung“] zu beachten sind,<br />
derzeit allein die Frage, „ob Schichtarbeit mit Chronodisruption Krebsrisiken erhöht“<br />
seitens der 24 IARC-Experten mit „wahrscheinlich“ beantwortet worden ist<br />
[„Risikoidentifikation“: „wahrscheinlich“; Straif et al. 2007].<br />
Es ist zu erwarten, dass die IARC-Klassifizierung in Deutschland und anderswo<br />
Unsicherheit bei Versicherten und auch Besorgnis erzeugen wird; tatsächlich leisten fast<br />
20 Prozent der Beschäftigten in entwickelten Ländern Nacht- und Schichtarbeit.<br />
Das Positionspapier zum Kölner Kolloquium 2008 durch Vertreter der universitären<br />
Arbeitsmedizin und der betrieblichen Arbeitsmedizin, durch Epidemiologen und<br />
Arbeitswissenschaftler soll daher auch dazu beitragen, über den derzeitigen<br />
wissenschaftlichen Kenntnisstand angemessen zu informieren und zu orientieren [Erren<br />
et al. <strong>2009</strong>]. Dies erscheint umso wichtiger als Dänemark erste Entschädigungen für<br />
Schichtarbeiterinnen mit Brustkrebs gewährt und offensichtlich eine Aufnahme in die<br />
dortige Liste der Berufskrankheiten prüfen wird [Internet Quellen <strong>2009</strong>]. Diese<br />
Anerkennungs- und Entschädigungspraxis hat im unmittelbaren Nachgang an die<br />
244
V47a<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
diesjährige <strong>DGAUM</strong>-Jahrestagung in Aachen zu intensiven Diskussionen in Australien,<br />
Neuseeland, Asien, Nordamerika und besonders auch in England, den Niederlanden und<br />
in Belgien geführt.<br />
Literatur:<br />
Erren TC, Reiter RJ. Defining chronodisruption. J Pineal Res. <strong>2009</strong> Feb 9.<br />
Erren TC, Reiter RJ, Piekarski C. Light, timing of biological rhythms, and<br />
chronodisruption in man. Naturwissenschaften. 2003;90:485-94.<br />
Erren TC, Pape HG, Reiter RJ, Piekarski C. Chronodisruption and cancer.<br />
Naturwissenschaften. 2008;95:367–82.<br />
Erren TC, Morfeld P, Stork J, Knauth P, von Mülmann MJ, Breitstadt R, Müller U,<br />
Emmerich M, Piekarski C. Shift work, chronodisruption and cancer?-the IARC 2007<br />
challenge for research and prevention and 10 theses from the Cologne Colloquium<br />
2008. Scand J Work Environ Health. <strong>2009</strong> 35:74-9.<br />
Internet Quellen <strong>2009</strong>: http://www.dailymail.co.uk/health/article-1162342/Denmarkcompensates-women-developed-breast-cancer-working-nights--Britain-deniestheres-risk.html?ITO=1490;<br />
http://news.bbc.co.uk/1/hi/scotland/7945145.stm<br />
Samet JM, Schnatter R, Gibb H. Epidemiology and risk assessment. Am J Epidemiol.<br />
1998 148:929-36.<br />
Straif K, Baan R, Grosse Y, Secretan B, Ghissassi FEL, Bouvard V, et al. Carcinogenicity<br />
of shift-work, painting, and fire-fighting. Lancet Oncol. 2007;8:1065–6.<br />
245
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Zusammenhang von Nachtarbeitsanteil und Komponenten der<br />
Gesundheit und des Schlafes bei Beschäftigten im Hotel- und<br />
Gaststättengewerbe sowie in Bäckereien<br />
Reingard Seibt 1 , Stefan Ulbricht 1 , Annelore Seibt 2 , Bettina Hunger 3<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />
THUMEDI-Präventionsmanagement GmbH<br />
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ASD*BGN, Koordinationsstelle Potsdam<br />
Problem- und Zielstellung<br />
Schichtarbeit existiert in der Gastronomie- (GA) und in Bäckereibranche (BÄ) in<br />
verschiedenen Formen, von denen sich Schichtformen mit hohem Nachtarbeitsanteil<br />
ungünstig auf Schlaf und Gesundheit auswirken können. So postulieren bisherige<br />
Studien vor allem einen Zusammenhang zwischen Nachtarbeit und einem vermehrten<br />
Auftreten von Schlafstörungen (Conway et al. 2008; Takahashi et al. 2008), erhöhten<br />
Ausprägungen von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bøggild & Knutsson,<br />
1999; Tenkanen 1997), einem vermehrten Auftreten von Magen-Darm-Beschwerden<br />
(Caruso et al. 2004; Costa et al. 2001) und psychischen Problemen (Amelsvoort et al.<br />
2005). Daher verdienen Schichtsysteme mit Nachtarbeitsanteil aus arbeitsmedizinischer<br />
Sicht besondere Beachtung.<br />
Tatsächlich wurden aber - trotz Arbeitsschutzgesetz - in arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen<br />
für die Beschäftigten aus der Gastronomie- und Bäckereibranche Nachtund<br />
Schichtarbeit und damit verbundene arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren nicht<br />
beachtet. Die bisherige arbeitsmedizinische Betreuung und Beratung dieser<br />
Beschäftigten war vor allem auf Haut- und Atemwegserkrankungen konzentriert.<br />
Ziel vorliegender Studie war es deshalb, eine Methodik zur arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge und individuellen medizinischen Beratung von Nacht- und Schichtarbeitern in<br />
Gastronomie- und Bäckereibranche zu entwickeln und zu erproben. Dazu wurden<br />
ausgewählte arbeits-, schlaf- und gesundheitsbezogene Faktoren von GA- und BÄ-<br />
Beschäftigten analysiert sowie Zusammenhänge zwischen Arbeitszeitgruppen mit<br />
unterschiedlichem Nachtarbeitsanteil (Nachtarbeits-Index) und Komponenten der<br />
Gesundheit und des Schlafes untersucht.<br />
Methodik<br />
Stichprobe: An den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nahmen von 2006<br />
bis 2008 122 (65%) GA- und 65 (35%) BÄ-Beschäftigte aus fünf GA- und sechs BÄ-<br />
Betrieben teil. Die Teilnahme erfolgte freiwillig (Teilnehmerquote: 30 bis 100%). Diese<br />
Stichprobe wurde anhand eines Nachtarbeits-Indexes folgenden drei Arbeitszeitgruppen<br />
(AZG) zugeordnet (ermittelt auf der Basis eines vierwöchigem Arbeitszeitprotokolls):<br />
- AZG 1 (20%): Normalschicht, keine Nachtarbeit (0h)<br />
246
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
- AZG 2 (43%): Wechselschicht, ≤0-2h Nachtarbeit - geringer Nachtarbeitsanteil<br />
- AZG 3 (37%): Nachtarbeit, >2-7h Nachtarbeit - hoher Nachtarbeitsanteil.<br />
Die Besonderheiten der Stichprobe sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Das<br />
Durchschnittsalter der Stichprobe betrug 34±11 Jahre und unterschied sich zwischen<br />
den AZG signifikant (p
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Untersuchungsmethoden: Zur Erhebung der Arbeits- und Schlafzeiten war von den<br />
Beschäftigten über 28 Tage ein Arbeitszeit- und Schlafprotokoll zu führen, das zugleich<br />
auch für die Erstellung des Nachtarbeits-Indexes und zur Ermittlung von<br />
schlafbezogenen Faktoren (Schlafqualität und -quantität, geteilter Schlaf) diente.<br />
Arbeitsbezogene Faktoren (Schichtzeiten) und -bedingungen sowie weitere<br />
Charakteristika des Schlafverhaltens (Schlafstörungen, Chronotypen) wurden mittels<br />
schichtarbeitsspezifischer Berufsanamnese (SAB - in Anlehnung an den Standard<br />
Shiftwork Index (SSI: Barton et al. 1995) erhoben.<br />
Als Gesundheitskomponenten wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren (u.a. Procam-<br />
Score nach Assmann et al. (2002): Blutdruck, Fettstoffwechselparameter, Sport,<br />
Rauchen, Diabetes, Herzinfarkt in der Familie, Alter) sowie schicht- bzw.<br />
branchentypische Beschwerden (u.a. Magen- und Verdauungsbeschwerden, psychische<br />
und psychovegetative Beschwerden) erfasst. Dazu erfolgte eine spezielle klinische eine<br />
Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine standardisierte Blutdruckmessung und<br />
eine Blutentnahme, die insbesondere zur Bestimmung der Fettstoffwechselparameter<br />
diente. Beschwerden bzw. Erkrankungen, Gesundheitsverhalten und<br />
Genussmittelkonsum wurden zunächst mit einem Selbstbeobachtungsbogen erfragt und<br />
zusätzlich im Rahmen der Anamnese kontrolliert.<br />
Auswertung und Statistik 2 : Zur Prüfung der Unterschiedsfragestellungen zum<br />
Vergleich der AZG wurden die one-way ANOVA (Überprüfung der Normalverteilung:<br />
Kolmogorov-Smirnoff-Test; post-hoc Tests: bei Varianzgleichheit Bonferroni-Korrektur, -<br />
bei Varianzungleichheit Tamhane T2) sowie die Kruskal-Wallis-Rangvarianzanalyse<br />
(verteilungfreie Alternative zur one-way ANOVA; post-hoc Test: Mann-Whitney-U-Test)<br />
herangezogen (Bortz & Lienert 2008). Als Effektgröße der Varianzanalyse dient das<br />
partielle Eta-Quadrat (η 2 ). Häufigkeitsanalysen erfolgten mit 2*2-Felder-Chi-Quadrat-<br />
Tests sowie dem Fisher-Freeman-Halton exact Test. Für die Analyse der<br />
Zusammenhangsfragestellungen mit dem Nacht-arbeitsanteil wurden bivariate (Kendalls-<br />
Tau-b) und partielle Korrelationen verwendet, um Störvariablen Alter, Branche und<br />
Geschlecht zu eliminieren (Bortz et al. 2008).<br />
Ergebnisse<br />
Schichtzeitenanalyse und schlafbezogene Faktoren: Die GA-Beschäftigten arbeiten<br />
im Durchschnitt 1,1 Stunde pro Arbeitstag zwischen 23 und 6 Uhr, die BÄ-Beschäftigten<br />
2,8 Stunden in Nachtarbeit (22 - 5 Uhr), wobei die Nachtarbeit in der GA-Branche<br />
vorrangig am späten Abend, in der BÄ-Branche in der Nacht oder am frühen Morgen<br />
geleistet wird. Beschäftigte der AZG 3 schlafen durchschnittlich 0,8 Stunden weniger pro<br />
2 Bei der Interpretation korrelativer Zusammenhänge sind die Besonderheiten der Stichprobe, die durch eine ungleiche Ver- teilung von Branche, Alter und Geschlecht in den<br />
drei AZG gekennzeichnet sind, zu beachten, d.h. diese Variablen müssen<br />
als Störvariablen (Kovariate) eliminiert werden.<br />
248
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Arbeitstag als Beschäftigte der AZG 2 mit geringerem Nachtarbeitsanteil (p
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
- HDL-Cholesterin (1) 64,2 ± 22,7 58,2 ± 17,6 52,0 ± 23,3 F = 3,6 .032*<br />
- Triglyceride (1) 103,4 ± 59,2 124,0 ± 72,9 138,6 ± 74,3 F = 3,8 .024*<br />
Anmerkungen: MW: Mittelwerte; SD: Standardabweichungen; Häufigkeiten [%]<br />
Arbeitszeit: Ø Arbeitszeit pro Arbeitstag inkl. Wegezeit; Schlafzeit: Ø Schlafzeit an Arbeitstagen sowie freien Tagen (ohne<br />
Urlaub); Freizeit: Ø Freizeit – Differenz von Arbeitszeit (inkl. Wegezeit) und Schlafzeit zu 24 Stunden<br />
Globalvergleich: one-way ANOVA, (1) Welch-Prüfgröße; (2) Kruskal-Wallis-Rangvarianzanalyse; (3) k*2-Felder-Chi-Quadrat-<br />
Test;<br />
(4)<br />
Fisher-Freeman-Halton exact Test; Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />
Zwischen den schichtbezogenen Zeitanteilen und dem Nachtarbeitsanteil bestehen<br />
signifikante mittlere (bivariate) Zusammenhänge (r=-.29; r=-.27), wonach die Arbeitszeit<br />
und Schlafzeit mit zunehmendem Nachtarbeitsanteil abnehmen, der Freizeitanteil aber<br />
zunimmt (r=.35). Nach Ausparialisierung der Störvariablen sind die Zusammenhänge der<br />
Zeitanteile zum Nachtarbeitsanteil nicht mehr signifikant (aufgrund der<br />
Branchenzugehörigkeit). Die signifikanten Korrelationen zwischen Branche und<br />
Arbeitszeit (r=-.45), Schlafzeit (r=-.29) und Freizeit (r=.50) zeigen, dass die Beschäftigten<br />
in der BÄ-Branche im Durchschnitt weniger arbeiten und schlafen als die in der GA-<br />
Branche.<br />
Gesundheitskomponenten: Für das Gesundheitsverhalten ist zu erkennen, dass sich<br />
die Beschäftigten mit zunehmendem Nachtarbeitsanteil häufiger regelmäßig sportlich<br />
betätigen (Tab. 2). Allerdings spiegelt sich dieser Effekt nicht in signifikanten<br />
Unterschieden oder Korrelationen wider. Der höchste Anteil an Nichtrauchern ist in AZG 3<br />
(72%) vertreten, die meisten Raucher befinden sich AZG 2 (53%; p=.002), d.h. in der GA-<br />
Branche wird mehr geraucht als in der BÄ-Branche (r=-.19). Tendenziell ist für AZG 3 mit<br />
hohem Nachtarbeitsanteil und damit für die älteren Bäcker das positivste<br />
Gesundheitsverhalten zu verzeichnen.<br />
Die durchschnittliche Ausprägung der Fettstoffwechselparameter unterscheidet sich<br />
zwischen den AZG nicht signifikant (Tab. 2). Nur die durchschnittliche Konzentration des<br />
HDL-Cholesterins ist zwischen den AZG unterschiedlich verteilt (p=.032). Jedoch besteht<br />
für HDL-Cholesterin und Triglyceride eher ein Zusammenhang zum Alter (r=-.22; r=-.16)<br />
als zum Nachtarbeitsanteil (r=-.13; r=.09 bereinigt). Der Blutdruck steigt ebenfalls vor<br />
allem mit zunehmendem Alter (SBD: r=.20; DBD: r=.19) und nicht mit dem<br />
Nachtarbeitsanteil an (SBD: r=.21; DBD: r=.18). Beschäftigte der AZG 3 haben im<br />
Durchschnitt einen Blutdruck von 124/76 mmHg, während bei Normalschichtlern ein<br />
Durchschnittsblutdruck von 113/70 mmHg vorliegt (Tab. 2), wobei sich die Mittelwerte im<br />
Normbereich befinden. Die Standardabweichungen weisen jedoch darauf hin, dass bei<br />
einem Teil der Beschäftigten Hypertonie (13%) vorliegt (AZG 1 : 6%, AZG 2 :13%; AZG 3<br />
16%). Resultierend aus diesen Ergebnissen steigt das kardiovaskuläre Risiko mit dem<br />
Nachtschichtanteil leicht an (Tab. 2), wobei im individuellen Fall erhebliche<br />
Schwankungen auftreten (SD: 1,4-3,5). Konsequenterweise ergibt sich daher für den<br />
PROCAM-Score ein ähnlicher Effet (r=.18; r=.02 bereinigt) wie für<br />
250
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Fettstoffwechselparameter und Blutdruck, wonach sich die scheinbaren Korrelationen<br />
zum Nachtarbeitsanteil nach Auspartialisierung der Störvariablen nicht mehr nachweisen<br />
lassen; in AZG 3 sind mehr ältere Männer, die bezüglich Herzinfarktrisiko eine größere<br />
Gefährdung erwartet.<br />
Die Anzahl und Art der Beschwerden unterscheiden sich zwischen den AZG ebenfalls<br />
nicht. In beiden Branchen berichten 34% keine, 59% gelegentlich und 7% häufig<br />
Schlafstörungen. Über gelegentliche Magenbeschwerden klagen 19% aller<br />
Beschäftigten, über gelegentliche Kopfschmerzen 36% der Männer und 62% der Frauen<br />
und über Depressionen 5% der Männer und 10% der Frauen. Ein Zusammenhang<br />
zwischen dem Nachtarbeitsanteil und den untersuchten schichttypischen Beschwerden<br />
besteht nicht (r=-.11 bis r=.08).<br />
Schlussfolgerung<br />
Die in der Literatur postulierten Befunde zum Zusammenhang von Nachtarbeit und<br />
„Gesundheit“ konnten weitgehend nicht bestätigt werden. Es scheinen keine<br />
Zusammenhänge zwischen Gesundheitsvariablen (Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen, schicht-typische Beschwerden und Erkrankungen) und Nachtarbeitsanteil<br />
vorzuliegen. Nach Eliminierung der Störvariablen sind keine Zusammenhänge zwischen<br />
den untersuchten Schlaf- und Gesundheitsvariablen und dem Nachtarbeitsanteil<br />
nachweisbar. Vielmehr verdeutlichen die Korrelationskoeffizienten einen Zusammenhang<br />
zu den Hauptmerkmalen der Stichprobe, d.h. die untersuchten Variablen werden vor<br />
allem durch Branche (Art der Tätigkeit), Alter und Geschlecht beeinflusst. Dies gilt unter<br />
Beachtung der relativ jungen Stichprobe, weshalb sich Gesundheitsgefahren der Nachtund<br />
Schichtarbeit bisher noch nicht manifestiert haben könnten; denn die medizinischen<br />
Befunde (z.B. Schlafstörungen, Hypertonie) weisen durchaus auf Präventionsbedarf hin.<br />
Andererseits sind Schichtarbeiter über eine gesunde Lebensweise aufgeklärt, so dass<br />
Unterschiede im Gruppenvergleich maskiert sein können. Die Bedeutung sonstiger<br />
beruflicher, räumlicher und sozialer Einflussfaktoren bleibt ungeklärt.<br />
Literatur<br />
Amelsvoort, L. G. P. M. van; Jansen, N.; Kant, I. J. (2005). Mental illness and depression among<br />
shift and day workers. In: Jansen, B.; Kerkhof, G.; Koopman, M.; Witmond, A. (Eds.): 17 th<br />
International Symposium on Shiftwork and Working Time – Program and Abstracts, Shiftwork<br />
International Newsletter 22 (2), 24.<br />
Assmann, G.; Cullen, P.; Schulte, H. (2002). Simple scoring scheme for calculating the risk of<br />
acute coronary events based on the 10-year follow-up of the Prospective Cardiovascular Münster<br />
(PROCAM) Study. Circulation 105 (7), 310-315.<br />
Barton, J.; Costa, G.; Smith, E.; Spelten, E.; Totterdell, P.; Folkard, S. (1995). The Standard<br />
Shiftwork Index: A battery of questionnaires for assessing shiftwork-related problems. Work &<br />
Stress 9 (1), 3-30.<br />
Bøggild, H.; Knutsson, A. (2000). Meta-Analyse epidemiologischer Literatur über Schichtarbeit<br />
und Herzerkrankungen. Z Arbeitswiss 54, 330-334.<br />
251
V48<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Bortz, J.; Lienert, G. A. (2008). Kurzgefasste Statistik für die Klinische Forschung - Leitfaden für<br />
die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben. (3. Aufl.). Heidelberg: Springer.<br />
Caruso, C. C.; Lusk, S. L.; Gillespie, B. W. (2004). Relationship of workers schedules to<br />
gastrontestinal diagnoses, symptoms, and medication use in auto factory workers. Am J Indust<br />
Med 46 (6), 586-598.<br />
Conway, P.; Campanini, P.; Sartori, S.; Dotti, R.; Costa, G. (2008). Main and interactive effects of<br />
shiftwork, age and work stress on health in an Italian sample of healthcare workers. Appl<br />
Ergonomics 39 (5), 630-639.<br />
Costa, G.; Sartori, S.; Facco, P.; Apostoli, P. (2001). Health conditions of bus drivers in a 6 year<br />
follow up study. J Hum Ergol (Tokyo) 30 (1-2), 405-410.<br />
Takahashi, M.; Iwakiri, K.; Sotoyama, M.; Higuchi, S.; Kiguchi, M.; Hirata, M.; Hisanaga, T.;<br />
Taoda, K.; Nishiyama, K. (2008). Work schedule differences in sleep problems of nursing home<br />
caregivers. Applied Ergonomics 39 (5), 597-604.<br />
Tenkanen, L.; Sjöblom, T.; Kalimo, R.; Alikoski, T.; Härmä, M. (1997). Shift work, occupation and<br />
coronary heart disease over 6 years of follow-up in the Helsinki Heart Study. Scand J Work<br />
Environ Health 23 (4), 257-265.<br />
252
V49<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Der Einfluss von Wechsel- und Nachtschichtarbeit auf die<br />
Entstehung des Mammakarzinoms (GENICA-Studie)<br />
Volker Harth 1 , Sylvia Rabstein 1 , E. Heinze 1 , Markus Schiffermann 2 , Anne Spickenheuer 1 ,<br />
Christian Baisch 2 , Yon Ko 2 , Beate Pesch 1 , Thomas Brüning 1<br />
1<br />
BGFA-Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2<br />
Evangelische Kliniken Bonn gGmbH<br />
Laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes arbeiten aktuell in Deutschland etwa<br />
17 Mill. Erwerbstätige in einer Form von Wechselschichtsystem, allein 2,5 Millionen in<br />
Nachtschicht, darunter 600.000 Frauen und 1,9 Mill. Männer (Breiholz et al., 2005). Die<br />
Anzahl der erwerbstätigen Frauen in Nachtschicht stieg seit der Wiedervereinigung um<br />
35% an, wobei Arbeitsmarktforscher mit einer weiteren Zunahme rechnen.<br />
Die International Agency for Research on Cancer (IARC) stufte im Jahre 2007<br />
Schichtarbeit, die eine Störung der Zirkadianik verursacht, in die Kategorie 2A<br />
(„wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen“) ein. Als wichtigstes Zielorgan wurde<br />
die weibliche Brust angesehen, wobei die Evidenz anhand der epidemiologischen<br />
Studien zu Schichtarbeit und Krebs bisher nur als beschränkt bewertet wird. Grundlage<br />
für die Einstufung waren u. a. Ergebnisse der Nurses’ Health Study, die ein leicht<br />
erhöhtes Brustkrebsrisiko von Langzeit-Angestellten im Nachtdienst gegenüber<br />
Krankenschwestern im Tagdienst zeigten (Schernhammer et al. 2005). Eine Limitation<br />
vieler Studien zu dieser Fragestellung stellt jedoch die bislang uneinheitlich und generell<br />
nicht sehr detaillierte Expositionserhebung der Schichtsysteme dar.<br />
Die interdisziplinäre Studiengruppe 'Gene-Environment Interaction and Breast Cancer in<br />
Germany' (GENICA) führte von 2000 bis 2004 eine bevölkerungs-bezogene molekularepidemiologische<br />
Fall-Kontroll-Studie zu Risikofaktoren des Mammakarzinoms in der<br />
Region Bonn durch. Dabei wurden alle mindestens ein Jahr lang ausgeübten Berufe<br />
erfasst und nach der Internationalen Standardklassifikation (ISCO 1988) kodiert. Im<br />
Rahmen einer ersten Nachbefragung konnten 857 Patientinnen und 892<br />
Bevölkerungskontrollen zu einer möglichen Tätigkeit im Schichtdienst befragt werden.<br />
Zur Ermittlung der Art, Dauer und Länge der Schichtarbeit bzw. des Schichtsystems<br />
wurde ein Zusatzfragebogen entwickelt, der die noch offenen Fragen im Hinblick auf die<br />
Expositionserhebung berücksichtigt und eine weitergehende Analyse ermöglicht. Von<br />
den 1749 Teilnehmerinnen der 1. Nacherhebung machten 1724 Teilnehmerinnen (841<br />
Fälle/883 Kontrollen) Angaben zur Schichtarbeit (ja/nein), wobei 211 Teilnehmerinnen<br />
mit validierter, positiver Schichtarbeitsanamnese im Rahmen der 2. Nacherhebung<br />
kontaktiert wurden. Von diesen wurde telefonisch eine detaillierte<br />
253
V49<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Schichtarbeitsanamnese zu Schichtphasen, Berufen (Zeitraum), typischen Tätigkeiten,<br />
Rotationssystemen (rückwärts, vorwärts) und Beginn bzw. Ende der Schichten<br />
(Uhrzeiten) erhoben. Für die Analysen wurden Beschäftigte in Schichtarbeit mit<br />
Teilnehmerinnen, die jemals beschäftigt, aber nie in Schichtarbeit tätig waren, verglichen,<br />
da die Gruppe der “Niemals-Beschäftigten” Unterschiede in der Verteilung von Lifestyle-<br />
Faktoren wie Geburtenanzahl, Hormoneinnahme und Raucherstatus zeigte. Als<br />
Schichtarbeiterinnen wurden Frauen definiert, die mindestens 1 Jahr in Schichtarbeit vor<br />
dem Zeitpunkt der Ersterhebung beschäftigt waren. “Nachtschichtarbeiterinnen” mussten<br />
definitionsgemäß mindestens 1 Jahr in Schichtarbeit vor dem Zeitpunkt der Ersterhebung<br />
tätig gewesen sein und zwischen 1.00 h und 5.00 h gearbeitet haben.<br />
In Fällen und Kontrollen wurde ein ähnlich hoher Anteil von Teilnehmerinnen, die in<br />
Schichtarbeit (12,2% der Fälle und 13,2% der Kontrollen) bzw. in Nachtschichtarbeit<br />
(6,1% der Fälle und 6,3% der Kontrollen) tätig waren, ermittelt. Diese Teilnehmerinnen<br />
gehörten den verschiedensten Branchen an, insbesondere dem Gesundheitswesen.<br />
Weitere Beschäftigte waren in dem produzierenden Gewerbe tätig oder stammten aus<br />
dem Hotel- und Gastgewerbe oder waren Flugbegleiterinnen und Verkäuferinnen. Die<br />
Schätzung der Risiken durch Schichtarbeit erfolgte anhand einer logistischen Regression<br />
bedingt nach Alter in 5-Jahresgruppen. Der Datensatz wurde nach den potenziellen<br />
Confoundern Hormonersatz-Therapie, familiärer Brustkrebs und Anzahl der<br />
Mammographien adjustiert. Die Ergebnisse zeigten eine statistisch nicht-signifikante<br />
Risikoerhöhung bei substantieller Belastung durch Nachtschichten (≥ 3. Quartil der<br />
Kontrollen bzw. mehr als 20 Jahren in Nachtschicht). Die Power der Studie ist aufgrund<br />
der kleinen Fallzahlen von Frauen in langjähriger Nachtschichtarbeit beschränkt. Die<br />
detaillierte Befragung zur Schichtarbeit ermöglicht eine weitergehende Auswertung des<br />
Datensatzes. Insbesondere soll in den nächsten Auswerteschritten ein möglicher<br />
Selection Bias durch die wiederholten Nacherhebungen mit Bootstrapping adjustiert<br />
werden.<br />
Mit der IARC-Einstufung von Schichtarbeit bzw. Chronodisruption in die Kategorie 2A<br />
besteht ein dringender Bedarf an weiterführenden Studien. Von Bedeutung ist die<br />
Ermittlung von Chronodisruption, um verträgliche Schichtsysteme zu konzipieren. Die<br />
differenzierte Erhebung und Analyse der Schichtsysteme unter Berücksichtigung<br />
mechanistischer Aspekte ist dabei von entscheidender Bedeutung. Um die<br />
Vergleichbarkeit epidemiologischer Studien zu gewährleisten, muss die Definition von<br />
Schichtarbeit international standardisiert werden. Dazu wurde im April <strong>2009</strong> ein<br />
254
V49<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Workshop der IARC durchgeführt, der durch die DGUV gefördert wurde und an dem<br />
Vertreter der DGUV beteiligt waren.<br />
Literatur<br />
Breiholz H, Duschek K-J, Hansch E, Nöthen, M. 2005. „Leben und Arbeiten in<br />
Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2004“ Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.<br />
Schernhammer ES, Kroenke CH, Laden F, Hankinson SE. 2006. Night work and risk of<br />
breast cancer. Epidemiology 17:108-111.<br />
Straif K, Baan R, Grosse Y, Secretan B, El Ghissassi F, Bouvard V, Altieri A, Benbrahim-<br />
Tallaa L, Cogliano V. 2007. Carcinogenicity of shift-work, painting, and fire-fighting.<br />
Lancet Oncol 8:1065-1066.<br />
255
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Ist der Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen ein geeigneter<br />
Indikator der physiologischen Anpassung an Nachtarbeit?<br />
Barbara Griefahn, Sibylle Robens und Anke Marks<br />
IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
Einleitung<br />
Psychophysiologische Funktionen zeigen in der Regel eine mehr oder weniger<br />
ausgeprägte zirkadiane Rhythmik. Deren Parameter (Periode, Phasenlage, Amplitude)<br />
variieren interindividuell erheblich, sind intraindividuell aber stabil. Phasenlage und<br />
Amplitude ändern sich aber mit der zeitlichen Variation äußerer Zeitgeber, wie etwa bei<br />
Transmeridianflügen und bei Nachtarbeit. Der Organismus versucht sich dem um acht<br />
bis zehn Stunden verschobenen Schlaf-Wach-Wechsel durch allmähliche Verschiebung<br />
der Phasenlage anzupassen. Bei realer Nachtarbeit verläuft diese Anpassung mit meist<br />
weniger als einer Stunde pro Nachtschicht sehr langsam. Deshalb ist es sinnvoll, dass<br />
die EU-Richtlinie 93/104 eine Begrenzung auf maximal drei aufeinander folgenden<br />
Nachtschichten fordert, was die Wiederanpassung an die Tagschicht erleichtert.<br />
An einigen Arbeitsplätzen sind jedoch länger dauernde Einsätze erforderlich, wobei eine<br />
schnelle Anpassung sinnvoll ist. Letztere lässt sich durch die Applikation von Licht<br />
und/oder Melatonin erzielen. In wissenschaftlichen Untersuchungen, in denen die Anzahl<br />
der Probanden naturgemäß beschränkt ist, wird die Anpassung, d.h. das Ausmaß der<br />
Phasenverschiebung durch Constant Routines oder durch Phase Assessment<br />
Procedures vor und nach mehreren Nachtschichten, ermittelt [Burgess und Eastman<br />
2004, Duffy und Dijk 2002]. In der Realsituation ist dies nur schwer möglich, da solche<br />
Prozeduren den Schichtplan unterbrechen. Um dies zu vermeiden, sind andere<br />
Indikatoren der Anpassung notwendig. Hennig et al. [1998] zeigten als Nebenbefund,<br />
dass die zu Beginn und am Ende der Schichtarbeit gemessenen Cortisolkonzentrationen<br />
im Laufe mehrerer aufeinander folgender Nachtschichten kontinuierlich anstiegen bzw.<br />
abfielen. Griefahn und Robens [2008] beobachteten die Cortisol-Aufwachreaktion bei<br />
Morgen- und bei Abendtypen und fanden nur bei Letzteren einen allmählichen Anstieg<br />
während dreier aufeinander folgender Nachtschichten. Gegenstand der nachfolgend<br />
präsentierten Untersuchung ist daher die Frage, ob die Cortisol-Aufwachreaktion (CAR)<br />
und/oder die Differenz der zu Beginn und am Ende einer Schicht gemessenen<br />
Cortisolkonzentrationen sich als Indikatoren der Anpassung an Nachtarbeit eignen.<br />
Methoden<br />
18 gesunde Studierende (8 Frauen, 10 Männer, 19-29 Jahre) beteiligten sich an der<br />
Untersuchung. Sie gaben ihr schriftliches Einverständnis zu der von der Ethikkommission<br />
genehmigten Untersuchung. Interessenten mit chronischen Erkrankungen, Alkohol- und<br />
256
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Drogenkonsum oder hohen Neurotizismus-Werten sowie Personen, die täglich mehr als<br />
fünf Zigaretten rauchten; solche, die üblicherweise vor 22 bzw. nach 24 Uhr ins Bett<br />
gingen oder üblicherweise mehr als zehn bzw. weniger als sechs Stunden schliefen,<br />
waren von der Teilnahme ausgeschlossen.<br />
Experimentelles Design. Die Probanden arbeiteten zunächst vier aufeinander folgende<br />
8-stündige Frühschichten (8-16 Uhr), danach vier aufeinander folgende 8-stündige<br />
Nachtschichten (23-7 Uhr). Jeder Arbeitsschicht ging eine 8-stündige Bettruhe voraus<br />
(23-7 Uhr vor der Frühschicht, 14-22 Uhr vor der Nachtschicht). Während der<br />
Arbeitsschicht betrug die Raumbeleuchtung 150-200 lux. Sie wurde zur beschleunigten<br />
Voreilung des zirkadianen Systems in den letzten beiden Stunden der Nachtschicht auf<br />
1500-2000 lux erhöht.<br />
Datenerhebung. Zur Bestimmung der CAR wurden unmittelbar nach dem Aufwachen<br />
und in 15-minütigen Abständen weitere vier Speichelproben genommen. Während dieser<br />
Zeit durften weder die Zähne geputzt noch gegessen oder geraucht werden. Alle Fälle, in<br />
denen die Probanden mehr als zehn Minuten vor der ersten Speichelprobe aufgewacht<br />
waren, gingen nicht in die weiteren Berechnungen ein. Zur Bestimmung der<br />
Schichtprofile und der CSD wurden während jeder der vier Tag- und der vier<br />
Nachtschichten stündlich Speichelproben genommen. Die Probennahmen erfolgten mit<br />
Salivetten ® (Sarstedt), die im Mund bewegt und so eingespeichelt wurden. Die Salivetten<br />
wurden unmittelbar danach zentrifugiert und der Speichel bis zur Analyse bei -20°C<br />
eingefroren. Die Analyse erfolgte mit einem Lumineszenz-Immunoassay (LIA, IBL) mit<br />
einer Nachweisgrenze bei 0.16 ng/ml.<br />
Während der Bettruhe wurde das Polysomnogramm bestehend aus zwei<br />
Elektroenzephalogrammen (EEG), zwei Elektrookulogrammen (EOG) und einem<br />
Elektromyogramm (EMG) nach Rechtschaffen und Kales [1968] abgeleitet.<br />
Auswertung und Statistik. Die Analyse konzentrierte sich auf folgende Parameter:<br />
– C 0 : Cortisolkonzentration unmittelbar nach dem Aufwachen.<br />
– CAR (Cortisol-Aufwachreaktion): Die fünf nach dem Aufwachen genommenen<br />
Speichelproben wurden abzüglich des ersten Wertes (C 0 ) zu einem einzigen Wert, der<br />
Fläche unter der Kurve, integriert (AUC I ).<br />
– CSD (Cortisolschichtdifferenz): Die Differenz der Cortisolkonzentrationen zu Beginn<br />
und am Ende der Schicht.<br />
Das Polysomnogramm wurde nach den Regeln von Rechtschaffen und Kales [1968]<br />
ausgewertet.<br />
257
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Ergebnisse<br />
Nachtschlaf/Tagschicht. Während der Cortisolwert nach dem Aufwachen (C 0 ) vom<br />
ersten bis zum vierten Nachtschlaf anstieg, fielen die CAR und die CSD ab. Mittels<br />
ANOVA ergab sich ein signifikanter Effekt der Reihenfolge (Tabelle 1). Der jeweils erste<br />
Messwert aller drei Cortisol-Parameter unterschied sich signifikant vom vierten, bei CAR<br />
und CSD auch vom dritten Messwert. Der jeweils zweite bis vierte Messwert wurde<br />
daher zu einem Mittelwert M(2-4) zusammengefasst, mit dem die nach dem Tagschlaf<br />
und während der Nachtschicht erhobenen Werte verglichen wurden.<br />
Tagschlaf/Nachtschicht. C 0 , CAR und CSD waren nach dem Tagschlaf bzw. während<br />
der Nachtschicht zunächst hochsignifikant niedriger als nach dem Nachtschlaf bzw.<br />
während der Tagschicht. Bei allen drei Parametern lässt sich aber ein Anstieg<br />
beobachten. Letzterer ist bei C 0 nicht bedeutsam. Die in Abbildung 1 erkennbaren<br />
Anstiege der CAR und der CSD fielen hingegen hochsignifikant aus (Anmerkung: da 13<br />
von 18 Probanden nach dem ersten Tagschlaf vorzeitig (> 10 Minuten vor der ersten<br />
Speichelprobe) aufgewacht waren, wurde dieser Messwert bei der CAR in der<br />
nachfolgenden Statistik nicht berücksichtigt). Der Vergleich mit dem Mittelwert der<br />
vorhergehenden Tagschichtperiode (M(2-4)) war bis zum dritten Tagschlaf bzw. bis zur<br />
dritten Nachtschicht hochsignifikant, während sich die jeweils letzten Werte der CAR und<br />
der CSD nicht mehr von M(2-4) unterschieden.<br />
Schließlich wurden die nach dem zweiten bis vierten Tagschlaf ermittelten CARs mit den<br />
CSDs der zweiten bis vierten Tagschicht korreliert. Der Zusammenhang ist mit r = 0.90<br />
hochsignifikant (p
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Dies überrascht insofern, als dass die unmittelbar nach dem Aufwachen registrierte<br />
Cortisolkonzentration (C 0 ) kaum angestiegen war. Ganz offensichtlich war die<br />
Anpassung an die Nachtschicht nicht mit einer entsprechenden vollständigen Voreilung<br />
des zirkadianen Systems verknüpft.<br />
Die sehr hohe Korrelation zwischen der CAR und der CSD lässt vermuten, dass beide<br />
Parameter gleichwertige Indikatoren der Anpassung an Nachtarbeit sind. Dabei ist aber<br />
zu berücksichtigen, dass die hier vorgestellten Ergebnisse zunächst für eine<br />
experimentelle mit einer Voreilung des zirkadianen Systems verbundenen Rückwärts-<br />
Rotation gelten. Ob die CAR und die CSD die weit häufigere durch eine Vorwärtsrotation<br />
verursachte Verzögerung des Systems ebenso gut indizieren, ist zwar zu vermuten,<br />
muss aber noch nachgewiesen werden. Schließlich bleibt auch offen, wie sich diese<br />
Parameter in der Realsituation verhalten. Bestätigen sich diese Ergebnisse, dann kann<br />
sich die Wahl der zu erhebenden Parameter (CAR oder CSD) an den Bedingungen am<br />
Arbeitsplatz und an den häuslichen Gegebenheiten orientieren.<br />
Literatur<br />
Burgess HJ, Eastman CI, 2004: Early versus late bedtimes phase shift the human dim<br />
light melatonin rhythm despite a fixed morning lights on time. Neuroscience Letters<br />
356(2):115-118.<br />
Duffy JE, Dijk DJ, 2002: Getting through to circadian oscillators: Why use constant<br />
routines? J Biol Rhythms 17:4-13.<br />
EU-Richtline 93/104<br />
Federenko I, Wüst S, Hellhammer DH, Dechoux R, Kumsta R, Kirschbaum C, 2004: Free<br />
cortisol awakening responses are influenced by awakening time.<br />
Psychoneuroendocrinology 29:174-184.<br />
Griefahn B, Robens S, 2008: The cortisol awakening response. A pilot study on the<br />
effects of shift work, morningness and sleep duration. Psychoneuroendocrinology<br />
33:981-988.<br />
Hennig J, Kieferdorf P, Moritz C, Huwe S, Netter P, 1998: Changes in cortisol secretion<br />
during shiftwork: implications for tolerance to shiftwork? Ergonomics 41:610-621.<br />
Kudielka BM, Buchtal J, Uhde A, Wüst S, 2007: Circadian cortisol profiles and<br />
psychological self-reports in shift workers with and without recent change in shift rotation<br />
system. Biological Psychology 74:92-103.<br />
Rechtschaffen A, Kales A, 1968: A manual of standardized terminology, techniques and<br />
scoring system for sleep stages in human subjects. US Dept. of Health, Education and<br />
Welfare, Public Health Service – National Institutes of Health, National Institute of<br />
Neurological Diseases and Blindness, Neurological Information Network, Bethesda,<br />
Maryland 20014.<br />
259
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Cortisol-Aufwachreaktion (CAR)<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Nachtschlaf<br />
M(2-4)<br />
*<br />
1.<br />
Tagschlaf<br />
* *<br />
2. 3. 4.<br />
n = 18 n = 5 n = 14 n = 17 n = 17<br />
Cortisol-Schichtdifferenz (CSD)<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
Tagschicht<br />
M(2-4)<br />
Nachtschicht<br />
* * *<br />
3. 4.<br />
1. 2.<br />
*<br />
Signifikanter Unterschied (p < 0.01) zum Mittelwert<br />
M(2-4) nach dem Nachtschlaf / während der Tagschicht<br />
Abbildung 1: Mittelwerte und Standardfehler der Cortisol-Aufwachreaktion nach 4<br />
Tagschlafperioden und der Cortisol-Schichtdifferenz errechnet für 4 aufeinander folgende<br />
Nachtschichten im Vergleich zum Mittelwert der letzten drei Beobachtungen (M(2-4)) der<br />
vorausgegangenen Nachtschlafperioden bzw. Tagschichten.<br />
260
V50<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Tagschicht/<br />
Nachtschlaf<br />
1<br />
n=17<br />
2<br />
n=16<br />
2<br />
n=18<br />
4<br />
n=17<br />
Mittelwert<br />
M(2-4)<br />
AM ± SD AM ± SD AM ± SD AM ± SD AM ± SD<br />
C 0 2.59 ±1.21 3.07 ±1.12 3.14 ±1.05 3.50 ±1.00 3.27 ±0.90<br />
CAR 15.15 ±9.51 12.71 ±7.65 10.59 ±6.03 11.76 ±6.10 11.53 ±5.98<br />
CSD (n=18) 8.72 ±4.83 7.70 ±4.56 6.21 ±3.91 6.15 ±3.36 6.69 ±3.60<br />
ANOVA (Paarvergleiche mit Tukey-Adjustierung)<br />
ANOVA 1 : 2 1 : 3 1 : 4 2 : 3 2 : 4 3 : 4<br />
F p p p p p p p<br />
C 0 4.56
V51<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Erfassung ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus mittels<br />
teilnehmender Ganzschichtbeobachtungen<br />
Matthias Weigl, Andrea Zupanc, Peter Angerer<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München<br />
Problemlage<br />
Arbeitszeit von Krankenhausärzten ist eine knappe Ressource. Daher ist es<br />
entscheidend zu wissen, für welche Aktivitäten Mediziner im Krankenhaus ihre Zeit<br />
verwenden. Sobald Arbeitsaktivitäten von Krankenhausärzten untersucht werden, sind<br />
es hauptsächlich quantitative (bspw. per Fragebogen) oder qualitative Selbstangaben<br />
(bspw. per narrativer Einzelinterviews), die zum Einsatz kommen. Systematische<br />
Erhebungen in Form von Fremdbeobachtungen, die objektivierte, empirisch belastbare<br />
Ergebnisse über typische Arbeitsinhalte und -abläufe ärztlicher Arbeit im Krankenhaus<br />
generieren, fehlen bislang weitgehend.<br />
Ziel der Studie<br />
Die vorliegende Arbeit beschreibt die Entwicklung, Güteprüfung sowie Anwendung eines<br />
systematischen Beobachtungsverfahrens für ärztliche Aktivitäten im Krankenhaus. Ziel<br />
ist, anhand eines reliablen Verfahrens, objektivierte Aussagen zu typischen<br />
Arbeitsabläufen und –inhalten von Ärzten in einem Krankenhaus aufzuzeigen.<br />
Methoden<br />
Entwicklung und Einsatz des Beobachtungsverfahrens zur Erfassung ärztlicher<br />
Aktivitäten im Krankenhaus vollzogen sich in folgenden Schritten: Im ersten Schritt<br />
erfolgte eine literaturbasierte Erarbeitung und expertenbasierte Zusammenstellung eines<br />
Kategoriensystems ärztlicher Tätigkeiten im Krankenhaus. Dieses wurde mit<br />
Krankenhausärzten und Experten diskutiert, um die Struktur und Inhalte zu reflektieren.<br />
Im zweiten Schritt folgte eine Phase der praktischen Erprobung. Hierzu wurden in einer<br />
Universitätskinderklinik Ärzte begleitet. Es folgte eine Diskussion und die Behebung<br />
aufgetretener Probleme (bspw. Häufigkeit nichtkodierter Tätigkeiten, Überschneidungen).<br />
Im dritten Schritt wurden das Beobachtungsverfahren endgültig definiert und beschrieben<br />
(siehe Abbildung 1). Für das Kategoriensystem ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus<br />
wurde ein Katalog 36 ärztlicher Aktivitäten festgelegt.<br />
Um die Güte des Klassifikationssystems ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus zu<br />
überprüfen, wurden vorab Testbeobachtungen durchgeführt. Hierfür wurden sechs Ärzte<br />
(3 Chirurgen, 3 Internisten) durch zwei trainierte, unabhängige Beurteiler simultan<br />
beobachtet. Die Testbeobachtungen erfolgten insgesamt über eine Zeit von 291,5<br />
262
V51<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Minuten (Range der Beobachtungseinheiten: 34,5 bis 69 Minuten). Der Kappa-<br />
Koeffizient als Indikator der Beobachterübereinstimmung betrug 0,71 (T= 41,6; p=,00).<br />
Dies kann als substantielle Übereinstimmung gesehen werden, was für eine gute<br />
Reliabilität des Verfahrens spricht (Landis and Koch 1977).<br />
Abbildung 1: Beobachtungsinstrument ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus<br />
Kategorie Bereiche Ärztliche Teiltätigkeiten<br />
Direkter Patientenkommunikation 1 Gespräch mit Patient (regulär)<br />
Patientenkontakt<br />
Indirekter<br />
Patientenkontakt<br />
Diagnostik<br />
Therapie<br />
Begutachtung<br />
Dokumentation<br />
Konversation mit<br />
Kollegium<br />
Konversation mit<br />
Anderen<br />
Organisation<br />
Meetings<br />
Andere professionelle Aktivitäten<br />
2 Gespräch mit Patient (irregulär)<br />
3 Körperliche Untersuchung des Patienten<br />
4 Blutentnahme<br />
5 Apparative Untersuchung<br />
6 Medikamentöse Behandlungen<br />
7 Körperliche – nicht-invasive Behandlung<br />
8 Invasive Behandlungen<br />
9 Notfallbehandlungen<br />
10 Überwachung in kritischen Situationen<br />
11 Konsiliartätigkeiten<br />
12 Gutachtertätigkeiten<br />
13 „Schriftarbeit/ Dokumentation“<br />
14 Leistungserfassung (DRG Kodierung)<br />
15 Gespräch mit ärztlichen Kollegen<br />
16 Gespräch mit Pflegekräften<br />
17 Gespräch mit Hilfskräften<br />
19 Gespräch am Telefon<br />
18 Gespräch mit Angehörigen<br />
20 Gespräch mit Anderen<br />
21 Organisation/ Arbeitsablauf“<br />
22 Transfer (Laufen / Wege)<br />
23 Ordnung schaffen<br />
24 Besprechungsrunden mit Pflegekräften<br />
25 Besprechungsrunden mit Ober- oder<br />
Chefarzt<br />
26 Klinikkonferenz<br />
27 Interdisziplinäre Konferenzen<br />
28 Befundbesprechungen in der Abteilung<br />
29 Bereitschaft<br />
30 Lehre/ Unterweisung (PJ’ler, Studenten etc.)<br />
31 Supervision von Kollegen<br />
32 Forschung<br />
33 Fort- und Weiterbildung<br />
34 Fort- und Weiterbildung Lektüre<br />
Persönliche Aktivitäten<br />
35 Persönliche Zeit / Pausen<br />
36 Warten / Schlafen<br />
Anmerkung: Detaillierte Beschreibungen der ärztlichen Teiltätigkeiten sind bei den Autoren<br />
verfügbar.<br />
263
V51<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Untersuchungsbereich und –population<br />
Die Untersuchung fand in einem städtischen Krankenhaus der Allgemeinversorgung statt<br />
(freigemeinnützige Trägerschaft; 11 Fach- und Funktionsabteilungen; ca. 350 Betten;<br />
südbayerischer Raum; 15.000 stationäre, 16.000 ambulante Patienten jährlich). Die<br />
Einrichtung beschäftigt ca. 100 Ärzte (bei einer Gesamtzahl von ca. 550 Beschäftigten).<br />
Es ist ähnlich in Größe, Fächer- und Angebotsstruktur zu einem typischen deutschen<br />
Krankenhaus.<br />
In folgenden vier Fachabteilungen wurden durch zwei geschulte Beobachter die<br />
Aktivitäten aufgezeichnet: Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie, Kardiologie,<br />
Gastroenterologie. Alle vier Fachabteilungen haben jeweils zwei Stationen. Zudem sind<br />
Ärzte der interdisziplinären Notfallambulanz zugeteilt. Chirurgisch tätige Ärzte wurden<br />
auch im OP beobachtet. Ein Arzt der Kardiologie ist immer auf der Intensivstation tätig.<br />
Es wurden nur Assistenz- oder Fachärzte begleitet. Die Zeitpunkte der Schichten wurden<br />
zufällig ausgewählt; wenn jedoch die Ärzte den Wunsch äußerten, an festgesetzten<br />
Terminen nicht begleitet zu werden, wurde dem entsprochen. Es wurden nur<br />
Tagschichten unter der Woche begleitet, da dann die Ärzte eindeutig einer Abteilung und<br />
einem klinischen Bereich zugeordnet sind. Außerhalb dieser Zeit bestehen zumeist<br />
hausweite Dienste oder abteilungsübergreifende Verantwortlichkeiten. Die<br />
Regeldienstzeit ist 8,5 Stunden, bis auf die Intensivstation (12 Stunden Schichten).<br />
Alle 32 Ärzte der vier Zielabteilungen wurden vorab informiert. Es beteiligten sich<br />
insgesamt 23 Ärzte (Chirurgie: N=10; Innere: N=13). 12 Ärzte davon wurden an zwei<br />
Terminen beobachtet. Der Anteil weiblicher Ärzte variierte zwischen den Fächern<br />
(Chirurgie 40%, Innere 61.5%). Als durchschnittliche bisherige Dauer im Haus weisen die<br />
Internisten 7.0 Jahre (SD=4.6) und die Chirurgen 7.4 Jahre (SD=6.1) auf. Der<br />
Facharztanteil lag bei 20% (Chirurgie) und 38.5% (Internisten).<br />
Die Untersuchung erfolgte unter Zustimmung der Ethikkommission des<br />
Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />
Ergebnisse<br />
Es wurden 35 Ganzschichtbeobachtungen mit einer Gesamtdauer von 303.1 Stunden<br />
(18184.8 Minuten) durchgeführt. Die durchschnittliche Dauer der begleiteten Tagschicht<br />
war 8 Stunden und 39 Minuten (SD: 1h 42min; Range: 4h 54 min – 14h 05 min).<br />
Insgesamt wurden bei den Chirurgen 1.757 Aktivitäten beobachtet (in 143h 34min 50s);<br />
bei den Internisten 2.493 Aktivitäten (in 158h 48min 06s).<br />
Wegen des explorativen Charakters der Studie sowie der unterschiedlichen<br />
Beobachtungshäufigkeiten in den einzelnen klinischen Bereichen wurde auf eine<br />
Unterschieds- und Signifikanztestung verzichtet. Tabelle 1 zeigt die beobachteten<br />
264
V51<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
kategorisierten Zeitanteile ärztlicher Aktivitäten, welche recht unterschiedlich für die<br />
einzelnen klinischen Bereiche ausfallen:<br />
Tabelle 1: Zeitanteil ärztlicher Aktivitäten in den klinischen Bereichen (in %)<br />
Station Notfallambulanz Intensivstation OP<br />
(N=20) (N=9) (N=3) (N=3)<br />
Direkter Patientenkontakt 19,5 33,1 18,7 74,6<br />
Patientenkommunikation 9,7 12,9 2,5 2,8<br />
Diagnostik 4,9 13,7 6,9 0,4<br />
Therapie 4,9 6,5 9,2 71,5<br />
Indirekter Patientenkontakt 70,8 56,4 72,8 18,1<br />
Dokumentation 35,0 29,2 27,8 3,1<br />
Konversation mit Kollegen 19,0 18,2 30,0 7,1<br />
Konversation mit Anderen 2,4 1,4 3,6 0,1<br />
Organisation 2,6 1,6 1,6 3,3<br />
Meetings 11,8 6,1 9,8 4,6<br />
Andere professionelle Aktivitäten 1,3 0,6 - -<br />
Persönliche Aktivitäten 8,4 9,9 8,5 7,2<br />
Anmerkung: N Anzahl der Ganzschichtbeobachtungen.<br />
Stationsärzte verbringen über ein Drittel ihrer Zeit mit Dokumentations- und<br />
Schriftarbeiten. Dies liegt deutlich über dem Niveau ihrer Kollegen in den anderen<br />
klinischen Bereichen. Für die Intensivstation ist der hohe Zeitanteil kollegialer<br />
Kommunikation bedeutsam; insbesondere bedingt durch die häufige Konversation mit<br />
Pflegekräften und ärztlichen Kollegen. Direkte Arbeit mit und am Patienten wurde am<br />
häufigsten bei den Chirurgen im OP beobachtetet (Operieren). Insgesamt ist<br />
festzuhalten, in allen vier klinischen Bereichen wird die Mehrzahl der Zeit für Arbeiten<br />
aufgewendet, die nicht im direkten Kontakt zum Patienten vollzogen werden.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Entwicklung, Güteprüfung und den ersten Einsatz<br />
eines Beobachtungsverfahrens ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus. Mit Hilfe des<br />
vorliegenden Instrumentes lassen sich reliable Aussagen zur Allokation zeitlicher<br />
Ressourcen von Krankenhausärzten in ihrer Arbeit treffen. Erste Teilergebnisse<br />
verdeutlichen die verschiedenen Aktivitätsmuster für einzelne klinische Bereiche.<br />
Für das vorliegende Verfahren eröffnen sich unterschiedliche Einsatzbereiche: es kann<br />
ebenso in der Analyse ärztlicher Arbeitsabläufe im Krankenhaus wie auch zur Evaluation<br />
von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen eingesetzt werden. Auch in der Beurteilung<br />
patientennaher und –ferner ärztlicher Tätigkeit oder der Analyse vermehrten<br />
Technologieeinsatzes (bspw. durch elektronische Patientenakten) ergeben sich<br />
Verwendungsmöglichkeiten.<br />
265
V51<br />
Vorträge – Schichtarbeit<br />
Literatur<br />
Landis, J. R. and G. G. Koch (1977). "Measurement of Observer Agreement for<br />
Categorical Data." Biometrics 33(1): 159-174.<br />
266
V52<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Exposition gegenüber aluminiumhaltigen Schweißrauchen –<br />
Zusammenhänge zwischen Markern der äußeren und der inneren<br />
Belastung<br />
Bernd Roßbach 1 , Ernst Kiesswetter 2 , Karl-Heinz Schaller 3 , Wolfgang Zschiesche 4 , Stephan<br />
Letzel 1<br />
1<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
2<br />
Institut für Arbeitsphysiologie der Universität Dortmund<br />
3<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen<br />
4<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Köln<br />
Einleitung und Ziel der Studie<br />
Aufgrund günstiger Materialeigenschaften wie hohe Korrosionsbeständigkeit und<br />
geringes Gewicht finden Materialien aus Aluminium (Al) zunehmend im Fahrzeugbau<br />
Verwendung. Als Fügeverfahren kommen häufig Schweißverfahren wie z.B. Metall-<br />
Inertgas-Schweißen (MIG) zum Einsatz, wobei in größerem Umfang Al-haltige<br />
Schweißrauche freigesetzt werden. Für den Schweißer besteht damit die Gefahr einer<br />
inhalativen Exposition gegenüber alveolengängigen Al-haltigen Partikeln, die<br />
insbesondere als chronische Exposition zu adversen Effekten im Bereich der Atemwege<br />
führen kann. (Letzel 2003)<br />
Die Prävention möglicher berufsbedingter adverser Effekte erfordert eine kontinuierliche<br />
Überwachung und Begrenzung der auftretenden Expositionen mittels Ambient und<br />
Biological Monitoring (Biomonitoring). Zur Begrenzung der Luftbelastung mit<br />
alveolengängigen Al-haltigen Stäuben gilt derzeit eine Maximale<br />
Arbeitsplatzkonzentration (MAK) von 1,5 mg/m³. Der für die Beurteilung der inneren<br />
Belastung maßgebliche Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwert (BAT) bezieht sich auf die<br />
Ausscheidung von Al im Urin. Er wurde kürzlich durch die DFG reevaluiert und beträgt<br />
aktuell 60 µg/g Kreatinin (DFG 2008). Da bisher keine belastbaren Daten zum<br />
Zusammenhang zwischen der inneren Al-Belastung und dem Auftreten von<br />
gesundheitlichen Effekten im Bereich der Atemwege zur Verfügung stehen, orientierte<br />
man sich zur Festlegung des BAT an Zusammenhängen zwischen der äußeren und der<br />
inneren Al-Belastung.<br />
In diesem Kontext war es das Ziel unserer Studie, anhand eines Schweißerkollektives zu<br />
untersuchen, inwieweit sich im biologischen Material Korrelate zur derzeit gültigen MAK<br />
in Höhe von 1,5 µg/m³ ableiten lassen.<br />
Methoden<br />
In einem longitudinalen Ansatz wurde die äußere und innere Exposition von 147<br />
Aluminiumschweißern (Alter 23-67, Mittelwert 31,7 Jahre) aus den Bereichen<br />
Spezialfahrzeugbau (Bau von Schienenfahrzeugen und Tankaufliegern) bzw.<br />
Automobilbau (PKW-Karosseriebau) innerhalb von vier Jahren dreifach untersucht. Zur<br />
267
V52<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Charakterisierung der äußeren Belastung wurden personenbezogene<br />
Gesamtstaubmessungen im Atembereich der Schweißer durchgeführt. Nach der<br />
Probensammlung mittels Schweißrauchsammelkopf wurde die erfasste Staubmenge<br />
durch gravimetrische Analyse ermittelt. Im Sinne einer „worst-case“-Betrachtung wurde<br />
dabei die Gesamtstaubkonzentration mit der Aluminiumkonzentration am Arbeitsplatz<br />
gleichgesetzt.<br />
Zur Charakterisierung der inneren Al-Belastung wurden von den Probanden am<br />
Schichtende Plasma und Urinproben gewonnen, in denen mittels Graphitrohr-<br />
Atomabsorptionsspektrometrie (GF-AAS) die Aluminiumkonzentration bestimmt wurde.<br />
Im Falle der Urinproben erfolgte zur Verringerung diuresebedingter Verfälschungen<br />
zusätzlich eine Bestimmung von Kreatinin. Diese ermöglichte eine Angabe der<br />
Aluminiumkonzentration in Bezug auf die Kreatininausscheidung.<br />
Zur Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Exposition<br />
wurden parametrische Regressionsanalysen durchgeführt. Als Belastungsmarker wurden<br />
hierbei - sofern bei einem Probanden Messwerte aus mehreren Jahren vorlagen - die<br />
personenbezogen gemittelten Gesamtstaubkonzentrationen bzw. Al-Konzentrationen im<br />
biologischen Material verwendet. Die äußere und innere Belastung in den beiden<br />
Teilkollektiven wurde mit Hilfe von Mann-Whitney-Tests miteinander verglichen. Bei allen<br />
Testungen wurde ein Signifikanzniveau von p
V52<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Bereich Automobilbau untersuchten Schweißer nur zu einem leichten Anstieg der Al-<br />
Konzentration im Plasma (Median 5,8 µg/l vs. 3,5 ohne berufliche Exposition), während<br />
durch die Al-Ausscheidung im Urin deutlich eine zusätzliche innere Al-Belastung anzeigt<br />
wird (Median 33,1 µg/g Kreatinin vs. 5,0 ohne berufliche Exposition).<br />
Tabelle 1: Gesamtstaubexposition und innere Al-Belastung in den untersuchten Teilkollektiven.<br />
Teilkollektiv<br />
Gesamtstaub / Luft<br />
Median [µg/m³]<br />
Al / Plasma<br />
Median [µg/l]<br />
Al / Urin<br />
Median [µg/g Kreatinin]<br />
(Bereich)<br />
(Bereich)<br />
(Bereich)<br />
Spezialfahrzeugbau<br />
4,2<br />
14,7<br />
86,2<br />
(n= 19)<br />
(1,2 – 18,2)<br />
(6,0 – 44,9)<br />
(17,9 – 407,5)<br />
Automobilbau<br />
0,5<br />
5,8<br />
33,1<br />
(n= 54)<br />
(0,1 – 6,2)<br />
(2,6 – 16,7)<br />
(9,9 – 121,2)<br />
p (Mann-Whitney) < 0,01 < 0,01 < 0,01<br />
Mittels Regressionsanalysen wurden mögliche Zusammenhänge zwischen der äußeren<br />
und inneren Belastung getrennt für beide Teilkollektive untersucht (Tabelle 2). Mit<br />
Korrelationskoeffizienten von 0,58 und 0,34 fanden sich bei insgesamt starker Streuung<br />
der Messwerte um jeweilige Regressionsgerade für das Parameterpaar Gesamtstaub/Al<br />
im Plasma in beiden Teilkollektive signifikante Zusammenhänge. Die resultierenden<br />
Regressionsgeraden unterschieden sich deutlich in Bezug auf ihre Steigung (1,6<br />
Spezialfahrzeugbau vs. 1,1 Automobilbau). Der etwas höhere Korrelationskoeffizient für<br />
das Teilkollektiv Spezialfahrzeugbau dürfte sich durch den deutlich weiteren<br />
Wertebereich in diesem Teilkollektiv erklären.<br />
Ein Grund für die relativ starke Streuung der Wertepaare könnte in der Verwendung der<br />
Gesamtstaubkonzentration anstelle der Konzentration von Aluminium zur<br />
Charakterisierung der äußeren Belastung liegen. Als Folge einer Akkumulation von Al in<br />
der Lunge und im Skelett hängt insbesondere bei langjährig Exponierten die messbare<br />
innere Belastung zudem zunehmend von der kumulativen Vorexposition des<br />
Untersuchten ab. Unterschiedliche Vorexposition können daher dazu führen, dass bei<br />
ansonsten gleicher (aktueller) äußerer Belastung in verschiedenen Individuen deutlich<br />
unterschiedliche innere Belastungen messbar sind.<br />
Die genannten Einflussfaktoren dürften ebenfalls ungünstig auf die Zusammenhänge<br />
Gesamtstaub/Al im Urin auswirken. Auch für dieses Parameterpaar fanden sich<br />
signifikante Assoziationen, die mit Korrelationskoeffizienten von 0,61<br />
269
V52<br />
Vorträge – Atemwege<br />
(Spezialfahrzeugbau) und 0,58 (Automobilbau) jedoch tendenziell etwas straffer<br />
ausfielen als für Gesamtstaub/Al im Plasma. Anhand der Steigungen der<br />
Regressionsgeraden (17,4 bzw. 15,6) zeigt sich erneut die höhere Empfindlichkeit des<br />
Parameters Al im Urin gegenüber Al im Plasma, die zudem für beide Teilkollektive<br />
vergleichbar zu sein scheint.<br />
Deutlichere Unterschiede ergaben sich dagegen in Bezug auf die Achsenabschnitte der<br />
beiden Regressionsgeraden. Diese könnten Ausdruck einer unterschiedlichen<br />
kumulativen Vorbelastung in den beiden Teilkollektiven sein. Als Hinweis auf eine<br />
entsprechend höhere Vorbelastung der Teilnehmer aus dem Bereich<br />
Spezialfahrzeugbau, könnte u.a. die deutlich größere Schweißerfahrung dieser<br />
Probanden gewertet werden (Mittelwert am Ende der Studie 14,8 Jahre vs. 8,8 Jahre im<br />
Automobilbau).<br />
Tabelle 2: Korrelationskoeffizienten (r), Signifikanzniveaus (p) und Geradengleichungen für die<br />
Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Belastung in den beiden Teilkollektiven.<br />
Teilkollektiv<br />
Zusammenhang<br />
Gesamtstaub/Al im Plasma<br />
Zusammenhang<br />
Gesamtstaub/Al im Urin<br />
Spezialfahrzeugbau<br />
(n= 19)<br />
r= 0,58 p< 0,01<br />
y= 1,6x + 8,8<br />
r= 0,61 p< 0,01<br />
y= 17,4x + 40,6<br />
Automobilbau<br />
(n= 54)<br />
r= 0,34 p< 0,01<br />
y= 1,1x + 5,6<br />
r= 0,58 p< 0,01<br />
y= 15,6x + 27,1<br />
Aufgrund der höheren Korrelationskoeffizienten und ähnlicher Steigungen der<br />
Regressionsgeraden erscheinen die Zusammenhänge des Parameters Al im Urin zur<br />
äußeren Belastung insgesamt verlässlicher als die des Parameters Al im Plasma. Zudem<br />
zeigt sich eine relativ gute Übereinstimmung mit Daten aus der Literatur. So fanden<br />
Sjögren et al. (1988) in einer Untersuchung mit Schweißern für den Zusammenhang<br />
zwischen der äußeren Belastung und der kreatininbezogenen Ausscheidung von Al im<br />
Urin vergleichbare Regressionsparameter (y= 13,5x + 30,2).<br />
Verwendet man die, für die beiden Teilkollektive erhaltenen Regressionsgleichungen zur<br />
Berechnung von Korrelaten zur Maximalen Arbeitsplatzkonzentration (1,5 mg/m³) im<br />
biologischen Material, so ergeben sich Al-Ausscheidungen im Urin von 66<br />
(Spezialfahrzeugbau) bzw. 51 µg/g Kreatinin (Automobilbau).<br />
270
V52<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Schlussfolgerungen<br />
In den untersuchten Kollektiven führte die Exposition gegenüber Al-haltigen<br />
Schweißrauchen dosisabhängig zu einem Anstieg der inneren Al-Belastung. Signifikante<br />
Zusammenhänge zur äußeren Belastung fanden sich sowohl für den Parameter Al im<br />
Plasma als auch für den Parameter Al im Urin. In beiden Fällen unterliegen die<br />
Zusammenhänge zahlreichen zusätzlichen Einflussfaktoren, die für eine relativ große<br />
Streuung der Werte sorgen. Die für den Parameter Al im Urin ermittelten<br />
Zusammenhänge zur äußeren Belastung erscheinen insgesamt straffer und<br />
verlässlicher. Auch zeichnet sich dieser Parameter gegenüber Al im Plasma durch eine<br />
höhere - und in beiden Teilkollektiven vergleichbare - Empfindlichkeit aus. Anhand der<br />
gefundenen Zusammenhänge lassen sich Korrelate zur Maximalen<br />
Arbeitsplatzkonzentration von 1,5 mg/m³ errechnen. Demnach ergeben sich je nach<br />
Kollektiv Al-Ausscheidungen im Urin von 66 bzw. 51 µg/g Kreatinin, wodurch unter<br />
anderem der kürzlich durch die DFG reevaluierte BAT-Wert in Höhe von 60 µg/g<br />
Kreatinin gestützt wird.<br />
Literatur<br />
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). MAK- und BAT-Werteliste 2008.<br />
Senatskommisssion zur Prüfung Gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 44.<br />
Wiley-VCH Verlag Weinheim 2008.<br />
Letzel S.: BK 4106: Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch<br />
Aluminium oder seine Verbindungen. In: Arbeitsmedizin. Handbuch für Theorie und<br />
Praxis (Hrsg.: Triebig G, Kenntner M, Schiele R) Gentner Verlag Stuttgart 2003: 415-421.<br />
Rossbach B, Buchta M, Csanády GA, Filser JG, Hilla W, Windorfer K, Stork J,<br />
Zschiesche W, Gefeller O, Pfahlberg A, Schaller KH, Egerer E, Pinzón LC, Letzel S.<br />
Biological monitoring of welders exposed to aluminium. Toxicol Lett. 162 (2006): 239-45.<br />
Sjögren B, Elinder CG, Lidums V, Chang G. Uptake and urinary excretion of aluminum<br />
among welders. Int Arch Occup Environ Health. 60 (1988): 77-79.<br />
271
V53<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Nanopartikel im Schweißrauch an verschiedenen Arbeitsplätzen<br />
Peter Brand 1 , Karl Holzinger 2 , Elke Ochsmann 1 , Thomas Kraus 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
2<br />
Institut für Schweiß- und Fügetechnik der RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Von Nanopartikeln (ultrafeine Partikel) in der menschlichen Umgebung geht, vermutlich<br />
aufgrund ihrer großen Oberfläche, eine nachweisbare Gesundheitsgefährdung aus (1-3).<br />
Dabei scheint mittlerweile klar zu sein, dass bei gleicher Massenkonzentration, die<br />
biologische Wirkung der Teilchen umso größer ist, je kleiner die Teilchen sind (4).<br />
Derartige Partikel spielen nicht nur in der urbanen Atmosphäre eine große Rolle sondern<br />
auch an Arbeitsplätzen, insbesondere solchen, an denen Schweißverfahren eingesetzt<br />
werden (5-7). Ultrafeine Partikel werden allerdings von den am Arbeitsplatz üblichen,<br />
zumeist gravimetrischen Messverfahren kaum erfasst. Zu ihrer Charakterisierung ist es<br />
notwendig, entweder die gesamte Aerosol-Größenverteilung zu messen oder spezielle<br />
Teilchen-Zählverfahren einzusetzen, da die Partikelanzahl ein gutes Maß für die Menge<br />
an ultrafeinen Partikeln im Aerosol darstellt. In der vorliegenden Studie wurde die<br />
Anzahlkonzentration der ultrafeinen Partikel in der Luft verschiedener<br />
Schweißarbeitsplätze bestimmt.<br />
Methoden<br />
Die Messung erfolgte mit dem WRAS (wide range aerosol spectrometer) der Firma<br />
Grimm (Ainring) mit einem Meßbereich von 5.5 nm bis 32 µm. Als Messgröße wurde die<br />
Partikelanzahlkonzentration über den gesamten Größenbereich bzw. die<br />
Partikelvolumenkonzentration herangezogen. Die Partikelvolumenkonzentration ist in der<br />
Regel proportional zur Partikelmassenkonzentration. Eine vollständige Messung der<br />
Aerosolteilchen-Größenverteilung dauerte ca. 3-4 Minuten.<br />
Ergebnisse<br />
Es zeigten sich deutliche Unterschiede in der Zahl ultrafeiner Partikel an verschiedenen<br />
Schweißarbeitsplätzen, die in erheblichem Maße von den Lüftungsverhältnissen an den<br />
verschiedenen Messorten abhingen. Während nach längeren arbeitsfreien Episoden<br />
(z.B. nach dem Wochenende) Partikelanzahlkonzentration gefunden wurden, die unter<br />
den Werten der üblichen Außenluftkonzentration lagen (ca. 2-3 10 4 cm -3 ) kam es bei<br />
Schweißaktivitäten zu einem schnellen Anstieg der Zahl ultrafeiner Partikel, die jedoch in<br />
gut gelüfteten Räumen schnell (innerhalb von 15-30 min) wieder abfiel. Das Maximum<br />
(Mode) der Anzahlgrößenverteilung lag zumeist bei 100 – 200 nm allerdings wurden<br />
auch kurzzeitig Maxima bei kleineren Durchmessern (ca. 10 nm) beobachtet, die<br />
272
V53<br />
Vorträge – Atemwege<br />
vermutlich auf frisch entstandene, noch nicht gealterte Partikel zurückzuführen sind. Die<br />
höchsten Partikelkonzentrationen wurden bei Laser-Hybridschweißvorgängen<br />
beobachtet. Bei diesem Verfahren, das im vorliegenden Falle in einer vollständig<br />
geschlossenen gut belüfteten Kammer durchgeführt wurde, wurden kurzzeitig<br />
Partikelanzahlkonzentrationen von bis zu 4 10 6 cm -3 beobachtet (Abbildung 1). Allerdings<br />
fiel die Anzahlkonzentration aufgrund der guten Entlüftung nach den Schweißungen<br />
schnell wieder ab. Andere Schweiß- und Trennverfahren führten zu keiner relevanten<br />
Zunahme der Partikelkonzentration im Raum (MIG-Schweißen, Plasma-Schneiden unter<br />
Wasser).<br />
Anzahlkonzentration (cm 3 )<br />
3.5e+6<br />
3.0e+6<br />
2.5e+6<br />
2.0e+6<br />
1.5e+6<br />
1.0e+6<br />
5.0e+5<br />
Heftung<br />
Schweißung<br />
Heftung<br />
0.0<br />
Volumenkonzentration (µm 3 /cm 3 )<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
10.00 10.20 10.40 11.00 11.20 11.40 12.00<br />
Zeit (Stunden)<br />
Abbildung 1: Partikelanzahl- und Volumenkonzentration als Funktion der Zeit in einer Laser-<br />
Hybrid-Schweißkammer.<br />
An vielen Arbeitsplätzen werden verschiedene Arbeitsschritte gleichzeitig ausgeführt, so<br />
dass es zu Emissionen aus vielen Quellen (Schweißen, Schleifen, Bohren etc.) kommen<br />
kann, die sich in der Regel nicht trennen lassen. Ein Beispiel für den Verlauf der<br />
Partikelkonzentration in einer Werkshalle mit gemischten Emissionen ist in Abbildung 2<br />
dargestellt. Auch hier zeigte sich, dass die Belüftung der Halle die Partikelkonzentration<br />
entscheidend beeinflusst. So zeigte sich z.B. nach dem Schließen des Hallentores (9:55)<br />
ein Anstieg der Partikelkonzentration von ca. 7010 3 cm -3 auf 20010 3 cm -3 . Tätigkeiten<br />
273
V53<br />
Vorträge – Atemwege<br />
wie das Kehren des Hallenbodens (10:10) führten erwartungsgemäß zu keinem Anstieg<br />
der Partikelanzahlkonzentration jedoch zu einem erheblichen Anstieg der<br />
Partikelvolumenkonzentration. Eine genaue Analyse der Partikelgrößenverteilung zeigte<br />
jedoch, dass die beim Kehren emittierten Teilchen zu einem großen Teil größer als 10<br />
µm und damit nicht respirabel sind.<br />
Anzahlkonzentration (cm 3 )<br />
250000<br />
200000<br />
150000<br />
100000<br />
50000<br />
0<br />
Hallentor zu<br />
Volumenkonzentration (µm 3 /cm 3 )<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
Kehren<br />
0<br />
9.50 10.00 10.10 10.20 10.30 10.40<br />
Zeit (Stunden)<br />
Abbildung 2: Partikelanzahl- und Volumenkonzentration in einer Werkshalle mit Emmissionen aus<br />
gemischten Quellen (Schweißen, Flexen, Schleifen, Bohren, Kehren)<br />
Schlußfolgerung<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Pilot-Untersuchungen machen deutlich, dass an realen<br />
Arbeitsplätzen im Hinblick auf die Dynamik der nanoskaligen Aerosolpartikel komplexe<br />
Verhältnisse vorliegen, die unter anderem in entscheidendem Maße von den<br />
Lüftungsverhältnissen vor Ort abhängen. Grundlage einer validen<br />
Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die Exposition gegenüber nanoskaligen Partikel<br />
ist daher eine sehr differenzierte Bewertung der verschiedenen Schweißverfahren und –<br />
prozesse, unter Berücksichtigung anderer Arbeitsprozesse und der örtlichen<br />
Gegebenheiten. Dazu sind geeignete Meßverfahren und standardisierte Meßprozesse<br />
sowie erfahrende Beurteiler erforderlich, um reproduzierbare Daten zu generieren. Die<br />
vorliegende Studie lieferte erste Hinweise auf Risikobereiche.<br />
274
V53<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Literatur<br />
1. Donaldson K, Brown D, Clouter A, Duffin R, MacNee W, Renwick L, et al. The<br />
pulmonary toxicology of ultrafine particles. J Aerosol Med. 2002 Summer;15(2):213-20.<br />
2. Kreyling WG, Semmler M, Müller W. Health effects of ultrafine particles. Journal<br />
of Aerosol Science. 2004;35:1155-6.<br />
3. Oberdorster G. Pulmonary effects of inhaled ultrafine particles. Int Arch Occup<br />
Environ Health. 2001 Jan;74(1):1-8.<br />
4. Brown DM, Wilson MR, MacNee W, Stone V, Donaldson K. Size-Dependent<br />
Proinflammatory Effects of Ultrafine Polystyrene Particles: A Role for Surface Area.<br />
Toxicology and Applied Pharmacology 2001;175:191-9.<br />
5. Dasch J, D'Arcy J. Physical and chemical characterization of airborne particles<br />
from welding operations in automotive plants. J Occup Environ Hyg. 2008 Jul;5(7):444-<br />
54.<br />
6. Isaxon C, Pagels J, Gudmundsson A, Asbach C, John AC, Kuhlbusch TAJ, et al.<br />
Characteristics of Welding Fume Aerosol Investigated in Three Swedish Workshops.<br />
Inhaled Particles X. <strong>2009</strong>.<br />
7. Stephenson D, Seshadri G, Veranth J. Workplace exposure to submicron particle<br />
mass and number concentrations from manual arc welding of carbon steel. AIHA J<br />
2003;64:516-21.<br />
275
V54<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Einsatz nicht-invasiver Methoden zur Abschätzung von Effekten<br />
durch niedrig dosierte akute Schwefeldioxid-Exposition auf die<br />
Atemwege<br />
Monika Raulf-Heimsoth 1 , Christoph van Thriel 2 , Frank Hoffmeyer 1 , Jürgen Bünger 1 , Thomas<br />
Brüning 1<br />
1<br />
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
2<br />
IfADo- Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
Ziel der Studie<br />
Schwefeldioxid (SO 2 ) ist ein umwelt- und arbeitsplatzrelevantes Gas. SO 2 gehört zu den<br />
Substanzen, die sowohl irritierend (trigeminale Stimulation) als auch belästigend<br />
(olfaktorische Stimulation) wirken können. Die durch SO 2 induzierte sensorische Irritation<br />
betrifft hauptsächlich die Augen und die oberen Atemwege. Studien mit Freiwilligen<br />
belegten das Auftreten von Irritationen an den oberen Atemwegen und an den Augen bei<br />
SO 2 Expositionen von 1 ppm und höher insbesondere in Kombination mit körperlicher<br />
Anstrengung [1, 2]. Bei Asthmatikern konnten die gleichen Effekte (u.a. Veränderung der<br />
Lungenfunktion) beobachtet werden wie bei Gesunden, allerdings schon bei einer<br />
geringeren SO 2 –Konzentration [3]. Der SO 2 -Grenzwert beruht auf der Vermeidung<br />
sensorischer Irritationen (d.h. Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen und den<br />
Augen). Der MAK-Wert wurde 1998 von 2 ppm auf 0,5 ppm abgesenkt, allerdings sind<br />
aufgrund der unklaren Effekte im Bereich zwischen 0,5 und 2 ppm international gesehen<br />
die Grenzwerte unterschiedlich (0,5 ppm bei SCOEL (Scientific Committee on<br />
Occupational Exposure Limits) 2 ppm MAC-waarde in den Niederlanden und TLV-Wert<br />
(threshold limit value) in den USA). Ziel der Untersuchung war es, irritative Effekte von<br />
SO 2 bis zu 2 ppm auf die Atemwege von Lungengesunden unter Verwendung nichtinvasiver<br />
Methoden wie Atemkondensat (EBC), Nasallavage (NALF) und exhaliertem<br />
Stickstoffmonoxid (eNO) zu erfassen.<br />
Methoden<br />
16 gesunde Freiwillige wurden 4 Stunden mit SO 2 in Konzentrationen von 0 (saubere<br />
Luft), 0,5, 1 und 2 ppm exponiert und zwar im so genannten Messwiederholungsdesign,<br />
d.h. jeder Proband absolviert jede der vier Bedingungen (permutiertes Studiendesign).<br />
Da körperliche Aktivität an vielen Arbeitsplätzen ein relevanter Faktor ist erfolgt die<br />
Exposition unter Bedingungen, die einer leichten körperlichen Arbeit (d.h. 75 W<br />
Fahrradergometerbelastung) entspricht. Als Ausschlusskriterium galten u.a. chronische<br />
Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma), kardiologische Erkrankungen, Allergien,<br />
Diabetes und Migräne. Vor und nach der Exposition wurden neben den subjektiven<br />
Ratingverfahren, Erfassung der Atem-, Herz und Lidschlussfrequenz, Spirometrie,<br />
276
V54<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Rhinomanometrie eingesetzt, eNO in der Ausatemluft gemessen sowie NALF und EBC<br />
gewonnen und darin Biomarker der Entzündung quantifiziert. Im EBC erfolgte eine pH-<br />
Wertbestimmung mittels Glas-Elektrode (Mettler Toledo, Giessen, Germany; Genauigkeit<br />
0.01±0.02) und die Bestimmung der Konzentrationen von LTB 4 , PGE 2 and 8-PGF 2 mit<br />
spezifischen Enzymimmunoassays (Assay Designs, Ann Arbor, USA). In der NALF<br />
erfolgte neben der Bestimmung der Gesamtzellzahl und der Differentialzytologie<br />
Konzentrationsbestimmung von Substance P, BDNF (brain-derived neurotrophic factor)<br />
(Assay Designs, Ann Arbor, USA) und IL-8 (OptEIA TM BD Biosciences Pharmingen,<br />
Heidelberg, Germany)) im zellfreien Überstand. Ein positives Votum der<br />
Ethikkommission lag vor.<br />
Ergebnisse<br />
Die pH-Werte im EBC, gesammelt nach der Exposition, waren alkalischer als die vor der<br />
Exposition. Allerdings waren diese Werte nur bei sauberer Luft (7,05±0,4 versus<br />
7,27±0,3, p=0,0031) und 0,5 ppm SO 2 -Exposition signifikant unterschiedlich (6,85±0,53<br />
versus 7,08±0,42, p=0,0251). Dosisabhängige Unterschiede für LTB 4 , PGE 2 , PGF 2α<br />
konnten in den EBC-Proben nicht bestimmt werden. Verglichen mit den NALF-Proben<br />
vor der Exposition waren in den Proben nachher tendenziell höhere Substanz-P-<br />
Konzentrationen messbar, signifikante Dosis-Wirkungs-Effekte zeigten sich allerdings<br />
nicht. Weitere Parameter (z.B. IL-8 oder BDNF (brain-derived neurotrophic factor)<br />
zeigten keine signifikant unterschiedlichen Konzentrationen. Expositionsbezogene<br />
Veränderungen konnten ebenso wenig für die Lungenfunktionsparameter und die eNO-<br />
Werte ermittelt werden.<br />
Schlussfolgerung<br />
Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine vierstündige SO 2 -Exposition bis zu 2 ppm keine<br />
signifikanten Änderungen in den Konzentrationen der untersuchten Biomarker in EBC<br />
und NALF, verglichen mit sauberer Luft oder mit Proben vor der Exposition des gleichen<br />
Probanden, induziert. Es liegen daher keine Hinweise vor, dass eine niedrig dosierte<br />
akute SO 2 -Exposition in nicht adaptierten, lungengesunden Probanden eine<br />
Atemwegsirritation und/oder -entzündung hervorruft.<br />
277
V54<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Literatur<br />
1. Arts JH, de Heer C, Woutersen RA: Local effects in the respiratory tract: relevance of<br />
subjectively measured irritation for setting occupational exposure limits.<br />
Int Arch Occup Environ Health 2006; 79: 283-98<br />
2. Nowak D, Jörres R, Berger J, Claussen M, Magnussen H: Airway responsiveness to<br />
sulfur dioxide in an adult population sample.<br />
Am J Respir Crit Care Med 1997; 156: 1151-6<br />
278
V55<br />
Vorträge – Atemwege<br />
Expositionsmuster, Dosis-Wirkungsbeziehung und „lifetime<br />
risk“ von Silikose - Das „extended follow-up“ der chinesischen<br />
Quarzstudie<br />
Yi Sun 1 , Frank Bochmann 2 , Weihong Chen 3<br />
1 Referat für Angewandte Epidemiologie, BGIA, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
2 Referat 1, BGIA, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
3 Department of Occupational and Environmental Health, Wuhan, China<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
279
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Evaluation gesundheitlicher Belastungen und Arbeitseinstellungen<br />
bei Studienanfängern an Musikhochschulen<br />
Horst Hildebrandt 1 , Victor Candia 2 , Matthias Nübling 3<br />
1<br />
Zürcher Hochschule der Künste und Hochschule für Musik Basel (CH)<br />
2<br />
Collegium Helveticum der Universität und ETH Zürich (CH)<br />
3<br />
GEB Gesellschaft für Empirische Beratung mbH Freiburg im Breisgau (D)<br />
Hintergrund:<br />
In den letzten ca. 25 Jahren wurden die gesundheitlichen Probleme im Musikerberuf<br />
zunehmend erkannt und diskutiert. Nach Aufsehen erregenden Studien an<br />
Orchestermusikern in den USA (Fishbein et al. 1988) zeigten Studien aus verschiedenen<br />
Ländern, dass im Durchschnitt drei Viertel der Berufsmusiker regelmäßig oder dauerhaft<br />
von berufsspezifischen Beschwerden betroffen sind. Diese liegen überwiegend im<br />
psychosomatischen Bereich und im Bereich des Bewegungsapparates (Seidel et al.<br />
1999, Roset-Llobet et al. 2000, Hildebrandt 2002). In diversen Erhebungen an<br />
Musikhochschulen wurden immer wieder Beschwerdezahlen bei Studierenden von über<br />
50 Prozent gefunden (Spahn et. al 2002, Hildebrandt 2002). Die Realisierbarkeit und<br />
Effektivität gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen an Musikhochschulen<br />
konnte für Studierende in der Mitte eines Musikstudiums gezeigt werden (Spahn et al.<br />
2001, Hildebrandt 2002). Weiterhin wurde der positive Einfluss musikphysiologischer<br />
Fortbildung auf Musikpädagogen und deren Schüler erkennbar (Hildebrandt et al. 2004,<br />
Nübling et al. 2007). Es gab jedoch Hinweise darauf, dass gerade der Studienbeginn an<br />
einer Musikhochschule mit besonderen Belastungen für die Studierenden verbunden<br />
sein könnte (Hildebrandt 2002).<br />
Fragestellung:<br />
Um bei der aktuellen Bologna-Studienreform fundiert curriculare Änderungen im Sinne<br />
der Gesundheitsförderung und Prävention bei Studienanfängern einfordern zu können,<br />
wurden im Rahmen der hier vorgestellten Studie die gesundheitlichen Belastungen und<br />
Arbeitseinstellungen bei Studienanfängern an Musikhochschulen untersucht.<br />
Methode:<br />
An drei schweizerischen Musikhochschulen nahmen die 105 Studienanfänger an einer<br />
Längsschnittstudie mittels standardisierter Befragung teil. Vor (Zeitpunkt T0) und nach<br />
dem ersten Studienjahr (Zeitpunkt T1) kamen sowohl speziell für die Situation der<br />
Musiker neu entwickelte Fragebögen als auch bereits validierte Instrumente wie z.B. der<br />
Giessener Beschwerdebogen (GBB, Brähler et al. 1995), die Hospital Anxiety and<br />
Depression Scale (HADS, Herrmann et al.. 1995) und der Fragebogen zu<br />
280
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebnismustern (AVEM, Schaarschmidt et al. 1996)<br />
zum Einsatz.<br />
Ergebnisse:<br />
Bei den 105 befragten Studienanfängern (Durchschnittsalter 21.3 Jahre,<br />
Geschlechterverhältnis 51,4% w / 48,6% m) kam es im Laufe des ersten Studienjahres<br />
zu einer signifikanten Zunahme der Erschöpfungsneigung auf der entsprechenden<br />
Subskala des Giessener Beschwerdebogens (Abbildung1). Diese wurde wesentlich<br />
durch den Anstieg der Werte bei den Frauen dominiert.<br />
Weiterhin kam es zu einer signifikanten Zunahme der Depressionsneigung im HADS-<br />
Fragebogen (p
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Tabelle 1<br />
Die Distanzierungsfähigkeit nahm auf der entsprechenden Subskala des AVEM-<br />
Fragebogens signifikant zu (p
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
„Für-sich-Behalten“ von Beschwerden einerseits und dem gefundenen stärkeren Anstieg<br />
der Depressionsneigung andererseits geben könnte.<br />
Als Versuch des Selbstschutzes könnte die Zunahme der Körperübungen vor und nach<br />
dem Üben im Sinne eines Aufwärmens, Abkühlens und körperlichen Ausgleichs gedeutet<br />
werden. Dabei könnte der in den letzten Jahren zu beobachtende Boom an Körper- und<br />
Bewegungskursen und in zahlreichen Publikationen für Musiker eine Rolle gespielt<br />
haben.<br />
Als protektiv gegenüber den Belastungen eines Bühnenberufes kann die Zunahme der<br />
Distanzierungsfähigkeit gewertet werden. In einem emotional sehr herausfordernden<br />
Beruf wie dem Musikerberuf kann eine verbesserte Distanzierungsfähigkeit ein erstes<br />
Anzeichen für eine professionelle Einstellung gegenüber dem Berufsalltag sein. Gerade<br />
das erste Studienjahr fordert im Kontrast zur vorherigen Schulzeit einen<br />
Perspektivwechsel gegenüber der Musik als neuem Hauptberuf heraus. Im Rahmen<br />
dieses Perspektivwechsels scheint sich bei den Frauen eine schnellere<br />
Anpassungsfähigkeit aber auch ein möglicher höherer Bedarf an Distanzierungsfähigkeit<br />
herauszukristallisieren.<br />
Die gefundenen Anstiege der Belastungen im ersten Studienjahr spiegeln auch den seit<br />
Jahrzehnten bestehenden Konflikt um das Curriculum im ersten Studienjahr an einer<br />
Musikhochschule wieder. Dort treffen hohe zeitliche Anforderungen am<br />
Hauptfachinstrument oder Gesang auf eine Fülle an obligatorischen Nebenfächern. Eine<br />
bessere Organisation und Straffung des ersten Studienjahres konnte auch mit Hilfe der<br />
vorliegenden Ergebnisse an den beteiligten Hochschulen bereits realisiert werden. So<br />
gelangen für die neuen Bachelor-Studiengänge die obligatorische Integration eines<br />
Semesterkurses zur Körper- und Wahrnehmungsschulung und der fakultative Zugang zu<br />
Auftrittstrainings im ersten Studienjahr (Hildebrandt 2008). Weiterhin konnte im ersten<br />
Studienjahr ein Semesterkurs zu Lernstrategien, Hirnphysiologie und Anatomie im<br />
Pflichtcurriculum verankert werden. Dieser beschäftigt sich u. a. mit Lern- und<br />
Arbeitstechniken, Gedächtnisforschung und Zeitmanagementstrategien. Dieser Kurs<br />
wurde in der Pilotphase in einem kontrollierten Studiendesign positiv evaluiert<br />
(Hildebrandt et al. 2006). Ein für die Gesundheitsförderung und Prävention interessantes<br />
Ergebnis dieser Studie war u. a. die Zunahme der Körperübungen bei der<br />
Interventionsgruppe während der Übezeit – d. h. als integraler Bestandteil des<br />
alltäglichen Arbeitens. Weiterhin kam es zu einer Abnahme der Angstgefühle und zu<br />
einer Zunahme der Verhaltens- und Entscheidungssicherheit.<br />
283
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die vorliegende Studie legt nahe, im Zuge der in den europäischen Ländern noch<br />
laufenden Bologna-Studienreformen an Musikhochschulen Lehrveranstaltungen zu<br />
gesundheitsfördernden Lern- und Arbeitstechniken, zur Körper- und<br />
Wahrnehmungsschulung und zum Stressmanagement bezüglich der Bühnensituationen<br />
zu integrieren bzw. stärker zu gewichten. Dies gilt insbesondere für den ersten<br />
Studienabschnitt der Bachelor-Studiengänge. Dazu liegen inzwischen erste Modelle und<br />
Erfahrungen vor.<br />
Literatur:<br />
Brähler E / Scheer JW (1995) Der Gießener Beschwerdebogen. 2. Auflage. Hans Huber,<br />
Bern 1995.<br />
Fishbein, M. & Middlestadt, S. & Ottati, V. & Straus, S. & Ellis, A. (1988) Medical<br />
problems among ICSOM musicians: Overview of a national survey. Medical Problems of<br />
Performing Artists 4 (1988), 1-8<br />
Herrmann CH, Buss U, Snaith RP (1995) HADS-D Hospital Anxiety and Depression<br />
Scale - Deutsche Version. Huber, Bern<br />
Hildebrandt H (2002) Musikstudium und Gesundheit. Aufbau und Wirksamkeit eines<br />
präventiven Lehrangebotes. 2. Auflage 2004. Peter Lang, Bern<br />
Hildebrandt H / Nübling M (2004) „Providing Further Training in Musico-Physiology to<br />
Instrumental Teachers: Do Their Professional and Pre-Professional Students Derive Any<br />
Benefit?”. In: Medical Problems of Performing Artists 19 (2004): 62-69<br />
Hildebrandt H / Nübling M (2006) „Üben lernen auf physiologischer Grundlage. Ein<br />
Forschungsprojekt an der Hochschule für Musik Basel“. In: Musikphysiologie und<br />
Musikermedizin 13 (2 / 2006): 56-63<br />
Hildebrandt H (2008) „Psychosomatik und Musikpädagogik - Lösungsorientierung im<br />
Ausbildungsalltag“ In: Dokumentation zum Zürcher Symposium der SMM<br />
„Psychosomatische Aspekte in der Musik-Medizin“.(2008): 25-32<br />
Nübling M / Hildebrandt H (2007) „Evaluation der Effekte musikphysiologischer<br />
Fortbildung auf Instrumentallehrkräfte und deren Schüler. In: Ergo Med 31 (3/2007): 62-<br />
67<br />
Rosset-Llobet J / Rosines-Cubells D / Salo-Orfila JM (2000) „ Identification of risk factors<br />
for musicians in Catalonia (Spain)”. In: Medical Problems of Performing Artists 15<br />
(2000): 167-174<br />
Schaarschmidt U / Fischer A (1996) Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebnismuster.<br />
Swets Test Services GmbH, Frankfurt<br />
Seidel E / Höpfner R / Lange E (1999) „Vergleichende Studie zu klinisch relevanten<br />
Belastungsfaktoren bei Musikstudenten und Berufsmusikern“. In: Musikphysiologie und<br />
Musikermedizin 6 (1999): 115-119<br />
284
V56<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Spahn C / Hildebrandt H / Seidenglanz K (2001a) “Effectiveness of a prophylactic course<br />
to prevent playing-related health problems of music students”. In: Medical Problems of<br />
Performing Artists 16 (2001): 24-31<br />
Spahn C / Richter B / Zschocke I (2002a) “Health Attitudes, Preventive Behavior, and<br />
Playing-related Health Problems among Music Students”. In: Medical Problems of<br />
Performing Artists 17 (2002): 22-28<br />
285
V57<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Burnout-Syndrom unter Seeleuten<br />
Marcus Oldenburg 1 , Ralf Wegner, Clara Schlaich 1 , Andrea Ruppert 1 , Dieter Hillmer 1 , Xaver Baur<br />
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der Freien und Hansestadt Hamburg, Ordinariat für<br />
Arbeitsmedizin der Universität Hamburg<br />
1 Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port Health Centers<br />
Einleitung<br />
Es wird beschrieben, dass heutzutage eine erhebliche psychosoziale Stressbelastung für<br />
die Schiffsbesatzung an Bord besteht. Eigene Untersuchungsergebnisse weisen darauf<br />
hin, dass lang andauernde Familientrennungen, eine als unzureichend eingeschätzte<br />
Ausbildung der Mannschaft, lange durchschnittliche Arbeitszeiten (pro Tag) sowie<br />
Schlafmangel von Seeleuten als Hauptbelastungsfaktoren in der Schifffahrt<br />
wahrgenommen werden (Oldenburg et al. <strong>2009</strong>). Die stark hierarchischen Strukturen in<br />
einem multinationalen und multikulturellen Kontext an Bord stellen eine hohe<br />
Herausforderung insbesondere für das Führungspersonal dar.<br />
Außerdem wird das Stresserleben zusätzlich dadurch forciert, dass Seeleute auch in<br />
ihrer Freizeit permanent schiffs- und berufsbezogenen Einflüssen (z. B. Lärm und<br />
Vibrationen) ausgesetzt und folglich die notwendigen Ruhe- und Erholungsmöglichkeiten<br />
an Bord erheblich eingeschränkt sind.<br />
Ziel<br />
Es soll die aktuelle Burnout-Gefährdung von Seeleuten auf deutsch-flaggigen Schiffen<br />
abgeschätzt werden.<br />
Methodik<br />
In dem Zeitraum von August bis Oktober 2008 fanden sich 329 Seeleute zur Seedienst-<br />
Tauglichkeitsuntersuchung bei der See-Berufsgenossenschaft ein. Von diesen nahmen<br />
264 (80,2%) Seefahrer an der Studie teil.<br />
Die aktuell wesentlichen Belastungsparameter an Bord wurden auf der Basis eigener<br />
Erhebungen und durchgeführter Expertengespräche identifiziert und in einem<br />
schifffahrtspsychologischen Fragebogen zusammengefasst. Letzter wurde den<br />
Seeleuten in einem standardisierten Interview präsentiert. Aus einer Liste von 35 Items<br />
ergaben sich gemäß Faktorenanalyse die unabhängigen Faktoren Mitarbeiterfürsorge<br />
durch Schiffsleitung und Reederei, organisatorische Führungsverantwortung, soziale<br />
Problematik infolge von Familientrennung, schlechte Ausbildung der Mannschaft sowie<br />
286
V57<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Umgang mit multikulturellen Besatzungen. Zur Abschätzung der Burnout-Gefährdung<br />
kam der Faktor Emotionale Erschöpfung (EE) des international erprobten Maslach-<br />
Burnout-Inventars (MBI; Maslach und Jackson, 1986) als Beanspruchungsvariable zum<br />
Einsatz (cut off > 26).<br />
Von den 264 Seeleuten füllten 251 die MBI-Skala Emotionale Erschöpfung komplett aus.<br />
Das Untersuchungskollektiv setzte sich aus 187 Offizieren, 44 Mannschaften und 20<br />
Personen des Küchenpersonals zusammen (Frauenanteil: 4,3%, 11,4% bzw. 25,0%;<br />
Durchschnittsalter: 44,2 Jahre, 33,8 Jahre bzw. 37,3 Jahre; Europäer: 97,3%, 65,9% bzw.<br />
65,0%).<br />
Die statistische Berechnung erfolgte unter Verwendung des Statistik-Programms SPSS<br />
Version 15.0 mittels Chi 2 -Test und multipler Regressionsanalyse.<br />
Ergebnisse<br />
Die Dauer der Seediensttätigkeit lag im Mittel bei 17,6 Jahren (SD 12,9 Jahre). Die<br />
durchschnittliche EE betrug im Gesamtkollektiv 13,5 Punkte (SD 9,4 Punkte) und war<br />
unter Seeleuten ohne Kinder signifikant stärker ausgeprägt (p= 0,031). Das Geschlecht,<br />
die Herkunft (Europäer vs. Nicht-Europäer) und das Alter spielten hinsichtlich der<br />
Burnout-Gefährdung keine wesentliche Rolle.<br />
Bezüglich der beruflichen Einflussgrößen stellte sich eine erhöhte EE bei 10,7% der<br />
Offiziere, bei 4,5% der Mannschaften und bei 25,0% des Küchenpersonals heraus. Auch<br />
eine längere durchschnittliche Arbeitszeit (in Stunden pro Tag) war mit einer stärkeren<br />
Erschöpfungsgefährdung signifikant assoziiert. Weiterhin waren Seeleute mit längerer<br />
ununterbrochener Einsatzzeit an Bord (in Monaten) im Vergleich zu jenen mit kürzerer<br />
Zeit seltener Burnout-gefährdet (nicht signifikant) (s. Abb. 1).<br />
Abb. 1 Risiko einer emotionalen Erschöpfung in Abhängigkeit von beruflichen Parametern<br />
287
V57<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
An Bord werden zwei Wachsysteme (Zwei- und Drei-Wachsystem mit zwei jeweils 6<br />
bzw. 4 Stunden andauernden Wacheinheiten pro Tag) unterschieden. Von den 67<br />
Seeleuten, die beide Wachsysteme kennengelernt hatten, bewerteten 82,1% das Zwei-<br />
Wachsystem und 4,5% das Drei-Wachsystem als belastender, 13,4% der Befragten<br />
sahen keinen Unterschied. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Wachsystem<br />
während der letzten Seereise war nicht mit einer höheren Burnout-Gefährdung<br />
verbunden.<br />
Auf der letzten Seereise waren 83,3% der Seeleute im weltweiten Fahrtgebiet und 16,7%<br />
im Nord-Ostsee-Bereich im Einsatz. Die EE unterschied sich zwischen den Seefahrern<br />
unterschiedlichen Fahrtgebiets nicht signifikant. Hinsichtlich des zuletzt befahrenen<br />
Schiffstyps (in dieser Studie 62,9% Containerschiffe, 10,8% Frachtschiffe, 10,4% Tanker,<br />
10,8% Passagierschiffe, 5,2% Sonstiges) zeigte sich, dass Seeleute insbesondere auf<br />
den (in der Regel Gefahrgut-transportierenden) Tankern und auf Passagierschiffen<br />
häufiger als auf Container- und Frachtschiffen eine Burnout-Gefährdung aufwiesen<br />
(wenngleich nicht signifikant).<br />
In unserem Untersuchungskollektiv war das Risiko einer emotionalen Erschöpfung nicht<br />
mit der subjektiven physikalischen Belastung an Bord in Form von Lärm, Vibration oder<br />
Schiffsbewegungen assoziiert.<br />
Unter Berücksichtigung wesentlicher demographischer und beruflicher Parameter fand<br />
sich in der multivariaten Korrelationsanalyse ein signifikanter Zusammenhang der EE mit<br />
der Mitarbeiterfürsorge durch Schiffsleitung und Reederei, der organisatorischen<br />
Führungs-verantwortung sowie mit der Familientrennung (Abb. 2). Bei weiterer<br />
Stratifizierung zeigte sich, dass die Familientrennung nur unter Seeleuten mit Kindern<br />
signifikant mit der Erschöpfungs-Gefährdung korreliert war.<br />
Abb. 2 Multivariate Korrelationsanalyse der emotionalen Erschöpfung<br />
288
V57<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Unter Seeleuten zeigte sich im Vergleich zu anderen von uns untersuchten<br />
Berufsgruppen eine eher moderate Burnout-Gefährdung (10,8%), wobei im Einklang mit<br />
anderen Studien (Oldenburg et al. 2008) insbesondere das Küchenpersonal als<br />
besonders stressbelastete Berufsgruppe an Bord imponierte. Auf der Grundlage dieser<br />
Studienergebnisse ist zur Verminderung der emotionalen Erschöpfung zu empfehlen, die<br />
Mitarbeiterführung zu verbessern, die z. T. monatelangen Trennungen der Besatzungen<br />
von ihren Familien zu reduzieren und die Führungsaufgaben der Schiffsleitung (z. B. den<br />
Verwaltungsaufwand während der Hafenliegezeit) besser zu organisieren.<br />
Die Durchführung Studien-basierter Interventionsmaßnahmen (z. B. durch Mitarbeiterschulung<br />
mit Kommunikationstraining oder durch bessere Telekommunikations-<br />
Möglichkeiten der Besatzung nach Hause) erscheint hier erforderlich.<br />
Danksagung<br />
Die Autoren bedanken sich bei allen Seeleuten, die an dieser Studie teilgenommen<br />
haben. Außerdem gilt unser Dank Herrn Dr. P. Hose-Jäger vom Sozialmedizinischen<br />
Dienst der Knappschaft-Bahn-See für das Einverständnis, unsere Fragebogenerhebung<br />
im Rahmen der Seedienst-Tauglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Weiterhin möchten<br />
sich die Autoren bei Herrn Prof. Dr. H. J. Jensen und Herrn D.-P. Hansen bedanken, die<br />
den schifffahrtspsychologischen Fragebogen dieser Erhebung maßgeblich entwickelt<br />
haben.<br />
Literatur<br />
Oldenburg M, Jensen H-J, Latza U, Baur X. Coronary risks among seafarers aboard<br />
German-flagged ships. Int Arch Occup Environ Health 81; 2008: 735-41<br />
Oldenburg M, Jensen H-J, Latza U, Baur X. Seafaring stressors aboard merchant and<br />
passenger ships. Int J Public Health 54; <strong>2009</strong>:1-10<br />
289
V58<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Der inkrementelle Beitrag von Persönlichkeitsfaktoren in der<br />
Aufklärung arbeitsbezogener psychischer Gesundheitsprobleme<br />
Jessica Lang 1 , Jonas W.B Lang 2 , Ingo Zettler 3 , Matthias Dreger 1 , Thomas Kraus 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
2 Department of Work and Social Psychology, Universität Maastricht<br />
3 Institut für Psychologie, RWTH Aachen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
290
V59<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Effort-Reward Imbalance und der Gesundheitszustand von<br />
Schuldnerberatern in Rheinland-Pfalz<br />
Michael Unrath, Andrea Jaenicke, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
Zusammenfassung<br />
Schuldberater arbeiten in engem Kontakt mit Klienten, die sich in einer krisenhaften<br />
Situation befinden. Diese emotional fordernde Tätigkeit kann für die Berater mit einem<br />
Risiko verbunden sein, selbst gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Im Oktober 2006<br />
wurde eine Querschnittsstudie an 53 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in<br />
Rheinland-Pfalz in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt. Der Fragebogen<br />
enthielt Fragen zur psychischen Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten sowie zu<br />
Arbeitsbedingungen, soziodemographischen Variablen und arbeitsbedingtem Stress<br />
nach dem Effort-Reward Imbalance Modell (Siegrist 1996). Insgesamt war jeder vierte<br />
Schuldnerberater (25,8 %, n = 62) von hohem Arbeitsstress (Effort-Reward Ratio >1)<br />
betroffen. Arbeitsstress war zudem sowohl bivariat als auch in binär logistischen<br />
Regressionsmodellen nach Adjustierung signifikant mit verschiedenen<br />
Gesundheitsproblemen assoziiert. Ein möglicher Verbesserungsansatz besteht darin, die<br />
am Arbeitsplatz erlebte Belohnung durch systematische Erfolgsrückmeldungen im<br />
Beratungsprozess und positive Rückmeldungen von Seiten der Vorgesetzten und Träger<br />
zu steigern und die Arbeit gleichzeitig durch Optimierung der Arbeitsorganisation (z. B.<br />
Teamarbeit) effizienter zu gestalten.<br />
Ziel der Studie<br />
Überschuldung stellt in Deutschland mit 6,9 Millionen betroffenen Bürgern ein großes<br />
gesellschaftliches Problem dar (Creditreform 2008). Dabei ist Überschuldung nicht<br />
gleichbedeutend mit bloßer Verschuldung. Erst wenn bei Privatpersonen nach Abzug der<br />
notwendigen Lebenshaltungskosten das verbleibende Einkommen nicht ausreicht, um<br />
alle Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, spricht man von Überschuldung im Sinne einer<br />
dauerhaften Zahlungsunfähigkeit (Wimmer 2006). Überschuldung ist ein ökonomisches<br />
und juristisches Problem, hat daneben aber auch weit reichende negative soziale und<br />
gesundheitliche Folgen (Münster et al. 2007a; Münster et al. 2007b).<br />
Die Schuldnerberatung in Deutschland entwickelte sich in den 80er Jahren aufgrund der<br />
steigenden Anzahl ver- und überschuldeter Privathaushalte. Derzeit arbeiten in<br />
Deutschland ca. 1700 Mitarbeiter in rund 1100 Beratungsstellen (http://www.bagsb.de/index.php?id=16,<br />
Sanio et al. 2006). Inhaltlicher Schwerpunkt der Beratung ist<br />
neben finanziellen und rechtlichen Aspekten die soziale Arbeit, da die überschuldeten<br />
Klienten sich in einer krisenhaften Situation mit häufig fehlender Zukunftsperspektive<br />
291
V59<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
befinden. Oftmals bestehen soziale und gesundheitliche Schwierigkeiten auf Seiten der<br />
Klienten, zum Beispiel in Form psychischer Beschwerden (Münster et al. 2007a;<br />
Thomsen, 2008). Die Tätigkeit als Schuldnerberater kann somit eine emotional stark<br />
fordernde Arbeit sein. In den letzten Jahren ist darüber hinaus die Arbeitslast der<br />
Schuldnerberater deutlich angestiegen. Im Jahr 2000 wurden in Rheinland-Pfalz etwa<br />
6700 Klienten beraten, sieben Jahre später lag die Fallzahl bei etwa 12700 Klienten. Die<br />
Anzahl der Schuldnerberater stieg trotz der wachsenden Fallzahl nicht an. (Ministerium<br />
für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz 2008). Angesichts<br />
der genannten potentiellen Stressoren könnte die Gesundheit der Berater selbst<br />
gefährdet sein. Wissenschaftlich fundiertes Wissen über den Gesundheitszustand der<br />
Schuldnerberater fehlte bislang. Um diese Lücke zu schließen, wurde erstmalig eine<br />
arbeitsmedizinische Studie mit Schuldnerberatern in Rheinland-Pfalz durchgeführt.<br />
Methoden<br />
Im Oktober 2006 wurde eine Querschnittsstudie an Mitarbeitern von Schuldner- und<br />
Insolvenzberatungsstellen in Rheinland-Pfalz mittels eines anonym zu beantwortenden<br />
Fragebogens durchgeführt. Beteiligt waren 53 staatlich anerkannte Schuldner- und<br />
Insolvenzberatungsstellen. Im Bogen enthalten waren Fragen zur psychischen und<br />
körperlichen Gesundheit, die zum großen Teil standardisierten Instrumenten entnommen<br />
worden waren. Eingesetzt wurden beispielsweise der PHQ-2 (Kroenke et al. 2003) und<br />
eine von Glaser revidierte Fassung des MBI-D (Buessing et al. 1992). Darüber hinaus<br />
wurden Fragen zum Berufsleben gestellt und soziodemografische Variablen erhoben.<br />
Arbeitsbedingter Stress wurde mit dem ERI-Q (Siegrist 1996) erfasst. In den<br />
Regressionsmodellen wurden sowohl soziodemografische als auch berufsbezogene<br />
Kovariaten kontrolliert (z. B. Geschlecht, berufsbezogene soziale Unterstützung). Alle<br />
statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt. Das Signifikanzniveau<br />
wurde mit α = 0,05 definiert.<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt nahmen 66 Schuldnerberater (36 Frauen) zwischen 25 und 59 Jahren an der<br />
Befragung teil (Teilnahmequote 63,5 %). 44 Teilnehmer (66,7 %) gaben an, derzeit unter<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen zu leiden. Weitere häufige Gesundheitsprobleme waren<br />
emotionale Erschöpfung und Depression. Einen Überblick über die gesundheitlichen<br />
Probleme in der Stichprobe bietet Abbildung 1.<br />
292
V59<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
75,8<br />
…durch Arbeit beeinträchtigt<br />
66,7<br />
Emotionale Erschöpfung<br />
aktuelle Gesundheitsprobleme<br />
41,3 39,4 38,5<br />
BMI > 25<br />
kein regelmäßiger Sport<br />
Rauchen<br />
25,4<br />
Depression<br />
12,1<br />
krankheitsbedingte Fehltage<br />
63,6<br />
Abbildung 1: Gesundheitsprobleme der Schuldnerberater (n = 60-66)<br />
Insgesamt gaben 75,8 % der Schuldnerberater an, dass ihre Gesundheit durch die Arbeit<br />
beeinträchtigt wird. Darüber hinaus wurden spezifische gesundheitliche<br />
Beeinträchtigungen als Folge der Arbeit genannt, z.B. Rückenschmerzen (69,7 %) oder<br />
Kopfschmerzen (53,8 %). Jeder vierte Schuldnerberater (25,8 %) erlebte hohen<br />
Arbeitstress in Form eines Ungleichgewichts zwischen Anstrengung und Belohnung am<br />
Arbeitsplatz (Effort-Reward Ratio > 1). Dieses Ungleichgewicht war bivariat signifikant<br />
mit mehreren gesundheitlichen Problemen assoziiert wie beispielsweise der<br />
Anwesenheit aktueller seelischer oder körperlicher Beschwerden (OR = 10,6; 95 % KI =<br />
1,3-86,9) oder mit Übergewicht in Form eines Body-Mass-Indexes > 25 kg/m² (OR = 5,0;<br />
95 % KI = 1,5-17,2). Auch in multivariaten Modellen zur Vorhersage verschiedener<br />
Gesundheitsprobleme (z. B. Vorhandensein aktueller körperlicher oder seelischer<br />
Beschwerden, emotionale Erschöpfung) blieb Arbeitsstress ein statistisch signifikanter<br />
Risikofaktor.<br />
293
V59<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Schuldnerberater in Rheinland-Pfalz scheinen häufig von gesundheitlichen Problemen<br />
und einem Ungleichgewicht zwischen Anstrengung und Belohnung am Arbeitsplatz<br />
betroffen zu sein. Arbeitsstress kann bei Schuldnerberatern wie bei anderen<br />
Berufsgruppen auch (Siegrist 2008; Siegrist et al. 2008; Siegrist et al. 2004) einen<br />
Risikofaktor zur Herausbildung dieser gesundheitlichen Beschwerden darstellen.<br />
Einschränkend müssen der relativ geringe Stichprobenumfang sowie mögliche<br />
Selektionsverzerrungen erwähnt werden, die die Ergebnisse möglicherweise in beide<br />
Richtungen beeinflusst haben könnten.<br />
Ein möglicher Ansatz zur Verbesserung der Situation besteht darin, die am Arbeitsplatz<br />
erlebte Belohnung zu steigern und gleichzeitig die mit der Arbeit verbundenen<br />
Anstrengungen zu reduzieren. Möglichkeiten zur Steigerung der Belohnung bestehen<br />
zum Beispiel in der Einführung systematischer Erfolgsrückmeldungen im<br />
Beratungsprozess und der Erhöhung der Anzahl positiver Rückmeldungen von Seiten<br />
der Vorgesetzten und Träger. Darüber hinaus sollten die bestehenden Möglichkeiten für<br />
Supervision, Reflexion und Weiterqualifizierung geprüft und gegebenenfalls verbessert<br />
werden (Thomsen 2008). Durch eine Optimierung der Arbeitsorganisation kann<br />
außerdem die Effizienz gesteigert und Anstrengung verringert werden. Ansatzpunkte<br />
hierzu bestehen in der Förderung von Teamarbeit, der Bildung von<br />
Beratungsschwerpunkten, der Standardisierung standardisierbarer Tätigkeiten und<br />
flexiblen Arbeitszeitenregelungen (Siegrist et al. 2008; Thomsen 2008).<br />
Literatur<br />
1 Buessing A, Perrar KM. Die Messung von Burnout. Untersuchung einer<br />
deutschen Fassung des Maslach Burnout Inventory (MBI-D) Measurement of<br />
burnout. Study of a German version of the Maslach Burnout Inventory (MBI-D).<br />
Diagnostica 1992; 38<br />
(4):328-53.<br />
2 Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, http://www.bag-sb.de/index.php?<br />
id=16, 17. März <strong>2009</strong><br />
3 Creditreform. Schuldneratlas Deutschland 2008, 2008<br />
4 Kroenke K, Spitzer RL, Williams JB. The Patient Health Questionnaire-2: validity<br />
of a two-item depression screener. Med Care 2003; 41 (11):1284-92.<br />
5 Ministerium für Arbeit Soziales Gesundheit Familie und Frauen Rheinland-Pfalz<br />
LfSJuVR-P, Schuldnerfachberatungszentrum Rheinland-Pfalz,LIGA –<br />
Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz &<br />
Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung in Rheinland-Pfalz. Statistik der<br />
Schuldnerberatung Rheinland-Pfalz 2007, 2008<br />
6 Münster E, Rüger H, Ochsmann E, Alsmann C, Letzel S. Überschuldung und<br />
Gesundheit. Sozialmedizinische Erkenntnisse für die Versorgungsforschung.<br />
Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 2007a; 42 (12):628-34.<br />
7 Münster E, Rüger H, Ochsmann E, Alsmann C, Letzel S. Überschuldung und<br />
Zuzahlungen im deutschen Gesundheitssystem – Benachteiligung bei<br />
294
V59<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Ausgabenarmut. eingereicht in 'Das Gesundheitswesen' (eingereicht 2007b, im<br />
Druck März <strong>2009</strong>).<br />
8 Sanio W, Groth U, Schulz-Rackoll R. Der Schuldenreport 2006. In: Schriftenreihe<br />
des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zur Verbraucherpolitik, Bd. 7. Berlin:<br />
BWV Berliner Wissenschaftsverlag, 2006.<br />
9 Siegrist J. Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup<br />
Health Psychol 1996; 1 (1):27-41.<br />
10 Siegrist J. Chronic psychosocial stress at work and risk of depression: evidence<br />
from prospective studies. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2008; 258 Suppl<br />
5:115-9.<br />
11 Siegrist J, Dragano N. [Psychosocial stress and disease risks in occupational life.<br />
Results of international studies on the demand-control and the effort-reward<br />
imbalance models]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung<br />
Gesundheitsschutz 2008; 51 (3):305-12.<br />
12 Siegrist J, Starke D, Chandola T, Godin I, Marmot M, Niedhammer I et al. The<br />
measurement of effort-reward imbalance at work: European comparisons. Soc<br />
Sci Med 2004; 58 (8):1483-99.<br />
13 Thomsen M. Professionalität in der Schuldnerberatung. Handlungstypen im<br />
Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008.<br />
14 Wimmer K. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, Vor §§ 286<br />
ff. Rn. 3, S. 1682. München, 2006.<br />
295
V60<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Ist der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ein sensitiver<br />
Indikator unmittelbarer mentaler Beanspruchungen bei der<br />
Arbeit?<br />
Andreas Müller, Raluca Petru, Lucia Seitz, Peter Angerer<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München<br />
Zusammenfassung<br />
In einem Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest wurde geprüft, ob der relative<br />
Pupillenunruhe-Index (RPUI) ein sensitiver Indikator für kurzfristige arbeitsbedingte<br />
mentale Beanspruchungen ist. Der RPUI gilt als Maß der zentralnervösen Aktivierung. Je<br />
geringer der RPUI desto höher die zentralnervöse Aktivierung. Bisher wenig untersucht<br />
ist die Sensitivität des RPUI gegenüber unmittelbaren mentalen Beanspruchungen. Ein<br />
Kollektiv mit hoher mentaler Beanspruchung (30 Vorfeldkontrolleure eines<br />
internationalen Flughafens) wurde mit einem Kontroll-Kollektiv mit geringer mentaler<br />
Beanspruchung (63 gesunde Probanden an einem freien Tag) verglichen. Beide<br />
Kollektive wurden hinsichtlich Alter und Geschlecht adjustiert. Der RPUI wurde zu zwei<br />
Messzeitpunkten im Abstand von acht Stunden mit dem pupillografischen<br />
Schläfrigkeitstest erfasst. Die Messungen erfolgten in beiden Kollektiven zum gleichen<br />
Zeitpunkt unmittelbar vor und nach einer Spätschicht der Vorfeldkontrolleure. Es wurden<br />
keine statistisch signifikanten Zeit-Versuchsgruppeneffekte beobachtet. Damit hatte die<br />
mentale Beanspruchung keinen Einfluss auf den RPUI. Es ist zu schlussfolgern, dass<br />
der RPUI kein sensitiver Indikator zur Erfassung kurzfristiger mentaler Beanspruchung<br />
ist.<br />
(Keywords: mentale Beanspruchung, Pupillografie)<br />
Ziel der Studie<br />
In einem nicht-randomisierten Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest wurde<br />
geprüft, ob der relative Pupillenunruhe-Index (RPUI) ein sensitiver Indikator für<br />
kurzfristige arbeitsbedingte mentale Beanspruchungen ist.<br />
Fehlbeanspruchungen können zum einen Gesundheitsbeeinträchtigungen (z.B.<br />
Karasek, 1979) und zum anderen Fehlhandlungen (z.B. Reason, 1992) zur Folge haben.<br />
Es besteht daher ein Bedarf an objektiven Methoden zur Erfassung und Einschätzung<br />
mentaler Beanspruchungen.<br />
Pupillenreaktionen sind ein Beispiel für objektive Indikatoren kurzfristiger mentaler<br />
Beanspruchungen (z.B. Kahneman, 1973). Eines der pupillografischen Maße ist die<br />
spontane Änderung des Pupillendurchmessers bei Dunkelheit, der sogenannte<br />
Pupillenunruheindex. Die Pupillenunruhe gilt als Maß der zentralnervösen Aktivierung<br />
(vgl. z.B. Wees et al., 2000): Je geringer die Pupillenunruhe desto höher die<br />
296
V60<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
zentralnervöse Aktivierung. Der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ist eine einfach zu<br />
interpretierende, weil standardisierte Variante des Pupillenunruhe-Index. Die<br />
Standardisierung erfolgt am Anfangsdurchmesser der Pupille. Eine konstante Pupille<br />
hätte damit einen RPUI = 0. Die Pupillenunruhe wurde bisher insbesondere in der<br />
Schlafforschung (z.B. Wilhelm, Wilhelm, Lüdtke, Streicher & Adler, 1998) und bei<br />
Verkehrstauglichkeitsuntersuchungen (z.B. Wilhelm, 2008) erhoben. Bisher wenig<br />
untersucht ist die Sensitivität der Pupillenunruhe gegenüber kurzfristigen mentalen<br />
Beanspruchungen.<br />
Methoden<br />
Design: Nicht-randomisiertes Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest.<br />
Stichprobe: Als Untersuchungs-Kollektiv mit hoher mentaler Beanspruchung<br />
dienten 30 Vorfeldkontrolleure eines internationalen Flughafens (männlich = 22, weiblich<br />
= 8; Alter = 33.9, ± 7.6) vor und nach einer Spätschicht. Aufgabe der Vorfeldkontrolleure<br />
ist die Überwachung und aktive Regelung des Verkehrs auf den Vorfeldern eines<br />
Flughafens. Als Kontroll-Kollektiv mit geringer mentaler Beanspruchung wurden 63<br />
gesunde Probanden an einem freien Tag (männlich = 44, weiblich = 19; Alter = 32.6, ±<br />
8.4) untersucht. Beide Kollektive wurden hinsichtlich Alter und Geschlecht adjustiert.<br />
Erhebungsmethoden: Der RPUI wurde zu zwei Messzeitpunkten im Abstand von<br />
acht Stunden mit dem pupillografischen Schläfrigkeitstest (F 2 D Fit-for-Duty-Test, der<br />
Firma AMTech) erfasst. Es wurde mittels Infrarotlicht die kontinuierliche Änderung des<br />
Pupillendurchmessers aufzeichnet. Die Messdauer betrug 11 Minuten. Zur Kontrolle<br />
circadianer Effekte erfolgten die Messungen in beiden Kollektiven zum gleichen<br />
Zeitpunkt um 13:30 und um 22:00 unmittelbar vor und nach einer Spätschicht der<br />
Vorfeldkontrolleure.<br />
Die Wirksamkeit der Exposition (mentale Beanspruchung) wurde in beiden<br />
Kollektiven durch den Einsatz des NASA-Task Load Index (NASA-TLX, Hart &<br />
Staveland; 1988) kontrolliert. Der NASA-TLX erfasst die subjektive (Arbeits-) Belastung –<br />
im Sinne des Aufwands zur Erreichung einer bestimmten Leistung. Das Instrument<br />
umfasst sechs Dimensionen (z.B. Geistige Anforderungen, Körperliche Anforderungen,<br />
Anstrengung), die jeweils anhand einer zwanzigstufigen Skala (Wertebereich: 0-100)<br />
individuell eingeschätzt wurden. Das Instrument wurde viermal in zweistündigen<br />
Abständen eingesetzt. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Untersuchungs-Design.<br />
Die Studie wurde von der Ethikkommission des Klinikums der LMU München<br />
positiv beurteilt.<br />
297
V60<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Pupillografie<br />
T1<br />
Untersuchungs-Kollektiv<br />
Kontroll-Kollektiv: Freizeit<br />
Pupillografie<br />
T2<br />
13:30 Uhr 22:00 Uhr<br />
NASA-TLX NASA-TLX NASA-TLX NASA-TLX<br />
Abbildung 1: Untersuchungs-Design<br />
Ergebnisse<br />
Subjektive Arbeitsbelastung: Das Untersuchungs-Kollektiv berichtete von signifikant<br />
höheren subjektiven Belastungen während des gesamten Untersuchungszeitraums (F =<br />
117.2, df = 1, p < .001). Dieses Ergebnis bestätigt die angenommen<br />
Belastungsunterschiede zwischen den beiden Kollektiven und damit die Wirksamkeit der<br />
Exposition.<br />
Relativer Pupillenunruheindex: Zu t1 betrug der RPUI der Vorfeldkontrolleure .89<br />
(± .49), der RPUI des Kontroll-Kollektivs betrug .83 (± .48). Zu t2 betrug der RPUI der<br />
Vorfeldkontrolleure .71, (± .33), der RPUI des Kontroll-Kollektivs betrug .67 (± .43). Die<br />
kritische Obergrenze des RPUI von 1 wurde nicht überschritten. Statistisch signifikante<br />
Zeit-Versuchsgruppeneffekte wurden nicht beobachtet (F = .05, df = 1, p = .83).<br />
UK<br />
KK<br />
Abbildung 2: Der relative Pupillenunruheindex (RPUI) im Gruppenvergleich<br />
(UK = Untersuchungs-Kollektiv, KK = Kontroll-Kollektiv)<br />
Damit hatten die Unterschiede in der mentalen Beanspruchung keinen Einfluss<br />
auf den RPUI zu t2. Hingegen bestehen Haupteffekte des Messzeitpunktes auf den<br />
RPUI (F = 13.2, df = 1, p = .00), d.h. der RPUI verringert sich in beiden Kollektiven von t1<br />
zu t2 signifikant. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Ergebnisse zum RPUI.<br />
298
V60<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass der RPUI kein sensitiver Indikator zur Erfassung<br />
kurzfristiger mentaler Beanspruchung ist. Als Ursache für die Verringerung des RPUI<br />
über die Zeit können circadiane Einflüsse angenommen werden (vgl. Wilhelm, 2001). Es<br />
ist zu vermuten, dass der RPUI nur Effekte, welche die Effekte circadianer<br />
Schwankungen übersteigen, erfassen kann.<br />
Literatur<br />
Hart, S. G., & Staveland, L. E. Development of NASA-TLX (Task Load Index): Results of<br />
empirical and theoretical research. In P. A. Hancock & N. Meshkati (Hrsg.),<br />
Human mental workload, Oxford: North-Holland, 1988, 139-183.<br />
Kahneman, D. Attention and effort. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, 1973.<br />
Karasek, R. A. Job demands, job decision latitude and mental strain: Implications for job<br />
redesign. Administrative Science Quarterly, 24, 1979, 285-306.<br />
Reason J. Human Error. Cambridge, Mass: Cambridge University Press, 1992.<br />
Weeß, H. G., Sauter, C., Geisler, P., Böhning, W., Wilhelm, B., Rotte, M., et al. Vigilanz,<br />
Einschlafneigung, Daueraufmerksamkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit - Diagnostische<br />
Instrumentarien zur Messung müdigkeits- und schläfrigkeitsbezogener Prozesse<br />
und deren Gütekriterien. Somnologie, 4, 2000, 20-38.<br />
Wilhelm, B., Wilhelm, H., Lüdtke, H., Streicher, P. & Adler, M. Pupillographic assessment<br />
of sleepiness in sleep-deprived healthy subjects. Sleep, 21,1998, 258-265.<br />
Wilhelm, B., Giedke, H., Lüdtke, H., Bittner, E., Hofmann, A. & Wilhelm, H. Daytime<br />
variations in central nervous system activation measured by a pupillographic<br />
sleepiness test. J Sleep Res, 10, 2001, 1-7.<br />
Wilhelm, B. Pupillografie zur Messung von Fahrerschläfrigkeit. Klin Monatsbl<br />
Augenheilkd, 225, 2008, 791-798.<br />
299
V61<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Psychische Belastungen in der Altenpflege im Vergleich zu<br />
anderen Berufsgruppen<br />
Matthias Nübling 1 , Martin Vomstein 1 , Sabine Gregersen 2 , Madeleine Dulon 2 , Albert Nienhaus 2<br />
1<br />
FFAS: Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg<br />
2<br />
BGW: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />
Ziel: Studien zu psychischen Belastungen und Beanspruchungen in der Altenpflege<br />
zeigen bisher meist durchschnittliche bis überhöhte Belastungen (NEXT-Studie, Simon et<br />
al. 2005; Beluga Studie, Glaser et al, 2007; u.a.). Das Ziel dieser Studie ist es, die<br />
Datenbasis speziell für die Altenpflege zu verbessern und an einer umfangreichen<br />
Stichprobe hinsichtlich vieler Belastungsaspekte sowohl Vergleiche innerhalb der Pflege<br />
als auch mit anderen Berufsgruppen zu ermöglichen.<br />
Methoden: Die deutsche Version des COPSOQ- Fragebogens (Copenhagen<br />
Psychosocial Questionnaire) ist ein inhaltlich sehr breites und umfangreich validiertes<br />
und erprobtes Fragebogeninstrument zur Erfassung psychischer Belastungen und<br />
Beanspruchungen (Nübling et al. 2005, 2006); die Standardversion beinhaltet 25 Skalen<br />
zu psychischen Faktoren am Arbeitsplatz. Im Auftrag der BGW wurde in 36<br />
Einrichtungen der ambulanten und stationären Altenpflege eine für Pflegeberufe leicht<br />
erweiterte Version des Fragebogens eingesetzt (zusätzlich: spezifische Belastungen in<br />
der Altenpflege, Schichtmodelle).<br />
Die bei den Beschäftigten in der Altenpflege gemessenen Belastungsmittelwerte wurden<br />
intern zwischen mobiler und stationärer Altenpflege verglichen sowie extern mit den<br />
Ergebnissen der COPSOQ- Datenbank insgesamt (N=11.168 Probanden aus<br />
verschiedenen Berufsgruppen), bzw. mit 1.650 Personen aus der stationären<br />
Krankenpflege.<br />
Ergebnisse: 889 Personen nahmen insgesamt an der Erhebung teil, wobei der Rücklauf<br />
zwischen den Einrichtungen sehr stark variierte (Rücklauf insgesamt 33%, Spanne 11-<br />
93%). 412 Personen kamen aus der „ambulanten Altenpflege“, 313 aus der „stationären<br />
Altenpflege“; 164 Personen hatten andere Berufe, z.B. Verwaltung (diese werden im<br />
Folgenden nicht dargestellt).<br />
Im Vergleich zum COPSOQ- Gesamtwert und den einzelnen Berufsgruppen der<br />
Datenbank ergaben sich strukturell (berufsgruppentypisch) sowohl günstige als auch<br />
ungünstige Punkte für die Altenpflege (bei gleichzeitig großer Variation innerhalb der<br />
Betriebe, was aber dann kein strukturelles Berufsmerkmal mehr ist, sondern ein<br />
organisatorisches Betriebsmerkmal).<br />
300
V61<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Skala: Einfluss bei der Arbeit<br />
100<br />
Mittelwert (95% Konfidenzintervall)<br />
90<br />
80<br />
Wert Berufsgruppe<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
58<br />
60<br />
59 61<br />
54<br />
54<br />
47<br />
51<br />
49 52<br />
20<br />
39<br />
43 41 40 41<br />
37<br />
40<br />
44<br />
43<br />
39<br />
43<br />
38<br />
38 40<br />
10<br />
0<br />
Fertigung<br />
Techn. Berufe: Ingenieure<br />
Verwaltung, Führung<br />
Techn. Berufe: Techniker etc.<br />
Verwaltung, andere<br />
Ordnung / Sicherheit<br />
Schrift. /Kunst<br />
Ärzte<br />
Betriebsärzte<br />
Anästhesisten<br />
Rettungsdienst<br />
Physiotherap.<br />
Gesundh., Rest<br />
Sozarb. / Sozpäd.<br />
Altenpflege<br />
Lehrkräfte<br />
Berufsgruppe (KdB 92)<br />
Priester<br />
Pfarrer<br />
Erziehung, Rest<br />
Entsorgung<br />
DL, Rest<br />
ambulante Pflege<br />
stat. Altenpflege<br />
stat. Krankenpflege<br />
Abbildung 3: Einfluss bei der Arbeit nach Berufsgruppen<br />
Nachteilig für die Beschäftigten in der Altenpflege (je mind. p
V61<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen:<br />
Insgesamt stellt sich die berufsspezifische Situation vor allem in der ambulanten<br />
Altenpflege (außer „alleine arbeiten“) günstiger dar als in der stationären Altenpflege<br />
oder in anderen Berufen.<br />
Mehrere Begründungen für diesen Befund sind möglich, eine davon ist der hohe Anteil<br />
an Teilzeitbeschäftigten in der ambulanten Altenpflege.<br />
100<br />
Anforderungen: Skalenmittelwerte nach wöch. Arbeitszeit<br />
90<br />
Vollzeit (35h +)<br />
Skalenmittelwert (95% Konfidenzintervall)<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
53<br />
51<br />
36<br />
56<br />
53<br />
45<br />
47<br />
44<br />
Teilzeit 20-35 h)<br />
Teilzeit < 20 h<br />
40<br />
46<br />
41<br />
10<br />
25<br />
0<br />
Quantitative Anforderungen Emotionale Anforderungen Emotionen verbergen Work-Family Conflict<br />
Skala<br />
Abbildung 4: Skalen Anforderungen nach Umfang der Tätigkeit<br />
Unsere Analysemodelle bestätigen, dass Teilzeittätigkeit mit geringeren<br />
Belastungsangaben insbesondere für die quantitativen Anforderungen einhergeht, so<br />
werden z.B. die quantitativen Anforderungen von Beschäftigten in der Altenpflege<br />
(ambulant und stationär zusammen) bei unter 20 Wochenstunden deutlich geringer<br />
bewertet (38 Punkte als Durchschnittswert) als bei einer Vollzeitbeschäftigung (53<br />
Punkte). Ähnliches gilt für die anderen drei Skalen im Bereich Anforderungen;<br />
interessanterweise sind die größten Vorteile aber erst bei unter 20 Wochenstunden<br />
sichtbar; die Differenz zwischen Vollzeit und Teilzeit über 20 Stunden ist demgegenüber<br />
nur gering ausgeprägt. Insofern ist die als besonders günstig resultierende<br />
Arbeitsituation in der ambulanten Altenpflege teilweise (aber nicht völlig) nicht der<br />
geringen Belastung, sondern der häufig verringerten Expositionsdauer zu verdanken.<br />
Wichtiger als die berufsspezifischen Befunde ist für die betriebliche Intervention und<br />
Gesundheitsförderung der Punkt, dass zwischen den Betrieben auch dort große<br />
Unterschiede in den Belastungen bestehen, wo keine strukturellen Vor- oder Nachteile<br />
für die Altenpflege zu erwarten waren bzw. auszumachen sind (z.B. Führungsqualität,<br />
302
V61<br />
Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />
Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz etc.): Hier können Betriebe aus dem Vergleich der<br />
Ergebnisse ihrer Organisation mit anderen, ähnlichen Organisationen die primären<br />
Handlungsfelder ableiten.<br />
Literatur:<br />
Glaser, J., Lampert, B. & Weigl, M. (2007). Arbeit in der stationären Altenpflege –<br />
Analyse und Förderung von Arbeitsbedingungen, Interaktion, Gesundheit und Qualität.<br />
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben F 1977 zur Vorlage an die Bundesanstalt für<br />
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Projekt BELUGA – Belastungsanalyse und<br />
gesundheitsförderliche Arbeit in der Altenpflege, Berichte aus dem Lehrstuhl für<br />
Psychologie der TU München (Bericht Nr. 86, November 2007). München: TU.<br />
Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Methoden zur<br />
Erfassung psychischer Belastungen - Erprobung eines Messinstrumentes (COPSOQ).<br />
Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1058.<br />
Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2005<br />
Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Measuring<br />
psychological stress and strain at work: Evaluation of the COPSOQ Questionnaire in<br />
Germany. GMS Psychosoc Med. 3: 2006, Doc05. www.egms.de/en/journals/psm/2006-<br />
3/psm000025.shtml/<br />
Simon, M. et al. (2005). Auswertung der ersten Befragung der NEXT-Studie in<br />
Deutschland. Wuppertal: Universität Wuppertal.<br />
303
V62<br />
Vorträge – Haut<br />
EU-Sen-si-tiv: Entwicklung alternativer Methoden zur<br />
Risikobewertung kontaktsensibilisierender Stoffe<br />
Hans F. Merk, Hagen Ott, Claudia Skazik, Richard Brans, Jens Malte Baron<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
304
V63<br />
Vorträge – Haut<br />
Validität, Inter- und Intraobserver-Variabilität eines Hautscores<br />
zur Früherkennung des Handekzems in der arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge<br />
Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />
Einleitung:<br />
Bei den Verdachtsanzeigen auf das Vorliegen einer Berufskrankheit liegen die<br />
berufsbedingten Hauterkrankungen (BK 5101 der BKV) seit Jahren an der Spitze aller<br />
Verdachtsanzeigen, auch wenn seit 2002 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist<br />
(HVBG 2006). 80-90% der beruflich bedingten Kontaktekzeme sind an den Händen<br />
lokalisiert (Andersen 2003). Das Handekzem hat eine hohe sozioökonomische und<br />
sozialmedizinische Bedeutung. Häufig sind junge Beschäftigte, die noch in der<br />
Ausbildung sind, betroffen. Es entstehen hohe Kosten durch medizinische Versorgung,<br />
Krankengeld, Arbeits- und Produktionsausfall, Wiedereingliederung und ggfs. Renten<br />
sowie ein erheblicher Verlust an Lebensqualität. Wichtig ist also die Vermeidung des<br />
Auftretens der Erkrankung, die Primärprävention. Um die Wirksamkeit präventiver<br />
Maßnahmen überprüfen zu können, benötigt man standardisierte, validierte Instrumente<br />
wie z.B. Scores zur Befundung des Hautzustands der Hände. Es gibt bereits validierte<br />
Handscores wie den HECSI (Held et al. 2005), den Manuscore (John 2001) und den<br />
OHSI (Skudlik et al. 2006). Diese Scores wurden zur Beurteilung manifester<br />
Handekzeme im Rahmen der Tertiärprävention und im klinischen Bereich der<br />
Sekundärprävention entwickelt. Der Erlanger Hautscore für die Prävention ist ein Score<br />
zur Befundung des Hautzustands der Hände bei arbeitsfähigen, weitgehend<br />
hautgesunden Beschäftigten also im präklinischen Bereich der Sekundärprävention.<br />
Ziel der Studie<br />
Es sollte der Erlanger Hautscore für die Prävention, ein Handscore zur Beschreibung des<br />
Hautzustands der Hände bei arbeitsfähigen, weitgehend hautgesunden Beschäftigten,<br />
validiert werden. Dazu sollten Inter- und Intraobserver-Variabilität des Scores untersucht<br />
und die Ergebnisse mit den Daten bereits validierter Handscores verglichen werden.<br />
Methoden<br />
Ein Kollektiv von 40 männlichen arbeitsfähigen Beschäftigten mit einem<br />
Feuchtarbeitsplatz (Alter: 28-56 Jahre, Median 41,0) wurde von drei Ärzten mit Hilfe des<br />
Erlanger Hautscores für die Prävention untersucht, um die Interobserver-Variabilität zu<br />
bestimmen. Dabei wurden für das Handekzem typische Morphen wie Erythem, Papeln,<br />
305
V63<br />
Vorträge – Haut<br />
Bläschen, Schuppung/Hyperkeratose, Xerosis, Lichenifikation, Rhagaden, Erosionen und<br />
Krusten/Exkoriationen sowie deren Lokalisation und Intensität erfasst.<br />
Ein Kollektiv von 30 männlichen, arbeitsfähigen Beschäftigten mit einem<br />
Feuchtarbeitsplatz (Alter: 22-57 Jahre, Median: 46,5) wurde von drei Ärzten zur<br />
Bestimmung der Intraobserver-Variabilität untersucht. Dabei wurden zehn Probanden<br />
jeweils zwei Mal verblindet von einem Arzt mit Hilfe des Erlanger Hautscores untersucht.<br />
Unsere Ergebnisse wurden dann mit den Daten der bereits validierten Handscores<br />
(HECSI, OHSI und Manuscore) verglichen.<br />
Das schriftliche Einverständnis der Probanden und das Votum der Ethikkommission der<br />
Universität Erlangen-Nürnberg lagen vor.<br />
Ergebnisse<br />
Im Kollektiv der 40 arbeitsfähigen Feuchtarbeiter ergab sich ein Score-Wert im Erlanger<br />
Hautscore von 12 Punkten (Median, Bereich: 2-87 Punkte) bei einem erreichbaren<br />
Maximum von 2260 Punkten. Dies entspricht minimalen bis mäßigen<br />
Hautveränderungen auf den Händen. Bei der Untersuchung der Interobserver-Variabilität<br />
zeigte sich ein Intra-Class-Korrelationskoeffizient von 0,933 (95% KI 0,833-0,963), was<br />
einer sehr hohen Übereinstimmung entspricht. Im Kollektiv der 30 arbeitsfähigen<br />
Feuchtarbeiter ergab sich ein Score-Wert im Erlanger Hautscore von 14 Punkten<br />
(Median, Bereich: 3-61 Punkte). Bei der Untersuchung der Intraobserver-Variabilität<br />
zeigte sich ein Intra-Class-Korrelationskoeffizient bei den einzelnen Maßen von 0,745-<br />
0,979 (95% KI 0,259-0,995) und bei den durchschnittlichen Maßen von 0,854-0,989<br />
(95% KI 0,411-0,007), was einer hohen bis sehr hohen Konsistenz entspricht. Im<br />
Vergleich unserer Daten mit den Daten bereits validierter Handscores zeigte sich, dass<br />
die Werte in einem ähnlichen Bereich lagen (Tabelle 1 und 2).<br />
Tabelle 1: Vergleich des Erlanger Hautscores mit bereits validierten Handscores (Intraobserver-<br />
Variabilität)<br />
306
V63<br />
Vorträge – Haut<br />
Tabelle 2: Vergleich des Erlanger Hautscores mit bereits validierten Handscores (Interobserver-<br />
Variabilität)<br />
Schlussfolgerungen<br />
Mit dem Erlanger Hautscore können zuverlässig und untersucherunabhängig auch<br />
minimale Hautveränderungen objektiv dokumentiert werden. Der Erlanger Hautscore ist<br />
ein geeignetes und reproduzierbares Instrument zum Einsatz in der Prävention. Sein<br />
Einsatz bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen ist empfehlenswert<br />
Literatur:<br />
Andersen KE. Occupational issues of allergic contact dermatitis. Int Arch Occup<br />
Environ Health 2003; 76:347-350.<br />
Held E, Skoet R, Johansen JD, Agner T. The hand eczema severity index (HECSI): a<br />
scoring system for clinical assessment of hand eczema. A study of inter- and<br />
intraobserver reliability. Br J Dermatol 2005; 152: 302-7.<br />
HVBG, Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen<br />
Berufsgenossenschaften 2006; Bonifatius Druck Buch Verlag, Paderborn<br />
John SM. Diagnostik in der Begutachtung der “BK-Haut” I: Operationalisierung des<br />
klinischen Befundes (Manuscore) in Klinische und experimentelle Untersuchungen zur<br />
Diagnostik in der Berufsdermatologie. Konzeption einer wissenschaftlich begründeten<br />
Qualitätssicherung in der sozialmedizinischen Begutachtung. In: Studien zur Prävention<br />
in Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie (ABU 4) Schwanitz H J (ed.):<br />
Osnabrück, Universitätsverlag Rasch, 2001: 133-141; Persönliche Mitteilung Februar<br />
2008.<br />
Skudlik C, Dulon M, Pohrt U, Appl KC, John SM, Nienhaus A. Osnabrueck hand<br />
eczema severity index--a study of the interobserver reliability of a scoring system<br />
assessing skin diseases of the hands. Contact Dermatitis 2006; 55: 42-7.<br />
307
V64<br />
Vorträge – Haut<br />
Experimenteller Nachweis einer erhöhten Irritabilität der Haut<br />
nach Feuchtarbeit<br />
Manigé Fartasch, Dirk Taeger, Sandra Schöneweis, Beatrice Gellert, Thomas Brüning<br />
BGFA, Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />
Universität Bochum<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
308
V65<br />
Vorträge – Haut<br />
Ergebnisse einer randomisierten und kontrollierten Studie zur<br />
Überprüfung der Wirksamkeit von Hautschutzpräparaten an<br />
kühlschmierstoffexponierten Beschäftigten<br />
Dirk Taeger 1 , Beate Pesch 1 , Heinrich Dickel 2 , Anke Leiste 1,2 , Sandra Schöneweis 1 , Natascha<br />
Goldscheid 1 , Michael Haufs 1 , Rolf Merget 1 , Peter Altmeyer 2 , Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum, Bochum<br />
2 Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Zur Primärprävention beruflich bedingter Hauterkrankungen zählen Hautschutz- (HS)<br />
und Hautpflegemittel (HP). In dieser randomisierten, Untersucher-verblindeten und<br />
kontrollierten Studie wird der Wirksamkeitsnachweis von Hautschutzpräparaten unter<br />
Kühlschmierstoffexposition mittels klinisch und messtechnisch objektivierbaren Kriterien<br />
unter standardisierten Bedingungen (Klimakammer) wissenschaftlich untersucht.<br />
Abbildung 1: Realisierter Studienplan<br />
Methoden<br />
Es wurde eine randomisierte, einfach verblindete und kontrollierte Interventionsstudie bei<br />
beruflich gegenüber Kühlschmierstoffen Exponierten in einem Metallbetrieb durchgeführt,<br />
die auf Grund ihrer Tätigkeit ihre Hände nicht ausreichend durch Handschuhe schützen<br />
können. Dabei wurden die Probanden zufällig vier Interventionsgruppen mit Anwendung<br />
von nur HS, nur HP, HS plus HP sowie weder HS noch HP zugeordnet. Bei der<br />
Erstuntersuchung erfolgte neben der klinischen Untersuchung (Inspektion der Haut und<br />
Beurteilung: auffällig, geringfügig auffällig und unauffällig) die Erhebung von<br />
309
V65<br />
Vorträge – Haut<br />
hautphysiologischen (transepidermalen Wasserverlust, pH-Metrie, Corneometrie) und<br />
mikrotopographischen Parametern (Hautschuppigkeit,- rauhigkeit, -kontrast) an den<br />
Handrücken. Nachuntersuchungen fanden nach 3, 6 und 12 Monaten statt.<br />
Ergebnisse<br />
Innerhalb eines Jahres wurden 96 Probanden untersucht (Abbildung 1). Im Laufe des<br />
Beobachtungszeitraumes hatte sich der der Hautzustand gebessert, allerdings ließ sich<br />
diese Veränderung des Hautzustandes keiner bestimmten Interventionsgruppe zuordnen<br />
(Tabelle 1). Die Analyse der hautphysiologischen und mikrotopographischen Parameter<br />
zeigte eine Abhängigkeit der Parameter von exogenen Faktoren wie Temperatur, relative<br />
Luftfeuchte (trotz Klimakammer) sowie Alter und Hauttyp.<br />
Tabelle 1: Hautzustand<br />
Hautzustand Erstuntersuchung Abschlussuntersuchung<br />
Unauffällig [N (%)] 120 (62,5) 131 (68,2)<br />
Geringfügig auffällig [N (%)] 68 (35,4) 61 (31,8)<br />
Auffällig [N (%)] 4 (2,1) 0<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Studie belegt einen Interventionseffekt. Eine erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich<br />
Anwendung von Hautschutz führte zu einem besseren Hautzustand. Die Anwendung von<br />
Hautmitteln unterstützt diesen Effekt. Eine Veränderung des Hautzustandes ließ sich nur<br />
klinisch nachweisen. Die Abhängigkeit der hautphysiologischen und<br />
mikrotopographischen Parameter von exogenen Faktoren und hier vor allem von<br />
klimatischen Bedingungen (trotz Einsatz einer Klimakammer) lässt den Einsatz dieser<br />
Verfahren an einer überwiegend klinisch unauffälligen Haut zur Evaluierung von<br />
Wirkungen von Hautmitteln nicht als aussagekräftig erscheinen.<br />
Das schriftliche Einverständnis der Probanden sowie die Zustimmung der<br />
Ethikkommission liegen vor.<br />
Der ausführliche Abschlussbericht steht im Internet als PDF zur Verfügung:<br />
http://www.bgfa.de<br />
Webcode: 539648<br />
310
V66<br />
Vorträge – Haut<br />
Akzeptanz des dreistufigen Hautschutzkonzepts bei 1355<br />
Beschäftigten der metallbearbeitenden Industrie<br />
Birgitta Kütting 1 , Wobbeke Weistenhöfer 1 , Thomas Baumeister 1 , Wolfgang Uter 2 , Hans Drexler 1<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />
2 Institut für Biometrie und Epidemiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />
Hintergrund: Hauterkrankungen sind nach wie vor für einen Großteil der<br />
Verdachtsmeldungen von Berufserkrankungen verantwortlich. Beruflich verursachte<br />
Hauterkrankungen machen ungefähr 40% aller Berufskrankheiten aus, differierende<br />
Angaben zwischen den Ländern hängen von Art und Ausmaß der Industrialisierung in<br />
den einzelnen Ländern ab. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Kontaktekzeme<br />
(irritativ und/oder allergisch), bei denen die Hände mit 90% die Prädilektionsstellen<br />
darstellen. Seit vielen Jahren wird der dreistufige Hautschutzplan als sinnvolles<br />
Instrument zur Prävention beruflicher Hauterkrankungen propagiert. Der Hautschutzplan<br />
besteht aus den drei Elementen Hautschutz, Hautreinigung und Hautpflege. Die<br />
Applikation einer Hautschutz-creme vor Arbeitsbeginn soll die Haut bei hautbelastenden<br />
Tätigkeiten schützen, die anschließende Hautreinigung soll - so mild wie möglich und so<br />
aggressiv wie nötig - arbeitsbedingte Verschmutzungen entfernen, und die<br />
abschließende Anwendung eines Hautpflegepräparates soll die Regeneration der<br />
epidermalen Barrierefunktion der Haut fördern.<br />
Der Erfolg einer primärpräventiven Maßnahme am Arbeitsplatz ist aber nicht nur<br />
abhängig von der Wirksamkeit der Maßnahme an sich, der Implementierung dieser<br />
Maßnahme in den Betrieb, sondern auch, sofern es sich nicht um eine technischorganisatorische<br />
Maßnahme handelt, von der Compliance der Beschäftigten bei der<br />
Umsetzung dieser Maßnahme.<br />
Ziel: Daher wurde mit der folgenden Studie die Akzeptanz des dreistufigen<br />
Hautschutzkonzepts bei 1355 Beschäftigten aus insgesamt 19 Betrieben der<br />
metallbearbeitenden Industrie untersucht. Durch regelmäßige Exposition zu<br />
Kühlschmiermitteln (Feuchtarbeit) gehört diese Branche zu einer Risikogruppe für die<br />
Entwicklung eines beruflich verursachten Handekzems.<br />
Material und Methode: 1310 Männer (96,7%) und 45 Frauen (3,3%) gaben ihr<br />
Einverständnis zur Durchführung eines standardisierten Interviews und zur Erhebung<br />
des Hautbefundes ihrer Hände mittels eines quantitativen Scores. Das standardisierte<br />
Interview wurde mittels eines Fragebogens durchgeführt und gliederte sich thematisch in<br />
vier Teile. Der erste Teil umfasste allgemeine Fragen zu Alter, Geschlecht,<br />
311
V66<br />
Vorträge – Haut<br />
Raucherstatus, der Exposition zu Kühlschmiermitteln sowie der Einnahme oder lokalen<br />
Anwendung von Immunsuppressiva. Nach der systemischen oder lokalen Anwendung<br />
von Immunsuppressiva wurde gefragt, da diese in der Lage sind, einen Hautbefund zu<br />
mitigieren. Der zweite Teil bestand aus Fragen zum Hautschutz- und<br />
Hautpflegeverhalten, zum Handschuhtrage-verhalten, zur Anwendung von abrasiven<br />
Reinigungsmitteln und zum häuslichen Hautpflegeverhalten. Der dritte Teil widmete sich<br />
der außerberuflichen Hautbelastung und der vierte Teil dermatologischen<br />
Vorerkrankungen<br />
Die männlichen Probanden waren zwischen 17 und 64 Jahren alt (Median: 42 Jahre;<br />
Mittelwert: 40,8 Jahre), die weiblichen Probanden waren zwischen 17 und 59 Jahren alt<br />
(Median: 36 Jahre; Mittelwert 37,6 Jahre).<br />
Der Raucheranteil lag bei 41,6% für die männlichen Probanden und 42,2% für die<br />
weiblichen Probanden.<br />
Ergebnisse: Jemals unter Hautproblemen an den Händen gelitten zu haben oder derzeit<br />
zu leiden, wurde von 52,4% aller Probanden berichtet. Spezifische dermatologische<br />
Diagnosen wurden von einem geringeren prozentualen Anteil angegeben. So berichteten<br />
21,9% über eine Dyshidrosis, 16% über ein Handekzem und 4,7% über eine atopische<br />
Dermatitis in der Anamnese (Abb. 1). Das Hautschutzkonzept wurde korrekt<br />
entsprechend den allgemein gültigen Empfehlungen von 28% der Probanden (n=381)<br />
umgesetzt. Ein etwa gleich großer Anteil von 29% verzichtete komplett auf die<br />
Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten. Von den übrigen Probanden<br />
wurde das Hautschutzkonzept inkomplett angewandt. So wendeten 14% ausschließlich<br />
Hautpflegepräparate an und 28 % benutzten nur Hautschutzpräparate. Im Vergleich zu<br />
den Frauen war die Compliance der Männer bei der Umsetzung des Hautschutzkonzepts<br />
signifikant schlechter (p=0,04). Männer wiederum gebrauchten signifikant häufiger<br />
abrasive Reinigungsprodukte um ihre Hände von arbeitsbedingten Verschmutzungen zu<br />
reinigen und wiesen insgesamt einen signifikant schlechteren Hautzustand auf. Von<br />
Probanden mit einem Handekzem in der Anamnese wurden signifikant häufiger<br />
Hautschutz- (Prävalenzratio (PR): 1,15; 95% KI: 1,03-1,28) und Hautpflegepräparate<br />
(PR: 1,15; 95% KI: 1,05-1,27) angewendet. Eine atopische Dermatitis oder ein<br />
dyshidrotisches Handekzem in der Anamnese hatte keinen Einfluss auf den Gebrauch<br />
von Hautschutzpräparaten am Arbeitsplatz. Dagegen war der Gebrauch von<br />
Hautpflegepräparaten signifikant häufiger unter den Probanden zu verzeichnen, die eine<br />
positive Anamnese bzgl. einer Hauterkrankung (atopische Dermatitis, dyshidrotisches<br />
Handekzem, Handekzem im Allgemeinen, Hautveränderungen an den Händen,<br />
Hautprobleme der Hände am derzeitigen Arbeitsplatz) aufwiesen. Das<br />
312
V66<br />
Vorträge – Haut<br />
Handschuhtrageverhalten wurde nicht beeinflusst durch aktuelle oder vorausgegangene<br />
dermatologische Vorerkrankungen. Abrasive Reinigungsmittel wurden mit Ausnahme<br />
von Personen mit einer atopischen Dermatitis in der Anamnese seltener benutzt von<br />
Probanden mit positiver dermatologischer Anamnese.<br />
Unterteilt man das Gesamtkollektiv entsprechend der jeweils durchgeführten<br />
Schutzmaßnahmen in vier Untergruppen (Schutz und /oder Pflege), so konnte beim<br />
Vergleich der Resultate des quantitativen Hautscore kein signifikanter Unterschied<br />
zwischen den vier Untergruppen aufgezeigt werden (Abb. 2).<br />
Schlussfolgerung: Obwohl die Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparate<br />
als primärpräventive Maßnahme zur Senkung der Inzidenz von beruflich bedingten<br />
Handekzemen in Deutschland vehement propagiert wird, belegen unsere Ergebnisse,<br />
dass die Compliance zur Anwendung von Hautschutzmaßnahmen unter den<br />
Beschäftigten gering ist.<br />
Literatur:<br />
B. Kütting, W. Weistenhöfer, T. Baumeister, W. Uter, H. Drexler: Current<br />
acceptance and implementation of preventive strategies for occupational hand<br />
eczema in 1355 metal workers in Germany.<br />
Br J Dermatol <strong>2009</strong>. [Epub ahead of print]DOI:10.1111/j.1365-2133.<strong>2009</strong>.09085.x<br />
Abb. 1 Dermatologische Vorerkrankungen im Untersuchungskollektiv (n=1355)<br />
Atopische Dermatitis<br />
4,7%<br />
Handekzem<br />
16%<br />
Dyshidrotisches<br />
Handekzem<br />
21,9%<br />
Hautprobleme am<br />
derzeitigen Arbeitsplatz<br />
42,9%<br />
Hautprobleme an den<br />
Händen<br />
52,4%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />
313
V66<br />
Vorträge – Haut<br />
Abb. 2: Kein signifikanter Unterschied im Hautbefund in Abhängigkeit vom Hautschutzverhalten<br />
314
V67<br />
Vorträge – Haut<br />
Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen<br />
Birgit Fillies 1 , Susanne Weßeler 1 , Theo Blättler 2 , Manfred Dreier 2 , Alfred Liersch 3 , Hardy<br />
Mannheims 3 , Norbert Schmidt 3<br />
1 Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW (LIGA.NRW), Düsseldorf<br />
2 Unfallkasse NRW (UK NRW), Düsseldorf<br />
3<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Köln<br />
Ausgangslage<br />
Hauterkrankungen gehören in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Nordrhein-<br />
Westfalen nach wie vor zu den häufigsten Berufskrankheiten. Seit Mitte der achtziger<br />
Jahre stehen diese Hauterkrankungen in der Statistik der Anzeigen auf Verdacht auf eine<br />
Berufskrankheit an vorderster Stelle. In der gewerblichen Wirtschaft stellen sie –<br />
ungeachtet einer vermutlich weit höheren Dunkelziffer – bereits mehr als ein Drittel der<br />
anerkannten Berufskrankheiten. In der Kranken- und Altenpflege sind die<br />
Hauterkrankungen schon heute die zahlenmäßig bedeutendste Berufserkrankung.<br />
Einer der wesentlichsten beruflichen Belastungsfaktoren für die Haut ist die Feuchtarbeit.<br />
Eine stark hautbelastende Tätigkeit ist z. B. die Pflege und Behandlung von kranken<br />
Menschen. Häufiges Arbeiten im Feuchtmilieu, der gleichzeitige Kontakt mit Reinigungsund<br />
Desinfektionsmitteln und das lange Tragen von Schutzhandschuhen sind wichtige<br />
Ursachen für Schäden und Erkrankungen der Haut. Abnutzungsdermatosen der Hände<br />
sind die am häufigsten diagnostizierte Hauterkrankung bei Beschäftigten in der Krankenund<br />
Altenpflege. Hautschädliche Substanzen und Allergene können durch die gestörte<br />
Barrierefunktion der angegriffenen Haut sehr viel leichter in den Körper gelangen,<br />
dadurch wird die Ausbildung von Allergien begünstigt und es entsteht darüber hinaus<br />
eine erhöhte Gesundheitsgefährdung bei Kontakt mit Infektionserregern und<br />
Gefahrstoffen.<br />
Die Folgen dieser Berufskrankheit wiegen schwer - nicht nur im Hinblick auf die daraus<br />
oftmals resultierenden erheblichen Kosten. Eine Hauterkrankung bedeutet für die<br />
einzelnen Betroffenen häufig die Aufgabe der Tätigkeit bzw. den Verlust des<br />
Arbeitsplatzes. Neben dem persönlichen Schicksal ist hier auch zu bedenken, dass eine<br />
Berufsgruppe betroffen ist, deren Bedeutung in Zukunft noch erheblich steigen wird und<br />
in der auch zunehmend mehr professionelle Kräfte dringend benötigt werden. Denn in<br />
einer alternden Gesellschaft ist die Pflege eine wichtige Zukunftsaufgabe. So wird<br />
erwartet, dass der Bedarf an Pflegekräften in den nächsten Jahren und Jahrzehnten<br />
stetig zunehmen wird.<br />
Die Entwicklung zielgruppenspezifischer Präventionsstrategien für Beschäftigte im<br />
Gesundheitswesen - speziell in der Krankenpflege - ist sowohl für die<br />
315
V67<br />
Vorträge – Haut<br />
Arbeitsschutzverwaltung als auch für die zuständigen Unfallversicherungsträger von<br />
großem Interesse.<br />
Kooperationspartner<br />
Das Projekt „Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen“ ist auf<br />
Kooperationsbasis durchgeführt worden: Neben dem Landesinstitut für Gesundheit und<br />
Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) waren seitens der<br />
Unfallversicherungsträger die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />
Wohlfahrtspflege (BGW) sowie die Unfallkasse NRW (UK NRW) und - als weitere<br />
Partner - 11 Krankenhäuser und 2 Krankenpflegeschulen in Nordrhein-Westfalen<br />
beteiligt.<br />
Entscheidende Voraussetzung für die Durchführung dieses Projektes war die freiwillige<br />
Teilnahme dieser 11 verschiedenen Krankenhäuser, wobei insbesondere die im<br />
Arbeitsschutz Verantwortlichen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich des<br />
Pflegedienstes sowohl bei der Datenerhebung in der ersten Projektphase als auch in der<br />
Pilotierungsphase, der dritten Projektphase, zur Mitarbeit gefordert waren. In dieser<br />
Phase wurden die Module auch in 2 Krankenpflegeschulen in verschiedenen Klassen im<br />
Rahmen des Berufsschulunterrichts vorgestellt und jeweils 3 bzw. 4 Unterrichtseinheiten<br />
durchgeführt.<br />
Ziele<br />
Als oberstes Ziel, das durch die Erstellung, Erprobung und Verbreitung eines<br />
Präventionskonzeptes umgesetzt werden sollte, ist die Vermeidung von<br />
Hauterkrankungen im Gesundheitswesen zu sehen. Erstellt wurden Handlungs- und<br />
Informationshilfen für die Berufsgruppe des Pflegepersonals.<br />
Methodisches Vorgehen<br />
Das Projekt bestand aus insgesamt 4 Phasen:<br />
In der ersten Phase wurde die Ausgangsituation durch unterschiedliche<br />
Erhebungsinstrumente erfasst und analysiert, um als Basis für spätere konzeptionelle<br />
Überlegungen zu dienen.<br />
In der zweiten Phase wurde - hierauf aufbauend - das Präventionskonzept mit seinen<br />
Handlungs- und Informationshilfen erstellt. Dazu wurde im ersten Schritt eine<br />
systematische Datenauswertung gemacht, deren Ergebnisse dann als Grundlage für die<br />
Erstellung eines zielgruppenspezifischen modularen Präventionskonzeptes für die<br />
Berufsgruppe des Pflegepersonals dienten.<br />
316
V67<br />
Vorträge – Haut<br />
In der dritten Phase, der sogenannten „Pilotierungsphase“, wurde das so erarbeitete<br />
Konzept in einem Teil der 11 Krankenhäuser sowie in 2 Krankenpflegeschulen erprobt.<br />
Evaluiert wurde diese Pilotierung durch eine Befragung der Stationsleitungen bzw. deren<br />
Stellvertreter / -innen zu den mit dem Präventionskonzept gemachten Erfahrungen, die<br />
mit in das Konzept einflossen.<br />
In der vierten und letzten Phase wurde dann das gemeinsam erarbeitete Konzept<br />
unterschiedlichen Adressaten (Verantwortliche im Arbeitsschutz, Krankenhaus- und<br />
Heimleitungen, Pflegepersonal, Lehrpersonal von Krankenpflegeschulen, etc.) in Form<br />
einer „Beta-Version“ einer CD-ROM zugänglich gemacht. Die damit gesammelten<br />
Erfahrungen wurden erneut erfasst, bewertet und bei der Erstellung der Endversion der<br />
CD-ROM berücksichtigt.<br />
Ergebnisse<br />
Bei einem Rücklauf von ca. 40 % wurden von den Mitarbeitern / -innen des<br />
Pflegedienstes insgesamt 2154 Fragebögen verwertbar ausgefüllt. Neben einer<br />
Befragung der Verantwortlichen im Arbeitsschutz in den 11 Krankenhäusern wurden<br />
außerdem die insgesamt 12 - die Krankenhäuser arbeitsmedizinisch betreuenden - Ärzte<br />
befragt. Des Weiteren wurden insgesamt 69 Bereiche bzw. Stationen innerhalb der<br />
Krankenhäuser begangen und anhand eines standardisierten Erhebungsinstrumentes<br />
beurteilt. Aus der Vielzahl der so in der ersten Phase erhobenen und anschließend<br />
ausgewerteten Daten hier einige beispielhafte Ergebnisse:<br />
Fast 2/3 aller Befragten wünschten sich mehr Informationen zum Thema<br />
„Hautschutz“.<br />
Mehr als 50 % aller Befragten schätzten ihre Hautbelastung als stark oder<br />
sogar sehr stark ein.<br />
Fast die Hälfte aller Befragten litt zum Zeitpunkt der Befragung unter aktuellen<br />
Hautveränderungen, bei knapp einem Drittel bestanden diese bereits seit mehr<br />
als 6 Monate. Betriebsärztlich wurden jedoch nur ca. 3 % aufgrund von<br />
Hauterkrankungen an den Händen betreut.<br />
Ca. 11 % der Befragten gaben an, zum Thema „Hautschutz“ unterwiesen<br />
worden zu sein, wobei es zwischen den einzelnen Krankenhäusern große<br />
Schwankungen gab.<br />
In mehr als einem Drittel aller in den Krankenhäusern begangenen Bereiche<br />
wurde keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt oder zumindest in weiten<br />
Teilen nicht abgeschlossen.<br />
317
V67<br />
Vorträge – Haut<br />
Fazit<br />
Das Präventionskonzept basiert einerseits auf den Ergebnissen der Befragung und der<br />
Begehungen, andererseits kommt es dem Wunsch der am Projekt beteiligten<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Pflege über 11 Krankenhäuser und 2<br />
Krankenpflegeschulen in Nordrhein-Westfalen nach mehr Informationen zu den Themen<br />
„Hautschutz“ und „Hygiene“ nach, deckt gleichzeitig den Bedarf an einfach zu<br />
handhabenden Unterweisungs- und Handlungshilfen ab und berücksichtigt<br />
unterschiedliche Aspekte als Hilfestellung für die Durchführung von Unterweisungen rund<br />
um das Thema „Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitsdienst“.<br />
Ausblick<br />
Ziel ist es, eine Optimierung des betrieblichen Hautschutzes und damit seiner<br />
Organisation zu erreichen und somit nicht nur die Häufigkeit sondern auch das Risiko<br />
einer berufsbedingten Hauterkrankung wirkungsvoll zu senken.<br />
318
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Biologisches Monitoring von Glykolethern bei geringen<br />
Innenraumluftbelastungen<br />
Thomas Göen 1 , Lutz Nitschke 2 , Hermann Fromme 2 , Hans Drexler 1<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />
2<br />
Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München<br />
Einleitung und Zielsetzung<br />
Bei den Glykolethern handelt es sich um eine große Gruppe von Kohlenwasserstoffen<br />
mit Ether- und Alkoholgruppen, die aufgrund ihrer amphiphilen Eigenschaft als Lösemittel<br />
insbesondere im Zusammenhang mit wasserbasierten Systemen verwendet. Von großer<br />
technischen und wirtschaftlichen Bedeutung sind dabei die Glykolether auf Ethylen- und<br />
Propylenglykol-Basis. Ende der 1990er Jahre wurden allein in Westeuropa etwa 800.000<br />
t Ethylenglykolether produziert. Dabei weisen insbesondere die Ethylenglykolether eine<br />
bedeutsame hämatotoxische sowie reproduktionstoxische Wirkung auf. Die aus dem<br />
oxidativen Metabolismus gebildeten Alkoxyessigsäuren gelten hierbei als die toxisch<br />
wirksamen Stoffwechselprodukte. Für die arbeitsmedizinische Beurteilung solcher<br />
Expositionen wird deshalb die renale Ausscheidung dieser toxischen Metabolite<br />
herangezogen. Vor etwa 20 Jahren wurden die Propylenglykolether teilweise als<br />
Ersatzstoffe eingeführt, bei denen sich die unveretherte Hydroxylgruppe in ß-Position<br />
befindet, und die damit nicht zu der entsprechenden Säure abgebaut werden können. In<br />
arbeitsmedizinischen Studien, die bereits Anfang der 1990er Jahre durchgeführt wurden,<br />
konnte allerdings gezeigt werden, dass die technischen Propylenglykolether-Produkte in<br />
geringeren Mengen auch die Isomere mit der freien Hydroxylgruppe in α-Stellung<br />
enthalten, und dass Expositionen gegenüber Propylenglykolethern zu deutlichen<br />
Alkoxypropionsäure-Ausscheidungen führen können (Göen et al. 1993). Neben dem<br />
gezielten technischen Einsatz werden Glykolether zunehmend im häuslichen Bereich<br />
und an Büroarbeitsplätze für die Raumreinigung verwendet.<br />
Ziel der Studie war es, die Innenraumbelastung sowie die resultierende innere Belastung<br />
der Nutzer nach Anwendung von Glykolether-haltigen Raumreinigungsmitteln in<br />
Büroräumen zu erfassen.<br />
Studiendesign und Methoden<br />
In der Studie wurden die Raumluftbelastung und die Belastung der Raumnutzer nach<br />
einmaliger Raumreinigung direkt vor der Raumnutzung untersucht. Dabei wurden jeweils<br />
40 ml eines glykoletherhaltigen Reinigungsmittelkonzentrates eingesetzt. Es kamen drei<br />
verschiedene Reinigungsmittelprodukte zum Einsatz, die 7,5 % Butoxyethanol (Exp. 1),<br />
3,5 % 1-Butoxy-2-propanol (Exp. 2) und 5 % Propoxyethanol (Exp. 3) enthielten. Die<br />
319
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Anwendungen der verschiedenen Produkte erfolgten in 7, 6 bzw. 5 Büroräumen mit<br />
Raumvolumina im Bereich von 33 – 50 m 3 . Der größte Raum wurde während der<br />
Experimente von zwei Beschäftigten, die anderen Räume von jeweils einem<br />
Beschäftigten genutzt. Während der Nutzungsdauer fand keine Lüftung der Räume statt.<br />
Die Belastung der Raumluft wurde durch aktive Sammlung auf Aktivkohle während der<br />
gesamten Nutzungsphase (3 ½ - 8 h), Flüssigelution und GC-MS-Analyse bestimmt. Das<br />
verwendete Analysenverfahren basiert auf der BIA-Methode 7570 und erlaubte die<br />
Bestimmung von 18 verschiedenen Glykolethern. Für das Biomonitoring wurde von den<br />
Raumnutzern am Tag vor dem Reinigungsexperiment, am Tag des Experimentes sowie<br />
einen Tag nach dem Experiment der Urin während der gesamten Nutzungsphase<br />
gesammelt. Die Bestimmung der Glykolethermetabolite in Urin erfolgte mit einer<br />
modifizierten DFG-Methode (Göen und Bader 2006), mit der 11 verschiedene<br />
Alkoxyessigsäuren und Alkoxypropionsäuren in Urin bestimmt werden konnten. Das<br />
Verfahren beruht auf einer Flüssigextraktion der Analyten, einer silylierenden<br />
Derivatisierung und einer GC-MS-Analyse. Die Nachweisgrenze betrug jeweils 0,01 mg/l.<br />
Da der im Experiment 2 eingesetzte 1-Butoxy-2-propanol nicht zu einer<br />
Alkoxypropionsäure metabolisiert werden kann, wurde für das Biomonitoring dieses<br />
Experimentes der Metabolit der im technischen Gemisch zu erwartenden Verunreinigung<br />
(2-Butoxy-1-propanol), die 2-Butoxypropionsäure, als Expositionsmarker ausgewählt. Da<br />
die Analyse der Alkoxyalkylsäuren ohne Hydrolyse erfolgte, wurde für die<br />
Butoxyessigsäure nur der unkonjugierte Anteil bestimmt. Die Analyse der Glykolether-<br />
Metabolite in Urin erfolgt ohne Kenntnis der Probenzugehörigkeit zu Person und<br />
Untersuchungszeitpunkt.<br />
Ergebnisse<br />
Exemplarisch für die verschiedenen Experimente ist in Abbildung 1 der Verlauf der<br />
Raumluftkonzentration von 1-Butoxy-2-propanol nach einer einmaligen<br />
Reinigungsmittelanwendung über die Nutzungsdauer dargestellt. In der ersten<br />
Luftmessung nach Nutzungsbeginn wurde eine deutlich erhöhte Luftkonzentration des<br />
Glykolethers bestimmt, die im Verlauf der Nutzung stark abfällt. Nach der Anwendung<br />
der Reinigungsmittel wurden über die jeweilige Nutzungsdauer in der Raumluft mittlere<br />
Glykolether-Konzentrationen im Bereich von 4,5 bis 13,5 mg Butoxyethanol/m 3<br />
(Mittelwert: 7,5 mg/m 3 ), 1,7 bis 4,3 mg 1-Butoxy-2-propanol/m 3 (Mittelwert: 3,0 mg/m 3 )<br />
bzw. 1,6 bis 4,5 mg Propoxyethanol/m 3 (Mittelwert: 3,2 mg/m 3 ) bestimmt. Die<br />
individuellen Verläufe für die Metabolitenkonzentrationen in den Sammelurinen sind über<br />
die verschiedenen Tage in Abbildung 2 a-c dargestellt. Beim Butoxyethanol-Experiment<br />
(Exp. 1) lag die Butoxyessigsäure-Konzentration im Sammelurin am Tag vor der<br />
320
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Reinigung (T0) im Bereich von < 10 bis 934 µg/l (Mittelwert: 188 µg/l), am Tag der<br />
Reinigung (T1) im Bereich von 1084 - 5656 µg/l (Mittelwert 2434 µg/l) und am Tag nach<br />
der Reinigung (T2) im Bereich von 143 – 1,441 (Mittelwert: 417 µg/l). Aus der<br />
Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen Butoxyessigsäure-Ausscheidung<br />
von der Butoxyethanol-Konzentration in der Raumluft ergab sich eine signifikante<br />
Korrelation (R 2 = 0,7851) mit der Linearfunktion y = 0,5092 x - 0,9153 (y:<br />
Metabolitenkonzentration, x: Luftkonzentration).<br />
1500<br />
Butoxypropanol in Luft (µg/m 3 )<br />
1250<br />
1000<br />
750<br />
500<br />
250<br />
0<br />
08:30 09:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 16:30<br />
Tageszeit<br />
Abb. 1:<br />
(a)<br />
Zeitlicher Verlauf der Butoxypropanol-Konzentration in der Raumluft über die<br />
Nutzungsdauer nach vorheriger einmaliger Reiniungsmittelanwendung<br />
6<br />
Butoxyessigsäure in Urin (mg/l)<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />
321
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
(b)<br />
2-Butoxypropionsäure in Urin (mg/l)<br />
0,14<br />
0,12<br />
0,1<br />
0,08<br />
0,06<br />
0,04<br />
0,02<br />
0<br />
Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />
(c)<br />
Propoxyessigsäure in Urin (mg/l)<br />
4<br />
3,5<br />
3<br />
2,5<br />
2<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />
Abb. 2:<br />
Individuelle zeitliche Verläufe der Alkoxyalkansäure-Ausscheidungen nach Anwendung<br />
von Butoxyethanol- (a), Butoxypropanol- (b) und Propoxyethanol-haltigen<br />
Reinigungsmittel (c) zur Raumreinigung<br />
Beim Butoxypropanol-Experiment (Exp. 2) lag die 2-Butoxypropionsäure-Konzentration<br />
im Sammelurin am Tag T0 bei allen Proben < 10 µg/l, am Tag T1 im Bereich von 25 -<br />
123 µg/l (Mittelwert: 57 µg/l) und am Tag T2 im Bereich von < 10 – 14 (Mittelwert: 8 µg/l).<br />
Aus der Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen Butoxypropionsäure-<br />
Ausscheidung von der Butoxypropanol-Konzentration in der Raumluft ergab sich eine<br />
signifikante Korrelation (R 2 = 0,3084) mit der Linearfunktion y = 0,0186x - 0,0008. Beim<br />
Propoxyethanol-Experiment (Exp. 3) lag die n-Propoxyessigsäure-Konzentration im<br />
Sammelurin am Tag T0 bei allen Proben < 10 µg/l, am Tag T1 im Bereich von 2030 -<br />
2440 µg/l (Mittelwert: 2302 µg/l) und am Tag T2 im Bereich von 616 – 3650 (Mittelwert:<br />
1838 µg/l). Aus der Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen<br />
322
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Propoxyessigsäure-Ausscheidung von der Propoxyethanol-Konzentration in der<br />
Raumluft ergab sich keine signifikante Korrelation.<br />
Diskussion<br />
Obwohl die Belastungssituation der Raumnutzer nur durch eine kurzzeitige Phase<br />
deutlich erhöhter Raumluftkonzentrationen geprägt war, resultieren aus diesem Szenario<br />
eine deutliche innere Belastung der Raumnutzer. Während die Ausscheidungen der<br />
Glykolether-Metabolite am Tag vor dem Experiment mit Ausnahme eines<br />
Butoxyessigsäure-Wertes im Bereich der Hintergrundbelastung lagen, wurden am<br />
Expositionstag deutliche erhöhte Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen festgestellt. Im<br />
Butoxyethanol-Experiment wurden dabei 5,6 % des für Beschäftigte gesetzlich gültigen<br />
Biologischen Grenzwertes (BGW) ausgeschöpft. Sogar bei dem Butoxypropanol-<br />
Experiment, bei dem lediglich der Metabolit der vermuteten isomeren Verunreinigung<br />
erfasst wurde, stieg die Butoxypropionsäure-Ausscheidung deutlich erkennbar an. Dabei<br />
ist zu beachten, dass nach bisherigem Kenntnisstand in den technischen Produkten der<br />
Gehalt des toxischen Isomers weniger als 10 % der Isomerensumme sein dürfte. Vor<br />
diesem Hintergrund sind die gefunden Butoxypropionsäure-Konzentrationen im Vergleich<br />
zu den Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen plausibel. Ebenfalls plausibel ist der<br />
anschließend deutliche Abfall der Butoxyessigsäure- und Butoxypropionsäure-<br />
Ausscheidungslevel, die am Folgetag nahezu den Hintergrundbelastungsbereich<br />
erreichen. Für die Kinetik der Butoxyessigsäure-Ausscheidung in Urin ist eine<br />
Halbwertzeit von 8 Stunden bekannt. Darüber hinaus ist bekannt, dass die kurzkettigen<br />
Alkoxypropionsäuren schneller ausgeschieden werden als die homologen<br />
Alkoxyessigsäuren (Göen und Bader 2006). Im Gegensatz zu der Butoxyessigsäure und<br />
der Butoxypropionsäure fällt die Konzentration der Propoxyessigsäure deutlich<br />
schwächer oder gar nicht ab oder steigt sogar am Folgetag noch an (Abbildung 2c). Für<br />
diesen Parameter ist die Geschwindigkeit des Ausscheidungsverhaltens nicht bekannt.<br />
Gleichwohl ist zu beachten, dass die Mehrzahl der Untersuchungen für die<br />
Ausscheidung der Ethoxyessigsäure und der Methoxyessigsäure in Urin Halbwertzeiten<br />
im Bereich von 1 bis 3 Tagen zeigen (Göen und Bader 2006), so dass für<br />
Propoxyessigsäure eine im Vergleich zur Butoxyessigsäure deutlich verzögertes<br />
Ausscheidungsverhalten durchaus plausibel ist. Dagegen ist eine Verschleppung vom<br />
Expositionstag in den Folgetag sehr unwahrscheinlich, da Propoxyethanol eine höhere<br />
Flüchtigkeit als Butoxyethanol aufweist. Bemerkenswert ist die im Butoxyethanol-<br />
Experiment gefundenene sehr gute Korrelation zwischen der inneren Belastung der<br />
Raumnutzer und der personengebundenen Raumluftkonzentrationen. Diese weist darauf<br />
hin, dass die erhöhten Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen maßgeblich durch die<br />
323
V68<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
inhalative Aufnahme und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch dermalen Kontakt<br />
zum Reinigungsmittel begründet sind.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Bei der Verwendung von Glykolether-haltigen Reinigungsmitteln bei der<br />
Raumreinigung, z.B. von Büroräumen, kommt es zu kurzzeitig deutlich erhöhten<br />
Glykolether-Belastungen in der Raumluft, die bei der anschließenden Nutzung der<br />
Räume zu einer nicht unwesentlichen Belastung der Raumnutzern führt.<br />
Mit dem verwendeten sensitiven Biomonitoringverfahren lässt sich die Zusatzbelastung<br />
der unfreiwillig exponierten Raumnutzer gut von der Hintergrundbelastung<br />
unterscheiden.<br />
Die Detektion der Exposition gelingt mit dem Biomonitoring sogar auch für<br />
Propylenglykolether, bei denen das toxische Isomer (primärer Hydroxylgruppe)<br />
lediglich als Verunreinigung im Reinigungsmittelprodukt enthalten ist.<br />
Das Biomonitoring kann aufgrund dieser Ergebnisse als Instrument zur Beurteilung<br />
derartiger Innenraumluft-Expositionen empfohlen werden.<br />
Es ist davon auszugehen, dass Raumpfleger und Reinigungskräfte beim regelmäßigen<br />
Umgang mit Glykolether-haltigen Reinigungsmitteln deutlich höhere Glykolether-<br />
Belastungen aufweisen, die möglicherweise auch Grenzwertüberschreitungen<br />
beinhalten.<br />
Die Verlaufsuntersuchungen weisen auf eine stark verzögerte Halbwertszeit für die<br />
renale Elimination der n-Propoxyessigsäure hin, die vermutlich in der Größenordnung<br />
der niedrigeren Homologe liegen dürfte.<br />
Literatur<br />
Th. Göen, B. Hubner, H. Drexler et al.: Berufliche Belastungssituation bei der beruflichen<br />
Exposition durch 1-Ethoxy-2-propanol und 1-Methoxy-2-propanol - Biological Monitoring.<br />
Bericht über die 33. <strong>DGAUM</strong>-Jahrestagung, Gentner-Verlag, Stuttgart (1993), 167-172<br />
Th. Göen und M. Bader: Alkoxycarbonsäuren im Urin. In: Analytische Methoden zur<br />
Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Band 2. Analysen in biologischem<br />
Material. Hrsg. vom Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung<br />
gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutsche Forschungsgemeinschaft, 17.<br />
Lieferung, WILEY-VCH, Weinheim (2006)<br />
324
V69<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Innere Belastung von Beschäftigten eines PCB-kontaminierten<br />
Gebäudes mit dioxin-ähnlichen und nicht-dioxin-ähnlichen PCB-<br />
Kongeneren<br />
Thomas Schettgen 1 , Anne Alt 1 , Doris Keller 2 , Dieter Preim 2 , Thomas Kraus 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen,<br />
2<br />
Hochschulärztliche Abteilung der RWTH Aachen,<br />
Einleitung<br />
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) wurden bis zu Ihrem endgültigen Verbot Ende der 80er<br />
Jahre weit verbreitet in Kondensatoren, Hydraulikflüssigkeit oder als Flammschutzmittel<br />
eingesetzt. PCBs wurden von der International Agency for Research on Cancer in<br />
Kategorie 2A der krebserzeugenden Stoffe eingestuft („probably carcinogenic to<br />
humans“), aus neueren Publikationen gibt es Hinweise auf ein neurotoxisches sowie<br />
immuntoxisches Potential dieser Stoffgruppe [1-3]. Die hohe Persistenz vor allem der<br />
höherchlorierten PCB-Kongenere führte zu einer Anreicherung im Fettgewebe und einer<br />
messbaren, altersabhängigen Hintergrundbelastung im Blut der Allgemeinbevölkerung.<br />
Diese Hintergrundbelastung ist in den letzten 20 Jahren im Zuge des PCB-Verbotes<br />
stetig gesunken, was anschaulich den Erfolg regulatorischer Massnahmen verdeutlicht<br />
[4].<br />
Dennoch haben die PCBs auch heute noch große umweltmedizinische Bedeutung.<br />
Durch die frühere Verwendung in Fugendichtmassen oder Dämm-Materialien (Wilhelmi-<br />
Platten) beim Bau von Gebäuden kommt es zu deutlichen Innenraumbelastungen mit<br />
den „flüchtigeren“ niedrigchlorierten PCB-Kongeneren [5]. Für die Bewertung dieser<br />
Innenraumexpositionen stehen aufgrund der Strukturähnlichkeiten mit den chlorierten<br />
Dibenzodioxinen vor allem die sogenannten „dioxin-ähnlichen“ PCB-Kongenere im Focus<br />
des toxikologischen Interesses. Für diese Kongenere wurden von der WHO sogenannte<br />
Toxizitätsäquivalenzfaktoren festgelegt, die die unterschiedliche Wirkungsstärke der<br />
einzelnen Kongenere im Vergleich zum 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD)<br />
berücksichtigen sollen [6].<br />
Ausgangspunkt der Studie<br />
Im Rahmen von Kontrolluntersuchungen wurden in einem öffentlichen Gebäude in<br />
Aachen erhöhte Luft-Konzentrationen an (niedrig chlorierten) PCBs festgestellt. Die<br />
Luftkonzentrationen an Gesamt-PCBs lagen bei verschiedenen Messreihen zwischen ca.<br />
1000 – 4000 ng/m 3 , wobei der Interventionswert der PCB-Richtlinie des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen von 3000 ng/m 3 an vielen Mess-Stellen überschritten wurde.<br />
Versuche zur Sanierung des Gebäudes sowie der Einsatz von sogenannten<br />
„Luftwäschern“ zeigten keine befriedigende Wirkung zur Minimierung der Exposition der<br />
325
V69<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
im Gebäude beschäftigten Personen. Die Tatsache, dass ein sofortiger Umzug aller ca.<br />
600 Beschäftigten des Gebäudes nicht ohne weiteres realisiert werden kann, führte<br />
zudem zu einer gesteigerten Beunruhigung der betroffenen Personen.<br />
Ziel der Studie<br />
Dies war der Anlass für eine großangelegte Biomonitoring-Studie, in der zunächst geklärt<br />
werden sollte, wie hoch die tatsächlich aufgenommene Dosis der betroffenen Personen<br />
mit niedrigchlorierten PCBs ist. Aus den so erhaltenen Ergebnissen lassen sich<br />
besonders betroffene Personengruppen identifizieren und so gegebenenfalls punktuell<br />
Massnahmen zur Reduktion der Exposition treffen. Darüber hinaus sollte durch<br />
weitergehende Untersuchungen die Frage geklärt werden, ob es durch den Aufenthalt in<br />
einem PCB-kontaminierten Gebäude auch zu einer vermehrten Aufnahme der<br />
toxikologisch besonders bedenklichen dioxin-ähnlichen PCBs kommt.<br />
Material und Methoden<br />
Auf der Basis eines von der DFG geprüften und verabschiedeten Verfahrens wurde an<br />
unserem Institut in Aachen eine spezifische und sensitive Methode entwickelt, um neben<br />
den 6 Indikator-Kongeneren 12 weitere, dioxinähnliche Kongenere im Plasma erfassen<br />
zu können. Dabei werden 2 ml Plasma mit Hilfe von Ameisensäure enteiweißt, die PCBs<br />
mit n-Hexan extrahiert, auf einer Silica-Gel-Säule aufgereinigt, aufkonzentriert und<br />
schließlich spezifisch mittels GC/MS detektiert. Die Nachweisgrenze für die einzelnen<br />
Kongenere liegt bei 0,01 µg/l Plasma. Als Interne Standards wurden für die<br />
dioxinähnlichen PCBs 13 C-markierte Analoga der Analyten eingesetzt, um die Richtigkeit<br />
der Messung sicherzustellen. Dies wird auch durch die regelmäßige erfolgreiche<br />
Teilnahme an den Ringversuchen der <strong>DGAUM</strong> (www.g-equas.de) für die Indikator-<br />
Kongenere bestätigt.<br />
Kollektive<br />
An der noch laufenden Biomonitoring-Studie haben sich bisher 209 Beschäftigte (133 m,<br />
76 w) des PCB-belasteten Gebäudes beteiligt. Dabei handelte es sich sowohl um<br />
Personen mit Teil- als auch mit Vollzeitbeschäftigung in diesem Gebäude sowie einige<br />
Personen mit früherer, langjähriger Beschäftigung in diesem Gebäude. Der Altersmedian<br />
dieses Kollektives lag bei 35 Jahren (Bereich: 17 – 70 Jahre).<br />
Als Kontrollkollektiv dienten 98 Personen (50 m, 48 w) aus der gleichen Region, die in<br />
Gebäuden ohne PCB-Belastung beschäftigt waren. Der Altersmedian lag hier bei 42<br />
Jahren.<br />
326
V69<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Ergebnisse<br />
Tabelle 1: Ergebnisse der PCB-Untersuchungen im Blut von Personen mit Beschäftigung in<br />
einem PCB-kontaminierten Gebäude sowie im Blut von Kontrollpersonen.<br />
PCB 28<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 52<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 101<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 138<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 153<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 180<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 77<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 81<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 123<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 118<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 105<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 114<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 126<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 167<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 156<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 157<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 169<br />
(µg/L Plasma)<br />
PCB 189<br />
(µg/L Plasma)<br />
TEF<br />
(WHO 2005)<br />
---<br />
---<br />
---<br />
---<br />
---<br />
---<br />
0.0001<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.1<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.00003<br />
0.03<br />
0.00003<br />
PCB-belastetes<br />
Gebäude (n=209)<br />
Kontrollen<br />
(n=98)<br />
Median 0.087 < 0.01<br />
95. Perz. 0.352 0.021<br />
Max. Wert 0.878 0.059<br />
Median 0.024 < 0.01<br />
95. Perz. 0.091 < 0.01<br />
Max. Wert 0.426 0.029<br />
Median 0.012 < 0.01<br />
95. Perz. 0.046 < 0.01<br />
Max. Wert 0.123 0.015<br />
Median 0.253 0.263<br />
95. Perz. 0.846 0.920<br />
Max. Wert 2.226 2.437<br />
Median 0.380 0.392<br />
95. Perz. 1.256 1.492<br />
Max. Wert 3.360 3.523<br />
Median 0.279 0.301<br />
95. Perz. 1.085 1.148<br />
Max. Wert 3.179 3.186<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />
Median 0.061 0.038<br />
95. Perz. 0.187 0.131<br />
Median 0.013 < 0.01<br />
95. Perz. 0.042 0.019<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. 0.017 0.012<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. 0.018 0.018<br />
Median 0.014 0.015<br />
95. Perz. 0.046 0.046<br />
Median 0.036 0.046<br />
95. Perz. 0.150 0.182<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. 0.028 0.032<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />
Median < 0.01 < 0.01<br />
95. Perz. 0.027 0.032<br />
Signifikanz<br />
(Wilcoxon)<br />
p < 0.001<br />
p < 0.001<br />
p < 0.001<br />
p = 0.81<br />
p = 0.91<br />
p = 0.69<br />
---<br />
---<br />
---<br />
p = 0.013<br />
p < 0.001<br />
p = 0.12<br />
p = 0.43<br />
p = 0.67<br />
p = 0.32<br />
p = 0.27<br />
---<br />
p = 0.44<br />
Bei unseren Untersuchungen ergaben sich hochsignifikante Unterschiede zwischen<br />
beiden Kollektiven für die niedrigchlorierten PCB-Kongenere PCB 28, PCB 52 sowie<br />
PCB 101, die auf den Aufenthalt im Gebäude zurückzuführen sind. Diese erhöhten<br />
Messwerte spiegeln in etwa auch die Kongenerenverteilung in der Raumluft wieder. Die<br />
beachtlichen Maximalwerte für diese Kongenere stammen von 3 Personen, die in diesem<br />
Gebäude wohnten, sich also täglich 24 Stunden dort aufhielten. Demgegenüber ergibt<br />
327
V69<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
sich zwischen beiden Kollektiven kein signifikanter Unterschied für die hochchlorierten<br />
Kongenere PCB 138, PCB 153 und PCB 180, deren Aufnahme vor allem über die<br />
Nahrung erfolgt und die in der Raumluft des Gebäudes nur in Spuren nachweisbar<br />
waren.<br />
Für die dioxinähnlichen Kongenere ergab sich lediglich für die PCB-Kongenere PCB 118<br />
und PCB 105 ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Kollektiven. Beide<br />
Kongenere sind – ähnlich wie PCB 101 – flüchtig genug, um in die Raumluft zu<br />
gelangen. Für die weiteren dioxinähnlichen Kongenere ergaben sich keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen beiden Kollektiven, da auch diese Kongenere vorwiegend über<br />
die Nahrung aufgenommen werden.<br />
Unter Berücksichtigung der von der WHO im Jahre 2005 festgelegten<br />
Toxizitätsäquivalenzfaktoren haben wir die im Blut beider Kollektive nachgewiesenen<br />
dioxinähnlichen PCB-Kongenere in „Dioxin-Äquivalente“ umgerechnet (nur Werte > NWG<br />
wurden berücksichtigt). Dabei ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden<br />
Kollektiven (Median: 3,5 pg/L Plasma vs. 3,9 pg/L Plasma). Dies ist sowohl auf die<br />
niedrigen Toxizitätsäquivalenzfaktoren der PCB-Kongenere PCB 118 und PCB 105 als<br />
auch auf die ernährungsbedingte Hintergrundbelastung der Bevölkerung mit weiteren<br />
dioxinähnlichen PCBs zurückzuführen.<br />
99,9<br />
Kontrollen (n=98)<br />
PCB-belastetes Gebäude (n=209)<br />
99<br />
rel. kumulative Häufigkeit (%)<br />
95<br />
90<br />
75<br />
50<br />
25<br />
10<br />
5<br />
1<br />
0,1<br />
0 2 4 6 8 10 12 141000 2000 3000 4000 5000 6000 7000<br />
"Dioxin-Äquivalente" [pg/L Plasma]<br />
Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung der Dioxin-Äquivalente im Plasma beider Kollektive.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Beschäftigten des öffentlichen Gebäudes wiesen teilweise deutlich erhöhte<br />
innere Belastungen mit niedrig chlorierten PCBs (v.a. PCB 28) auf<br />
328
V69<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Es kommt durch den Aufenhalt im Gebäude auch zu signifikant erhöhten<br />
Zusatzbelastungen mit den dioxinähnlichen PCB-Kongeneren PCB 118 und PCB<br />
105<br />
Eine signifikante Erhöhung der WHO-Dioxinäquivalente im Plasma im Vergleich<br />
zum Kontrollkollektiv konnte jedoch nicht festgestellt werden<br />
Schlussfolgerungen<br />
Das Humanbiomonitoring…<br />
‣ liefert schnelle und vor allem verlässliche, individuelle Messergebnisse<br />
‣ hilft, die Belastungs-Situation der Beschäftigten zu objektivieren und bietet eine<br />
Grundlage für die individuelle Beratung durch den betreuenden Arzt<br />
‣ liefert die Basis für punktuell notwendige Interventionsmassnahmen<br />
‣ ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Risikomanagements bei<br />
Innenraumbelastungen mit PCBs<br />
Literatur<br />
[1] International Agency for Research on Cancer (IARC). Overall evaluations of<br />
carcinogenicity: an updating of IARC Monographs 1 - 42. IARC Supplement 7: 342 ff.<br />
[2] Grandjean P, Weihe P, Burse VW, Needham LL, Storr-Hansen E, Heinzow B, Debes<br />
F, Murata K, Simonsen H, Ellefsen P, Budz-Jorgensen E, Keiding N, White RF.<br />
Neurobehavioral deficits associated with PCB in 7-year-old children prenatally<br />
exposed to seafood neurotoxicants. Neurotoxicol Teratol 23: 305 – 17 (2001).<br />
[3] Harper N, Connor K, Steinberg M, Safe S. Immunosuppressive activity of<br />
polychlorinated biphenyl mixtures and congeners: nonadditive (antagonistic)<br />
interactions. Fundam Appl Toxicol 27: 131 – 139 (1995).<br />
[4] Stellungnahme der Kommission Humanbiomonitoring. Aktualisierung der<br />
Referenzwerte für PCB-138, -153, -180 im Vollblut sowie Referenzwerte für HCB, β-<br />
HCH und DDE im Vollblut. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-<br />
Gesundheitschutz 46: 161-168 (2003).<br />
[5] Liebl B, Schettgen T, Kerscher G, Broding HC, Otto A, Angerer J, Drexler H. Evidence<br />
for increased internal exposure to lower chlorinated polychlorinated biphenyls (PCB)<br />
in pupils attending a contaminated school. Int J Hyg Environ Health 207: 315-324<br />
(2004).<br />
[6] van den Berg M, Birnbaum LS, Denison M, De Vito M, Farland W, Feeley M, Fiedler<br />
H, Hakansson H, Hanberg A, Haws L, Rose M, Safe S, Schrenk D, Tohyama C,<br />
Tritscher A, Tuomisto J, Tysklind M, Walker N, Peterson RE. The 2005 World Health<br />
Organisation reevaluation of human and mammalian toxic equivalency factors for<br />
dioxins and dioxin-like compounds. Toxicol Sci 93: 223-241 (2006).<br />
329
V70<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Strategiewechsel durch Bestimmungen der PCB-Konzentration<br />
im Blut<br />
Doris Keller 1 , Dieter Preim 1 , Thomas Kraus 2 , Thomas Schettgen 2<br />
1<br />
Hochschulärztliche Einrichtung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen<br />
2 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
Im Rahmen unserer betriebsärztlichen Tätigkeit haben wir bei über 200 Mitarbeitern<br />
eines PCB-belasteten Gebäudes Blutuntersuchungen auf PCB durchgeführt.<br />
PCB-Richtlinie NRW - Grundlagen<br />
Derzeit gilt für die Bewertung und Sanierung von PCB-belasteten Gebäuden im Land<br />
Nordrhein-Westfalen die PCB-Richtlinie NRW. Raumluftwerte unter 300 ng/m³ gelten als<br />
langfristig tolerabel. Bei Raumluftwerten zwischen 300 und 3000 ng/m³ soll die Quelle<br />
der Verunreinigung aufgespürt und mittelfristig beseitigt werden. Bei Raumluftwerten<br />
über<br />
3000 ng/m³ kann eine akute Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Es<br />
müssen Sofortmaßnahmen zur Senkung der Raumluftkonzentration eingeleitet werden.<br />
Den Richtwerten der PCB-Richtlinie liegt die vom früheren Bundesgesundheitsamt und<br />
der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgeleitete tolerierbare tägliche Aufnahme<br />
(TDI) zugrunde. Sie beträgt 1 µg PCB pro kg Körpergewicht. Die vertretbare inhalative<br />
Aufnahme liegt bei 0,1 µg PCB pro kg Körpergewicht und Tag. Daraus ergibt sich eine<br />
tolerierbare, inhalativ aufgenommene PCB-Menge einer 60 kg schweren Person von 6<br />
µg pro Tag. Diese PCB-Menge wird bei einer Raumluftkonzentration von 300 ng/m³,<br />
einem angenommenen Atemvolumen von 20 m³ in 24 Std. und einer pulmonalen<br />
Resorptionsrate von 100 % in 24 Std. aufgenommen.<br />
Die PCB-Richtlinie weist jedoch Schwächen auf. Die PCB-Raumluftkonzentration zeigt<br />
starke Schwankungen in Abhängigkeit von Temperatur und Partikelbindung z.B. durch<br />
Staub. Eine einmalige Raumluftmessung ist somit unsicher. Die PCB-Richtlinie<br />
berücksichtigt nicht die individuelle tägliche Aufenthaltszeit und die<br />
Gesamtaufenthaltsdauer. Sie berücksichtigt keine unterschiedlichen Körpergewichte,<br />
obwohl das Körpergewicht direkt in die Berechnung des TDI-Wertes einfließt. Das<br />
angenommene Atemvolumen von 20 m³ pro Tag und eine Resorptionsquote von 100 %<br />
sind unrealistisch hoch.<br />
Raumluftbelastung<br />
In der Raumluft des PCB-belasteten Gebäudes wurden Raumluftwerte unterhalb der<br />
Nachweisgrenze und über 6000 ng/m³ festgestellt. Die Raumluft war vor allem mit den<br />
niederchlorierten Kongeneren, darunter führend PCB 52 mit 52 % kontaminiert. Die<br />
330
V70<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Belastung mit den höherchlorierten PCB 138, 152 und 180 betrug zusammen nur 7 %<br />
und war vernachlässigbar.<br />
Raumluftbelastung nach Reinigungsmaßnahmen<br />
Zur Senkung der Raumluftkonzentration wurde das Gebäude spezialgereinigt, es wurden<br />
Luftwäscher installiert, und die Mitarbeiter wurden dazu angehalten, häufiger zu lüften.<br />
Diese Maßnahmen senkten die PCB-Raumluftkonzentration im Durchschnitt um 1/3 des<br />
Ausgangswertes ab. Der Sanierungszielwert von < 300 ng/m³ wurde jedoch nur in<br />
wenigen Räumen erreicht.<br />
Innere PCB-Belastung der Beschäftigten<br />
Die durch die Raumluftmessung nachgewiesene äußere Belastung mit niederchlorierten<br />
PCB-Kongeneren spiegelte sich auch in den Blutkonzentrationen der Beschäftigten<br />
wider. Die Blutkonzentrationen von PCB 28, 52 und 101 lagen signifikant über den<br />
Konzentrationen des Vergleichskollektivs. Kein Unterschied wurde zwischen den<br />
vorwiegend mit der Nahrung aufgenommenen höherchlorierten PCB-Kongeneren 138,<br />
152 und 180 festgestellt. Die höchste Konzentration im Blut wies PCB 28 auf. Im<br />
Gegensatz dazu war die Raumluft überwiegend mit PCB 52 kontaminiert.<br />
1/5 der Beschäftigten hatten eine PCB-Blutkonzentration im Bereich der Hintergrundbelastung.<br />
Insgesamt lag bei etwas mehr als der Hälfte der Beschäftigten PCB 28 < 0,1<br />
µg/l. Die maximale PCB 28-Blutkonzentration lag knapp unterhalb von 0,9 µg/l.<br />
Hochschulärztliche Einrichtung<br />
PCB 28-Blutkonzentration der Beschäftigten (184 Personen)<br />
8%<br />
17%<br />
13%<br />
0,03/ 0,04 µg/l Hintergrundbelastung<br />
> Hintergrund < 0,1 µg/l<br />
0,1 µg/l < 0,2 µg/l<br />
0,2 µg/l < 0,3 µg/l<br />
28%<br />
34%<br />
0,3 µg/l < 0,9 µg/l<br />
331
V70<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Abhängigkeit der PCB-Blutkonzentration von Raumluftbelastung, Aufenthaltsdauer<br />
und körperlicher Belastung<br />
Obwohl sich die inhalative Belastung der Mitarbeiter des belasteten Gebäudes auf<br />
Gruppen-basis in den Blutkonzentrationen der niederchlorierten PCB-Kongeneren<br />
widerspiegelt, wurde auf individueller Basis kein Zusammenhang zwischen der<br />
Luftkonzentration in einem bestimmten Raum und der PCB 28-Konzentration eines dort<br />
Tätigen beobachtet. Die innere Belastung der Mitarbeiter mit den inhalativ<br />
aufgenommenen PCB-Kongeneren, gemessen an der Blutkonzentration von PCB 28 war<br />
unter anderem abhängig von der täglichen Aufent-haltsdauer. Während 65 % der<br />
Halbtagsbeschäftigten PCB 28-Blutkonzentrationen < 0,1 µg/l aufwies, war dies bei den<br />
Ganztagsbeschäftigten nur noch bei 45 % der Fall. Auffällig war, dass 3 Personen,<br />
welche sich täglich 24 Std. im Gebäude aufhielten, durchweg PCB 28-<br />
Blutkonzentrationen über 0,3 µg/l aufwiesen.<br />
Die PCB 28-Blutkonzentration nimmt auch mit der Beschäftigungsdauer zu. Während<br />
Personen, die über 20 Jahre vollschichtig im kontaminierten Gebäude gearbeitet haben<br />
häufiger PCB 28-Blutkonzentrationen über 0,1 µg/l aufwiesen, hatten Beschäftigte,<br />
welche zwischen 1 und 5 Jahren im Gebäude gearbeitet haben überwiegend PCB 28-<br />
Blutkon-zentrationen unter 0,1 µg/l. Berechnet man die jeweilige stattgehabte Exposition<br />
in Stunden, so zeigt sich, dass die PCB 28-Blutkonzentration bei insgesamt großer<br />
Schwankungsbreite linear zur Expositionsdauer zunimmt.<br />
Keine Unterschiede der PCB-Blutkonzentrationen wurden zwischen körperlich leicht und<br />
mittelschwer arbeitenden Beschäftigten im kontaminierten Gebäude festgestellt.<br />
PCB 28 klingt langsamer ab als bisher<br />
angenommen<br />
Hochschulärztliche Einrichtung<br />
1,20<br />
1,00<br />
Abklingverhalten von PCB 28 in Abhängigkeit von der Zeit<br />
• Langsames Abklingverhalten von PCB 28<br />
auf Basis der gemessenen Daten beobachtet<br />
0,80<br />
0,60<br />
R 2 = 0,0963<br />
• Lediglich ca. 40% - 50% Abbau von PCB 28 nach<br />
einem Jahr nach Ende der Exposition gemessen<br />
0,40<br />
0,20<br />
• Gering exponentielles Abklingen:<br />
Bestimmtheitsmaß R 2 = 0,096<br />
0,00<br />
0 2 4 6 8 10 12 14<br />
Dauer in Monaten<br />
0,40<br />
0,35<br />
0,30<br />
0,25<br />
0,20<br />
0,15<br />
0,10<br />
Abklingverhalten von PCB 52 in Abhängigkeit von der Zeit<br />
R 2 = 0,5606<br />
• Relativ zu PCB 28 rascheres Abklingverhalten<br />
bei PCB 52 auf Basis der gemessenen Daten<br />
beobachtet<br />
• ca. 80% - 90% Abbau von PCB 52 nach<br />
einem Jahr nach Ende der Exposition gemessen<br />
• Exponentielles Abklingverhalten:<br />
Bestimmtheitsmaß R 2 = 0,56<br />
0,05<br />
0,00<br />
0 2 4 6 8 10 12 14<br />
Dauer in Monaten<br />
• Diskrepanz zwischen PCB Raumluftkonzentrationsmuster<br />
und PCB Blutkonzentrationsmuster durch<br />
rascheres Abklingverhalten von PCB 52 erklärbar<br />
332
V70<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Abklingverhalten von PCB 28 und 52<br />
Im Laufe der Untersuchungen haben verschiedene Mitarbeiter das Gebäude verlassen.<br />
Sie wurden von uns in unregelmäßigen Abständen nachuntersucht, und die<br />
Abklingquoten von PCB 28 und 52 wurden auf 1 Jahr hochgerechnet. PCB 28 klingt<br />
langsamer ab als PCB 52.<br />
Nach ersten, aufgrund der geringen Fallzahl noch unsicheren Schätzungen beträgt die<br />
Ab-klingquote von PCB 28 ca. 40-50 % und die von PCB 52 ca. 80-90 % pro Jahr. Die<br />
raschere Abklingquote von PCB 52 erklärt, warum im Blut der Beschäftigten PCB 28 die<br />
höchste Konzentration aufwies, obwohl die Raumluft vorwiegend mit PCB 52<br />
kontaminiert war.<br />
Strategie des Betriebsarztes<br />
Aufgrund der vorhandenen Daten haben wir uns als betriebsärztliche Einrichtung dafür<br />
ein-gesetzt, dass Mitarbeiter in Abhängigkeit von ihrer inneren Belastung einen<br />
Arbeitsplatz außerhalb des kontaminierten Gebäudes bekamen. Grenzwert war eine<br />
PCB 28-Blutkonzentration über dem 10fachen der Hintergrundbelastung, also über 0,2<br />
µg/l. Ebenfalls nicht mehr im belasteten Gebäude eingesetzt wurden Schwangere,<br />
Beschäftigte mit schweren chronischen, das Immunsystem schwächenden Erkrankungen<br />
oder Beschäftigte unter Immunsuppression sowie Beschäftigte, die sich gesundheitlich<br />
stark gefährdet fühlten oder sehr ängstlich reagiert haben. Zusätzlich wurden Frauen im<br />
gebärfähigen Alter im Hinblick auf Kinderwunsch unter Berücksichtigung der doch relativ<br />
langen Halbwertszeit von PCB 28 besonders beraten.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die derzeitige Raumluftmessmethodik ergibt ein unzureichendes Bild der individuellen<br />
inne-ren PCB-Belastung.<br />
Die PCB-Belastung einer exponierten Person lässt sich nur durch die Bestimmung von<br />
PCB im Blut feststellen.<br />
Die Festlegung von Human-Biomonitoring-Grenzwerten wäre für die Bewertung des<br />
weiteren Verbleibs von Beschäftigten in einem PCB belasteten Gebäude eine wertvolle<br />
Hilfe.<br />
333
V71<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Hausstaubmilbenallergenkonzentrationen in Bodenstäuben und<br />
luftgetragenen Stäuben von Arbeitsplätzen und Privatwohnungen<br />
Ingrid Sander 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Gerhard Kraus 2 , Stefan Mayer 3 , Heinz-Dieter<br />
Neumann 4 , Eva Zahradnik 1 , Christina Fleischer 1 , Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum;<br />
2 Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Augsburg<br />
3<br />
Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), Mannheim<br />
4<br />
Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />
Einleitung<br />
Hausstaubmilben gehören zu den häufigsten Auslösern von Allergien und Asthma. Die<br />
Prävalenz von Sensibilisierungen gegen die Hausstaubmilbe Dermatophagoides<br />
pteronyssinus lag in der KORA-Studie mit 4175 getesteten Erwachsenen aus dem<br />
Raum Augsburg bei 15,8% (1). In Abhängigkeit von der Hausstaubmilbenbelastung<br />
nimmt die klinische Bedeutung und der Schweregrad von Asthma zu (2;3). Während die<br />
Belastung von Hausstäuben mit Milbenallergenen relativ gut untersucht ist, gibt es nur<br />
wenige Studien, in denen die Milbenbelastung am Arbeitsplatz gemessen wurde (4).<br />
Das Ziel der Studie ist es, die Hausstaubmilbenallergenexposition an Arbeitsplätzen zu<br />
erfassen und mit der Belastung in Privatwohnungen zu vergleichen. Neben der Milbenallergenkonzentration<br />
in Bodenstäuben sollte auch die Konzentration in der Atemluft<br />
erfasst werden. Da frühere Studien zeigten, dass die Nachweisempfindlichkeit der<br />
kommerziell verfügbaren Milbenallergenmessverfahren auf Basis monoklonaler<br />
Antikörper für luftgetragene Stäube nicht ausreicht (5), wurde ein neues Messverfahren<br />
für Dermatophagoides pteronyssinus Antigene auf Basis polyklonaler Antikörper<br />
entwickelt.<br />
Methoden<br />
An Arbeitsplätzen (Alttextiliensortierung, Teppichreinigung, Bettfedernreinigung,<br />
Federbettherstellung, Schneiderei, Spielwarenversand, Kraftfutterwerk, Getreidelager,<br />
Rinderställen), in Schulen und Privatwohnungen wurden bisher 129 Staubproben durch<br />
Absaugen von Bodenflächen, sowie 93 Luftstaubproben (E-Staub) gesammelt. Die<br />
Staubproben wurden gravimetrisch bestimmt und anschließend extrahiert (6). Für die<br />
sensitive Erfassung der Antigene der Hausstaubmilbe Dermatophagoides pteronyssinus<br />
(Der-p) wurde ein neuer „Enzyme-linked Immuno Sorbent Assay“ (ELISA) auf Basis<br />
polyklonaler Kaninchenantikörper entwickelt (pAK-Der-p-ELISA) und validiert. Dieser<br />
wurde parallel zu dem für das Hauptallergen „Der p 1“ spezifischen ELISA auf Basis<br />
monoklonaler Antikörper (mAK-Der-p-1-ELISA, Indoor Biotechnologies, UK) zur<br />
Allergenquantifizierung in allen Stäuben eingesetzt. Für die statistische Auswertung<br />
334
V71<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
wurden die Pearson und Spearman Korrelation und der Mann-Whitney und Kruskal-<br />
Wallis Test aus dem Programm Graphpad Prism (Graphpad Software Inc., CA, USA)<br />
eingesetzt. Als statistisch signifikant wurde p
V71<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Literatur<br />
(1) Schoefer Y, Schäfer T, Meisinger C, Wichmann HE, Heinrich J. Predictivity of<br />
allergic sensitization (RAST) for the onset of allergic diseases in adults. Allergy<br />
2008 January;63(1):81-6.<br />
(2) Custovic A, Taggart SC, Francis HC, Chapman MD, Woodcock A. Exposure to<br />
house dust mite allergens and the clinical activity of asthma. J Allergy Clin Immunol<br />
1996 July;98(1):64-72.<br />
(3) Langley SJ, Goldthorpe S, Craven M, Morris J, Woodcock A, Custovic A. Exposure<br />
and sensitization to indoor allergens: association with lung function, bronchial<br />
reactivity, and exhaled nitric oxide measures in asthma. J Allergy Clin Immunol<br />
2003 August;112(2):362-8.<br />
(4) Munir AK. Risk levels for mite allergen: are they meaningful, where should samples<br />
be collected, and how should they be analyzed? Allergy 1998;53(48 Suppl):84-7.<br />
(5) Custovic A, Green R, Taggart SC, Smith A, Pickering CA, Chapman MD,<br />
Woodcock A. Domestic allergens in public places. II: Dog (Can f1) and cockroach<br />
(Bla g 2) allergens in dust and mite, cat, dog and cockroach allergens in the air in<br />
public buildings. Clin Exp Allergy 1996 November;26(11):1246-52.<br />
(6) Sander I, Zahradnik E, Bogdanovic J, Raulf-Heimsoth M, Wouters IM, Renström A,<br />
Harris-Roberts J, Robinson E, Goldscheid N, Brüning T, Doekes G. Optimized<br />
methods for fungal alpha-amylase airborne exposure assessment in bakeries and<br />
mills. Clin Exp Allergy 2007;37(8):1229-38.<br />
336
V72<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Erhöhte Gentoxizität durch Dieselmotoremissionen bei<br />
Verbrennung von Kraftstoffmischungen mit Biodieselanteil<br />
Jürgen Bünger 1 , Jürgen Krahl 3,4 , Axel Munack 4 , Yvonne Ruschel 4 , Olaf Schröder 4 , Claudia<br />
Handrich 2 , Michael Müller 2 , Ernst Hallier 2 , Götz Westphal 1 , Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2 Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen<br />
3 Hochschule Coburg<br />
4<br />
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, von Thünen-Institut (vTI), Braunschweig<br />
Ziel der Studie:<br />
Dieselmotoremissionen (DME) sind als krebserregend für den Menschen anzusehen<br />
(Kategorie 2; DFG 2005), da Inhalationsstudien an Ratten (Heinrich et al. 1986, Nikula et<br />
al. 1995) sowie zahlreiche arbeitsmedizinische epidemiologische Studien (Health Effects<br />
Institute 1999, Brüske-Hohlfeld et al. 1999, Säverin et al. 1999, Garshick et al. 2004) ein<br />
erhöhtes Lungenkrebsrisiko nach langjähriger Exposition durch Dieselmotoremissionen<br />
(DME) ergaben. In zahlreichen Studien wurde auch die Mutagenität von<br />
Dieselrußpartikeln und Abgaskondensaten im Salmonella/Mikrosomen-Mutagenitätstest<br />
(AMES-Test, OECD-Guideline 471) nachgewiesen.<br />
Die mutagenen Wirkungen der DME werden überwiegend auf die an den Abgaspartikeln<br />
(Ruß) adsorbierten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und deren<br />
Nitroderivate (Nitro-PAK) zurückgeführt. Diese Nitro-PAK entstehen im Abgas durch<br />
Reaktion von Stickoxiden (NO X ) mit nativen PAK (Atkinson und Arey 1994). Die Stärke<br />
des mutagenen Effekts ist ein indirektes Maß für die kanzerogene Potenz der PAK und<br />
Nitro-PAK von DME.<br />
In einer auf der Jahrestagung der <strong>DGAUM</strong> 2006 vorgestellten Studie war bei<br />
Verbrennung von Dieselkraftstoffmischungen mit Biodieselanteil (sog. Blends) in einem<br />
Lkw-Motor (Euro III) als Nebenbefund eine erhöhte Mutagenität der Emissionen<br />
aufgefallen. Die EU fördert solche Blends unter Verwendung nachwachsender Rohstoffe<br />
politisch und in Deutschland enthält der handelsübliche Dieselkraftstoff (DK) inzwischen<br />
bis zu 7% Biodiesel (Rapsölmethylester, RME). Blends mit bis zu 20% Biodieselanteil<br />
sind geplant und werden in den USA bereits seit längerer Zeit eingesetzt. In zwei Studien<br />
wurde der mutagenen Wirkung von Kraftstoffblends mit Hilfe des AMES-Tests<br />
systematisch weiter nachgegangen.<br />
Methoden:<br />
In einem 1-Zylinder-Versuchsmotor (AVL 502.019) unter Volllastbedingungen (HS<br />
Coburg) und einem modernen Lkw-Dieselmotor (MAN D08 36 LFL 51, EURO IV) im<br />
Europäischen Stationären Fahrzyklus (ESC, vTI, Braunschweig) wurde die mutagene<br />
Wirkung der DME von Blends mit einem RME-Anteil von 5% bis zu 50% mit reinem RME<br />
337
V72<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
(DIN EN 14214) und DK (DIN EN 590) verglichen. Während die Tests unter<br />
Warmstartbedingungen durchfahren wurden, erfolgten kontinuierlich Probennahmen<br />
nach der VDI-Richtlinie 3872, Blatt 1. Der Abgasstrom wurde nach Abkühlung auf unter<br />
50°C über Glasfaserfilter (T60A20, Pallflex Products Corp., Putnam, CT, U.S.A.) geleitet.<br />
Die nicht partikelgebundene Phase wurde mit zwei Intensivkühlern als Kondensat<br />
gesammelt.<br />
Das den Filtern anhaftende Partikulat jedes Testlaufes wurde im Soxhlet-Apparat mit 150<br />
ml Dichlormethan über 6 h extrahiert, die lösliche organische Fraktion im<br />
Rotationsverdampfer unter Vakuumbedingungen eingedampft und in einem für die<br />
eingesetzten Salmonella-typhimurium-Stämme nicht toxischen Lösungsmittel<br />
(Dimethylsulfoxid, DMSO) aufgenommen. Die Kondensate wurden ebenfalls im<br />
Rotationsverdampfer getrocknet und in DMSO gelöst.<br />
Aus den Extrakten und Kondensaten wurden je vier Verdünnungen hergestellt und auf<br />
ihre direkten und indirekten mutagenen Eigenschaften nach dem überarbeiteten<br />
Standardprotokoll in den AMES-Test-Stämmen TA98 und TA100 untersucht (Maron und<br />
Ames 1983). Um die indirekte Mutagenität durch enzymatische Aktivierungen von<br />
Fremdstoffen im höheren Organismus zu berücksichtigen, wurde der Test mit und ohne<br />
Zusatz fremdstoffmetabolisierender Enzyme aus Warmblütergewebe vorgenommen. Die<br />
Ergebnisse wurden als positiv bewertet, wenn die Zahl der Rückmutationen die<br />
Spontanrate der Negativkontrollen (DMSO) um das Doppelte überstieg und eine<br />
Dosisabhängigkeit bestand. Die Ergebnisdarstellung erfolgte ohne Spontanrate. Eine<br />
detaillierte Beschreibung der Methoden wurde bereits früher publiziert (Bünger et al.<br />
1998, 2000, 2007).<br />
Ergebnisse:<br />
Bei den gesetzlich limitierten Abgaskomponenten (Partikelmasse, Kohlenmonoxid,<br />
Stickoxide, Gesamtkohlenwasserstoffe) ließen sich bei der Verbrennung der Blends<br />
weder im 1-Zylinder-Versuchsmotor noch im EURO IV-Lkw-Motor gravierende<br />
Auffälligkeiten beobachten. Es fand sich lediglich der schon aus zahlreichen<br />
Voruntersuchungen bekannte Effekt, dass im reinen Biodieselbetrieb die<br />
Stickoxidemission um 10 - 15% ansteigt, während die Partikelmasse um bis zu 50%<br />
abnimmt. Im Vergleich der Partikelextrakte führten DK und RME zu einer ähnlich<br />
niedrigen Mutagenität, während die Blends in beiden Motoren eine Zunahme der<br />
Mutagenität bewirkten (Abb. 1 und 2). Mit einem Maximum im Bereich von 20%<br />
Biodieselanteil stieg die Zahl der Mutationen auf das Zwei- bis Dreifache an. Die<br />
Kondensate der Blends erzeugten nur einen geringen nicht signifikanten Anstieg der<br />
Mutagenität gegenüber den beiden Basiskraftstoffen.<br />
338
V72<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
100<br />
90<br />
80<br />
-S9<br />
Mutationen pro Platte<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
+S9<br />
10<br />
0<br />
DK<br />
B 5<br />
B 10<br />
Kraftstoff<br />
B 20<br />
B 50<br />
RME<br />
Abb. 1: Zahl der Mutationen im Teststamm TA98 mit (+S9) und ohne (-S9) Metabolisierung für<br />
Partikelextrakte von DK, RME und deren Blends nach Verbrennung im 1-Zylinder-Versuchsmotor<br />
AVL 502.019.<br />
100<br />
90<br />
80<br />
Mutationen pro Platte<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
-S9<br />
+S9<br />
10<br />
0<br />
DK<br />
B 5<br />
B 10<br />
B 20<br />
Kraftstoff<br />
B 30<br />
B 40<br />
RME<br />
Abb. 2: Zahl der Mutationen im Teststamm TA98 mit (+S9) und ohne (-S9) Metabolisierung für<br />
Partikelextrakte von DK, RME und deren Blends nach Verbrennung im 6-Zylinder-Lkw-Motor MAN<br />
D08 36 LFL 51 (Euro IV).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Der Anstieg der direkten mutagenen Wirkung der DME bei Verbrennung von<br />
Kraftstoffblends im Vergleich zu herkömmlichem DK und RME (Biodiesel) ist unter<br />
Einschluss der Vorstudie aus dem Jahr 2006 durch die übereinstimmenden Ergebnisse<br />
an 3 verschiedenen Motoren als gesichert anzusehen und sollte ursächlich weiter<br />
untersucht werden. Aus arbeits- und umweltmedizinischer Sicht kann nach der<br />
339
V72<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
derzeitigen Datenlage eine Verwendung von Blends mit RME-Anteilen über 10% nicht<br />
empfohlen werden.<br />
Literaturverzeichnis<br />
1. Atkinson R, Arey J (1994): Atmospheric chemistry of gasphase PAH: Formation<br />
of atmospheric mutagens. Environ Health Perspect 102 Suppl 4, 117-126<br />
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diesel motor emissions in Germany. Am J Ind Med 36, 405-414<br />
3. Bünger J, Krahl J, Franke HU, Munack A, Hallier E (1998) Mutagenic and<br />
cytotoxic effects of exhaust particulate matter of biodiesel compared to fossil<br />
diesel fuel. Mutation Research 415, 13-23<br />
4. Bünger J, Müller MM, Krahl J, Baum K, Weigel A, Hallier E, Schulz TG (2000):<br />
Mutagenicity of diesel engine particles from two fossil and two plant oil fuels.<br />
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5. Bünger J, Krahl J, Munack A, Ruschel Y, Schröder O, Emmert B, Westphal G,<br />
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8. Heinrich U, Muhle H, Takenaka S, Ernst H, Fuhst R, Mohr U, Pott F, Stöber W<br />
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long-term inhalation of high concentrations of filtered and unfiltered diesel engine<br />
emissions. J Appl Toxicol 6, 383-395<br />
9. Health Effects Institute: Diesel exhaust and lung cancer: Epidemiology and<br />
quantitative risk assessment. A special report of the institute´s diesel<br />
epidemiology expert panel. Cambridge, USA 1999<br />
10. Maron DM, Ames BN (1983): Revised methods for the Salmonella mutagenicity<br />
test. Mutat Res 113, 173-215<br />
11. Matsushima T, Sawamura M, Hara K, Sugimura T: A safe substitute for<br />
polychlorinated biphenyls as an inducer of metabolic activation system; in: In vitro<br />
metabolic activation in mutagenesis testing; hrsg. v. Serres FJ, Fouts JR, Bend<br />
JR, Philpot RM; Elsevier/North-Holland, Amsterdam 1976, 85 - 88<br />
12. Nikula KJ, Snipes MB, Barr EB, Griffith WC, Henderson RF, Mauderly JL (1995):<br />
Comparative pulmonary toxicities and carcinogenicities of chronically inhaled<br />
diesel exhaust and carbon black in F344 rats. Fundam Appl Toxicol 25, 80-94<br />
13. Säverin R, Bräunlich A, Dahmann D, Enderlein G, Heuchert G (1999): Diesel<br />
exhaust and lung cancer mortality in potash mining. Am J Ind Med 36, 415-422<br />
340
V73<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Erfassung umwelt- oder arbeitsplatzbezogener Belastungsfaktoren<br />
bei Personen mit subjektiver Elektrosensibilität (SES) in<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Renate Kimbel 1 , Ulrich T. Egle 2 , Barbara Schmidt 3 , Christian Geber 4 , Sandra Weihert 2 , Joachim<br />
Schüz 5 , Stephan Letzel 1 , Wilfried A. Nix 4<br />
1<br />
Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und<br />
Umweltmedizin<br />
2 Psychosomatische Klinik Kinzigtal<br />
3<br />
Psychologisches Institut der Universität Mainz<br />
4 Universitätsklinik Mainz, Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />
5 Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI)<br />
Die Bedeutung elektromagnetischer Felder (EMF) für die menschliche Gesundheit wird<br />
seit vielen Jahren intensiv und kontrovers diskutiert. Elektrosensibilität ist ein Problem<br />
der umweltmedizinischen Ambulanz, das bisher nicht ausreichend wissenschaftlich<br />
erforscht werden konnte. Die vielen Einzelschicksale von Menschen, mit denen wir als<br />
Arbeits-, und Umweltmediziner konfrontiert sind, die sich als „Elektrosmog krank“<br />
bezeichnen, werfen die Frager auf, ob das Phänomen der „Elektrosensibilität“ ein<br />
individuelles oder ein gesellschaftlich relevantes Thema ist. Immerhin bezeichneten sich<br />
30 % der Bevölkerung in einer repräsentativen Umfrage (2003 – 2006) des<br />
Bundesministeriums für Strahlenschutz als besorgt in Hinblick auf eine mögliche<br />
gesundheitliche Beeinträchtigung durch hochfrequente elektromagnetische Felder des<br />
Mobilfunks. 9% der Befragten fühlten sich in Hinblick auf den Mobilfunk sogar<br />
gesundheitlich beeinträchtigt. Um das Beschwerdebild der subjektiven Elektrosensibilität<br />
(SES) beschreiben zu können, wurde erstmalig eine Systematik der<br />
Befindlichkeitsstörungen elektrosensibler Menschen erfasst. Dies geschah im Rahmen<br />
einer fachübergreifenden Studie in Zusammenarbeit mit der Klinik für psychosomatische<br />
Medizin und Neurologie von April 2004 bis April 2005. Es wurden 59 Menschen aus<br />
Rheinland-Pfalz, die sich als subjektiv elektrosensibel (SES) bezeichneten, untersucht.<br />
Die parallele Untersuchung von 93 nach Alter, Geschlecht und Wohnort gematcher<br />
Kontrollpersonen ermöglichte den Vergleich zwischen den SES und den<br />
Kontrollpersonen hinsichtlich umwelt- und arbeitsplatzbezogener Einflussfaktoren sowie<br />
der psychischen Befindlichkeit. Frauen und Männer waren innerhalb der SES-Gruppe<br />
nahezu gleich verteilt, der Altersdurchschnitt betrug 50,8 Jahre. Bei den<br />
soziodemographischen Merkmalen fiel auf, dass subjektiv elektrosensible Personen<br />
eine signifikant höhere Schulbildung und einen signifikant höheren Berufsstatus<br />
aufwiesen.<br />
An die im freien Interviewverfahren erhobenen EMF assoziierten Beschwerden und<br />
einer orientierenden körperlichen Untersuchung mit Blutentnahme schloss sich eine<br />
umfangreiche psychosomatische Exploration und neurologische Begleituntersuchung an.<br />
341
V73<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
Die 6 von den subjektiv elektrosensiblen Personen (SES) am häufigsten genannten<br />
Beschwerden waren die Schlafstörung, die Erschöpfung, der Kopfschmerz, vermehrtes<br />
nächtliches Schwitzen, eine intellektuelle Leistungsminderung sowie die Nervosität.<br />
Hinsichtlich dieser 6 Leitsymptome unterschieden sich (SES) und Kontrollgruppe<br />
signifikant. (siehe Tabelle)<br />
SES Kontrollgruppe Signifikanz<br />
Schlafstörung 66,1 % 21,5 % p< 0,001<br />
Erschöpfung 49,2 % 6,5 % p< 0,001<br />
Kopfschmerzen 40,7 % 15,1 % p< 0,001<br />
Vermehrtes<br />
nächtliches Schwitzen<br />
Intellektuelle<br />
Leistungsminderung<br />
33,9 % 2,2 % p< 0,001<br />
27,1 % 4,3 % p< 0,001<br />
Nervosität 25,4 % 5,4 % p< 0,001<br />
Als Quelle der elektromagnetischen Belastung wurde von 61,4% der Betroffenen der<br />
Mobilfunksendemast benannt. Es folgten elektrische Haushaltsgeräte, Handynutzung,<br />
Hochspannungsleitungen, Schnurlostelefone und Homecomputer.<br />
Insgesamt gaben 8 % der SES und 13 % der Kontrollen an, einer Schadstoffexposition<br />
am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein. Im häuslichen Bereich waren 8% der SES und 9%<br />
der Kontrollen nach Eigenangaben Schadstoffexpositionen ausgesetzt. Statistisch<br />
signifikante Unterschiede konnten nicht festgestellt werden (p=0,368; p=0,763)<br />
Zusammenfassende Betrachtung:<br />
Der zeitliche Aufwand strukturierter Interviews zur Erfassung des Beschwerdebildes der<br />
subjektiven Elektrosensibilität ist erforderlich, da psychometrische Testverfahren nicht<br />
die aus Betroffenensicht geschilderten EMF- assoziierten Leitsymptome enthielten. Es<br />
zeigte sich ferner, dass bei subjektiv elektrosensiblen Personen eine deutliche Neigung<br />
zur Dissimulation besteht.<br />
Auch wenn in unserer Studie hinsichtlich umwelt- und arbeitsplatzbezogener<br />
Expositionen keine Unterschiede zwischen SES und Kontrollpersonen festgestellt<br />
342
V73<br />
Vorträge – Umweltmedizin<br />
werden konnten, sollten bei subjektiv elektrosensiblen Personen physikalische,<br />
biologische, chemische Expositionen am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld als mögliche<br />
Verursacher der Beschwerden immer in Betracht gezogen werden. Für die<br />
umweltmedizinische Praxis scheinen die psychosozialen Belastungsfaktoren bei dem<br />
Beschwerdebild der subjektiven Elektrosensibilität von besonderer Bedeutung zu sein.<br />
343
V74<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung, Arbeitsbelastung<br />
und Arbeitsfähigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern<br />
Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />
1. Einleitung<br />
Lehrer gelten als psychisch hoch belastet, was durch die hohen Raten des vorzeitigen<br />
krankheitsbedingten Ausscheidens aus dem Beruf belegt ist. Bei Eintritt in die<br />
Dienstunfähigkeit dominieren mehrheitlich psychische und psychosomatische<br />
Erkrankungen und Diagnosen (32 - 50 %) als Ursachen (Bellenberg & Krauss-Hoffmann<br />
1998; Dauber & Vollstädt 2004; Weber et al. 2004). Dabei gilt Burnout in dieser<br />
Berufsgruppe als besonders weit verbreitete Fehlbeanspruchungsfolge (z.B. Barth, 1995;<br />
Körner, 2003). Die hohe psychische Belastung ist nur nicht aus der Sicht des<br />
Betroffenen, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive ein relevantes Thema. Um<br />
gezielte Interventions- und Präventionsmaßnahmen einleiten zu können, ist nicht nur die<br />
Kenntnis der wesentlichen schul- und lehrerspezifischen Belas-tungsfaktoren<br />
Voraussetzung, sondern auch die Kenntnis arbeitsbezogener Ressourcen und deren<br />
Zusammenhang zum Burnout. Dies sind die Anliegen der vorliegenden Untersuchung.<br />
Da in der Burnoutforschung für die Komponente emotionale Erschöpfung zum Teil<br />
Geschlechtsunterschiede (Frauen erleben diese stärker) gefunden wurden, erfolgen die<br />
Analysen dieser Untersuchung geschlechtsgetrennt.<br />
2. Methode<br />
2.1 Stichprobe<br />
Grundlage der Untersuchung sind Daten von 83 Lehrern und 630 Lehrerinnen<br />
(Durchschnittsalter 46 ± 7 Jahre) aus sächsischen Grundschulen, Mittelschulen und<br />
Gymnasien. Es lagen keine Geschlechtsunterschiede in den sozodemografischen Daten<br />
vor. Allerdings sind fast doppelt so viele Lehrerinnen (71 %) wie Lehrer (43 %) in Teilzeit<br />
beschäftigt.<br />
2.2 Eingesetzte Verfahren<br />
Zur Erhebung der emotionalen Erschöpfung als Kernkomponente des Burnout-Syndroms<br />
wurde das Maslach Burnout Inventory in seiner deutschen Form (MBI-D, Büssing &<br />
Perrar, 1992) verwendet. Der Work Ability Index (Tuomi et al., 1998) wurde zur<br />
Erfassung der Arbeitsfähigkeit inklusive der sieben Subskalen heran-gezogen. Als<br />
potentielle Arbeitsbelastungen wurden die fünf Bereiche Schülerverhalten, Kollegium,<br />
Schulleitung, Freiheitsgrade der Arbeit und Über-forderung, erfasst mithilfe modifizierter<br />
344
V74<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Skalen des lehrerspezifischen Belastungsfragebogens nach Rudow (GUV, 2001),<br />
berücksichtigt. Soziodemografische Angaben wurden mit dem Fragebogen zur<br />
Berufsanamnese von Seibt und Dutschke (2005) erhoben.<br />
2.3 Statistische Auswertung<br />
Zur Überprüfung von Geschlechtseffekten wurden Unterschiedstests (t-Test) für die<br />
emotionale Erschöpfung, den Work Ability Index (WAI) sowie den fünf Belastungsgruppen<br />
berechnet. Getrennt nach Geschlecht wurden außerdem Korrelations-analysen<br />
durchgeführt, um Zusammenhänge der WAI-Subskalen und Belastungs-gruppen zu<br />
emotionaler Erschöpfung aufzudecken. Abschließend wurden zur Identifizierung von<br />
Prädiktoren der emotionalen Erschöpfung Regressionsmodelle separat für WAI und die<br />
Belastungen und getrennt nach Geschlecht berechnet.<br />
3. Ergebnisse<br />
3.1 Geschlechtseffekte<br />
In keinem der drei untersuchten Konstrukte (emotionale Erschöpfung, Arbeits-fähigkeit,<br />
Belastungsfaktoren) konnten bedeutsame Geschlechtseffekte festgestellt werden.<br />
Sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen geben an, Aspekte der emotionale Erschöpfung<br />
selten zu erleben (beide Lehrergruppen: 3,2±08).<br />
Tabelle 1: Beanspruchung der Lehrkräfte getrennt nach Geschlecht<br />
Beanspruchung durch…<br />
[Range 1 … 3] (MW±SD)<br />
Lehrer (n=83)<br />
Lehrerinnen (n=630)<br />
- Überforderung 1,5 ± 0,4 1,6 ± 0,4<br />
- Schülerverhalten 1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,5<br />
- Kollegen 1,1 ± 0,2 1,1 ± 0,2<br />
- Schulleitung 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,4<br />
- Eingeschränkte Freiheitsgrade 1,4 ± 0,4 1,5 ± 0,5<br />
MW: Mittelwert; SD: Standardabweichung<br />
Auch die Arbeitsfähigkeit (Af) ist bei beiden Geschlechtern gut ausgeprägt (Lehrer: <br />
39±5; Lehrerinnen: 38±6). In Übereinstimmung mit diesen Ausprägungen stehen auch<br />
die Ergebnisse zu den erhobenen Belastungsfaktoren, bei denen die Lehrkräfte<br />
angaben, dass diese zu maximal mittelstarker Beanspruchung (Skalierung: 1 - kaum, 2 -<br />
mittel, 3 - stark) führen (Tab. 1).<br />
345
V74<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
3.2 Zusammenhänge mit emotionaler Erschöpfung<br />
Bei den Lehrern ergaben sich mittlere Korrelationen der emotionalen Erschöpfung mit<br />
den Belastungsfaktoren Überforderung, eingeschränkte Freiheitsgrade bei der Arbeit<br />
sowie dem Schülerverhalten. Für die Subskalen des WAI ließen sich ebenfalls nur<br />
mittlere Korrelationen zwischen emotionaler Erschöpfung und den Subskalen WAI 1<br />
(derzeitige Af), WAI 2 (Af in Relation zu den Arbeitsanforderungen) sowie WAI 7<br />
(psychische Leistungsreserven) feststellen (Tab .2). Bei den Lehrerinnen korrelieren die<br />
gleichen Subskalen des WAI mit der erlebten Erschöpfung, aber bei den Belastungen<br />
lediglich die Überforderung.<br />
Tabelle 2: Korrelationsanalyse zur emotionalen Erschöpfung<br />
Mit emotionaler Erschöpfung korrelierte Variable<br />
Korrelationskoeffizient (r)<br />
Lehrer (n=83) Lehrerinnen (n=630)<br />
Arbeitsbelastungen<br />
- Beanspruchung durch Überforderung .43 .48<br />
- Beanspruchung durch eingeschränkte<br />
.40 -<br />
Freiheitsgrade bei der Arbeit<br />
- Beanspruchung durch Schülerverhalten .41 -<br />
Subskalen der Arbeitsfähigkeit<br />
- derzeitige Arbeitsfähigkeit (WAI1) -.50 -.51<br />
- Arbeitsfähigkeit in Relation zu Arbeitsanforderungen<br />
(WAI2)<br />
-.55 -.61<br />
- psychische Leistungsreserven (WAI7) -.47 -.58<br />
3.3 Prädiktoren der emotionalen Erschöpfung<br />
Aus dem Bereich der erhobenen Belastungsfaktoren erwiesen sich bei den Lehrern das<br />
Schülerverhalten (Beta .24) und die Überforderung (Beta .22) als Prädiktoren der<br />
emotionalen Erschöpfung. Bei den Lehrerinnen wurde, entsprechend den Ergebnis-sen<br />
der Korrelationsanalyse, nur die Überforderung (Beta .41) als ein solcher Prädiktor<br />
identifiziert. Bei der Regressionsanalyse der WAI-Subskalen stellten sich bei beiden<br />
Geschlechtern die Af in Relation zu den Arbeitsanforderungen (WAI 2, Lehrer: Beta -.33;<br />
Lehrerinnen Beta -.32) und bei den Lehrerinnen zusätzlich die psychischen<br />
Leistungsreserven (Beta -.32) als Prädiktoren heraus.<br />
4. Diskussion und Schlussfolgerung<br />
In der untersuchten Stichprobe konnten im Durchschnitt günstige Ausprägungen der<br />
emotionalen Erschöpfung, der Arbeitsfähigkeit als auch der erlebten Beanspruchung<br />
durch die erhobenen Belastungen festgestellt werden. Dennoch weisen die Ergebnis-se<br />
darauf hin, dass gerade die qualitative und quantitative Überforderung im Lehrerberuf<br />
346
V74<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
einen Einflussfaktor auf das psychische Wohlbefinden darstellt. Die bei beiden<br />
Geschlechtern aufgezeigten Korrelationen der Arbeitsfähigkeit mit emotionaler<br />
Erschöpfung weisen auf Präventionsbedarf zur Erhaltung und Förderung der<br />
psychischen Gesundheit bei Lehrkräften hin. Dabei stellt die Fähigkeit zum Umgang mit<br />
Arbeitsanforderungen einen wichtigen Faktor dar, der zur Prävention von psychischen<br />
Fehlbelastungsfolgen aktiv bei Lehrkräften gefördert werden sollte.<br />
5. Literatur<br />
Büssing, A.; Perrar, K.-M. (1992). Die Messung von Burnout. Untersuchung einer<br />
deutschen Fassung des Maslach Burnout Inventory (MBI-D). Diagnostica 38, 4, 328-353.<br />
Seibt, R. & Dutschke, D. (2005). Fragebogen zur Berufsanamnese von Lehrkräften.<br />
Technische Universität Dresden (unveröffentlicht).<br />
Tuomi, K., Ilmarinen, J., Jahkola, A., Katajarinne, L. & Tulkki, A. (1998). Work Ability<br />
Index. (2. rev. Ed.). Helsinki: Finish Institute of Occupational Health.<br />
Körner, S. C. (2003). Das Phänomen Burnout am Arbeitsplatz Schule. Ein empirischer<br />
Beitrag zur Beschreibung des Burnout-Syndroms und seiner Verbreitung sowie zur<br />
Analyse von Zusammenhängen und potentiellen Einflussfaktoren auf das Ausbrennen<br />
von Gymnasiallehrern. Berlin. Logos.<br />
Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) (2001). Beurteilung von Gefährdungen und<br />
Belastungen an Lehrerarbeitsplätzen. (GUV-Informationen GUV-I 8760).<br />
347
V75<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Burnout bei Lehrkräften, Ergebnisse einer klinischpsychologischen<br />
Interventionsstudie<br />
Ralf Wegner 1 , Peter Berger 2 , Xaver Baur 1<br />
1 Ordinariat für Arbeitsmedizin und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Universität<br />
Hamburg, 2 Hardtwaldklinik II, Bad Zwesten<br />
Einleitung: Zum Thema Erschöpfungssyndrom bzw. Burnout liegen mittlerweile eine<br />
Vielzahl von Veröffentlichungen vor, dennoch hat sich eine aus arbeitsmedizinischer<br />
Sicht ausreichende Definition dieses Syndroms immer noch nicht durchgesetzt.<br />
Desgleichen steht eine Evaluierung der verschiedenen Therapieansätze, ob ambulant<br />
oder stationär, zumindest im deutschen Sprachraum noch weitgehend aus. Mit dem<br />
international bewährten Maslach-Burnout-Inventar (MBI) gelingt es zumindest, einen<br />
Bereich zu definieren, der im Sinne einer potentiellen gesundheitsgefährdenden<br />
Beanspruchung als Marker des Erfolgs einer Intervention am Arbeitsplatz oder auch<br />
einer durchgeführten Therapie herangezogen werden kann. So konnte dieses<br />
Instrumentarium im Rahmen einer Überprüfung der faktoriellen Gültigkeit des MBI (Auswertung<br />
von 1.937 MBI-Inventaren; Wegner und Wein 2002) als ein über mehrere<br />
Berufsgruppen hinweg stabiles Verfahren zur Erfassung von beruflichen<br />
Beanspruchungen im Rahmen der Burnout-Forschung auch für den deutschen<br />
Sprachraum belegt werden. Ziel der jetzt vorgelegten Studie sollte es sein, den<br />
Therapieerfolg einer stationären, tiefenpsychologisch fundierten Behandlung mit<br />
prädiagnostiziertem Erschöpfungssyndrom anhand des MBI zu überprüfen.<br />
Methodik: Das Untersuchungskollektiv bestand aus allen 200 beamteten Lehrkräften<br />
(Alter im Mittel 51,1±6,7 Jahre, 134 Frauen, 66 Männer), die zwischen 2001 und Anfang<br />
2007 in einer psychotherapeutisch orientierten, im ländlichen gelegenen Fachklinik<br />
wegen Erschöpfungssyndrom in der Regel 7 Wochen stationär behandelt wurden. Auf<br />
einer ärztlichen Untersuchung und tiefenpsychologisch fundierten Anamnese aufbauend<br />
wurden psychodynamische Behandlungsansätze entwickelt, die von einem Team aus<br />
Ärzten, Psychologen, Bewegungs- und Gestaltungstherapeuten sowie Pflegekräften<br />
vorwiegend im Sinne einer Milieutherapie umgesetzt wurden (Janssen 1987). Im<br />
Zentrum der Behandlung stand die Gruppenpsychotherapie nach dem Göttinger Modell<br />
(Heigl-Evers 2002). Zusätzlich nahmen Lehrer einmal pro Woche an einer „Burnout-<br />
Gruppe“ teil. In dieser Gruppe wurden lösungsorientiert konkrete Probleme aus dem<br />
Arbeitsalltag der Lehrer mit Kollegen, der Schulleitung, mit Schülern, den Eltern der<br />
Schüler oder aber der häuslichen Arbeitsorganisation thematisiert. Die Themen wurden<br />
von den Teilnehmern bestimmt. Arbeitsgrundlage für dieses verhaltenstherapeutische<br />
Gruppenangebot war das von Kretschmann erarbeitete Programm zum<br />
348
V75<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Stressmanagement für Lehrerinnen und Lehrer (Kretschmann 2001). Daneben wurden<br />
zwei 50minütige tiefenpsychologisch fundierte Einzelgespräche geführt, in denen es<br />
konfliktorientiert um die vertiefende Deutung und Bearbeitung des in der<br />
Gruppenpsychotherapie gezeigten Verhaltens und Erlebens ging. Schwerpunkte bilden<br />
hierbei Informationen zu Zeitplanungs- und Arbeitstechniken sowie die Hinterfragung<br />
subjektiver Mythen zur Rechtfertigung des malignen Arbeitsverhaltens mit dem Ziel einer<br />
Einstellungsveränderung. Zusätzlich wird lösungsorientiert an den Ressourcen des<br />
Patienten angeknüpft, ebenso an seinen gesunden Persönlichkeitsanteilen, und die<br />
Erweiterung der Verhaltenskompetenz verhaltenstherapeutisch gefördert (Berger 2006).<br />
Etwa 2 Jahre (2,0±0,7) nach der Therapie erfolgte bei den 200 Lehrkräften eine Nachbefragung<br />
per Post. Hierfür wurde ein modifizierter, im Wesentlichen aber dasselbe<br />
Instrumentarium wie bei der Erstuntersuchung enthaltender Fragebogen (Erfassung<br />
demografischer Daten, Arbeitszeit, Zeiten von Arbeitsunfähigkeit, Maslach-Burnout-<br />
Inventar (Maslach und Jackson 1986) u.a.) mit den Faktoren Emotionale Erschöpfung<br />
(Emotional exhaustion, EE, 9 Items), Distanziertheit (Depersonalization, DP, 5 Items)<br />
und persönliche Leistungseinschätzung (Personal accomplishment, PA, 8 Items) eingesetzt.<br />
Die Antwortmöglichen reichten von 0 (niemals) bis 6 (täglich). Der statistische<br />
Vergleich erfolgte mittels t-Tests mit verbundenen bzw. unverbundenen Stichproben sowie<br />
Chi 2 -Tests (Programm statistica 7.0). 150 Personen (75%; mittleres Alter 53,1±7,0 Jahre,<br />
104 Frauen, 46 Männer) sandten den Fragebogen ausgefüllt zurück.<br />
100<br />
%<br />
80<br />
60<br />
40<br />
depressive<br />
Störungen<br />
somatoforme<br />
Störungen<br />
neurotische<br />
Störungen<br />
Persönlichkeitsstörungen<br />
Herz-/Kreislauferkrankungen<br />
Stoffwechselerkrankungen<br />
andere psychiatr.<br />
Erkrankungen<br />
20<br />
0<br />
F32-34 F45 F40-44 F60-61 I E<br />
Abb. 1: Häufigkeit der bei der Erstuntersuchung gestellte Diagnosen (Mehrfachnennungen, ICD 10)<br />
Ergebnisse: Am häufigsten wurden depressive Störungen diagnostiziert (79,0%), bei<br />
40,0% ergaben sich somatoforme Störungen (zumeist als Nebendiagnose), dicht gefolgt<br />
von neurotischen und Persönlichkeitsstörungen (39,5 % bzw. 32,5%, Abb. 1). Der Anteil<br />
Burnoutgefährdeter, hier definiert als Personen mit einem EE-Score > 26 (analog Maslach<br />
und Jackson 1986) lag bei dem Gesamtkollektiv der Ersterhebung bei 79,6% (Männer<br />
93,8%, Frauen 72,3%, p < 0,001). Die MBI-Punktwerte unterschieden sich zwischen<br />
denen, die an der Nacherhebung teilnahmen nicht signifikant von denen, welche den<br />
349
V75<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Fragebogen nach zwei Jahren nicht mehr zurücksendeten. In der Tendenz fanden sich<br />
bei letzteren aber leicht schlechtere Werte. Der Anteil derjenigen, welche in den Beruf<br />
zurückkehrten, lag mit 75% hoch, diese Personen waren mit 52,2±6,9 Jahren deutlich<br />
jünger als die mittlerweile pensionierten Lehrkräfte (56,2±6,3 Jahre, p = 0,002). Letztere<br />
erwiesen sich tendenziell auch als erschöpfter, distanzierter und mit geringerer<br />
Leistungseinschätzung, der Unterschied war aber ebenfalls nicht signifikant. Die<br />
Veränderung der Werte für die Arbeitszeit in der letzten regulären Arbeitswoche, die<br />
Tage mit Arbeitsunfähigkeit im letzten Quartal sowie die Werte des MBI finden sich in<br />
Tab. 1. Für die Arbeitszeit ergab sich eine leichte Verringerung, signifikant für die<br />
Arbeitszeit zu Hause. Auffällig ist die mit 17,5 Std. deutlich höhere häusliche<br />
Arbeitszeitbelastung der Gymnasiallehrkräfte zu Beginn der Studie bei vergleichbarem<br />
zeitlichen Einsatz in der Schule. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage ging<br />
hochsignifikant von im Mittel 26,9 auf 8,7 Tage im letzten Quartal zurück. Der EE-Score<br />
besserte sich für die in den Beruf Zurückgekehrten ebenfalls hochsignifikant, der Anteil<br />
Burnout-Gefährdeter ging von 72,2% auf 44,1% zurück (p < 0,0001; Männer von 97,1%<br />
auf 56,3%, Frauen von 60,3% auf 38,6%, p = 0,0001 bzw. 0,01). Für die MBI-Faktoren<br />
PD und PA ergaben sich im Vergleich mit dem EE-Score dagegen geringere<br />
Verbesserungen.<br />
Diskussion: Als Hauptergebnisse der Studie sind eine hohe Rückkehrerquote von 75%,<br />
eine Reduzierung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeitstage um Zweidrittel von 27 auf<br />
9 Tage und eine Verringerung des Anteils Burnout-gefährdeter Personen von 72% auf<br />
44% festzustellen. Allein die Abnahme der Arbeitsunfähigkeitsdauer (eine gleich<br />
bleibende Häufigkeit während der letzten 2 Jahre unterstellt) um fast 5 Monate bei mehr<br />
als der Hälfte des ursprünglichen Gesamtkollektivs spricht - nicht zuletzt auch aus<br />
ökonomischen Gründen (Kosten der Behandlung und Arbeitsausfallszeit) - für den Erfolg<br />
der durchgeführten Therapie. Über einen positiven Kosten-Nutzen-Effekt durch<br />
stationäre Psychotherapie berichtete 2006 auch Nienhaus, das hierbei untersuchte<br />
Patientenkollektiv umfasste allerdings nur 36 Personen.<br />
In unserem Kollekitv ist der hohe Anteil Burnout-Gefährderter unter den Männern<br />
auffällig. Deren EE-Score verringerte sich zwar ebenfalls signifikant, aber nur auf den<br />
Wert, mit dem die Frauen ihre Therapie begannen. Im Gegensatz zu diesem<br />
schlechteren Ergebnis bei Männern ergaben sich in einer 1995 bei aktiven Lehrkräften in<br />
Norddeutschland durchgeführten Studie für Frauen (und nicht für Männer) signifikant<br />
höhere Werte des EE-Scores und damit für die Burnoutgefährdung (Wegner et al. 1998).<br />
Männer scheinen sich damit erst in einem fortgeschritteneren Burnout-Stadium zu einer<br />
350
V75<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
tiefenpsychologisch fundierten Therapie zu entschließen als deren Kolleginnen. Dass<br />
sich (wie auch in dieser Erhebung) unter den MBI-Faktoren der EE-Score am besten für<br />
die Beschreibung der Burnout-Gefährdung eignet, zeigen auch internationale Studien<br />
(Gold 1984, Hisashige 1993 u.a.), in denen die im Faktor EE zusammengefassten Items<br />
die höchsten Ladungszahlen aufwiesen. Im Gegensatz zu einzelnen international<br />
publizierten, kontrollierten Verlaufsstudien - u.a. internetbasiert (Brattberg 2006) oder am<br />
Arbeitsplatz bei arbeitsfähigen Berufstätigen (Gorter et al. 2001, Bittmann et al. 2004,<br />
Griffith et al. 2008) durchgeführt - waren die hier vorgelegten Ergebnisse nicht mit denen<br />
eines Kontrollkollektivs zu vergleichen. Eine schon aus ethischen Gründen<br />
problematische Wartestudie hätte unseres Erachtens in Anbetracht der Schwere der<br />
diagnostizierten Gesundheitsstörungen und den hohen vorausgegangenen Zeiten der<br />
Arbeitsunfähigkeit vermutlich keinen nennenswerten Besserungseffekt gezeigt.<br />
Vergleichbar wäre allenfalls eine zeitgleiche stationäre Behandlung in ähnlicher Umgebung<br />
im Sinne eines konventionellen, durch Physiotherapie gekennzeichneten Heilverfahrens<br />
gewesen. Für ein solches Vergleichskollektiv standen aber weder die Patienten noch die<br />
Kostenträger zur Verfügung.<br />
Unseres Wissens handelt es sich bei der vorgelegten Studie um die bisher<br />
umfangreichste stationäre Burnout-Interventionsstudie in einer definierten Berufsgruppe,<br />
hier die der Lehrkräfte. Der Erfolg der Intervention könnte bewirken, dass sich Betroffene<br />
bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bisher solch einer Behandlung unterziehen. Bei<br />
dem hier vorgestellten Kollektiv soll der weitere Verlauf demnächst erneut evaluiert<br />
werden.<br />
Literatur<br />
‣ Berger P: Was macht am Lehrerberuf krank? In: Dauber H, Zwiebel R (Hrsg.): Professionelle<br />
Selbstreflexion aus pädagogischer und psychoanalytischer Sicht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2006, 203 –<br />
229<br />
‣ Bittman BB, Snyder CS, Bruhn KT, Liebfreid F, Stevens CK, Westengard J, Umbach PO: Recreational<br />
music-making: An integrative group Intervention for reducing burnout and improving mood states in first<br />
year associate degree nursing students: Insights and economic impact. Int J Nursing Education<br />
Scholarship 1 (2004) 1-26<br />
‣ Brattberg G: Internet-based rehabilitation for individuals with chronic pain and burnout: a randomized trial.<br />
Int J Rehabil Res 29 (2006) 221-227<br />
‣ Gold Y: The factorial validity of the Maslach Burnout Inventory in a sample of califonia elementary and<br />
junior high school classroom teachers. Educational Psychological Measurement 44 (1984) 1009-1016<br />
‣ Gorter RC, Eijkman MAJ, Hoogstraten J: A career counseling program for dentists: effect on burnout.<br />
Patient Education and Counseling 43 (2001) 23-30<br />
‣ Griffith JM, Hasley JP, Liu H, Severn DG, Conner LH, Adler LE: Qigong stress reduction in hospital staff.<br />
J Alternat Complem Med<br />
‣ Heigl-Evers A: Die psychoanalytisch-interaktionelle Methode. Theorie und Praxis. Göttingen:<br />
Vandenhoeck & Ruprecht 2002<br />
‣ Hisashige A: Occupational influence relative to the burnout phenomenon among Japanese nursery<br />
school teachers. Environ Res 63 (1993) 219-228<br />
‣ Janssen PL: Psychoanalytische Therapie in der Klinik. Stuttgart: Klett-Cotta 1987<br />
‣ Kretschmann R (Hrsg): Stressmanagement für Lehrerinnen und Lehrer. Weinheim, Basel: Beltz 2001<br />
351
V75<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
‣ Maslach C Jackson SE: Maslach Burnout Inventory Manual. 2d Ed, Palo Alto: Consulting Psychologists<br />
Press 1986<br />
‣ Nienhaus K: Kosten und Nutzen von Psychotherapie beim Burn-out-Syndrom und psychosomatischen<br />
Folgeerkrankungen bei Mobbing. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 41 (2006) 425-429<br />
‣ Wegner R, Ladendorf B, Mindt-Prüfert S, Poschadel B: Psychomentale Belastung und Beanspruchung im<br />
Lehrerberuf, Ergebnisse einer Fragebogenerhebung. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 33 (1998) 248-<br />
259<br />
‣ Wegner R, Wein C : Zur Eignung des Maslach-Burnout-Inventory (MBI) bei arbeitsmedizinischen<br />
Erhebungen. <strong>DGAUM</strong> Dok-Bd. 42; 319-321; Fulda: Rindt 2002<br />
Tab. 1: Vergleich zwischen Erst- und Nachuntersuchung bei Lehrkräften, die in den Beruf<br />
zurückkehrten<br />
Erstuntersuchung Nachuntersuchung<br />
n s s p<br />
Arbeitszeit in der Schule (Std. letzte Arbeitswoche, inkl. Teilzeittätigkeit)<br />
Gesamt 94 26,1 8,7 25,2 10,1 0,477<br />
Männer 30 28,0 8,8 25,7 12,6 0,334<br />
Frauen 64 25,2 8,6 25,0 8,8 0,912<br />
p 0,142 0,763<br />
Gymnasien 21 26,1 7,2 27,0 8,9 0,626<br />
Andere Schulen 73 26,1 9,2 24,7 10,4 0,348<br />
p 0,996 0,372<br />
Arbeitszeit zu Hause (Std. letzte Arbeitswoche, inkl. Teilzeittätigkeit)<br />
Gesamt 98 12,7 7,5 10,5 6,0 0,005<br />
Männer 31 13,7 7,1 10,3 6,1 0,021<br />
Frauen 67 12,2 7,7 10,6 6,0 0,082<br />
p 0,357 0,833<br />
Gymnasien 24 17,5 8,1 12,4 6,8 0,012<br />
Andere Schulen 74 11,1 6,7 9,9 5,6 0,119<br />
p 0,0002 0,069<br />
Arbeitsunfähigkeit letztes Quartal<br />
Gesamt 104 26,9 35,2 8,7 19,2
V76<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Hypertonierisiko, Arbeitsbedingungen und personenbezogene<br />
Faktoren bei Lehrkräften<br />
Juliane Hardt 1 , Reingard Seibt 2 , Klaus Scheuch 2<br />
1 Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck<br />
2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“ der<br />
Technischen Universität Dresden<br />
Zusammenfassung<br />
Lehrkräfte weisen insgesamt ein günstiges Profil kardiovaskulärer Risikofaktoren auf.<br />
Auffällig sind jedoch eine erhöhte Prävalenz für ein Hypertonierisiko und<br />
Studienergebnisse zu erlebten psychischen Belastungen, was im Zusammenhang mit<br />
Arbeitsbedingungen und der Anforderungsbewältigung diskutiert wird. In dieser Analyse<br />
wurde die Frage untersucht, wie bedeutsam die subjektiv erlebten Arbeitsbedingungen<br />
im Lehrerberuf für das Hypertonierisiko unter Berücksichtigung stressassoziierter<br />
Persönlichkeitsfaktoren sind. Bei 787 Lehrkräften (MW: 47±7 Jahre; 87,4 % Frauen)<br />
wurden die Prävalenzen von Hypertonie und Übergewicht erhoben und Messungen des<br />
Ruheblutdrucks durchgeführt. Arbeitsbedingungen (Rudow-Skalen) und<br />
Persönlichkeitsfaktoren (Erholungsunfähigkeit/FABA; Kohärenzerleben: SOC-L9) wurden<br />
standardisiert erfragt. Lehrkräfte mit normotonen Blutdruckwerten und Lehrkräfte mit<br />
Hypertonierisiko wurden in ihrer subjektiv erlebten Arbeitsbelastung, Erholungsfähigkeit<br />
und dem Kohärenzerleben verglichen und die Effekte der potenziellen Prädiktoren mit<br />
logistischer Regression geprüft. 58,7 % der Lehrkräfte zeigten ein Hypertonierisiko<br />
(Blutdruckwerte erhöht/kontrollierte Hypertonie), 45 % waren übergewichtig (BMI<br />
≥ 25 kg/m 2 ). Im multivariaten Regressionsmodell zeigten sich Alter, Geschlecht,<br />
Übergewicht und Erholungsunfähigkeit als signifikante Prädiktoren für das<br />
Hypertonierisiko. Dabei fanden sich nur geringe Zusammenhänge der untersuchten<br />
Persönlichkeitsfaktoren und Arbeitsbedingungen zum Hypertonierisiko, insbesondere im<br />
Vergleich zu klassischen Einflussfaktoren. Künftige Analysen sollten weitere mit dem<br />
Belastungserleben assoziierte Variablen einbeziehen, die über berufsgruppenspezifische<br />
Risikofaktoren Aufschluss geben könnten<br />
Einleitung<br />
Aus der Literatur ist bekannt, dass das Gesundheitsverhalten von Lehrkräften<br />
(Bewegung, Ernährung, Nikotinkonsum) im Vergleich zur deutschen Bevölkerung als<br />
gesundheitsbewusst zu bewerten ist [1, 2]. Im Rahmen eines Forschungsprojekts für ein<br />
präventives Gesamtkonzept zur Lehrergesundheit wurden ausgewählte Einflussfaktoren<br />
auf das kardiovaskuläre Risiko untersucht und in einem Gesundheitsbericht im Vergleich<br />
zu epidemiologischen Daten der Bevölkerung dargestellt [3]. Die Ergebnisse des<br />
353
V76<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Gesundheitsberichts bestätigten das insgesamt günstige kardiovaskuläre Risikoprofil bei<br />
Lehrern, zeigten jedoch eine erhöhte Prävalenz des Hypertonierisikos bei Lehrkräften [4]<br />
im Vergleich zu den Bevölkerungsdaten des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 [5, 6]<br />
(Abb. 1).<br />
Mehrere Studien fanden Hinweise auf Besonderheiten psychischer Belastungen und<br />
spezifische Belastungsfolgen im Lehrerberuf [7-9]. In der arbeitspsychologischen<br />
Forschung wurden verschiedene Konzepte auf mögliche Zusammenhänge zwischen<br />
individueller Beanspruchung und einem höheren Risiko für arterielle Hypertonie und<br />
kardiovaskuläre Erkrankungen geprüft. In dieser Analyse wurden zwei Konzepte<br />
ausgewählt. In Validierungsstudien zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen<br />
gesunden Personen und Hypertonikern für Erholungsunfähigkeit [10, 11]. Für das<br />
salutogenetisch orientierte Konzept des Kohärenzerlebens (sense of coherence [12])<br />
werden Zusammenhänge zwischen einem stabilen Personenmerkmal und dem Erleben<br />
von Anforderungen und Belastungen vermutet. Ein Zusammenhang zu erlebtem Stress<br />
soll in weiteren Analysen geprüft werden.<br />
Methoden<br />
Im Rahmen von arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchungen wurden<br />
787 Lehrkräfte aus sächsischen Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien untersucht<br />
und befragt (87,4 % Frauen). Diese waren im Mittel 47±7 Jahre alt (MW±SD, Range: 28 -<br />
62 Jahre). Die Untersuchungen umfassten Messungen von Größe und Gewicht sowie<br />
eine zweimalige Messung des Ruheblutdrucks (BD). Es wurde standardisiert erfragt, ob<br />
eine Medikation mit Antihypertensiva vorliegt. Als Risiko-Fälle für Hypertonie wurden<br />
dabei Lehrkräfte mit erhöhten Blutdruckwerten nach der Klassifikation der WHO [13] oder<br />
mit einer medikamentös behandelten Hypertonie entsprechend der Kategorien des<br />
Bundes-Gesundheitssurveys [6] kodiert. Mit Hilfe von Prüflisten zur Belastung im<br />
Lehrerberuf [14] wurden das Vorhandensein von lehrerspezifischen Arbeitsbelastungen<br />
in sieben Bereichen (z.B. Schüler/Klassen, Lehrplan, Schulleitung/Schulkultur) sowie die<br />
subjektiv erlebte Belastung durch diese Arbeitsbedingungen erfragt. Für jeden Bereich<br />
wird dabei jeweils ein Mittelwert der beurteilten und erlebten Arbeitsbelastung berechnet,<br />
für die Gesamtbelastung wird jeweils ein Summenwert der Skalen gebildet. Als mögliche<br />
personbezogene Prädiktoren wurden Erholungsunfähigkeit (FABA-Skala [10]) und das<br />
Kohärenzerleben nach dem salutogenetischen Modell Antonovskys [12] mit dem SOC-<br />
Fragebogen [15] erhoben.<br />
354
V76<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Ergebnisse<br />
In den Vorsorge-Untersuchungen wiesen 421 Lehrkräfte (53,5 %) erhöhte<br />
Blutdruckwerte (≥ 140/90 mmHg) auf, 138 Lehrkräfte (17,5 %) gaben eine aktuelle<br />
Medikation mit Antihypertensiva an. 58,7 % der Lehrkräfte wurden als Risiko-Fälle für<br />
Hypertonie klassifiziert. 45,4 % der Lehrkräfte waren übergewichtig (BMI ≥ 25 kg/m 2 ).<br />
Lehrkräfte mit Hypertonierisiko (Risiko-Fälle) waren im Vergleich zu Lehrkräften mit<br />
normotonen Blutdruckwerten (Kontrollen) signifikant älter (49,0 vs. 44,4 Jahre, p < .001)<br />
und häufiger übergewichtig (56,3 % vs. 29,8 %, p < .001). Auch der Anteil der Männer<br />
war bei den Risiko-Fällen höher (14,3 % vs. 10,2 %). Deskriptiv zeigten Risiko-Fälle im<br />
Vergleich mit den Kontrollen keine auffälligen Werte in der Beurteilung von<br />
Arbeitsbelastungen und der berichteten subjektiven Beanspruchung durch die<br />
Arbeitsbedingungen. In der Tendenz berichteten sie sogar eine geringere Beanspruchung.<br />
Im Hinblick auf das Kohärenzerleben waren beide Gruppen vergleichbar, in<br />
der Skala Erholungsunfähigkeit zeigten Risiko-Fälle etwas günstigere Werte als die<br />
Kontrollen (nicht signifikant). Um ein Confounding durch die Zusammenhänge von<br />
Hypertonierisiko mit Alter, Geschlecht und Übergewicht zu kontrollieren, wurden bivariate<br />
und multivariate logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Tabelle 1 zeigt die<br />
Ergebnisse dieser Analysen im Vergleich. Die Selektion der in das multivariate Modell<br />
simultan eingeschlossenen Variablen erfolgte hypothesengeleitet. Das vollständige<br />
Modell mit allen in Tab. 1 gezeigten Variablen ermöglichte eine Vorhersage des<br />
Hypertonierisikos zu 69 % (Nagelkerke‘s R 2 = 0,19). Dabei zeigten erwartungsgemäß<br />
Alter und Übergewicht deutliche und signifikante Effekte in Bezug auf die Zielgröße<br />
Hypertonierisiko. Übergewichtige sowie ältere Lehrkräfte, wiesen ein 2,5- bis 6-fach<br />
erhöhtes Risiko auf. Erholungsunfähigkeit erwies sich als signifikanter Prädiktor, zeigte<br />
aber einen geringen Effekt (pro Punktwert der Skala), und ist somit nicht eindeutig zu<br />
interpretieren. Ein zweites Modell, das die bekannten Risikofaktoren (Alter, Geschlecht,<br />
Übergewicht) sowie die Erholungsunfähigkeit als signifikanten Prädiktor umfasste,<br />
ermöglichte eine Vorhersage zu 70 %.<br />
Diskussion<br />
In der Analyse möglicher Prädiktoren für die erhöhte Prävalenz eines Hypertonierisikos<br />
bei Lehrkräften bestätigten sich im verwendeten Regressionsmodell die bekannten<br />
klassischen Risikofaktoren. Bei Lehrkräften mit Hypertonierisiko wurden keine Hinweise<br />
auf ein Erleben ungünstiger Arbeitsbelastungen oder ungünstiger personbezogener<br />
Faktoren gefunden. Die analysierten Daten einer Beobachtungsstudie erlauben lediglich<br />
die Betrachtung von Koinzidenzen möglicher Risikofaktoren, jedoch keine<br />
Schlussfolgerungen im Hinblick auf Kausalität. In folgenden Analysen soll eine Trennung<br />
355
V76<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
von Personen mit ärztlich diagnostizierter und behandelter Hypertonie (Fälle) und<br />
Personen mit erhöhten Blutdruckwerten (SBD/DBD ≥ 140/90 mmHg) in standardisierten<br />
Vorsorgeuntersuchungen (Risiko-Fälle) erfolgen. Weitere bekannte kardiovaskuläre<br />
Risikofaktoren (abdominale Fettverteilung, Rauchen) werden in die Regressionsanalysen<br />
aufgenommen. Künftige Analysen sollten weitere mit dem Belastungserleben im<br />
Lehrerberuf assoziierte Variablen (Gratifikationskrisen, Anforderungs-Kontroll-Modell) als<br />
Prädiktoren einbeziehen, für die ein Zusammenhang mit einem Hypertonierisiko vermutet<br />
wird und die über neue berufsgruppenspezifische Risikofaktoren Aufschluss geben<br />
könnten. Die jüngste Erhebung von repräsentativen Referenzwerten des<br />
Hypertonierisikos für die deutsche Bevölkerung durch Messungen erfolgte im Bundes-<br />
Gesundheitssurvey 1998. Ein Vergleich der hier berichteten Daten mit jüngeren<br />
Referenzwerten ist anzustreben. Zu diskutieren ist die Frage, inwieweit der Einfluss von<br />
erlebten Arbeitsbelastungen und Stress als kurzfristige Belastungsfolge auf langfristige<br />
Beeinträchtigungen der Gesundheit geprüft werden kann und welche Markervariablen<br />
(z.B. subjektives Erleben, physiologische Kennwerte, Copingstile) langfristige<br />
Gesundheitsfolgen am besten vorhersagen können.<br />
Literatur<br />
[1] Schönwälder H-G, Berndt J, Ströver F, Tiesler G. Belastung und Beanspruchung<br />
von Lehrerinnen und Lehrern. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />
und Arbeitsmedizin: Forschung, Fb 989). Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW,<br />
2003<br />
[2] Seibt R, Thinschmidt M, Lützkendorf L, Knöpfel D. Arbeitsfähigkeit und Vitalität bei<br />
Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. (Schriftenreihe der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschung, Fb 1035).<br />
Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2004<br />
[3] Rehm U, Seibt R, Hardt J, Dizinger V, Neustadt K, Scheuch K. Gesundheitsbericht<br />
2008. Lehrerinnen und Lehrer der Sächsischen Bildungsagentur Regionalstelle<br />
Chemnitz. Dresden: Technische Universität Dresden (Selbstverlag), 2008<br />
[4] Hardt J, Rehm U, Scheuch K. Gesundheitsbericht bei Lehrern - Beispiele<br />
kardiovaskulärer Risikofaktoren. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin<br />
2008;43(3):170<br />
[5] Thamm M. Blutdruck in Deutschland - Zustandbeschreibung und Trends.<br />
Gesundheitswesen 1999;61(Sonderheft 2):S90-S93<br />
[6] Robert Koch-Institut, Statistisches Bundesamt. Gesundheit in Deutschland.<br />
Gesundheitsbericht. Berlin: Robert Koch-Institut, 2006<br />
[7] Stähling R. Beanspruchungen im Lehrerberuf : Einzelfallfeldstudie und<br />
Methodenerprobung. Münster u.a.: Waxmann, 1998<br />
[8] Schaarschmidt U, Fischer AW. Bewältigungsmuster im Beruf.<br />
Persönlichkeitsunterschiede in der Auseinandersetzung mit der Arbeitsbelastung.<br />
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2001<br />
[9] Bauer J, Unterbrink T, Hack A, Pfeifer R, Buhl-Griesshaber V, Muller U, et al.<br />
Working conditions, adverse events and mental health problems in a sample of 949<br />
German teachers. Int Arch Occup Environ Health 2007;80(5):442-9<br />
[10] Richter P, Rudolf M, Schmidt CF. Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter<br />
Anforderungsbewältigung (FABA). Handanweisung. Frankfurt: Swets Test<br />
Services, 1996<br />
356
V76<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
[11] Staude M, Seibt R, Scheuch K. Erhöhtes Hypertonierisiko durch "Job-strain"? In:<br />
Scheuch K, Haufe E (Hrsg.), Dokumentationsband über die 43. Jahrestagung der<br />
Dt. Ges. für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Dresden, 26.-29. März 2003.<br />
Fulda: Rindt-Druck, 2003, 535-7<br />
[12] Antonovsky A. Health, Stress and Coping. San Francisco: Jossey-Bass, 1979<br />
[13] WHO-ISH Hypertension Guidelines Committee. World Health Organization -<br />
International Society of Hypertension Guidelines for the Management of<br />
Hypertension. Journal of Hypertension 1999;17(2):151-85<br />
[14] Rudow B. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lehrerberuf:<br />
Gefährdungsbeurteilung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Ludwigsburg:<br />
Süddeutscher Pädagogischer Verlag, 2000<br />
[15] Schumacher J, Wilz G, Gunzelmann T, Brahler E. Die Sense of Coherence Scale<br />
von Antonovsky. Teststatistische Überprüfung in einer repräsentativen<br />
Bevölkerungsstichprobe und Konstruktion einer Kurzskala. Psychother Psychosom<br />
Med Psychol 2000;50(12):472-82<br />
357
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Altersbezogener Zusammenhang von Effort-Reward-Imbalance<br />
und kardiovaskulären Risikofaktoren bei Führungskräften und<br />
Lehrern<br />
Reingard Seibt 1 , Stefanie Deckert 2 , Silvia Spitzer 1 , Klaus Scheuch 1 , Gabriele Freude 3<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />
Hochschule Magdeburg-Stendal (FH)<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Berlin<br />
1 Problem- und Zielstellung<br />
Eine systematische Literaturrecherche im Web of Science® zu Belastungen und Fehlbeanspruchungsfolgen<br />
von Lehrern und Führungskräften ergab, dass für Führungskräfte<br />
der Zusammenhang von Belastung und Gesundheit wissenschaftlich nur unzureichend<br />
untersucht ist. Sie repräsentieren - im Vergleich zu Lehrern - eine inhomogene<br />
Berufsgruppe und ihre Tätigkeit stellt sich nicht als definiertes Berufsbild dar, so dass<br />
sich die Zuordnung anforderungsspezifischer Arbeitsbedingungen und -anforderungen<br />
und deren Beanspruchungsfolgen schwierig gestaltet. Außerdem wird zwischen<br />
Managementebene (obere, mittlere, untere Ebene) und Branche (u.a. Geschäftsführer,<br />
Restaurantleiter, Case Manager, Chefärzte, Projektleiter) unterschiedlich differenziert<br />
und aus einigen Studien ist nicht ersichtlich, ob die „mittleren Manager“ den Mitarbeitern<br />
und/oder Führungskräften zugeordnet sind. „Mittlere Manager“ (hier: Führungskräfte)<br />
nehmen eine "Sandwichposition" bzw. „Scharnierfunktion“ zwischen Mitarbeitern,<br />
Vorgesetzten und Kunden ein, die Entscheidungsbereitschaft, Kon-fliktfähigkeit sowie<br />
Fach- und Methodenkompetenz von ihnen erwarten (Keuchen 2007).<br />
In einigen Studien fand man Hinweise, dass aus dem Beanspruchungserleben einer<br />
beruf-lichen Gratifikationskrise sowohl bei Lehrern als auch mittleren Managern negative<br />
Gesundheitsfolgen resultierten (Peter & Siegrist 1997; Peter et al. 1991). Insbesondere<br />
wurden für Männer Zusammenhänge zwischen arbeitsbedingten Gratifikationskrisen und<br />
dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermittelt, während für kardiovaskuläre<br />
Risikofaktoren trotz zunehmendem Alters nur geringe Effektstärken beobachtet wurden<br />
(van Vegchel et al. 2005). So fand man bei Männern in zwei deutschen<br />
Längsschnittstudien einen Zusammenhang von Gratifikationskrisen (Effort-Reward-<br />
Imbalance - ERI) und Hypertonie (OR = 2,7 - 5,8; Peter et al. 1991; 1998 - Wolf-Studie).<br />
Für Übergewicht und körperliche Inaktivität sind weniger<br />
Befunde bekannt. In einer finnischen Längsschnittstudie erwies sich das ERI als<br />
Prädiktor für den Anstieg des Body-Mass-Index beim 10-Jahres-Follow-Up (Kivimäki et<br />
al. 2002), während sich in einer finnischen Querschnittstudie für Übergewicht und<br />
körperliche Inaktivität für Frauen als auch Männer nur sehr geringe Zusammenhänge zur<br />
ERI ergaben. Lagen aber drei oder mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren gleichzeitig vor,<br />
fiel der Zusammenhang etwas höher aus (Kouvonen et al. 2006).<br />
358
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Ziel dieser Studie ist die Überprüfung der Bedeutsamkeit der ERI zur Gesundheit bei<br />
männ-lichen Führungskräften (FÜ) und Lehrern (LE) unter Berücksichtigung des Alters<br />
und personenbezogener Faktoren.<br />
2 Methodik<br />
Stichprobe: An den arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchung<br />
(Querschnittstudie) nahmen 47 männliche FÜ und 99 LE teil. Diese wurden<br />
entsprechend der Fragestellung in eine jüngere (
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Ratio: Rödel et al. 2004) bestimmt (Tab. 1). Die untersuchten FÜ und LE berichten eine<br />
mittlere berufliche Verausgabung ( 13 vs. 15 Punkte) bei einer für LE mittelmäßigen (<br />
41 vs. 43 Punkte) und FÜ hohen Belohnung ( 52 bzw. 53 Punkte). Diese Anerkennung<br />
erhalten die FÜ mehrheitlich vom Vorgesetzten (86 %) und den Kollegen (96 %). Sie<br />
schätzen ein, in schwierigen Situationen angemessene Unterstützung zu erhalten (90<br />
%), bei ihrer Arbeit gerecht behandelt zu werden (92 %), und sie halten ihr Gehalt für<br />
angemessen (78 %). Daraus lässt sich für FÜ ein günstiges Ratio, d.h. eine Balance<br />
zwischen Verausgabung und Belohnung ableiten ( 0,47; p=.001), was sowohl für die<br />
jüngeren als auch älteren FÜ gilt (LE: 0,73 bzw. 0,66; p=.001). Folglich weisen FÜ kein<br />
ERI bezogenes Gesundheitsrisiko auf (jüngere LE: 16%, ältere LE: 9%) auf.<br />
Erholungsunfähigkeit: Für das Erholungsverhalten gibt es ebenfalls einen<br />
Berufsgruppeneffekt und für LE einen Alterseffekt, wonach die Erholungsunfähigkeit bei<br />
ihnen mit dem Alter leicht ansteigt, während sie sich bei FÜ sogar verbessert; ältere FÜ<br />
weisen keine auffälligen Erholungswerte (LE: 10%) und damit das günstigste<br />
Erholungsverhalten auf (Tab. 1).<br />
Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Bezüglich der Risikofaktoren für Erkrankungen des<br />
Herz-Kreislauf-Systems sind wenig Berufsgruppenunterschiede, aber die erwarteten<br />
Alterseffekte zu verzeichnen (Tab. 1). In beiden Berufsgruppen steigen Blutdruck und<br />
Body Mass Index mit dem Alter an, die Fitness nimmt ab, sportliche Betätigung verändert<br />
sich nicht. Übergewicht liegt bei zwei Drittel der jüngeren FÜ und LE vor, aber bei mehr<br />
als drei Viertel der älteren Gruppen. Hypertonie ergibt sich in den jüngeren Gruppen bei<br />
25 % der FÜ und 37 % der LE, in beiden älteren Gruppen für etwa die Hälfte. 31 % der<br />
jungen FÜ rauchen (LE: 3 %;<br />
p = .005), in den älteren Gruppen jeweils 10 bzw. 9 %. Schlechte Fitness besteht<br />
besonders für ältere LE (26 vs. 10 %). Andererseits fallen gerade die FÜ durch weniger<br />
sportliche Aktivitäten auf; 19 bzw. 13 % von ihnen treiben keinen Sport (LE: 3 bzw. 6 %).<br />
Beschwerden: Aktuelle Beschwerden bzw. Befindensstörungen, die das Wohlbefinden<br />
einer Person anhaltend beeinträchtigen können (BFB: Höck & Hess 1975), werden von<br />
FÜ jeweils weniger angegeben ( 4 vs. 3) als von LE ( 6 vs. 8; p = .001). Dieser Effekt<br />
trifft auch auf die physischen und psychischen Beschwerden zu, die FÜ durchschnittlich<br />
weniger berichten. Physische Beschwerden nehmen bei ihnen mit dem Alter ab,<br />
während sie bei LE mit dem Alter zunehmen. Für psychische Beschwerden gibt es in<br />
keiner Berufsgruppe einen Alterseffekt (Tab. 1). Hauptbeschwerden sind in beiden<br />
Berufsgruppen Nacken-, Rücken-, Kreuzschmerzen (ca. 50 %), bei jungen FÜ besonders<br />
Schlafstörungen (13 %), während mehr als der Hälfte der LE in beiden Altersgruppen<br />
über Erschöpfung und Müdigkeit klagt (Tab. 1).<br />
360
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Tab. 2: Berufsgruppenvergleich ausgewählter arbeits-, personen- und gesundheitsbezogener Faktoren<br />
Gesundheitsparameter<br />
Altersgruppe<br />
[Jahre]<br />
Berufsgruppe<br />
Führung<br />
(n = 47)<br />
Lehrer<br />
(n =99)<br />
Gruppenunterschied<br />
Prüfgröße<br />
p-Wert<br />
< 45 13,2 3,2 14,6 ± 3,2<br />
Verausgabung<br />
MW ± SD<br />
Subskalen des ERI-Fragebogens 1<br />
(Range: 6 - 30]<br />
≥ 45 13,3 3,2 15,1 ± 3,8<br />
Belohnung<br />
(Range: 11 – 55)<br />
Effort-Reward-Imbalance<br />
(Ratio)<br />
- Gesundheitsrisiko<br />
(ERI > 1)<br />
MW ± SD<br />
MW ± SD<br />
%<br />
< 45 52,3 ± 2,8 41,3 ± 9,3<br />
≥ 45 52,5 ± 3,1 43,4 ± 6,6<br />
< 45 0,47 ± 0,12 0,73 ± 0,39<br />
≥ 45 0,47 ± 0,13 0,66 ± 0,23<br />
< 45 0,0 15,6<br />
≥ 45 0,0 9,0<br />
< 45 11,0 ± 3,8 13,2 ± 3,6<br />
Erholungsunfähigkeit<br />
MW ± SD<br />
Personenbezogene Faktoren 2<br />
(Range: 6 - 24)<br />
≥ 45 9,8 ± 3,2 14,9 ± 3,4<br />
- auffällige sehr auffällig %<br />
< 45 6,2 9,3<br />
(≥ 19)<br />
≥ 45 0,0 10,5<br />
2,4 .072<br />
24,9 .001<br />
7,9 .001<br />
7,0 .071<br />
16,9 .001<br />
6,6 .355<br />
< 45 3 [1; 6] 2 [1, 6]<br />
- physisch [Anzahl]<br />
M<br />
5,6 .001<br />
Aktuelle Beschwerden (BFB) 3 [Q25; Q75] ≥ 45 1 [1, 4] 5 [3, 8]<br />
- psychisch [Anzahl]<br />
< 45 0 [0; 2] 1 [0, 2] 5,7 .001<br />
≥ 45 0 [0, 0] 1 [0, 3]<br />
- Erschöpfung, Müdigkeit %<br />
< 45 18,8 50,0<br />
27.3 .001<br />
≥ 45 3,2 53,7<br />
- Nacken-, Rücken-, Kreuz-<br />
< 45 50,0 37,5<br />
4,4 .217<br />
schmerzen ≥ 45 48,4 59,7<br />
- Vergesslichkeit, Unkon-<br />
< 45 12,5 25,0<br />
22,2 .001<br />
zentriertheit ≥ 45 3,2 46,3<br />
- Kopfschmerzen<br />
< 45 25,0 25,0<br />
6,4 .094<br />
≥ 45 3,2 20,9<br />
Kardiovaskuläre Parameter<br />
Systolischer Blutdruck [mmHg] MW ± SD < 45 130,1 ± 14,3 136,6 ± 16,7 3,0 .033<br />
≥ 45 140,9 ± 21,1 143,2 ± 16,7<br />
Diastolischer Blutdruck [mmHg]<br />
< 45 78,1 ± 8,9 89,8 ±10,2 8,3 .001<br />
≥ 45 85,8 ± 12,4 92,8 ± 11,9<br />
- Hypertonie<br />
% < 45 25,0 37,5<br />
5,5 .141<br />
(>140/90 mmHg) 4 ≥ 45 48,4 53,7<br />
Fitness Index (PPI) 5<br />
MW ± SD < 45 2,4 ± 0,7 1,9 ± 0,7 9,0 .001<br />
≥ 45 1,8 ± 0,6 1,5 ± 0,6<br />
- PPI < 1 (schlecht) % < 45 0,0 6,7<br />
19,9 .003<br />
≥ 45 10,3 25,8<br />
Body Mass Index<br />
MW ± SD < 45 25,3 ± 1,7 25,6 ± 3,0 2,8 .041<br />
(BMI; kg/m 2 )<br />
≥ 45 27,0 ± 2,9 26,8 ± 2,6<br />
- Übergewicht<br />
% < 45 62,5 59,4<br />
0,48 .788<br />
(BMI ≥25 kg/m2) 6 ≥ 45 77,4 73,2<br />
Anmerkungen: MW ± SD: Mittelwerte und Standardabweichungen: one-way ANOVA, Welch-Prüfgröße ;M [Q 25; Q 75 ]:<br />
Median und Quartile [25. und 75 Quartil]; Häufigkeiten [%]: Chi-Quadrat-Test (Pearson); Fisher-Freeman-Halton exact<br />
Test<br />
Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />
1<br />
ERI-Questionaire (Siegrist 1996); 2 FABA-Fragebogen (Richter et al. 1996);<br />
3<br />
BFB (Höck & Hess 1975; absteigend sortiert nach älteren Lehrern)<br />
4<br />
Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks e.V., Deutsche Hypertoniegesellschaft (2001)<br />
4<br />
Pulse-Performance-Index - PPI: Quotient aus Pulsfrequenzdifferenz zur Belastung und Belastungszeit<br />
5<br />
Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung.<br />
Evidenzbasierte<br />
Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas http://www.medizin.uni-koeln.de/kai/igmg/ll/adipo-sitas/adipositasleitlinie<br />
expertenversion.pdf<br />
361
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Zusammenhanganalysen (Tab. 2): Das ERI-Ratio steht weder bei FÜ noch bei LE im<br />
Zusammenhang zum Alter. Bei FÜ besteht nur für die körperliche Fitness eine<br />
signifikante Korrelation mit dem Alter, während bei LE die meisten kardiovaskulären<br />
Risikofaktoren (Blutdruck, BMI, Fitness Index) wie auch die Beschwerden und<br />
Erholungsunfähigkeit mit dem Alter korrelieren. Für das ERI-Ratio und<br />
Erholungsunfähigkeit ergibt sich bei LE ebenfalls ein Zusammenhang, was weiterführend<br />
bei Analysen zur Gesundheit beachtet werden sollte. Bei Auspartialisierung des Alters<br />
bestehen aber zwischen ERI-Ratio und kardiovaskulären Risikofaktoren (r = -.09 - .00)<br />
keine oder nur sehr geringe Korrelationen, zu Erholungsunfähigkeit (r = .50) und<br />
Beschwerden geringe Korrelationen (r =.41 - .49).<br />
Tab. 2: Zusammenhanganalysen (Korrelationskoeffizient r: Pearson-Bravais) für ausgewählte arbeits-,<br />
personen- und gesundheitsbezogener Faktoren<br />
Ausgewählte Faktoren<br />
Berufsgruppe<br />
Alter [Jahre]<br />
Führung<br />
(n = 47)<br />
Lehrer<br />
(n =99)<br />
Effort-Reward-Imbalance<br />
Führung<br />
(n = 47)<br />
Lehrer<br />
(n =99)<br />
Effort-Reward-Imbalance 1 -.07 -.06 - -<br />
Erholungsunfähigkeit 2 -.19 .30 ** .61 *** .37 **<br />
Systolischer Blutdruck [mmHg] .23 .22 * .20 -.21 *<br />
Diastolischer Blutdruck [mmHg] .19 .17 -.09 -.22 *<br />
Body Mass Index (BMI; kg/m 2 ) .12 .23 * .11 -.13<br />
Fitness Index (PPI) -.41 ** -.26 * -.01 -.06<br />
Physische Beschwerden 3 -.17 .20 * .42 ** .41 ***<br />
Psychische Beschwerden 3 -.22 .06 .48 *** .32 **<br />
Anmerkungen: Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />
1<br />
ERI-Questionaire (Siegrist 1996); 2 FABA-Fragebogen (Richter et al. 1996); 3 BFB (Höck & Hess 1975<br />
4 Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />
Im Unterschied zu LE arbeiten FÜ nicht in Teilzeit (Lehrer: ca. 1/3), weisen ein<br />
Gleichgewicht von Verausgabung und Anerkennung auf und zeigen folglich auch keine<br />
Hinweise auf ein ERI-bezogenes gesundheitliches Risiko (LE: 13 %). FÜ erfahren ein<br />
hohes Maß an Anerkennung und sozialer Unterstützung, was als entscheidende<br />
Ressource zur Kompensation ihrer hohen Arbeitsbelastungen gesehen wird. Sie sind<br />
durch höhere körperliche Fitness, eine geringere Rate an Bluthochdruck und geringeres<br />
gesundheitsbewusstes Verhalten (mehr Raucher, sportlich weniger aktiv, höheres<br />
Übergewicht) und bessere Erholungsfähigkeit gekennzeichnet. Ihre Hauptbeschwerden<br />
sind Nacken-, Rücken-, Kreuzschmerzen (ca. 50 %), Schlafstörungen (nur bei jüngeren<br />
FÜ) und Erschöpfung (nur bei älteren FÜ).<br />
Allerdings stehen bei FÜ die objektiven Gesundheitsdaten teilweise im Widerspruch zu<br />
den Selbsteinschätzungen. Insbesondere ältere FÜ schätzen ihren Gesundheitsstatus<br />
subjektiv besser ein. Sie sind jedoch aufgrund der ausgeprägten Risikofaktoren für Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen gesundheitlich gefährdet. Diese zeigen deutlichen<br />
362
V77<br />
Vorträge – Lehrergesundheit<br />
Handlungsbedarf in Form geeigneter Präventions- und Interventionsprogramme auf. FÜ<br />
verfügen über protektive Faktoren (z.B. hohe Anerkennung, gute Fitness), die den<br />
Alternsprozess offensichtlich positiv beeinflussen. Auch das günstige ERI-Ratio scheint<br />
bei FÜ eine individuelle Ressource der Anforderungsbewältigung darzustellen, die sich<br />
auch mit zunehmendem Alter als protektiver Faktor kardiovaskulärer Risikofaktoren<br />
auswirkt. Zur Analyse eines umfassenden Gesundheitszustandes sind subjektive<br />
(Selbsteinschätzungen) und objektive Daten (u. a. Faktoren des Herz-Kreislaufsystems)<br />
heranzuziehen.<br />
Einzelmaßnahmen des Gesundheitsschutzes sind nicht ausreichend, um die Gesundheit<br />
der Beschäftigten langfristig zu erhalten. Regelmäßige arbeitsmedizinischpsychologische<br />
Vorsorgeuntersuchungen sind zur individuellen Früherkennung von<br />
Erkrankungen und Gefährdungen und zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit notwendig. Das<br />
Vorsorgeprogramm muss bei Führungs- und Lehrkräften neben den psychischen und<br />
psychosomatischen Gesundheits-gefahren auch die „Zivilisationskrankheiten“ sowie<br />
„Fehlbelastungsfaktoren“ berücksichtigen. Arbeitsschutz ist jedoch nur gut zu entwickeln,<br />
wenn die Qualität der Führung und der sozialen Beziehungen mit gestaltet werden.<br />
5 Literatur<br />
Bortz, J.; Lienert, G. A. (2008). Kurzgefasste Statistik für die Klinische Forschung - Leitfaden für<br />
die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben. (3. Aufl.). Heidelberg: Springer.<br />
Höck, K.; Hess, H. (1975). Der Beschwerdenfragebogen (BFB). Berlin: Deutscher Verlag der<br />
Wissenschaften.<br />
Keuchen, G. (2007). "Sandwicher" - Das mittlere Management unter Druck. In: Weber, A.;<br />
Hörmann, G. (Hrsg.): Psychosoziale Gesundheit im Beruf. Mensch, Arbeitswelt, Gesellschaft.<br />
Stuttgart: Gentner, 396-400.<br />
Kivimäki, M.; Leino-Arjas, P.; Luukkonen, R.; Riihimäki, H.; Vahtera, J.; Kirjonen, J. (2002). Work<br />
stress and risk of cardiovascular mortality: prospective cohort study of industrial employees. Brit<br />
Med J 325, 857-860.<br />
Kouvonen, A., Kivimäki, M., Virtanen, M., Heponiemi, T., Elovainio, M., Pentti, J., Linna, A.;<br />
Vahtera, J. (2006). Effort-reward imbalance at work and the co-occurrence of lifestyle risk factors.<br />
Cross-sectional survey in a sample of 36.127 public sector employees. BMC Public Health 6, 24-<br />
34.<br />
Peter, R., Alfredsson, L., Hammar, N., Siegrist, J., Theorell, T.; Westerholm, P. (1998). High effort,<br />
low reward, and cardiovascular risk factors in employed Swedish men and women: baseline<br />
results from the WOLF Study. J Epidemol Comm Health 52, 540-547.<br />
Peter, R.; Siegrist, J. (1997). Chronic work stress, sickness absence, and hypertension in<br />
middlemanagers - general or specific sociological explanations? Soc Sci Med 45, 1111-1120.<br />
Peter, R.; Siegrist, J.; Stork, J.; Mann. H.; Labrot, B. (1991). Zigarettenrauchen und psychosoziale<br />
Arbeitsbelastungen bei Beschäftigten des mittleren Managements. Soz Präventivmed 36, 315–<br />
321.<br />
Richter, P., Rudolf, M.; Schmidt, C. F. (1996). Fragebogen zur Analyse von belastungsrelevanter<br />
Anforderungsbewältigung (FABA). Handanweisung. Frankfurt/Main: Swets Test Services.<br />
Rödel, A.; Siegrist, J.; Hessel, A.; Brähler, E. (2004). Fragebogen zur Messung beruflicher<br />
Gratifíkationskrisen. Psychometrische Testung an einer repräsentativen deutschen Stichprobe. Z<br />
Diff Diag Psychol 25 (4), 227-238.<br />
Siegrist, J. (1996). Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup Health<br />
Psychol 1 (1), 27-41.<br />
van Vegchel, N., de Jonge, J., Bosma, H. & Schaufeli, W. (2005). Reviewing the effort-reward<br />
imbalance model: Drawing up the balance of 45 empirical studies. Soc Scien Med 60, 1117-1131.<br />
363
V78<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der sicheren<br />
Nadeltechnik in Justizvollzugsanstalten<br />
Ulrich Bolm-Audorff, B. Catrein, M. Hofmann, G. Petereit-Haack, W. Riedel<br />
Landesgewerbearzt, Wiesbaden<br />
Zusammenfassung:<br />
In einer Untersuchung in 21 hessischen Justizvollzugsanstalten fanden sich gravierende<br />
Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes. Betriebe ohne Mängel wurden<br />
nicht vorgefunden. Der Medianwert der Mängel lag bei 6 pro Betrieb. Die häufigsten<br />
Mängel betrafen die nicht rechtzeitige Einführung der sicheren Nadeltechnik (100% der<br />
Betriebe), zu niedrige Einsatzzeit des Betriebsarztes (94%), fehlende<br />
Gefährdungsbeurteilung (65%) und unzureichende Beratung des Unternehmers (53%).<br />
Während und nach der Überwachungsaktion stieg die betriebsärztliche Einsatzzeit im<br />
Durchschnitt der untersuchten Justizvollzugsanstalten deutlich von 40 auf 82% des<br />
Sollwertes an, unterschritt diesen aber weiterhin deutlich.<br />
Einleitung:<br />
Das Personal in Justizvollzugsanstalten (JVA) ist wegen der hohen Prävalenz von<br />
Infektionserkrankungen bei Gefangenen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Seit<br />
dem Jahr 2006 ist in der Technischen Regel für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250<br />
vorgeschrieben, dass in Gefängniskrankenhäusern sichere Nadeltechnik eingesetzt wird.<br />
(Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe 2006). Wir haben eine Schwerpunktaktion zur<br />
Überwachung der TRBA 250 sowie des Arbeitssicherheitsgesetzes und anderer<br />
Arbeitsschutzvorschriften in hessischen Justizvollzugsanstalten durchgeführt.<br />
Methodik:<br />
In 17 von 21 JVA in Hessen wurden im Jahr 2007 durch ärztliche Mitarbeiter des<br />
Landesgewerbearztes Betriebsbegehungen durchgeführt. Die Beschäftigtenzahl lag bei<br />
40 - 300 (Mittelwert ± Standardabweichung: 141 ± 77). Anhand einer Checkliste und bei<br />
einer Betriebsbegehung wurde die Qualität des medizinischen Arbeitsschutzes zu<br />
folgenden Themen geprüft:<br />
1. Qualität der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 6<br />
Biostoffverordnung.<br />
2. Qualität der Beratung des Unternehmers durch den Betriebsarzt im Rahmen des §<br />
3 Arbeitssicherheitsgesetz.<br />
3. Einhaltung der Mindesteinsatzzeit des Betriebsarztes nach der GUV-VA 6/7.<br />
4. Sitzungsfrequenz des Arbeitsschutzausschusses nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz.<br />
364
V78<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
5. Durchführung der arbeitsmedizinischen Pflichtuntersuchungen nach<br />
Biostoffverordnung und das Angebot der Untersuchungen nach<br />
Bildschirmarbeitsverordnung.<br />
6. Qualität der ersten Hilfe (Anzahl und letzte Schulung der Ersthelfer, Qualität des<br />
Verbandskastens, Qualität des Verbandsbuches, Handlungsregime im Falle einer<br />
Nadelstichverletzung).<br />
7. Qualität des Hautschutzplans.<br />
8. Verwendung sicherer Nadelsysteme nach TRBA 250.<br />
9. Unterweisung der Mitarbeiter in der sicheren Nadeltechnik nach TRBA 250.<br />
10. Einbeziehung der Mitarbeiter, des Betriebsarztes und der Sicherheitsfachkraft in die<br />
Auswahl der sicheren Nadelsysteme nach TRBA 250.<br />
In den übrigen 4 JVA, bei denen es sich um kleinere Außenstellen handelte, wurde nur<br />
die Einsatzzeit des Betriebsarztes kontrolliert. Nach der GUV-V A 6/7 beläuft sich in<br />
Abhängigkeit von der jeweiligen Gefährdung die jährliche Einsatzzeit des Betriebsarztes<br />
auf 0,25 oder 0,6 Stunden pro Jahr und Beschäftigten. Die zuständige Unfallkasse<br />
Hessen geht von einer erforderlichen Einsatzzeit von 0,6 Stunden pro Jahr und<br />
Beschäftigten aus.<br />
Die Häufigkeit der festgestellten Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes<br />
wurde in Abhängigkeit von der Betriebsgröße und der betriebsärztlichen Einsatzzeit in<br />
Prozent des Sollwertes nach GUV V A 6/7 untersucht. Dabei wurde die Gesamtgruppe<br />
der 17 Betriebe jeweils beim Medianwert der Betriebsgröße (120 Beschäftigte) bzw. der<br />
betriebsärztlichen Gesamteinsatzzeit in Prozent des Sollwertes (35%) getrennt. Der<br />
Mittelwert der festgestellten Arbeitsschutzmängel wurde in Betrieben mit größerer und<br />
kleinerer Beschäftigtenzahl mit Hilfe des T-Tests verglichen. Ebenso wurde beim<br />
Vergleich zwischen Betrieben mit einer höheren und niedrigeren betriebsärztlichen<br />
Einsatzzeit in Prozent des Sollwertes vorgegangen. Alle Auswertungen wurden mit dem<br />
Statistikprogramm SPSS Version 17.0 durchgeführt.<br />
Ergebnisse:<br />
Abbildung 1 zeigt den Ist/Soll-Vergleich der betriebsärztlichen Einsatzzeit. Die von dem<br />
überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst, der die 21 JVA'en betreut, geleistete<br />
innerbetriebliche Einsatzzeit im Jahr 2006 lag bei 374 Stunden. Zusätzlich wurde dem<br />
Betriebsarzt vom Auftraggeber eine Pauschale für außerbetriebliche Einsatzzeit in Höhe<br />
von 40% der Gesamteinsatzzeit für die Anreise, Dokumentation, Auswertung etc.<br />
zugebilligt, entsprechend 249 Stunden/Jahr. Die sich daraus ergebende<br />
Gesamteinsatzzeit von 623 Stunden/Jahr unterschritt die Solleinsatzzeit von 1.537<br />
365
V78<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Stunden / Jahr deutlich und lag bei nur 40% des Sollwertes. Die Gesamteinsatzzeit des<br />
überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienstes schwankte in den einzelnen JVA'en<br />
stark und lag zwischen 0 und 134% des Sollwertes im Jahr 2006. In 5 JVA'en (24%) fand<br />
gar keine betriebsärztliche Betreuung statt und in 2 JVA'en (10%) überschritt die<br />
betriebsärztliche Gesamteinsatzzeit den Sollwert. In den Jahren 2007 und 2008 stieg die<br />
von dem überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst geleistete Gesamteinsatzzeit auf<br />
903 bzw. 1.250 Stunden, entsprechend 59 bzw. 81% des Sollwertes, unterschritt die<br />
Soll-Einsatzzeit jedoch weiterhin deutlich.<br />
Abbildung 2 zeigt die Häufigkeit der beobachteten Mängel im Bereich des medizinischen<br />
Arbeitsschutzes in den 17 begangenen hessischen Justizvollzugsanstalten. Die Anzahl<br />
der beobachteten Mängel schwankte zwischen 2 und 8 mit einem Medianwert von 6<br />
beobachteten Mängeln pro Betrieb. Betriebe ohne Mängel oder mit nur einem Mangel<br />
fanden sich nicht.<br />
Die Prüfung der TRBA 250 ergab, dass sichere Nadeltechnik durch die medizinischen<br />
Einrichtungen der JVA'en vor dem Beginn der Schwerpunktaktion nicht eingeführt wurde,<br />
sondern erst im Verlaufe der Schwerpunktaktion angeschafft wurde. Auch bei den<br />
Betriebsbegehungen fand sich in 2 JVA (12%) keine sichere Nadeltechnik. In 29% der<br />
Betriebe wurde der Betriebsarzt oder die Sicherheitsfachkraft bei der Auswahl der<br />
sicheren Nadeltechnik nicht beteiligt. In 24% der Betriebe erfolgte dabei keine<br />
Beteiligung der Mitarbeiter. In 19% der Betriebe erfolgte keine Unterweisung der<br />
Mitarbeiter in der sicheren Nadeltechnik.<br />
Ferner zeigten sich folgende häufige Mängel: fehlende Gefährdungsbeurteilung in 65%<br />
der JVA, unzureichende Beratung des Unternehmers im Rahmen des § 3<br />
Arbeitssicherheitsgesetz (53%), fehlende arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen<br />
(53%), kein Arbeitsschutzausschuss (53%) und fehlende Angebotsuntersuchungen<br />
(41%).<br />
Eine Abhängigkeit der Mängelhäufigkeit von der Betriebsgröße fand sich nicht. Betriebe<br />
mit einer längeren betriebsärztlichen Einsatzzeit von über 35% des Sollwertes wiesen<br />
eine etwas niedrigere Mängelhäufigkeit auf als Betriebe mit niedrigerer Einsatzzeit (4,9<br />
versus 6,1 Mängel, nicht signifikant), im wesentlichen bedingt durch signifikant seltenere<br />
Mängel bezüglich der sicheren Nadeltechnik in Betrieben mit höherer versus niedrigerer<br />
betriebsärztlicher Einsatzzeit (14 versus 86 %, p
V78<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Betriebs- und Werksärzte getragen wird, ist der Auffassung, dass mindestens 70% der<br />
vertraglich vereinbarten Einsatzzeit durch die bestehende Dokumentation transparent<br />
belegt werden muss. Unzulässig ist es nach GUV V A 6/7, Wegezeiten des<br />
Betriebsarztes auf die Einsatzzeit anzurechnen.<br />
Die Schwerpunktaktion zeigt, dass die Umsetzung der Arbeitsschutzgesetze in JVA'en<br />
große Mängel aufweist und dass es dringend erforderlich ist, dass JVA'en Fragen des<br />
medizinischen Arbeitsschutzes ernster als bislang nehmen. Die untersuchten JVA'en<br />
sowie der diese beratende arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Dienst sind<br />
von sich aus nicht in der Lage, Neuerungen im medizinischen Arbeitsschutz, z. B. die<br />
sichere Nadeltechnik, einzuführen. Der Arbeitsschutz in den untersuchten JVAen bedarf<br />
einer stärkeren Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden (Unfallkasse und staatliche<br />
Arbeitsschutzverwaltung).<br />
Literatur:<br />
Arbeitsschutzgesetz vom 7.8.1996, http://bundesrecht.juris.de<br />
/bundesrecht/arbschg/gesamt.pdf<br />
Arbeitssicherheitsgesetz vom 12.12.1973 in der Fassung vom 31.10.2006,<br />
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/asig/gesamt.pdf<br />
Bildschirmarbeitsverordnung vom 4.12.1996, http://bundesrecht.juris.de/<br />
bundesrecht/bildscharbv/gesamt.pdf<br />
Biostoffverordnung vom 27.1.1999,<br />
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/biostoffv/gesamt.pdf<br />
Gesellschaft zur Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung (GQB):<br />
Güteprüfung zur Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung, Karlsruhe, 2007<br />
Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe: Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe<br />
(TRBA 250): Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der<br />
Wohlfahrtspflege, Bundesarbeitsblatt 7/2006, Seite 193ff,<br />
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA-<br />
250.html?__nnn=true&__nnn=true<br />
Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte<br />
für Arbeitssicherheit (GUV V A 6/7) in der Fassung vom Juni 2003,<br />
http://regelwerk.unfallkassen.de/regelwerk/index.jsp<br />
367
V78<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Stunden<br />
pro Jahr<br />
1800<br />
1600<br />
1537<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
623<br />
600<br />
400<br />
374<br />
249<br />
200<br />
0<br />
Innerbetriebliche Zeit (Ist)<br />
Gesamteinsatzzeit (Ist)<br />
Pauschale (Ist)<br />
Gesamteinsatzzeit (Soll)<br />
Abbildung 1: Summe der betriebsärztlichen Einsatzzeit in 21 hessischen Justizvollzugsanstalten<br />
in Stunden pro Jahr (Ist/Soll-Vergleich) im Jahr 2006<br />
Keine sichere Nadeltechnik<br />
100<br />
Einsatzzeit des Betriebsarztes zu niedrig<br />
94<br />
Keine Gefährdungsanalyse<br />
65<br />
Unzureichende Beratung des Unternehmers<br />
Fehlende Pflichtuntersuchungen (G 42)<br />
Kein Arbeitsschutzausschuss<br />
53<br />
53<br />
53<br />
Fehlende Angebotsuntersuchung (G 37)<br />
Arbeitsschutzausschuss tagt zu selten<br />
41<br />
41<br />
Mängel in der 1.Hilfe<br />
35<br />
Keine Auswahl d.sicheren Nadeltechnik d.Arzt<br />
29<br />
Keine Auswahl d.sicheren Nadelt.d.Mitarbeiter<br />
24<br />
Keine Unterweisung d.Mitarb.i.d.sich.Nadeltechnik<br />
19<br />
Fehlender Hautschutzplan<br />
Unzureichende Gefährdungsbeurteilung<br />
12<br />
12<br />
0 20 40 60 80 100 % 120<br />
Abbildung 2: Beobachtete Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes in 17<br />
Hessischen Justizvollzugsanstalten..<br />
368
V79<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Risikofaktoren für eine latente Tuberkulose-Infektion<br />
Albert Nienhaus 1 , S. Gerdes 1 , Roland Diel 2<br />
1 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />
2 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Zusatzstudiengang Public Health<br />
Einleitung<br />
In Deutschland ist die Tuberkulose seit vielen Jahren rückläufig. Im Vergleich zum Jahr<br />
1950 ist die Anzahl der aktiven Tuberkulosen von etwa 130.000 auf nunmehr ca. 5.000<br />
Fälle pro Jahr zurück gegangen. Umso wichtiger ist es, dass im Gesundheitswesen eine<br />
rationale Tuberkulosevorsorge erfolgt, die den starken Rückgang der Tuberkulose in der<br />
Bevölkerung berücksichtigt. In Ländern mit niedriger Tuberkulose-Inzidenz ist Ziel der<br />
Vorsorge nicht mehr in erster Linie, eine aktive Tuberkuloseerkrankung frühzeitig zu<br />
erkennen, sondern Ziel der Vorsorge ist es, Tuberkuloseinfektionen zu erkennen und<br />
dann durch Chemoprävention die Entwicklung einer aktiven Tuberkulose zu verhindern.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, hat das deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der<br />
Tuberkulose im Jahr 2007 neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchung auf<br />
Tuberkulose publiziert (1). In diesen neuen Empfehlungen wird die Tuberkulosevorsorge<br />
der sich stetig verringernden Inzidenz der Tuberkulose in der Bevölkerung angepasst.<br />
Diese Anpassung besteht in erste Linie darin, dass nur noch „enge“ Kontaktpersonen zu<br />
einem Patienten mit aktiver Tuberkulose oder infektiösem Material untersucht und nach<br />
verfolgt werden sollen.<br />
Enge Kontaktpersonen sind auf vier Arten definiert:<br />
1. Intim- oder Haushaltskontakte unabhängig von der Dauer des Kontaktes.<br />
2. intensive Kontakte z.B. im Rahmen der Pflege oder der medizinischen Versorgung<br />
unabhängig von der Dauer des Kontaktes,<br />
3. eine kumulative Kontaktzeit (Aufenthalt in den gleichen Räumen) von über 8 Stunden<br />
bei mikroskopisch sputum-positiven Indexpersonen.<br />
4.eine kumulative Kontaktzeit von über 40 Std. zu kulturell oder molekular biologisch<br />
gesicherter Lungentuberkulose, die jedoch mikroskopisch negativ war.<br />
Mit unserer Studie soll geprüft werden, ob es mit diesen Auswahlkriterien gelingt,<br />
Kontaktpersonen zu identifizieren, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine frische<br />
Tuberkuloseinfektion haben.<br />
Methode<br />
Bei 812 Kontaktpersonen mit einem THT >= 5mm wurde ein Interferon-γ-Release-Assay<br />
(IGRA) (QuantiFERON Gold in Tube) durchgeführt. Die Studienpopulation entstammt<br />
369
V79<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
einer Studie zum Vergleich der beiden auf dem Markt verfügbaren IGRAs (2). Diese<br />
IGRAs messen die Interferon-Gamma-Freisetzung von sensibilisierten Lymphozyten,<br />
wenn diese mit Antigenen des Mykobakterium tuberkulosis in Kontakt kommen. Angaben<br />
zur Indexperson und der Art und Dauer des Kontaktes sowie zu Alter, Geschlecht und<br />
BCG-Impfung der Kontaktpersonen wurden standardisiert erfasst. Adjustierte Odds<br />
Ratios für die verschiedenen potentiellen Risikofaktoren wurden mittels logistischer<br />
Regression berechnet. Der attributable Anteil frischer Infektionen wurde nach der Formel<br />
Odds Ratio – 1/Odds Ratio bestimmt.<br />
Tabelle1: Beschreibung der Studienpopulation<br />
Alter N %<br />
0-9 Jahre 14 1.7<br />
10-19 Jahre 93 11.5<br />
20-29 Jahre 213 26.2<br />
30-39 Jahre 237 29.2<br />
40-49 Jahre 212 26.1<br />
>=50 Jahre 43 5.3<br />
Frauen 379 46.7<br />
BCG-Impfung 453 55.8<br />
THT<br />
6-10 mm 564 69.5<br />
11-15 mm 171 21.1<br />
>15 mm 77 9.5<br />
QFT positiv 245 30,2<br />
Sputum Index mikroskopisch<br />
positiv<br />
422 52.0<br />
Haushalt oder intim Kontakt 321 39.5<br />
Enger Kontakt zu hustendem<br />
Patienten<br />
215 26.5<br />
Kontaktzeit<br />
8-40 Std 224 27.6<br />
>40 Std 438 53.9<br />
Total 812 100.0<br />
370
V79<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Ergebnisse<br />
30,2% der Kontaktpersonen waren positiv im IGRA (Tab 1). Alter, Geschlecht hatte<br />
keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines positiven IGRA. Eine BCG-Impfung<br />
reduziert die Wahrscheinlichkeit, das ein positiver THT (>=5mm) im IGRA bestätigt wird<br />
(Zahlen nicht gezeigt). Kontakt zu einer Sputum positiven Indexperson (OR 2,1; 95%CI<br />
1.5-2.9), enger Kontakt zu hustendem Patienten (OR 4.0; 95%CI 4.0 (2.7-5.8) sowie eine<br />
kumulative Kontaktzeit >40 Stunden (OR 4,0; 95%CI 2.3-6.8) erhöhten die<br />
Wahrscheinlichkeit eines positiven IGRA (Tab 2). Der attributable Anteil frischer<br />
Sensibilisierungen betrug 55% bei Kontakt zu einer mikroskopisch positiven Indexperson<br />
und jeweils 75% bei engem Kontakt zu einem hustenden Patienten.<br />
Tabelle 2: Adjustierte Odds Ratios und Anteil frischer Infektionen in abhängigkeit von der Art und<br />
Dauer des Kontaktes zu einer Infektionsquelle<br />
QFT positive<br />
Indexfall Sputum N (%) Odds Ratio*<br />
Negativ 88 (22.6) 1<br />
Attributabler<br />
Anteil frischer<br />
Infektionen in %<br />
Positiv 154 (36.5) 2.1 (1.5-2.9) 55<br />
Haushalt oder<br />
intimater Kontakt<br />
Nein 115 (23.4) 1<br />
Ja 127 (39.6) 1.5 (1.05-2.2) 33<br />
Enger Kontakt zu<br />
hustendem Index<br />
Nein 136 (22,8) 1<br />
Ja 106 (49,3) 4.0 (2.7-5.8) 75<br />
Kontakt Zeit<br />
< 8 Std 28 (18.7) 1<br />
>=8-40 Std 33 (14.7) 0.9 (0.5-1.7) -<br />
>40 Std 181 (41.3) 4.0 (2.3-6.8) 75<br />
* Odds Ratio adjustiert für Alter, BCG-Impfung sowie jeweils für die anderen Kontaktmerkmale<br />
371
V79<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Diskussion<br />
Da vielfach keine Ausgangswerte zur Verfügung stehen, besteht beim Screening von<br />
Kontaktpersonen Unsicherheit, ob ein positiver IGRA eine frische oder eine ältere<br />
Sensibilisierung und somit eine wahrscheinlich neue oder alte Infektion anzeigt. Deshalb<br />
sollen nur Personen gescreent werden, die ein hohes Risiko haben, sich frisch infiziert zu<br />
haben. Diese Arbeit ist unseres Wissens der erste Versuch, den Anteil frischer<br />
Infektionen bei Kontaktpersonen mit positivem IGRA zu bestimmen. In unserem<br />
Rechenansatz wird die Rate frischer Infektionen bei Kontaktpersonen, die keinen<br />
„engen“ Kontakt hatten mit Null angenommen, was sicher eine Unterschätzung ist. Da<br />
aber andererseits die Odds Ratio einen Effekt überschätzt, wenn ein Outcome häufig ist,<br />
gehen wir davon aus, dass die attributablen Anteile für eine frische Infektion bei engen<br />
Kontaktpersonen mit diesem Anteil realistisch geschätzt werden. Bei Anwendung der<br />
Kriterien für enge Kontaktpersonen sind nach unseren Auswertungen 55-75% der engen<br />
Kontaktpersonen mit Mycobakterium tuberculosis infiziert. Da das Progessionsrisiko bei<br />
frischen Kontakten höher ist als alten Infektionen, profitieren Personen mit positivem<br />
IGRA nach engem Kontakt zu einer Infektionsquelle wahrscheinlich besonders von einer<br />
präventiven Chemotherapie (3). Darüber hinaus senkt die Anwendung der<br />
Auswahlkriterien den Aufwand für Umgebungsuntersuchungen bei Beschäftigten im<br />
Gesundheitswesen. Die Anwendung des IGRA reduziert ferner die Anzahl der<br />
Röntgenbilder, die nach einem positiven THT notwendig wären. In unserer Population<br />
hätte jeder zum Ausschluss einer aktiven Lungentuberkulose geröngt werden müssen,<br />
da alle Teilnehmer einen positiven TST (=>5mm) hatten. Zwei von drei Röntgenbildern<br />
sind aber nicht indiziert, da der positive THT wahrscheinlich durch eine unspezifische<br />
Reaktion ausgelöst wurde (3).<br />
Literatur:<br />
1) Diel R, Forßbohm M, Loytved G, Haas W, Hauer B, Maffei D, Magdorf K,<br />
Nienhaus A, Rieder HL, Schaberg T, Zellweger J-P, Loddenkemper R.<br />
Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose - Deutsches<br />
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Pneumologie. 2007b; 61:440-<br />
455<br />
2) Diel R, Loddenkemper R, Meywald-Walter K, Gottschalk R, Nienhaus A.<br />
Comparative Performance of Tuberculin Skin Test, QuantiFERON-TB-Gold In<br />
Tube Assay, and T-Spot.TB Test in Contact Investigations for Tuberculosis.<br />
Chest. 2008a; doi:10.1378/chest.08-2048:First published online on November 18,<br />
2008<br />
3) Nienhaus A, Brandenburg S, Teschler H. Tuberkulose als Berufskrankheit, 2.<br />
Auflage <strong>2009</strong> ecomed, Landsberg<br />
372
V80<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Überprüfung des ASIG und der Verwendung sicherer<br />
Nadelsysteme in hessischen Psychiatrien<br />
Gabriela Petereit-Haack, B. Catrein, M. Hoffmann, W. Riedel, Ulrich Bolm-Audorff<br />
Landesgewerbearzt Wiesbaden<br />
1 Einleitung<br />
Seit 1973 stellt das Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG) die gesetzliche Grundlage der<br />
betriebsmedizinischen Betreuung dar. Demnach ist in allen Betrieben eine medizinische<br />
Betreuung vorzuhalten, auf der Basis einer fundierten Gefährdungsbeurteilung, um eine<br />
Verbesserung der Arbeitssicherheit in den Betrieben zu erreichen. Anlass im Jahr<br />
2007/2008 psychiatrische Klinken nach dem ASÌG durch den Landesgewerbearzt zu<br />
kontrollieren war eine Änderung der „Technischen Regel für biologische Arbeitsstoffe“<br />
(TRBA 250). Der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe hatte in Kooperation mit dem<br />
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) diese TRBA 250<br />
erstellt. Sie konkretisiert die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes nach der<br />
Biostoffverordnung in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtpflege.<br />
Ausgehend von einer Entwicklung und Nutzung sicherer Instrumente in den USA (2000<br />
wurde der National Needlestick Safety and Prevention Act verabschiedet) wurde 2004 in<br />
der TRBA 250, basierend auf der Gefährdungsbeurteilung, festgelegt, dass im Umgang<br />
mit infektiösen Patienten „sichere Instrumente“ in Deutschland verwendet werden sollten.<br />
2006 wurde diese Regel verschärft. Sichere Instrumente mussten nun eingesetzt<br />
werden, u.a. bei fremdgefährdenden Patienten. Die Übergangsfrist zum Verbrauchen<br />
alter Restbestände lief im August 2007 aus. Die Konkretisierung der TRBA 250 (Februar<br />
2008) forderte schließlich die Anwendung „sicherer Systeme“ bei allen Patienten, bei<br />
denen eine Gefährdung nicht auszuschließen ist. Der enge Bezug zur<br />
Gefährdungsbeurteilung des jeweiligen Betriebes wurde in dieser Ergänzung nochmals<br />
unterstrichen. Die in der TRBA 250 als Risikogruppe ausgewiesenen fremdgefährdenden<br />
Patienten sind regelhaft in psychiatrischen Einrichtungen aufzufinden sind. Eine<br />
Infektionsgefahr des Pflege- sowie ärztlichen Personals ist teilweise beträchtlich, da viele<br />
psychiatrische Patienten zu den HBV-, HCV- und HIV-Risikogruppen zählen. Oberstes<br />
Ziel der Prävention einer berufsbedingten Infektion ist es eine Nadelstichverletzung<br />
(NSV) zu vermeiden. Nach dem Arbeitsschutzgesetz (§3 [1]), §4 [2]) sowie der<br />
Biostoffverordnung (§10 [1], [6]) ist der Arbeitgeber gefordert für jede Tätigkeit eine<br />
Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Auch in Hinblick auf die Berufskrankheiten zeigt<br />
sich die Bedeutung des Themas ASIG/Nadelstichverletzung. Nach Lärm sowie den drei<br />
asbestbedingten Berufskrankheiten nahmen die Infektionskrankheiten (BK 3101) 2007<br />
mit 748 Fällen den fünften Rang bei den anerkannten Berufskrankheiten ein. Nicht alle<br />
Berufskrankheiten der Nr. 3101 sind Infektionen durch Nadelstichverletzungen, allerdings<br />
373
V80<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
machen blutübertragene Viruserkrankungen – Hepatitis B (HBV), Hepatitis C (HCV)<br />
sowie HIV-Infektionen- einen wesentlichen Teil der BK 3101 aus (Nienhaus 2006).<br />
2 Methodik<br />
Durch den Landesgewerbearzt Hessen wurden 40 hessische Psychiatrien (2007-<strong>2009</strong>)<br />
begangen. Es waren alle hessischen psychiatrischen Kliniken der Landeswohlfahrt, alle<br />
universitären psychiatrischen Kliniken und vereinzelt Psychiatrien städtischer<br />
Krankenhäusern. Durch diese Begehung wurden ca. 85 % aller hessischen Psychiatrien<br />
erfasst. Die Begehung wurde standardisiert durch ärztliche MitarbeiterInnen des<br />
Landesgewerbearztes Hessen durchgeführt. Von Seiten der Psychiatrien waren zu<br />
diesen Terminen ein Vertreter der Geschäftsleitung, der Betriebsrat, der jeweils<br />
zuständige Betriebsarzt sowie die Sicherheitsfachkraft und, zusätzlich, Vertreter aus der<br />
Pflege, dem Hygienebereich und dem Sicherheitsbeauftragter anwesend. In den Kliniken<br />
wurden sowohl eine Besprechung, in der im Detail die Arbeitsschutzorganisation der<br />
Klinik erörtert wurde, als auch eine Begehung durchgeführt und anhand einer<br />
standardisierten Checkliste zum Arbeitsschutzgesetz bzw. der TRBA 250 erhoben. In<br />
einem rein deskriptiven Verfahren wurden die erfassten Daten in ihrer Häufigkeit<br />
dargestellt. Alle statistischen Analysen wurden mit dem Programm SPSS 15.0<br />
durchgeführt.<br />
3 Ergebnisse<br />
Die hessischen Psychiatrien werden zu 60% durch eigene Betriebsärzte und zu 40%<br />
durch überbetriebliche Dienste betreut (55% Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin; 37,5%<br />
Facharzt Arbeitsmedizin; 7,5% ohne Qualifikation). Die Beschäftigtenzahl lag zwischen 4<br />
und 4224 Personen (Mittelwert: 869, Median: 312). Die Zahl bezog sich nicht auf die<br />
Beschäftigten rein in der Psychiatrie, sondern auf alle, die in der betriebsärztlichen<br />
Betreuung standen. Die erhobenen Mängel sind summarisch in Abbildung 1 aufgeführt.<br />
Im Mittel wurden die Psychiatrien zu 67% (Median 63%) nach den gemäß §2 GUV-V<br />
A6/7 vorgesehenen Einsatzzeiten betriebsmedizinisch betreut. Die geringste Betreuung<br />
(26%) lag in einer Psychiatrie mit 580 Bediensteten vor. Der Betriebsarzt (BA) war 2006<br />
in 10% der Kliniken bei anfallenden Beratungen nicht involviert (Planung von<br />
Betriebsanlagen, Erstellung von Notfallplänen, Gefahrenberatung, Wiedereingliederung,<br />
Gesundheitsmanagement). Die Gefährdungsbeurteilungen wiesen ein sehr<br />
unterschiedliches Niveau auf. Von 13 Psychiatrien lagen keine<br />
Gefährdungsbeurteilungen zur Infektionsgefahr vor. Nur 19 Kliniken konnten eine<br />
Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Haut vorweisen und 17 Kliniken für<br />
Bildschirmarbeitsplätzen. Nur 5 Kliniken konnten eine Beurteilung zur psychosozialen<br />
374
V80<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Belastung vorlegen, obwohl der Relevanz dieses Themas in allen Kliniken eine sehr<br />
hohe Bedeutung zugesprochen wurde. In 45% der Kliniken waren die<br />
Pflichtuntersuchungen (G42) unzureichend. In 7,5% der Kliniken konnte kein<br />
Hautschutzplan vorgewiesen werden. Weitere gut 10% der Kliniken, die einen<br />
Hautschutzplan vorhielten, hatten diesen nicht sachgerecht umgesetzt. So dass 17,5%<br />
aller Psychiatrien keinen oder nur einen unsachgemäßen Hautschutzplan vorhielten. Es<br />
erfüllten nur 22,5 % (9 der 40 Kliniken) der Kliniken die gesetzlich vorgeschriebene<br />
Anzahl von mindestens vier Arbeitsschutzausschusssitzungen/Jahr. In 18,4% der<br />
Kliniken waren keine Verbandsbücher vorhanden. NSV wurden in diesen Kliniken direkt<br />
beim D-Arzt oder gar nicht erfasst. Die Problematik der Erfassung, Weiterleitung,<br />
zentralen Auswertung, und damit verbundener Umsetzung von Maßnahmen, in erster<br />
Linie zur Einleitung von Sofortmaßnahmen bei NSV, hing nicht von der Art der Erfassung<br />
(digital, manuell), sondern von der Organisation des Meldeablaufes ab. 65% der<br />
befragten Betriebe verneinten eine Dunkelziffer bei der Erfassung der NSV. In 7,5% der<br />
Kliniken wurden NSV überhaupt nicht erfasst. Die Anzahl der erfassten NSV lag<br />
zwischen 0 und 300 Meldungen/Jahr (Median: 2, Mittelwert: 34). In 85% der Psychiatrien<br />
lag die NSV-Rate bei unter 5% der Beschäftigten/Jahr. 5% der Psychiatrien hatten keine<br />
Sofortmaßnahen nach NSV festgelegt. Weitere 5% wiesen in ihrem Handlungsregime<br />
keine optimalen Sofortmaßnahmen vor. Knapp ein Drittel der Psychiatrien haben zum<br />
Zeitpunkt der Erhebung noch ausschließlich herkömmliche Systeme benutzt. In den<br />
meisten Kliniken wurden als sichere Systeme Butterflies verwendet. 32,5% der<br />
Psychiatrien haben ihre Mitarbeiter nicht in die Beschaffung der sicheren Nadelsysteme<br />
miteinbezogen. In 20% der Fälle wurden auch der Betriebsarzt oder die<br />
Sicherheitsfachkraft nicht in die Beschaffung miteinbezogen. Die Handhabung und<br />
Sicherheitsvorkehrungen der sicheren Instrumente wurden häufig kritisch diskutiert; in<br />
vielen Kliniken wurde die gesetzliche Forderung nach permanenter Überprüfung des<br />
Marktes, um adäquatere Systeme zu finden, als absolut notwendig eingestuft, da man<br />
mit den vorhandenen Systemen nicht zufrieden war. In 35% der Psychiatrien wurden die<br />
Mitarbeiter in der Handhabung der sicheren Systeme nicht geschult.<br />
4 Diskussion<br />
Die Erhebung des Landesgewerbearztes hat gezeigt, dass sowohl bei der ASIG-<br />
Kontrolle als auch bei der Überprüfung der TRBA 250 erhebliche Mängel in der<br />
betrieblichen Umsetzung aufzufinden sind. Eine betriebsärztliche Versorgung, die im<br />
Mittel bei 67% der zu erbringenden Zeit liegt, kann nicht adäquat die gesetzlichen<br />
Bestimmungen umsetzen. Bereiche wie z.B. das Gesundheitsmanagement sind nicht<br />
ausreichend in betriebsärztlicher Hand; Hautschutzpläne, Verbandsbücher und<br />
375
V80<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Handlungsregime (NSV) sind nicht oder nur unzureichend umgesetzt.<br />
Gefährdungsbeurteilungen fehlen im großen Umfang. Bestimmungen der neuen TRBA<br />
sind in sehr vielen psychiatrischen Kliniken erst durch die Ankündigung und<br />
Durchführung dieser hessenweiten Aktion umgesetzt worden. Die Gefährdung, sich<br />
durch die Tätigkeit zu verletzen (NSV), ist in vielen Kliniken noch nicht ausreichend<br />
reflektiert. Wie Hofmann et al. (2002) ausführen, so passieren in Deutschland jährlich<br />
etwa 500.000 NSV, sehr häufig durch „Recapping“ oder in der Bereichen der Entsorgung<br />
sowie der Wäscherei. In das Blickfeld der Verantwortlichen muss gerückt werden, dass<br />
alle, die mit Nadeln in Kontakt kommen, nicht nur Pflege und ärztlicher Bereich,<br />
gefährdet sind. Nach Expertenmeinung finden in Kliniken 0,3-1 Verletzung pro<br />
MitarbeiterIn pro Jahr statt (Wicker et al. 2007). Diese Zahl finden wir bei den<br />
begangenen Psychiatrien nicht. Die Gefährdungsbeurteilung sollte auf jeden Fall in das<br />
NSV-Risiko einbezogen werden. So ist das Risiko einer NSV in einer primär<br />
gesprächstherapeutisch ausgerichteten psychiatrischen Abteilung wesentlich geringer<br />
als in einer Drogenaufnahmestation. In den begangenen psychiatrischen Kliniken wurde<br />
überwiegend eine Dunkelziffer verneint. Schlechtes Meldeverhalten ist bei NSV bekannt<br />
(Mülder et al 2005), auch bei Psychiatrien nicht anders anzunehmen. Ein<br />
Meldeverhalten, dass durchschnittlich bei 10-25% der tatsächlich vorkommenden NSV-<br />
Rate liegt (Wicker et al. 2007), sollte durch einfache Dokumentation und gute<br />
organisatorische Bedingungen verbessert werden. In der Psychiatrie finden sich viele<br />
Patienten mit Infektionen (HBV, HCV, HIV). Bei entsprechenden Verletzungen an<br />
infektiösen Personen ist die Gefahr besonders in Bezug auf diese virusübertragenen<br />
Infektionen gegeben: in 300 von 1.000 Fällen treten HBV (30%), in 30 von 1000 Fällen<br />
(3%) HCV und in 3 von 1000 Fällen HIV (0,3%) Infektionen auf (Hofmann et al. 2002). Es<br />
wird diskutiert, dass ca. ein Drittel aller NSV durch den Einsatz sicherer Instrumente<br />
vermieden werden können (Wicker et al. 2007). Die Einführung sichere Systeme hat<br />
aber auch betriebswirtschaftlich Konsequenzen. Zum einen zieht ein NSV-Fall Kosten in<br />
Höhe von 50 – 500€/Fall (Laboruntersuchungen Spender/Empfänger, Verwaltung) mit<br />
sich (Wittmann 2005). Zum anderen sind sichere Systeme in der Anschaffung wesentlich<br />
teurer als herkömmliche. Sichere Systeme müssen in ihrer Anwendung geschult und<br />
geübt werden, um einen effizienten Schutz zu bieten. In vielen Kliniken wurde diskutiert,<br />
dass die sicheren Systemen keine optimalen Handhabungsbedingungen bieten. Je nach<br />
verwendeten System wurden berechtigte Klagen wie z.B. über die Führung der Nadeln,<br />
die Patientenfreundlichkeit aber auch über die Sicherheit der Systeme geäußert. Eine<br />
permanente Prüfung des Marktes muss von allen Arbeitsschutzverantwortlichen geleistet<br />
werden, außerdem ist zu fordern, dass sichere Instrumente optimiert und<br />
kostengünstiger angeboten werden sollten.<br />
376
V80<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
5 Zusammenfassung<br />
Im Rahmen einer hessenweiten Aktion des Landesgewerbearztes wurden ca. 85% aller<br />
Psychiatrien zu ASIG und der TRBA 250 überprüft. Es fanden sich Mängel in den<br />
Einsatzzeiten der Betriebsärzte, der betriebsärztlichen Tätigkeit.<br />
Gefährdungsbeurteilungen, Hautschutzpläne, Führung von Verbandsbüchern sowie<br />
arbeitsmedizinische Untersuchungen wurden zum Teil nur unzureichend oder gar nicht<br />
ausgeführt. Die Aktion des Landesgewerbearztes hat dazu geführt, dass die Neuerungen<br />
der TRBA bekannt wurden und eine gesetzesgemäße Umsetzung erreicht werden<br />
konnte.<br />
6 Literatur<br />
DGUV http://www.dguv.de/inhalt/zahlen/bk/anerkannte_Berufskrankheiten2/index.jsp<br />
(eingesehen am 13.03.<strong>2009</strong>)<br />
Nienhaus A (Hrsg.). Gefährdungsprofile- Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen im<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege. Ecomed Medizin Landsberg/Lech 2006, 14-34<br />
Hofmann F, Kralj N, Beie M. Kanülenstichverletzungen im Gesundheitsdienst.<br />
Häufigkeit, Ursachen und Präventionsstrategien. Gesundheitswesen 2002, 259-266, 64<br />
Mülder K. Nadelstichverletzungen. Der bagatellisierte „Massenunfall“. Dtsch Arztebl<br />
2005, 102, 9<br />
Wicker S, Gottschalk R, Rabenau HF. Gefährdungen durch Nadelstichverletzungen:<br />
Betrachtungen aus arbeitsmedizinsicher und virologischer Sicht. Dtsch Arztebl, 2007,<br />
104, 45, 3102-7<br />
Wittmann A. Kosten und Nutzen der Einführung sicherer Instrumente. In: Hofmann, F.<br />
Reschauer G, Stößel U (Hrsg). Arbeitsmedizin im Gesundheitswesen. Edition ffas,<br />
Freiburg, 2005, 180-184<br />
Sulsky<br />
http://www.dguv.de/bgia/de/pub/rep/pdf/rep05/nadelstich/gesamt.pdf<br />
(eingesehen am 13.03.<strong>2009</strong>)<br />
Unzureichende Beratung des Unternehmers<br />
Keine oder unzureichende Sofortmassnahmen<br />
Kein oder nicht sachgerechter Hautschutzplan<br />
Kein Verbandsbuch vorhanden<br />
Keine Arztausw ahl der sicheren Nadelsysteme<br />
Keine sichere Nadeltechnik<br />
Keine Mitarbeiterausw ahl der sicheren Nadelsysteme<br />
Keine Infektions-Gefährdungsbeurteilung<br />
Fehlende Mitarbeiterunterw eisung<br />
Fehlende Pflichtuntersuchung (G42)<br />
Unzureichende Anzahl von ASA-Sitzungen<br />
Unzureichende Einsatzzeit des Betriebsarztes<br />
Fehlende Angebotsuntersuchung (G37)<br />
0 20 40 60 80 100<br />
in %<br />
Abbildung 1: Beobachtete Mängel (in Prozent) im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes in<br />
40 hessischen Psychiatrien.<br />
377
V81<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Schutzwirkung unterschiedlicher Handschuhsysteme in der<br />
Chirurgie<br />
Andreas Wittmann, Jan Köver, Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />
Univesität Wuppertal<br />
Einleitung<br />
Auf Grund aktueller Forschungsergebnisse muss angenommen werden, dass chirurgisch<br />
tätiges Medizinpersonal regelmäßig von Nadelstichverletzungen betroffen ist. Seriöse<br />
Quellen gehen von durchschnittlich bis zu einer unerkannten Stichverletzung pro<br />
chirurgisch tätiger Person und Jahr aus. Durch Stich- und Schnittverletzungen bei<br />
chirurgischen Eingriffen können jedoch infektionsrelevante Blutmengen übertragen<br />
werden, die das Personal gefährden können.<br />
Seit geraumer Zeit werden daher zum Schutz der Beschäftigten unterschiedliche<br />
Handschuhsysteme angeboten. Diese sollen beispielsweise durch eine unterschiedliche<br />
Farbgebung des äußeren Handschuhs und des Innenhandschuhs die Stichverletzung<br />
sichtbar machen (Mölnlycke Biogel Indicator). Bei einem anderen System wird durch in<br />
den Handschuh integriertes Desinfektionsmittel der Versuch unternommen, übertragene<br />
Erreger zu inaktivieren (Hutchinson G-Vir). Unsere Forschungsgruppe untersuchte nun<br />
den Einfluss dieser Handschuhsysteme auf die bei Stich- und Schnittverletzungen<br />
übertragenen Blutvolumina.<br />
Material und Methoden<br />
Für die Durchführung der Versuche wurde ein ex-vivo Modell gewählt. Aus frischer<br />
Schweineschwarte (Dicke ca. 19mm) wurden mittels einer Stanzhülse kreisrunde Proben<br />
hergestellt.<br />
Anschließend wurden 2ml frisches menschliches Vollblut mittels des Abnahmesystems<br />
Sarstedt Monovette ® gewonnen, das durch Natriumcitrat für die nun folgenden Versuche<br />
flüssig gehalten wurde. Das Blut stammte jeweils von der Person, die die dann folgenden<br />
Versuche durchführte, um jegliches Infektionsrisiko auszuschließen.<br />
Von der vorhandenen Blutmenge wurden nun 1,5 ml abpipettiert und mit ca. 1 µl stark<br />
radioaktiver (ca. 15 MBq/µl) Kaliumpertechnetat-Lösung ( 99 Tc) versetzt. Die 1,5 ml<br />
radioaktives Blut wurden im Anschluss mittels eines Aktivimeters (ISOMED 2000)<br />
ausgemessen und die Aktivität dokumentiert<br />
Mittels standardisierter Methoden wurde mit unterschiedlichen Instrumenten 40 mal<br />
durch das jeweilige Handschuhsystem so wie durch einen Standardlatexhandschuh<br />
(Mölnlycke Biogel Eclipse) in Schweineschwarten gestochen.<br />
378
V81<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Die Stiche mittels Skalpellklinge (Otto Rüttgers GmbH & Co. KG Mini Blades (für die<br />
Mikrochirurgie) 0,6mm Materialstärke) wurden unter Zuhilfenahme einer selbst<br />
konstruierten automatisierten Stichmaschine ausgeführt. Die Skalpellklingen wurden<br />
hierzu für 30 Sekunden 10 mm tief in Blut getaucht, anschließend führte der<br />
automatisierte Stichapparat stets identische 3 mm tiefe Stiche durch.<br />
Um Stiche durch chirurgische Nähnadeln nachzuahmen, wurde zuerst jeweils 3 µl Blut<br />
mittels einer Dosierpipette (Brand Transferpette® 20 µl, Genauigkeit 0,02%) auf den<br />
äußeren Handschuh aufgetragen. Sodann wurde mittels vorgespannter<br />
Sicherheitslanzetten (B.Braun Solofix ® Safety Universal, 1,8mm Stichtiefe, 21 G) durch<br />
den Bluttropfen in die Probe gestochen. Die vorgespannten Sicherheitslanzetten stellten<br />
sicher, dass die Stiche alle unter identischen Bedingungen (Stichdauer, Stichtiefe)<br />
stattfanden.<br />
Jeweils im Anschluss wurden die Proben mittels eines Bohrlochmessgeräts mit<br />
angeschlossenem Messcomputer (Maestro MCB 129) ausgemessen und nach<br />
Bestimmen der Zerfalle in einer Minute unter Berücksichtigung der seit der<br />
Kontamination des Blutes vergangenen Zeit die übertragene Blutmenge berechnet.<br />
Ergebnisse<br />
Alle untersuchten Handschuhsysteme hatten im Vergleich zum Standardhandschuh<br />
Einfluss auf die übertragene Blutmenge. So reduzierte sich das durchschnittliche<br />
Volumen bei Stichen mit Skalpellklingen (Abbildung 1) von 0,21µl (Stich durch<br />
Standardhandschuh) auf 0,13µl (Indicator-Doppelhandschuhsystem) bzw. 0,15µl (G-Vir).<br />
Bei Stichen mit Standardautomatiklanzetten (Abbildung 2) reduzierte sich das<br />
durchschnittliche Volumen von 0,047µl (Stich durch Standardhandschuh) auf 0,024µl<br />
(Indicator-Doppelhandschuhsystem) bzw. 0,033µl (G-Vir).<br />
Diskussion<br />
Bei den bislang durchgeführten Studien zur frühzeitigen Entdeckung von Handschuhperforationen<br />
während operativer Engriffe haben sich Indikatorhandschuhe als sehr<br />
effektiv erwiesen. Auch wurden in einer Metaanalyse der 18 weltweit durchgeführten<br />
Studien zur Handschuhsicherheit bei doppelter Behandschuhung im Vergleich zu einfach<br />
getragenen Handschuhen dreimal weniger Blutkontakte gefunden. Dabei konnte keine<br />
Häufung von Perforationen am Außenhandschuh festgestellt werden, die etwa auf eine<br />
Beeinträchtigung von Händesensibilität und Geschicklichkeit hindeuten würde.<br />
Unsere Studie zeigt nun, dass die zur Infektionsvermeidung bei medizinischem Personal<br />
angebotenen Handschuhsysteme wie z.B. der mit Desinfektionsmittel ausgestattete G-<br />
Vir oder das Biogel Indicatorsystem bei Verletzungen an chirurgischen Instrumenten<br />
379
V81<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
auch das übertragene Blutvolumen reduzieren. Dieser Effekt wurde von den Autoren für<br />
das Biogel Eclipse Indicatorsystem bereits beschrieben.<br />
Abbildung 1: Übertragene Blutvolumina nach simulierten Skalpellstichen durch unterschiedliche<br />
Handschuhe bzw. Handschuhsysteme<br />
Abbildung 2: Übertragene Blutvolumina nach mit Automatiklanzetten simulierten<br />
Nadelstichverletzungen<br />
380
V81<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Durch das Indicatorsystem können dabei auch sonst unbemerkte (okkulte)<br />
Stichverletzungen einfach detektiert werden.<br />
Der virusabtötende Mechanismus des G-Vir konnte in unserem Versuchsaufbau jedoch<br />
nicht auf seine Wirksamkeit überprüft werden.<br />
Die beste Schutzwirkung in unserer Studie erzielte das Mölnlycke Biogel Indicator <br />
System. Neben der eindeutigen Visualisierung aller Nadelstichverletzungen hatte die<br />
Verwendung dieses Handschuhsystems auch den größten Einfluss auf die übertragene<br />
Blutmenge.<br />
Der Einsatz dieser Handschuhsysteme kann Nadelstichverletzungen in der Chirurgie<br />
zwar nicht verhindern, das Infektionsrisiko für das bei Operationen beteiligte Personal<br />
durch die signifikante Reduktion der übertragenen Blutvolumina aber reduzieren. Ihr<br />
Einsatz erscheint daher aus unserer Sicht bei allen chirurgischen Eingriffen sehr<br />
empfehlenswert und an bekanntermaßen infizierten (oder auf Infektiosität nicht<br />
untersuchten) Patienten obligatorisch.<br />
1 Kralj N, Beie M, Hofmann F. Chirurgische Handschuhe – wie gut schützen sie vor<br />
Infektionen? Gesundheitswesen 1999;61: 398-403<br />
2 Makary MA, Al-Attar A, Holzmueller Ch G, Sexton J B, Syin D, Gilson MM, Sulkowski<br />
MS,Pronovost PJ. Needlestick Injuries among Surgeons in Training, NEJM 2007:<br />
356:2693-2699<br />
3<br />
4<br />
Zimmermann CH, Junghanns K: Die Verwendung eines neuen<br />
Perforationsindikatorsystems in der chirurgischen Routine, Hyg Med 1996;21: 486-<br />
492<br />
Bricout, F, Morallion A, Sonntag P, Hoerner P, Blackwelder WQ, Plotkin S. Virus-<br />
Inhabiting Surgical Glove to Reduce the Risk of Infection by Enveloped Viruses.<br />
(2003) Journal of Medical Virology 69:538-545<br />
5<br />
Tanner J., H Parkinson: Double gloving to reduce surgical cross-infection (Cochrane<br />
Review) in: The Cochrane Library, Oxford 2003;2:1-32<br />
6 A Wittmann, J. Köver, N. Kralj, K. Gasthaus, F. Hofmann (2008).<br />
Study of blood contact in simulated surgical needlestick injuries with single or double<br />
latex gloving. Infect Control Hosp Epidemiol. <strong>2009</strong> Jan;30(1):53-6<br />
381
V82<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Übertragene Blutvolumina nach Nadelstichverletzungen an s.c.<br />
Kanülen<br />
Andreas Wittmann, Jan Köver, Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />
Univesität Wuppertal<br />
Einleitung<br />
Durch die heute gültige Fassung der TRBA 250 ist die Verwendung stichsicherer<br />
Instrumente immer dann vorgeschrieben, wenn mit der Übertragung infektionsrelevanter<br />
Blutmengen gerechnet werden muss.<br />
Während bei großlumigen, blutgefüllten Hohlnadeln unstrittig ist, dass diese<br />
infektionsrelevante Blutmengen übertragen und diese daher in jedem Fall durch sichere<br />
Instrumente zu ersetzen sind, ist die verpflichtende Verwendung sicherer Systeme als<br />
Ersatz für s.c. Nadeln bislang strittig. Verletzungen an subcutan eingesetzten Nadeln<br />
sind insbesondere bei Pflegepersonal jedoch besonders häufig; so ergab die Analyse<br />
des deutschen Epinet Datensatzes im Oktober 2008 einen Anteil von mindestens 10,2<br />
% derartiger Verletzungen.<br />
Material und Methoden<br />
Nach s.c. Injektionen treten aus dem Stichkanal regelmäßig kleine Blutungen aus.<br />
Für die Ermittlung der bei Nadelstichverletzungen an gebrauchten s.c. Nadeln<br />
übertragenen Blutvolumina wurde daher ein Versuchsmodell gebildet, bei dem die s.c.<br />
Nadeln (Becton Dickinson BD Micro Fine 0,33mm x 12,7mm) durch eine dünne<br />
Gummimembran gestochen und dann mit minimalen Blutmengen (1 µl) kontaminiert<br />
wurden. Im Anschluss wurden die Nadeln wieder durch die Membran gezogen, alle<br />
sichtbaren Blutreste an der Kanüle mithin abgestreift.<br />
Das für die Kontamination der Nadel verwendete Blut war durch radioaktives Technetium<br />
markiert worden (Verfahren siehe ausführliche Beschreibung im Beitrag V 81 in diesem<br />
<strong>Tagungsband</strong>). Mit diesen Nadeln wurden Nadelstiche in frische Schweineschwarte<br />
simuliert (Abbildung 1) und die übertragenen Blutvolumina mittels Gamma-Szintilograph<br />
und anschließender Berechnung bestimmt. Insgesamt wurden 40 Stichverletzungen<br />
simuliert.<br />
Ergebnisse:<br />
Die im Versuch übertragenen Blutvolumina lagen in einem Bereich von 0,006 Mikroliter<br />
(Mittelwert 0,00653 µl, Median 0,00349 µl) wobei die übertragenen Volumina zwischen<br />
0,03 Mikroliter und 0,001 Mikrolitern schwankten (Abbildung 2). Vier von 40<br />
Stichverletzungen übertrugen vier mehr als 0,02 µl Blut.<br />
382
V82<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Abbildung 1: Kontamination der Subcutannadel und anschließende manuelle Beprobung einer<br />
Schweineschwarte<br />
0,04 µl<br />
0,03 µl<br />
0,02 µl<br />
0,01 µl<br />
0,00 µl<br />
Abbildung 2: Übertragene Blutvolumina nach simulierten Nadelstichverletzungen an s.c. Nadeln.<br />
Nadel BD Micro Fine 0,33mm x 12,7mm, N = 40<br />
383
V82<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Diskussion<br />
Bei Patienten die mit dem HBV infiziert sind wurden schon 10 12 bzw. 10 14 Viruskopien<br />
pro ml Blut nachgewiesen. Dies würde bedeuten, dass pro Nadelstichverletzung an einer<br />
Nadel, die vorher subcutan an einem Infizierten eingesetzt wurde ca. 6 Millionen<br />
Hepatitis-B-Viren übertragen werden können - eine unstrittig infektionsrelevante Dosis.<br />
Da gegen das Hepatitis-B-Virus jedoch eine gut verträgliche Schutzimpfung existiert,<br />
kann bei erfolgreich geimpften eine Gefährdung durch dieses Virus ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Bei HCV sind bei Infizierten Viruslasten von 10 - 20 Millionen Kopien pro ml. Blut<br />
beobachtet worden.<br />
Der durchschnittliche Nadelstich an einer s.c. verwendeten Spritze würde dann 60 Viren<br />
übertragen, worst case wären ca. 600 übertragene Viren. Allerdings ist für den Erreger<br />
der Hepatitis C keine Dosis-Wirkungsbeziehung beschrieben, auch bei einer<br />
Übertragung von „nur“ ein paar Hundert Viren kann eine Infektionsrelevanz daher nicht<br />
sicher ausgeschlossen werden.<br />
Fazit:<br />
Zwar liegen die in unserem Modellversuch ermittelten übertragenen Blutvolumina nach<br />
Nadelstichverletzungen an s.c. Nadeln um den Faktor 100 unter den bei blutgefüllten<br />
Hohlnadeln übertragenen Volumina, allerdings ist auch bei diesen geringen Blutmengen<br />
eine Übertragung infektionsrelevanter Virusmengen (insbesondere bei HCV und HBV)<br />
nicht sicher auszuschließen. Da die Ergebnisse trotz bestmöglicher Standardisierung<br />
auch noch sehr stark schwankten, muss angenommen werden, dass auch subcutan<br />
verwendete Nadeln infektionsrelevante Mengen an Blut und Körperflüssigkeiten<br />
übertragen. Ein Ersatz dieser durch geeignete Instrumente mit<br />
Nadelschutzmechanismus erscheint daher notwendig.<br />
1 TRBA 250 Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege<br />
Ausgabe: November 2003, Änderung und Ergänzung Juli 2006 (Bundesarbeitsblatt 7-<br />
2006, S. 193), Ergänzung April 2007, GMBl Nr. 35 v. 27. Juli 2007, S. 720, Änderung<br />
und Ergänzung November 2007, GMBl Nr.4 v. 14.02.2008, S. 83<br />
2 Wittmann A, Kralj N, Hofmann F, (2005): Übertragene Blutvolumina nach<br />
Kanülenstichverletzungen. In: aser:info, Forum Arbeitsphysiologie, Schriftenreihe des<br />
Instituts ASER e.V. Nr. 5, Ausgabe: November 2005<br />
3 Bertisch-Möllenhof B, Meili D, Huber M. Nachweis von Hepatitis-C-Viruslast in<br />
gebrauchten Heroinspritzen, Suchttereapie Supplement 2002; 17-19<br />
384
V83<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
Infektiöse Risiken junger Freiwilliger von Non-Governmental<br />
Organizations (NGOs)<br />
Jennifer Martin 1 , Klemens Neppach 1 , Burkhard Rieke 2 , Thomas Küpper 1,3<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />
2<br />
Gelbfieberimpfstelle, Tropenmedizinische Praxis Düsseldorf<br />
3 Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />
Studienziel: Es soll die Risikoeinschätzung und das Risikoverhalten junger Mitarbeiter<br />
bei internationalen sozialen Projekten untersucht werden. Aus sozialwissenschaftlichen<br />
Studien ist zu erwarten, dass dieses erheblich vom bislang ausschließlich untersuchten<br />
Kollektiv der Altersgruppen über 30 Jahre abweicht. Der hier dargestellte Studienzweig<br />
untersucht die Infektionsrisiken, denen die Mitarbeiter ausgesetzt werden oder sich<br />
freiwillig (außerberuflich) aussetzen.<br />
Material und Methode: Die Daten wurden mittels elektronischem Fragebogen<br />
retrospektiv an Personen, die bei der Ausreise zwischen 18 und 30 Jahren alt waren und<br />
mindestens 6 Monate in einem internationalen Sozialprojekt mitarbeiteten, erhoben (n =<br />
153). Die Fragen umfassten u.a. Art und Umfang der Reisegesundheitsberatung,<br />
Aufbereitung des Trinkwassers sowie Verpflegung und eigene Einschätzung der<br />
Nahrungsmittelhygiene, Tätigkeiten und Kontakte im Projekt, Malaria- und<br />
Infektionsprophylaxe, Sexualkontakte und Umgang mit sexuell übertragbaren<br />
Krankheiten sowie neu aufgetretene Erkrankungen während des Auslandaufenthaltes.<br />
Die Daten werden mittels deskriptiver Statistik analysiert. Die Ethikkommission der<br />
RWTH Aachen hat nach Prüfung dem Studiendesign vollumfänglich zugestimmt.<br />
Ergebnisse: Eine reisemedizinische Gesundheitsberatung wurde von 82,4% der<br />
Freiwilligen in Anspruch genommen (17% keine Beratung, 1 ohne Angabe). Der<br />
Hauptteil der Beratungen wurde von Hausärzten durchgeführt (57,1%). Verpflegt wurden<br />
die jungen Erwachsenen größtenteils im Projekt (66%), aber auch Straßenstände/kleine<br />
Restaurants (56,2%), selbst gekauftes und gekochtes Essen (46,4%) und Einladungen<br />
bei Einheimischen (44,4%) wurden in Anspruch genommen. Bei Mahlzeiten im Projekt<br />
fühlten sich 32% der Freiwilligen bezüglich gesundheitlicher Bedenken stets völlig sicher,<br />
bei Mahlzeiten von Straßenständen/ bei Einheimischen 15,7%. Nicht industriell<br />
abgefülltes Trinkwasser tranken 49,7% völlig unbehandelt. Im Projekt hatte ein Großteil<br />
der Freiwilligen mit Schul-/Heimkindern (64,7%) bzw. mit Jugendlichen (62,1%) zu tun.<br />
Bei 53 Personen bestand ein potentielles Malariarisiko, eine Chemoprophylaxe<br />
empfohlen wurde 30/53 Personen. 16/30 rsp. 30,2% des potentiellen Risikokollektivs<br />
führten eine Chemoprophylaxe durch. Es traten 10 Fälle von Malaria auf. 47,7%<br />
verneinten neue Sexualkontakte während der Projektdauer, 45,8% gaben 1-3 und 6,5%<br />
4 und mehr neue Sexualkontakte an. Auf sexuell übertragbare Erkrankungen ließen sich<br />
385
V83<br />
Vorträge – Infektionsgefährdung<br />
36% der jungen Erwachsenen testen, stetige Sorge vor sexuell übertragbaren<br />
Krankheiten gaben 4,6% an. Bei der häufigsten, neu aufgetretenen Krankheit handelte<br />
es sich um Durchfall ohne Fieber oder Blutbeimengungen (84,3%). 69,9% litten unter<br />
unklaren Bauchschmerzen und 68% unter einem fieberhaften Infekt. Es traten 5 Fälle<br />
von Dengue Fieber sowie 16 Fälle von Parasiten/ Würmern o.ä. auf.<br />
Schlußfolgerungen: Das Risikoverhalten der betrachteten Altersgruppe weicht<br />
signifikant von dem älterer Mitarbeiter von Non-Governmental Organizations ab. Dem<br />
sollte durch ein spezifisches Aufklärungs- und Betreuungsprogramm Rechnung getragen<br />
werden. Dieses sollte vor allem darauf abzielen, dass die Teilnehmer sich auch bei<br />
längerer Aufenthaltsdauer der bestehenden Risiken bewusst bleiben und sich adäquat<br />
verhalten. Die Beratung sollte z.B. zur Vermeidung von sexuell übertragenen<br />
Erkrankungen oder Erkrankungen aufgrund schlechter Lebensmittel oder Wasserhygiene<br />
außerberufliche Aspekte mit einschließen.<br />
386
V84<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Karpaltunnelsyndrom und Berufskrankheit<br />
Michale Spallek 1 , Klaus Giersiepen 2 , Annika Friedebold 3 , Daid A. Groneberg 3<br />
1<br />
Gesundheitswesen, Volkswagen Aktiengesellschaft, Wolfsburg<br />
2<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin<br />
3<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin<br />
Bei einem Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um eine meist chronische<br />
Kompressionsneuropathie des N. medianus im Bereich des Handgelenkes. Es ist das<br />
häufigste periphere Nervenkompressionssyndrom und stellt den zweithäufigsten<br />
ambulant durchgeführten Eingriff in Deutschland dar. Die Genese wird überwiegend auf<br />
posttraumatische, stoffwechselbedingte oder idiopathische Gewebevermehrung<br />
zurückgeführt. Aufgrund der pathophysiologischen Merkmale gehört das KTS zu den<br />
sicher diagnostizierbaren Nervendruckschäden und erfüllt dem Grunde nach die<br />
Voraussetzungen einer BK 2106 „Druckschädigung der Nerven“. Das KTS wurde in<br />
dieser BK Ziffer aber vom Verordnungsgeber in 2002, analog zu bandscheibenbedingten<br />
Erkrankungen, explizit herausgenommen. In der europäischen Berufskrankheitenliste ist<br />
das Karpaltunnelsyndrom als eigenständige Berufskrankheit unter der Ziffer 506.45<br />
gelistet und wird in 9 von 12 Mitgliedsstaaten auch anerkannt. Eine Aufnahme in die<br />
bundesdeutsche Berufskrankheitenliste ist zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung zwar<br />
vorgesehen, aber noch nicht erfolgt.<br />
Die Evidenz arbeitsbedingter Ursachen für ein KTS ist in der internationalen Literatur<br />
nachgewiesen und ein kausaler Zusammenhang zwischen arbeitsbedingten manuellen<br />
Belastungen in unterschiedlichsten Berufen und dem Auftreten eines KTS ist aus<br />
pathophysiologischer und epidemiologischer Sicht hinreichend gesichert (BERNARD<br />
1997, RADON et al. 1999, VIIKARI-JUNTURA u. SILVERSTEIN 1999, PALMER et al. 2007).<br />
Feldmann weist in einer Zusammenfassung über periphere Nervenengpasssyndrome<br />
bereits 1983 auf die berufsbedingten Schädigungsmöglichkeiten für ein KTS hin<br />
(FELDMANN et al 1983). In Zusammenhang mit beruflichen Belastungen werden Beugeund<br />
Streckbewegungen des Handgelenkes, insbesondere in Kombination mit Greifen,<br />
sowie Druck gegen den Karpaltunnel beschrieben. In seiner Listung risikoreicher Berufe<br />
finden sich Tätigkeiten wie Fließbandarbeiter, Gärtner, Hausfrau, Musiker, Bauer,<br />
Mechaniker und Fabrikarbeiter. Die derzeit international vorliegende epidemiologische<br />
Literatur zeigt analog zu diesen älteren Erkenntnissen konsistent die höchsten KTS-<br />
Erkrankungsrisiken ebenfalls bei Berufen und Tätigkeiten, die einer intensiven manuellen<br />
Belastung durch kraftvolles Greifen oder repetitive Tätigkeiten ausgesetzt sind – z.B.<br />
Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, Forstarbeiter beim Umgang mit<br />
handgehaltenen vibrierenden Werkzeugen, Fleisch-, Fisch- und Geflügelverarbeiter/-<br />
387
V84<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
verpacker, Kassierer im Supermarkt mit Umsetzen von Lasten, Masseure, Polsterer etc.<br />
(BERNARD 1997, systematische Literaturübersicht bei PALMER ET al. 2007). Diese<br />
Tätigkeiten scheinen im Einzelfall geeignet, zu einer Volumenzunahme im Karpaltunnel<br />
mit Druckerhöhung auf den N. medianus zu führen. Die Literatur belegt eine<br />
Risikoerhöhung insbesondere bei einer Kombination dieser Faktoren. ANDERSEN et al.<br />
2003 und PALMER et al. 2007 weisen aber auch darauf hin, dass die vorliegenden Daten<br />
für Arbeiten am Computer und mit Tastaturen keine bedeutsame Assoziation mit einem<br />
KTS zeigen.<br />
Die für ein KTS in Frage kommenden Einwirkungen kommen in vielen Berufen vor. Die<br />
hohe Prävalenz eines KTS in der Allgemeinbevölkerung - auch ohne besondere<br />
berufliche Belastungen – wirft daher die Frage nach der arbeitsbedingten Abgrenzung<br />
der Verursachung oder Verschlimmerung auf. Das KTS ist mit Abstand das häufigste<br />
Engpasssyndrom und macht ca 45 % aller nichttraumatischen Nervenschäden aus Das<br />
Erkrankungsrisiko beträgt 8-10 %, wobei Frauen etwa doppelt so häufig erkranken wie<br />
Männern, und zeigt eine deutlichen Zusammenhang mit Alter und Übergewicht (Dt. Ges.<br />
für Handchirurgie 2007, Dt Ges. für Neurologie 2008) Aufgrund der weiten Verbreitung<br />
von KTS in der Allgemeinbevölkerung muss daher bei der Prüfung einer möglichen<br />
berufsbedingten Verursachung – neben einer sehr sorgfältigen und möglichst<br />
eindeutigen neurologischen Diagnostik für die Handnerven beider Seiten – auch eine<br />
intensive Prüfung medizinischer Differenzialdiagnosen und auch weiterer psychosozialer<br />
Einflussfaktoren wie beispielsweise Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden erfolgen.<br />
Zum zeitlichen Verlauf bis zum Auftreten eines KTS liegen in der Literatur<br />
unterschiedliche Angaben vor, ganz überwiegend reichen aber z. T. kurze<br />
Expositionszeiten aus (MASEAR et al. 1986, BARNHART et al. 1991). Ein<br />
Kausalzusammenhang ist vor allem dann plausibel, wenn der Erkrankungsbeginn in<br />
engem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition steht. (GIERSIEPEN et al. 2000).<br />
Problematisch für eine Zusammenhangsbeurteilung eines KTS mit beruflichen<br />
Belastungen ist vor allem der Umstand, dass es kein belastungskonformes<br />
Schadensbild. Die in der Literatur beschriebenen Dosis-Wirkungsbeziehungen sind<br />
aufgrund der unterschiedliche Studiendesigns nicht eindeutig und erlauben keine<br />
Ableitung eines Schwellenwertes. Die arbeitsbedingt schädigenden Einwirkungen<br />
hängen weniger von einer konkreten Berufsbezeichnung, als vielmehr von den<br />
ausgeübten Tätigkeiten ab, die Risikofaktoren für das Auftreten eines KTS beinhalten.<br />
388
V84<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Diese Risikofaktoren sind nach derzeitigem Kenntnisstand gekennzeichnet durch<br />
- repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Hände im<br />
Handgelenk oder<br />
- erhöhten Kraftaufwand der Hände (kraftvolles Greifen) oder<br />
- Einwirkung von Hand-Arm-Schwingungen, z.B. durch handgehaltene vibrierende<br />
Maschinen.<br />
Aus Untersuchungen zur präventiven Arbeitsgestaltung können Anhaltspunkte zur<br />
Belastungsermittlung erhalten werden, die aber nicht als Grenzwerte für eine<br />
Schädigung zu interpretieren sind. Es macht arbeitsmedizinisch Sinn, diese Daten zu<br />
nutzen, um Prävention zu betreiben. Beispielsweise sollten zur Vorbeugung vor<br />
Erkrankungen der oberen Extremität bei hochrepetitiven Arbeiten mit<br />
Handgelenksbewegungen in Extension und Flexion Tätigkeitsdauern von > 4<br />
Stunden/Tag vermieden werden ebenso wie Repetitionsfrequenzen von > 600/Stunde<br />
bzw. für Arbeiten mit hohem Kraftaufwand wird eine Dauer von weniger als 1 Stunde/Tag<br />
empfohlen (ACGIH 2001).<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Hand Activity. adopted and 2001, http://www.acgih.org<br />
ANDERSEN JH, THOMSEN JF, OVERGAARD E, LASSEN CF, BRANDT LP, VILSTRUP I, KRYGER<br />
AI, MIKKELSEN S. Computer use and carpal tunnel syndrome: a 1-year follow-up<br />
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JAMA 289 (2003), 2963-2969<br />
BARNHART, S., DEMERS, P.A., MILLER, M., LONGSTRETH, W.T., ROSENSTOCK, L.: Carpal<br />
tunnel syndrome among ski manufacturing workers.<br />
Scand. J. Work Environ. Health 17 (1991) 46-52<br />
BERNARD, B.P. (ED.): Musculoskeletal disorders and workplace factors. A critical review<br />
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DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR HANDCHIRURGIE et al: Leitlinie Diagnostik und Therapie<br />
des Karpaltunnelsyndroms.http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.pdf<br />
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR NEUROLOGIE: Leitlinie Karpaltunnelsyndrom 2008.<br />
http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_049.pdf<br />
FELDMAN R.G., GOLDMAN W., KAYSERMAN M.: Classical syndromes in occupational<br />
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Am J Ind Med 4 (1983), 661-681<br />
GIERSIEPEN, K., EBERLE, E., POHLABELN, H: Wann verdoppelt sich für berufliche manuelle<br />
Tätigkeit das Erkrankungsrisiko für ein Carpaltunnel-Syndrom?<br />
In: G.Schaecke (Hrsg.): Dokumentationsband der 40. Jahrestagung der<br />
Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (2000), 193-<br />
196<br />
MASEAR, V.R., HAYES, J.M., HYDE, A.G.: An industrial cause of carpal tunnel syndrome.<br />
J. Hand Surg. [Am]. 11(1986), 222-227<br />
389
V84<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
PALMER, K.T., HARRIS E.C., COGGON D.: Carpal tunnel syndrome and ist relation to<br />
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Occupational Medicine 57 (2007),57–66<br />
RADON, K., NOWAK, D., SZADKOWSKI, D.: Berufsbezogene Beschwerden und<br />
Erkrankungen im Bereich der oberen Extremitäten durch repetitive Belastung. In:<br />
RETTENMEIER, A.,<br />
VIIKARI-JUNTURA, E., SILVERSTEIN, B.A.: Role of physical load factors in carpal tunnel<br />
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Scand. J. Work Environ. Health 25 (1999), 163-185<br />
390
V85<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei<br />
Tätigkeiten im Hocken und Knien<br />
Ulrich Glitsch, Nicole Lundershausen, Dorothee Knieps, Alexander Johannknecht, Rolf Ellegast<br />
Referat Arbeitswissenschaft, Ergonomie, Fachbereich 4 Arbeitsgestaltung – Physikalische Einwirkungen,<br />
Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz – BGIA, Sankt Augustin<br />
Ziel:<br />
In der wissenschaftlichen Begründung zur vorgeschlagenen Berufskrankheit<br />
Gonarthrose [1] werden Tätigkeiten im Hocken und Knien oder vergleichbarer<br />
Kniebelastung als Verursacher der Gonarthrose genannt. Der dort beschriebene<br />
Pathomechanismus stellt als Auslöser die erhöhte Druckkraft auf den Gelenkknorpel<br />
beim Hocken oder Knien heraus. Allerdings liegen aussagekräftige Studien zur<br />
mechanischen Belastung des Kniegelenks in genau diesen Haltungen bislang nicht vor.<br />
Da insbesondere geeignete biomechanische Modelle fehlen, die den möglichen<br />
Weichteilkontakt zwischen Ober- und Unterschenkelrückseite und eine<br />
Mehrpunktabstützung des Beines auf dem Untergrund berücksichtigen, war ein erstes<br />
Ziel dieser Studie die Entwicklung eines solchen Modells. Anschließend sollten damit<br />
einerseits verschiedene statische Haltungen im Hocken und Knien und andererseits<br />
damit verbundene berufspezifische Tätigkeiten analysiert werden.<br />
Methoden:<br />
Das biomechanische Modell der unteren Extremität wurde auf Grundlage bestehender<br />
Kniegelenkmodelle aus der Literatur [2 - 4] für den speziellen Anwendungszweck<br />
erweitert (Abbildung 1). Insbesondere waren hier die speziellen anatomischen<br />
Gegebenheiten bei großen Kniebeugewinkeln (> 120°) zu berücksichtigen. Dies betrifft<br />
die beugungsabhängige Wanderung der Gelenkdrehachse [5], die<br />
Zugrichtungsänderungen von Patellar- und Quadrizepssehne sowie die Veränderung des<br />
Hebelmechanismus der Patella [6, 7]. Die Mehrpunktabstützung des Beines – z. B. beim<br />
Knien – wurde bei der Modellrechnung berücksichtigt und durch den Einsatz zweier<br />
Kraftmessplatten (Kistler, Winterthur, Schweiz) erfasst. Der für die inneren Muskel-<br />
Skelettbelastungen wichtige Aspekt des Weichteilkontakts zwischen Ober- und<br />
Unterschenkelrückseite bei großen Beugewinkeln [8, 9] wurde mit einem Druckmesspad<br />
(Paromed, Neubeuern) an der Oberschenkelrückseite gemessen. Die Berechnung der<br />
tibiofemoralen und der patellofemoralen Gelenkkräfte erfolgte im Sinne der inversen<br />
Dynamik für die Sagittalebene des Beines, die für die zu untersuchenden Haltungen die<br />
Hauptbelastungsebene darstellt. Zur dreidimensionalen Rekonstruktion der Beinhaltung<br />
wurde das Bewegungsmesssystem VICON (Vicon Motion Systems, Oxford, England) mit<br />
12 Kameras eingesetzt, das zugleich auch alle anderen Messgrößen synchron<br />
391
V85<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
aufzeichnete. Zu Kontrollzwecken wurden die Elektomyogramme (EMG) des M.<br />
quadrizeps femoris und des M semimembranosis bzw. M. bizeps femoris abgeleitet.<br />
Bodenreaktionskräfte<br />
Weichteilkontaktkraft<br />
Muskel-/Sehnenkräfte<br />
Gelenkkräfte<br />
Abbildung 1: Schematische Darstellung des biomechanischen Modells zur Bestimmung der<br />
Kniegelenkkräfte beim Hocken und Knien<br />
In einer ersten Messreihe wurden drei männliche Probanden (Alter: 26 – 36 J.) ohne<br />
Kniebeschwerden beim Einnehmen und Verweilen in den Haltungen Hocke, beidbeiniges<br />
Knien (ohne Oberkörperabstützung) und Fersensitz sowie beim Stehen und Gehen<br />
analysiert. In der zweiten Messreihe wurden je fünf erfahrene Fliesenleger (Alter: 21 –<br />
56 J.) und Heizungsinstallateure (Alter: 28 – 52 J.) sowohl in den zuvor genannten<br />
Haltungen wie auch beim Fliesenlegen (Verlegen von 12 Fliesen) bzw. bei der<br />
Heizkörpermontage (dreimalige Heizkörpermontage) analysiert.<br />
Ergebnisse:<br />
Die ermittelten tibiofemoralen Gelenkkräfte lagen bei den statischen Haltungen im<br />
Hocken und Knien aller 13 Probanden im Mittel gleichermaßen bei rund 50 15 %BW<br />
(%body weight) (Abbildung 2). Auch bei den beruflichen Tätigkeiten des Fliesenlegens<br />
und der Heizkörpermontage lagen die Gelenkkräfte auf dem gleichen Niveau.<br />
Demgegenüber waren die Gelenkkräfte im Verlauf des Hinkniens bzw. des Aufstehens<br />
wesentlich höher und erreichten rund 250 60 %BW. Die gemessenen<br />
Weichteilkontaktkräfte zwischen Ober- und Unterschenkel betrugen beim Hocken und<br />
Fersensitz durchschnittlich etwa 80 15 % der Bodenreaktionskraft des Beines, was<br />
eine wesentliche Entlastung des Kniegelenks zur Folge hat und die relativ niedrigen<br />
Gelenkkräfte erklärt. Die EMG-Aufzeichnungen bestätigten die vom Modell<br />
vorhergesagte geringe Muskelaktivität der Kniestreck- und –beugemuskulatur.<br />
Unterstützt wird dieser Befund durch die 10-minütigen Dauertests im Hocken, Knien und<br />
Fersensitz, die alle drei Probanden erfolgreich absolvierten, ohne dabei über besondere<br />
392
V85<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Belastungsempfindungen im Kniegelenk zu berichten. Beim Stehen und Gehen betrugen<br />
die tibiofemoralen Gelenkkräfte am belasteten Bein im Mittel etwa 150 70 %BW.<br />
Kniegelenkkraft<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Hinknien<br />
tiefe Hocke<br />
aufrechtes Knien<br />
Fersensitz<br />
Fliesenlegen /<br />
Heizkörpermontage<br />
Aufstehen<br />
Kniegelenkkraft [%BW]<br />
Stehen/Gehen<br />
Tätigkeiten<br />
Anpresskraft der Patella<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Hinknien<br />
tiefe Hocke<br />
aufrechtes Knien<br />
Fersensitz<br />
Fliesenlegen /<br />
Heizkörpermontage<br />
Aufstehen<br />
Stehen/Gehen<br />
Anpresskraft [%BW]<br />
Tätigkeiten<br />
Abbildung 2: Kniegelenk- und Patella-Anpresskräfte bei verschiedenen Haltungen und beruflichen<br />
Tätigkeiten<br />
Ein ähnliches Gesamtbild zeigte auch die Anpresskraft der Patella – die Druckkräfte<br />
lagen beim Hocken und Knien gleichermaßen bei rund 100 20 %BW. Beim Hinknien<br />
und Aufstehen erreichten sie dagegen über 300 100 %BW. Aufgrund der weitgehend<br />
gestreckten Beine beim Stehen und Gehen lagen die Anpresskräfte dort bei nur rund<br />
50 40 %BW.<br />
Schlussfolgerung:<br />
Die gefundenen Ergebnisse können die in der wissenschaftlichen Begründung<br />
angeführten erhöhten Druckkräfte bei Tätigkeiten im Hocken und Knien nicht bestätigen.<br />
Eine differenzierte Bewertung der Kniegelenkkräfte beim Hocken und Knien erscheint<br />
nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht erforderlich – allenfalls sind noch niedrigere<br />
Gelenkkräfte beim Knien mit abgestütztem Oberkörper anzusetzen. Die gegenüber dem<br />
Stehen und Gehen leicht erhöhten patellofemoralen Anpresskräfte könnten als<br />
393
V85<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
schwacher Hinweis für eine erhöhte Prävalenz einer Retropatellararthose gesehen<br />
werden. Allerdings liegen die Druckkräfte noch im Rahmen typischer Belastungen des<br />
alltäglichen Lebens wie Treppensteigen, Heben oder Kniebeugen – bei freizeitsportlichen<br />
Aktivitäten muss mit weit höheren Anpresskräften gerechnet werden. Insofern scheint<br />
eine Schädigung des Kniegelenkknorpels beim Hocken und Knien allein durch die Höhe<br />
der hier ermittelten Gelenkkräfte unwahrscheinlich. Eventuell könnten das dauerhafte<br />
Hocken und Knien im Sinne einer Zwangshaltung punktuell einen Versorgungsengpass<br />
des Knorpelgewebes bedingen, wobei hierzu konkretere Hinweise bislang fehlen.<br />
Möglicherweise entstehen kleinste Verletzungen des Knorpels bei einer<br />
Ungeschicklichkeit beim Hinknien oder Aufstehen, die sich im Laufe der Zeit<br />
verschlimmern. Kleinere Knorpelschäden können auch bei Freizeitaktivitäten entstanden<br />
sein, die unentdeckt blieben und sich später im Berufsleben ausweiten.<br />
Nach dem jetzigen Kenntnisstand ist es sehr problematisch, geeignete<br />
Präventionsempfehlungen abzugeben, da unklar ist, ob die Zeitdauer des Hockens und<br />
Kniens oder das häufigere Aufstehen und Hinknien das größere Risiko für die<br />
Entwicklung einer Gonarthrose darstellen.<br />
Literatur:<br />
[1] Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wissenschaftliche<br />
Begründung für eine Berufskrankheit „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien<br />
oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer<br />
während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und<br />
Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht“.<br />
Bundesarbeitsblatt 2005; (10): 46-54.<br />
[2] Maquet PGJ. Biomechanics of the knee. Heidelberg: Springer-Verlag; 1976.<br />
[3] Crowninshield R, Pope MH, Johnson RJ. An analytical model of the knee. J<br />
Biomech. 1976; 9: 397-405.<br />
[4] Dahlkvist NJ, Mayyo P, Seedhom BB. Forces during squatting and rising from<br />
deep squat. Eng Med. 1982; 11: 69-76.<br />
[5] Menschik A. Biometrie Das Konstruktionsprinzip des Kniegelenks, des<br />
Hüftgelenks, der Beinlänge und der Körpergröße. Berlin: Springer Verlag; 1987.<br />
[6] Van Eijden T, Kouwenhoven E, Verburg J, Weijs W. A mathematical model of the<br />
patellofemoral joint. J Biomech. 1986; 19: 219-29.<br />
[7] Hehne H. Biomechanics of the patellofemoral joint and its clinical relevance.<br />
Cinical orthopaedics and related research. 1990; 258: 73-85.<br />
[8] Caruntu DI, Hefzy MS, Goel VK, Goitz HT, Dennis MJ, Agrawal V. Modeling the<br />
knee in deep flexion: "thigh and calf" contact. Proceedings of the Summer<br />
Bioengineering Conference; 2003 June 25-29; Key Biscayne, Florida; 2003.<br />
[9] Zelle J, Barink M, Loeffen R, Malefijt MDW, Verdonschot N. Thigh-calf contact<br />
force measurements in deep knee flexion. Clin Biomech. 2007; 22: 821-6.<br />
394
V86<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die<br />
Kniegelenksarthrose – Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie<br />
Monika A. Rieger 1,2 , André Klußmann 3 , Hansjürgen Gebhardt 3 , Matthias Nübling 4 , Falk Liebers 5 ,<br />
Bertil Bouillon 6 und die ArGon-Studiengruppe<br />
1<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />
Fakultät für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />
2<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27, 72074 Tübingen<br />
3<br />
Institut ASER e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal, Corneliusstraße 31, 42329 Wuppertal<br />
4<br />
Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), Bertoldstr. 27, 79098 Freiburg<br />
5<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Gruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter<br />
Erkrankungen“, Nöldnerstraße 40/42, 10317 Berlin<br />
6<br />
Lehrstuhl für Unfallchirurgie / Orthopädie der Universität Witten / Herdecke, Klinik für Unfallchirurgie und<br />
Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Merheim, Ostmerheimer Str. 200, 51058 Köln<br />
Zusammenfassung<br />
Ziel dieser Studie war es, im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie berufliche und<br />
außerberufliche Prädiktoren für die Kniegelenksarthrose zu ermitteln und zu bewerten<br />
sowie Präventionsmaßnahmen abzuleiten.<br />
Konstitutionelle Faktoren, Freizeitverhalten und berufliche Belastungen wurden mit<br />
einem standardisierten Fragebogen erhoben. Bei den Fällen erfolgte die Dokumentation<br />
des in der Regel arthroskopisch bzw. intraoperativ erhobenen Befundes (Schwere und<br />
Lokalisation des Knorpelschadens) gemäß ICRS-Standard.<br />
Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen und 571 Kontrollen zur Verfügung.<br />
In der multivariaten Analyse mittels konditionaler logistischer Regression umfasste das<br />
schlankste Modell für Männer die folgenden Faktoren mit signifikant erhöhter Odds Ratio:<br />
genetische Prädisposition, Übergewicht bzw. Adipositas, Knien im Beruf und das<br />
Ausüben einer Sportart mit erhöhtem Risiko für inapparente Traumen. Für Frauen<br />
zeigten sich ähnliche Risikofaktoren mit z.T. anderen Schwellenwerten, dazu wurden die<br />
Faktoren „Kniebeschwerden in der Kindheit“, „Heben und Tragen“ sowie<br />
Beinachsenfehlstellung mit einer signifikant erhöhten OR identifiziert. Die Faktoren<br />
Rauchen und Ausüben einer sitzenden Tätigkeit scheinen dagegen die<br />
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer GA bei Frauen zu reduzieren.<br />
Aufgrund der großen Vielfalt der erhobenen beruflichen, außerberuflichen sowie<br />
konstitutionellen potentiellen Risikofaktoren ermöglicht die ArGon-Studie die<br />
zusammenfassende Analyse verschiedener Prädiktoren in multivariaten Modellen.<br />
Ausgehend von den Ergebnissen sollten präventive Maßnahmen jeweils bei beruflichen<br />
und außerberuflichen Faktoren ansetzen und in erster Linie auf eine Reduktion von<br />
erhöhtem Körpergewicht und des Anteils kniebelastenden Tätigkeiten in Beruf und<br />
Freizeit zielen.<br />
395
V86<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Einleitung<br />
Als Risikofaktoren für die Kniegelenksarthrose (Gonarthrose (GA)) werden neben<br />
konstitutionellen Faktoren auch körperliche Fehlbelastungen und Zwangshaltungen<br />
diskutiert. Vor diesem Hintergrund sollte ein möglichst großes Spektrum von<br />
Risikofaktoren für die Entstehung und den Fortschritt einer Gonarthrose in der<br />
Zusammenschau bei Frauen und Männern untersucht werden mit dem Ziel,<br />
Präventionsmaßnahmen abzuleiten bzw. Zielgrößen für die Prävention der Gonarthrose<br />
zu beschreiben.<br />
Methoden<br />
Detaillierte Informationen zur Definition von Fällen und Kontrollen sowie zum<br />
eingesetzten Methodeninventar sind im Beitrag P130 in diesem <strong>Tagungsband</strong> (1)<br />
beschrieben. Die Rekrutierung erfolgte von Juli 2006 bis Juni 2008 in drei<br />
orthopädischen bzw. unfallchirurgischen Kliniken in Wuppertal und Köln. Die<br />
Repräsentativität der Kontrollen in Bezug auf Schulbildung, ausgeübte Berufe und<br />
Gesundheitszustand wurde anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit und z.B. der<br />
Dortmunder Gesundheitsstudie überprüft. Zur Auswertung wurden die stetigen Variablen<br />
(z.B. Dauer des Kniens bis zur Diagnose GA) zunächst als metrische Parameter<br />
behandelt, dann zur besseren Darstellung in kategoriale Variablen umgeformt<br />
(Mediansplit oder Bildung von Terzilen). Die Modellbildung erfolgte getrennt für Männer<br />
und Frauen, wobei – ausgehend vom Ergebnis bivariater Tests – in multivariaten<br />
Analysen mittels konditionaler logistischer Regression jeweils das schlankste Modell<br />
gebildet wurde.<br />
Ergebnisse<br />
Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen (438 Frauen, 301 Männer) und<br />
571 Kontrollen (303 Frauen, 268 Männer) zur Verfügung. Die Kontrollen zeigten z.B. bei<br />
der Verteilung der Berufe, dem Raucherstatus und der allgemeinen Krankheitsprävalenz<br />
eine gute Übereinstimmung mit den Vergleichsdaten. In der multivariaten Analyse<br />
umfasste das schlankste Modell für Männer die folgenden Faktoren mit signifikant<br />
erhöhter Odds Ratio (OR): genetische Prädisposition, Übergewicht bzw. Adipositas,<br />
Knien im Beruf (ab 2. Terzil (> 3.574 Stunden bis zur Diagnose der GA)), Ausüben einer<br />
Sportart mit erhöhtem Risiko für inapparente Traumen (Umfang größer Median (> 3.232<br />
Stunden bis zur Diagnose der GA)) (Abb.1). Für Frauen zeigten sich ähnliche<br />
Risikofaktoren mit z.T. anderen Schwellenwerten (Knien im Beruf ab 3. Terzil (> 8.934<br />
Stunden); Sport mit Risiko für inapparente Traumen in einem Umfang größer als der<br />
Median (> 1.440 Stunden)), dazu wurden die Faktoren „Kniebeschwerden in der<br />
396
V86<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Kindheit“, „Heben und Tragen“ sowie Beinachsenfehlstellung mit einer signifikant<br />
erhöhten OR identifiziert. Die Faktoren Rauchen und Ausüben einer sitzenden Tätigkeit<br />
scheinen dagegen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer GA bei Frauen zu<br />
reduzieren (Abb. 2).<br />
Abb. 1: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose bei Männern - Ergebnis der<br />
multivariaten Analyse, schlankstes Modell. Nagelkerke Pseudo R²=0,24; Hos.-Lem.=0,29<br />
Diskussion<br />
Aufgrund der großen Vielfalt der erhobenen beruflichen, außerberuflichen sowie<br />
konstitutionellen potentiellen Risikofaktoren ermöglichte die ArGon-Studie die<br />
zusammenfassende Analyse verschiedener Prädiktoren in multivariaten Modellen für<br />
Männer und erstmals auch für Frauen. Ebenso ließen sich erstmals Dosis-<br />
Wirkungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Ausprägungen der Prädiktoren (z.B.<br />
Adipositas und Knien) und dem Auftreten der Gonarthrose für Männer und Frauen<br />
aufzeigen. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass präventive Maßnahmen jeweils bei<br />
beruflichen und außerberuflichen Faktoren ansetzen und in erster Linie auf eine<br />
Reduktion von erhöhtem Körpergewicht und des Anteils kniebelastenden Tätigkeiten in<br />
Beruf und Freizeit zielen sollten. Der Faktor Rauchen, gemessen in Packungsjahren,<br />
wies eine negative Assoziation zur Kniegelenksarthrose auf. Dieses Phänomen wurde<br />
bereits mehrfach in anderen Studien in der Literatur diskutiert. Es wird vermutet, dass es<br />
sich hierbei um eine Störgröße oder um Veränderungen im Stoffwechsel in den<br />
Knorpelzellen handelt (2). Zu dieser Thematik sind weitere Untersuchungen erforderlich.<br />
Die in der Literatur diskutierten weiteren beruflichen Belastungen wie z.B. Springen und<br />
Treppen/Leitern Steigen zeigten in dieser Studie keinen signifikanten Zusammenhang<br />
397
V86<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
zur Kniegelenksarthrose. Dennoch spiegeln die Ergebnisse die Aussagen aus der<br />
Literatur recht gut wieder (3). Der Stellenwert von Freizeitsport bei der Entwicklung der<br />
GA muss weiter untersucht werden. Ebenso sollten in weitere Untersuchungen die<br />
Ergebnisse biomechanischer Untersuchungen (4) und detaillierter Tätigkeitsanalyse zur<br />
z.B. Körperhaltung und Lastenhandhabung sowie Häufigkeit des Aufstehens und<br />
Niederkniens einfließen.<br />
Danksagung<br />
Das Forschungsprojekt wurde initiiert, finanziert und fachlich begleitet von der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (Fremdforschungsprojekt<br />
F2096). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird finanziell<br />
unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V.<br />
(Südwestmetall).<br />
Literatur<br />
(1) Klußmann, A., Gebhardt, H., Nübling, M., Liebers, F., Bouillon, B., Rieger, M.A. und<br />
die ArGon-Studiengruppe: Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die<br />
Entstehung von Kniegelenksarthrose – Erste Ergebnisse der ArGon-Studie.<br />
Dokumentation der 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />
Umweltmedizin <strong>2009</strong>, P130.<br />
(2) Elloumi, M., Kallel, M.H.: Which relationship does osteoarthritis share with smoking?<br />
Osteoarthritis Cartilage. 2007 Sep;15(9):1097-8.<br />
(3) Jensen, L.K.: Knee osteoarthritis: influence of work involving heavy lifting, kneeling,<br />
climbing stairs or ladders, or kneeling/squatting combined with heavy lifting.<br />
OccupEnvironMed 2007;000:1-22; Review.<br />
(4) Glitsch, U., Lundershausen, N., Knieps, D., Johannknecht, A., Ellegast, R.:<br />
Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei Tätigkeiten im Hocken und Knien<br />
(V85), Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. <strong>2009</strong>, 44(3), 146.<br />
398
V86<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Abb. 2: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose bei Frauen - Ergebnis der<br />
multivariaten Analyse, schlankstes Modell. Nagelkerke Pseudo R²=0,38; Hos.-Lem.=0,35<br />
399
V87<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Plantare Druckbelastung bei verschiedenen Boden-Schuh-<br />
Kombinationen - eine Untersuchung an typischen Arbeitsplätzen<br />
der Automobilindustrie<br />
Ulrike Noll 1 , Elke Ochsmann 2 , Gerhard Krahn 3 , Siegfried Leuchte 4 , Thomas Kraus 2<br />
1 Abteilung Arbeitsschutz, Umweltschutz, Ergonomie, BMW AG Leipzig<br />
2<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
3<br />
Institut für Umwelttechnik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
4<br />
Institut für Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Aufgrund von Arbeitsplatzanforderungen verrichtet ein Großteil der berufstätigen<br />
Menschen ihre Arbeit vorrangig im Stehen und Gehen. Dies betrifft neben zahlreichen<br />
Berufen im Produktionsbereich vor allem Tätigkeiten im Verkauf und<br />
Gastronomiebereich. Die arbeitsbedingte Stehhaltung kann langfristig zu einer Belastung<br />
des gesamten Muskel-Skelett-Apparates und des hydrostatischen Kreislaufes führen. Im<br />
Sinne einer Belastungsreduzierung gibt es die Möglichkeit dämpfende Bodenbeläge als<br />
auch fußgerechtes, dämpfendes Schuhwerk zu verwenden. Ziel dieser Studie war es,<br />
anhand von plantaren Druckverteilungsmessungen und subjektiven Angaben eine<br />
Bewertung verschiedener Sicherheitsschuhe und Bodenbeläge vorzunehmen.<br />
Die gesamte Studiengruppe setzte sich aus 77 Mitarbeitern (Alter: 37,6 ± 9,4; Größe<br />
179,1 ± 7,9 cm; Gewicht 86,8 ± 18,1 kg) der Automobilfertigung zusammen, welche ihre<br />
Arbeit vorwiegend stehend und gehend auf harten Arbeitsuntergrund ausüben und mit<br />
dem Gebrauch von Sicherheitsschuhen und Arbeitsplatzmatten vertraut waren. Alle<br />
Probanden wurden zu verschiedenen Boden-Schuh-Kombinationen befragt und für die<br />
Messung der plantaren Druckverteilung wurde eine Versuchsgruppe von 10 Personen<br />
ausgewählt. Diese gingen in drei verschiedenen Sicherheitsschuhen einerseits auf<br />
Industriebeton und zum anderen auf einer mit Arbeitsplatzmatten ausgelegten<br />
Gehstrecke. Der erste Sicherheitsschuh war durch ein Dämpfungselement<br />
gekennzeichnet, welches im Fersenabsatz eingeschäumt war. Die Dämpfung des<br />
zweiten Sicherheitsschuhes wurde im Fersenbereich durch auswechselbare,<br />
gewichtsabhängige Module und im Vorfuß (Ballen- und Zehenbereich) durch ein<br />
zusätzliches Dämpfungselement realisiert. Der dritte Sicherheitsschuh war durch eine<br />
halbrunde Sohlenkonstruktion gekennzeichnet, welche Belastungen auf den<br />
Bewegungsapparat sowohl beim Gehen als auch beim Stehen im Sinne eines<br />
dynamischen Gehens und Stehens verändern soll. Die Arbeitsplatzmatte bestand aus<br />
Polyurethan und die Oberfläche zeigte eine abgeflachte Noppenstruktur. Zusätzlich<br />
wurde eine Messung der Barfußbewegung erfasst, welche als Referenzmessung diente.<br />
Für die Auswertung der plantaren Druckverteilungsmessung wurden die Messgrößen<br />
Maximaldruck, Fußkontaktfläche und mittlerer Druck für einen gemittelten Schritt aus 10<br />
400
V87<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
aufgezeichneten Schritten herangezogen. Die Messparameter wurden für den gesamten<br />
Fuß sowie die Teilbereiche Vor-, Mittel- und Rückfuß erhoben.<br />
Anhand der plantaren Druckverteilungsmessungen ließen sich grundsätzlich die Effekte<br />
dämpfender Schuhbestandteile aufzeigen. So konnte beispielsweise im Rückfußbereich<br />
bei allen getesteten Sicherheitsschuhen eine Reduktion der Spitzendruckwerte und eine<br />
Vergrößerung der druckaufnehmenden Flächen gegenüber barfuß verzeichnet werden.<br />
Hierbei erwies sich der Einbau von Dämpfungselementen zum Fuß hin als vorteilhaft.<br />
Generell traten die niedrigsten Druckwerte beim zweiten Sicherheitsschuh mit Vor- und<br />
Rückfußdämpfung in der Innensohle auf und die höchsten Druckwerte im ersten<br />
Sicherheitsschuh. Die belastungsreduzierende Wirkung der Arbeitsplatzmatte konnte<br />
lediglich im Barfußgang und nicht für die drei Schuhkonditionen nachgewiesen werden.<br />
So lagen die gemessenen Druck- und Flächenwerte im gleichen Sicherheitsschuh beim<br />
Gehen auf Beton als auch auf Matte annährend gleich. Mögliche Ursache hierfür sind die<br />
Laufsohlen, die aufgrund von Sicherheitsanforderungen bestimmte Härten bzw.<br />
Steifigkeiten aufweisen müssen und dadurch der Dämpfungseffekt einer Matte stark<br />
gemindert wird. Obgleich die Druckmessungen den Einsatz von Arbeitsplatzmatten in<br />
Hinblick auf eine zusätzliche Druckreduzierung nicht notwendig erscheinen ließen,<br />
sprachen sich 63 % der Befragten für das Arbeiten auf einer Arbeitsplatzmatte aus. Dies<br />
zeigt, dass bei der Entscheidungsfindung für das optimale Boden-Schuh-System viele<br />
Faktoren eine Rolle spielen und die Dämpfung nur einen Teilaspekt darstellt. Die<br />
Präferenz für bestimmte Entscheidungskriterien im Komplexsystem Boden-Schuh liegt<br />
individuell verschieden und erfordert weitere genauere Untersuchungen.<br />
Neben den Erkenntnissen über den Einfluss verschiedener Sicherheitsschuhe auf die<br />
Druckbelastung am Fuß ist es weiterhin interessant, wie sich unterschiedlich konstruierte<br />
Sicherheitsschuhe auf den darüber liegenden Stütz- und Bewegungsapparat auswirken.<br />
Dieses Ziel verfolgt eine weiterführende Studie, wobei die Messungen, unter<br />
Zuhilfenahme des vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung entwickelten CUELA-Systems (Computer unterstützte Erfassung und<br />
Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems), direkt am Arbeitsplatz<br />
durchgeführt werden. Neben den Parametern der Druckverteilungsmessung können<br />
hierbei auch Messvariablen der Körperhaltung untersucht werden.<br />
401
V88<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Risikoabschätzung bei Ganzkörper-Schwingungen mittels<br />
Schwingungsbewertung nach VDI 2057 und einer<br />
kraftbezogenen Bewertung - Methodenvergleich<br />
Martin Fritz, Oliver Geiss<br />
Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung, Universität Dortmund (IfADo)<br />
Ziel der Studie<br />
Die langjährige Belastung durch intensive Ganzkörper-Schwingungen kann, wie im<br />
Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2110 (2005) beschrieben, zu gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule führen. Aufgrund zahlreicher<br />
Studien zu Tätigkeiten mit Handhabung von Lasten wird auch bei Schwingungsbelastung<br />
angenommen, dass die in der Lendenwirbelsäule wirkenden Kräfte eine wichtige<br />
Teilursache für die Entstehung der degenerativen Erkrankungen darstellen. Doch werden<br />
die Wirbelsäulenkräfte bei den in den Normen bzw. Richtlinien beschriebenen Verfahren<br />
zur Bewertung von Schwingungsbelastungen in der Regel nicht berücksichtigt. Bisherige<br />
Ausnahme ist der Standard ISO 2631-5 (2004).<br />
Ziel der vorliegenden Studie, die von der Gesetzlichen Deutschen<br />
Unfallversicherung gefördert wurde, war es, die am IfADo entwickelte kraftbezogene<br />
Schwingungsbewertung mit der Bewertung gemäß VDI 2057, Blatt 1 (2002) zu<br />
vergleichen und die adäquate Abbildung des Gesundheitsrisikos anhand von<br />
epidemiologischen Daten zu prüfen.<br />
Methoden<br />
Mit dem am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung entwickelten biomechanischen<br />
Modell wurden zunächst für Testschwingungen bei aufrechter Sitzhaltung die Druckkräfte<br />
in den Bewegungssegmenten L3-L4 und L5-S1 der Wirbelsäule simuliert. Aus den<br />
Übertragungsfunktionen zwischen der vertikalen Sitzbeschleunigung und den simulierten<br />
Druckkräften wurden dann Faktoren für eine so genannte kraftbezogene<br />
Schwingungsbewertung hergeleitet werden.<br />
Für 227 im Feld gemessene Sitzbeschleunigungen wurden anhand der<br />
Frequenzspektren die frequenzbewerteten Beschleunigungen nach VDI 2057, Blatt 1<br />
(2002) berechnet. Ebenso wurde für jedes Spektrum unter Verwendung der<br />
kraftbezogenen Bewertungsfaktoren ein kraftbezogener Schwingungskennwert ermittelt.<br />
In Abbildung 1 sind beispielhaft für das Bewegungssegment L3-L4 die Verhältnisse<br />
zwischen einander entsprechenden Kennwerten in Abhängigkeit von der<br />
Medianfrequenz dargestellt. Der Zusammenhang zwischen diesen Verhältnissen und der<br />
Medianfrequenz wurde durch Regressionsfunktionen angenähert. Die Medianfrequenz<br />
402
V88<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
dient zur Charakterisierung der Frequenzgehalte der Sitzschwingungen auf den<br />
untersuchten Fahrzeugen und Maschinen.<br />
Abbildung 1: Verhältnisse zwischen dem kraftbezogenen Schwingungskennwert und der<br />
frequenzbewerteten Beschleunigung sowie die Regressionsfunktion (Fritz et al. 2007).<br />
Mit den Regressionsfunktionen wurden die im Rahmen der epidemiologischen<br />
Studie, welche von der Heinrich-Heine-Universität in den Jahren 1990 bis 1995<br />
durchführt wurde (Schwarze et al. 1998), erhobenen Belastungsdaten in kraftbezogene<br />
Schwingungskennwerte umgerechnet. Für eine einheitliche Beurteilungsdauer von 8 h<br />
wurden aus den Kennwerten energieäquivalent kraftbezogene Beurteilungsgrößen<br />
berechnet. Diese wurden mit den Beurteilungsbeschleunigungen der Studie verglichen.<br />
Weiterhin wurde der Zusammenhang zwischen den ebenfalls in der epidemiologischen<br />
Studie ermittelten Erkrankungsdaten bezüglich des Lumbalsyndroms und den<br />
kraftbezogenen Beurteilungsgrößen analysiert.<br />
Ergebnisse<br />
An der epidemiologischen Studie nahmen 388 Fahrer von Erdbaumaschinen,<br />
Gabelstapler und Lastkraftwagen teil. Durch Wechseln der Tätigkeit oder des<br />
Fahrzeuges waren die Fahrer in insgesamt 1477 Tätigkeitsabschnitten<br />
Schwingungsbelastungen mit gleichbleibender Intensität ausgesetzt. Für die<br />
Tätigkeitsabschnitte wurden sowohl die Beurteilungsbeschleunigung in vertikaler z-<br />
Richtung als auch die kraftbezogenen Beurteilungsgrößen für die Bewegungssegmente<br />
403
V88<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
L3-L4 und L5-S1 ermittelt. Die Zusammenhänge zwischen der<br />
Beurteilungsbeschleunigung und den beiden kraftbezogenen Beurteilungsgrößen<br />
konnten durch nichtlineare Regressionsfunktionen dargestellt werden. Es ist die Tendenz<br />
zu erkennen, dass mit zunehmender Schwingungsintensität die kraftbezogenen<br />
Beurteilungsgrößen stärker ansteigen als die Beurteilungsbeschleunigung. Für beide<br />
Datensätze ergab sich eine gute Korrelation mit r > 0,93.<br />
Die adäquate Abbildung des Risikos an einem Lumbalsyndrom zu erkranken wurde<br />
mittels logistischer Regression überprüft. 73 der untersuchten Fahrer klagten schon nach<br />
dem ersten Jahr mit Schwingungsbelastung über Rückenbeschwerden und wurden bei<br />
der Berechnung der Odds Ratios nicht berücksichtigt. Für die verbleibenden 315 Fahrer<br />
wurde gemäß den Ergebnissen von Notbohm et al. (2007) zur Quantifizierung der<br />
individuellen Schwingungsbelastung jeweils nur der Tätigkeitsabschnitt mit maximaler<br />
Schwingungsbelastung ausgewertet. In Tabelle 1 sind die Odds Ratios für die<br />
Beurteilungsbeschleunigung und die beiden kraftbezogenen Beurteilungsgrößen<br />
aufgelistet. Die Odds Ratios sind für die drei Beurteilungsgrößen nahezu gleich groß.<br />
Tabelle 1: Logistische Regression, Odds Ratio bezogen auf eine Schrittweite des Prädiktors<br />
von 0,1 m/s 2 .<br />
Prädiktor Odds Ratio 95 % Konfidenzintervall<br />
a wz(8) [ m/s 2 ] 1,154 1,060 1,257<br />
a FzL3L4(8) [ m/s 2 ] 1,120 1,036 1,212<br />
a FzL5S1(8) [ m/s 2 ] 1,108 1,034 1,187<br />
Überlagert wird das durch die Schwingungsbelastung hervorgerufene<br />
Gesundheitsrisiko durch das Risiko, dass sich auch mit zunehmendem Alter ein<br />
Lumbalsyndrom entwickeln kann. Die Odds Ratio für dieses Risiko liegt, bezogen auf ein<br />
Lebensjahr, bei 1,055 mit einem Konfidenzintervall von 1,029 bis 1,081.<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen<br />
Im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2110 wird ein enger Zusammenhang zwischen<br />
der vertikalen Schwingungsbelastung, den schwingungsinduzierten Druckkräften und<br />
den Erkrankungen der Lendenwirbelsäule gesehen. Deshalb werden hier auch nur die<br />
aus den Druckkräften abgeleiteten Beurteilungsgrößen diskutiert.<br />
Fritz et al. (2005) berichten, dass durch die kraftbezogenen Faktoren tieffrequenten<br />
Schwingungsanteile höher bewertet werden als mit den Faktoren in VDI 2057, Blatt 1<br />
(2002), die über die Schwingungsempfindung abgeleitet wurden. Die Unterschiede<br />
führen jedoch nicht zu einer verbesserten Abschätzung des Gesundheitsrisikos mittels<br />
der kraftbezogenen Beurteilungsgrößen, wie den Odds Ratios in Tabelle 1 zu entnehmen<br />
404
V88<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
ist. Matsumoto und Griffin (2005) konnten zeigen, dass bezüglich Frequenz- und<br />
Intensitätsabhängigkeit eine gute Übereinstimmung auch zwischen der<br />
Schwingungsempfindung und der mechanischen Größe „scheinbare Masse“ besteht. Es<br />
kann somit angenommen werden, dass der Mensch ein Gefühl für die mechanische<br />
Belastung seines Muskel-Skelett-Systems auch unter Schwingungsbelastung hat. Als<br />
Sensoren für diese Belastungen können die Mechanorezeptoren in der Gesäßhaut sowie<br />
die Nervenendigungen in den äußeren Schichten des Faserrings der Bandscheiben<br />
dienen.<br />
Es konnte gezeigt werden, dass bei aufrechter Sitzhaltung das Gesundheitsrisiko<br />
durch beide Arten der Beurteilungsgrößen gleich gut abgebildet. Ob dies z.B. auch beim<br />
Sitzen mit vorgeneigtem Oberkörper, einer häufig von Fahrern auf Containerbrücken<br />
eingenommenen Sitzhaltung, gilt, muss überprüft werden, da durch die notwendige<br />
Haltearbeit der Rückenmuskulatur die statischen Kraftanteile in den<br />
Bewegungssegmenten erhöht sind.<br />
Literatur<br />
Fritz, M., Fischer, S., Bröde, P.: Vibration induced low back disorders – comparison of<br />
the vibration evaluation according to ISO 2631 with a force-related evaluation, Applied<br />
Ergonomics, 36, 2005,481-488.<br />
Fritz, M., Geiß, O., Fischer, S.: Vergleich der Schwingungsbewertung von Ganzkörper-<br />
Schwingungen gemäß VDI 2057 von 1987 mit der aktuellen Bewertung sowie einer<br />
kraftbezogenen Bewertung, In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.):<br />
Kompetenzentwicklung in realen und virtuellen Arbeitssystemen, GfA-Press, Dortmund,<br />
2007, 553-556.<br />
ISO 2631-5: Mechanical vibration and shock – Evaluation of human exposure to wholebody<br />
vibration – Method for evaluation of vibration containing multiple shocks.<br />
International Organization for Standardization, Geneva, 2004.<br />
Matsumoto, Y., Griffin, M.J.: Nonlinear subjective and biodynamic responses to<br />
continuous and transient whole-body vibration in the vertical direction, J Sound Vibration<br />
287, 2005, 919–937.<br />
Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung<br />
(BKV), Bek. Des BMGS vom 1. Juni 2005, Bundesarbeitsblatt 7-2005, S. 43ff<br />
Notbohm, G., Schwarze, S., Albers, M.: Reanalyse von Daten der epidemiologischen<br />
Studie „Ganzkörpervibration“, In: VDI Wissensforum IWB GmbH (Hrsg.), VDI-Berichte<br />
2002, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf, 2007, 29-44.<br />
Schwarze, S., Notbohm, G., Hartung, E., Dupuis, H.: Auswirkungen von<br />
Ganzkörperschwingungen auf die Lendenwirbelsäule.<br />
Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 33, 1998, 429-442.<br />
VDI 2057, Blatt 1: Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen –<br />
Ganzkörper-Schwingungen. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2002.<br />
405
V89<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Vergleichende ergonomische Laboranalyse besonders<br />
dynamischer Büroarbeitsstühle<br />
Rolf Ellegast 1 , Kathrin Keller 1 , Helmut Berger 2 , Frank Krause 3 , Liesbeth Groenesteijn 3 , Merle<br />
Blok 3 , Peter Vink 3<br />
1<br />
BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757<br />
Sankt Augustin<br />
2<br />
VBG – Ihre Gesetzliche Unfallversicherung, Nikolaus-Dürkopp-Str. 8, 33602 Bielefeld<br />
3<br />
TNO Work and Employment, P.O. Box 718 NL-2130 AS Hoofddorp, Niederlande<br />
Einleitung<br />
Häufiges und dauerhaftes Arbeiten in statischen Sitzhaltungen kann bei Beschäftigten an<br />
Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen zu Verspannungen der Muskulatur und zu<br />
Wirbelsäulenbeschwerden führen [1]. Hierbei kann es sowohl zu statischen<br />
Überbelastungen der Muskulatur, insbesondere im Schulter-Nackenbereich, als auch zu<br />
funktionellen Unterbeanspruchungen bestimmter Muskelpartien, wie beispielsweise der<br />
Rücken- und Bauchmuskulatur, kommen [2]. In den vergangenen Jahren wurde daher<br />
bei der Entwicklung von Bürodrehstühlen das Konzept des dynamischen Sitzens<br />
gefördert. Einige Hersteller von Bürodrehstühlen haben durch konstruktive Elemente, wie<br />
z. B. einer dynamischen Aufhängung der Sitzfläche oder auch einer aktiven<br />
Eigenrotation der Sitzfläche, besondere Stuhleigenschaften geschaffen, die das<br />
dynamische Sitzen fördern und damit Muskel-Skeletterkrankungen an Büro- und<br />
Bildschirmarbeitsplätzen präventiv vermeiden sollen. Auf Initiative der VBG wurde vor<br />
diesem Hintergrund am BGIA in Kooperation mit dem niederländischen TNO-Institut eine<br />
vergleichende ergonomische Untersuchung zur Evaluierung von vier besonderen<br />
dynamischen Büroarbeitsstühlen im Vergleich zu einem konventionellen Büroarbeitsstuhl<br />
im Labor und Feld durchgeführt [3]. Die Fragestellungen des hier vorgestellten Laborteils<br />
der Studie waren:<br />
Führen besondere dynamische Büroarbeitsstühle im Vergleich zum Referenzstuhl zu<br />
einer signifikanten Veränderung der Muskelaktivität (m. erector spinae, m. trapezius), der<br />
Sitzhaltungen/-bewegungen und der physischen Aktivität?<br />
Welchen Einfluss haben verschiedene Tätigkeiten auf das Ausmaß der Bewegung und<br />
der muskulären Aktivität an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen?<br />
Methoden<br />
In Laborumgebung wurde ein praxisnaher Bildschirm- und Büroarbeitsplatz aufgebaut.<br />
10 Probanden (5 Männer und 5 Frauen) nahmen an den Laborversuchen teil. Das<br />
mittlere Alter der Männer betrug 35,2 Jahre (SD: 12,3 Jahre) und der Frauen 34,8 Jahre<br />
(SD: 12,7 Jahre). Die Körpergröße lag im Bereich von 1,75 m bis 1,86 m bei den<br />
Männern und von 1,62 m bis 1,68 m bei den Frauen. Das Körpergewicht variierte von 76<br />
kg bis 100 kg bei den Männern und von 47 kg bis 78 kg bei den Frauen.<br />
406
V89<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Vier besonders dynamische Büroarbeitsstühle mit den Labeln A, B, C, und E sowie ein<br />
Referenzstuhl (D) wurden vergleichend untersucht. Stuhl A besaß einen Motor unter der<br />
Sitzfläche, der fünfmal in der Minute eine Rotation um 0,8° nach links und rechts<br />
ausführte. Stuhl B war mit einem Federsystem ausgestattet, das Schwingungen der<br />
Sitzfläche in der Horizontalen erlaubt. Die Sitzfläche von Stuhl C war durch ein spezielles<br />
Pendelgelenk dynamisch aufgehängt. Stuhl E besaß ebenfalls ein spezielles Sitzgelenk,<br />
mit dem besondere Sitzflächenneigeverstellungen ermöglicht werden. Der Referenzstuhl<br />
D hatte keine besonderen dynamischen Eigenschaften. Alle Stühle, mit Ausnahme des<br />
Stuhls C, waren mit einer Synchronmechanik ausgestattet.<br />
Jeder Proband testete im Labor alle fünf Bürodrehstühle bei der Durchführung der<br />
folgenden, standardisierten Tätigkeiten (Dauer der Tätigkeit in Klammern):<br />
Lesen und Korrigieren (zweimal jeweils 10 Minuten)<br />
Wordprocessing (zweimal jeweils 20 Minuten)<br />
Konzentrierte Mausnutzung (20 Minuten)<br />
Aktensortieren (10 Minuten)<br />
Telefonieren (10 Minuten)<br />
Die Körperhaltungs und –bewegungsmessung erfolgte mittels des CUELA-Messsystems<br />
für sitzende Tätigkeiten [3]. Aus den Messsignalen der 3D-Beschleunigungsaufnehmer<br />
wurden folgende Körper-/Gelenkwinkel berechnet: Kopfneigung (sagittal und lateral),<br />
Flexion/Extension und Lateralflexionen der Wirbelsäule im Brustwirbelsäulen- (Th 3)<br />
sowie Lendenwirbelsäulenbereich (L1 und L5), Kyphose-/Lordose der<br />
Lendenwirbelsäule, Lage der Ober- und Unterschenkel (rechts/links) im Raum. Die 3D-<br />
Beschleunigsmesswerte wurden darüber hinaus in körperliche Aktivitätsmaße (PAI-<br />
Werte) umgerechnet [4].<br />
Mittels Oberflächen-Elektromyographie (EMG) wurde die Muskelaktivität des Musculus<br />
trapezius (rechts/links) und Musculus erector spinae (rechts/links) gemessen. Zur<br />
Bewertung der EMG-Signale wurde der RMS-Wert aus den EMG-Rohsignalen<br />
berechnet. Zur Normierung der RMS-Werte führten die Probanden zu Beginn und zum<br />
Ende der Messung Referenztätigkeiten aus, so dass alle Muskelaktivitäten in Bezug zu<br />
einer Referenzaktivität (RVC – Reference Voluntary Contraction) stehen.<br />
Zur Messung der Einstellung des Bürodrehstuhles wurden Beschleunigungsaufnehmer<br />
zur 2D-Erfassung der Rückenlehnen- und Sitzflächenneigung eingesetzt. Mit FSR-<br />
Drucksensoren (jeweils sechs auf der Sitzfläche und der Rückenlehne und jeweils drei<br />
auf den Armlehnen) wurde der zeitliche und räumliche Umfang der Nutzung von<br />
Sitzfläche, Armlehne und Rückenlehne erfasst.<br />
407
V89<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Alle Messdaten wurden synchron mit einer Abtastfrequenz von 50 Hz in einem<br />
Datenlogger des CUELA-Messsystems erfasst und wurden in der CUELA-Software<br />
zusammen mit einer digitalisierten Videoaufnahme der Arbeitsplatzsituation ausgewertet.<br />
Zur statistischen Auswertung wurden die folgenden beiden Nullhypothesen überprüft:<br />
1. Die Stühle bewirken ein gleiches Ausmaß an Bewegung und muskulärer Aktivität.<br />
2. Die Tätigkeiten bewirken ein gleiches Ausmaß an Bewegung und muskulärer<br />
Aktivität.<br />
Hierzu wurde eine ANOVA-Analyse mit Messwiederholungen (Allgemeines Lineares<br />
Modell, ALM) bei einem Signifikanzniveau von p< 0,05 mit der Software SPSS (Vers.<br />
15.0) durchgeführt.<br />
Ergebnisse<br />
In Tabelle 1 sind die über 10 Probanden gemittelten Mittelwerte, 50. und 95. Perzentile<br />
der Verteilungen der Muskelaktivitäten (m. erector spinae und m. trapezius, jeweils<br />
rechts und links) in %RVC für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den<br />
Referenzstuhl D, zusammen mit den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der<br />
Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit, dargestellt. Die EMG-Messungen lieferten über<br />
alle untersuchten Tätigkeiten im Labor geringe Muskelaktivitäten mit Werten kleiner 20<br />
%RVC (Mediane). In den 95.Perzentilwerten der Verteilungen der Muskelaktivitäten<br />
wurden für alle untersuchten Muskeln Werte kleiner 50 %RVC gemessen. Die<br />
Streuungen der Muskelaktivitäten des m. trapezius links/rechts waren größer als die des<br />
m. erector spinae links/rechts. Es konnten keine signifikanten Unterschiede der Muskelaktivitäten<br />
für die besonderen dynamischen Stühle im Vergleich zum Referenzstuhl<br />
gemessen werden. Im Gegensatz hierzu wurden beim Vergleich der standardisierten<br />
Tätigkeiten signifikante Unterschiede der EMG-Aktivitäten ermittelt. Insbesondere waren<br />
die Aktivitäten des m. trapezius rechts/links stark von den ausgeführten Tätigkeiten<br />
abhängig.<br />
Tabelle 2 zeigt die über 10 Probanden gemittelten Mittelwerte, 50. und 95. Perzentile der<br />
Verteilungen ausgewählter Körperwinkel und physischer Aktivitätsindizes (PAI-Werte) in<br />
° bzw. %g für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl<br />
D. Die zugehörigen Standardabweichungen sind in Klammern angegeben. Ferner sind<br />
die statistischen Ergebnisse (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit<br />
gelistet. Wie erwartet, wurden negative Beckenneigungswinkel (gegenüber dem<br />
aufrechten Stand) mit Werten zwischen -13° und -20° für die Mediane gemessen. Die<br />
Rumpfneigungswinkel lagen für alle Stühle in den Medianen im aufrechten bis leicht<br />
nach hinten geneigten Winkelbereich (zwischen -3° und 1°). Die Lendenwirbelsäule war<br />
überwiegend in Kyphosehaltung mit Medianwerten zwischen 43 % und 57 % der<br />
maximalen individuellen Kyphosehaltungen. Für alle Stühle waren die physischen<br />
408
V89<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Aktivitätsindizes (PAI-Werte) der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule (am<br />
Lendenwirbel L1) auch im 95.Perzentil kleiner als 1%g. Die Messungen der<br />
Körperhaltungen und -winkel sowie der physischen Aktivitäten (PAI-Werte) ergaben<br />
ebenfalls nur in Ausnahmen signifikante Unterschiede zwischen den besonderen<br />
dynamischen Stühlen und dem Referenzstuhl. Lediglich bei den PAI-Werten von L1<br />
zeigten die Innersubjekteffekte für den Stuhl signifikante Unterschiede, die auf<br />
Differenzen im Vergleich der Stühle A mit dem Referenzstuhl D zurückzuführen waren.<br />
Allerdings ist das physische Aktivitätsniveau für beide Stühle bei den hier untersuchten<br />
standardisierten Tätigkeiten sehr gering. Im Gegensatz hierzu wurden beim Vergleich<br />
der standardisierten Tätigkeiten signifikante Unterschiede der Körperhaltungen und PAI-<br />
Werte zwischen den einzelnen standardisierten Tätigkeiten ermittelt.<br />
Beim Vergleich der gemessenen Sitzparameter (Sitzflächenneigung und –seitneigung<br />
sowie Rückenlehnenneigung) wurden zwischen den dynamischen Stühlen und dem<br />
Referenzstuhl z. T. signifikante Unterschiede ermittelt, die aber offensichtlich keinen<br />
signifikanten Einfluss auf die Sitzdynamik der Probanden hatte.<br />
Diskussion<br />
Die Laboruntersuchung ergab, dass die untersuchten dynamischen Büroarbeitsstühle im<br />
Vergleich zum Referenzstuhl zu keiner signifikanten Veränderung der Muskelaktivität (m.<br />
erector spinae, m. trapezius) und der Sitzhaltungen/-bewegungen führte. Der Einfluss<br />
der verschiedenen Tätigkeiten auf das Ausmaß der Bewegung und der muskulären<br />
Aktivität am Büro- und Bildschirmarbeitsplatz war bei den standardisierten<br />
Laborversuchen dagegen signifikant. Die ausgeübte Tätigkeit hat demnach einen<br />
größeren positiven Einfluss auf die individuelle Sitzdynamik des Menschen als die<br />
Beschaffenheit der untersuchten Büroarbeitsstühle. Dieser Aspekt sollte bei der<br />
ergonomischen Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen Berücksichtigung<br />
finden.<br />
Literatur<br />
[1] Rohlmann, A., Wilke, H.-J., Graichen, F., Bergmann, G.. Wirbelsäulenbelastung beim Sitzen<br />
auf einem Bürostuhl mit nach hinten kippbarer Rückenlehne. Biomed Techn (Berl) 47 (2002) 91-<br />
96.<br />
[2] Diebschlag, W., Heidinger, F.. Ergonomische Sitzgestaltung zur Prävention<br />
sitzhaltungsbedingter Wirbelsäulenschädigungen. Arbeitsmed Sozialmed Präventivmed (ASP) 25<br />
(1990) 123-126.<br />
[3] Ellegast, R.P., Keller, K., Hamburger, R., Berger, H., Krause, F., Groenesteijn, L., Blok, M.,<br />
Vink, P.. Ergonomische Untersuchung besonderer Büroarbeitsstühle. BGIA-Report 5/2008, ed.:<br />
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Sankt Augustin 2008,<br />
http://www.dguv.de/bgia/de/pub/rep/rep07/bgia0508/index.jsp.<br />
[4] Weber, B., Wiemeyer, J., Hermanns, I., Ellegast, R.. Assessment of everyday physical activity:<br />
Development and evaluation of an accelerometry based measuring system. Int. Journal of<br />
Computer Sciences in Sport, 6 (2007), 4-20.<br />
409
V89<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
A B C E D Stuhl Tätigkeit<br />
Muskelaktivität<br />
EMG erector spinae links (%RVC)<br />
Mittelwert 10,6 (8,0) 11,7 (10,4) 7,7 (10,6) 9,8 (8,3) 11,0 (9,8) 0,359 0,009<br />
50. Perzentil 9,9 (9,2) 10,2 (9,3) 7,0 (11,4) 8,6 (9,0) 10,2 (10,2) 0,526 0,010<br />
95. Perzentil 22,6 (11,6) 27,8 (40,9) 19,8 (13,6) 22,9 (14,9) 21,0 (13,4) 0,353 0,539<br />
EMG erector spinae rechts (%RVC)<br />
Mittelwert 10,2 (9,0) 11,5 (8,5) 9,8 (10,1) 9,2 (8,3) 11,0 (6,8) 0,789 0,003<br />
50. Perzentil 9,4 (9,9) 10,6 (9,2) 8,9 (11,1) 8,5 (9,3) 10,1 (7,4) 0,838 0,007<br />
95. Perzentil 23,5 (11,5) 27,2 (27,0) 23,2 (13,8) 20,6 (10,5) 21,5 (10,7) 0,453 0,280<br />
EMG trapezius links (%RVC)<br />
Mittelwert 11,7 (18,5) 10,6 (21,2) 6,9 (30,5) 12,8 (19,3) 8,0 (23,1) 0,594 0,000<br />
50. Perzentil 9,9 (18,5) 8,4 (20,7) 4,2 (30,8) 11,5 (18,4) 7,0 (22,1) 0,394 0,000<br />
95. Perzentil 30,6 (32,9) 33,1 (41,7) 33,1 (49,1) 29,5 (32,7) 25,8 (33,5) 0,903 0,000<br />
EMG trapezius rechts (%RVC)<br />
Mittelwert 18,4 (23,3) 19,1 (25,4) 13,1 (23,5) 13,6 (19,7) 10,0 (21,0) 0,276 0,000<br />
50. Perzentil 15,2 (24,0) 15,3 (26,5) 9,3 (24,8) 10,9 (20,0) 7,3 (21,6) 0,265 0,000<br />
95. Perzentil 44,0 (38,7) 48,7 (38,5) 41,3 (37,1) 36,1 (31,1) 33,1 (28,8) 0,199 0,000<br />
Stuhl<br />
Innersubjekteffekte<br />
Tabelle 1: Mittelwerte (Standardabweichung) über 10 Probanden der Mittelwerte, 50. und 95.<br />
Perzentile der Verteilungen der Muskelaktivitäten (m. erector spinae und m. trapezius) in %RVC<br />
für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl D, zusammen mit<br />
den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit.<br />
Stuhl<br />
Innersubjekteffekte<br />
A B C E D Stuhl Tätigkeit<br />
Körperwinkel<br />
Beckenneigung (°)<br />
Mittelwert -13 (13) -18 (14) -17 (15) -20 (16) -17 (15) 0,151 0,000<br />
50. Perzentil -13 (14) -18 (15) -17 (16) -20 (17) -18 (16) 0,165 0,000<br />
95. Perzentil -6 (14) -11 (14) -12 (15) -13 (17) -10 (16) 0,204 0,000<br />
Rumpfneigung (°)<br />
Mittelwert 1 (10) -2 (11) 0 (13) -3 (13) -2 (12) 0,448 0,000<br />
50. Perzentil 1 (11) -2 (12) 0 (13) -3 (14) -3 (12) 0,433 0,000<br />
95. Perzentil 7 (12) 5 (11) 4 (13) 3 (15) 5 (12) 0,572 0,020<br />
Lordose / Kyphose (%ind.max.)<br />
Mittelwert 57 (20) 43 (26) 47 (32) 55 (21) 53 (24) 0,126 0,001<br />
50. Perzentil 57 (20) 43 (27) 47 (32) 56 (22) 53 (25) 0,126 0,002<br />
95. Perzentil 67 (19) 58 (22) 58 (27) 66 (21) 64 (22) 0,379 0,000<br />
Physische Aktivität (PAI)<br />
PAI BWS (%g)<br />
Mittelwert 0,3 (0,2) 0,4 (0,1) 0,3 (0,2) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,310 0,000<br />
50. Perzentil 0,2 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,561 0,000<br />
95. Perzentil 0,8 (0,4) 0,9 (0,4) 0,8 (0,4) 0,8 (0,4) 0,8 (0,4) 0,210 0,000<br />
PAI L1 (%g)<br />
Mittelwert 0,2 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,2 (0,1) 0,003 0,000<br />
50. Perzentil 0,1 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,018 0,000<br />
95. Perzentil 0,5 (0,3) 0,6 (0,3) 0,6 (0,4) 0,6 (0,3) 0,6 (0,4) 0,010 0,000<br />
Tabelle 2: Mittelwerte (Standardabweichung) über 10 Probanden der Mittelwerte, 50. und 95.<br />
Perzentile der Verteilungen ausgewählter Körperwinkel und physischer Aktivitätsindizes (PAI-<br />
Werte) in ° bzw. %g für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl<br />
D, zusammen mit den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und<br />
Tätigkeit.<br />
410
V90<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Zur Biomechanik des dynamischen Sitzens<br />
Fritz Andreas Schön, Dieter Preim<br />
Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen<br />
Im Zusammenhang mit der Biomechanik des Sitzverhaltens spielt der Neigungswinkel<br />
einer Sitzfläche eine entscheidende Rolle. Die Hersteller von Bürodrehstühlen haben in<br />
dieser Hinsicht eine unterschiedliche Meinung, was den Neigungsgrad betrifft. Dieser<br />
reicht von -2° im geringsten bis zu -15° im stärksten Fall. Weil diese Frage für die<br />
Beurteilung von ergonomischen Arbeitsstühlen eine entscheidende Rolle spielt, haben<br />
wir dies in einer Studie an 32 gesunden freiwilligen Versuchspersonen versucht, einmal<br />
näher zu beleuchten. (Schön & Preim, 2000)<br />
Der dafür entwickelte Versuchsträger verfügte über einen elektromotorischen Antrieb,<br />
der über eine Gewindespindel die Sitzfläche in 4,5 Sekunden um ein Grad hob oder<br />
senkte, so dass sich der Proband mittels Wipptaste in den für ihn angenehmsten<br />
Sitzwinkel hineinfühlen konnte.<br />
Auf der Basis von über 1500 Einzelmessungen konnte so ein mittlerer Sitzneigewinkel<br />
von -8° ermittelt werden wobei kurzfristige Neigungswinkel von -12° erreicht wurden.<br />
Geschlechtsspezifische Unterschiede konnten statistisch nicht gesichert werden.<br />
Der Neigungswinkel auf einer beweglichen Sitzfläche ist allerdings nicht allein von der<br />
Beckenkippung abhängig sondern auch von der Beinstellung.<br />
Dies zeigte ein weiterer Versuch auf demselben Versuchsträger, nachdem der<br />
elektromotorische Antrieb entfernt und durch eine Druck- und Zugfeder mit einer<br />
Federkraft von 340 N ersetzt wurde. In dem 30-minütigen Test wurden alle 15 Sekunden<br />
sowohl die Neigungswinkel als auch die Beinstellung registriert<br />
Die höheren Neigungswinkel wurden erzielt, wenn die Kniegelenksebene deutlich unter<br />
der Hüftgelenksebene war und sich somit der Körperöffnungswinkel vergrößerte. Damit<br />
kippt das Becken nach vorne. Im Hinblick auf die Wirbelsäulenposition im LWS Bereich<br />
wird fast annähernd der Zustand wie im Stehen erreicht. Ein Vergleich von<br />
Röntgenpausen ein und derselben Person zeigt z. B. im Hinblick auf den Neigungsgrad<br />
der Kreuzbeindeckplatten-tangente das folgende Ergebnis: Im Stehen einen Winkel von<br />
41°. Das entspricht in der Literatur einem Normalbecken. Bei der 0°-Position des<br />
Versuchsträgers dreht das Becken deutlich nach hinten. Der Winkel der<br />
Kreuzbeindeckplattentangente liegt hier bei 11°. In der Literatur werden sogar negative<br />
Winkelgrade bei starker Rundrückenbildung beschrieben. Bei einer Neigung des<br />
411
V90<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Versuchsträgers von -8° dreht das Becken nach vorne und erreicht einen<br />
Tangentenwinkel von 34°, was dem Winkel im Stehen schon recht nahe kommt, so dass<br />
die Aussage der Orthopäden, dass Stehen für die Wirbelsäule weniger belastend sei als<br />
Sitzen im diesem Falle nicht mehr zutreffen würde.<br />
Neigungsgrad der Kreuzbeindeckplattentangente<br />
Im Stehen<br />
Im Sitzen: Sitzneigung 0° Im Sitzen: Sitzneigung -8°<br />
( Röntgenpause der LWS Hochschulärztliche Einrichtung RWTH Aachen 9/2001 )<br />
Abb.: Neigungsgrad der Kreuzbeindeckplattentangente<br />
Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich folgendes ableiten: Wirkliches<br />
dynamisches Sitzen setzt eine Stuhlmechanik mit abgestimmter Dreh-Bewegung von<br />
Sitzfläche und Rückenlehne einerseits und gewichtskraftabhängiger Drehbewegung der<br />
Sitzfläche nach vorne voraus. Diese Mechaniken findet man allerdings nur bei wenigen<br />
Bürodrehstuhl-Modellen, was letztlich auch eine Kostenfrage ist.<br />
Bei den Bürodrehstühlen mit ausschließlicher Synchronmechanik findet lediglich eine<br />
Drehbewequng zwischen Rückenlehne und Sitzfläche statt und somit fast ausschließlich<br />
eine Drehbewegung im Hüftgelenk und nirgendwo sonst.<br />
Wenn man von der Überlegung ausgeht, dass der Mensch die Haltung und Bewegung<br />
vorgeben soll und nicht der Arbeitsstuhl, dann setzt dies eine Stuhlmechanik voraus, die<br />
nicht nur eine Bewegung zwischen Rückenlehne und Sitzfläche sondern zusätzlich eine<br />
Eigenbewegung der Sitzfläche in sich selbst zulässt.<br />
412
V90<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Das Bewegungsausmaß der Rückenlehne sollte unseres Erachtens 125° nicht<br />
wesentlich überschreiten und eine automatische gewichtskraftabhängige Vorneigung der<br />
Sitzfläche bis -12° zulassen.<br />
Um das Bewegungsverhalten auf einem derartigen serienmäßigen Arbeitsstuhl unter<br />
realistischen Arbeitsplatzbedingungen zu beobachten, haben wir eine Feldstudie an 64<br />
freiwilligen gesunden Versuchspersonen an 4 verschiedenen Arbeitsplätzen mit einer<br />
Gesamtaufzeichnungszeit von 380 Stunden durchgeführt. 195 Stunden<br />
Aufzeichnungszeit für verschiedene Büroarbeitsplätze, 80 Stunden in einem Callcenter<br />
des Universitätsklinikums Aachen, 82 Stunden an der Leitstelle der Hochschulwache an<br />
der RWTH Aachen und 23 Stunden in einer Seminarveranstaltung zu einem<br />
naturwissenschaftlichen Studiengang ebenfalls an der RWTH Aachen.(Schön & Preim,<br />
<strong>2009</strong>)<br />
Als Versuchsstuhl diente ein 5 Jahre alter ergonomischer Bürodrehstuhl unseres<br />
Rahmenvertragspartners Dauphin, Offenhausen, Modell ContourLine, bei dem die<br />
Drehachsen für die Rückenlehne und die Sitzfläche für die Anbringung der<br />
Messwertaufnehmer sehr gut zugänglich waren.<br />
Die Sitzfläche hatte einen maximalen Drehwinkel von -10° aus der Horizontalen nach<br />
vorne und die Rückenlehne einen solchen von 22° aus der Senkrechten nach hinten.<br />
Wir haben uns für die Entwicklung eines elektromechanischen analogen Aufzeichnungsgerätes<br />
entschieden, weil mit diesem Gerät unmittelbar nach der Aufzeichnung bereits<br />
eine erste Auswertung und Interpretation der berußten Aluminiumfolie auf der<br />
Schreibertrommel vorgenommen werden konnte. Das Aufzeichnungsgerät war unter<br />
dem Versuchsstuhl einschließlich Batterie so angebracht, dass der Arbeitsstuhl exakt auf<br />
die Körperproportionen der Versuchsperson eingestellt werden konnte und das Gerät<br />
während der Aufzeichnungs-zeit nicht behinderte. Das Gerät zeichnete jede noch so<br />
kleine Bewegung für die Sitzfläche und Rückenlehne nach Art eines Fahrtenschreibers<br />
verzögerungsfrei über haarfeine Stahlnadeln auf. (Auflösung: 0,3°).<br />
Die Auswertung von 77 Messprotokollen zeigte die folgenden Ergebnisse:<br />
Eine Zuordnung zwischen den Bewegungen von Sitzfläche und Rückenlehne in<br />
Abhängigkeit von der Tageszeit konnte nur am Arbeitsplatz mit Überwachungstätigkeit<br />
hergestellt werden und zwar für die Zeit von Mitternacht bis 5:00 Uhr morgens. Hinweise,<br />
dass in der Phase des nachmittäglichen Tiefs am Büroarbeitsplatz vermehrt die hintere<br />
Sitzhaltung eingenommen werden würde, ergaben sich nicht. Einen Zusammenhang<br />
zwischen einer bestimmten Tätigkeit und dem Sitzverhalten konnten wir nur für<br />
413
V90<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
stereotype Arbeitsabläufe herstellen wie beispielsweise dem Arbeiten an einem<br />
Flachbettscanner. Ein Zusammenhang zwischen Bewegungsverhalten und<br />
Arbeitsaufgabe ergab sich nicht, wenn man verschiedene Personen unter identischen<br />
Arbeitsplatzbedingungen und identischen Arbeitsaufgaben vergleicht. Das individuelle<br />
Sitzverhalten ist offensichtlich so prägend wie der menschliche Gang. Bei einem Teil der<br />
Versuchspersonen konnten in den Messprotokollen immer wiederkehrende<br />
Mikrobewegungen beobachtet werden, so dass man in solchen Fällen sogar von einer<br />
Art „motorischen Fingerabdruck“ sprechen könnte.<br />
Die Vermutung, dass man bei einer Sitzflächenneigung von -10° aus dem Stuhl rutscht,<br />
kann eindeutig nicht bestätigt werden. In keinem einzigen Fall ist dies von den<br />
Probanden berichtet worden, selbst von denen nicht, die vor dem Versuch dieser<br />
Meinung waren.<br />
Tab.: Prozentuale Verteilung von vorderer (VSH), mittlerer (MSH) und hinterer (HSH) Sitzhaltung<br />
für die verschiedenen Arbeitsbereiche. Büroarbeitsplatz (BAP); Callcenter (Callc.);<br />
Hochschulwache (HSW); Seminarveranstaltung (Sem.)<br />
Das Säulendiagramm zeigt abschließend noch einmal die prozentuale Verteilung der<br />
verschiedenen Sitzhaltungen für die ausgewählten Arbeitsbereiche.<br />
Für den Büroarbeitsplatz überwiegt die vordere Sitzhaltung, für den Callcenter-<br />
Arbeitsplatz die mittlere und für den Arbeitsplatz mit Überwachungstätigkeit die hintere<br />
Sitzhaltung, aber nur für die Nachtstunden. Die Unterschiede konnten statistisch<br />
gesichert werden. Für die Seminarveranstaltung überwiegt zwar die vordere Sitzhaltung,<br />
unterscheidet sich aber statistisch nicht zu den beiden anderen. Abschließend kann man<br />
sagen, dass die vordere Sitzhaltung einen besonderen Anteil einnimmt, selbst bei<br />
solchen Arbeitsformen wie einer Überwachungstätigkeit, bei der man das gemeinhin<br />
nicht vermuten würde.<br />
414
V90<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Verfolgt man den Trend in der Bürostuhl-Entwicklung, der nun schon seit etwa 6 Jahren<br />
zu beobachten ist, stellt man bei hochwertigen Bürodrehstühlen eine Favorisierung der<br />
hinteren Sitzhaltung bis hin zur Liegehaltung fest und zwar mit der Begründung, dass mit<br />
zunehmender Rückneigung die Bandscheibenbelastung reduziert werde.<br />
Literatur<br />
Schön F.A., Preim D. (2000) Untersuchungen zur Bestimmung des individuellen Sitzneigewinkels.<br />
Zbl. Arbeitsmed. 50, 78-85<br />
Schön F.A., Preim D. (<strong>2009</strong>) Feldstudie zum dynamischen Sitzen unter verschiedenen<br />
Arbeitsplatzbedingungen. Zbl. Arbeitsmed. 59, 44-55<br />
415
V91<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Beurteilung der Ergonomie von PC-Eingabemitteln<br />
Ulrike Hoehne-Hückstädt, Sandra Chandra Keller, Rolf Ellegast<br />
BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Referat<br />
Arbeitswissenschaft, Ergonomie, Fachbereich 4 Arbeitsgestaltung – Physikalische Einwirkungen<br />
Ziel:<br />
Der Wandel in der Arbeitswelt geht mit der zunehmenden Computernutzung an<br />
Arbeitsplätzen einher. Laut einer dänischen Studie benutzen 62 % aller Arbeitnehmer/-<br />
innen Computer [1]. In einer Untersuchung an Arbeitsplätzen in einem Finanzamt in<br />
Nordrhein-Westfalen beispielsweise konnte eine Computernutzung während 30 % der<br />
Arbeitszeit festgestellt werden [2]. Woods et al. [3] geben sogar Arbeit am Computer von<br />
im Schnitt sechs Stunden/Tag an, wovon während ca. zwei Drittel der Zeit ein<br />
Eingabemittel, darunter z. B. Tastatur, Maus oder Trackball, angewendet wird [3; 4].<br />
Gleichzeitig lassen sich auch an diesen Arbeitsplätzen mit vermeintlich geringer<br />
Belastung Muskel-Skelett- Beschwerden der oberen Extremitäten beobachten. In diesem<br />
Zusammenhang sollen ergonomisch gestaltete Eingabemittel helfen, Belastungen zu<br />
reduzieren und das Auftreten weiterer Beschwerden zu vermeiden. Um einen Überblick<br />
über den aktuellen Wissensstand zur ergonomischen Gestaltung von Eingabemitteln zu<br />
gewinnen, wurde vom BGIA auf Initiative der VBG eine Literaturstudie durchgeführt.<br />
Ziel dieser Studie war es, biomechanische und physiologische Kriterien zur Beurteilung<br />
der Ergonomie von PC-Eingabemitteln aus der arbeitswissenschaftlichen Literatur<br />
zusammenzustellen und möglichst in einer Prüfliste zur Verfügung zu stellen.<br />
Methoden:<br />
Es wurde eine umfangreiche Recherche in der wissenschaftlichen Literatur nach Artikeln<br />
zu dem Thema „Ergonomie von Eingabemitteln“ der letzten zwanzig Jahre in englischer<br />
und deutscher Sprache durchgeführt. Zunächst wurden Ergebnisse aus einschlägigen<br />
Normen und Richtlinien verschiedener Institutionen, die sich mit Arbeitsschutz befassen,<br />
zusammengestellt [4-15]. Konkrete Empfehlungen bzw. Prüfungskriterien, mit denen sich<br />
die Ergonomie von Eingabemitteln mittels biomechanischer und physiologischer<br />
Parameter beurteilen läßt, konnten jedoch oftmals nicht abgeleitet werden.<br />
Die Suche erfolgte über das Internet und Datenbanken, insbesondere die der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der<br />
Berufsgenossenschaften, CiteSeer, Compendex, Forschungsportal.net, Google Scholar,<br />
INSPEC und PubMed. Als Suchbegriffe wurden verschiedene Eingabemittel und deren<br />
Kombinationen mit Computer, Büroarbeitsplatz, (Daten-) Eingabegeräte, Ergonomie,<br />
Peripheral Equipment, Tastaturneigung, (alternatives) Computerdesign, Belastung u.ä. in<br />
englischer und deutscher Sprache verwendet. Bei mehr als 1000 Treffern wurde die<br />
Sucheingabe verfeinert. Die Literatursuche beschränkte sich zunächst auf die<br />
416
V91<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Eingabemittel Tastatur, Maus, Trackball, Berührungsbildschirm, Joystick und Griffel mit<br />
Tablettnutzung. Für eine fundierte Auswertung wurden allerdings nur für die Suchbegriffe<br />
Tastatur, Maus, Trackball und Griffel mit Tablettnutzung genügend bzw. geeignete<br />
Studien gefunden. Zu Berührungsbildschirm und Joystick gibt es zwar eine Vielzahl von<br />
Veröffentlichungen, der größte Teil beschäftigt sich aber mit Tätigkeiten, die am<br />
Büroarbeitsplatz nicht ausgeübt werden. Daher wurden diese Artikel nicht weiter<br />
berücksichtigt; allerdings stellte sich während der Literaturanalyse heraus, dass die<br />
Hand- bzw. Armauflage eine wichtige Rolle in der ergonomischen Gestaltung des<br />
Gesamtarbeitsplatzes spielt und entsprechend die ergonomische Beurteilung eines<br />
Eingabemittels hiervon stark beeinflusst wird. Daher wurde dieses Thema in die<br />
Literaturrecherche mit aufgenommen.<br />
Kriterium für die Gewichtung eines Artikels war auf der ersten Ebene die Relevanz des<br />
untersuchten Gegenstandes (vgl. Literatur zu Berührungsbildschirm und Joystick). Auf<br />
der zweiten Ebene wurden die verbliebenen Studien nach sechs weiteren Kriterien<br />
beurteilt; nämlich nach der Probandenzahl, der Art der Datenerfassung, dem<br />
Untersuchungsplan, der Test-Tätigkeit, dem Studiendesign (Kontrollgruppe bzw.<br />
Vergleichsgruppe) und der dargestellten statistischen Auswertung.<br />
Anhand dieser sechs Kriterien wurde die Güte der Studien mit einer 1 (< 50 % der<br />
Kriterien sind erfüllt), einer 2 (≥ 50 % der Kriterien sind erfüllt) oder 3 (100 % der Kriterien<br />
sind erfüllt) bewertet.<br />
So wurden schließlich 93 Studien nach den Kriterien eingeschätzt und zur Auswertung<br />
herangezogen.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Analyse der arbeitswissenschaftlichen Literatur lieferte ergänzende, teilweise jedoch<br />
auch widersprüchliche Erkenntnisse zu den Normen und Richtlinien. Die Umsetzung<br />
einiger neuer Gestaltungsvorschläge für Eingabemittel beeinträchtigt zusätzlich die<br />
ergonomische Gestaltung des gesamten Arbeitsplatzes.<br />
Abbildung 1:<br />
Tastaturneigung:<br />
links: positive Neigung<br />
rechts: negative Neigung<br />
Beispielsweise schlagen die Normen Tastaturen, die neigbar sind und einen positiven<br />
Winkel bis 15° zulassen, vor; dahingegen lassen sich in der arbeitswissenschaftlichen<br />
417
V91<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
Literatur Empfehlungen zur negativen Tastaturneigung finden (vgl. Abbildung 1). Bei<br />
Änderung der Tastaturneigung zum Bildschirm hin wird dann zwar eine Reduktion der<br />
Extension im Handgelenk erzielt, jedoch im Gegenzug führt dies auch zu einer Erhöhung<br />
der Ulnarduktion. Je nachdem, durch welche Gestaltungsmaßnahme die negative<br />
Tastaturneigung erreicht wird, können sich in der Folge ungünstigere Haltungen der<br />
Ellbogen, der Beine oder des Rückens und Nackens ergeben.<br />
Schlussfolgerung:<br />
Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich die Notwendigkeit, den gesamten<br />
Arbeitsplatz und die Aufgaben bzw. Tätigkeiten zu analysieren und zu berücksichtigen,<br />
wenn man die Eingabemittel ergonomisch beurteilt und zur Wahl eines bestimmten<br />
Eingabemittels rät. In der Diskussion der Studienergebnisse wurden Lösungsansätze für<br />
konsistente Empfehlungen entwickelt. Schließlich wurde eine Checkliste erarbeitet, die<br />
Arbeitsmedizinern Hilfe bietet, spezifische arbeitsbezogene Ursachen von Beschwerden<br />
zu erkennen, in Zusammenarbeit mit Ergonomen oder Sicherheitsfachkräften den<br />
Arbeitsplatzes ergonomisch zu beurteilen und das passende Eingabemittel zu wählen.<br />
Dabei wird ein Büroarbeitsplatz angestrebt, an dem neben den hier fokussierten<br />
Eingabetätigkeiten alle anfallenden Tätigkeiten möglichst ergonomisch günstig<br />
ausgeführt werden können.<br />
Eine Evaluation der Checkliste in der Praxis steht noch aus.<br />
Literatur:<br />
1 Lassen C F, Mikkelsen S, Kryger AI, Andersen JH. Risk factors for persistent<br />
elbow, forearm and hand pain among computer workers. Scand J Work Environm<br />
Health. 2005; (31):122-31.<br />
2 Luttmann A, Kylian H, Schmidt K, Jäger M. Feldstudie zu<br />
Muskelbeanspruchung und Beschwerden bei ganztägiger Büroarbeit. ErgoMed. 2003;<br />
(5):149-55.<br />
3 Woods V, Hastlings S, Buckle P, Haslam R. University of Surrey and<br />
Loughborough University, editor. Ergonomics of using a mouse or other non-keyboard<br />
input device; 2002.<br />
4 DIN EN ISO 9241-400: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 400:<br />
Grundsätze und Anforderungen für physikalische Eingabegeräte (5/2007). Beuth, Berlin<br />
2007.<br />
5 DIN EN ISO 9241-4: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />
Bildschirmgeräten – Teil 4: Anforderungen an die Tastatur. Beuth, Berlin 1999.<br />
6 DIN EN ISO 9241-5: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />
Bildschirmgeräten – Teil 5: Anforderungen an Arbeitsplatzgestaltung und<br />
Körperhaltung. Beuth, Berlin 1999.<br />
7 DIN EN ISO 9241-9: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />
Bildschirmgeräten – Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel – ausgenommen<br />
Tastaturen. Beuth, Berlin 2002.<br />
8 ISO/FDIS 9241-410 (Norm-Entwurf): Ergonomie der Mensch-System-Interaktion –<br />
Teil 410: Gestaltungskriterien für physikalische Eingabegeräte (11/2007). Beuth, Berlin<br />
2007.<br />
418
V91<br />
Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />
9 Krueger, H. Arbeit mit dem Bildschirm. Kapitel IV – 9.2.1.In:<br />
Konietzko J, Dupuis H, Hrsg. Handbuch der Arbeitsmedizin. Landsberg am Lech:<br />
9. Erg.-Lfg. ecomed 2002. Losebl.-Ausg. S. 1-42.<br />
10 Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), Hrsg. Berufsgenossenschaftliche<br />
Information: Bildschirm- und Büroarbeitsplätze - Leitfaden für die Gestaltung (BGI 650).<br />
Wiesbaden: BC Verlags- und Mediengesellschaft; 2004.<br />
11 Human Resource Management Division (HRM), editor. Guidelines to the selection<br />
and purchase of workstation furniture and equipment. Hamilton (New Zealand):<br />
www.waikato.ac.nz/hrm/internal/policy/purchase.html (3.11.2003)<br />
12 Health and Safety Executive (HSE), editor. Workstation risk assessment<br />
questionnaire – health and safety (display screen equipment) regulations 1992. London:<br />
www.hse.gov.uk/lau/lacs/16-1.htm (7.10.2003)<br />
13 Swedish National Board of Occupational Safety and Health, editor. Ergonomics for<br />
the prevention of musculoskeletal disorders. Solna (Schweden); 1998.<br />
14 Canadian Standards Association (CSA) International, editor. Guideline on office<br />
ergonomics, CSA-Z412. Toronto (Kanada); 2000.<br />
15 DIN EN 1005-1: Menschliche körperliche Leistung, Teil 1: Begriffe. Beuth,<br />
Berlin 2002.<br />
16 Hoehne-Hückstädt U, Chandra Keller S, Ellegast R. Ergonomische Anforderungen<br />
an Eingabemittel für Geräte der Informationstechnik. Sankt Augustin: Deutsche<br />
Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen<br />
Gesetzlichen Unfallversicherung; 2008. BGIA-Report 3/2008.<br />
419
P01<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Erfassung von psychischen und sozialen Belastungen bei<br />
Beschäftigten in der Briefzustellung<br />
Karsten Sonntag 1 , Katrin Groneberg 1 , Rolf Hess-Gräfenberg 2 , Wolfgang Schuster 3 , Andreas<br />
Tautz 4<br />
1 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Stuttgart<br />
2 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Düsseldorf<br />
3 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Koblenz<br />
4 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Bonn<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
420
P02<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Untersuchung der psychomentalen Belastung und<br />
Beanspruchung im Internationalen Schaltraum einer deutschen<br />
Fernsehanstalt<br />
Detlev Jung 1,2 , Rolf Helbig 3 , Verena Bopp 1,3 , Ralph Bruder 3<br />
1 ZDF Mainz<br />
2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz<br />
3 Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt<br />
Einleitung<br />
Der Internationale Schaltraum (ISR) organisiert Übertragungswege für Überspielungen<br />
und Kommunikation aus dem Ausland, nimmt die Überspielungen an, optimiert sie in Bild<br />
und Ton und leitet sie weiter, entweder zur Vorbereitung der Sendung oder auch direkt<br />
auf den Bildschirm. Die Arbeit ist u.a. durch Zeitdruck, hohe Verantwortung, Umgang mit<br />
komplexer, sich ständig ändernder Technik, Schichttätigkeit, hohe Anforderung an<br />
Konzentration und Problemlösekompetenz geprägt.<br />
Aus der Analyse (als Auftrag und mit Unterstützung der Verwaltungs-BG) der<br />
psychomentalen Belastung und Beanspruchung wurden praxisorientierte<br />
Gestaltungsvorschläge abgeleitet.<br />
Methode<br />
8 Mitarbeiter des ISR (7 Männer und 1 Frau zwischen 33 und 58 Jahren, Altersmittel 48<br />
Jahre) wurden untersucht. Bei 4 Untersuchungsteilnehmern bestand eine bekannte<br />
arterielle Hypertonie mit medikamentöser Therapie. Die Teilnehmer wurden in je einer<br />
Früh-, Mittel-, und Spätschicht in der Zeit von 4:30 - 0:30 Uhr sowie einer Freischicht<br />
untersucht. Die Untersuchungstage lagen jeweils am Ende einer Schichtfolge. Module<br />
der Untersuchung waren<br />
1. eine Tätigkeitsanalyse unter Zuhilfenahme verfügbarer Protokolle (Untergliederung der<br />
Belastung),<br />
2. eine schichtbezogene Erhebung der Teilbelastungen, insbesondere der<br />
Informationsaufnahme, -verarbeitung und –ausgabe,<br />
3. eine Erhebung der subjektiven Beanspruchung mittels Fragebogen (schichtbezogen<br />
15-minütig mit dem modifizierten NASA Task Load Index Test, NASA TLX), nicht<br />
schichtbezogen mit der Messung der Effort-Reward-Imbalance (ERI) und Work Ability<br />
Index (WAI)),<br />
4. die Messung der Herzfrequenz und ein 24-Stunden-Blutdruckmonitoring (diese<br />
zusätzlich auch in einer Freischicht).<br />
Statistische Tests standen aufgrund der kleinen Fallzahl nicht im primären Fokus es<br />
Interesses.<br />
421
P02<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Ergebnisse<br />
Im ERI standen im Bereich „Effort“: Zeitdruck, Verantwortung und Arbeitsverdichtung im<br />
Vordergrund. Die Rahmenbedingungen der Arbeit (erreichte Stellung, Vergütung,<br />
Sicherheit des Arbeitsplatzes) waren adäquat („Reward“). Unterstützung und<br />
Anerkennung bei der Arbeit wurden wesentlich bei den Kollegen gefunden. Im Bereich<br />
„Overcommitment“: zeigten sich deutliche interindividuelle Unterschiede bei der<br />
berufliche Verausgabungsneigung<br />
In 67% der untersuchten Schichten entsprach der systolische wie diastolische<br />
Blutdruckwert eine Stunde nach Schichtende dem Wert zur gleichen Uhrzeit an einem<br />
arbeitsfreien Tag. Zu den weiteren Ergebnissen der RR-Messungen s. Tab.1. Es zeigte<br />
sich ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Einstufung der subjektiven<br />
Beanspruchung im modifizierten NASA TLX und der Höhe der Blutdruckwerte.<br />
Die WAI-Ergebnisse lagen altersentsprechend im „Normbereich“ (Spannbreite 31 – 46<br />
Punkte).<br />
Diskussion<br />
Die im Rahmen der Gefährdungsanalyse durchgeführte Untersuchung war äußerst zeitund<br />
kostenintensiv. Sie erbrachte aber wertvolle Informationen zu Belastung und der<br />
Gefährdung der betroffenen Mitarbeiter Aus den Ergebnissen folgten an Empfehlungen:<br />
Die interne Kommunikation wird neu überdacht. Die Kunden, insbesondere die<br />
Redaktionen, werden verstärkt über die Arbeitsabläufe im ISR informiert (Transparenz).<br />
Belastungsspitzen werden entzerrt (Überspielung nicht zeitkritischer Beiträge außerhalb<br />
der Spitzenzeiten, frühzeitige Absprache planbarer Arbeiten). Es wird die Funktion eines<br />
Trouble-shooters eingeführt. Der Betriebsärztliche Dienst kooperiert mit den<br />
behandelnden Ärzten insbesondere bei Personen mit erhöhtem Blutdruck. Betriebliche<br />
Schulungen zum Thema Stressbewältigung und zum Umgang mit Nacht- und<br />
Schichtarbeit werden angeboten. Die Sprachverbindungen und der auditiven<br />
Umgebungsbedingungen werden optimiert. Die Empfehlungen wurden zum Teil schon<br />
umgesetzt.<br />
422
P02<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Kriterium Empfehlung Empfehlung<br />
eingehalten<br />
Häufigkeit von<br />
Spitzen-Werten<br />
während Schicht ><br />
140/90 mmHg<br />
max. bis 25 % pro 8<br />
h-Schicht<br />
Schicht-Mittelwert 105/70 - 140/90<br />
mmHg<br />
24-h-Mittelwert am<br />
Arbeitstag<br />
Mittelwert in der<br />
Schlafphase<br />
Blutdruckabfall in %<br />
während der<br />
Schlafphase<br />
100/65 - 130/80<br />
mmHg<br />
90/60 - 120/70<br />
mmHg<br />
SBD: 10 – 15 %<br />
DBD: 15 – 20 %<br />
für den SBD in 33%<br />
für den DBD in 33%<br />
für den SBD in 50%<br />
für den DBD in 46%<br />
für den SBD in 62%<br />
für den DBD in 42%<br />
für den SBD in 79%<br />
für den DBD in 71%<br />
für den SBD in 96%<br />
für den DBD in 92%<br />
Empfehlung nicht<br />
eingehalten<br />
für den SBD in 67%<br />
für den DBD in 67%<br />
für den SBD in 50%<br />
für den DBD in 54%<br />
für den SBD in 38%<br />
für den DBD in 58%<br />
für den SBD in 21%<br />
für den DBD in 29%<br />
für den SBD in 4%<br />
für den DBD in 8%<br />
Tab.1: Das Blutdruck-Verhalten wurde beurteilt anhand der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft<br />
für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (<strong>DGAUM</strong>).<br />
(SBD = systolischer Blutdruck DBD = diastolischer Blutdruck)<br />
423
P03<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Führungsverhalten von Schulleitern - eine Ressource für gute<br />
Arbeitsfähigkeit?<br />
Silvia Spitzer, Reingard Seibt<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />
Ziel der Studie<br />
Belastungen und der Gesundheitszustand von Lehrkräften wurden in den letzten Jahren<br />
aufgrund der alarmierenden Frühberentungszahlen häufig diskutiert und untersucht<br />
(Kothe & Faber 2007; Seibt et al. 2004, Hillert et al. 1999). Wenig beachtet wurden in<br />
den Untersuchungen Ressourcen der Lehrertätigkeit und deren Zusammenhang zur<br />
Arbeitsfähigkeit und Gesundheit von Schulleitern und Lehrern. Nach Schaarschmidt<br />
(2005) ist soziale Unterstützung die wichtigste Ressource der Lehrergesundheit.<br />
Insbesondere können ein adäquates Feedback und soziale Unterstützung durch<br />
Schulleiter bzw. Kollegen zu einem positiven sozialen Klima beitragen, was sich<br />
wiederum günstig auf das Erleben von Belastungen auswirkt. In der vorliegenden Studie<br />
wurde als eine weitere Ressource im Lehrerberuf das Führungsverhalten von<br />
Schulleitern diskutiert.<br />
Methodik<br />
Die zu untersuchenden Faktoren wurden im Rahmen einer umfassenden<br />
arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchung an sächsischen<br />
Grundschulen bei 28 Schulleiter-innen (SL) und 95 Lehrerinnen (LE) erfasst. Der<br />
Altersdurchschnitt der SL und LE lag bei 52,0 ± 6,1 bzw. 46,6 ± 8,2 Jahren. Die<br />
Arbeitsfähigkeit wurde mittels Work Ability Index (Tuomi et al. 1998) und<br />
Führungsverhalten, soziale Unterstützung sowie schüler- und unterrichtsbezogene<br />
Faktoren mit einem Fragebogen zur Erfassung von Belastungen im Lehrerberuf (Rudow<br />
2000) erhoben.<br />
Ergebnisse<br />
Für die Arbeitsfähigkeit ergab sich bei SL ein WAI-Gesamtwert von 37,5 ± 4,4 Punkten,<br />
bei LE von 37,2 ± 5,5 Punkten und damit gute, aber an der Grenze zur mittleren<br />
Arbeitsfähigkeit. Etwa die Hälfte der Lehrerinnen und Schulleiterinnen verfügen dabei<br />
über eine gute und über ein Drittel der Befragten beider Gruppen über eine mittlere<br />
Arbeitsfähigkeit.<br />
Bei der Analyse der unterrichtsbezogenen Faktoren wurde das Antwortverhalten der<br />
Schulleiterinnen und Lehrerinnen verglichen. SL geben in erster Linie<br />
Verhaltensstörungen (32,1%) und den schlechten Umgangston der Schüler (21,4 %) oft<br />
bzw. immer als Belastungsfaktoren an. LE nennen dagegen große<br />
424
P03<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Leistungsunterschiede (74,7 %) und uneffektiven Unterricht (30,6 %) als<br />
Belastungsfaktoren, die oft oder immer auftreten.<br />
Im Hinblick auf das erlebte Führungsverhalten betonen LE vor allem das gute soziale<br />
Klima an der Schule (87,3 %), die Förderung der Fort- und Weiterbildung (86,2 %) und<br />
die gute Organisation der täglichen Arbeit (86,2 %) durch die Schulleitung. Dagegen<br />
werden leistungsangemessene Anerkennung und Kritik (50 %), ein konstruktiver<br />
Umgang mit Konflikten (62,7 %) und die Förderung der Kommunikation unter den<br />
Lehrern (64,9 %) weniger häufig angegeben. In der folgenden Abbildung 1 sind die<br />
positiven Bewertungsfaktoren des Führungsverhaltens in einer Rangreihe dargestellt:<br />
Abb. 1: Positive Aspekte des Führungsverhaltens - Einschätzungen der Lehrerinnen [%] (n = 95)<br />
Die Zusammenhänge zwischen Arbeitsfähigkeit und schulischen Belastungsfaktoren<br />
fallen bei den LE eher gering aus und sind für die Faktoren “Klassengröße” (r=-.20) und<br />
“problema-tisches Schülerverhalten” (r=-.26) festzustellen. Im Hinblick auf das<br />
Führungsverhalten beziehen sich die Zusammenhänge auf die Faktoren<br />
“Zusammenarbeit mit Eltern und Kollegen” (r=.20), “Schulentwicklung” (r=.22) sowie<br />
“Personalarbeit” (r=.21). Soziale Unterstützung durch Kollegen (r=-.12), die<br />
Zusammenarbeit im Kollegium (r=.00) sowie Konflikte und Auseinandersetzungen (r=.03)<br />
haben dagegen eine untergeordnete Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit.<br />
Schlussfolgerung<br />
In Grundschulen scheinen Führungsverhalten der Schulleiterinnen und die Unterstützung<br />
durch Kollegen für die Arbeitsfähigkeit nur von untergeordneter Bedeutung zu sein<br />
(geringe Korrelation). Das gilt auch für schulische und soziale Faktoren, für die ebenfalls<br />
425
P03<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
nur ein geringer Zusammenhang zur Arbeitsfähigkeit nachgewiesen wurde. Zur<br />
Erhaltung und Förderung der Arbeitsfähigkeit sind eher unterstützende Maßnahmen zu<br />
empfehlen, die gesundheitsbezogene und personelle Faktoren verstärkt einbeziehen.<br />
Literatur<br />
Hillert, A.; Maasche, B.; Kretschmer, A.; Ehrig, C.; Schmitz, E.; Fichter, M. (1999).<br />
Psychosomatische Erkrankungen bei LehrerInnen. Psychotherapie, Psychosomatik,<br />
Medizinische Psychologie 49, 375-380.<br />
Kothe, W.; Faber, U. (2007). Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schulen.<br />
Abschlussbericht 2007. [Online-Dokument]. Verfügbar unter:<br />
http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2006-824-4-1 [Datum des Zugriffs: 24.07.2007].<br />
Rudow, B. (2000). Der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lehrerberuf:<br />
Gefährdungsbeurteilung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Ludwigsburg:<br />
Süddeutscher Pädagogischer Verlag.<br />
Schaarschmidt, U. (2005). Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im Lehrerberuf –<br />
Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes. Weinheim: Beltz.<br />
Seibt, R.; Thinschmidt, M.; Lützkendorf, L.; Knöpfel, D. (2004). Arbeitsfähigkeit und<br />
Vitalität bei Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. (Schriftenreihe der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1035). Bremerhaven:<br />
Wirtschaftsverlag NW.<br />
Tuomi, K.; Ilmarinen, J.; Jahkola, A.; Katajarinne, L.; Tulkki, A. (1998). Work Ability Index.<br />
Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health.<br />
426
P04<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Supervision im Krankenhaus – Effekte und Mechanismen<br />
Ergebnisse einer formativen Evaluation<br />
Wilfried E. Dieterle 1 , Andrea Wittich 2 , Silke Senn 1 , Michael Wirsching 1<br />
1 Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg<br />
2 Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg<br />
Zur Bewältigung psychomentaler Belastungen wird im Krankenhaus häufig Supervision<br />
angeboten. Sie gilt in diesem Arbeitsfeld als bewährte Methode der Unterstützung von<br />
Beschäftigten. Mit zunehmender Praxisverbreitung wird ein Bedarf nach<br />
wissenschaftlicher Evaluation formuliert. In einem Projekt zur formativen Evaluation des<br />
Supervisionsangebotes am Universitätsklinikum Freiburg wurden Nutzen und Effekte von<br />
Supervision, deren Prädiktoren und subjektive Wirkmechanismen empirisch untersucht.<br />
Die Fragestellung umfasst evaluative Aspekte (wirkt Supervision insgesamt),<br />
forschungsmethodische Aspekte (wie lässt sich die Wirkung von SV differenziert und<br />
zusammenfassend abbilden) und schließlich Aspekte einer formativen Evaluation (lassen<br />
sich modifizierbare Prädiktoren identifizieren die die Effekte von SV beeinflussen).<br />
Methodik und Stichprobe<br />
Die Daten wurden in einer Querschnittserhebung an 105 konsekutiven TeilnehmerInnen<br />
von Supervisionsgruppen innerhalb von drei Monaten erfasst. 80% der TeilnehmerInnen<br />
sind Frauen, 58% kommen aus der Pflege, die übrigen aus unterschiedlichen<br />
Berufsgruppen innerhalb des Klinikums. Von den Teilnehmerinnen sind 25% jünger als<br />
36 Jahre, 38% zwischen 36 und 45 Jahren und 37% über 45 Jahren. 71% arbeiten<br />
länger als 5 Jahre auf der derzeitigen Stellen, 18% haben eine leitende Funktion inne.<br />
Der Fragebogen erfasste die erlebte Supervision unter den Perspektiven Erwartung,<br />
Thematisierung, Effekte, Umsetzung und aktuelle Belastung. Unterschieden wurden<br />
dabei 6 Bereiche zur Beschreibung der Arbeitswelt: Persönlich, Berufliche Funktion und<br />
Rolle, Patient(inn)en /Kund(inn)en, Team, unmittelbare(r) Vorgesetzte(r)/ Teamleitung<br />
und Organisation und Rahmenbedingungen der Arbeit.<br />
Ergebnisse<br />
Erwartungen an die Supervision<br />
Die Erwartungen an die Supervision werden deutlich dominiert von dem Bereich Team.<br />
Von ca. 75% werden hier hohe oder sehr hohe Erwartungen angegeben. Es folgen die<br />
Bereiche Vorgesetzte und Leitung, sowie Berufliche Funktion und Rolle. Explizit „gar<br />
keine“ Erwartungen finden sich im Bereich „Patientinnen/Kundinnen bei immerhin 26%.<br />
Neben dem deutlichen Schwerpunkt gibt es jedoch auch eine beträchtliche individuelle<br />
Streuung. Supervision ist also in der Konsequenz ein partiell heterogenes Treatment.<br />
427
P04<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Effekte und Thematisierung<br />
Auf individueller Ebene sind die Perspektiven in den Bereichen jeweils positiv korreliert.<br />
Auf Mittelwertsebene steigen die Effekte der Supervision mit der Häufigkeit der<br />
Thematisierung. Vergleichbares lässt sich auf für „Erwartung und Thematisierung“, sowie<br />
„Erwartung und Effekt“ zeigen. Effekte sind an vorliegende Probleme gekoppelt. Als<br />
praktische Interpretation heißt dies: eine Problematik muss aufgenommen und adäquat<br />
thematisiert werden um einen Nutzen zu ereichen. Der Nutzen ist dabei jeweils themenbzw.<br />
problemspezifisch. Insgesamt und bezogen auf den fokussierten Bereich haben<br />
68% sehr viel oder viel von der Supervision profitiert und nur ca. 9% wenig.<br />
Gruppenzusammensetzung/fehlende Personen<br />
Hinsichtlich der Gruppenzusammensetzung wird von 30% angegeben "jemand<br />
wichtiges" hätte gefehlt. Im Vergleich sind in der Teilgruppe, in der „jemand wichtiges<br />
fehlt“, niedrigere Effekte und konsequenterweise auch eine geringere praktische<br />
Umsetzung zu beobachten.<br />
Effekte/Mechanismen der Supervision<br />
In der direkten Befragung der Teilnehmerinnen nach möglichen Wirkmechanismen<br />
zeigen sich die höchsten Ausprägungen bei "Umgang mit Konflikten“ und "Lösung und<br />
Bewältigung von Konflikten". Es zeigen sich aber auch Auswirkungen in der Abgrenzung<br />
und im Rollenverständnis. Faktoranalytisch lassen sich die 8 einzelnen Mechanismen zu<br />
zwei Dimensionen zusammenfassen. Der erste Faktor lässt sich als<br />
Konfliktlösung/Verarbeitung beschreiben. Der zweite Faktor hat eine deutlich individuelle<br />
Akzentuierung. Er wird bestimmt durch die Verbesserung der Sicht der eigenen Rolle,<br />
durch Information und Wissen, sowie eine bessere Abgrenzung. Beide Dimensionen sind<br />
von Bedeutung, wobei die Mittelwerte der zugehörigen Items für den ersten Faktor höher<br />
ausgeprägt sind.<br />
Zusammenfassung<br />
Ein allgemeiner Effekt der Supervision ist nachweisbar.<br />
Spezifische Wirkungen in Bereichen sind mit ihrer Thematisierung verknüpft. d.h.<br />
faktische Probleme müssen benannt werden und adäquat bearbeitet werden.<br />
Die Vollständigkeit der Gruppe (Team, Vorgesetzte, Interprofessionell) ist für<br />
positive Effekte förderlich.<br />
Zwei subjektive Wirkmechanismen lassen sich beschreiben: Konfliktlösung /<br />
Verarbeitung und Individuum / Kompetenz.<br />
428
P05<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Teambezogene Frühintervention nach Tod eines Kollegen oder<br />
einer Kollegin<br />
Andrea Wittich 1 , Michael Wirsching 2<br />
1 Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg<br />
2 Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg<br />
Für viele der verbleibenden KollegInnen stellt der unerwartete Tod eines Mitarbeiters<br />
eine aussergewöhnliche Belastung dar. Wie die Einzelnen darauf reagieren, hängt von<br />
verschiedenen Faktoren ab. Hier spielen Persönlichkeit und die Beziehung zum<br />
Verstorbenen eine wesentliche Rolle. In manchen Fällen können die emotionalen<br />
Reaktionen auf solch traumatische Ereignisse die individuellen Bewältigungsstrategien<br />
übersteigen und damit die Fähigkeit zu angemessenem Verhalten nach einem Todesfall<br />
beeinträchtigen.<br />
Frühzeitige Intervention auf Teamebene<br />
Eine wirksame Intervention, um traumatische Stressreaktionen zu verhindern und<br />
aufzufangen und die schnellere Erholung von so genannten kritischen Ereignissen zu<br />
unterstützen, ist eine frühzeitige Gruppensitzung. Sie kann vom Betriebspsychologen<br />
oder –mediziner angeboten werden, möglichst innerhalb der ersten Tage nach dem<br />
Vorfall. Hilfreiche Komponenten dabei sind vor allem, dass die Beteiligten rasch<br />
miteinander über das Erlebte ins Gespräch kommen, spüren, dass sie mit ihren<br />
Reaktionen nicht alleine sind und dass Informationen gegeben und Ideen ausgetauscht<br />
werden, wie mit dem erlebten Stress umgegangen werden kann.<br />
Das Ziel liegt in der Vorbeugung möglicher Folgen, wie künftigem chronifiziertem<br />
Stresserleben, beruflichem Burnout und posttraumatischen Belastungsreaktionen, sowie<br />
im Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Die Wirksamkeit solcher Frühinterventionen im Hinblick auf<br />
diese Zielsetzungen ist belegt. Eine zweite Sitzung im Abstand von 3-4 Wochen dient<br />
dem evaluierenden Screening und bietet die Möglichkeit, Einzelne bei Bedarf in eine<br />
weitergehende psychotherapeutische Betreuung zu vermitteln.<br />
Natürlich bleibt den Beschäftigten ihre Teilnahme an dem Angebot freigestellt.<br />
Prinzipien der „Psychologischen ersten Hilfe“<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ereignisnah eingreifen, auf aktuelle Situation fokussiert<br />
Über Belastungsreaktionen informieren: Normalisieren.<br />
Bewältigungsmöglichkeiten aufzeigen<br />
Individuelle und Teamressourcen aktivieren<br />
Zugang zu professioneller Versorgung ermöglichen<br />
429
P05<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Schritte der Intervention<br />
In der ersten Sitzung werden zunächst die Grundregeln eingeführt (z.B. Freiwilligkeit,<br />
Schweigepflicht) und der Ablauf kurz skizziert. Dann werden die Teilnehmenden<br />
gebeten, die ihnen bekannten Fakten des Ereignisses und ihre eigenen Reaktionen - auf<br />
kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene - zu beschreiben. Zu den akuten<br />
Belastungsreaktionen, wie sie in einer solchen Situation bei den meisten Menschen<br />
auftreten, gehören somatoforme und psychische Symptome, wie Angst, plötzliche<br />
Intrusionen, Vermeidungsreaktionen, Schlafstörungen und Übererregung. Diese<br />
Reaktionen werden seitens der Gruppenleitung als häufig vorkommende „normale“<br />
Stresssymptome eingeordnet und verstanden. Allein schon zu erfahren, dass die<br />
Symptome in der Regel innerhalb einiger Tage deutlich zurückgehen, stellt für viele der<br />
Betroffenen eine Entlastung dar.<br />
Im nächsten Schritt geht es um Informationen und Austausch zu<br />
Stressbewältigungstechniken. Dabei ist wichtig, sowohl die individuelle als auch die<br />
Teamebene zu berücksichtigen: Was kann der Einzelne zuhause, was das Team am<br />
Arbeitsplatz gemeinsam zur Entlastung tun? Wirksam sind Gespräche über den Vorfall,<br />
soziale Unterstützung, das Ausdrücken von Gefühlen, aber auch körperliche Aktivitäten,<br />
Wahrnehmungsablenkung, und ggf. religiöse Handlungen. Auf Teamebene können<br />
bestimmte Riten, etwa das Gestalten einer Abschiedsfeier oder das bewusste<br />
gemeinsame Ausräumen des Spinds des Kollegen entlastend wirken.<br />
In der zweiten Sitzung, nach 3-4 Wochen, wird die Situation evaluiert und bei Bedarf<br />
weitere erforderliche Schritte (z.B. die Vermittlung in psychotherapeutische Behandlung)<br />
in die Wege geleitet.<br />
Für die betroffenen Beschäftigten hat das Vorgehen in der Frühintervention eine<br />
mehrfach positive Wirkung: Es dient der Entlastung, stärkt den Zusammenhalt und die<br />
gegenseitige Fürsorge im Team, gibt Informationen über Traumastress, unterstützt die<br />
individuellen sowie Teamressourcen durch Entwicklung eines Stressbewältigungsplanes<br />
und ermöglicht positiven Kontakt mit den die Frühintervention durchführenden<br />
Betriebspsychologen oder -ärzten.<br />
Letztlich geht es als selektive Prävention um die innerbetriebliche Gesundheitsförderung<br />
im Hinblick auf den Erhalt der Einsatzfähigkeit (Gesundheitsschutz §3 ArbSchG).<br />
Angenendt J, Hecht H, Nowotny-Behrens U et al. (2006) Freiburger Arbeitsunfallstudie (FAUST). Teil II: Wirksamkeit einer<br />
stationären psychologischen Frühintervention http://www.springerlink.com/content/0g2n3640t88377p3/<br />
Bengel, J & Riedl T (2004) Stressbewältigung und Belastungsverarbeitung. In: J. Bengel (Hrsg.) Psychologie in<br />
Notfallmedizin und Rettungsdienst Springer, Berlin, 89-99<br />
Ehlers A, Clark DM, Hackmann A et al. (2003) A randomized controlled trial of cognitive therapy, a self-help booklet, and<br />
repeated assessment as early interventions for posttraumatic stress disorder. Arch Gen Psychiatry 60: 1024–<br />
1032<br />
Heim E (1991) Job stressors and coping in health professions. Psychotherapy and Psychosomatics 55: 90-99<br />
430
P05<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />
Wittich A (<strong>2009</strong>) Wenn nichts mehr ist, wie es gestern noch war. Zum Umgang mit traumatischen teambezogenen<br />
Ereignissen im Krankenhaus. In: F. Hofmann, G. Reschauer, U. Stößel (Hrsg.): Arbeitsmedizin im<br />
Gesundheitsdienst. FFAS Freiburg, 315-320<br />
431
P06<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Integrierte betriebsärztliche Diagnose und Therapie von Stress,<br />
Ineffizienz und Ineffektivität<br />
Franz J. Heeg, Brigitte Schneider-Heeg,<br />
Arbeitswissenschaftliches institut bremen (aib), Universität Bremen,<br />
Psychosoziale Belastungen (Stress) und Ineffizienz und Ineffektivität de<br />
betrieblichen Leistungserfüllung Untersuchungsergebnisse<br />
Eine Untersuchung in 58 Organisationen verschiedener Branchen und Größenklassen<br />
ergab als Ergebnis, dass die betrieblichen psychosozialen Belastungsgrößen<br />
(Stressoren) und die Faktoren, die ursächlich für zu geringe Effizienz und Effektivität<br />
sind, nahezu identisch sind in der subjektiven Bewertung durch die Beschäftigten<br />
zeigen sich geringe Unterschiede (1). Die wesentlichen Einflussgrößen bestehen in<br />
unzureichend gestalteten Abläufen sowie Mängeln in den Beziehungen<br />
Vorgesetzte/MitarbeiterInnen und zwischen KollegInnen. Wesentliche Ursachen hierfür<br />
stellen nicht vorhandene oder unzureichende Regeln und Entscheidungen dar, der<br />
Umfang und die Art der Aufgabenerledigung und der Schnittstellengestaltung,<br />
Kommunikations- und Kooperationsmängel (unzureichende Informationen, als<br />
demütigend empfundenes Sprachverhalten, unzureichende Abstimmungen, langwierige<br />
Besprechungen ohne Ergebnisse usw.) sowie motivationale Aspekte (z. B. zu geringes<br />
Interesse, unzureichendes Verantwortungsbewusstsein, Ängste vielfältiger Art). Die<br />
Schlussfolgerung „Was stresst führt auch zu Ineffizienz und Ineffektivität und umgekehrt“<br />
führt zur Möglichkeit für BetriebsärztInnen, Aktivitäten bezüglich der Minderung bzw.<br />
Beseitigung psychosozialer Belastungsgrößen gleichzeitig als Optimierungsmöglichkeit<br />
für den betrieblichen Leistungserbringungsprozess zu gestalten (möglichst kooperativ mit<br />
anderen Akteuren) ein nicht zu unterschätzender Vorteil zur Akzeptanz bei<br />
Unternehmensleitung und Betriebsrat.<br />
Betriebliche Veränderungsprozesse zur Stress-Minderung/Reduzierung und<br />
Effizienz-/Effektivitätssteigerung und deren emotionsbasierte Ausgestaltung<br />
Die o. a. Untersuchung ergab in Bezug auf Veränderungsprozesse zur Optimierung der<br />
betrieblichen Leistungserbringung, dass in den Fällen, in denen die emotionale<br />
Bewertung des Zielzustands durch die Beteiligten und Betroffenen günstiger ist als die<br />
des Ausgangszustands, dieser auch tatsächlich häufiger erreicht wurde und insgesamt<br />
signifikant bessere Ergebnisse resultierten als in den Fällen, in denen die emotionale<br />
Bewertung (meist implizit) zu keinen (da zu wenig Informationen, zu große Unsicherheit<br />
oder Ängste überwogen) oder ungünstigeren Ergebnissen führte. Hieraus folgt unter<br />
Anderem die Erfordernis der Berücksichtigung der emotionalen Bewertung der Zustände<br />
und Ereignisse durch die Mitarbeiter vor, während und nach dem Veränderungsprozess<br />
432
P06<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
(auch vorausscheuend: was wäre, wenn …?). Hierzu muss dies in geeigneter Form auch<br />
zum Gegenstand der Veränderungsarbeit gemacht werden. Gestützt wird dies auch<br />
durch Aussagen der System- und Selbstorganisationstheorien. Veränderungsprozesse<br />
bedeuten in aller Regel neben Fremd- und Selbststeuerungsanteilen sowie<br />
Improvisationsanteilen auch Selbstorganisationsaktivitäten bei den Betroffenen (niemand<br />
ist in der Lage, alle Details von Veränderungen planerisch festzulegen und ihre<br />
Erreichung steuernd zu gewährleisten). Selbstorganisationsprozesse erfolgen bei<br />
Menschen unter dem Einfluss der Emotionen (und der dahinter liegenden Bedürfnisse)<br />
als Ordnungsparameter (Ordner). Da Veränderungsprojekte in Organisationen zu einem<br />
großen Teil auf Veränderungen bei Menschen (der von der Projektarbeit und ihren<br />
Ergebnissen betroffenen Personen und der Führungs- und Leitungspersonen sowie der<br />
VertreterInnen der Beschäftigten) beruhen, kann es nützlich sein, die gesamte<br />
Vorgehensweise und die in dieser verwendeten Methoden unter dem Blickwinkel der<br />
neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zur Entwicklung von Menschen (Individuen und<br />
Gruppen) und des hierzu erforderlichen Lernens sowie Um- und Verlernens usw. zu<br />
betrachten. Unter Berücksichtigung dieser Aussagen wurde eine Vorgehensweise<br />
entwickelt und erprobt, die durch Beteiligung von Anfang an, emotionalkompetenzförderliche<br />
Innovations-Prozessgestaltung und Kommunikation und Haltung<br />
der Promotoren der Innovation, klare und verbindliche Vereinbarungen und deren<br />
Einhaltungs-Sicherstellung sowie des Bewusstwerdens von Inkonsistenzen, negativen<br />
dysfunktionalen Gefühlen und Kognitionen (Vorwürfe, nicht erfüllte Erwartungshaltungen<br />
(jeweils an sich selbst, an Andere), Altersregression, dysfunktionale Loyalitäten),<br />
negative Glaubenssätze, dysfunktionale Verhaltensweisen neben den technischorganisationalen<br />
Aspekten zu anderen Sichten der Beteiligten und zu anderen<br />
Ergebnissen führen als übliche Organisationsveränderungs-Maßnahmen. Die<br />
Anwendung von ausgewählten Methoden und Techniken aus verschiedenen<br />
Wissensbereichen wie empathische Kommunikation, systemische Fragetechniken,<br />
System-Aufstellung, energetische Psychotherapie, Wirkungsanalyse, Moderation erfolgt<br />
dabei in einem iterativ in Phasen durchlaufenden Prozess, wobei die Phasen gleichzeitig<br />
völlig unterschiedliche Sichten auf das Vorhaben zur Veränderung, die Ausgangs- und<br />
Zielsituation darstellen: Problem-, Ziel-, Lösungs-, Ergebnis-, Ressourcen-, Handlungsund<br />
Reflektionssicht. Die Vorgehensweisen und Methoden wurden in einer Fortbildungs-<br />
Maßnahme der BAuA bezüglich der Vermittelbarkeit und Erlernbarkeit durch<br />
BetriebsärztInnen erprobt (1) und werden zukünftig weiterhin angeboten. Die einzelnen<br />
Methoden und Techniken bieten auch Unterstützung bei der Erledigung vieler weiterer<br />
betriebsärztlicher Aufgaben Gespräche und Verhandlungen jeglicher Art, konfliktäre<br />
Situationen, um nur Einige zu nennen.<br />
433
P06<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Literatur<br />
F. J. Heeg, S. Karbe-Hamacher, B. Schneider-Heeg, M. Sperga, Psychosoziale<br />
Belastungen im betriebsärztlichen Alltag, Methoden- und Kompetenzerweiterung für<br />
Betriebs- und Arbeitsmediziner/-innen in Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin (Hrsg.), Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin, Fb 1095, Dortmund, Berlin, Dresden (Wirtschaftsverlag NW, Verlag neue<br />
Wirtschaft GmbH) 2008<br />
434
P07<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Arbeitsphysiologische Beanspruchungsanalyse bei der Arbeit<br />
mit modernen Technologien<br />
Anja Roggentin 1 , Johannes Tümler 2 , Rüdiger Mecke 2 , Eberhard A. Pfister 1 , Irina Böckelmann 1<br />
1 Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
2 Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg<br />
Zusammenfassung: In der Pilotstudie zum AVILUS-Projekt wurde unter<br />
standardisierten Bedingungen das subjektive und objektive Beanspruchungsverhalten<br />
bei einer AR-gestützten Tätigkeit im Vergleich zur konventionellen Arbeit untersucht.<br />
Langfristiges Ziel ist die industrielle Nutzung physiologisch optimierter,<br />
beanspruchungsarmer AR-Technolgien.<br />
Einleitung<br />
Im Zuge der sich verändernden Arbeitswelt halten computergestützte Tätigkeiten mehr<br />
und mehr Einzug in den Berufsalltag. Dazu gehören auch Anwendungen der Augmented<br />
Reality (AR, „Erweiterte Realität“), bei der die reale Welt um virtuelle Objekte bereichert<br />
wird, sodass zusätzliche – aktuell wichtige – Informationen durch ein visuelles<br />
Ausgabegerät (hier ein Head-Mounted-Display – HMD) direkt vor Ort zur Verfügung<br />
gestellt werden. Der Einsatz der AR bietet vor allem für die Industrie Vorteile. Dennoch<br />
ist über entstehende Beanspruchungen beim Nutzer bisher wenig bekannt. Gegenstand<br />
der Untersuchung war daher die Evaluation der Beanspruchungssituation bei einer ARgestützten<br />
Tätigkeit im Vergleich zu einer herkömmlichen, nicht-AR-gestützten<br />
Kommissionierungsätigkeit.<br />
Methodik<br />
An einem Modellarbeitsplatz führten 20 männliche, klinisch gesunde Probanden (25,9 ±<br />
2,8 Jahre) an verschiedenen Tagen Kommissionierungsaufträge mit und ohne AR-<br />
Unterstützung aus. Ein Versuch bestand aus der zweistündigen Belastungsphase sowie<br />
je 2 Ruhephasen vor und nach dem Versuch. Das Mehrebenenkonzept nach Fahrenberg<br />
[1] bildete die Grundlage der arbeitsphysiologischen Beanspruchungsanalyse. Als<br />
subjektive Beanspruchungsindikatoren dienten die Befindlichkeits-Skala (BFS [2]), die<br />
Eigenzustands-Skala (EZ-Skala [3]) sowie ein Fragebogen zu körperlichen Beschwerden<br />
(jeweils vor und nach dem Versuch ermittelt). Während der Untersuchung trugen alle<br />
Probanden den Langzeit-EKG-Rekorder „MT-101“ (Fa. Schiller). Auf Basis dieser Daten<br />
erfolgte die objektive Beanspruchungsanalyse durch Auswertung von Parametern der<br />
Herzfrequenzvariabilität im Zeit- und Frequenzbereich. Daneben wurde die<br />
Arbeitsleistung quali- und quantitativ erfasst. Für die Studie liegt ein positives Votum der<br />
Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg vor.<br />
435
P07<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Ergebnisse<br />
Die Analyse der Fragebogendaten ergab sowohl für die BFS als auch die EZ-Skala ein<br />
deutlich schlechteres Gesamtbefinden nach Versuchsende. Dabei schätzten die<br />
Probanden die Beanspruchung durch die AR jedoch nicht höher ein als die<br />
Beanspruchung durch die konventionelle Arbeit mit der Papierliste. Nur die Ergebnisse<br />
des Beschwerdefragebogens weisen auf eine stärkere Belastung vor allem des visuellen<br />
Systems durch die AR (Wilcoxon-Test): Signifikante Zunahme von Kopfschmerzen (p =<br />
0,020) und Augenbrennen (p = 0,020), tendenzielle Steigerung von unscharfem Sehen<br />
(p = 0,083). Die Augenermüdung nimmt in beiden Versuchsteilen signifikant zu (p AR =<br />
0,022, p Papier = 0,038).<br />
Mittels HRV-Analyse wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den<br />
beiden Arbeitsformen festgestellt. Auch hier führte die Tätigkeit an sich – unabhängig<br />
vom Arbeitsmittel – zu einer messbaren Beanspruchung. Für alle erfassten Parameter<br />
(Herzfrequenz, SDNN, rMSSD, pNN50, LSP, relative Anteile des LF- und HF-Bandes am<br />
LSP und LF/HF-Quotient) zeigten die<br />
LF/HF-Quotient (AR vs. Papier)<br />
Kurven in beiden Teilversuchen ähnliche 14<br />
12<br />
Verläufe. Exemplarisch sei das Verhalten<br />
10<br />
8<br />
des LF/HF-Quotienten als Maß der<br />
6<br />
sympahikovagalen Balance [4] veranschaulicht.<br />
4<br />
2<br />
Bei Verwendung der AR<br />
0<br />
-2<br />
entstanden weniger Fehler als bei der -4<br />
herkömmlichen Tätigkeit, allerdings waren<br />
Ruhe<br />
Liegen<br />
Ruhe<br />
Stehen<br />
Arbeit<br />
Anfang<br />
Arbeit<br />
Mitte<br />
Arbeit<br />
Ende<br />
Erholung<br />
Stehen<br />
Versuchsphasen<br />
die Versuchspersonen durchschnittlich<br />
30% langsamer. Abb. 4: Verlauf des LF/HF-Quotienten für beide Arbeitsmittel<br />
AR<br />
Papier<br />
Erholung<br />
Liegen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Ergebnisse sprechen gegen eine erhebliche Mehrbelastung des Nutzers durch eine<br />
fortlaufende zweistündige AR-gestützte Kommissionierung und zeigen gleichzeitig das<br />
Potenzial der AR zur Fehlerreduktion auf. Die Resultate müssen durch weiterführende<br />
Untersuchungen mit größerer Probandenzahl und längerer Arbeitsdauer sowie<br />
Feldversuche unter realen Arbeitsbedingungen bestätigt werden. Auch ist zu prüfen, ob<br />
das visuelle System durch das HMD tatsächlich einer relevanten Belastung ausgesetzt<br />
ist.<br />
436
P07<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Literatur<br />
[1] Fahrenberg J (1969): Die Bedeutung individueller Unterschiede für die Methodik<br />
der Aktivierungsforschung. Bern u. a., Huber-Verlag, 95-122<br />
[2] Zerssen D, Koeller DM (1976): Die Befindlichkeits-Skala. Manual. Parallelformen<br />
BF-S und BF-S'. Beltz Test Gesellschaft mbH, Weinheim<br />
[3] Nitsch JR (1976): Die Eigenzustandsskala (EZ-Skala) – Ein Verfahren zur<br />
hierarchisch-mehrdimensionalen Befindlichkeitsskalierung. In: J.R. Nitsch, I. Udris<br />
(Hrsg.):Beanspruchung im Sport. Beiträge zur psychologischen Analyse<br />
sportlicher Leistungssituationen. Limpert, Bad Homburg, 81-102<br />
[4] Task Force of The European Society of Cardiology and The North American<br />
Society of Pacing and Electrophysiology (1996): Heart rate variability – Standards<br />
of measurement, physiological interpretation, and clinical use. Eur Heart J. Vol.<br />
17, 354-381<br />
437
P08<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Diagnostik von Stressbelastung, Burnout und psychosomatischen<br />
Beschwerden im beruflichen und sozialen Kontext<br />
Wolfgang Hagemann, Katja Geuenich, Svenja Waclawiak<br />
Röher Parkklinik<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
438
P09<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Psychophysiologische Untersuchungen zu studiumsbezogenen<br />
Belastungen bei Teilnehmern eines Stressbewältigungskurses<br />
für Studenten<br />
Beatrice Thielmann 1 , Xenia Schumann 1 , Evelin Ackermann 2 , Jörg Frommer 2 , Irina Böckelmann 1<br />
1<br />
Bereich Arbeitsmedizin, Med. Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
2<br />
Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Med. Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg<br />
Einleitung:<br />
In den letzten Jahren haben bspw. innovativ entwickelte Studiengänge und Integration<br />
neuer Querschnittsfächer das Aufgabenfeld des Studenten deutlich verändert. Viele<br />
Studien konnten darlegen, dass während des Studiums Stressbelastungen und -<br />
empfindungen zunehmen, die auch zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Ob<br />
individuell geschulte Copingstrategien im Rahmen fakultativ angebotener<br />
Stressbewältigungskurse greifen, um Stressempfindungen während des Studiums zu<br />
reduzieren, wurde bisher nur selten untersucht und soll hier näher betrachtet werden.<br />
Probanden und Methodik:<br />
Wir untersuchten 18 Studenten verschiedener Fakultäten der Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg (13 Frauen und 5 Männer, 24,2 ± 2,3 Jahre alt), die freiwillig an<br />
einem 8-wöchigen Stressbewältigungskurs teilnahmen. Dieser Kurs wurde von der<br />
Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie geleitet (Erlernung von<br />
Autogenem Training, Wahrnehmung, Analyse und Bewertung von stressempfundenen<br />
Situationen). Die Studenten erhielten zu Beginn, nach 8 Wochen Kursbesuch und nach 3<br />
Monaten verschiedene standardisierte Fragebögen (AVEM = Arbeitsbezogene<br />
Verhaltens- und Erlebensmuster, KOEPS = Fragebogen für körperliche, psychische und<br />
soziale Symptome, SVF = Stressverarbeitungsfragebogen, DSI = Differentielles<br />
Stressinventar, EBF = Erholungs-Belastungs-Fragebogen und SBUSB = Skalen zur<br />
Erfassung der subjektiven Belastung und Unzufriedenheit im beruflichen Bereich), um<br />
studienbezogene Arbeits- und Verhaltensmuster, Coping, Belastungen u. a. zu erfassen.<br />
Ergebnisse:<br />
Zu Beginn des Kurses konnten 88,9 % der Studenten in die gesundheitsgefährdeten<br />
AVEM-Muster A und B oder Mischgruppen eingeteilt werden, die auch teilweise starke<br />
körperliche Beschwerden in anderen Fragebögen angaben. Nach 8 Wochen Kursbesuch<br />
boten alle diese Studenten weiterhin AVEM-Risikomuster, aber teilweise mit Abnahme<br />
der Prozentsätze in der A- und B-Gruppe. Bei intensiver Integration von<br />
Stressbewältigungsmaßnahmen in den Alltag (mind. 2 - 3 x pro Woche) konnte nach 3<br />
Monaten ebenfalls eine Verbesserung der Prozentsätze von gesundheitsförderlichen<br />
439
P09<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
AVEM-Gruppen beobachtet werden. Reine AVEM-Typen mit über 95 % Ausprägung in<br />
einem Merkmal zeigten keinerlei Änderungen im Profil.<br />
Beim AVEM gab es nur in der Dimension Distanzierungsfähigkeit signifikante<br />
Unterschiede (Phase 1 und 2 p = 0,020 und tendenziell zwischen 1 und 3). Körperliche,<br />
psychische und soziale Symptome nahmen im Verlauf geringgradig zu (KOEPS). Beim<br />
SBUSB wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden. Ebenso fanden sich nur<br />
tendenzielle Unterschiede im EBF (Skalen Allgemeine Belastung, Übermüdung und<br />
Leistungsfähigkeit) mit den besseren Ergebnissen in der 3. Phase.<br />
Die Auswertung des DSI ergab, dass die physische Stressmanifestation im Verlauf<br />
abnahm (Phasen 1/2 p = 0,025 und Phasen 1/3 = 0,005). Aus der Abbildung 1 können<br />
die Positivstrategien (1 – 10) und Negativstrategien des SVF entnommen werden.<br />
30<br />
SVF = Stressverarbeitungsfragebogen<br />
Rohwerte<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
* 1/2 t 2/3<br />
* 1/2<br />
t 1/2<br />
t 1/3<br />
* 1/2 t 1/3<br />
* 1/2<br />
Beginn<br />
8 Wochen<br />
Ende<br />
0<br />
BA<br />
HV<br />
SA<br />
AS<br />
EB<br />
SS<br />
E<br />
SV<br />
RV<br />
PI<br />
BU<br />
VT<br />
FT<br />
AK<br />
GW<br />
R<br />
SM<br />
SB<br />
AG<br />
PE<br />
PS<br />
NS<br />
Merkmal<br />
Abbildung 1: Ergebnisse und Darstellung der Dimensionen des Stressverarbeitungsfragebogen zu<br />
Beginn, nach 8 Wochen Kursbesuch und nach 3 Monate selbstständiger Anwendung zu Hause<br />
(BA = Bagatellisierung, HV = Herunterspielen durch Vergleich, SA = Schuldabwehr, AS =<br />
Ablenkung von Situationen, EB = Ersatzbefriedigung, SS = Suche nach Selbstbestätigung, E =<br />
Entspannung, SV = Situationskontrollversuch, RV = Reaktionskontrollversuch, PI = Positive<br />
Selbstinstruktion, BU = Bedürfnis nach soz. Unterstützung, VT = Vermeidungstendenz, FT =<br />
Fluchttendenz, AK = Soziale Abkapselung, GW = Gedankliche Weiterbeschäftigung, R =<br />
Resignation, SM = Selbstbemitleidung, SB = Selbstbeschuldigung, AG = Aggressionen, PE =<br />
Pharmakaeinnahme, PS = Positivstrategien, NS = Negativstrategien)<br />
Diskussion:<br />
Gesundheit und Wohlbefinden der Studierenden liegen im Interesse der Hochschule und<br />
der Arbeitsmedizin als Präventivfach. Die Kenntnisse der Ausprägung bestimmter<br />
Merkmale und Bewältigungsmuster bieten im Rahmen individueller<br />
Präventionsmaßnahmen Ansatzpunkte gezielter therapeutischer Interventionen. Die<br />
Compliance der Studenten spielt eine große Rolle. Die Integration in den Alltag muss<br />
ebenfalls erlernt werden. Die regelmäßige Anwendung beeinflusst das Stressempfinden<br />
positiv. Reine AVEM-Muster zeigen sich nach 3 Monaten relativ stabil und ohne<br />
440
P09<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Änderungen. Es wäre zu untersuchen, ob nach 1 Jahr regelmäßiger Anwendung<br />
Verschiebungen zu beobachten sind.<br />
Ein positives Votum durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-<br />
Guericke-Universität Magdeburg bestand.<br />
441
P10<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Arbeitsbelastung und –beanspruchung von Busfahrern<br />
Britta Geißler 1 *, Lorenz Hagenmeyer 2 , Katrin Meinken 2 , Axel Muttray 1<br />
1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität,<br />
Mainz<br />
2 Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart<br />
*Daten aus der medizinischen Dissertation von B. G., in Vorbereitung<br />
Ziel der Studie<br />
Nachtarbeit, unregelmäßige und lange Arbeitszeiten gehen mit einem erhöhten<br />
Unfallrisiko und gesundheitlichen Belastungen einher 1, 2 . Vor diesem Hintergrund<br />
untersuchten wir die Arbeitsbedingungen von Reisebusfahrern.<br />
Methoden<br />
45 männliche Busfahrer aus verschiedenen gewerblichen Unternehmen nahmen an der<br />
Studie teil. Ihr mittleres Alter betrug 44 Jahre (26-62 Jahre). Die Berufsanamnese sowie<br />
Angaben zur Arbeitszeit und Fahrtätigkeit wurden mittels Fragebögen erhoben. Zur<br />
Messung der psychischen Arbeitsbeanspruchung wurde der Effort-Reward-Imbalance<br />
(ERI) Fragebogen verwendet. Die subjektive Schlafqualität der letzten 2 Wochen wurde<br />
vor der Messfahrt mit dem Pittsburgher Schlafqualitätsindex (PSQI) und die<br />
Tagesschläfrigkeit mit der Epworth Schläfrigkeitsskala (ESS) erfasst. Zur Messung des<br />
subjektiven momentanen Schläfrigkeitszustands vor Fahrtbeginn und nach erfolgter<br />
Fahrt wurde die Karolinska Schläfrigkeitsskala (KSS) verwendet. Das schriftliche<br />
Einverständnis der Probanden sowie die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission<br />
lagen vor.<br />
Ergebnisse<br />
Die Fahrer waren überwiegend im Reisefernverkehr tätig. 93% der Fahrer hatten<br />
unregelmäßige Arbeitszeiten und arbeiteten auch nachts. 73% waren hauptberuflich als<br />
Busfahrer beschäftigt. 27% gingen im Hauptberuf anderen Tätigkeiten nach und<br />
arbeiteten nebenberuflich als Busfahrer. Insgesamt gaben 30% der befragten Fahrer an,<br />
eine Nebentätigkeit auszuführen. Die geschätzte mittlere wöchentliche Arbeitszeit für alle<br />
Beschäftigungsverhältnisse betrug 50,4 Stunden (SD=14,4 Stunden). Monatliche<br />
Überstunden zwischen 12 und 100 Stunden wurden regelmäßig von 45% der Teilnehmer<br />
geleistet. Die Arbeitsbelastung hinsichtlich der Kilometerfahrleistung unterlag in<br />
Abhängigkeit von Auftragslage und Einsatzplanung starken Schwankungen. Die mediane<br />
wöchentliche Fahrleistung betrug 1400 km (300-6000 km). Die Fahrer waren auf langen<br />
Strecken überwiegend zu zweit unterwegs und wechselten sich beim Fahren ab. Die<br />
Lenkzeiten des jeweilig anderen Fahrers galten als Ruhezeiten, in denen aber eine<br />
ausreichende Erholung durch Schlaf wegen fehlender oder unzureichender<br />
442
P10<br />
Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />
Ruhegelegenheiten meistens nicht möglich war. 52% der Reisebusse waren mit einer<br />
Schlafkabine ausgestattet, welche häufig neben dem Gepäckraum oder im<br />
Einstiegsbereich lag und stets quer zur Fahrtrichtung ausgerichtet war. Lediglich 7 von<br />
22 Fahrern nutzten diese dann auch zum Schlafen. Als Gründe für die Nichtbenutzung<br />
der Schlafkabine wurden deren geringe Größe, fehlende Schallisolation und<br />
Klimatisierung sowie Vibrationsbelastung angegeben. Bei 23% aller Probanden wurde<br />
vor Fahrtbeginn ein PSQI-Summenwert >5 bzw. bei 38% der Fahrer ein ESS-Wert >10<br />
festgestellt. Dies wird als Hinweis für eine schlechte subjektive Schlafqualität bzw.<br />
vermehrte Tagesschläfrigkeit interpretiert. Der mediane KSS-Score vor Fahrtbeginn<br />
betrug 3 (3. Quartil=4), nach Fahrtende 5 (3. Quartil=7); somit schätzten sich die Fahrer<br />
nach erfolgter Fahrt deutlich schläfriger ein als vor der Fahrt. Bei 63% zeigte sich ein<br />
Missverhältnis zwischen beruflicher Verausgabung und Anerkennung (ER-ratio: MW=1,2,<br />
SD=0,4). Der Mittelwert für „übersteigerte berufliche Verausgabungsbereitschaft“<br />
(Overcommitment) war nicht erhöht (MW=12,5, SD=2,6).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Insbesondere lange und chronobiologisch ungünstige Arbeitszeiten führen zu<br />
Schlafdefiziten und stellten im untersuchten Busfahrerkollektiv eine gesundheitliche<br />
Belastung dar. Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei Zwei-Mann-Besatzungen auf<br />
langen Fahrten eine ausreichende Erholung durch Schlaf in den Ruhezeiten für den<br />
zweiten Fahrer häufig nicht möglich ist. Bei etwa zwei Drittel der Fahrer ergaben sich<br />
zudem Hinweise für Gesundheitsrisiken infolge der psychischen Arbeitsbeanspruchung.<br />
Da es sich bei dem Kollektiv aufgrund der freiwilligen Teilnahme um eine positive<br />
Selektion handelt, dürften die Belastungen und die daraus resultierenden<br />
Beanspruchungen in der Grundgesamtheit der Reisebusfahrer noch höher sein.<br />
Literatur<br />
1. Akerstedt T, Knutsson A, Westerholm P, Theorell T, Alfredsson L, Kecklund G; Work<br />
organisation and unintentional sleep: results from the WOLF study; Occup Environ Med;<br />
59; 2002; 595-600.<br />
2. Horne J, Reyner L; Vehicle accidents related to sleep: a review; Occup Environ Med;<br />
56; 1999; 289-294.<br />
Danksagung<br />
Die Studie wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gefördert.<br />
443
P11<br />
Poster – Prävention I<br />
Arbeit und Gesundheit bei Universitätsbeschäftigten –<br />
Ergebnisse einer MitarbeiterInnenbefragung an der Universität<br />
Freiburg<br />
Martina Michaelis 1 , Ulrich Stößel 2<br />
1<br />
FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin<br />
2<br />
Universität Freiburg, Abteilung Medizinische Soziologie<br />
In den letzten Jahren sind an deutschen Hochschulen verstärkt Bemühungen<br />
unternommen worden, ein integriertes betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
aufzubauen, so auch an der Universität Freiburg. Die hier vorgestellte<br />
Mitabeiterbefragung aus dem Jahr 2007 sollte Erkenntnisse über den Zusammenhang<br />
von Arbeit und Gesundheit generieren, aus denen Maßnahmevorschläge abgeleitet<br />
werden können.<br />
Methoden<br />
Der Fragebogen umfasste u.a. folgende Aspekte: a) Belastung durch<br />
Arbeitsbedingungen, b) subjektive Gesundheit und Gesundheitsverhalten, c) Skalen aus<br />
dem SALSA-Fragebogen zu psychomentalen/-sozialen Anforderungen und Ressourcen<br />
[1], d) die COPSOQ-Subskalen „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“ und „Burnout“<br />
[die Skalenwerte können mit der Datenbank des Deutschen COPSOQ-Studienzentrums<br />
(www.copsoq.de) verglichen werden] und e) Handlungsbedarf im betrieblichen<br />
Gesundheitsmanagement aus Sicht der Beschäftigten.<br />
Ergebnisse<br />
Die 327 auswertbaren Fragebögen repräsentieren 10% des hauptberuflichen Personals.<br />
Das nichtwissenschaftliche Personal (Verwaltung, Technik) ist unterrepräsentiert (52%);<br />
weitere 30% kommen aus dem wissenschaftlichen Bereich und 17% der Befragten sind<br />
Beamte (alle Dienstgrade). 27% sind über 49 Jahre, 61% sind Frauen, 41% sind<br />
mindestens 11 Jahre beschäftigt, 16% haben eine leitende Stellung.<br />
Als am meisten belastende Arbeitsbedingungen werden lange Bildschirmarbeit (46%<br />
ziemlich/sehr stark), ungünstige Arbeitshaltungen (37%) und Zeitdruck (24%)<br />
angegeben; dies vom nichtwissenschaftlichen Personal signifikant geringer als von den<br />
anderen beiden Berufsgruppen. Der COPSOQ-Skalenmittelwert “Unvereinbarkeit von<br />
Beruf und Privatleben“ liegt beim nichtwissenschaftlichen Personal signifikant niedriger<br />
(MWFC=23, Skala von 0-100) als bei den anderen beiden Berufsgruppen (MWFC=47<br />
bzw. 48), die damit im Durchschnitt aller Daten in der COPSOQ-Datenbank liegen. Der<br />
COPSOQ- Skalenmittelwert „Burnout“ unterscheidet sich nicht zwischen den Gruppen<br />
444
P11<br />
Poster – Prävention I<br />
(MCBI=37); er ist verglichen mit dem COPSOQ-Datenbankmittelwert (MCBI=44) eher<br />
unterdurchschnittlich.<br />
73% sind mit ihrer Arbeitsplatzbedingungen „eher/völlig zufrieden“, 69% mit dem<br />
Aufgabenprofil und 69% mit dem Arbeitsklima, 70% mit der Universität als Arbeitgeber<br />
(ohne statistischen Einfluss der o.g. Stichprobenmerkmale). 55% können sich<br />
„ziemlich/sehr“ auf ihren Vorgesetzten verlassen, 73% auf ihre Kollegen (ohne<br />
Berufsgruppenunterschiede).<br />
72% aller Berufsgruppen bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut.<br />
Krankheitsbedingte Fehltage weisen 1,4% der Befragten auf (zum Vergleich: 2,9% alle<br />
Universitätsbeschäftigten, AOK-Daten 2004). 80% treiben regelmäßig Sport. 92%<br />
rauchen nicht (mehr); alle Aspekte ohne Berufsgruppenunterschiede. Statistisch<br />
signifikante Prädiktoren für einen guten subjektiven Gesundheitszustand sind neben<br />
einem Lebensalter unter 49 Jahren ein geringerer Burnout-Wert, ein höherer<br />
Entscheidungs- und Kontrollspielraum und regelmäßige Sportaktivitäten (sukzessiv<br />
verschlanktes Modell, multivariate lineare Regression, Vorwärtsselektion). Berufliche<br />
Stellung und Geschlecht spielen keine Rolle.<br />
Keinen hohen, sondern allenfalls „mittleren“ Handlungsbedarf für betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement sehen die MitarbeiterInnen am ehesten bei<br />
Bewegungsangeboten (Tabelle 1), aber auch bei Fortbildungen zu Arbeitsorganisationsund<br />
Teamkompetenzen sowie hinsichtlich der Hygiene in sanitären Einrichtungen und<br />
einem gesünderem Essensangebot. Am unteren Ende des subjektiven Bedarfs stehen<br />
Suchtvorbeugung und Nichtraucherschutz, aber auch die betriebsärztliche Vorsorge.<br />
Art des Angebots<br />
Mittelwert<br />
Bewegungsangebote 2,08<br />
Arbeitsorganisation 2,05<br />
Kollegialität mit Vorgesetzten/Kollegen 2,03<br />
Hygiene in sanitären Einrichtungen 2,00<br />
Gesünderes Essensangebot 1,98<br />
Arbeitsplatzgestaltung 1,88<br />
Arbeitszeitgestaltung 1,85<br />
Arbeitsmaterialien 1,75<br />
Suchtvorbeugung, Suchtkrankenhilfe 1,74<br />
Nichtraucherschutz 1,73<br />
Betriebsärztliche Vorsorge 1,73<br />
Pausenregelung 1,44<br />
Tab. 1:<br />
Bereiche für Handlungsbedarf im Betrieblichen Gesundheitsmanagement aus Sicht der<br />
Beschäftigten (standardisierte Fragen, 1= gering 2= mittel 3= hoch)<br />
445
P11<br />
Poster – Prävention I<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die positive Gesundheitseinschätzung und das Gesundheitsverhalten sind mit<br />
Mitarbeiterbefragungen anderer Universitäten vergleichbar [2]. Die Ergebnisse sind<br />
angesichts der niedrigen Responserate jedoch mit Einschränkungen zu bewerten. Der<br />
statistische Zusammenhang zwischen psychosozialen Faktoren und subjektivem<br />
Gesundheitszustand verdeutlicht, dass betriebliches Gesundheitsmanagement sich nicht<br />
gießkannenmäßig an alle Beschäftigten wenden sollte. Eine risikofaktorenorientierte<br />
Gefährdungsanalyse zur Identifizierung von Problemarbeitsbereichen sollte den<br />
Angeboten vorausgehen. Grundsätzlich scheinen Online-Befragungen ohne weitere<br />
unterstützende Aktivitäten zur Teilnahmemotivation nur bei Beschäftigten mit<br />
permanentem PC-Zugang sinnvoll.<br />
Literatur<br />
1. Rimann, M. , Udris, I. (1997): Subjektive Arbeitsanalyse: Der Fragebogen SALSA. In:<br />
Strohm, O., Ulich, E. (Hrsg.), Unternehmen arbeitspsychologisch bewerten. Zürich:<br />
vdf Hochschulverlag, 281-298<br />
2. Kriegel, C., Gröben, F. (2003): Ergebnisse der Mitarbeiter/innen - Befragung 2002.<br />
Institutsbericht Nr. 1kr. www.sport.uni-karlsruhe.de/gesundeuni/download/Befragungsergebnisse2002.pdf<br />
446
P12<br />
Poster – Prävention I<br />
Der überarbeitete G24: evidenzbasierte effiziente Hautvorsorge<br />
Ulrich Funke<br />
Dr. Funke Consulting GmbH<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
447
P13<br />
Poster – Prävention I<br />
Biologisches vs. kalendarisches Alter – arbeits- und gesundheitsbezogene<br />
Prädiktoren<br />
Gabriele Freude 1 , Reingard Seibt 2, Olga Jakob 3 , Peter Martus 3 , Uwe Rose 1<br />
1 Gruppe 3.4 “Mentale Gesundheit und Kognitive Leistungsfähigkeit”, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin, Berlin<br />
2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />
3 Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie, Charite, Berlin<br />
Einleitung<br />
Ziel der vorliegenden Studie ist es, arbeits- und gesundheitsbezogene Prädiktoren<br />
für Unterschiede zwischen kalendarischem (KA) und biologischem Alter (BA) zu<br />
identifizieren. Es kann angenommen werden, dass protektive arbeits- und<br />
gesundheitsbezogene Faktoren den Prozess des Alterns positiv beeinflussen,<br />
verbunden mit einem biologischen (vitalen) Alter, das geringer ist als das<br />
kalendarische Alter.<br />
Methode<br />
Der vorliegenden Analyse liegen Daten zugrunde, die im Rahmen von drei, mit<br />
identischen Methoden durchgeführten Studien gewonnen wurden (Seibt et al. 2005,<br />
2006, Freude 2007). Die Gesamtstichprobe besteht aus folgenden Subgruppen: 100<br />
Lehrerinnen, 60 weibliche Büroangestellte, 65 Erzieherinnen, 99 männliche Lehrer<br />
und 47 Führungskräfte.<br />
Methodische Grundlage für die Bestimmung des biologischen Alters ist der<br />
Vitalitätsmessplatz® (Meißner-Pöthig, 1997), mit dem 45 Vitalitätsindikatoren zur<br />
Messung physischer, mentaler und emotionaler Funktionen erfasst werden. Die<br />
individuellen Messwerte werden normiert und in einem sog. „Functional age index“<br />
(FAI) zusammengefasst.<br />
Zusätzlich wurden Work Ability Index (WAI), die Effort-Reward-Imbalance (ERI),<br />
Erholungsunfähigkeit sowie gesundheits- und lebensstilbezogene Faktoren<br />
gemessen.<br />
Ergebnisse<br />
Die größte KA-BA-Differenz wurde für die Subgruppe der Führungskräfte gefunden<br />
(9 Jahre), gefolgt von der Subgruppe der Lehrerinnen (5 Jahre). Für die Subgruppen<br />
der Erzieherinnen, Büroangestellten und Lehrer wurden keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen kalendarischem und biologischem Alter nachgewiesen.<br />
Der „beste Vitalitätsstatus“ bei der Gruppe der Führungskräfte stimmt mit dem<br />
Befund überein, dass bei ihnen auch die besten Ergebnisse bei der Arbeitsfähigkeit,<br />
dem Verhältnis von „Effort“ und „Reward“ (ERI) und der Erholungsfähigkeit gefunden<br />
wurden. Mittels multipler Regressionsanalyse wurden Prädiktoren für die Differenz<br />
zwischen KA und BA ermittelt. In der folgenden Tabelle 1 sind die<br />
448
P13<br />
Poster – Prävention I<br />
Regressionskoeffizienten von drei getrennten Regressionsanalysen einschließlich der<br />
Konfidenzintervalle aufgeführt. Die im Regressionsmodell 1 ermittelten Parameter<br />
belegen den KA-BA-Unterschied zwischen Führungskräften und den anderen<br />
Berufsgruppen. Die Gruppenunterschiede reduzieren sich (s. Modell 3) nach<br />
Einbeziehung der interessierenden Einflussgrößen (besonders deutlich beim Vergleich<br />
der Führungskräfte mit den Lehrerinnen), d.h. ein Teil der Unterschiede der KA-BA -<br />
Differenz bei den unterschiedlichen Berufsgruppen sind auf die hier analysierten<br />
Einflussgrößen (mentale Ressourcen, Erholungsunfähigkeit, berufliche Gratifikation,<br />
Fettmasse) zurückzuführen.<br />
Tab. 1: Prädiktoren für die Diskrepanz zwischen kalendarischem und biologischem Alter<br />
Model 1 Model 2 Model 3<br />
Prädiktor B B B<br />
(Constant) 9,01 -5,05 0,93<br />
L (w) – FK (m)<br />
BK (w) – FK (m)<br />
E (w )– FK (m)<br />
L (m) – FK (m)<br />
WAI 7<br />
EU 3<br />
Fettmasse<br />
Gratifikation<br />
-4,05 **<br />
KI: (-6,35 ; -1,74)<br />
-7,76 **<br />
KI: (-10,40 ; -5,12)<br />
-7,03 **<br />
KI: (-9,61 ; -4,45)<br />
-7,16 **<br />
KI: (-9,44 ; -4,88)<br />
1,58 **<br />
KI: (0,42 ; 2,75)<br />
-0,53 n.s.<br />
KI: (-1,27 ; 0,21)<br />
-0,21 **<br />
KI: (-0,31 ; -0,11)<br />
0,19 **<br />
KI: (0,07 ; 0,32)<br />
-1,60 n.s.<br />
KI: (-4,03 ; 0,84)<br />
-6,02 **<br />
KI: (-8,58 ; -3,45)<br />
-6,58 **<br />
KI: (-9,01 ; -4,14)<br />
-3,79 **<br />
KI: (-6,41 ; -1,17)<br />
1,66 **<br />
KI: (0,45 ; 2,88)<br />
-1,00 *<br />
KI: (-1,77 ; -0,24)<br />
-0,18 **<br />
KI: (-0,28 ; -0,08)<br />
0,14 *<br />
KI: (0,01 ; 0,27)<br />
R 2 / R 2 adj. 0,14 / 0,13 0,15 / 0,14 0,24 / 0,23<br />
Anmerkungen: Regressionsparameter der multiplen Regression mit Konfidenzintervallen, *p < 0.05, **p < 0.01,<br />
***p < 0.001,<br />
Spalte 1 (Modell 1) – Gruppenvergleich mit Führungskräften; Spalte 2 (Modell 2) - alleiniger Einfluss der Kovariaten;<br />
Spalte 3 (Modell 3) – Gruppenvergleich mit Führungskräften bei gleichzeitiger Adjustierung der Kovariaten im Modell 2.<br />
FK (m) männliche Führungskräfte, L (w) weibliche Lehrer, BK (w) weibliche Bürofachkräfte, E (w) Erzieherinnen, L (m)<br />
männliche Lehrer,<br />
WAI 7 (mentale Ressourcen), EU 3 (Item 3 der EU Skala), Gratifikation (gemessen auf Basis des ERI)<br />
Schlussfolgerung<br />
Diese Prädiktoren können sowohl als Ressourcen als auch als Risiken für den Prozess<br />
des Alterns betrachtet werden können. Prävention und Gesundheitsförderung, die<br />
sowohl auf arbeitsbezogene Ressourcen und Risiken gerichtet sind, können den<br />
Prozess des Alterns positiv beeinflussen.<br />
449
P13<br />
Poster – Prävention I<br />
Literatur<br />
Seibt R, Khan A, Thinschmidt M, Dutschke J, Weidhaas J. Gesundheitsförderung<br />
und Arbeitsfähigkeit in Kindertagesstätten. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2005.<br />
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin:<br />
Forschungsbericht, Fb 1049)<br />
Seibt R, Thinschmidt M, Lützkendorf L, Hänsch S. Arbeitsfähigkeit und Vitalität<br />
von Lehrern und Bürofachkräften – Ein Vergleich. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW,<br />
2006. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin:<br />
Forschungsbericht, Fb 1087)<br />
Freude G. Vitalität und Arbeitsfähigkeit von Führungskräften: Altersassoziierte<br />
Veränderungen und salutogenetische Faktoren. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed<br />
2007;42:544-553.<br />
Meißner-Pöthig D. Vitalitätsdiagnostik nach PÖTHIG ® . In: Meißner-Pöthig D,<br />
Michalak U, Hrsg. Vitalität und ärztliche Intervention: Vitalitätsdiagnostik: Grundlagen<br />
– Angebote – Konsequenzen. Stuttgart: Hippokrates, 1997; 64-72.<br />
450
P14<br />
Poster – Prävention I<br />
Möglichkeiten des Einsatzes eines Telemonitoring-Systems im arbeitsmedizinischen<br />
Bereich<br />
Dagmar Arndt 2 , Neubert, Sebastian 1 , Kumar, Mohit 2 , Matthias Weippert 1 , Regina Stoll 1<br />
1<br />
Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />
² Center for Life Science Automation (Celisca), Rostock<br />
Problem und Zielstellung:<br />
Sozialer und beruflicher Distress, Überlastung, Termindruck und Mobbing am<br />
Arbeitsplatz können zu gesundheitlichen Problemen führen. Diese werden häufig erst<br />
dann diagnostiziert, wenn sich infolge der chronischen Fehlbeanspruchung eine<br />
Funktionsstörung des Organismus entwickelt hat. Da evt. auftretende pathologisch<br />
veränderte Werte der Vitalparameter während des Arbeitsalltages in der Freizeit auf<br />
Normalwerte zurückfallen können, bleiben sie lange Zeit unentdeckt.<br />
Aus diesem Grunde sollten schon im Vorfeld Langzeitmessungen der Vitalparameter an<br />
Arbeitnehmern, während der Arbeit durchgeführt werden, um auftretende<br />
gesundheitsgefährdende Faktoren erkennen und vor Manifestation der Krankheit<br />
präventive Maßnahmen einleiten zu können. Die Möglichkeit des Einsatzes eines<br />
Telemonitoring-Systems kann einen großen Beitrag in der Gesundheitsvorsorge und in<br />
der Kosteneinsparung im Gesundheitswesen leisten. Telemedizin wird bislang vor allem<br />
im diagnostischen und Nachsorgebereich verwand, im Bereich der arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge kam sie bislang kaum zum Einsatz. Ziel unserer Untersuchung war die<br />
Entwicklung eines mobilen Equipments, welches in der Lage ist, eine zeitparallele<br />
Erfassung mehrerer physiologischer Parameter, sowie des Tätigkeitsprofils<br />
vorzunehmen und sie in einem webbasierten Visualisierungssystem online<br />
wiederzugeben. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Reaktion des<br />
Arbeitnehmers unter psychischer und physischer Arbeitsbelastung ortsunabhängig in<br />
Echtzeit verfolgen zu können.<br />
Methode:<br />
Zur Erprobung des Equipments standen 50 gesunde Probanden (Alter: 27,62 ± 9,14,<br />
Geschlecht: 25 Frauen, 25 Männer) zur Verfügung, die an simuliert vollautomatisierten<br />
Arbeitsplätzen untersucht wurden. Für die Messung der physiologischen Parameter kam<br />
das kabellose Sensormodul Equivital – TM zum Einsatz, welches eine zeitparallele<br />
Messung der Herzfrequenz, der RR-Intervalle, der Atmung, der Hauttemperatur, die<br />
Aktivität und der Position des Probanden vornimmt. Die Sensorik ist in einem Brustgurt<br />
integriert und überträgt die Messdaten über eine Bluetooth-Schnittstelle auf ein mobiles<br />
Gerät (PDA). Die Dokumentation über die Art der Tätigkeit und das subjektive<br />
Beanspruchungsempfinden erfolgte über Selbstprotokollierung des Probanden auf den<br />
451
P14<br />
Poster – Prävention I<br />
mit einer speziellen Software ausgestatteten PDA. Alle Daten werden auf einen zentralen<br />
Server übertragen, mit einem einheitlichen Zeitstempel versehen und in einem<br />
webbasierten Visualisierungssystem wiedergegeben.<br />
Ergebnisse:<br />
Abb.1: Real-time Visualisierung von physiologischen Daten, subjektivem<br />
Beanspruchungsempfinden und Belastungkategorien<br />
Der Einsatz des o.g Telemonitoring-Systems erweist sich auch im Bereich der<br />
Belastungs-Beanspruchungs-Untersuchung als sinnvoll. Die Integration multipler<br />
Sensorikelemente in einem Brustgurt bietet eine komfortable Methode des mobilen<br />
Monitorings. Die Vorteile des Messgerätes konnten bei den durchgeführten<br />
Untersuchungen in der artefaktarmen Aufzeichnung des sitzenden Probanden und der<br />
geringen Beeinträchtigung des Probanden in seiner Tätigkeit durch das Messgerät<br />
nachgewiesen werden. Die real-time Visualisierung von physiologischen Daten,<br />
subjektivem Beanspruchungsempfinden und Belastungskategorien eignet sich im<br />
Rahmen arbeitsphysiologischer Untersuchungen, um während eines Arbeitsalltages<br />
auftretende Fehlbeanspruchungen und Krankheitsfrühstadien erkennen zu können und<br />
rechtzeitig präventiv wirksam werden zu können.<br />
452
P15<br />
Poster – Prävention I<br />
Betriebliche Suchtprävention – Engagement und Kompetenz von<br />
Betriebsärzten<br />
Manuela Merchlewicz, Claudia Peters, Albert Nienhaus<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege<br />
Einleitung<br />
Betriebliche Suchtprävention ist eine wichtige Aufgabe von Betriebsärzten. Bisher ist<br />
aber wenig darüber bekannt, welchen konkreten Beitrag Betriebsärzte zu diesem<br />
wichtigen Thema leisten. Deshalb befragten wir Betriebsärzte zu ihrer Erfahrung und<br />
Kompetenz im Bereich Suchtprävention.<br />
Methode<br />
Die Erhebung wurde mit einem standardisierten, selbstauszufüllendem Fragebogen<br />
zwischen Juni und August 2008 durchgeführt. Der Bogen wurde an 250 Betriebsärzte<br />
verteilt, 122 haben geantwortet (Responserate 50%). Der Erhebungsbogen wurde für die<br />
Studie entwickelt. Er beinhaltet Fragen zur Struktur der betreuten Betriebe, zu<br />
Substanzkonsum am Arbeitsplatz, Erfahrungen mit betrieblicher Suchtprävention sowie<br />
Bedarf an Fortbildungsmaßnahmen. Die Auswertung erfolgte deskriptive.<br />
Ergebnisse<br />
Im Durchschnitt betreuten die Betriebsärzte 3000 Beschäftigte (Median). Die Dauer der<br />
Tätigkeit als Betriebsarzt betrug im Mittel 16 Jahre. 35% der Betriebsärzte sind häufig mit<br />
dem Thema Sucht oder Suchtproblemen bei Mitarbeitern konfrontiert. Etwa die Hälfte der<br />
Betriebsärzte führt Drogenteste bei Einstellung oder anlassbezogen durch. Beteiligt bei<br />
der betrieblichen Suchthilfe ist ein Drittel der Betriebsärzte. 75% der Befragten stufen<br />
ihre Kompetenz in der Suchtprävention als mittelmäßig oder schlechter ein. Ein hohes<br />
Interesse an Fortbildungen zur Suchtprävention haben 64%.<br />
Aktivitäten der Betriebsärzte Absolut Prozent<br />
Drogentest bei Einstellung 51 41,8<br />
Drogentest bei Verdacht 59 48,4<br />
Zufallstest 12 9,8<br />
Information, Beratung 107 87,7<br />
Betriebliche Suchthilfe 42 34,4<br />
Vermittlung nach Extern 91 74,6<br />
Betriebliche Suchtprävention 53 43,4<br />
Aktivitäten bei der betrieblichen<br />
453
P15<br />
Poster – Prävention I<br />
Suchtprävention<br />
Suchtaktionstage 28 23,0<br />
Abbau suchtförd. Bedingungen 29 23,8<br />
Nichtraucherkurs 57 46,7<br />
Drink-Less-Programm 3 2,5<br />
Stressbewältigung 35 28,7<br />
Kompetenz der Betriebsärzte in Bezug auf<br />
Konsum und Auswirkungen von<br />
substanzbezogener Abhängigkeit<br />
sehr hoch – hoch 65 54,1<br />
Mittelmäßig 47 39,2<br />
Gering 8 6,7<br />
Kompetenz der Betriebsärzte in Bezug auf<br />
Suchtprävention<br />
sehr hoch – hoch 39 32,0<br />
Mittelmäßig 62 50,1<br />
Gering 13 10,7<br />
Interesse an Fortbildungen zum Thema<br />
Suchtprävention<br />
sehr hoch – hoch 78 63,9<br />
Mittelmäßig 34 27,9<br />
Gering 10 8,2<br />
Diskussion<br />
Jeder dritte Betriebsarzt ist regelmäßig mit dem Thema Sucht konfrontiert. Die eigenen<br />
Kompetenzen bezogen auf die Auswirkungen von Sucht werden eher gut, die<br />
Kompetenzen bei der Suchtprävention werden aber eher als schlecht eingestuft. Das<br />
Interesse an Fortbildungen ist dementsprechend groß. Hier sind die<br />
Fortbildungsakademien und Verbände gefordert, entsprechende Angebote zu<br />
entwickeln.<br />
454
P16<br />
Poster – Prävention I<br />
Diabetes-Screening im betrieblichen Umfeld: Die Bewertung der<br />
Blutzuckerwerte nach einer gemischten standardisierten<br />
Testmahlzeit<br />
Michael Schneider 1 , Stephan Martin 2 , Kerstin Kempf 2 ,<br />
1<br />
Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />
2<br />
Nationales Aktionsforum Diabetes mellitus, Projektgruppe Versorgung und Versorgungsforschung am<br />
Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum, Sana Krankenhaus Gerresheim, Sana Kliniken<br />
Düsseldorf GmbH, Düsseldorf<br />
Ziel der Studie<br />
Die Hyperglykämie ist ein unabhängiger Risikofaktor für mikro- und makrovaskuläre<br />
Komplikationen bei Menschen mit Diabetes mellitus. Sowohl erhöhte Nüchtern – als<br />
auch postprandiale Blutglukosewerte tragen wahrscheinlich zu diesem überhöhtem<br />
Risiko bei. Nach Schätzungen der WHO ist bis in das Jahr 2030 mit einer Zunahme der<br />
Typ 2 Diabetes-Erkrankung auf über 330 Mio. Fälle zu rechnen. Der Goldstandard zur<br />
Diagnose des Diabetes mellitus - der OGTT - ist zeitaufwendig und findet bei<br />
Screeninguntersuchungen nur geringe Akzeptanz. Aus diesem Grund wurden im<br />
Rahmen einer Aktion zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge („Diabetes-Risiko-Test“) bei<br />
Boehringer Ingelheim eine dem klassischen OGTT vergleichbare standardisierte<br />
Testmahlzeit inkl. Bestimmungen der Blutglukosewerte nüchtern und nach 1 Stunde<br />
angeboten. Ziel war es, Zusammenhänge zwischen biometrischen Daten, Risikofaktoren<br />
für Diabetes mellitus und nüchtern bzw. postprandialen Glukosekonzentrationen nach<br />
Einnahme der Testmahlzeit zu ermitteln und zu überprüfen ob dies ggf. Rückschlüsse<br />
auf das Vorliegen einer Störung der Glukosehomöostase erlaubt.<br />
Methoden<br />
Die Teilnehmer erhielten zunächst einen standardisierten Fragebogen (FindRisk) zur<br />
Evaluierung des individuellen Diabetes-Risikos. Blutglukosemessungen erfolgten<br />
nüchtern im Kapillarblut sowie 1 Stunde nach Verzehr der standardisierten Testmahlzeit.<br />
Diese bestand aus einem 30 Gramm Weißmehl-Brötchen belegt mit Putenbrust (18g<br />
Glukose), einem Brötchen (36g Glukose), 200 ml Orangensaft (23g Glukose) und Kaffee<br />
wahlweise mit Süßstoff. Die Testmahlzeit sollte innerhalb von 15 Minuten konsumiert<br />
werden. Assoziationen wurden mittels Spearman Korrelation, die Steigung der<br />
Regressionsgeraden mittels linearer Regression verglichen.<br />
455
P16<br />
Poster – Prävention I<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt 237 Personen (101 Männer und 126 Frauen) nahmen an den<br />
Untersuchungen teil. Es fand sich eine signifikante Assoziation zwischen der<br />
Nüchternblutglukose und den Einstundenwerten (r=0,366, p20 Punkte). Es fanden sich signifikante Assoziationen zwischen präbzw.<br />
postprandialen Blutglukosewerten und dem Ergebnis im FindRisk, dem Body mass<br />
index (BMI) sowie dem Lebensalter. Pro Lebensjahrzehnt erhöhten sich die<br />
Nüchternblutglukosewerte im Mittel um 4,3 ± 0,7 mg/dl, die postprandialen Blutglukose<br />
um 11,9 ± 1,9 mg/dl.<br />
Schlussfolgerung<br />
Diese Untersuchungen unterstreichen eindrucksvoll die Bedeutung der postprandialen<br />
Blutglukosemessungen um potentielle Störungen der Glukosehomeostase frühzeitig zu<br />
detektieren. Eine Zunahme von präprandialen Blutglukosewerten geht mit einer 1,3<br />
fachen Erhöhung der postprandialen Blutglukosewerten einher. Die Manifestation des<br />
Typ 2-Diabetes geht mit einer sukzessiven Verschlechterung des Glukosestoffwechsels<br />
und mit einem Anstieg der Nüchtern- und postprandialen Blutglukosewerte einher.<br />
Blutglukose-Werte steigen aber auch mit zunehmendem Lebensalter, postprandial<br />
stärker als im nüchternen Zustand. Ein Anstieg des HbA 1c noch innerhalb des<br />
Normbereichs geht häufig mit einer Verschlechterung der postprandialen und nicht der<br />
Nüchterwerte einher. Auch in der von uns untersuchten Kohorte kam es altersabhängig<br />
zu einem deutlichen Anstieg der postprandialen, bei nur geringem Anstieg der Nüchtern -<br />
Blutglukosewerte. Ein ähnlicher Zusammenhang fand sich auch zwischen<br />
Blutglukosewerten und BMI. Verwendet man nun die internationalen Normwerte für den<br />
2h-Wert im OGTT als Kriterium für den 1h-Wert nach standardisierter Mahlzeitzeit finden<br />
sich ein vergleichbarer Anteil an Störungen der Glukosehomöostase wie in der Literatur<br />
für den OGTT beschrieben .Die verwendete Testmahlzeit kann sicherlich nicht den<br />
OGTT als Goldstandard zur Diagnosestellung von Diabetes ablösen, jedoch ist diese im<br />
betrieblichen Setting leichter durchzuführen und findet bei den Teilnehmern eine größere<br />
Akzeptanz. Die zusätzliche Durchführung eines OGTT bei 1 h-Blutglukosewerten über<br />
140 mg/dl nach einer Mahlzeit zur Abklärung eines Diabetes ist zu empfehlen, dies gilt<br />
v.a. bei gleichzeitig vorliegenden Risikofaktoren für Diabetes wie erhöhte Punktzahl im<br />
FindRisk, BMI, Alter, Lipidstoffwechselstörung, Bluthochdruck oder grenzwertig erhöhten<br />
456
P16<br />
Poster – Prävention I<br />
Nüchternglukosewerten. Diese Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung der<br />
postprandialen Blutglukosemessungen, um potentielle Störungen der<br />
Glukosehomöostase frühzeitig zu detektieren.<br />
Ein schriftliches Einverständnis der Probanden zur wissenschaftlichen Publikation der<br />
Daten liegt vor, die Zustimmung der Ethikkommission wurde eingeholt.<br />
Literatur<br />
1. World Health Organization Expert Committee. Diabetes Mellitus, TechRep 2008<br />
2. Szoke E., Shrayyef M, Messing S, Woerle H.J., Van Haeften T., Meyer C, Mitrakou A,<br />
Pimenta W. and Gerich J. Effect of Aging on Glucose Homeostasis: Accelerated<br />
Deterioration of Beta Cell Function in Individuals with Impaired Glucose Tolerance<br />
Diabetes Care. 2008 Mar;31(3):539-43. Epub 2007 Dec 14.<br />
3. American Diabetes Association. Tests of glycemia in diabetes. Diabetes Care.<br />
2002;25 (suppl 1):S97-S99.<br />
457
P17<br />
Poster – Prävention II<br />
Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchung in<br />
Abhängigkeit des Erwerbsstatus und der beruflichen Stellung<br />
Andrea Jaenicke, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz<br />
Ziel der Studie<br />
In Deutschland verstarben im Jahr 2007 insgesamt 211.765 Personen an einer<br />
Krebserkrankung. Bösartige Neubildungen sind derzeit die zweithäufigste Todesursache<br />
in Deutschland [1]. Rechtzeitig entdeckt, können inzwischen durchschnittlich 50% der<br />
Krebserkrankungen geheilt werden, bei einigen Krebserkrankungen sogar bis zu 90%<br />
[2]. Dennoch werden Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) nur von etwa jeder<br />
zweiten Frau ab 20 Jahre und etwa jedem 5. Mann über 45 Jahre wahrgenommen [2].<br />
Berufsbelastungen werden für die geringe Inanspruchnahme diskutiert, wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse darüber sind jedoch rar. Zur Erhöhung der Inanspruchnahme von KFU<br />
sollten daher potentielle Abhängigkeiten zum Erwerbsstatus und beruflicher Stellung<br />
näher untersucht werden, um Erkenntnisse für die Arbeitsmedizin eruieren zu können.<br />
Dies war Ziel der vorliegenden Untersuchung.<br />
Methoden<br />
Eine Sekundärdatenanalyse des Telefonischen Gesundheitssurveys 2003 des Robert<br />
Koch-Instituts (n=8318) wurde durchgeführt. Eine Datensatzeinschränkung auf Befragte<br />
im erwerbsfähigen Alter, die anspruchsberechtigt im Sinne des<br />
Krebsfrüherkennungsprogrammes der gesetzlichen Krankenkassen (Stand 2003) waren<br />
und KFU-Teilnahme / Nicht-Teilnahme angaben, wurde vorgenommen: Frauen im Alter<br />
zwischen 20 und 65 (n=3704) und Männer zwischen 45 und 65 Jahren (n=1399).<br />
Die statistische Analyse schloss die Selbstangaben zur Inanspruchnahme von KFU in<br />
den letzten 12 Monaten, sowie potentielle Einflussgrößen (u. a. Gesundheitszustand,<br />
Staatsangehörigkeit, soziale Schicht, berufliche Stellung, Erwerbsstatus) ein und fand in<br />
bi- und multivariablen Modellen (Rückwärtsselektion) mittels SPSS 14.0 statt, wobei das<br />
Signifikanzniveau mit α = 0,05 definiert wurde<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt haben 68% der Frauen und 40% der Männer angegeben, in den 12 Monaten<br />
vor der Befragung an einer KFU teilgenommen zu haben.<br />
Weibliche KFU-Teilnehmer waren durchschnittlich 44,0 Jahre, Nicht-Teilnehmerinnen<br />
42,2 Jahre alt. Männliche Teilnehmer waren im Schnitt 55,9 Jahre, Nicht-Teilnehmer<br />
53,3 Jahre alt. Der Altersunterschied zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern war<br />
458
P17<br />
Poster – Prävention II<br />
in beiden Gruppen statistisch signifikant auffällig (p
P17<br />
Poster – Prävention II<br />
Tab. 1: Erwerbstätigkeitsbezogene Risikomaße für die Nicht-Teilnahme an<br />
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) im adjustierten Endmodell*<br />
berufliche Stellung<br />
Frauen (n=3704) 1 Männer (n=1399)²<br />
OR 95%-KI OR 95%-KI<br />
Angestellter Referenzkategorie Referenzkategorie<br />
Arbeiter 1,43 1,15-1,78 1,37 0,99-1,87<br />
Beamter 0,83 0,59-1,19 0,80 0,56-1,15<br />
selbständig/freiber. 1,04 0,77-1,49 1,23 0,91-1,76<br />
Ausbildung/Lehre 3,05 1,52-6,13<br />
k. A. 1,60 1,24-2,08 1,36 0,50-3,73<br />
Erwerbsstatus Vollzeit<br />
Referenzkategorie<br />
Teilzeit 0,56 0,32-0,95<br />
Hausfrau Im Endmodell nicht 0,73 0,29-1,82<br />
arbeitslos enthalten 0,78 0,46-1,30<br />
Frührente 0,71 0,46-1,12<br />
k. A.<br />
0,48 0,31-0,73<br />
*adjustiert nach Alter, Schulbildung, Partnerschaft, Einkommen, berufliche Stellung,<br />
Erwerbsstatus, Art der Krankenversicherung<br />
1 im Alter zwischen 20 und 65 Jahren, KFU-Angaben vorliegend<br />
² im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, KFU-Angaben vorliegend<br />
Quelle: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 des Robert Koch-Instituts, eigene<br />
Berechnungen<br />
460
P18<br />
Poster – Prävention II<br />
Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften In Rheinland-<br />
Pfalz - Pilotkonzept<br />
Christa Weßel, Kristina Harth, Ulrike Burger, Stephan Letzel<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
Ziel<br />
In Rheinland-Pfalz ist – wie in anderen Bundesländern auch – eine flächendeckende<br />
arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften an staatlichen, allgemein und<br />
berufsbildenden Schulen im Routinebetrieb bisher nicht gegeben. Unterrichtsausfälle<br />
aufgrund von Erkrankungen oder Frühpensionierungen von Lehrkräften, sinkende<br />
Qualität der Leistungen von Schülerinnen und Schülern, die finanzielle Belastung für die<br />
Bundesländer und nicht zuletzt die gesetzliche Verpflichtung, die arbeitsmedizinische<br />
Versorgung ihrer Beamten und Angestellten zu gewährleisten, motivieren in<br />
zunehmenden Maß die Bundesländer, diesem Auftrag auch für Lehrkräfte<br />
nachzukommen [1]. Ziele des auf drei Jahre angelegten, vom Kultusministerium RLP in<br />
Auftrag gegebenen Projekts sind die Entwicklung eines nachhaltigen, Ressourcen<br />
orientierten und qualitätsgesicherten arbeitsmedizinischen Betreuungskonzepts und von<br />
Vorschlägen für ein zielgruppenorientiertes Gesundheitsmanagement für Lehrkräfte in<br />
Rheinland-Pfalz.<br />
Methode<br />
In einer explorativen Feldstudie wird mittels Methoden der Organisationsanalyse und -<br />
entwicklung und qualitativer Methoden aus den Sozialwissenschaften ein Pilotkonzept<br />
entwickelt, in Projektschulen angewendet, auf seine Tauglichkeit überprüft und<br />
fortgeschrieben. Die quantitativen und qualitativen Analysen der in den Projektschulen<br />
erhobenen Daten bilden die Grundlage der arbeitsmedizinischen Begleitung der<br />
Einzelschulen. Die Erkenntnisse aus der im Oktober 2008 eingerichteten<br />
Arbeitsmedizinischen Sprechstunde für Lehrkräfte fließen zum einen in die Beratung der<br />
Projektschulen und zum anderen in das Gesamtkonzepts ein. Für die Entwicklung des<br />
Gesamtkonzepts für Rheinland-Pfalz wird dieses Datenmaterial einer Meta-Analyse<br />
unterzogen.<br />
Ergebnisse<br />
Das Pilotkonzept besteht aus vier Modulen: (1) Gefährdungsanalyse mit einer Leitfaden<br />
gestützten Begehung der Schulen mit dem Schwerpunkt Arbeitsumwelt und einem<br />
Leitfaden gestützte Gruppeninterview mit dem Schwerpunkt "Arbeitsorganisation und<br />
psychosoziale Situation", (2) Workshop zur Festlegung des weiteren Vorgehens, (3)<br />
arbeitsmedizinische Beratung der Schulleitung und des Lehrerkollegiums vertreten durch<br />
461
P18<br />
Poster – Prävention II<br />
den örtlichen Personalrat sowie (4) der Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte<br />
individuell in der „Arbeitsmedizinischen Sprechstunde für Lehrkräfte“. Insgesamt werden<br />
bis Mitte <strong>2009</strong> acht Projektschulen mit circa 400 Lehrkräften und pädagogischen<br />
Fachkräften am Projekt teilnehmen. Es sind dann alle Schularten vertreten: Grundschule,<br />
Grund- und Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Integrierte Gesamtschule, je eine<br />
Förderschule für Kinder mit Lernbeeinträchtigungen und für Kinder mit körperlichen<br />
Beeinträchtigungen und Berufsbildende Schule.<br />
Durch die Arbeit in den Projektschulen werden Belastungen, Ressourcen und<br />
Maßnahmen identifiziert, die sich mit publizierten Ergebnissen anderer Studien decken.<br />
Die Belastungen erstrecken sich auf die Bereiche Sanierungs- und Renovierungsbedarf<br />
der Schulgebäude und Lärm [2], Hygiene und Reinigungsregime [3,4], Klima und Lüften<br />
[5], sowie Schulklima, Kommunikation im Kollegium und mit der Schulleitung, mit Eltern,<br />
Schülern, externen Ämtern und Institutionen [1].<br />
Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass Handlungsbedarf besteht (a) im Bereich<br />
Schulgebäude für die Schulträger und (b) im Bereich psychosoziale Belastungen der<br />
Lehrkräfte für die Schulentwicklung beispielsweise mit Unterstützung von<br />
Schulpsychologen. Die Arbeitsmedizinische Sprechstunde (Modul 4) wurde von den<br />
Klienten als hilfreich erlebt und erbringt andererseits wiederum Erkenntnisse zum<br />
Handlungsbedarf und zu möglichen Maßnahmen in den Projektschulen.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften und päd. Fachkräften muss individuell<br />
für die Lehrkräfte und systemisch für Schulleitungen und beteiligte Institutionen erfolgen.<br />
Das Pilotkonzept ist ein strukturiertes, transparentes Konzept, das die rechtlichen<br />
Vorgaben des Arbeitsschutzes berücksichtigt. Die drei Bausteine "Organisations- und<br />
Datenanalyse", "Gefährdungsanalyse in den Projektschulen" und "Analyse der<br />
Arbeitsmedizinischen Sprechstunde" ermöglichen durch die Triangulation eine<br />
umfassende Exploration der Bedürfnisse und Möglichkeiten zum Arbeitsschutz und<br />
Gesundheitsmanagement in Schulen in Rheinland-Pfalz. Es gilt, für 40.000 Lehrkräfte<br />
und pädagogische Fachkräfte an 1700 Schulen im Flächenland RLP ein Konzept zur<br />
arbeitsmedizinischen Versorgung zu entwickeln.<br />
Daher sind im Weiteren das Betreuungskonzept für die einzelne Schule weiter zu<br />
entwickeln und eine Ressourcenabschätzung für den landesweiten Bedarf vorzunehmen.<br />
Hinzu kommen die Konzipierung einer Gesundheitsberichterstattung über Lehrkräfte und<br />
die Identifizierung von Indikatoren, die als Entscheidungshilfe für die Prioritätensetzung<br />
in der arbeitsmedizinischen Versorgung von Schulen und Lehrkräften dienen können.<br />
462
P18<br />
Poster – Prävention II<br />
Eine große Herausforderung ist die Koordinierung, Bündelung und Kommunikation von<br />
Maßnahmen zur arbeitsmedizinischen Versorgung und zum Gesundheitsmanagement.<br />
Die Arbeitsmedizin mit ihren umfassenden Möglichkeiten und Instrumenten kann und<br />
sollte dabei eine Schlüsselposition einnehmen.<br />
Referenzen<br />
[1] Rothland, Martin (Hg.). Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle,<br />
Befunde, Interventionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007.<br />
[2] Tiesler, Gerhart: Lärm in der Schule - ein vermeidbarer Stressor. In: ecomed Medizin<br />
(Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg: Verlagsgruppe Hüthig Jehle<br />
Rehm GmbH (13 (4)), 13 (4), S. 235–260.<br />
[3] Fromme, Hermann; Gabrio, Thomas; Lahrz, Thomas; Grams Herbert; Dietrich, silvio;<br />
Sagunski, Helmut: Vorkommen und gesundheitliche Bedeutung von Feinstüben in<br />
Schulen. In: ecomed Medizin (Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg:<br />
Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH (13 (4)), Bd. 13, S. 199–209.<br />
[4] Heudorf, Ursel; Hentschel, Wolfgang: Wassserhygiene in Schulen. In: ecomed<br />
Medizin (Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg: Verlagsgruppe<br />
Hüthig Jehle Rehm GmbH (13 (4)), 13 (4), S. 227–233.<br />
[5] Grams Herbert; Hehl, Oliver; Gabrio, Thomas; Volland, Gerhard; Lahrz, Thomas;<br />
Dietrich, silvio; Sagunski, Helmut: Ursachen und gesundheitliche Bewertung von<br />
Lüftungsmängeln an deutschen Schulen . In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis,<br />
Jg. 2008, H. 13 (4), S. 211–218.<br />
463
P19<br />
Poster – Prävention II<br />
Überschuldung von Privathaushalten in Deutschland –<br />
Arbeitsmedizinische Relevanz am Beispiel der Adipositas<br />
Elke Ochsmann 1 , Heiko Rüger 2 , Stephan Letzel 2 , Eva Münster 2<br />
1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Mainz<br />
Einleitung: In Deutschland sind derzeit ca. 6,9 Mio Bürgerinnen und Bürger über 18<br />
Jahren überschuldet (zahlungsunfähig) [1], wobei Privatpersonen dann als<br />
„überschuldet“ bezeichnet werden, wenn nach Abzug der notwendigen<br />
Lebenshaltungskosten ihr Einkommen nicht ausreicht, um alle Zahlungsverpflichtungen<br />
zu erfüllen. Eine Überschuldungssituation kann Einfluss auf Lebensstile, wie Ernährung<br />
und Bewegung nehmen und eine Arbeitsplatzbedrohung mit verursachen [2]. Adipositas<br />
und die damit assoziierten Co-Erkrankungen hängen ab von der Art der Ernährung, die<br />
durch den Lebensstil der Industrienationen mit geprägt ist. Verschiedene Studien haben<br />
einen Zusammenhang zwischen starker Adipositas (BMI ≥ 40 kg/m²) und Fehltagen im<br />
Betrieb aufgezeigt (im Durchschnitt zwei Tage mehr pro Jahr als normalgewichtige<br />
Arbeitnehmer) [3, 4, 5]. An einer großen, repräsentativen Stichprobe in den USA wurde<br />
abgeschätzt, dass die Kosten für Fehltage aufgrund von Adipositas im Jahr 2004 ca. 4,3<br />
Milliarden Dollar betragen haben.<br />
Internationale Studien konnten einen Zusammenhang aufzeigen zwischen der<br />
finanziellen Situation einer Person und der Möglichkeit bestimmte<br />
Ernährungsgewohnheiten zu verfolgen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob der<br />
verminderte Lebensstandard überschuldeter Haushalte, im Vergleich zur<br />
Allgemeinbevölkerung, mit einer erhöhten Prävalenz von Adipositas in einem<br />
überschuldeten Kollektiv assoziiert ist.<br />
Methode: In Zusammenarbeit mit 53 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen des<br />
Landes Rheinland-Pfalz wurde eine Querschnittsstudie („ASG-Studie“ - Armut, Schulden<br />
und Gesundheit) an überschuldeten Privatpersonen zwischen 2006 und 2007 mittels<br />
einmaliger schriftlicher, anonymisierter Befragung durchgeführt .<br />
Die Angaben der Teilnehmer zu Größe und Gewicht wurden herangezogen um den<br />
Body-Mass-Index (BMI) zu berechnen. Nach WHO-Definition wird ab einem BMI ≥<br />
30kg/m² von Adipositas gesprochen (BMI Normalgewicht: 20-25 kg/m²; BMI<br />
Übergewicht: 25-30 kg/m²) Vergleichsanalysen zur Allgemeinbevölkerung wurden mittels<br />
der repräsentativen Stichprobe des Gesundheitssurveys von 2003 vorgenommen.<br />
Adjustierte Odds ratios (aOR) und 95% Konfidenzintervalle (95%-KI) wurden mit einem<br />
multivariaten logistischen Regressionsmodel kalkuliert.<br />
464
P19<br />
Poster – Prävention II<br />
Ergebnisse: Insgesamt nahmen 666 Personen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren (41<br />
Jahre ± 12 Jahre) teil (51,1% Frauen, Teilnahmerate 35,5%). 4,4% (n=29) davon waren<br />
untergewichtig, 38,7% (n=258) normalgewichtig, 31,2 % (n=208) übergewichtig und<br />
24,9% des Kollektivs waren adipös (s. Tabelle 1). Während die Faktoren Alter,<br />
Geschlecht und Familienstand im überschuldeten Kollektiv signifikanten Einfluss auf die<br />
Adipositas-Prävalenz haben, ist dieser Einfluss bei den Bildungsvariablen nicht<br />
nachzuweisen. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung findet sich nach Adjustierung mit<br />
Variablen zu zentralen soziodemographischen Merkmalen, Rauchverhalten sowie<br />
sportlichen Aktivitäten in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Einfluss des<br />
Faktors „Überschuldung“ auf die Prävalenz der Adipositas (aOR: 2,5 ; 95%KI: 1,8-3,3).<br />
Tabelle 1: Soziodemographische Risikofaktoren für Adipositas bei überschuldeten Probanden des<br />
ASG-Kollektivs<br />
Gesamt Normal- Adipositas p-Wert<br />
(N=666)<br />
Gewicht<br />
(N=258) (N=166)<br />
n % n % n %<br />
Geschlecht 0,009<br />
Männlich 324 48,6 112 43,4 84 50,6<br />
Weiblich 340 51,1 146 56,6 82 49,4<br />
k.A. 2 0,3<br />
Alter 0,032<br />
=51 133 20,0 43 16,7 37 22,2<br />
k.A. 4 0,6<br />
Familienstand 0,022<br />
Verheiratet 209 31,4 71 27,5 68 41,0<br />
Ledig 190 28,5 77 29,8 47 28,3<br />
Verheiratet- getrennt lebend 53 8,0 19 7,4 14 8,4<br />
Geschieden 180 27,0 82 31,8 27 16,3<br />
Verwitwet 29 4,4 8 3,1 8 4,8<br />
k.A. 5 0,8 1 0,4 2 1,2<br />
Höchster Schulabschluss 0,4585<br />
Realschule 139 20,9 62 24,0 36 21,7<br />
Ohne Abschluss 68 10,2 27 10,5 16 9,6<br />
Hauptschule 384 57,7 145 56,2 98 59,0<br />
Fachhochschule/Gymnasium 58 8,7 20 7,8 13 7,8<br />
Anderer Abschluss 11 1,7 3 1,2 2 1,2<br />
k.A. 6 0,9 1 0,4 1 0,6<br />
Höchster Berufsabschluss 0,4585<br />
Lehre 300 45,0 124 48,1 68 41,0<br />
Keine Berufsausbildung 194 29,1 72 27,9 51 30,7<br />
Berufsfach-/Fachschule 97 14,6 38 14,7 25 15,1<br />
Fachhochschule/Universität 25 3,8 10 3,9 6 3,6<br />
Anderer Ausbildung 42 6,3 13 5,0 14 8,4<br />
k.A. 8 1,2 1 0,4 2 1,2<br />
465
P19<br />
Poster – Prävention II<br />
Schlussfolgerung: Es ergeben sich Hinweise, dass die private finanzielle<br />
Situation Einfluss auf die Prävalenz von Adipositas haben kann. Adipositas ist ein<br />
volkswirtschaftliches Problem, das zu Einschränkungen bzw. Ausfalltagen am<br />
Arbeitsplatz führen kann. Daher sollten insbesondere für von finanzieller Armut<br />
bedrohte Kollektive, wie überschuldete Haushalte, zielgruppenspezifische<br />
Interventionsprogramme auch am Arbeitsplatz entworfen werden, bzw. der Faktor<br />
„Überschuldung“ bei bestehenden Interventionen berücksichtigt werden. In der<br />
ärztlichen Anamnese sollte z. B. die Frage nach der finanziellen<br />
Haushaltssituation Berücksichtigung finden und ggf. der Sozialdienst in<br />
Gesundheitsprogramme für Übergewichtige integriert werden. Als weitere<br />
Maßnahme könnte die Implementierung von preiswertem und dennoch<br />
‚gesundem‘ Kantinenessen einen positiven Einfluss auf den BMI von<br />
überschuldeten Beschäftigte haben.<br />
Literatur: [1] Creditreform (2008) Schuldneratlas Deutschland – Jahr 2008 [2]<br />
Münster E, Letzel S. (2008) Überschuldung, Gesundheit und soziale Netzwerke.<br />
In: Materialien zur Familienpolitik: Lebenslagen von Familien und Kindern;<br />
Überschuldung privater Haushalte. Bundesministerium für Familien, Senioren,<br />
Frauen und Jugend 2008; Nr. 22:55-128. [3] Cawley J et al. (2007) Occupationspecific<br />
absenteeism costs associated with obesity and morbid obesity. J Occup<br />
Environ Med 49: 1317-1324; [4] Pronk NP et al. (2004) The association between<br />
work performance and physical activity, cardiorespiratory fitness, and obesity. J<br />
Occup Environ Med 46:19-25; [5] Davis K et al. (2005) Health and productivity<br />
among US workers. Issue Brief (Commonw Fund) 12: 1-12.<br />
466
P20<br />
Poster – Prävention II<br />
Influenzaschutzimpfung im Betrieb - Wer lässt sich impfen?<br />
Michael Schneider 1<br />
1<br />
Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />
Ziel der Studie<br />
Die jährlich wiederkehrenden Influenzaepidemien verursachen jährlich über 1 Mio.<br />
Todesopfer, in Europa, Japan und der USA sind jedes Jahr etwa 100 Millionen<br />
Menschen von der Infektion betroffen und führen in den westlichen Industrienationen zu<br />
immensen volks- und betriebswirtschaftlichen Schäden. Der Nutzen der<br />
Influenzaschutzimpfung ist zwar allgemein bekannt und die STIKO empfiehlt die<br />
Schutzimpfung auch explizit nicht mehr nur für spezielle Risikogruppen, die Akzeptanz<br />
einer solchen Präventionsmaßnahme in der Allgemeinbevölkerung ist aber immer noch<br />
sehr gering. Eine kostengünstige Maßnahme zur Vermeidung solcher Kosten stellt<br />
nachgewiesener Weise die Influenzaschutzimpfung dar. Trotz dieser Möglichkeit lag die<br />
Durchimpfungsrate in der gesamten deutschen Bevölkerung in der Vergangenheit<br />
lediglich bei etwa 20%. Boehringer Ingelheim bietet seinen Mitarbeitern regelmäßig<br />
kostenlose Influenza-Schutzimpfungen im Betrieb an. Mit Hilfe einer<br />
Querschnittuntersuchung sollte in der Impfsaison 2007/2008 festgestellt werden, welche<br />
Mitarbeiter sich zu diesem Zeitpunkt impfen ließen. Weiterhin wurde untersucht, wie sich<br />
das Auftreten lokaler und systemischer Impfnebenwirkungen auf die zukünftige<br />
Impfbereitschaft in den jeweiligen Gruppen auswirkt.<br />
Methoden<br />
Den insgesamt 5231 Mitarbeitern eines Pharmaunternehmens (Boehringer Ingelheim<br />
Pharma GmbH & Co. KG in Ingelheim, BI) wurde im Herbst 2007 eine<br />
Grippeschutzimpfung im Werksärztlichen Dienst angeboten. Insgesamt nahmen 44,9%<br />
(n= 2351, 1106 Frauen und 1245 Männer im Alter zwischen 26 und 62 Jahren, MW 53,1<br />
Jahre bei den Frauen und 53,2 Jahren bei den Männern) das Angebot zu dieser<br />
Influenzaschutzimpfung an. Alle teilnehmenden Personen wurden zum Zeitpunkt der<br />
Impfung anhand eines standardisierten Fragebogens befragt und es wurden<br />
biometrische und anamnestische Daten erfasst. Mit einem zweiten Fragebogen sechs<br />
Wochen nach durchgeführter Schutzimpfung wurden die Teilnehmer zum Auftreten von<br />
Nebenwirkungen nach der Impfung befragt. Die Auswertung der Daten erfolgte<br />
deskriptiv.<br />
467
P20<br />
Poster – Prävention II<br />
Ergebnisse<br />
228 der befragten Personen (9.7%) waren Erstimpflinge (Gruppe 1), 2123 Personen<br />
(90.3%) bereit in der Vergangenheit gegen Influenza geimpft worden (Gruppe 2). In der<br />
Gruppe der mehrfach Geimpften hatten 23.9% in der Vergangenheit einmal (Gruppe<br />
2.1), 76.1% bereits an mehreren Influenza - Impfkampagnen teilgenommen (Gruppe<br />
2.2.). Die Gruppen wiesen keinen wesentlichen Unterschied im Hinblick auf das<br />
Auftreten lokaler bzw. systemischer Impfnebenwirkungen (INW) nach<br />
Influenzaschutzimpfung auf. Die Probanden mit INW aus Gruppe 1 und Gruppe 2<br />
unterschieden sich hinsichtlich ihrer Intension, sich in der nächsten Impfkampagne<br />
impfen lassen zu wollen: Lediglich 34.8% der Impflinge mit INW aus Gruppe 1 gaben an,<br />
dass sie sich in der nächsten Saison erneut gegen Influenza impfen lassen wollten,<br />
gegenüber 97.3% der Probanden aus Gruppe 2. Im speziellen planten lediglich 50.0%<br />
der Impflinge mit lokalen INW aus Gruppe 1, an der nächsten Schutzimpfung<br />
teilzunehmen im Gegensatz zu 98.8% aus der Gruppe 2. Beim Auftreten von<br />
systemischen INW waren es 14.3% (Gruppe 1) gegenüber 79.5% (Gruppe 2). Traten<br />
sowohl lokale, als auch systemische INW auf, waren es 0 % (Gruppe 1) gegenüber<br />
89.2% (Gruppe 2). Bei der Betrachtung der Gruppe 2 (geplante Impfung im Folgejahr<br />
von 70.1% in Gruppe 2.a. vs. 98.2% in Gruppe 2.b.) fiel auf, dass Probanden mit<br />
systemischen INW aus Gruppe 2.a. seltener Folgeimpfungen planten als solche aus<br />
Gruppe 2.b. (39.1% vs. 96.4% bzw. 73.7% vs. 97.8%)<br />
Schlussfolgerung<br />
In unserem Kollektiv führten INW sowohl bei Erstimpflingen, als auch in der Gruppe der<br />
bislang lediglich einmal Influenzageimpften seltener dazu, eine Influenza-Schutzimpfung<br />
im Folgejahr zu planen, als das bei bereits mehrfach vorgeimpften Personen der Fall<br />
war. Eine aktive Information zu möglichen INW und die intensive Aufklärung bezüglich<br />
des Nutzens der Grippeimmunisierung durch die Initiatoren sind besonders für<br />
Erstimpflinge und bislang selten Vorgeimpften sinnvoll, um eine hohe Teilnehmerquote<br />
an der Influenza - Folgeschutzimpfungen nach dem Auftreten von INW zu erreichen.<br />
Ein schriftliches Einverständnis der Probanden zur wissenschaftlichen Publikation der<br />
Daten liegt vor, die Zustimmung der Ethikkommission wurde nicht eingeholt.<br />
468
P20<br />
Poster – Prävention II<br />
Literatur<br />
Kressin W, Hallauer JF: Influenza - Ökonomische Bedeutung der Schutzimpfung. DÄ<br />
1999; 96: A 342-343<br />
Szucs Th et al.: Volkswirtschaftliche Kosten der Influenza 1996. Med Klein 2001; 96: 63-<br />
70<br />
Nichol KL et al: Cost-benefit analysis of a strategy to vaccinate healthy working adults<br />
against influenza. Arch. Intern. Med Vol. 161, 2001<br />
Arbeitsgemeinschaft Influenza. Saisonabschlussbericht 2006/2007<br />
http://influenza.rki.de/agi/index.html?c=saisonbericht.<br />
469
P21<br />
Poster – Prävention II<br />
Verbreitung und Einsatz von Frühdefibrillatoren im betrieblichen<br />
Umfeld<br />
N. Patrick Mayr, Tanja Leban, Peter Tassani-Prell<br />
Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern<br />
Klinik a.d. Technischen Universität München<br />
Hintergrund und Fragestellung<br />
Die erfolgreiche Therapie des außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstandes stellt eine der<br />
größten Herauforderungen der Notfallmedizin dar. Kaum ein anderer Notfall ist so<br />
zeitkritisch und von der Ersten-Hilfe durch Laien abhängig. Beträgt die<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstandes noch 67%,<br />
so sinkt diese minütlich um 5,5%, sofern keine suffiziente Erstversorgung eintritt.<br />
Verbesserte Technik und Akzeptanz von Automatisierten Externen Defibrillatoren (AES,<br />
„Frühdefibrillator“) geführt. Neben der öffentlichen Anbringung zur Laiendefibrillation (z.B.<br />
U-Bahn) finden sich diese Geräte auch immer öfter in Betrieben und Behörden.<br />
Organisatorische Richtlinien für den innerbetrieblichen AED-Einsatz und die Einbindung<br />
in die betriebliche Erste-Hilfe bestehen nicht. In den USA hat das American College of<br />
Occupational and Environmental Medicine Guidelines erstellt, die den Betriebsärzten<br />
eine organiatorische Hilfestellung ermöglichen. Um nun den Bedarf solcher Guidelines<br />
für die Bundesrepublik zu erfassen, war es zunächst erforderlich die Verbreitung und den<br />
Einsatz von AED-Geräten in hiesigen Betrieben zu erfassen.<br />
Methodik<br />
Von Juli bis September führten wir – mittels Fragebogen – bei Betriebsärzten eine<br />
Erhebung durch, in der die Vorhaltung und der Einsatz von Frühdefibrillatoren erfasst<br />
wurde. Vor Zusendung des Fragebogens wurden die Betriebsärzte telefonisch über die<br />
Studie informiert.<br />
Ergebnisse<br />
Im Erhebungszeitraum wurden die Betriebsärzte von 121 Betrieben kontaktiert. Fünf<br />
Betriebsärzte lehnten die Studienteilnahme ab. Drei dieser Betriebsärzte äußerten ein<br />
grundsätzliches Desinteresse an der Thematik. Von den verbleibenden 116 Firmen<br />
erhielten wir bis zum Zeitpunkt der Auswertung 80 Antworten (Rücklaufquote 69%). 81%<br />
der Unternehmen gaben an, einen oder mehrere AED-Geräte vorzuhalten. 78% der<br />
Betriebsärzte gaben an, das die Anschaffung der AED-Geräte auf ihr Betreiben oder die<br />
Empfehlung von medizinisch ausgebildeten Mitarbeitern erfolgte. Ein positives Image für<br />
das Unternehmen war in 18% mitentscheidend. Bei den Unternehmen, die sich gegen<br />
ein AED-Programm entschieden, wurde am häufigsten genannt, dass die<br />
Frühdefibrillation keinen hohen Stellenwert bei der innerbetrieblichen Notfallversorgung<br />
habe (53%), bzw. bisher nicht thematisiert wurde. Als zweithäufigster Grund wurden<br />
470
P21<br />
Poster – Prävention II<br />
Kosten und die schnelle Versorgung durch den Rettungsdienst angegeben.<br />
Organisatorische Handlungsabläufe im Sinne von „Standard-Operation-Procedures“, die<br />
über eine reine Bedienungsanleitung hinausgehen, waren bei nur 53% der Unternehmen<br />
mit AED-System vorhanden. Bei nur jedem zweiten Fall waren diese auch für alle<br />
Mitarbeiter abrufbar. Insgesamt wurden 40 Einsätze von AED-Geräten berichtet. Bei 14<br />
AED-Anwendungen wurde ein primärer Reanimationserfolg mit Einsetzen des<br />
Spontankreislaufes vor Eintreffen des Rettungsdienstes berichtet (35%). Bei acht<br />
weiteren Patienten (20%) setzte der Spontankreislauf nach Eintreffen des<br />
Rettungsdienstes ein. Zusammengenommen wurde somit mehr als jeder zweite<br />
Mitarbeiter primär erfolgreich am Arbeitsplatz reanimiert.<br />
Zusammenfassung<br />
Dem Betriebsarzt fällt ein hoher Stellenwert bei der Implementierung und Durchführung<br />
von AED-Programmen zu. Ebenso ist seine Rolle bei der Notfallversorgung nicht zu<br />
unterschätzen. Der bei unserer Studie häufige Einsatz des Frühdefibrillators und der<br />
überdurchschnittlich hohe Anteil an primär erfolgreich reanimierten Mitarbeitern zeigt,<br />
welchen Nutzen ein AED-Programm – in Verbindung mit einem gut organisierten<br />
Notfallsystem – in den Unternehmen erzielen kann. Studien in Frankreich und Japan<br />
deuten auf ein erhöhtes primäres Überleben [1], bzw. gutes neurologischen Ergebnis [2]<br />
in. Dies wird von den Autoren auf eine erhöhte Anzahl an Zeugen und eine höhere<br />
Inzidenz an Kammerflimmern zurückgeführt. Ebenso scheine die innerbetriebliche<br />
Rettungskette besser zu funktionieren. In Deutschland werden zudem die betrieblichen<br />
Ersthelfer alle zwei Jahre in der Erstversorgung geschult.<br />
Die Erstversorgung bei Herz-Kreislauf-Stillstand am Arbeitsplatz durch die betrieblichen<br />
Ersthelfer und ggf. den Betriebsarzt können zu einer höheren Rate an überlebenden<br />
Mitarbeitern führen. Unserer Ansicht nach, sollten – analog zu den USA – Guidelines<br />
erstellt werden, die dem Betriebsarzt vor Ort eine Hilfestellung zur Implementierung und<br />
Durchführung von AED-Programmen geben. Überlegenswert wäre es, diese von einem<br />
Arbeitskreis „Akutmedizin“ der arbeitsmedizinischen Fachgesellschaft erstellen zu<br />
lassen.<br />
1. Descatha, A., Is the workplace a site of cardiac arrest like any other?<br />
Resuscitation, <strong>2009</strong>(doi:10.1016/j.resuscitation.<strong>2009</strong>.01.018).<br />
2. Muraoka, H., et al., Location of out-of-hospital cardiac arrests in Takatsuki City:<br />
where should Automated External Defibrillators be placed? Circ J, 2006. 70: p.<br />
827-831.<br />
471
P22<br />
Poster – Prävention II<br />
Körperbezogene Lebensqualität und psychologische Faktoren<br />
bei älteren Langzeitarbeitslosen: Fit50+<br />
Markus Preuss 1 , Steffi Kreuzfeld 1 , Dagmar Arndt 2 , Matthias Weippert 1 , Mohit Kumar 2 , Sebastian<br />
Neubert 1 , Regina Stoll 1<br />
1 Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock, Rostock,<br />
2 Center for Life Science Automation (CELISCA), Rostock<br />
Einleitung<br />
Für ältere Langzeitarbeitslose stellen gesundheitliche Beeinträchtigungen das häufigste<br />
Vermittlungshemmnis für die Integration in den Arbeitsmarkt dar. Übergeordnetes Ziel<br />
der Stu-die Fit50+ ist die Überprüfung der Effektivität und Akzeptanz eines strukturierten<br />
Gesundheitsprogramms für diese Zielgruppe. Zweck der folgenden Analyse war die<br />
Untersuchung des modellhaften Zusammenhangs des Interventionsbedarfs.<br />
Methode<br />
In der ersten Erhebungswelle wurden 63 Langzeitarbeitslose (25♂, 38♀; Alter: 53,7±2,5<br />
Jahre; Dauer der Arbeitslosigkeit: 5,7±4,7 Jahre) mit folgendem Methodeninventar<br />
untersucht: Beck Depressions Inventar (BDI), Sense of Coherence Scale (SOC),<br />
Symptom Checkliste (SCL-K9), Selbstwirksamkeitserwartung (SWE), Psychosoziales<br />
Wohlbefinden (PSW), Soziale Unterstützung und Fragebogen zum Gesundheitszustand<br />
(SF12). Der SF12 wurde getrennt für die „körperliche Summenskala“ (SF12 KSK) und<br />
die „psychische Summenskala“ (SF12 PSK) ausgewertet. Im Rahmen der medizinischen<br />
Anamnese wurden die Probanden zu ihren Krankheiten und zur Medikamenteneinnahme<br />
befragt und klinisch untersucht. Die psycho-logischen Daten wurden an alters- und<br />
geschlechtsspezifischen Normen relativiert. Aus der Anzahl der Krankheiten und der<br />
Medikamente wurden jeweils Summenscores gebildet. Die gesamten Daten wurden<br />
unter Berücksichtigung von Arbeitslosigkeitsdauer und Nettoeinkommen mit einem<br />
linearen Strukturgleichungsmodell (SEM) ausgewertet.<br />
Ergebnisse<br />
Die häufigsten psychischen Symptome waren psychisches Leiden (SCL-K9 >T60 =<br />
49,8%), Depression (BDI >T60 = 31,5%), eingeschränkte körperliche Lebensqualität<br />
(SF12KSK
P22<br />
Poster – Prävention II<br />
Abb.1: Lineares Strukturgleichungsmodell mit latenter Variable „Psychischer Faktor“<br />
Es wurde die Nullhypothese überprüft, ob die Voraussage des Modells sich nicht<br />
signifikant von den empirischen Daten unterscheidet. Das Testergebnis betrug<br />
Chi 2 =14,15; df=20; p=0,823 und zeigt damit die Gültigkeit des Modells. Die Modellfit-<br />
Parameter betrugen RMSEA=0,00; CFI= 1,00; TLI=1,051.<br />
Diskussion<br />
Sämtliche Regressionskoeffizienten quantifizieren signifikant die Zusammenhänge<br />
zwischen den Modellkomponenten. SOC, BDI und PSW sind zu einem psychischen<br />
Faktor zusammengefasst.<br />
Die Summe der Krankheiten beeinflusst den psychischen Faktor nicht direkt.<br />
Entscheidend sind die durch die Krankheiten wahrgenommenen körperlichen<br />
Einschränkungen, gemessen mit dem SF12 KSK.<br />
Die Anzahl der Medikamente hängt ausschließlich mit der Summe der Krankheiten<br />
zusammen. Weder die Arbeitslosigkeitsdauer noch das Einkommen zeigen Beziehungen<br />
zum psychischen Faktor, welches einen Gewöhnungs- bzw. Deckeneffekt vermuten<br />
lässt. Soziale Unterstützung erwies sich als ähnlich guter Prädiktor für den psychischen<br />
Faktor wie SF12 KSK. Die Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) hängt weniger mit dem<br />
psychischen Faktor als mit dem Kohärenzsinn (SOC) zusammen. Von daher lässt sich<br />
SWE im Modell als Spezialfall von SOC interpretieren.<br />
Unsere Intervention, die auf körperlicher Aktivierung und Gesundheitsschulung beruht,<br />
sollte positive Einflüsse auf die Komponenten Krankheiten, körperliche Lebensqualität<br />
und soziale Unterstützung haben. Für unsere Evaluation erwarten wir, dass die Einflüsse<br />
des Gesundheitsprogramms durch die Höhe der Regressionskoeffizienten von der<br />
physischen und sozialen Ebene an den psychischen Faktor vermittelt werden. Insofern<br />
wird das psychische Wohlbefinden mindestens indirekt von der Gesundheitsintervention<br />
profitieren.<br />
473
P23<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Vergleichende Untersuchungen zur Lärmbelastung bei alpinen<br />
Helikopter-Rettungseinsätzen<br />
Simone Schröder 1 , Paul Jansing 2,3 , Thomas Küpper 1,4<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2 Landesinstitut fürGesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />
3 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
4 Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA MedCom)<br />
Während Rettungseinsätzen mit Helikopter ist das medizinische Personal einer massiven<br />
Lärmbelastung ausgesetzt. Dabei gibt es zwei entscheidende Faktoren zu beachten: 1.<br />
Die extreme Variabilität der Lärmbelastung, da es Tage gibt, an denen kaum Einsätze<br />
geflogen werden und dann wiederum Tage, an denen der Helikopter und mit ihm das<br />
Personal fast pausenlos im Einsatz ist, und 2. die enormen Pegel bei Arbeiten außerhalb<br />
des Helikopters. Die vorliegende Studie quantifiziert diese Belastung unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Spezifika dieser Exposition und des Einflusses, den moderne<br />
Konstruktionen auf die Lärmpegel haben. Als Basis dienten die Einsatzdaten eines<br />
Jahres von vier Rettungsbasen in den Alpen (Raron und Zermatt in der Schweiz;<br />
Landeck und Innsbruck in Österreich, n = 2.731).<br />
Die Lärmpegel wurden an definieren Punkten innerhalb und außerhalb der Fluggeräte<br />
gemessen (z.B. Alouette IIIb, Alouette II „Lama“, Ecureuil AS350, Bell UH1D, Eurocopter<br />
EC135 u.a.). Die Messanordnung folgt der Europäischen Richtlinie 2003/10/EG und<br />
entspricht Klasse 2 DIN / EN 61672-1. Als Vergleichsgröße diente der äquivalente<br />
Dauerschallpegel L eq8h .<br />
Wegen des Einsatzes moderner Technologien (z.B. Eurocopter’s Fenestron ® Heckrotor)<br />
hat sich die Exposition für das Rettungspersonal signifikant verbessert. So liegt die<br />
Exposition bei Außenarbeiten bei laufender Turbine (z.B. sogenanntes „Hot loading, d.h.<br />
Einladen des Patienten im Schwebeflug) nur noch bei 104 dB(A) und im Cockpit bei 94<br />
dB(A). Trotz aller Verbesserungen ist persönlicher Lärmschutz sowie ausreichend lange<br />
Lärmpausen nach einem Einsatztag absolut erforderlich. Die medizinische Untersuchung<br />
gem. “G20” ist nach wie vor indiziert. Details zur Lärmbelastung für die unterschiedlichen<br />
Einsatzbedingungen und Helikoptertypen werden vorgestellt.<br />
Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />
Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />
Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />
474
P24<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Technisches und alpinistisches Anforderungsprofil bei der<br />
alpinen Luftrettung<br />
Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3 , Völker Schöffl 2,4<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />
2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />
3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />
4 Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg<br />
Studienziel: Bei kaum einer anderen beruflichen Tätigkeit sind die Fähigkeiten, das<br />
umgebende Gelände technisch zu beherrschen, derart für die Sicherheit des Personals<br />
von Bedeutung wie in der alpinen Rettung. Bislang wurden die Minimalvoraussetzungen<br />
erstaunlicherweise nicht untersucht. Diese Lücke soll geschlossen werden.<br />
Material und Methode: Insgesamt werden 2.730 alpine Rettungseinsätze zweier<br />
Regionen analysiert (Oberwallis / Schweiz n = 1.082; Tirol / Österreich n = 1.649), wobei<br />
die Geländeschwierigkeit (leichtes Gehgelände, „wegloses Gelände“, „alpines<br />
Klettergelände“), die Kletterschwierigkeit (UIAA Skala für Fels, Steilhiet für Eisgelände)<br />
und andere Faktoren, die sog. „alpine Erfahrung“ erforderlich machen, untersucht<br />
wurden. Die Daten wurden nach dem NACA-Index (Geländeindex) klassifiziert.<br />
Ergebnisse: 99,7% der Einsätze konnte analysiert werden. Von diesen wurden 62,2% in<br />
alpinem Gelände mäßiger Schwierigkeit durchgeführt (NACA d,e). 5,9% fanden dagegen<br />
in schwierigem bzw. extremem Gelände statt (NACA f,g). Im Vergleich waren<br />
durchschnittlich die technischen Anforderungen in den Ostalpen höher als in den<br />
Westalpen. Im Sommer mußten signifikant mehr Einsätze in schwerem Gelände<br />
durchgeführt werden als im Winter. Die NACA-Klassen d-g korrelieren mit 7,1% Unfällen<br />
auf steilen Gletschern, 9,1% alpiner Hochtouren, 4,6% Felsgelände bis Schwierigkeit III,<br />
6,0% III-IV und 2,4% >IV. 1,5% der Einsätze fanden in Eisgelände >50° Steilheit statt.<br />
Schlußfolgerungen: Umfangreiche alpine Erfahrung ist ein absolutes „Muß“ für jeden,<br />
der an alpinen Rettungseinsätzen teilnimmt. Dabei stehen technische Fähigkeiten im<br />
Vordergrund. Als minimaler, jedoch realistischer Kompromiß sollten Angehörige des<br />
Rettungsdienstes zu ihrer eigenen Sicherheit und der des Patienten die folgenden<br />
Fähigkeiten erfüllen: Absolut sicheres Beherrschen des UIAA Schwierigkeitsgrades III (IV<br />
als Seilzweiter), absolut sicheres Beherrschen von Eisgelände der Steilheit bis 50° (60°<br />
als Seilzweiter). Alpine Kenntnisse sind außerdem zur Gewährleistung von Sicherheit<br />
erforderlich, z.B. Lawinenkenntnisse. Dies ist nur durch spezifische Unterweisung und<br />
Ausbildung zu erreichen.<br />
Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />
Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />
Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />
475
P25<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Epidemiologie alpiner Notfälle im Hinblick auf das fachliche<br />
Anforderungsprofil des Rettungsdienstpersonals<br />
Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3 , Volker Schöffl 2,4<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />
2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />
3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />
4 Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg<br />
Studienziel: Die Verletzungsmuster alpiner Notfallsituationen wechseln mit der<br />
Einführung neuer Sporttechniken, und oft basieren sicherheitsrelevante Ausbildung und<br />
Ausrüstung des Rettungspersonals auf veralteten Daten. Daher ist eine Aktualisierung<br />
der Daten in regelmäßigen Zeitabständen notwendig.<br />
Material und Methode: Insgesamt werden 2.730 alpine Rettungseinsätze mit insgesamt<br />
2.577 behandlungsbedürftigen Personen werden analysiert (Oberwallis / Schweiz n =<br />
1.082; Tirol / Österreich n = 1.649). Primäre Parameter waren Diagnose(n), Schwere des<br />
Notfalls (NACA Verletzungsindex, Glasgow Coma Scale), die kardiopulmonale Situation<br />
des Patienten und die medizinische Behandlung.<br />
Ergebnisse: Insgesamt wurden an den Patienten 4.139 Diagnosen gestellt, 8.803<br />
medizinische Maßnahmen durchgeführt (Schienung, EKG, Oximetrie u.v.a.) und 3.464<br />
Medikamentenverabreichungen durchgeführt. 72,8% der Diagnosen waren Traumen,<br />
16,6% aus dem Bereich Innere Medizin / Neurologie, während „typische alpine<br />
Diagnosen“ (Höhenkrankheit, Unterkühlung, Erfrierung…) nur 3,8% der Diagnosen<br />
umfaßte. Letztere wurden ausschließlich von Personal mit spezifischer<br />
alpinmedizinischer Ausbildung gestellt und waren insgesamt signifikant<br />
unterrepräsentiert: In einer anderen Studie kamen wir zu einem geschätzten Anteil von<br />
30-40% hypothermer Patienten und Maggiorini zeigte, daß an der Margheritahütte >60%<br />
höhenkrank sind. 91,6% der medizinischen Maßnahmen betrafen Basismaßnahmen und<br />
nur 8,4% solche Maßnahmen, die ärztlicherseits durchgeführt werden sollten. 25,7% der<br />
verabreichten Medikamente waren Analgetika, 18,1% Sedativa / Hypnotika und 6,7%<br />
Herz-Kreislauf-Medikamente.<br />
Schlußfolgerungen: Die Daten zeigen, daß nur durch eine spezifische Ausbildung des<br />
Personals die Sicherheit für dieses und die Patienten sowie der reibungslose<br />
Einsatzablauf verbessert werden können. Dieses erscheint in Anbetracht des krassen<br />
Mißverhältnisses zwischen erwarteten und erhaltenen Ergebnissen dringend erforderlich.<br />
Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />
Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />
Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />
476
P26<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Who is fit for rescue? - Mindestanforderungen an die körperliche<br />
Leistungsfähigkeit bei alpinen Luftrettungseinsätzen<br />
Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />
2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />
3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />
Studienziel: Bislang liegen keinerlei Daten über die Mindestanforderungen an die<br />
körperliche Leistungsfähigkeit für die Teilnahme an alpinen Rettungseinsätzen vor,<br />
wodurch die Frage der Eignung oder Wiedereingliederung von Personen<br />
arbeitsmedizinisch bislang nicht befriedigend beantwortet werden kann.<br />
Material und Methode: Die leistungsphysiologischen Parameter (Pulsfrequenz, Laktat,<br />
VO2, Atemminutenvolumen…) werden telemetrisch während simulierter<br />
Rettungsmaßnahmen (Herz-Lungen-Wiederbelebung, Patiententransport,<br />
Spaltenrettung…) in drei unterschiedlichen Höhenlagen (Meereshöhe, 3.000m, 4.560m)<br />
erfaßt. In jeder Höhe wird eine Standardspiroergometrie mit Laktatleistungskurve<br />
durchgeführt (n = 16). Die telemetrisch erhaltenen Daten werden mit denen der<br />
Spiroergometrie korreliert, um die körperliche Belastung bei den Maßnahmen<br />
abzuschätzen und zu normieren.<br />
Ergebnisse: Zur Wiederbelebung in der Höhe sollte die Person 2,2 – 2,4 W/kg KG<br />
leisten können (für die Durchführung in Seehöhe 1,6 – 1,8 W/kg KG). Im Gegensatz<br />
dazu bringen alle anderen Maßnahmen die Probanden ans Leistungslimit:<br />
Patiententransport im horizontalen Gelände 3,0 – 4,2 W/kg KG, Patiententransport<br />
bergauf 4,3 – 6,1 W/kg KG, Patiententransport bergab 3,6 – 3,9 W/kg KG, improvisierter<br />
Patiententransport („Seilsitz“) 3,0 – 4,2 W/kg KG, Rettung aus Gletscherspalte 4,1 – 4,7<br />
W/kg KG.<br />
Schlußfolgerungen: Personen, die bei alpinen Rettungseinsätzen eingesetzt werden<br />
sollten, sollten eine PWC170 von mindestens 170 W/kg KG leisten können (besser 4,0<br />
W/kg KG). Dies macht ein regelmäßiges aerobes Ausdauertraining und eine<br />
regelmäßige arbeitsmedizinische Überwachung zwingend erforderlich. Unerhalb von 2,5<br />
W/kg KG erscheinen alpine Rettungsmaßnahmen undurchführbar.<br />
Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />
Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />
Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />
477
P27<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Zur gesundheitlichen Situation von hauptberuflich tätigen<br />
Tanzpädagogen/innen in Deutschland<br />
Eileen M. Wanke, Rland Wolff<br />
Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />
Der Beruf des Tanzpädagogen ist aufgrund vielen verschiedenen Tanzstile (z.B. Ballett/<br />
Jazz/ Modern Dance/ kreativer Kindertanz) sowie der Zielgruppen (Anfänger-<br />
Fortgeschrittene- Profis, Kinder- Erwachsene, Hobby- professioneller Bereich, Senioren)<br />
inhaltlich sehr vielseitig, vielschichtig und - von der körperlichen Belastung her - sehr<br />
unterschiedlich. Arbeitsmittel des Tanzpädagogen ist der eigene Körper, erleichternde<br />
Arbeitsmittel sind wenige vorhanden. Daher ist der Erhalt der Gesundheit von großer<br />
Bedeutung. Bisher gibt es keine Daten über die gesundheitliche Situation<br />
Tanzpädagogen. Ziel dieses Pilotprojektes war daher die Entwicklung einer ersten<br />
Datenbasis für weiterführende Projekte mit präventivem Schwerpunkt. Grundlage für die<br />
Studie bildete auszugsweise die in Deutschland beantworteten Fragebögen einer<br />
international (NL, USA, Schweiz, Österreich) durchgeführten Querschnitt-<br />
Fragebogenstudie. Aus Deutschland nahmen 165 Tanzpädagogen/innen (w: 154; m: 11)<br />
teil.<br />
Das Durchschnittsalter betrug 46,1Jahre, die Durchschnittsgröße 167,1cm, das<br />
durchschnittliches Gewicht 59,8 kg und die durchschnittliche wöchentlich unterrichtete<br />
Stunden 24,6Std/Wo. Die Zufriedenheit im Beruf war mit 86% sehr hoch. Für 96,6% der<br />
Teilnehmer ist die tanzpädagogische Tätigkeit der Traumberuf, 70,9% beabsichtigen bis<br />
zum Rentenalter im Beruf tätig zu sein, 13,3% solange, wie möglich und 2,4% bis zum<br />
Tod. 83% können sich Ausfallzeiten nicht leisten. Ausgleichssport betreiben 50,3%.<br />
82,4% sind Nichtraucher. Verletzungen und chronische Erkrankungen sind bei<br />
Tanzpädagog/innen selten. Insgesamt wurde bei n=165 über n=191 akute (=1,16<br />
Verletzung pro Person) und n=224 chronische Erkrankungen (=1,33 pro Person)<br />
berichtet. 86% geben an selten verletzt zu sein. Obwohl nur ca. die Hälfte (41,2%) die<br />
Ursache für einen Krankheitsfall häufig oder immer berufsbedingt sehen, konnten<br />
immerhin 78,2% wegen einer berufsbedingten Verletzung oder chronischem Schaden<br />
mindestens einmal ihren Beruf nicht ausüben. Mehr als die Hälfte (63,5%) > einmal.<br />
87,3% arbeiten auch unter Schmerzen weiter. Bei 72% war eine akute Verletzung für die<br />
Zwangspause verantwortlich. Medizinische Hilfe wird bei ca. ¼ (24,9%) in Anspruch<br />
genommen, wenn die Erkrankungen nach einigen Tagen noch da ist, bei 45,5% oder<br />
erst, wenn die Selbstbehandlung erfolglos war.<br />
Bei den Ursachen zählen ein hoher Erwartungsdruck an die Lehrqualität, psychische und<br />
physische Belastungen zu den am häufigsten genannten Ursachen für Erkrankungen.<br />
478
P27<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Hinsichtlich der orthopädischen Erkrankungen gaben 30% an, unter Arthrose zu leiden,<br />
10% unter einer Skoliose, 51,2% hatten keine orthopädischen Erkrankungen. Es finden<br />
sich bei den chronischen Beschwerden und akuten Verletzungen die gleichen<br />
betroffenen Regionen, wenn auch in anderer Häufigkeit (chronisch: Fuss (29,7%)> LWS<br />
(25%)> Kniegelenk (21%); akut: LWS (20%)> Kniegelenk (16%)> Fuss (12,8%). Bei<br />
chronischen Beschwerden sind Arthrosen und Bandscheibendegenerationen und bei<br />
akuten Verletzungen Zerrungen, Bandläsionen und Gelenkblockaden häufig. Die<br />
Mehrzahl der akuten Verletzungen betraf die untere Extremität (60,8%), bei den<br />
chronischen Beschwerden war es die Wirbelsäule (43%). Zu den am häufigsten<br />
genannten Risikofaktoren für die berufliche Tätigkeit gehörte bei 64,8% der hohe<br />
Erwartungsdruck, bei 60% die hohe Arbeitsbelastung, sowie bei 43% der eigene<br />
defizitäre Trainingszustand. Schlechte, räumliche Arbeitsbedingungen wurden von 39%<br />
der Befragten genannt. Bei den eingelegten Zwangspausen war für 37,5% eine akute<br />
Verletzung verantwortlich.<br />
Es findet sich eine insgesamt extrem hohe (für den Tanzbereich typische) Identifikation<br />
mit der Tätigkeit. Die eigene Gesundheit scheint dabei eine eher untergeordnete Rolle zu<br />
spielen, ein wichtiger Aspekt, zumal Tanzpädagog/innen Multiplikatoren sind und<br />
Vorbildfunktion haben. Die Ursachen für Schäden sind genauso vielseitig wie der Beruf<br />
und subjektiv eher selten, die Lokalisationen finden sich vergleichbar mit dem<br />
Bühnentanz verteilt. Im internationalen Vergleich sind große Unterschieden (z.B.<br />
Lokalisation) sichtbar.<br />
Um das gesundheitliche „Risiko“ des nicht geschützten Berufs „Tanzpädagog/in“ zu<br />
definieren sollten in weiteren Auswertungen und Untersuchungen unter anderem<br />
folgende Aspekte geklärt werden:<br />
- Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung<br />
- Einfluss einer eventuell vorausgegangenen Tanzkarriere<br />
- Protektiver Effekt der Tätigkeit<br />
- Risiko im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (z.B. Sportlehrer)<br />
479
P28<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Akute Verletzungen bei heranwachsenden Bühnentanzschüler/innen<br />
- Ursachen und Prävention<br />
Eileen M. Wanke 1 , Roland Wolff 1 , Helmgard Mill 2<br />
1 Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />
2 Unfallkasse Berlin, Prävention<br />
Die Ausbildung zum professionellen Bühnentänzer/ zur professionellen Bühnentänzerin<br />
ist mit maximalen physischen und psychischen Belastungen verbunden. Diese<br />
Anforderungen fallen in die Zeit der größten pubertätsbedingten Veränderungen der<br />
Heranwachsenden. Die Folge können akute Verletzungen sein, die eine Gefährdung der<br />
Ausbildung darstellen können.<br />
Grundlage für die Untersuchungen bildeten Unfallmeldungen (n>500) einer staatlichen<br />
Ausbildungseinrichtung, die Durchgangsarztberichte sowie beim gesetzlichen<br />
Unfallversicherungsträger vorhandene Akten der verletzten Schüler/innen über einen<br />
Zeitraum von 11 Jahren. Ziel der Auswertungen ist die Entwicklung von praktikablen<br />
Maßnahmen zur Verletzungsprävention.<br />
Jede/r 4. Schüler/in verletzt sich mindestens einmal im Verlauf eines Jahres akut. Jeder<br />
10. Unfall gilt dabei als schwer. Es lassen sich im Ausbildungsbereich bezüglich der<br />
Lokalisation Parallelen zum professionellen Bereich darstellen. Es bestehen alters- und<br />
geschlechtsspezifische Besonderheiten, die hinsichtlich präventiver Maßnahmen von<br />
großer Bedeutung sind. Gelenke und Bandapparat sind die am häufigsten akut verletzten<br />
Strukturen dar. Prellungen 23%), Stauchungen (33%) und Zerrungen (20%) sind die<br />
häufigsten Verletzungsarten. Es bestehen Zeitraum bezogene Häufungen sowohl<br />
bezogen auf das Alter (Wachstumsphasen) also auch hinsichtlich der Monate und<br />
Wochentage. 57,2% aller Unfälle ereigneten sich im Ballettsaal, fast jeder 5. Unfall<br />
(18,3%) auf Treppen und Fluren. Wegeunfälle machten 7% aus. Die Ursachen sind<br />
sowohl endogener als auch exogener Art.<br />
Zu den häufigsten exogenen Ursachen gehören die Treppe mit 10, 4%, der Mensch mit<br />
9,6%, der Fußboden mit 6,9 % sowie die „Anderen“ mit 20,2 %. Die häufigsten Unfälle<br />
ohne eindeutig identifizierbare Ursache ereigneten sich im Training (43,5%). Es<br />
bestehen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede. Während bei den Schülerinnen<br />
in 41% der Fälle das obere Sprunggelenk betroffen ist, so findet sich diese<br />
Verletzungslokalisation bei den Schülern nur in 30.6 % der Fälle. Ähnliches zeigt sich für<br />
das Kniegelenk, dass als Verletzungslokalisation bei den Schülerinnen mit 15,3 %<br />
gegenüber 9,4% bei den Schülern deutlich mehr verletzt wird. Verantwortlich dafür<br />
könnte die bei den Tänzerinnen häufig vorhandene deutlich Hyperbeweglichkeit genannt<br />
werden, die gerade in Wachstumsphasen über eine vorübergehende Instabilität oder ein<br />
durch das Wachstum bedingte Disharmonie und Ungleichgewicht im Körper zu einer<br />
480
P28<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
vermehrten Verletzungsanfälligkeit führen kann sowie der Spitzentanz, der ein hohes<br />
Maß an koordinativer Leistungsfähigkeit des gesamten Körpers voraussetzt und für den<br />
Fuß und das angrenzende Sprunggelenk eine maximal hohe Belastung darstellt. Bei den<br />
Schülern sind der Kopf- und Halsbereich mit 9,4 %, die Wirbelsäule mit ebenfalls 9,4 %<br />
sowie der Schulterbereich mit 6,3% und der Unterarm- und Handgelenksbereich mit<br />
15,4% (gegenüber 8,1% bei den Schülerinnen) deutlich mehr betroffen als bei den<br />
Schülerinnen. Als Erklärungsansatz wären die in der Schule gelehrten und zur<br />
Ausbildung zum professionellen Bühnentänzer gehörenden „Pas de Deux“ Stunden und<br />
Repertoire- Einheiten zu nennen. Diese beinhalten eine Arbeit mit der Partnerin<br />
einschließlich der Pirouetten (Drehungen) und Hebungen, die mit einer Mehrbelastung<br />
dieser vier genannten Bereiche einhergehen und nicht zuletzt im Wachstumsalter<br />
Verletzungen begünstigen können.<br />
Zu den präventiven Maßnahmen gehören: ein regelmäßiges Screening,<br />
kompromissloses Auswahlverfahren, Verbesserung der exogenen Bedingungen,<br />
alternative Bewegungsangebote, Optimierung der Trainings- und Ausbildungspläne,<br />
alters entsprechendes Training, Ernährungsberatung, psychologische Betreuung,<br />
Laufbahnberatung, Verbesserung des Kenntnisstandes und Verbesserung der<br />
tanzmedizinischen Betreuung. Schlussfolgernd lässt sich Folgendes feststellen:<br />
Aufgrund des langen Zeitraumes und der Anzahl der untersuchten Unfälle sind die<br />
vorliegenden Ergebnisse als repräsentativ mit Referenzcharakter einzuordnen. Als<br />
Ergebnis gehen zahlreiche Maßnahmen zur Verletzungsprävention hervor. Die<br />
Umsetzung setzt das Erkennen der Notwendigkeit für Maßnahmen sowie die<br />
Zusammenarbeit aller in diesem Umfeld tätigen Personen voraus.<br />
481
P29<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Die arbeitsmedizinische Betreuung von Bühnentänzern in der<br />
DDR<br />
Eileen M. Wanke, A. Wanke, Roland Wolff<br />
Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />
Darstellende Künstler wie Musiker, Tänzer, Artisten und Sänger sind über Jahre oder gar<br />
Jahrzehnte hinweg maximalen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt, die<br />
häufig Verletzungen und chronischen Erkrankungen führen.<br />
Grundlage für die Präsentation stellen die über 100 Veröffentlichungen aus den unten<br />
genannten Forschungseinrichtungen sowie Dissertationen, Diplom- oder<br />
Abschlussarbeiten dar. Ziele dieser Studie sind eine inhaltliche Darstellung<br />
tanzmedizinischer Forschung in der DDR und die Einordnung der Bedeutung der<br />
Forschungsergebnisse im Vergleich zu westlichen Publikationen im Zeitraum zwischen<br />
1945 – 1989.<br />
Tab.1: Entwicklung der arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Künstlerbetreuung in der<br />
DDR<br />
JAHR INSTITUTION ERGÄNZUNGEN<br />
1958 Gründung ZAM (Zentralinstitut für Erste Betreuungsmöglichkeit für Künstler<br />
Arbeitsmedizin)<br />
Ende der Einrichtung von Arztsanitätsstellen in Außenstellen für BABB und AHB<br />
50er kulturellen Einrichtungen (z.B. Oper)<br />
1973 Aufbau der Arbeitshygienischen<br />
Behandlungsstelle (AHB)<br />
Information und Beratung in arbeitshygienischen<br />
Fragestellungen, medizinische Betreuung<br />
1976 Eröffnung des Bühnenambulatoriums<br />
der Berliner Bühnen (BABB)<br />
(Funktionseinheit mit AHB)<br />
6 Abteilungen: Arbeitsmedizin,<br />
Funktionsdiagnostik, Stomatologie, HNO,<br />
Psychologie<br />
1976 30 Per(Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Ziel:<br />
Sportmedizin, Orthopädie,<br />
Funktionsdiagnostik, Arbeitshygiene,<br />
- Austellung von Kriterien für Betreuung<br />
und Prophylaxe bei Verletzungen<br />
Ballettmeister, Tanzpädagogen) sonen - Zuständig für Diagnostik und Therapie<br />
(interdisziplinär)<br />
- Rehabiliation<br />
1977 Gründung eines Rehabilitationskollektivs Festlegung des weiteren Arbeitseinsatzes (auch<br />
BK-Verfahren)<br />
Ein Befehl der sowjetischen Besatzungsmächte schaffte die Voraussetzung für den<br />
Gesundheitsschutz Werktätiger in der DDR, zu denen auch die Tänzer gehörten. Bereits<br />
1958 war mit der Gründung des ZAM eine erst organisierte Künstlerbetreuung möglich.<br />
Mit der Einrichtung des Bühnenambulatoriums der Berliner Bühnen (BABB) 1976 sowie<br />
arbeitshygienischen Beratungsstellen wurden zusätzlich interdisziplinär arbeitende,<br />
wissenschaftliche Einrichtungen geschaffen, deren Ziel ausschließlich die Erforschung<br />
arbeitsmedizinischer Probleme der Künstler war. 1976 wurde mit der Gründung der<br />
Arbeitsgruppe Ballett die spezifische diagnostische, prophylaktische, therapeutische,<br />
rehabilitative und wissenschaftliche Arbeit ausgebaut. Im Laufe der Jahrzehnte nahm<br />
482
P29<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
nicht nur die Anzahl der Veröffentlichungen zu (60er: n= 6; 70er: n=22; 80er: n= 78).<br />
Auch inhaltlich kam es zu einer Verschiebung der Schwerpunkte. Während die<br />
Belastungssituation, und Verletzungen schon in der 60ern Beachtung fanden, stand in<br />
den 80ern die Entwicklung von Standards (Screening, Tauglichkeit) im Vordergrund.<br />
Zwischen 1976 und 1986 wurden über 260 000 Konsultationen, 1/3 davon Künstler,<br />
durchgeführt. Jährlich wurden ca. 2000 Einstellungs- /Wiederholungs- oder<br />
Tauglichkeitsuntersuchungen abgerechnet. Im Laufe der Jahrzehnte nahm sowohl im<br />
Westen als auch in der DDR die Anzahl der Veröffentlichungen zu (DDR: 60er: n= 6;<br />
70er: n=22; 80er: n= 78). Aufgrund des wissenschaftlichen Austausches ist hier eine<br />
gegenseitige Beeinflussung sichtbar.<br />
Unterschiede zum Westen fanden sich nicht nur inhaltlich. Während die<br />
Belastungssituation, und Verletzungen in der DDR schon in der 60ern Beachtung<br />
fanden, stand bereits 80er Jahren die Entwicklung von Standards (Screening,<br />
Tauglichkeit) im Vordergrund (Abb.3) Auch in der realisierten Umsetzung einer<br />
umfassenden interdisziplinären arbeitsmedizinischen Betreuung von Tänzer/innen in der<br />
DDR sind die Unterschiede sichtbar zur westlichen Welt ohne Westdeutschland deutlich.<br />
Eine tanzmedizinische Entwicklung in Westdeutschland findet sich erst seit Beginn der<br />
90er Jahre und ist damit für die historische Entwicklung unbedeutend.<br />
Schlussfolgernd kann Folgendes festgehalten werden: Die Entwicklung einer<br />
arbeitsmedizinisch/tanzmedizinischen Betreuung und Forschung fand zeitlich weit vor<br />
der westlichen Entwicklung statt. Bis heute sind die Forschungsergebnisse und –Inhalte<br />
der DDR-Forschung zum Teil unerreicht und unbekannt. Da weder die Betreuung von<br />
Tänzern so umfassend ist oder sein wird wie sie war, kommt der Arbeit der Einrichtungen<br />
der DDR innerhalb dieses Gebietes eine große Bedeutung zu.<br />
483
P30<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Präventionsaspekte im professionellen Bühnentanz<br />
Eileen M. Wanke 1 , Roland Wolff 1<br />
1 Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />
Einleitung: Professionelle Tänzer und Tänzerinnen sind die Hochleistungssportler unter<br />
den darstellenden Künstlern oder Künstlerinnen. Sie unterscheiden sich von anderen<br />
Berufsgruppen in folgenden Punkten: 1. Präpubertärer Beginn und lange Dauer der<br />
Berufsausbildung (ca. 10- 15 Jahre), 2.Zeitlich stark limitierte Phase der Berufsausübung<br />
(Ende ca. Mitte dreißig), 3. Kaum oder eine den eigenen Körper unterstützende<br />
Arbeitsmittel. Bereits minimale körperliche „Defizite“, können im Tanz nicht oder nur<br />
schwer kompensiert werden. Sie führen zu starken Einschränkungen in der<br />
Berufsausübung und nicht selten zu einer Arbeits- oder gar Berufsunfähigkeit. Daher<br />
kommt der Prävention von Verletzungen im professionellen Bühnentanz eine große<br />
Bedeutung zu. Grundlage für die Empfehlungen zur Prävention stellte die in Kooperation<br />
mit der Unfallkasse Berlin durchgeführte Auswertung aller Arbeitsunfälle (n= 1110) von<br />
Bühnentänzer/innen über 13 Jahre auf der Basis aktueller nationaler und internationaler<br />
Literatur dar.<br />
Exogene und endogene Faktoren. Bei den Ursachen von Verletzungen kann eine<br />
Einordnung in endogene (multifaktoriell) sowie exogene Faktoren erfolgen. Je nach<br />
Tanzstil und der damit verbundenen Auflösung klassisch definierter Bewegungsmuster<br />
überwiegen endogene bzw. exogene Faktoren. Im Ausbildungsbereich sind weitere sich<br />
auf die Häufigkeit von Verletzungen auswirkende Einflüsse zu nennen, wie<br />
beispielsweise eine wiederholte Sicherstellung der körperlichen Eignung,<br />
tanzpädagogische Qualifikation, Entwicklung von Selbstverantwortung und<br />
Selbstbestimmung, Sicherstellung einer adäquaten theoretischen Ausbildung,<br />
Besonderheiten im Wachstumsalter in Hinblick auf die klassische Tanztechnik, die für<br />
den erwachsenen Körper entwickelt worden ist. Praktikable Präventionsmaßnahmen sind<br />
genauso vielseitig wie die Stilrichtungen im Tanzbereich und sind Resultat der Ursachen,<br />
die zu akuten Verletzungen führen oder sie begünstigen.<br />
Schlussfolgerung: Die Faktoren, die direkt zu Verletzungen führen oder sie<br />
begünstigen, sind genauso vielseitig wie die verschiedenen Stilrichtungen im<br />
Tanzbereich. Die Entwicklung praktikabler Konzepte zur Verletzungsprävention ist<br />
vielschichtig und setzt die nicht immer vorhandene Bereitschaft zur Kooperation der im<br />
Bereich des Tanzes tätigen Personenkreise voraus.<br />
484
P30<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Exogene Faktoren Vermeidung von Empfehlungen<br />
Tanzboden Bodenschrägen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
unterschiedlichen Neigungsgraden,<br />
oder Härtegraden des Unterbodens<br />
Verunreinigungen<br />
Unebenheiten<br />
zu „glattem“ bzw. zu „stumpfem“<br />
Boden<br />
Klima Klimaanlagen<br />
<br />
Schwankendem Raumklima<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wahl des Deckbelages<br />
stilrichtungsabhängig<br />
Tanzböden sollten die Norm<br />
DIN18032, Teil II erfüllen.<br />
Mischelastischer Unterboden an allen<br />
Arbeitsplätzen (auch Bühne)<br />
Regelmäßige Kontrollen<br />
Berücksichtigung von Hinweisen der<br />
TänzerInnen auf Mängel<br />
regelmäßige sachgemäße Reinigung<br />
Oberflächentemperatur nicht<br />
niedriger als Raumtemperatur<br />
<br />
Ausreichende Belüftung<br />
Lufttemperatur zu niedrigen und zu hohen<br />
Temperaturen (nicht < 21º C)<br />
<br />
Lufttemperatur (nach DIN EN ISO<br />
7730 und DIN EN 1379)<br />
Möglichst konstant im<br />
Jahresverlauf<br />
<br />
optimal: zwischen 21 - 23º C<br />
Luftgeschwindigkeit Zugluft Nicht größer als 0,1 m/ sec<br />
Luftfeuchtigkeit zwischen 40 % und 60 %<br />
Kostüm/<br />
Arbeitskleidung<br />
<br />
<br />
<br />
Arbeitskleidung, die nicht volle<br />
Bewegungsfreiheit zulassen<br />
oder Sichtbehinderung fördern<br />
Kostümteile/ -längen, die ein<br />
Stolpern oder Hängen bleiben<br />
fördern<br />
scharfkantigen Teilen<br />
<br />
<br />
<br />
Adäquate Arbeits- oder<br />
Trainingsbekleidung<br />
Bei Kostümen:<br />
Gefährdungsbeurteilung vor dem<br />
ersten Einsatz<br />
Frühzeitiger Einsatz der<br />
Originalkostüme<br />
<br />
Schmuck<br />
<br />
Optimale Passform von Kostümen<br />
Requisite Gesundheitsgefährdenden<br />
Requisiten<br />
<br />
<br />
frühzeitige<br />
Gefährdungsbeurteilung<br />
frühzeitige Gewöhnung<br />
Andere (Treppen/<br />
Türen/ Kulisse)<br />
<br />
<br />
geringen Beleuchtungsstärken<br />
starke Lichtkontrasten<br />
direkten oder indirekten<br />
Blendeffekten<br />
<br />
ausreichende Kennzeichnung und<br />
Beleuchtung<br />
ausreichendes Proben beim<br />
Einsatz von Bühneneffekten<br />
<br />
rutschfeste Treppenbeläge<br />
485
P30<br />
Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />
Unspezifische<br />
Bewegungsabläufe/<br />
choreografische<br />
Anforderungen<br />
<br />
<br />
Ignoranz gegenüber<br />
anatomisch- physiologischer<br />
Gegebenheiten<br />
Tanzunspezifischen<br />
Bewegungsabläufen<br />
Orientierung am körperlichen<br />
Potential<br />
Ausreichendes, qualifiziertes<br />
Proben<br />
Partner Zu vielen Wiederholungen eines<br />
Bewegungsablaufs in kurzer Zeit<br />
<br />
Zusammenarbeit von körperlich<br />
kompatiblen PartnerInnen.<br />
<br />
Durchführung anspruchsvoller<br />
Bewegungen am Ende einer<br />
Probe<br />
<br />
<br />
Ggf. zusätzliches Krafttraining<br />
Sicherheitsvorkehrungen<br />
Schuhwerk Training in Socken oder barfuss<br />
<br />
Destabilisierenden<br />
Manipulationen am Schuhwerk<br />
Arbeitsvertrag Kurzfristigen Zeitverträgen<br />
<br />
<br />
Adäquates Schuhwerk mit<br />
optimaler Passform<br />
Längerfristige Verträge<br />
<br />
Vereinbarungen, die ein<br />
Auftreten trotz Verletzungen<br />
begünstigen<br />
<br />
Rechtliche Überprüfung des<br />
Vertrages<br />
Planung<br />
Siehe unten<br />
486
P31<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Interaktives Lehrkonzept durch Einsatz von Simulationspatienten<br />
im Fach Arbeitsmedizin im Rahmen des Aachener<br />
Modellstudienganges<br />
Monika Gube 1 , Andrea Pirkl 2 , Christian Eisenhawer 1 , Lars Knoll 1 , Michael Felten 1 , Thomas<br />
Schettgen 1 , Michaela Weishoff-Houben 2 , Irmgard Classen-Linke 2 , Thomas Kraus 1<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2 AIXTRA, Aachener Interdisziplinäres Trainingszentrum für ärztliche Ausbildung in der Medizin, RWTH<br />
Aachen<br />
Einleitung<br />
Der vielzitierte Nachwuchsmangel in der Arbeitsmedizin erfordert eine möglichst frühe<br />
Information über und Werbung für diese Fachrichtung. Bereits die Studierenden sollten<br />
die breite Palette interdisziplinärer Fragestellungen, die an die Arbeitsmedizin<br />
herangetragen werden, kennen lernen.<br />
Methodik und Umsetzung<br />
Im Rahmen des Aachener Modellstudienganges, der im Jahr 2003/2004 an der RWTH<br />
eingeführt wurde, wurde die Vorklinik/Klinik-Grenze aufgehoben und so theoretisches<br />
Basiswissen und klinische Anwendung gleichmäßiger auf das Studium verteilt. Die so<br />
genannte Lernspirale verbindet die Wiederholung einiger Lerninhalte in verschiedenen<br />
Semestern, wobei mit jeder Wiederholung neue Aspekte, Zusammenhänge und<br />
Fragestellungen bearbeitet werden.<br />
Nachdem das arbeitsmedizinische Basiswissen im 4. und 5. Semester durch<br />
Vorlesungen, Seminare und Referate in Kleingruppen vermittelt wird, ist im 10. Semester<br />
die Arbeitsmedizin ein Hauptfach, das erstmals im Sommersemester 2008 in einem 3-<br />
wöchigen Block unterrichtet wurde. Mit Unterstützung des AIXTRA (Aachener<br />
Interdisziplinäres Trainingszentrum für ärztliche Ausbildung in der Medizin) wurden 3<br />
arbeits-medizinische Falldarstellungen konstruiert und in Drehbüchern verfasst. Die<br />
Rollen der Patienten übernahmen jeweils Schauspieler, die von einer speziell geschulten<br />
Schauspieltrainerin instruiert und betreut wurden. Die Studierenden wurden in 6er-<br />
Gruppen eingeteilt, wobei ein/e Studierender/e jeweils die Rolle des Arztes übernahm.<br />
Während die 5 Kommilitonen und ein Dozent stille Beobachter waren, bestand die<br />
Aufgabe für den „Arzt“ darin, binnen 20 Minuten das Gespräch mit dem Patienten zu<br />
leiten und die Anamnese so zu erheben, dass im Anschluss eine strukturierte Planung<br />
des diagnostischen Vorgehens und eine Verdachtsdiagnose möglich waren. Gleichzeitig<br />
wurde das ärztliche Gespräch geübt und im Anschluss durch das Feedback des<br />
Schauspielers, des Dozenten und der Kommilitonen beurteilt.<br />
487
P31<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Ergebnisse<br />
Die etwa 150 Studierenden des SS 2008 bewerteten diese Unterrichtsform mit einem<br />
Notendurchschnitt von 1,14 und bestätigten die Annahme, dass der Praxisbezug<br />
entscheidender Faktor für Lehr- und Lernerfolg eines Faches ist.<br />
Die angewandte Konzeption und der Einsatz von Simulationspatienten ist im Fach<br />
Arbeitsmedizin machbar und trägt zu einer erfolgreichen Lehre bei.<br />
488
P32<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Verbesserung der Lehre im Fach Arbeits- und Sozialmedizin<br />
durch Einsatz von Schauspielpatienten<br />
Birgit Emmert 1 , A. Hitz 1 , Ernst Hallier 1 , Anne Simmenroth-Nayda 2 , Jean-Francois Chenot 2<br />
1<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin der Georg-August Universität Göttingen<br />
2<br />
Abteilung Allgemeinmedizin der Georg-August Universität Göttingen<br />
Hintergrund<br />
Bei der Vermittlung arbeits- und sozialmedizinischer Lehrinhalte bestehen bei<br />
Studierenden oftmals Akzeptanz- und Motivationsprobleme aufgrund des Fehlens<br />
„echter“, d.h. realer Patienten, im Unterricht. Erstmals wurde daher im WS 06/07 im<br />
Rahmen des Kurses „Ärztliche Basisfähigkeiten“ für Studierende im 1. Klinischen<br />
Semester das bisher überwiegend mit Frontalunterricht gehaltene Seminar durch ein<br />
Seminar mit praktischen Rollenspielen unter Einsatz geschulter Schauspielpatienten<br />
(SP) im Kleingruppenunterricht angeboten [1,2]. Bisher gibt es im Fach Arbeitsmedizin<br />
und Sozialmedizin fast keine Erfahrungen mit diesem neuen Unterrichtskonzept im<br />
Vergleich zu anderen Fachgebieten. Um die Akzeptanz dieser aufwendigen<br />
Unterrichtsform zu überprüfen, wurde neben der universitätsinternen eine eigene<br />
Evaluation durch die Studierenden durchgeführt.<br />
Methode<br />
Für den Kleingruppenunterricht im Seminar wurden folgende 4 Fallbeispiele/Rollenspiele<br />
konzipiert: (1) Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw. AU bei einer Sekretärin mit<br />
Tendovaginitis (2) Jugendarbeitsschutzuntersuchung bei einem Jugendlichen mit<br />
Mehlstauballergie im Hinblick auf Bäckerasthma (3) Wege-/Arbeitsunfall bei einer<br />
Erzieherin mit Sprunggelenks-Kontusion (4) Verordnung eines Heilverfahrens (Mutter-<br />
Kind-Kur) bei einer psychisch gestressten Mutter. Nach Vermittlung des theoretischen<br />
Lehrinhaltes wurden die ärztlichen Anamnesegespräche mit den SP in der Kleingruppe<br />
(ca. 10 Studierende) unter „realen“ Bedingungen geübt. Für 1 Rollenspiel standen im<br />
Rotationsverfahren insgesamt 30 Minuten zur Verfügung. Nach der Erhebung der<br />
kompletten ärztlichen Anamnese wurde eine gezielte Rückmeldung (Feedback) durch<br />
die SP und Dozenten an die Studierenden gegeben. Daran schloss sich die Diskussion<br />
in der Kleingruppe an. Im WS06/07 wurden die generelle Akzeptanz und<br />
Verbesserungsvorschläge der Studierenden in offener Frageform evaluiert. Im SS 07<br />
erfolgte eine detaillierte Evaluation mit 14 geschlossenen Fragen zum neuen<br />
Unterrichtskonzept.<br />
489
P32<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Ergebnisse<br />
Von den insgesamt 141 Studierenden im WS 06/07 bewerteten 91% das neue<br />
Unterrichtskonzept als „positiv“ und 8% als eher „negativ“ bei einer Rücklaufquote von<br />
78%. Gewünscht wurde eine Kürzung des Theorieteils im Seminar zu Gunsten des<br />
praktischen Anamnesegesprächs mit den SP. Nach entsprechender Umsetzung im SS<br />
07 mit 179 Studierenden (83% Rücklaufquote) hielten z.B. insgesamt 99% das<br />
Unterrichtskonzept für „geeignet, praktisch-kommunikative Fertigkeiten zu überprüfen“.<br />
Einen „positiven Lerneffekt“ verzeichneten insgesamt 97%. Der Eignung zur<br />
„Überprüfung des theoretischen Wissens“ stimmten erwartungsgemäß 22% nicht zu.<br />
Abschließend befürworteten 92% aller Studierenden den Einsatz von SP als geeignetes<br />
Instrument „zur Erhebung einer Arbeits- und Sozialanamnese“. Die folgende Graphik<br />
zeigt relevante Evaluationsergebnisse, wobei die Studierenden zwischen „stimme zu“,<br />
„stimme teilweise zu“, „stimme eher nicht zu“ und „stimme nicht zu“ als<br />
Antwortmöglichkeiten wählen konnten:<br />
100,0<br />
Studentische Evaluation der Rollenspiele mit SP<br />
im Seminar Arbeits- und Sozialmedizin<br />
90,0<br />
80,0<br />
70,0<br />
in Prozent<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
Stim me zu<br />
St im m e teilw eise zu<br />
Stim me eher nicht zu<br />
Stim me nicht zu<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Für die Überprüfung<br />
praktischkommunikativer<br />
Fertigkeiten geeignet<br />
Für die Überprüfung<br />
theoretischen<br />
Wissen s geeignet<br />
Postiver Lerneffekt<br />
Realistischer<br />
Charakter der<br />
R ollenspiel e<br />
Authentische<br />
Wirkung der<br />
Schauspielpatienten<br />
Testet die Erhebung<br />
einer Arbeits- und<br />
Sozialanam nese in<br />
geeigneter W eise<br />
W eiterhin Integration<br />
im Kurs "Ä rztliche<br />
Basisfähigkeiten"<br />
erwünscht<br />
Diskussion und Fazit<br />
Trotz des relativ hohen Organisations- und Zeitaufwandes haben die überwiegend<br />
positiven Evaluationsergebnisse zur Weiterführung dieses praxisnahen<br />
Unterrichtskonzeptes ermutigt. Insbesondere der Einsatz der SP bei den Rollenspielen<br />
wurde von den Studierenden als sehr positiv bewertet und hatte für insgesamt 75%<br />
einen positiven Lerneffekt. Der Einsatz von geschulten Schauspielpatienten stellt ein<br />
hilfreiches Instrument zum Üben des ärztlichen Anamnesegesprächs auch für Arbeitsund<br />
Sozialmedizinische Fragestellungen dar und steigert damit die Akzeptanz sowie<br />
Motivation im Fachgebiet Arbeits- und Sozialmedizin. Gleichzeitig bildeten sich die guten<br />
490
P32<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
studentischen Evaluationsergebnisse in der insgesamt um eine halbe Note (0,5)<br />
verbesserten universitätsinternen Evaluation ab.<br />
Literatur<br />
[1] Simmenroth-Nayda A. et al. (2007) Mit Laienschauspielern das ärztliche Gespräch<br />
trainieren. Dt. Ärzteblatt 13 (B):749-751.<br />
[2] Lange A. (2007) Gelungene Kommunikation fängt mit gutem Zuhören an. Dt.<br />
Ärzteblatt 40:107.<br />
[3] Barrows HS. (1993) An overview of the uses of standardized patients for teaching<br />
and evaluating skills. Acad. Med. 688(6):443-453.<br />
491
P33<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Arbeitsmedizinische Betriebsbegehungen − Aktivität schafft<br />
Interesse<br />
Sibylle Hildenbrand, Verena Röder, Monika A. Rieger<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />
Einleitung und Fragestellung der Studie<br />
Die Lehre im Fach Arbeitsmedizin wurde zum Sommersemester 2007 neu geplant.<br />
Hierbei wurde auch ein Konzept entwickelt, mit dem sich bei 160 Studierenden pro<br />
Semester die Beteiligung der Studierenden in der Lehrveranstaltung<br />
„arbeitsmedizinische Betriebsbegehung“ verbessern lässt.<br />
Methoden<br />
Die Modifikation bei der Veranstaltung erfolgte nach der didaktischen Methode, dass<br />
Studierenden durch eigene Beiträge bei einer Veranstaltung aktiviert werden können.<br />
Um Unterschiede zwischen den beiden verschiedenen Konzeptionen der<br />
Betriebsbesichtigungen zu erfassen, wurden Studierende befragt sowie die schriftliche<br />
Evaluation und die persönlichen Eindrücke der Dozenten ausgewertet.<br />
Ergebnisse<br />
Im Folgenden werden die Strukturen und Effekte der ursprünglichen Betriebsbegehung<br />
der neu konzipierten Betriebsbegehung gegenübergestellt.<br />
Ursprünglich lag die Veranstaltung „arbeitsmedizinische Betriebsbegehung“ im 7.<br />
Semester. Je 30-40 Studierende konnten unter 4-5 Betrieben ihr Ziel frei wählen. Im<br />
neuen Studienplan lag die Veranstaltung im 10. Semester, 40 Studierende wurden<br />
jeweils einer Firma zugeteilt.<br />
Die Vorbereitung bestand ursprünglich aus einer 15minütige Besprechung während der<br />
Busfahrt zum Betrieb. Die Lehrenden gaben Hinweise, auf welche Punkte die<br />
Studierenden während der Begehung achten sollten. Z.B. sollten sie beobachten, ob und<br />
welche persönliche Schutzausrüstungen getragen werden. Bei der neuen Konzeption<br />
wurde ein vorbereitendes einstündiges Seminar, 1-7 Tage vor der Begehung,<br />
durchgeführt. Hierbei überlegten sich die Studierenden eine Checkliste für eine<br />
allgemeine erste Betriebsbegehung durch einen Arbeitsmediziner (Tabelle 1). Jeweils 3<br />
Studierende wählten eines der zwölf erstellten Themen aus und erarbeiteten dazu<br />
Unterpunkte, die durch Plenum und Lehrende ergänzt wurden. Die Studierenden sollten<br />
bei der Betriebsbegehung bevorzugt Beobachtungen zu ihrem Thema notieren. Bei der<br />
ursprünglichen Betriebsbegehung waren die Studierenden unterschiedlich aktiv beteiligt.<br />
Die Begehung hatte teilweise den Charakter einer passiv erlebten Führung bis hin zum<br />
492
P33<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Ausflugserlebnis. Die Möglichkeit zu allgemeinen Fragen an den Arbeitsmediziner der<br />
Firma vor Ort wurde unterschiedlich genutzt. Bei der neu konzipierten Betriebsbegehung<br />
zeigten die Studierenden ein aktiveres und engagiertes Verhalten. So führten sie z.B.<br />
eigene Befragungen von Beschäftigten bei der Begehung durch. Sie stellten Fragen bei<br />
der Führung und der anschließenden Diskussion, z.T. nach den Checklistenthemen. Die<br />
Möglichkeit zu allgemeinen Fragen an den Arbeitsmediziner der Firma vor Ort wurde in<br />
unterschiedlichem Umfang genutzt. Am Ende der Begehung sollten die<br />
themenbezogenen Beobachtungen für Overheadfolien lesbar groß notiert werden.<br />
Ursprünglich fand die Nachbereitung im Bus auf der Rückfahrt vom Betrieb statt. Es<br />
wurde nach Diskussionspunkten gefragt, die noch offen geblieben waren, und um eine<br />
mündliche Evaluation der Begehung gebeten. Die Bemerkungen im Bus waren meist<br />
spärlich, die Studenten wirkten relativ erschöpft. Bei der neu konzipierten<br />
Betriebsbegehung wurden für ein einstündiges Seminar, 1-7 Tage nach der Begehung,<br />
die Notizen zu den Themen auf Folien kopiert. Sie dienten den Kleingruppen in ihrem<br />
Kurzvortrag vor den Kommilitonen als Präsentationsgrundlage. Die Beobachtungen<br />
wurden im Plenum diskutiert und kommentiert.<br />
Schlussfolgerungen<br />
In der neuen Konzeption der Betriebsbegehung erlebten die Studierenden durch die<br />
bessere Vorbereitung und längeren Beschäftigung mit der Betriebsbegehung im<br />
einführenden Seminar über die erstellte Checkliste die Betriebsbegehung strukturierter<br />
und intensiver, nach dem Motto „Man sieht nur, was man kennt“. Durch die Aufgabe, ihre<br />
Beobachtungen später den Kommilitonen zu präsentieren, zeigten sie ein aktiveres und<br />
engagiertes Verhalten. Es wurde ein Wandel vom der z.T. passiv als Ausflug erlebten<br />
Betriebbesichtigung hin zur aktiven Beteiligung an der Betriebsbegehung vollzogen.<br />
Durch das größere Interesse und die längere Beschäftigung mit den<br />
Arbeitsplatzbedingungen sowie den Aufgaben des Arbeitsmediziners im Betrieb war der<br />
Lernerfolg größer. Als zukünftigte Verbesserungsmöglichkeiten sollten die Gruppen von<br />
40 auf 20 Studierende verkleinert werden. Die Checkliste sollte von 12 auf 10 Themen<br />
gekürzt und an den zu besichtigenden Betrieb individuell angepasst werden. Den<br />
Studierenden sollte eine frei wählbare Präsentationsform der themenbezogenen eigenen<br />
Beobachtungen ermöglicht werden.<br />
Danksagung<br />
Die Checkliste geht in ihrer ursprünglichen Fassung auf eine Liste zurück, die von Herrn<br />
Dr. Gerd Enderle (Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie Baden-Württemberg e. V.,<br />
in Verbindung mit der Universität Ulm) für die arbeitsmedizinischen Weiterbildungskurse<br />
493
P33<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
entwickelt wurde. Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird<br />
finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-<br />
Württemberg e.V. (Südwestmetall).<br />
Checkliste Betriebsbegehung<br />
1) Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Charakter der Tätigkeit<br />
2) Überblick über die Beschäftigten<br />
3) Raumklima, Beleuchtung<br />
4) Gestaltung der Verkehrswege<br />
5) Räumliche Gestaltung des Arbeitsplatzes<br />
Arbeitsmittel / Ergonomie<br />
6) Arbeitsausführung<br />
7) Belastungen und Beanspruchungen des Bewegungsapparates, Muskelarbeit<br />
8) Physikalische Noxen<br />
9) Chemische Noxen, Biologische Noxen<br />
10) a) Psychomentale Belastung<br />
b) Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten,<br />
arbeitsbedingte Erkrankungen<br />
11) Technischer, organisatoischer, persönlicher Arbeitsschutz (gestellt/angewandt)<br />
12) Soziale Einrichtungen<br />
Tabelle 1: Erarbeitete Checkliste für eine Betriebsbegehung<br />
494
P34<br />
Poster – Lehre / Fortbildung<br />
Online CME-Bedarf deutschsprachiger Arbeits- und Betriebsmedizinier<br />
Katja Radon, Stefanie Kolb, Laura Wengenroth<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
495
P35<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Die Auswirkungen von Schichtarbeit auf jüngere Arbeitnehmer<br />
Anke van Mark 1 , Andreas Otto 1 , M. Schröder 1 , Stephan W. Weiler 2 , Michael Spallek 3 , Richard<br />
Kessel 1<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,<br />
2 AUDI AG Ingolstadt,<br />
3 EUGT e. V., Berlin<br />
Einleitung<br />
In den westlichen Industrienationen arbeiten rund 20 % aller Beschäftigten in<br />
Schichtarbeitsmodellen (Rajaratnam, 2001). Insbesondere im Gesundheits- und<br />
Kommunikationswesen, aber auch im Transportgewerbe und in der Industrie ist<br />
Schichtarbeit mittlerweile die Regel. Dabei führt Schichtarbeit durch die zur<br />
physiologischen Tagesrhythmik verschobene zeitliche Lage für Arbeit, Erholung und<br />
Schlaf zu einer Störung der zirkadianen Rhythmik. Diese Störungen manifestieren sich<br />
zunächst in Schlaf- und schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen wie Tagesmüdigkeit,<br />
Gereiztheit oder auch Verstimmungen (Akerstedt 2003). Solche chronischen<br />
Veränderungen des Schlafverhaltens (Schlafstörungen, Schlafentzug) wiederum haben<br />
messbare Veränderungen metabolischer und kardiovaskulärer Risikoparameter zur<br />
Folge (Hyper-/Dyslipoproteinämie, Adipositas, Hypertonie), so dass Schichtarbeit u. a.<br />
auch als ein weiterer Risikofaktor für das metabolische Syndrom diskutiert werden muss<br />
(Ghiasvand 2005, Ha 2005, Karlsson 2003, Morikawa 2007, Sookoian 2007).<br />
Bisher ist allerdings nur wenig darüber bekannt, welche Auswirkungen Schicht- und<br />
Nachtarbeit auf verschiedene Altersgruppen hat. Durch den demographischen Wandel<br />
und die Globalisierung müssen jüngere Arbeitnehmer nicht nur vermehrt sondern auch<br />
länger in Schichtarbeit arbeiten. Dies rechtfertigt unserer Meinung nach eine gesonderte<br />
Betrachtung des Risikoprofils für dieses Kollektiv.<br />
Methodik<br />
Im Rahmen einer Querschnittsstudie wurden 362 Probanden, darunter 78 Probanden in<br />
einem Alter ≤ 30 Jahre (Altersmittelwert 25,8 Jahre; 95 %-KI: 25,1 – 26,5 Jahre, 62<br />
Schichtarbeiter, 18 Tagarbeiter, 26 Frauen, 52 Männer), klinisch-körperlich und<br />
laborchemisch untersucht und mittels Fragebogen zum Schlafverhalten und zu<br />
schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen, sowie zu den Lebensumständen befragt. Alle<br />
Probanden hatten ihr schriftliches Einverständnis gegeben. Die Zustimmung der<br />
Ethikkommission lag vor.<br />
496
P35<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Ergebnisse<br />
Das Kollektiv der ≤ 30-jährigen Schichtarbeiter gab im Vergleich mit den gleichaltrigen<br />
Tagarbeitern signifikant häufiger Schlafstörungen (48,5 % vs. 7,1 %, p = 0,004) an. Sie<br />
litten stärker unter schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen wie Tagesmüdigkeit (44,6<br />
% vs. 35 %), Verstimmung (14,3 % vs. 0 %) und Reizbarkeit (19,6 % vs. 0 %, p = 0,06)<br />
sowie unter einer stärkeren subjektiven Stressbelastung (25,5 % vs. 14,3 %).<br />
Neben einer geringeren sportlichen Aktivität<br />
(57,1 % vs. 76,9 %) bestand ein häufigerer<br />
(50 % vs. 25 %, p = 0,06), signifikant<br />
stärkerer (11,4 Zig./Tag vs. 4,9 Zig./Tag, p<br />
= 0,01) und im Mittel längerer (5,6 pack<br />
years vs. 2,2 pack years, p = 0,07)<br />
Nikotinkonsum.<br />
Junge Schichtarbeiter zeigten signifikant<br />
häufiger einen erhöhten Taillenumfang<br />
(20,7 % vs. 0 %, p = 0,04), häufiger eine zu hohe Waist-to-hip ratio (25,8 % vs. 12,5 %)<br />
und im Mittel einen höheren BMI (25 kg/m² vs. 23,8 kg/m²), sowie signifikant häufiger<br />
hypertensive Werte (30,5 % vs. 6 %, p = 0,04) und im Mittel einen signifikant höheren<br />
diastolischen Blutdruckwert (80,3 vs. 74,5 mmHG, p = 0,016).<br />
Auch fanden sich bei den ≤ 30-jährigen Schichtarbeitern signifikant häufiger ein<br />
erniedrigtes (23,3% vs. 0%, p = 0,02) und im Mittel ein signifikant niedrigeres HDL (51,6<br />
vs. 58,6 mg/dl, p = 0,05), sowie häufiger pathologische Triglycerid-Werte (23 % vs. 12,5<br />
%). Daneben wurden häufiger pathologische Werte für GOT (10 % vs. 0 %), γ-GT (10 %<br />
vs. 0 %) und GPT (20,3 % vs. 6,2 %) bestimmt.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schlafstörungen und schlafbezogene<br />
Befindlichkeitsstörungen bereits die jüngeren Arbeitnehmer in Schichtarbeit betreffen.<br />
Weiterhin zeigen unsere Ergebnisse, dass Schichtarbeit bereits bei jungen<br />
Arbeitnehmern mit vier von fünf Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms<br />
vergesellschaftet ist (Taillenumfang, Blutdruck, HDL-Cholesterin und Triglycerid-Werte).<br />
Zusammen mit dem Nikotinkonsum, der vermehrten Stressbelastung und der häufigeren<br />
Unsportlichkeit haben die jüngeren Schichtarbeiter auch ein höheres Risiko für<br />
kardiovaskuläre Folgeerkrankungen.<br />
Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse müssen wir uns der Forderung nach einem<br />
Ausbau der individuellen und betrieblichen Gesundheitsprävention, vor allem auch<br />
bereits für die jüngeren Arbeitnehmer, anschließen. (Schichtplangestaltung unter der<br />
497
P35<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Empfehlungen, ausgewogene Ernährung,<br />
entsprechende Schlafhygiene und ausreichende körperliche Aktivität).<br />
Literatur<br />
Akerstedt T. Shift work and disturbed sleep/wakefulness. Occup Med (Lond). 2003; 53:<br />
89–94<br />
Ghiasvand M, Heshmat R, Golpira R, Haghpanah V, Soleimani A, Shoushtarizadeh P,<br />
Tavangar SM, Larijani B. Shift working and risk of lipid disorders: a cross-sectional study.<br />
Lipids Health Dis. 2006; 10, 5: 9<br />
Ha M, Park J. Shiftwork and metabolic risk factors of cardiovascular disease. J Occup<br />
Health. 2005; 47: 89 - 95<br />
Karlsson BH, Knutsson AK, Lindahl BO, Alfredsson LS. Metabolic disturbances in male<br />
workers with rotating three-shift work. Results of the WOLF study. Int Arch Occup<br />
Environ Health. 2003; 76: 424 - 430<br />
Morikawa Y, Nakagawa H, Miura K, Soyama Y, Ishizaki M, Kido T, Naruse Y, Suwazono<br />
Y, Nogawa K. Effect of shift work on body mass index and metabolic parameters. Scand<br />
J Work Environ Health. 2007; 33: 45 - 50<br />
Rajaratnam SM, Arendt J. Health in a 24-h society. Lancet. 2001; 358: 999 - 1005<br />
Sookoian S, Gemma C, Fernandez Gianotti T, Burgueno A, Alvarez A, Gonzalez CD,<br />
Pirola CJ. Effects of rotating shift work on biomarkers of metabolic syndrome and<br />
inflammation. J Intern Med. 2007; 261: 285 – 292<br />
498
P36<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Der Beitrag wurde als Vortrag präsentiert (siehe V 47a)<br />
499
P37<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Ableitung von Normwerten für die Adrenalin- und<br />
Noradrenalinkonzentration im Sammelurin während der<br />
Arbeitszeit<br />
Ulrich Bolm-Audorff 1 , Gabriela Petereit-Haack 1 , J. Pilz 2<br />
1 Landesgewerbearzt, Wiesbaden<br />
2 Labor für Stressmonitoring, Göttingen<br />
Einleitung: Die Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Höhe psychischer<br />
Arbeitsbelastungen gehört zu den Aufgaben des Betriebsarztes nach dem<br />
Arbeitssicherheitsgesetz. Üblicherweise werden hierfür standardisierte Fragebögen<br />
eingesetzt. Darüberhinaus wäre die Verwendung objektiver Methoden zur Erfassung der<br />
physiologischen Stressreaktion wünschenswert. Eine Möglichkeit besteht in der<br />
Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin. In einer Vielzahl von<br />
Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Catecholamine Adrenalin und<br />
Noradrenalin bei Beschäftigten mit erhöhten psychischen Arbeitsbelastungen im Harn<br />
vermehrt ausgeschieden werden (Theorell 2000). Normwerte für die Konzentration<br />
dieser Catecholamine während der Arbeitszeit für Beschäftigte in der Bundesrepublik<br />
fehlen jedoch.<br />
Methodik: Bei 190 gesunden, arbeitsfähigen Arbeitnehmern, darunter 62 Frauen und<br />
128 Männer (Alter: 43 ± 11 Jahre), bei denen es sich um eine Zufallsstichprobe der<br />
Erwerbsbevölkerung in den Städten Frankfurt am Main, Wiesbaden und<br />
Hünstetten/Taunus handelte, wurde die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin<br />
im Sammelurin während der Arbeitszeit bestimmt. Bei den untersuchten Probanden<br />
handelte es sich um eine Zufallsstichprobe der Erwerbsbevölkerung, die uns von den<br />
Einwohnermeldeämtern der drei o.g. Städte zur Verfügung gestellt wurde. Die<br />
Teilnahmequote lag bei 72%. Die Analytik von Adrenalin und Noradrenalin im Harn<br />
erfolgte nach Trennung mit Hochdruck-Flüssigkeitschromatografie und Bestimmung mit<br />
Fluoreszenzdetektion. Das Analysenverfahren wurde im Detail von Mitsui et al. (1985)<br />
beschrieben. Bei 99 Probanden wurden die Analysen im Labor des<br />
Landesgewerbearztes in Wiesbaden und bei den übrigen 91 Probanden im Labor für<br />
Stressmonitoring in Göttingen mit vergleichbaren Methoden bestimmt. Beide Labore<br />
haben zum Zeitpunkt der Analytik erfolgreich an einem Ringversuch teilgenommen. Bei<br />
den Probanden wurde der 24-Stunden-Urin in folgenden 6 Fraktionen gesammelt: 1. Teil<br />
der Schicht (in der Regel 4 Stunden von 8-12 h), 2. Teil der Schicht (in der Regel 4<br />
Stunden von 12-16 h), 3. Weg von der Arbeit, 4. Freizeit, 5. Schlaf, 6. Weg zur Arbeit.<br />
Für diese Studie wurden nur die Harnproben 1 und 2 ausgewertet .Als oberer Normwert<br />
für die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin während der<br />
500
P37<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Arbeitszeit wurde das 95%-Perzentil berechnet (Solberg 1987). Ferner wurde das 95%-<br />
Perzentil des Adrenalin/Noradrenalin-Quotienten ermittelt. Die Konzentration der<br />
Catecholamine im Sammelurin wurde sowohl auf die Konzentration von Kreatinin als<br />
auch auf die Sammelperiode bezogen. Ferner wurde bei den Beschäftigten ein<br />
standardisiertes Interview zu psychischen Arbeitsbelastungen durchgeführt, u.a. mit dem<br />
Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse (Semmer et al. 1998)<br />
Ergebnisse: Signifikante Unterschiede zwischen der Catecholaminkonzentration im<br />
Sammelurin in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht fanden sich nicht. Die Ergebnisse<br />
unterschieden sich in den beiden Laboratorien nicht signifikant voneinander. Der Tabelle<br />
ist der obere Normwert für die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin im<br />
Sammelurin sowie des Adrenalin-/Noradrenalinquotienten während des 1. und 2. Teils<br />
der Arbeitsschicht bei Frauen und Männern zu entnehmen. Zwischen psychischen<br />
Arbeitsbelastungen wie Zeitdruck und der Prävalenz eines erhöhten<br />
Adrenalin/Noradrenalin-Quotienten fand sich ein signifikanter Trend (Daten nicht<br />
gezeigt).<br />
Diskussion: Es wird vorgeschlagen, für die Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Höhe<br />
psychischer Arbeitsbelastungen in Zukunft auch in der Praxis des Betriebsarztes die<br />
Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin einzusetzen. Bei<br />
Überschreitung der oberen Normwerte in der Tabelle ist von einer erhöhten psychischen<br />
Arbeitsbelastung der untersuchten Beschäftigten auszugehen, sofern keine relevante<br />
körperliche Arbeitsbelastung besteht. Für die Evaluation psychischer Arbeitsbelastungen<br />
eignet sich nach mehreren Autoren besonders der Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />
(Lehmann et al. 1983, Bolm-Audorff et al. 1986 und 2002), weil die<br />
Adrenalinausscheidung im Harn bei psychischen Arbeitsbelastungen im Gegensatz zu<br />
körperlichen Belastungen stärker ansteigt als die von Noradrenalin. Die Grenzwerte<br />
scheinen geeignet zu sein, psychische Arbeitsbelastungen abzubilden. Hansen et al.<br />
(2001) fanden in einer Untersuchung von 120 Probanden in Dänemark um etwa 60%<br />
niedrigere Normwerte für die Ausscheidung von Adrenalin und Noradrenalin im Harn. Die<br />
Studien sind aus folgenden Gründen jedoch nicht vergleichbar: Bei der Untersuchung<br />
von Hansen et al. (2001) handelt es sich um Normwerte für die Adrenalin- und<br />
Noradrenalin-Konzentration im Spontanurin, während sich unsere Untersuchung auf<br />
Sammelurin bezieht. Letzteres hat den Vorteil, dass sich die Catecholaminkonzentration<br />
auf eine definierte Sammelperiode bezieht, während die Zeit, während der der Harn<br />
sezerniert wurde, bei der Untersuchung von Spontanurinproben unbekannt ist. Die<br />
Untersuchung von Hansen et al. (2001) hat ferner den Nachteil, dass diese ihre<br />
501
P37<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Probanden durch eine öffentliche Werbekampagne fanden, während es sich bei unserer<br />
Untersuchung um eine Zufallstichprobe der Erwerbsbevölkerung nach Angaben des<br />
Einwohnermeldeamtes handelt.<br />
Literatur:<br />
Bolm-Audorff U et al.: Hormonal and cardiovascular variations during a public lecture.<br />
Eur. J. Appl. Physiol. Occup. Physiol. 54; 1986; 669-674<br />
Bolm-Audorf U et al.: Arbeitsmedizinische Untersuchung bei Callcenter-Beschäftigten,<br />
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Hg.): CCall Report 6, Hamburg, 2002<br />
Hansen AM et al.: Reference intervals and variation for urinary epinephrine,<br />
norepinephrine and cortisol in healthy men and women in Denmark. Clin. Chem. Lab.<br />
Med. 39; 2001; 842-849<br />
Lehmann M et al.: Zum Verhalten von Plasma- und Harn-Dopamin, -Noradrenalin und -<br />
Adrenalin bei körperlichen und körperlich-konzentrativen Belastungen. Herz Kreislauf 13;<br />
1983; 94-101<br />
Mitsui A et al.: High-performance liquid chromatography of plasma catecholamines using<br />
1, 2-Diphenylethylenediamine as precolumn flourescence derivatization reagent, J.<br />
Chromatogr. 344; 1985; 61 - 70<br />
Semmer, N K, Zapf, D, Dunckel, H: Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse<br />
(ISTA), In: Dunckel, H (Hg.): Handbuch der Instrumente zur Arbeitsanalyse, Zürich,<br />
Verlag der Fachveieine, Hochschulverlag, 1998<br />
Solberg H E: International federation of flinical fhemistry (IFCC), approved<br />
recommendation (1986) on the theory of reference values, part 1. The concept of<br />
reference values. J. Clin. Chem. Clin. Biochem. 25; 1987; 337-342<br />
Theorell T: Neuroendocrine mechanisms, In: Schnall, PL. et al. (eds.): The workplace<br />
and cardiovascular disease, Philadelphia, Hanley and Belfus, 2000, p.139-146<br />
Obere Normwerte der Catecholaminkonzentration im Sammelurin<br />
Catecholamin<br />
Oberer Normwert<br />
1. Schichthälfte 2. Schichthälfte<br />
Adrenalin (ng/min.) 21,72 28,89<br />
Adrenalin (µg/g Kreatinin) 25,82 23,39<br />
Noradrenalin (ng/min) 64,07 85,03<br />
Noradrenalin (µg/g Kreatinin) 103,50 96,51<br />
Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />
[(ng/min) / (ng/min)]<br />
Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />
[(µg/g Kreatinin) / (µg/g Kreatinin)]<br />
0,78 0,71<br />
0,77 0,70<br />
502
P38<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Katecholaminausscheidung im Urin bei Motorradfahrern in<br />
Abhängigkeit vom Stresstypus<br />
Thomas Rebe, Susanne Netz-Piepenbrink, Uwe Johansson, Michael Bader, Renate Wrbitzky<br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Fragestellung/ Ziel der Studie<br />
Katecholaminausscheidungen ändern sich bei körperlichen und konzentrativen<br />
Belastungen. Da beim Motorradfahren die konzentrativen Belastungen stark durch den<br />
eigenen Fahrstil bestimmt werden, wurde der Frage nachgegangen, wie sich die<br />
Urinkatecholaminausscheidung in Abhängigkeit vom Stresstypus bzw. dem<br />
arbeitsplatzbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) verhält.<br />
Methoden:<br />
Im Rahmen eines freiwilligen Motorraddauerfahrtests wurde ein Motorrad pro Tag von<br />
einem Fahrer für mindestens 1000 km getestet, insgesamt wurden an 79 Fahrtagen<br />
mehr als 100.000 km gefahren. Vor Fahrtbeginn wurde von allen Fahrern mittels AVEM<br />
der Stresstypus festgestellt. Am Fahrtag wurde ein 24-Stunden Urinprofil von den<br />
Fahrern asserviert. Die darin enthaltenen Katecholamine Noradrenalin (NA), Adrenalin<br />
(A) und Dopamin (D) mittels HPLC mit photometrischem Detektor analysiert.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Trendzuordnung des Stresstypus mittels AVEM zeigte die häufigste Zuordnung für<br />
Muster S (Schonungstendenz, n=20 ), gefolgt vom Muster G (Gesundheitsmuster, n=10).<br />
Risikomuster B (Resignation, n=7) und Risikomuster A (Selbstüberforderung, n=2 kamen<br />
seltener vor. Zwischen Freizeit und Fahrzeit stiegen die Katecholamine NA und A ca. um<br />
den Faktor 1,7 an, die Dopaminwerte blieben konstant. Innerhalb der unterschiedlichen<br />
Stresstypusgruppen zeigten die Katecholaminwerte in der Freizeit annähernd gleiche<br />
Ausgangskonzentrationen. Hinsichtlich der Höhe des Anstiegs der Katecholamine<br />
ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der einzelnen<br />
Stresstypusgruppe, allerdings ergaben sich Hinweise darauf, dass der Anstieg für<br />
Adrenalin bei den Stresstypen mit Risikomuster A deutlich höher war.<br />
503
P38<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Adrenalinausscheidung im Urin<br />
µg/g<br />
=Freizeit<br />
=Fahrzeit<br />
Stresstypus Muster G S A B<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Während der Motorradfahrt kommt es zu einem signifikanten Anstieg der<br />
Katecholaminausscheidung im Urin. Dieser Anstieg ist offenbar bei Personen mit<br />
Risikomuster A (Selbstüberforderung) für Adrenalin stärker ausgeprägt. Es sollten<br />
weitere Untersuchungen folgen, in denen der Frage nachgegangen wird, ob die<br />
Katecholaminausscheidungen vom Stresstypus abhängig sind und somit stresspräventiv<br />
genutzt werden können.<br />
504
P39<br />
9<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Berufspendeln und Fehlzeiten, Fehlen Fernpendler häufiger auf<br />
der Arbeit?<br />
Dorothea Nitsche, Heiko Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
Zusammenfassung<br />
In der vorliegenden Arbeit wird der Belastungsfaktor „Entfernung Arbeits-/ Wohnort“ und<br />
seine Einflussnahme auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz von<br />
Fernpendlern im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern untersucht. Unter Berücksichtigung<br />
des Alters, des Geschlechts und dem höchsten Schulabschluss wird seine ungünstige<br />
Wirkung anhand erhöhter Fehlzeiten bei Fernpendlern deutlich – eine<br />
arbeitsmedizinische Relevanz liegt vor.<br />
Ziel der Studie<br />
In Deutschland pendeln viele erwerbstätige Männer und Frauen regelmäßig zwischen<br />
Wohn- und Arbeitsort. Nach Angaben des Mikrozensus 2004 stuften sich 30,3 Millionen<br />
Erwerbstätige als Berufspendler ein, darunter 5%, die mindestens 50 Kilometer<br />
einfachen Weg zur Arbeit fahren (Statistisches Bundesamt 2005). Die Frage nach der<br />
räumlichen Mobilität von Arbeitnehmern tritt gegenwärtig immer deutlicher hervor.<br />
Negative Beanspruchungsfolgen von langen Anfahrtszeiten wurden mehrfach<br />
beschrieben (Häfner et al. 2001, 2007). Gesundheitliche Beschwerden konnten bei<br />
Pendlern signifikant häufiger nachgewiesen werden als bei Nicht-Pendlern (Costa et al.<br />
1988). Nur wenige Untersuchungen haben sich bislang in Deutschland mit dem<br />
Belastungsfaktor „Entfernung Arbeits-/ Wohnort“ und seinen Auswirkungen auf<br />
Fehlzeiten am Arbeitsplatz befasst. Um diese Lücke zu schließen, wurde in der<br />
vorliegenden Untersuchung gezielt geprüft, ob Unterschiede bezüglich<br />
krankheitsbedingten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz von Fernpendlern im Vergleich zu<br />
Nicht- Fernpendlern vorliegen.<br />
Methoden<br />
Grundlagen der durchgeführten Sekundärdatensatzanalyse waren die Wellen 21 und 22<br />
(2003 und 2004) des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer repräsentativen<br />
Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland. Als Fernpendler wurden<br />
Personen definiert, die täglich für den einfachen Arbeitsweg eine Stunde oder länger<br />
benötigten („Zeitkonzept“). Vollzeiterwerbstätige, die im Jahr 2003 Fernpendler waren<br />
(N=708), wurden auf die im Jahr 2004 berichteten Fehlzeiten für das Jahr 2003<br />
untersucht. Vergleichsgruppe waren vollzeiterwerbstätige Nicht-Fernpendler (N=8297).<br />
Als Zielgrößen wurden a) die Anzahl der Fehltage und b) Krankmeldungen von über 6<br />
Wochen im Jahr 2003 untersucht. Bivariable Gruppenunterschiede wurde mit den<br />
statistischen Signifikanztests U-Test bzw. Chi²-Test geprüft. Multivariable Analysen<br />
505
P39 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
9<br />
wurden mit dem binär logistischen Regressionsmodell mit Adjustierung nach Geschlecht,<br />
Alter und formaler Schulbildung geführt. Adjustierte Odds Ratios (aOR) wurden<br />
errechnet. Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt, wobei das<br />
Signifikanzniveau mit α = 0,05 definiert wurde.<br />
Ergebnisse<br />
Die untersuchten vollzeitbeschäftigten Fernpendler und Nicht- Fernpendler<br />
unterschieden sich in den soziodemografischen Variablen Alter, Geschlecht und<br />
höchstem Schulabschluss wie in Tabelle 1 angegeben. Lag bei den Fernpendlern die<br />
durchschnittliche einfache Fahrzeit bei rund 75 Minuten (SD=24,9), hatten die Nicht-<br />
Fernpendler, die eine genaue Fahrzeit angaben, eine durchschnittliche Fahrzeit von rund<br />
21 Minuten (SD=12,1; N= 6951).<br />
Hatten 6,4% der Fernpendler im Jahr 2003 mindestens einmal eine Krankmeldung von<br />
über 6 Wochen, trifft dies nur auf 4,7% der Nicht-Fernpendler zu (aOR=1,37; p=0,055).<br />
Eine leichte Zunahme des Effektes ist nach Adjustierung zu beobachten (aOR= 1,50;<br />
p=0,016).<br />
Die durchschnittliche Anzahl der Krankheitstage im Jahr lag für Fernpendler bei 10,9 und<br />
für die übrigen Vollzeiterwerbstätigen bei 8,8 Tagen (p=0,039). Adjustiert nach<br />
Geschlecht, Alter und höchstem Schulabschluss erhöht sich die Differenz von 2,1 auf 2,6<br />
Fehltage (p=0,015).<br />
Tabelle 1: Soziodemografische Variablen bei vollzeitbeschäftigten Fernpendlern und Nicht-<br />
Fernpendlern<br />
Fernpendler Nicht- Fernpendler Signifikanz<br />
N=708 N=8297<br />
Alter (in Jahren) 42,3 42,2 p=0,657<br />
Geschlecht (%)<br />
Männer 72,3 67,2<br />
Frauen 27,7 32,8<br />
höchster Schulabschluss<br />
Hauptschule 21,8 27,3<br />
Realschule 31,2 34,2<br />
Abitur 40,5 30,5<br />
Sonstige 6,5 8,0<br />
Quelle: SOEP, Welle 21 (2003), eigene Berechnungen<br />
p=0,005<br />
p
P39 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
9<br />
nehmen die Unterschiede zu und werden deutlich signifikant. Aufgrund der<br />
arbeitsmedizinischen und volkswirtschaftlichen Relevanz der Thematik sind zukünftige<br />
Untersuchungen, auch mit größeren Fallzahlen, sowie eine Differenzierung der Gruppe<br />
der Fernpendler nach weiteren Faktoren, wie der Art des Transportmittels und der<br />
Umsteigehäufigkeit, erforderlich.<br />
Literatur<br />
1. Costa G, Pickup L, Dimarino V. Commuting – a further stress factor for working<br />
people, evidence from the European Community. Int Arch Occup Environ Health<br />
1988; 60: 371-376, 377-385.<br />
2. Häfner S, Kächele H, Zipfel S. Immer auf Achse – der gesundheitliche Preis der<br />
Mobilität in einer 24-h- Gesellschaft. Psychother Psych Med 2007; 57:307-8.<br />
3. Häfner S, Kordy H, Kächele H. Psychosozialer Versorgungsbedarf bei<br />
Berufspendlern. Psychother Psychosom med Psychol 2001; 51: T55-T61.<br />
4. Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Leben und Arbeiten in Deutschland –<br />
Ergebnisse des Mikrozensus 2004. Wiesbaden 2005<br />
507
P40<br />
9<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Die Relevanz der Zeit für den Menschen und die Auswirkungen<br />
auf sein Verhältnis zur Arbeit<br />
Detlev Jung 1 , Johannes Jung 2<br />
1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; ZDF Mainz,<br />
Betriebsärztliche Station;<br />
2 stud phil. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz<br />
Einleitung: Erwerbsarbeit wird in der modernen Gesellschaft häufig per se als (negative)<br />
Belastung und Beanspruchung angesehen. Schon die Tatsache, dass Arbeit(szeit)<br />
entlohnt wird, scheint dies zu implizieren. In diesem Zusammenhang müssen die<br />
Tendenzen zur Arbeitszeitverkürzung (35-Stunden-Woche) wie auf der anderen Seite<br />
auch Bestrebungen zur Arbeitsmotivation (Arbeitspsychologie) gesehen werden. Wir<br />
haben Hintergründe dieser Einstellungen zur Arbeit untersucht und Hypothesen hierzu<br />
entwickelt.<br />
Methode: In regelmäßigen Sitzungen wurden Hypothesen zu der historischen<br />
Entwicklung des Verhältnisses des Menschen zur Zeit und daraus folgend zur Arbeit<br />
aufgestellt. Zudem wurde der Stellenwert insbesondere der Erwerbsarbeit bezogen auf<br />
Lebensziele erörtert. Die Hypothesen wurden in den Kontext dieses Thema betreffender<br />
philosophischer, historischer, psychologischer und soziologischer Literatur gestellt.<br />
Ergebnisse:<br />
Hypothese 1: Sind vor der Aufklärung Lebenszeit und Lebensziele im augustinischen<br />
Sinne auf die Ewigkeit (nach dem Ende aller Zeiten) gerichtet (Augustinus), so wird mit<br />
dem Verlust der Ewigkeit in der Aufklärung und Säkularisierung die begrenzte Lebenszeit<br />
dahin ausgerichtet, Lebensziele zu erreichen, die den persönlichen Tod (wenigstens eine<br />
Zeit lang) überdauern (Abb.1). Mit der verbliebenen Lebenszeit wird gegeizt unter der<br />
Fragestellung: „Was dient meinen Lebenszielen?“ (Blumenberg)<br />
Hypothese 2: Die Arbeit nimmt viel von dieser Zeit weg. Durch die zunehmende<br />
Einführung von Lohnarbeit geht ein direkter Sinn der Arbeit verloren, das Ergebnis der<br />
geleisteten Arbeit wird a priori als Lebensziel nur des Arbeitgebers gesehen. Der in der<br />
modernen Gesellschaft gängige Tausch von (potentiell wieder beschaffbarem) Lohn<br />
gegen Arbeits- und damit (nicht wieder beschaffbare) Lebenszeit wird als ein Tausch<br />
ungleicher Qualitäten empfunden.<br />
508
P40 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
9<br />
Diskussion:<br />
Die Hypothesen geben die Möglichkeit einer neuen Perspektive auf das Verhältnis des<br />
Menschen zur Arbeit. Unter dem Aspekt der Änderung des Zeit- und<br />
Arbeitsverständnisses können Aussagen zu Motivation und Bedürfnisbefriedigung, aber<br />
auch zur Entstehung von Arbeitsstress und adäquatem Führungsverhalten neu formuliert<br />
werden.<br />
a) Wird allein der Lohn als Ergebnis der Lohnarbeit gesehen, dann stellt dieser eine<br />
Ressource zum Erreichen von Lebenszielen außerhalb der Arbeit dar. Mit ihm können<br />
dann Defizit- (Nahrung, Sicherheit etc.) sowie Wachstumsbedürfnisse (von<br />
Selbstachtung bis zur Transzendenz) befriedigt werden (Maslow). Die Logik der<br />
(gewerkschaftlichen) Forderung von möglichst viel Lohn für möglichst wenig Arbeitszeit<br />
ist dann evident.<br />
b) Die Arbeit selbst wird als Lebensziel, als Mehrwert für den Arbeitnehmer über den<br />
Lohn hinaus gesehen (conditio humana, Arendt). Wird dieser Aspekt gerade in der<br />
Arbeitslosigkeit unmittelbar evident, so geht er im Alltagstrott des Arbeitslebens leicht<br />
verloren. Hier kommen dem Vorgesetzten wichtige Aufgaben zu. Diese sind,<br />
• zu erkennen, dass sie mit einem durch die Mitarbeiter hoch bewerteten<br />
Gut, nämlich ihrer Lebenszeit, umgehen<br />
• die Einbettung der Arbeitsaufgabe in die gesamte Zielsetzung des<br />
Betriebs transparent zu machen<br />
• das Betriebsziel als ein mögliches Lebensziel näher zu bringen<br />
• zu überzeugen, dass die für den Lohn eingetauschte (Lebens-)zeit optimal<br />
und sinnvoll genutzt (adäquate Aufgabenstellung; adäquate materielle und<br />
personelle Voraussetzungen; Zielorientierung und damit vermehrte<br />
Entscheidungsfreiheit über die investierte Zeit; als gerecht empfundene<br />
Koordination bei Teamarbeit), also nicht verschwendet wird.<br />
Literatur:<br />
Arendt, Hannah. Vita activa oder Vom tätigen Leben. Serie Piper, Band 217. Piper<br />
Verlag München 1981<br />
Augustinus. Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus in der Übersetzung von Otto F.<br />
Lachmann (http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=115%kapitel=1#gb found)<br />
Blumenberg, Hans. Lebenszeit und Weltzeit. Suhrkamp FfM 2001<br />
Maslow, Abraham. H. (1943) A Theory of Human Motivation Originally Published in<br />
Psychological Review, 50, 370-396<br />
509
P40<br />
9<br />
Poster – Schichtarbeit / Stress<br />
Abb. 1: Vor der Aufklärung sind Lebenszeit und Lebensziele im augustinischen Sinne auf die<br />
Ewigkeit (nach dem Ende aller Zeiten) gerichtet (oben). Mit dem Verlust der Ewigkeit in der<br />
Aufklärung und Säkularisierung ist die verbliebene begrenzte Lebenszeit dahin ausgerichtet,<br />
Lebensziele zu erreichen, die den persönlichen Tod (wenigstens eine Zeit lang) überdauern<br />
(unten).<br />
510
P41<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Kann durch individuelle Anpassung von Sicherheitsschuhen die<br />
Akzeptanz verbessert werden?<br />
Elke Ochsmann 1 , Thorsten Kunst 1 , Monika Gube 1 , Alice Müller-Lux 1 , Thomas Kraus 1<br />
1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten müssen bereitgestellte<br />
Sicherheitsschuhe von den Beschäftigten akzeptiert und getragen werden. Das Tragen<br />
von Sicherheitsschuhen wird von den Beschäftigten häufig als unangenehm empfunden<br />
und z.T. auch vermieden. Um die Akzeptanz von Sicherheitsschuhen bei Beschäftigten<br />
zu erhöhen, führten wir eine Interventionsstudie mit individuell angepassten<br />
Sicherheitsschuhen durch.<br />
Methode:<br />
273 Beschäftigte (261 Männer, Alter: 42.56 ± 8.48 Jahre) nahmen teil und wurden per<br />
Fragebogen über ihre derzeit verwendeten Sicherheitsschuhe befragt und orthopädisch<br />
untersucht. Fuß-Vermessungen wurden durchgeführt (Mondopoint-System) und es<br />
wurde ein individueller Schuhpass ausgestellt, der die Auswahl eines geeigneten<br />
Sicherheitsschuhs gewährleisten sollte. Dann wurden Messergebnisse,<br />
Untersuchungsergebnisse, als auch die Fragebogenergebnisse herangezogen, um den<br />
individuell bestmöglichen Sicherheitsschuh für einen Beschäftigten zu identifizieren. Alle<br />
Beschäftigten wurden mit den neuen Schuhen ausgestattet, trugen diese für sechs<br />
Monate und wurden dann nochmals per Fragebogen befragt. Eine bivariate Analyse (alte<br />
vs. neue Schuhe) wurde durchgeführt (Chi²-Test).<br />
Ergebnis:<br />
Bei den Teilnehmern handelte es sich überwiegend um Männer (261 Männer, Alter:<br />
42.56 ± 8.48 Jahre), die in verschiedenen Betrieben tätig waren (Produktion von<br />
Spinndüsen und Präzisionsteilen, Produktion von Viskosefilamenten,<br />
Industrieinstandhaltung und technische Serviceleistungen, Produktion von<br />
Kohlenstofffasern, Herstellung von Polyester-Granulat, Energieunternehmen). Eingangs<br />
berichteten 76% der Beschäftigten über Probleme beim Tragen der alten<br />
Sicherheitsschuhe. Mit den neuen Schuhen nahmen die Probleme ab (p
P41<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Passform (p=0,227), Dämpfung (p=0,447) und Luftdurchlässigkeit (p=0,149) wurden<br />
demgegenüber bei den neuen Schuhen nicht besser bewertet als bei den alten.<br />
Diskussion:<br />
Einige Eigenschaften der individuell angepassten neuen Schuhe wurden besser bewertet<br />
als die der alten und könnten damit die Akzeptanz der neuen Sicherheitsschuhe<br />
erhöhen. Allerdings ist unklar, ob die bessere Evaluation der Sicherheitsschuhe<br />
tatsächlich mit den neuen Schuhen zusammenhing oder eher mit der Tatsache, dass die<br />
Beschäftigten den Eindruck gewannen, dass man sich für ihre Probleme interessiert.<br />
Obwohl versucht worden war den individuell besten Schuh auszusuchen, wurden Halt,<br />
Passform und Luftdurchlässigkeit, die im täglichen Gebrauch von Sicherheitsschuhen<br />
entscheidend sind, nicht besser als vorher bewertet. Hier scheint noch<br />
Verbesserungsbedarf gegeben zu sein.<br />
Abb. 1: Fuß-Vermessung*<br />
Abb. 2: Scanner*<br />
Abb. 3: Schuhpaß*<br />
Abbildung 1-3: Fußvermessung und exemplarischer, individueller Schuhpass<br />
Mit freundlicher Unterstützung durch Herrn Giesa, „shoes at work“<br />
512
P42<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Das Event-Videografierungs-System EVS - eine neue Methode<br />
zur Dokumentation der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit<br />
Andreas Glatz 1 , Nadine Nutt 1 , Oliver Kaltheier 1 , Helmut Wallrabenstein 2 , Andreas Bahemann 3 ,<br />
Walter Heipertz 4 , Andreas Weber 1 , Thomas Kraus 5<br />
1 Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabiliation an der Deutschen Sporthochschule Köln<br />
2 ÄD-Regionalverbund Nord, Bundesagentur für Arbeit, Hannover<br />
3 ÄD-Regionalverbund West, Bundesagentur für Arbeit, Düsseldorf<br />
4 Ärztlicher Dienst (Zentrale), Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg<br />
5 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
513
P43<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Replizierbarkeit der Ergebnisse ärztlicher Beurteilung der<br />
arbeitsbezogenen körperlichen Leistungsfähigkeit durch<br />
Einbezug ERGOS-gestützter Befundung<br />
Matthias Mozdzanowski, Andreas Glatz<br />
Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabiliation an der Deutschen Sporthochschule Köln<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
514
P44<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
LWS-Schäden durch Ganzkörpervibrationen: Bedeutung von<br />
Schwellenwert und Expositionsdauer für das Risiko einer<br />
Gesundheitsgefährdung *<br />
Gert Notbohm, Sieglinde Schwarze, Martin Albers<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum, HHU Düsseldorf<br />
Einleitung und Fragestellung<br />
Im Rahmen eines von der DGUV geförderten Forschungsprojektes wurde eine<br />
Reanalyse der epidemiologischen Studie „Ganzkörpervibration“ [1] aus den 1990-er<br />
Jahren durchgeführt. Dabei sollten neue Aspekte der Schwingungsbewertung, wie z. B.<br />
die veränderte Frequenzbewertung nach VDI-2057 [2] oder die Einführung des<br />
Belastungskennwerts Tagesexposition A(8) nach der LärmVibrationsArbSchV [3], auf die<br />
Belastungsdaten der GKV-Studie angewendet werden, um zu prüfen, ob sich neue<br />
Zusammenhänge mit den damals erhobenen medizinischen LWS-Befunden ergeben.<br />
Seinerzeit war ein umfangreiches und qualitativ gutes Datenmaterial an 388 Exponierten<br />
erhoben worden: Gabelstapler-, Lkw- und Erdbaumaschinen-Fahrer mit breit gestreuter,<br />
langjähriger Schwingungsbelastung, die nach standardisierten Vorgaben arbeitsmedizinisch<br />
untersucht sowie zur Absicherung der Diagnosen geröntgt wurden. Erste<br />
Ergebnisse dieser Reanalyse wurden bereits vorgestellt [4].<br />
Methode<br />
Im Wesentlichen wurde die Tagesexposition A(8) als Kennwert der<br />
Schwingungsbelastung in einem gegebenen Tätigkeitszeitraum verwendet. Für jeden<br />
Studienteilnehmer wurde aus den Tätigkeitszeiträumen seines Arbeitslebens eine<br />
Gesamtdosis seiner Schwingungsbelastung errechnet als: D v = A(8) 2 • 221 Arbeitstage/J<br />
• x Jahre.<br />
Von den verschiedenen medizinischen Outcome-Variablen, die in der GKV-Studie<br />
erhoben worden waren, wird hier nur die Diagnose „Lumbalsyndrom“ betrachtet, wie sie<br />
auf der Basis von Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgenbefund gestellt<br />
wurde. Dabei wird eine bereinigte Stichprobe von 315 Personen berücksichtigt, die<br />
mindestens bis ein Jahr nach Expositionsbeginn anamnestisch keinerlei LWS-<br />
Beschwerden angegeben hatten.<br />
Einfluss von Schwellenwerten und Expositionsdauer<br />
Führt man für das Zielkriterium „Lumbalsyndrom“ logistische Regressionen mit der<br />
Tagesexposition A(8) als einzigem Prädiktor durch und verwendet einen in Schritten von<br />
0,01 m/s 2 wachsenden Schwellenwert, so lässt sich am jeweiligen Odds Ratio ablesen,<br />
bei welchem Schwellenwert die beste Vorhersage eines Lumbalsyndroms erfolgt. Für<br />
515
P44<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
diese Stichprobe ergaben sich die aussagekräftigsten Resultate bei Schwellenwerten in<br />
einem Bereich von etwa 0,55 bis 0,65 m/s 2 . Dies stimmt mit schon berichteten<br />
Ergebnissen [4] überein, dass sich bei einem Schwellenwert von 0,63 m/s 2 ein<br />
deutlicherer Unterschied in der Diagnosehäufigkeit von Belasteten und Unbelasteten<br />
zeigt als bei einem Schwellenwert von 0,50 m/s 2 .<br />
Als Nächstes wurde die Bedeutung der Dosis analysiert. In Abb. 1 wird auf Grundlage<br />
des Schwellenwertes für A(8) = 0,63 m/s 2 die prozentuale Häufigkeit der Diagnose<br />
„Lumbalsyndrom“ für vier Belastungsgruppen dargestellt, die sich in der Gesamtdosis der<br />
Schwingungsbelastung unterscheiden:<br />
- linke Gruppe (blau): D v = 0, da nie über A(8) = 0,63 m/s 2 belastet (Referenzgruppe)<br />
- 2. Gruppe (grün): D v < 877,2 Einheiten, entspricht bis zu 10 Jahren über 0,63 m/s 2<br />
belastet<br />
- 3. Gruppe (gelb): D v zwischen 877,2 und 1.414,4 Einheiten (10 bis 16,6 Jahre belastet)<br />
- rechte Gruppe (rot): D v > 1.414,4 Einheiten (entspricht einer Belastungsdauer > 16,6<br />
J.).<br />
Es zeigt sich ein deutlich höheres Lumbalsyndrom-Risiko, wenn der Schwellenwert von<br />
0,63 m/s 2 überschritten wird (PVR MH für die „grüne“ Gruppe: 1,47 (CI 95 : 1,09 / 1,97) und<br />
für die „gelbe“ Gruppe: 1,54 (CI 95 : 1,20 / 2,02)). Ein weiterer deutlicher Risikoanstieg auf<br />
Grund langer Expositionsdauer tritt in der „roten“ Gruppe mit einer Dosis D v > 1.414,4<br />
auf.<br />
Diskussion<br />
Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:<br />
Hinsichtlich der Diagnose „Lumbalsyndrom“ zeigt sich ein deutlicher Risikoanstieg bei<br />
einer Tagesexposition A(8) in einem Bereich von etwa 0,55 bis 0,65 m/s 2 (bezogen auf<br />
den Tätigkeitszeitraum mit der höchsten Belastung).<br />
Vergleicht man Gruppen mit unterschiedlicher Dosis, so zeigt sich mit Überschreitung<br />
des Schwellenwertes A(8) = 0,63 m/s 2 eine deutliche Erhöhung des Lumbalsyndrom-<br />
Risikos. Eine weitere Risikoerhöhung ist ab D v > 1.414 zu beobachten (entspricht 16,6<br />
Jahren mit A(8) = 0,63 m/s 2 oder entsprechend kürzeren Zeiträumen bei höherer<br />
Belastung).<br />
Literatur<br />
1. Schwarze S, Notbohm G, Hartung E, Dupuis H: Epidemiologische Studie „Ganzkörpervibration“.<br />
Sankt Augustin: HVBG 1999<br />
2. VDI 2057, Blatt 1: Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen –<br />
Ganzkörperschwingungen. Berlin: Beuth 2002<br />
3. Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen<br />
(LärmVibrationsArbSchV). Bundesgesetzblatt Jg. 2007 Teil I Nr. 8, Bonn 8.3.2007<br />
516
P44<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
4. Notbohm, G.; Schwarze, S.; Albers, M.: Reanalyse der epidemiologischen Studie<br />
„Ganzkörpervibration“ nach der neuen Lärm-Vibrations-Arbeitsschutz-Verordnung.<br />
<strong>DGAUM</strong> 2008, CD-ROM, V12 pp. 193-197; ISSN 1861-6577; ISBN 978-3-9811784-1-8,<br />
2008<br />
* mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung<br />
ausgeführte Forschungsarbeit<br />
Dosis 0 < 877,2 877,2 -1414,4 > 1414,4<br />
Gruppe<br />
immer 16,6 J mit 0,63<br />
Häufigkeit eines Lumbalsyndrom<br />
80<br />
%<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Lumbalsyndrom<br />
n =<br />
mittl. Alter<br />
35,4<br />
113<br />
38,8J. ± 10,6<br />
52,6<br />
38<br />
38,4J. ± 9,9<br />
55,2<br />
29<br />
39,0J. ± 9,1<br />
71,9<br />
135<br />
44,6J. ± 8,1<br />
0<br />
PVR MH<br />
Ref 1,47 1,54 1,73<br />
CI 95% 1,09/1,97 1,20/2,02 1,19/2,50<br />
Alterskorrigierte PVR MH bezogen auf Dosis 0<br />
Abb. 1: Prävalenz und alterskorrigiertes Risiko eines Lumbalsyndroms in verschiedenen<br />
Dosisgruppen für die Tagesexposition A(8) bei einem Schwellenwert > 0,63 m/s 2<br />
517
P45<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Verteilung der Wirbelsäulen-Belastungsdosis bei Personen mit<br />
und ohne bandscheibenbedingte lumbale Erkrankungen<br />
– Zusatzanalysen zur Deutschen Wirbelsäulenstudie –<br />
Matthias Jäger 1 , Jürgen Voß 1 , Annekatrin Bergmann 2 , Ulrich Bolm-Audorff 3 , Rolf Ellegast 4 ,<br />
Joachim Grifka 5 , Martina Michaelis 6 , Andreas Seidler 7 , Alwin Luttmann 1<br />
1<br />
IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
2<br />
IMEBI – Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik und Sektion Arbeitsmedizin,<br />
Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg,<br />
3<br />
Landesgewerbearzt, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und Umwelt,<br />
4<br />
BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,<br />
5<br />
Orthopädische Universitätsklinik Regensburg,<br />
6<br />
FFAS – Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin,<br />
7<br />
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,<br />
Hintergrund – Innerhalb der in den Jahren 2002 bis 2007 durchgeführten „Deutschen<br />
Wirbelsäulenstudie“ (DWS), gefördert von der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, wurde die Hypothese geprüft, ob ein Dosis-Wirkung-Zusammenhang<br />
zwischen beruflichen Belastungen durch Lastenhandhabung und Körperhaltungen<br />
einerseits und bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) im<br />
Sinne der Berufskrankheit 2108 andererseits besteht (Bolm-Audorff et al. 2007, Seidler<br />
et al. 2007). Als multizentrische populationsbezogene Fall-Kontroll-Studie konzipiert,<br />
wurden insgesamt 915 „Fälle” mit lumbalem Prolaps bzw. lumbaler Chondrose und 901<br />
„Kontrollen” aus der Wohnbevölkerung in den Regionen Frankfurt a.M., Freiburg,<br />
Halle/Saale und Regensburg einbezogen. Zur quantitativen Beschreibung der<br />
Lumbalbelastung wurden – auf Basis von Expositionserhebungen der Technischen<br />
Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger beispielsweise zu Körperhaltungen,<br />
Lastmassen und Handhabungsbedingungen (Ellegast et al. 2007) – biomechanische<br />
Simulationsrechnungen für alle dokumentierten, d.h. als typisch angesehenen<br />
Körperhaltungen bzw. Lastenhandhabungen durchgeführt („situative<br />
Wirbelsäulenbelastung”). Unter Berücksichtigung der vorgangsspezifischen Druckkraft<br />
an der lumbosakralen Bandscheibe sowie deren Einwirkungsdauer und Häufigkeit wurde<br />
die „kumulative Wirbelsäulenbelastung” für alle Arbeitsschichten und das Berufsleben<br />
bestimmt (Jäger et al. 2007). Die dabei verwendeten 10 Dosismodelle unterscheiden<br />
sich insbesondere in Hinsicht auf „Mindestwerte” für Rumpfvorneigung, Druckkraft und<br />
Tagesdosis, die bei der Bestimmung der kumulativen Wirbelsäulen-Belastungsdosis als<br />
Kriterium für die Einbeziehung oder Nichtberücksichtigung von Teilbelastungen genutzt<br />
wurden. Trotz jeweils unterschiedlicher Anpassungsgüte der Dosismodelle ergab sich<br />
insgesamt ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der kumulativen<br />
Wirbelsäulenbelastung durch berufliche Lastenhandhabung und Körperhaltungen sowie<br />
der Entwicklung degenerativer LWS-Erkrankungen bei Männern und bei Frauen.<br />
518
P45<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Vorgehensweise – Ausgehend von einem höheren Erkrankungsrisiko für Exponierte<br />
und somit von einem höheren Anteil von Erkrankten in höheren Dosisklassen weisen<br />
Fälle im Durchschnitt höhere Lebensdosiswerte auf. In den hier vorgestellten<br />
„Zusatzanalysen” wurde geprüft, ob sich die Belastungen der 6 Teilkollektive (Fälle mit<br />
Prolaps/Chondrose bzw. Kontrollen, jeweils männlich/weiblich; 1152 Personen mit a<br />
priori definierten Mindestexpositionen, s. Ellegast et al. 2007) hinsichtlich der<br />
Verteilungen der Bandscheibendruckkräfte, der Vorgangsdauer oder deren Kombination<br />
in Form der Dosis der einzelnen Belastungsvorgänge unterscheiden. Dazu wurde ein<br />
kumulatives Dosismodell vorausgesetzt, bei dem annähernd alle erhobenen<br />
Lastenhandhabungen (ab ca. 5 kg, Druckkraft ab 2 kN) und Körperhaltungen (ab ca. 20°<br />
Rumpfvorneigung) bei der Dosisquantifizierung berücksichtigt werden.<br />
Ergebnisse – In den Häufigkeitsverteilungen zur mittleren Anzahl von Vorgängen bis<br />
zur Diagnosestellung bei Fällen bzw. bis zur Expositionserhebung bei Kontrollen lassen<br />
sich weder in Abhängigkeit von der Höhe der Bandscheibendruckkraft noch von der<br />
Dauer der Belastungsvorgänge einheitliche Unterschiede zwischen Fallkollektiven und<br />
korrespondierender Kontrollgruppe dahingehend erkennen, dass die Fallgruppen stets<br />
höhere Werte aufweisen. Deutliche(re) Unterschiede zwischen Fall- und<br />
Kontrollkollektiven ergaben sich jedoch für die Dosisverteilungen in Abhängigkeit von<br />
Druckkraft und Vorgangsdauer.<br />
Abbildung 1 zeigt die kumulative Wirbelsäulen-Belastungsdosis für das Berufsleben in<br />
Abhängigkeit von der Lebensarbeitsdauer bis zur Diagnosestellung (Fälle) bzw.<br />
Expositionserhebung (Kontrollen) für die 6 Untersuchungsgruppen anhand von<br />
Perzentilen (10, 25, 50, 75, 90). Die Diagramme verdeutlichen, dass die<br />
Prolapspatienten im Vergleich zu den Kontrollgruppen des jeweiligen Geschlechts durch<br />
höhere kumulative Wirbelsäulenbelastungen – bei ähnlicher Beschäftigungsdauer –<br />
gekennzeichnet sind (t-Test: signifikant bei Männern; p
P45<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Höherexponierten im Wesentlichen auf eine höhere Intensität üblicher Belastungsformen<br />
wie Körperhaltungen mit Rumpfbeugung und -verdrehung oder das Handhaben von<br />
Lasten zurückgeführt wird.<br />
Literatur<br />
Bolm-Audorff, U., Bergmann, A., Ditchen, D. , Ellegast, R., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J.,<br />
Hofmann, F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Seidler, A.<br />
2007, Zusammenhang zwischen manueller Lastenhandhabung und lumbaler Chondrose –<br />
Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 304-316.<br />
Ellegast, R., Ditchen, D., Bergmann, A., Bolm-Audorff, U., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J.,<br />
Hofmann, F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Seidler, A.<br />
2007, Erhebungen zur beruflichen Wirbelsäulenexposition durch die Technischen<br />
Aufsichtsdienste der UV-Träger im Rahmen der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed.,<br />
57, 251-263.<br />
Jäger, M., Geiß, O., Bergmann, A., Bolm-Audorff, U., Ditchen, D., Ellegast, R., Elsner, G., Grifka,<br />
Haerting, J., Hofmann, F., Linhardt, O., Michaelis, M., Petereit-Haack, G., Seidler, A. & Luttmann,<br />
A. 2007, Biomechanische Analysen zur Belastung der Lendenwirbelsäule innerhalb der<br />
Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 264-276.<br />
Seidler, A., Bergmann, A., Ditchen, D., Ellegast, R., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J., Hofmann,<br />
F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Bolm-Audorff, U.<br />
2007, Zusammenhang zwischen lumbalen Prolapserkrankungen und der kumulativen<br />
Wirbelsäulenbelastung durch Lastenhandhabungen und Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung –<br />
Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 290-303.<br />
Dosis in 10 6 Nh<br />
100<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
Mnner <br />
n P = 224<br />
n C = 113<br />
n K = 288<br />
80<br />
60<br />
40<br />
Frauen<br />
n P = 181<br />
n C = 134<br />
n K = 212<br />
20<br />
20<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60<br />
Arbeitsdauer in Jahren<br />
Arbeitsdauer in Jahren<br />
n P Personen mit Bandscheibenvorfall<br />
(ćProlapsŅ)<br />
n C Personen mit Bandscheibenhhenminderung<br />
(ćChondroseŅ)<br />
n K Kontrollpersonen<br />
90. Perzentil<br />
75. Perzentil<br />
50. Perzentil<br />
25. Perzentil<br />
10. Perzentil<br />
Abbildung 1:<br />
Kumulierte Wirbelsäulen-Belastungsdosis im Berufsleben für Männer und Frauen mit und ohne<br />
bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule in Abhängigkeit der<br />
Lebensarbeitsdauer für Personen mit a priori definierten Mindestexpositionen (Skizzierung der<br />
Verteilungen der Lebensdosis und Lebensarbeitsdauer in den 6 Teilkollektiven anhand von<br />
„Boxplots” mit Perzentilangaben)<br />
520
P46<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Experimentelle Studie zur physischen Beanspruchung beim<br />
Melken unter Berücksichtigung des Melkzeuges und der<br />
Arbeitshöhe<br />
Falk Liebers 1 , Martina Jakob 2 , Sylvia Behrendt 1<br />
1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA<br />
2 Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim e.V.<br />
Problemstellung: Tätigkeiten in der Landwirtschaft sind trotz der Mechanisierung auch<br />
aktuell mit hohen physischen Anforderungen und Einwirkungen verbunden. Melkerinnen<br />
gehören zu den besonders von Arbeitsunfähigkeit betroffenen Berufsgruppen (LIEBERS<br />
und CAFFIER 2006). Ursachen liegen in der Veränderung der Arbeitsbelastung von<br />
Melkern in den letzten Jahren durch die zunehmende Technisierung. Problematisch ist<br />
die reduzierte Aufgabenvielfalt.<br />
Ziel der Studie: Die Laborstudie vergleicht die physischen Anforderungen beim<br />
maschinellen Melken unter verschiedenen ergonomischen Bedingungen. Unterschiedlich<br />
schwere Melkzeuge wurden in unterschiedlichen Arbeitshöhen getestet. Zielsetzung war<br />
die Ableitung ergonomischer Empfehlungen zum Gebrauch von konventionellen<br />
Melkzeugen.<br />
Methodik: Das Projekt ist eine experimentelle Laborstudie. Das Studiendesign wurde<br />
von der Ethikkommission der Charité (Berlin) bestätigt. Der Arbeitsablauf des Anlegens<br />
eines Melkzeuges wurde in einem Labormelkstand simuliert. Der benutzte<br />
Labormelkstand war identisch zu einem 30° Fischgrätenmelkstand, wie er auch in der<br />
Milchproduktion eingesetzt wird. Das Anlegen der Melkzeuge wurde an einem<br />
künstlichen Euter simuliert. Die Arbeitsaufgabe bestand im Anlegen und Abnehmen von<br />
2 unterschiedlichen Melkzeugen (pro Setting mit 15 Wiederholungen je einmal pro<br />
Minute) mit einem Gewicht von 1,2 kg, und 2,4 kg in 3 Arbeitshöhen (15 cm unter, direkt<br />
in und 15 cm über Schulterniveau). Die Abfolge der Tätigkeiten wurde über ein<br />
Blockschema systematisch variiert. Untersucht wurden 6 gesunde Melkerinnen im Alter<br />
zwischen 25 und 39 Jahren. Die statistische Auswertung erfolgte intraindividuell unter<br />
Verwendung des allgemeinen linearen Modells für wiederholte Messungen (GLM-RM).<br />
Die Berechnungen wurden für jedes Outcome unter Berücksichtigung der Faktoren<br />
„Arbeitshöhe“ und „Gewicht des Melkzeuges“ durchgeführt. Falls notwendig, wurden<br />
Konfounder (Alter, BMI, Körperhöhe, Armlänge) berücksichtigt. Folgende Parameter<br />
wurden analysiert: die mittlere Zeitdauer des Anlegens des Melkzeugs, die mittlere<br />
integrierte und auf die individuelle Maximalkraft normierte muskuläre Aktivität (iEMG) von<br />
14 Muskeln der oberen Extremitäten (Handflexoren und –extensoren, M. bizeps, M. delt.<br />
ant. und med., M. trapezius pars med.) und des Rückens (M. erector spinae lumb.), das<br />
subjektive Beanspruchungsempfinden (BORG-Skala), Herzfrequenz und Blutdruck und<br />
die Körperhaltung in den Arbeitsphasen.<br />
521
P46<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
Ergebnisse: Im Mittel dauerte das Anlegen des Melkzeugs 13,75 ±0,92 Sekunden<br />
(MW± SE). Arbeiten mit dem schwereren Melkzeug erforderte im Mittel 0,822 ±0,22 s<br />
bzw. ca. 6% (5,76 ±1,31 s) länger im Vergleich zum leichten Melkzeug. Arbeiten über, in<br />
und unter Schulterniveau dauerte 13,84 s ±0,76 s, 13,34 ±1,04 s bzw. 14,07 ±0,99 s (ns).<br />
Das Anlegen des Melkzeuges erfolgte am schnellsten in Schulerniveau mit einem<br />
leichten Melkzeug (12,69 ±0,89 s) und am langsamsten unter Schulterniveau mit einem<br />
schweren Melkzeug (14,45 ±1,02 s).<br />
Die Beanspruchung wurde subjektiv von den Probandinnen im Mittel mit 11,94 ±0,45<br />
bewertet (BORG Skale “leicht bis etwas anstrengend”). Die subjektive Beanspruchung<br />
war deutlich höher beim Gebrauch des schweren Melkzeugs (13,06 ±0,56 „etwas<br />
anstrengend“ vs. 10,81 ±0,41 “leicht bzw. sehr leicht”). Am günstigsten wurde das<br />
Arbeiten in Schulterniveau mit einem leichten Melkzeug empfunden (BORG 9,45 ±0,63<br />
“sehr leicht”), am ungünstigsten das Arbeiten unter Schulterniveau mit einem schweren<br />
Melkzeug (BORG 14,08 ±0,41 „etwas anstrengend bis anstrengend“).<br />
Unabhängig von Arbeitshöhe und Schwere des Melkzeuges lag die muskuläre Aktivität<br />
beim Anlegen des Melkzeugs zwischen 5 und 25% der individuellen Maximalkraft. Das<br />
Arbeiten über Schulterniveau (Abb. 1) bedingte auf beiden Körperseiten deutlich erhöhte<br />
Muskelaktivitäten im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur. Anlegen des<br />
Melkzeugs unter Schulterniveau führte zu erhöhten Muskelbeanspruchungen im Bereich<br />
der Flexoren des Armes (M. bizeps) und der Flexoren des linken Unterarmes (M.<br />
digitorim superf. links). Das Benutzen des schwereren Melkzeugs (2,4 kg) war mit einer<br />
um 5% bis 20 % höheren Muskelaktivität in nahezu allen Muskeln verbunden. Eine<br />
ähnliche Tendenz (nicht signifikant), fand sich im M. extensor dig. und M. erector spinae<br />
lumbalis links. Insgesamt wurden die niedrigsten muskulären Aktivitäten beim Melken in<br />
Schulterniveau mit einem leichten Melkzeug beobachtet. Isometrischen<br />
Testkontraktionen der Hand bei 40% der Maximalkraft zeigten einen verstärkten Abfall<br />
der Medianfrequenz im EMG-Powerspektrum in der linken Unterarmmuskulatur nach<br />
dem Arbeiten mit dem schwereren Melkzeug.<br />
Wir fanden keine statistisch relevanten Unterschiede in Herzfrequenz und Blutdruck<br />
zwischen den 6 Arbeitsaufgaben und nur einen geringfügigen Anstieg im Vergleich zu<br />
den Ruhebedingungen (leichte körperliche Arbeit).<br />
Zusammenfassung: Das Anlegen von konventionellen Melkzeugen erfordert ca. 10 bis<br />
15% der Maximalkraft von Melkerinnen. Die Arbeitsaufgabe führte zu deutlichen<br />
statischen und dynamischen muskulären Beanspruchungen. Arbeiten mit leichten<br />
Melkzeugen in Schulterniveau war mit der geringsten physischen Beanspruchung<br />
verbunden. Dies sollte bei der Gestaltung der Melkstände z.B. durch Einsatz<br />
höhenvariabler Arbeitsbühnen, die Auswahl leichter Melkzeuge und bei Unterweisungen<br />
522
P46<br />
Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />
berücksichtigt werden. Unabhängig davon könnten auch neuere technologische<br />
Lösungen beim Melken (z.B. der Einsatz von Multilaktorsystemen) die<br />
Arbeitsbelastungen der Melkerinnen deutlich reduzieren.<br />
Literatur<br />
LIEBERS F, CAFFIER G: Muskel-Skelett-Erkrankungen in Land- und Forstwirtschaft<br />
sowie Gartenbau – Diagnose- und berufsspezifische Auswertung von<br />
Arbeitsunfähigkeitsdaten. ASU. 41(2006)3: 129<br />
Mittlere relative muskuläre Aktivierung in Bezug auf Arbeitshöhe<br />
n=6 Probanden / MW+-SE / linke Körperseite<br />
mittl. muskuläre Aktivierung individuell normiert<br />
zur mittl. Aktivität aller Arbeitsphasen<br />
140 %<br />
100 %<br />
über Schulterniveau<br />
in Schulterniveau<br />
unter Schulterniveau<br />
(#) (#) # (#)<br />
#<br />
60 %<br />
Unterarm-<br />
Flexoren<br />
Unterarm-<br />
Extensoren<br />
Bizeps Delt. ant. Delt. med. Trapezius Erector<br />
spinae<br />
lumb.<br />
EMG-Lokalisation<br />
Abb. 1: Mittlere muskuläre Aktivierung der Arm-, Nacken und Rückenmuskulatur beim Anlegen<br />
der Melkzeuge in Hinblick auf die Beanspruchung durch die Arbeitshöhe (n=6 Probandinnen,<br />
Darstellung relativ zur mittleren Aktivierung über alle Arbeitsphasen; linke Körperseite;<br />
intraindividueller Vergleich über allgemeines lineares Modell mit Messwertwiederholung:<br />
# p
P47<br />
Poster – Atemwege I<br />
Vergleich von CO- und NO-Diffusionskapazität in verschiedenen<br />
Patientenkollektiven<br />
Alexandra M. Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Marittime Medizin (ZfAM), Hamburg<br />
Hintergrund:<br />
Restriktive Lungenerkrankungen und das Lungenemphysem zeigen als Charakteristikum<br />
eine Reduktion der Diffusionskapazität der Lunge. In der üblicherweise mittels<br />
Kohlenmonoxid (CO) bestimmten Diffusionskapazität geht nicht nur der Membranfaktor<br />
zwischen Alveole und Kapillare ein. Diese Methode weist eine Abhängigkeit vom<br />
Hämoglobin-Gehalt und der kapillären Perfusion auf. Eine neue Methode misst die<br />
Diffusion mit Hilfe des Gases Stickstoffmonoxid (NO) im single-breath-Verfahren.<br />
Aufgrund der viel höheren Bindungsfähigkeit von NO an Hämoglobin sind bei dieser<br />
Messung Hämoglobin-Gehalt und Perfusion zu vernachlässigen. Die Inhalationszeit kann<br />
verkürzt werden, wobei neuere Messungen eine Atemanhaltezeit von 4-5 Sekunden<br />
präferieren.<br />
Methode:<br />
Bei 90 Patienten (Alter (Mittel±SD) 52,2±13,2 J.) unserer arbeitsmedizinischen Poliklinik<br />
erfolgte kombiniert die Bestimmung von D L,CO und D L,NO im single-breath-Verfahren über<br />
fünf Sekunden mit 47 ppm NO. Das Kollektiv wurde anhand der Diagnosen in drei<br />
Gruppen unterteilt: Lungengesunde (n=41; 45,1±11,1 J), obstruktive<br />
Lungenerkrankungen (n=28), (diese Gruppe enthielt vornehmlich leichtere obstruktive<br />
Erkrankungen, jedoch auch zwei Patienten mit Empysem) sowie restriktive<br />
Lungenerkrankungen einschließlich Patienten mit Asbestose und asbestassoziierten<br />
Pleuraplaques (n=21). Neben Anamnese und klinischer Untersuchung führten wir in allen<br />
Fällen eine Spirometrie und Bodyplethysmografie durch. Die Werte der NO-Diffusion<br />
wurden mit der CO-Diffusion nach Diagnosegruppen getrennt als Quotient dargestellt;<br />
diese Verhältnisse wurden mit bereits veröffentlichten Ergebnissen für Lungengesunde<br />
verglichen, außerdem die Absolutwerte und mit bereits bekannten Sollwerten für die NO-<br />
Diffusion (Lee et al., 2007).<br />
Ergebnisse:<br />
Das Verhältnis von D L,NO zu D L,CO betrug für Gesunde 3,88. Verglichen hierzu lag der<br />
Quotient der obstruktiven Patientengruppe mit 4,87 (p
P47<br />
Poster – Atemwege I<br />
D L,CO -Werte der Gesunden unseres Kollektivs zeigten leicht niedrigere Werte mit 84%<br />
der Sollwerte nach Cotes et al., jedoch war diese Minderung zu den Sollwerten in<br />
geringerem Ausmaß festzustellen.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die leicht erhöhten D L,NO –Werte der Patienten mit obstruktiven und restriktiven<br />
Ventilationsstörungen im Vergleich zu den D L,CO –Werten könnten teilweise auf eine<br />
Beeinträchtigung der CO-Diffusion durch eine Minderung der Lungen-Perfusion bei<br />
Obstruktion und Restriktion hinweisen. Obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen<br />
verhalten sich in unserer Untersuchung gleichsinnig (Abb. 1). Die D L,NO -Messung wird<br />
durch eine verminderte Perfusion nicht wesentlich beeinträchtigt und sollte die Diffusion<br />
an der alveolo-kapillären Membran besser widerspiegeln.<br />
Der von uns ermittelte Quotient der D L,NO zu D L,CO der Lungengesunden ist vergleichbar<br />
mit dem von Tamhane et al. (2001) beschriebenen Verhältnis von 3,98. Andere Autoren<br />
fanden höhere Quotienten von 5,0 (Zavorsky et al., 2008), 4,8 (Dressel et al., 2008) und<br />
4,98 (Bauer et al., <strong>2009</strong>) (Tab. 1). Zwischen den verschiedenen Messmethoden<br />
differieren die Kollektive mit z.T. jungen Probanden mit überdurchschnittlichen<br />
Spirometrie-Werten, außerdem die Messzeit von 4,6 bis maximal 16 Sekunden sowie die<br />
Konzentrationen des inhalierten NO.<br />
Normwerte für D L,NO müssen noch an einem größeren Kollektiv definiert werden. Als<br />
standardisierte Messmethode wird eine Atemanhaltezeit von 4 bis 5 Sekunden<br />
vorgeschlagen sowie eine Konzentration von ca. 45 ppm NO.<br />
525
P47<br />
Poster – Atemwege I<br />
Abb1.: Vergleich des Quotienten der NO-Diffusion/ CO-Diffusion in den verschiedenen<br />
Patientengruppen.<br />
Autor D L,NO /<br />
Zeit<br />
Konzen-<br />
Untersuchungs-<br />
D L,CO<br />
(sec)<br />
tration NO<br />
kollektiv<br />
Tamhane et al.,<br />
Chest, 2001<br />
3,98<br />
±0,38<br />
16 40 ppm n=12<br />
23-79 J, VC normal<br />
van der Lee<br />
et al., Resp Med, 2007<br />
w:4,3<br />
m:4,6<br />
10 7-9 ppm n=124<br />
m:65, w:59,<br />
40 J, VC 115%<br />
Zavorsky et al.,<br />
Nitric Oxide, 2008<br />
Dressel et al.,<br />
Chest, 2008<br />
5,0 ca. 5 41 ppm<br />
± 6 ppm<br />
4,6 4,6 45 ppm<br />
± 5 ppm<br />
n=130<br />
m:66, w:64,<br />
18-85 J, VC 104%<br />
n=10<br />
31 J, VC 114%<br />
Bauer et al.,<br />
<strong>DGAUM</strong>, <strong>2009</strong><br />
4,98 NO: 5,1<br />
CO: 9,2<br />
23,7 ppm n=53<br />
25-73 J<br />
Tab 1: Vergleich des Quotienten von D L,NO /D L,CO von Lungengesunden bei verschiedenen<br />
Autoren. Aufgeführt werden außerdem die Luftanhaltezeit im single-breath-Verfahren, die<br />
Konzentration des inhalierten NO sowie Angaben zum untersuchten Kollektiv.<br />
Literatur<br />
1. Tamhane RM, Johnson RL, Hsia J, Hsia C. Pulmonary membrane diffusing capacity<br />
and capillary blood volume measured during exercise from nitric oxide uptake. Chest<br />
2001;120:1850-1856<br />
2. van der Lee I, Zanen P, Stigter N, van den Bosch JM, Lammers JWJ. Diffusing<br />
capacity for nitric oxide: Reference values and dependence on alveolar volume.<br />
Resp Med 2007;101:1579-1584<br />
3. Zavorsky GS, Cao J, Murias JM. Reference values of pulmonary diffusing capacity<br />
for nitric oxide in an adult population. Nitric Oxide 2008;18:70-79<br />
4. Dressel H, Filser L, Fischer R, de la Motte D, Steinhaeusser W, Huber RM, Nowak<br />
D, Jörres RA. Lung diffusing capacity for nitric oxide and carbon monoxide. Chest<br />
2008;133:1149-1154<br />
5. Bauer M, Bayer R, Folgmann I, Hofer O, Kruse S, Laschinski G, Notbohm G, Richter<br />
L, Siegmund K, Schwarze S, Vergleichende Messungen der<br />
Lungendiffusionskapazität mittels Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei<br />
gesunden Nichtrauchern. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für<br />
Arbeitsmedizin und Umweltmedizin in Aachen, <strong>2009</strong><br />
526
P48<br />
Poster – Atemwege I<br />
Untersuchungen zur Anwendbarkeit von exhaliertem Kohlenmonoxid<br />
zwecks Detektion alveolärer Entzündung<br />
Holger Dressel, Philipp Fischer, Dorothea de la Motte, Dennis Nowak, Rudolf A. Jörres<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Einleitung<br />
Sowohl bronchiale Entzündungen, z.B. beim Berufsasthma, als auch alveoläre<br />
Entzündungen, z.B. bei der Exogen Allergischen Alveolitis, spielen in der Arbeitsmedizin<br />
eine wichtige Rolle. Während die Messung des exhalierten Stickstoffmonoxids bei einer<br />
Ausatemrate von 50 mL/s als Indikator einer bronchialen Entzündung gilt, sind<br />
nichtinvasiv bestimmbare Marker einer alveolären Entzündung derzeit nicht etabliert.<br />
Attraktiv wäre die Messung des exhalierten Kohlenmonoxids (CO) als Marker des<br />
oxidativen Stress durch seine Beziehung zur Aktivität des Enzyms Hämoxygenase (1).<br />
Allerdings ist eine derartige Analyse durch die Interferenz mit Carboxyhämoglobin<br />
(COHb) und inhalativen CO-Belastungen erheblich erschwert.<br />
Methoden<br />
Wir prüften, ob durch Messung bei verschiedenen Konzentrationen von COHb<br />
individuelle Kennlinien bestimmt werden können, die durch Extrapolation erlauben, eine<br />
mögliche lokale CO-Produktion der Lunge vom Beitrag von COHb zu separieren. Hierzu<br />
wurde bei 18 Probanden (davon 6 Raucher, 6 Frauen) der Mittelwert aus drei CO-<br />
Messungen in der Ausatemluft mittels eines Infrarotanalysators (Unor 6N, Maihak AG,<br />
Hamburg) bestimmt. Die Messungen erfolgten für jede Person bei verschiedenen Werten<br />
von COHb, die durch Blutgasanalysen aus Kapillarblut ermittelt wurden (ABL 725,<br />
Radiometer GmbH, Copenhagen, Dänemark). Das COHb bei den einzelnen Probanden<br />
wurde durch unterschiedlichen Nikotinkonsum und durch Standard- CO-<br />
Diffusionskapazitätsmessungen (Masterscreen PFT, Viasys Healthcare GmbH,<br />
Höchberg) verändert.<br />
Ergebnisse<br />
Die Beziehung zwischen CO und COHb war linear und wies bei allen Personen praktisch<br />
die gleiche Steigung auf (im Mittel±SD 5,3±1,1 ppm CO pro 1 % COHb), jedoch waren<br />
die Achsenabschnitte verschieden und überwiegend negativ. Daher war in der Regel bei<br />
einer extrapolierten COHb-Konzentration von Null der Wert des exhalierten CO, der als<br />
Indikator einer lokalen CO-Produktion über COHb hinaus hätte gelten können, negativ.<br />
Als Folge fanden sich positive COHb-Werte (Mittel±SD 0,3±0,4 % COHb) bei einer<br />
exhalierten CO-Konzentration von Null. Diese waren nicht mit der Steigung korreliert.<br />
527
P48<br />
Poster – Atemwege I<br />
Schlussfolgerungen<br />
Aufgrund obiger Befunde erscheint es wenig aussichtsvoll, auf diesem Wege eine<br />
mögliche alveoläre CO-Produktion von demjenigen CO zu trennen, das aus dem COHb<br />
des Blutes stammt; alternative Ansätze wie die Messung von Abklingkurven erscheinen<br />
aufgrund des hohen Aufwandes impraktikabel. Ob die positiven<br />
Schwellenkonzentrationen von COHb bei einem CO-Wert von Null eine Information über<br />
die Lungenbelüftung beinhalten, bleibt zu eruieren.<br />
(1) Heme Oxygenase-1. State of the Art. Am J Respir Crit Care Med 2005; 172: 660-70<br />
528
P49<br />
Poster – Atemwege I<br />
Vergleichende Messungen der Lungendiffusionskapazität mittels<br />
Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei gesunden<br />
Nichtrauchern<br />
Marcus Bauer 1 , Rainer Bayer 2 †, Ilse Folgmann 1 , Oliver Hofer 2 , Stephan Kruse 2 , Gerd<br />
Laschinski 2 , Gert Notbohm 1 , Lutz Richter 1 , Klaus Siegmund 1 , Sieglinde Schwarze 1<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
2 Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
Einleitung und Ziel<br />
Die konventionelle CO-Diffusionskapazitätsmessung der Lunge bedeutet für den<br />
Patienten, den Atem bis zu 10 s anzuhalten bei gleichzeitig deutlicher<br />
Grenzwertüberschreitung des eingeatmeten CO. Dahingegen bietet die<br />
Diffusionsmessung mittels NO bei Einhaltung des Grenzwertes die Möglichkeit, die totale<br />
Atemanhaltezeit (TA) deutlich zu verkürzen. Ziel der Untersuchung ist der Vergleich<br />
zwischen der DLCO-Messung bei 8 s Atemanhaltezeit (Diffusionskapazität der Lunge<br />
mittels CO, das per URAS analysiert wird) und der DLNO-Messung (mittels NO) bei 4 s<br />
Atemanhaltezeit.<br />
Methode und Kollektiv<br />
Die DLCO-Messungen (Body Masterlab Jaeger) und die DLNO-Messungen<br />
(MasterScreen PFT mit Resonanzabsorptionsfotometer zur kontinuierlichen Messung<br />
von NO [LIMAS]) wurden dreifach mittels Single-Breath-Methode bei 53 gesunden<br />
Nichtrauchern durchgeführt. Die Gasleitung von den internen Gasanalysatoren für<br />
Helium, Kohlenmonoxid und Sauerstoff des MasterScreen PFT zurück zum<br />
Anmischbeutel wurde verlängert und URAS und LIMAS in Reihe dazugeschaltet.<br />
Hierdurch konnten die Gaskonzentrationen unmittelbar nach dem Manöver und nach der<br />
Analyse im MasterScreen PFT extern ein zweites Mal gemessen werden. Mit Hilfe des<br />
Computerprogrammes LabView wurden die Daten aus dem LIMAS in Echtzeit<br />
aufgezeichnet. Die DLNO-Werte werden berechnet gemäß der Formel von Coburn et al.<br />
[1]. Einverständniserklärungen der Teilnehmer und positives Ethikvotum liegen vor.<br />
Ergebnisse<br />
Das Alter der 53 Teilnehmer variiert zwischen 24,7 und 72,9 Jahren (MW 49,9; s 15,3).<br />
Die Lungendiffusionskapazität mittels CO bei 8 s Atemanhaltezeit beträgt im Mittel 10,16<br />
mmol/min/kPa (s 2,04) und liegt damit 4 % unter dem Sollwert nach Quanjer [2]. Der<br />
Mittelwert der Lungendiffusionskapazitäts-Messungen mittels NO bei einer verkürzten<br />
Atemanhaltezeit von 4 s beträgt 50,56 mmol/min/kPa (s 10,46). Die Korrelation zwischen<br />
den DLCO-Werten bei 8 s und den DLNO-Werten bei 4 s ist sehr hoch (r = 0,92; p <<br />
529
P49<br />
Poster – Atemwege I<br />
0,001). Die Regressionsanalyse bestätigt den linearen Zusammenhang und liefert<br />
folgende Gleichung:<br />
DLNO 4s = 2,383 + 4,740 * DLCO 8s (R² = 0,854; p < 0,001)<br />
DLCO bei TA 4 s (MW [mmol/kPa/min])<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
r = 0,92 p < 0,001<br />
R² = 0,854<br />
Verhältnis der beiden Methoden (DLNO / DLCO)<br />
6,5<br />
6,0<br />
5,5<br />
5,0<br />
4,5<br />
MW 4,98<br />
s 0,40<br />
MW + 1,96 * s<br />
MW<br />
6<br />
20<br />
30<br />
40<br />
50<br />
60<br />
DLNO bei TA 4 s (MW [mmol/kPa/min])<br />
70<br />
80<br />
4,0<br />
MW - 1,96 * s<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40<br />
50<br />
Mittelwerte der beiden Methoden (DLNO + DLCO) / 2 [mmol/min/kPa]<br />
Abb. 1<br />
Zusammenhang zwischen mittlerer CO- und NO-Diffusionskapazität der 53 Teilnehmer bei Atemanhaltezeiten<br />
von 8 s (DLCO8s) und 4 s (DLNO4s) in mmol/kPa/min: Korrelation mit Regressionsgerade (lks.)<br />
und Bland-Altman-Plot (re.)<br />
Bedingt durch die individuell unterschiedlichen Reaktionszeiten der Probanden konnten<br />
die voreingestellten Atemanhaltezeiten nicht ganz eingehalten werden. So betrug die<br />
mittlere TA 9,2 s bei DLCO mit eingestellter TA von 8 s, und die mittlere TA betrug 5,1 s<br />
bei DLNO mit eingestellter TA von 4 s. Neben dieser deutlichen Verkürzung der<br />
Atemanhaltezeit konnte auch durch die mittlere eingeatmete NO-Konzentration von<br />
23,74 ppm ein Bereich erreicht werden, der den ehemaligen MAK-Wert und die meisten<br />
europäischen Grenzwerte unterschreitet.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Durch die besseren Diffusionseigenschaften von NO gegenüber CO in Form einer<br />
wesentlich schnelleren Diffusion des Gases über Alveolar-, Basal- und Kapillarmembran<br />
in das Blut ist es möglich, die Atemanhaltezeit (TA) bei Versuchen mit NO zu senken.<br />
Die Korrelation zwischen den DLCO-Werten bei 8 s und den DLNO-Werten bei 4 s ist bei<br />
den untersuchten lungengesunden Nichtrauchern sehr hoch und zeigt, dass das DLNO-<br />
Verfahren eine gute Alternative zur DLCO darstellt. Der Quotient aus DLNO 4s /DLCO 8s<br />
beträgt im Mittel 4,98 und ist vergleichbar mit anderen Untersuchungen (u.a. Guenard et<br />
al. [3], Zavorsky et al. [4]). Die Atemanhaltezeit bei der DLNO-Methode ist jetzt auf fast 4<br />
s verkürzt, d.h. auf beinahe die Hälfte im Vergleich zur DLCO-Methode bei gleichzeitiger<br />
Einhaltung des ehemaligen MAK-Wertes für Stickstoffmonoxid von 25 ppm, sogar für die<br />
bei der Untersuchung nur kurze Expositionszeit. Durch die kurze Atemanhaltezeit und<br />
die geringe Gaskonzentration ist insbesondere für Patienten mit eingeschränkter<br />
Lungenfunktion und Dyspnoe ein Benefit von dieser neuen Methode zu erwarten.<br />
530
P49<br />
Poster – Atemwege I<br />
Literatur<br />
[1] Coburn RF, Forster RE, Kane PB: Considerations of the Physiological Variables<br />
That Determine the Blood Carboxyhemoglobin Concentration in Man. J Clinical<br />
Invest 1965; 44: 1899-1910<br />
[2] Quanjer PH, Tammeling GJ, Cotes JE, Pedersen OF, Peslin R, Yernault JC: Lung<br />
volumes and forced ventilatory flows. Report working party standardization of lung<br />
function tests European Community for Steel and Coal. Official statement of the<br />
European Respiratory Society. Eur Respir J 1993; 6 Suppl 16: 5-40<br />
[3] Guenard H, Varene N, Vaida P: Determination of lung capillary blood volume and<br />
membrane diffusing capacity in man by the measurements of NO and CO<br />
transfer. Respir Physiol 1987; 70: 113-120<br />
[4] Zavorsky GS, Quiron KB, Massarelli PS, Lands LC: The Relationship between<br />
single-breath diffusion capacity of the lung for nitric oxide and carbon monoxide<br />
during various exercise intensities. Chest 2004; 125: 1019-1027<br />
Projekt wurde gefördert aus Mitteln der DGUV (ehemals HVBG)<br />
531
P50<br />
Poster – Atemwege I<br />
Änderung der Stickstoffmonoxid-Konzentration (NO) in den<br />
Atemwegen der Raucher<br />
Lioubov Barbinova, Alexandra M. Preisser, Xaver Bauer<br />
Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />
Einleitung<br />
Rauchen ist ein Confounder in Bezug auf verschiedene Lungenerkrankungen. Es ist<br />
auch mit einer Abnahme der exhalierten NO-Konzentration (FeNO) verbunden, ohne<br />
dass bisher die Lokalisation dieser Veränderung bekannt ist. Um die Prozesse der<br />
Produktion von NO in der Lunge besser zu verstehen, bestimmten wir nach einer neuen<br />
differenziellen Methode FeNO-Parameter in verschiedenen Atemwegsabschnitten von 32<br />
Nicht-Rauchern und 30 Rauchern ohne Lungenerkrankungen.<br />
Methoden<br />
Entsprechend der ATS/ERS-Empfehlungen führten wir eine differenzielle<br />
FeNO-Messung mit 5 verschiedenen Flussraten (20, 50, 100, 200, 300 ml/s) durch.<br />
Anhand der Gleichungen des zwei Kompartimenten-Modells berechneten wir jeweils C aw<br />
(bronchiale NO-Konzentrationen), C alv (alveoläre NO-Konzentration), D awNO (NO-<br />
Transferfaktor) und Jaw (NO-Strömung aus der bronchialen Wand). Die Korrelationen<br />
zwischen den verschiedenen Parametern wurden statistisch ermittelt.<br />
Ergebnisse<br />
Raucher zeigen eine signifikant niedrigere C aw als Nichtraucher (59,1 ± 11,4 vs. 96,7 ±<br />
15,1 ppb; p
P50<br />
Poster – Atemwege I<br />
800<br />
*<br />
700<br />
600<br />
Nichtraucher<br />
Raucher<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
***<br />
100<br />
0<br />
C (ppb )<br />
aw<br />
Abb. 1. Vergleich von C und J bei Nichtrauchern und Rauchern<br />
aw aw<br />
J (pl/s)<br />
aw<br />
Schlussfolgerungen<br />
Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Raucher eine signifikant verminderte Produktion<br />
von NO im bronchialen Epithel aufweisen. Unerwarterweise haben Raucher, die generell<br />
verminderte integrative FeNO-Werte aufweisen, eine höhere C alv .<br />
Bemerkenswert sind auch ihre veränderten Relationen der einzelnen NO-Parameter<br />
zueinander. Der erhöhte D awNO der Raucher kann durch eine starke negative Korrelation<br />
zwischen D awNO und C aw (r Sp = - 0.64; p
P51<br />
Poster – Atemwege I<br />
Serumspiegel von sCD95 bei ehemals Beschäftigten im<br />
Steinkohlenbergbau<br />
Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Jana Henry, Gerda Borowitzki, Rolf Merget, Jürgen<br />
Bünger, Thomas Brüning<br />
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Die Inhalation quarzhaltiger Stäube kann zu chronischen Entzündungs- und<br />
Bindegewebsreaktionen der Lunge führen. Nach Inhalation von Kohlenstaub und<br />
Siliziumkristallen kommt es in unterschiedlicher Ausprägung zur Fibrose der Lunge, die<br />
einen lokal knotigen Charakter aufweist und auch nach Expositionsende manifest<br />
werden bzw. weiter fortschreiten kann. Ferner werden systemischen Veränderungen mit<br />
Autoimmunphänomenen beobachtet. Beschrieben sind die rheumatoide Arthritis<br />
(Kaplan-Syndrom), der systemische Lupus erythematodes oder die systemische<br />
Sklerose [1]. Kenntnisse zu Ursachen der unterschiedlichen pulmonalen sowie<br />
systemischen Ausprägung sind bislang unvollständig. Neben differierenden<br />
Expositionsbedingungen sind in erster Linie die pulmonalen Abwehrmechanismen zu<br />
diskutieren. Nach der Deposition in der Lunge findet eine Interaktion zunächst zwischen<br />
den Partikeln und den Epithelzellen sowie ortsständigen Alveolarmakrophagen statt.<br />
Prinzipiell können Silikapartikel über drei Mechanismen zu einer Gewebsreaktion führen.<br />
Es kann zur Nekrose der Lungenzellen kommen, zur Freisetzung von Botenstoffen aus<br />
phagozytierenden Zellen oder zur Anlockung weiterer Zellen, die dann eine<br />
Gewebeschädigung verursachen [2].<br />
Die Regulation des Zellumsatzes pulmonaler Epithelzellen und inflammatorischer Zellen<br />
wird dabei maßgeblich durch den Mechanismus der Apoptose bestimmt, wobei dem<br />
Fas/APO1 (CD95)- Fas ligand (FasL) Signaltransduktionsweg eine Schlüsselrolle in der<br />
Aktivierung und damit der Regulationen der Apoptose zugesprochen wird [3]. Lösliches<br />
Fas (sCD95) ist ein Produkt des alternativen mRNA Splicing-Prozesses und kann die<br />
Fas/FasL getriggerte Apoptose kompetitiv hemmen.<br />
Methoden<br />
In dieser Studie wurden sCD95-Konzentrationen im Serum von ehemals Quarzstaub-<br />
Exponierten radiologischen Lungenveränderungen gegenübergestellt. Es wurden 55<br />
Männer mit bekannter Quarzstaubexposition (Kohlenbergbau) untersucht, die sich zur<br />
Begutachtung im BGFA vorstellten. Personen mit Autoimmunerkrankung, Malignom oder<br />
Lungenstauung wurden ausgeschlossen. Die Diagnose einer Quarzstaublungenerkrankung<br />
(Silikose) wurde mittels Klassifikation des Röntgen-Thorax nach ILO 2000 gestellt.<br />
Bei einem radiologischen Streuungsgrad von mind. 1/1 ist die Diagnose einer Silikose<br />
534
P51<br />
Poster – Atemwege I<br />
mit ausreichender Spezifität zu stellen. Die Bestimmung des sCD95 im Serum erfolgte<br />
durch einen Sandwich-ELISA (Bender MedSystems Wien); die statistische Analyse unter<br />
Verwendung des t-Testes für verbundene Stichproben (GraphPad Prism Version 5.01).<br />
Ergebnisse<br />
Entsprechend der ILO Klassifizierung konnte bei 34 der 55 Personen radiologisch eine<br />
Silikose gesichert werden. Es gab keine signifikanten Altersunterschiede der Gruppen<br />
ohne bzw. mit Silikose (75 (67-79) vs. 75 (69-79) LJ; Median mit Interquartilsabstand). In<br />
allen Serumproben war sCD95 nachweisbar, jedoch in signifikant höherer Konzentration<br />
bei den Personen mit radiologischem Nachweis einer Silikose (914 (752-1251) vs. 632<br />
(509-804) pg/mL; p < 0,001) (Abb. 1).<br />
[pg/mL]<br />
3000<br />
p < 0,001<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
Gesunde/ CBE<br />
(ILO < 1/1)<br />
Silikose<br />
(ILO ≥ 1/1)<br />
Abb. 1: Silikoseausprägung und sCD95 Serumkonzentration<br />
In der weiteren Stratifizierung der Silikosegruppe nach ILO-Schweregrad ließen sich<br />
keine Unterschiede der sCD95-Konzentrationen belegen: ILO-1 (n=14): 934 (723-1304);<br />
ILO-2 (n=15): 857 (739-1555) bzw. ILO-3 (n=5): 983 (807-1478) pg/mL.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Untersuchung zeigt, dass der Nachweis einer Silikose bei ehemals Beschäftigen im<br />
Steinkohlenbergbau mit signifikant höheren sCD95 Konzentrationen im Serum<br />
einhergeht. Eine Korrelation der sCD95 Konzentration mit dem Schweregrad der<br />
radiologischen Veränderungen war nicht nachweisbar. Erhöhungen der sCD95–<br />
Konzentrationen können möglicherweise auf die Entwicklung einer Pneumokoniose<br />
hinweisen. Inwieweit dieses Ergebnis hilfreich für die Beurteilung der individuellen<br />
Progredienz sein kein, bedarf weiterer prospektiver Untersuchungen.<br />
535
P51<br />
Poster – Atemwege I<br />
Literatur<br />
1. Steenland K, Goldsmith DF. Silica exposure and autoimmune diseases. Am J Ind<br />
Med. 1995; 28: 603-608.<br />
2. Mossman BT, Churg A.Mechanisms in the pathogenesis of asbestosis and silicosis.<br />
Am J Respir Crit Care Med. 1998;157:1666-80.<br />
3. Otsuki T, Miura Y, Nishimura Y, et al. Alterations of Fas and Fas-related molecules<br />
in patients with silicosis. Exp. Biol. Med. 2006; 231: 522-533.<br />
536
P52<br />
Poster – Atemwege II<br />
Einfluss des Kondensatortyps auf die Nachweisbarkeit von<br />
Biomarkern im Atemkondensat<br />
Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Volker Harth, Jürgen Bünger, Rolf Merget, Thomas<br />
Brüning<br />
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Zahlreiche umwelt- und berufsbedingte Schadstoffe können nach ihrer Inhalation<br />
entzündliche Prozesse der Atemwege auslösen. Gegenwärtig werden induziertes<br />
Sputum, Bronchiallavage oder eine durch Bronchoskopie gewonnene Lungenbiopsie für<br />
die direkte Untersuchung von Atemwegsentzündungen herangezogen. Im Gegensatz zu<br />
diesen eingreifenden Methoden ist die Gewinnung von Atemkondensat (exhaled breath<br />
condensate, EBC) eine vollkommen nicht-invasive Methode, die darüber hinaus den<br />
Vorteil hat, den zugrunde liegenden Krankheitsprozess durch die Probengewinnung nicht<br />
zu beeinflussen [1]. EBC ist daher eine ideale Matrix für wiederholte Untersuchungen<br />
von Biomarkern, die den Säure-Basen-Haushalt, oxidativen Stress oder<br />
Entzündungsreaktionen reflektieren. Allerdings sind methodische Limitationen<br />
anzuführen [2]. Die Interpretation der Ergebnisse wird dadurch beeinträchtigt, dass sich<br />
die Sammelsysteme in ihrer Effizienz unterscheiden und die eingesetzten analytischen<br />
Verfahren häufig im Bereich ihrer Nachweisgrenzen arbeiten. Die Zusammensetzung<br />
des Kondensats hängt u. a. wesentlich von der jeweiligen apparativen Ausstattung und<br />
der Kühltemperatur ab [3]. Heutzutage stehen neben einer Reihe von<br />
Eigenanfertigungen auch verschiedene kommerziell erhältliche Sammelgeräte zur<br />
Verfügung. Ziel dieser Studie war, dass der Nachweis von gängigen Biomarkern durch<br />
die Materialeigenschaften der verwendeten Kondensations- und Sammeloberflächen<br />
beeinflusst wird.<br />
Methoden<br />
In dieser Studie wurden Biomarkerprofile und -konzentrationen im EBC unter<br />
Verwendung des EcoScreen2 ® (FILT, Berlin) bestimmt und den mit EcoScreen ®<br />
(Cardinal Health, Hoechberg) erzielten Ergebnissen gegenübergestellt. Beide<br />
Sammelsysteme gewährleisten während der Kondensation eine konstante Temperatur.<br />
Die Oberflächen, auf denen die Kondensation erfolgt und in denen das Kondensat<br />
gesammelt wird, unterscheiden sich allerdings. Beim EcoScreen ® erfolgen die<br />
Kondensation auf einer Teflon-beschichteten Oberfläche und die Sammlung auf<br />
Polypropylen; beim EcoScreen2 ® jeweils auf einer speziellen PE-Kunststofffolie.<br />
Das EBC wurde jeweils während 10 minütiger Ruheatmung bei 24 gesunden Probanden<br />
mit beiden Sammelsystemen (-15 bis -20°C) gesammelt. Die gewonnenen EBC Proben<br />
537
P52<br />
Poster – Atemwege II<br />
(n=48) wurden hinsichtlich Volumen, pH (nach Argon-Behandlung), LTB 4 , PGE 2 , 8-Iso<br />
PGF 2α sowie LTC 4 /D 4 /E 4 (jeweils mit spezifischen Enzymimmunoassay) und Nitrat/Nitrit<br />
(NOx; Griess-Reaktion) analysiert. Die Ergebnisse werden als Median mit den 25-75<br />
Interquartil angeben.<br />
Ergebnisse<br />
Bei Verwendung des EcoScreen2 ® resultierte ein signifikant größeres Volumen (1,45<br />
(1,11-1,95) vs.1,20 (1,00-1,50) mL; p < 0,01) und ein höherer pH Wert (7,43 (7,10-7,69)<br />
vs. 6,95 (6,74-7,13); p < 0,01). NOx war nur in 10 der 24 EcoScreen ® Proben<br />
nachweisbar (8,4 (5,8-10,7) µM).<br />
Abb.1: Qualitative und quantitative Zusammensetzung des EBC bei Verwendung<br />
unterschiedlicher Sammelsysteme<br />
Die Konzentrationen von LTB 4 (22,2 (7,8-36,7) pg/mL) und PGE 2 (184 (74-376) pg/mL)<br />
hingegen lagen nur in den EcoScreen2 ® Proben oberhalb der Nachweisgrenze (17/ 20<br />
bzw. 17/ 24 Proben). 8-Iso PGF 2α war in allen Proben nachweisbar, jedoch signifikant<br />
538
P52<br />
Poster – Atemwege II<br />
höher im EBC des EcoScreen2 ® (371 (128-657) vs. 81 (68-381) pg/mL; p < 0,001).<br />
LTC 4 /D 4 /E 4 war in keiner Probe nachweisbar (Abb.1).<br />
Eine Probenanalyse mit negativem Nachweis eines Biomarkers kann dennoch im Sinne<br />
eines Screenings nützlich sein, da dieses Resultat zumindest eine Konzentration<br />
unterhalb der Nachweisgrenze belegt.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Untersuchung zeigt, dass EcoScreen2 ® eine höhere Effizienz in der Gewinnung von<br />
EBC besitzt. Biomarker des Leukotrien- bzw Prostaglandinstoffwechsels werden<br />
effektiver im Atemkondensat des EcoScreen2 ® angereichert. Bei dem Vergleich<br />
verschiedener Studien sollten neben Einflüssen durch Lagerung und Analyseverfahren<br />
auch die verwendeten Kondensatorsysteme berücksichtigt werden. Dies gilt auch bei der<br />
Validierung von Normwerten einzelner Biomarker.<br />
Literatur<br />
1. Montuschi P. Review: Analysis of exhaled breath condensate in respiratory medicine:<br />
methodological aspects and potential clinical applications. Therapeutic Advances in<br />
Respiratory Disease 2007; 1:5-23.<br />
2. Horvath I, Hunt J, Barnes PJ, et al. Exhaled breath condensate: methodological<br />
recommendations and unresolved questions. Eur Respir J 2005; 26:523-548.<br />
3. Goldoni M, Caglieri A, Andreoli R, et al. Influence of condensation temperature on<br />
selected exhaled breath parameters. BMC Pulm Med 2005; 5:10.<br />
539
P53<br />
Poster – Atemwege II<br />
Polyamid-Faserstäube als Auslöser einer Flockarbeiterlunge<br />
Marcus Oldenburg*, Xaver Baur<br />
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der Freien und Hansestadt Hamburg, Ordinariat für<br />
Arbeitsmedizin der Universität Hamburg<br />
*Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port Health Centers<br />
Einleitung<br />
In den 90er Jahren wurde erstmals unter Beschäftigten in der Flockindustrie eine<br />
Überhäufigkeit Arbeitsplatz-bezogener Atembeschwerden beobachtet. Diese Arbeiter<br />
waren gegenüber Nylonflocken (aliphatischen Polyamiden) über 40mg/m 3 exponiert, die<br />
an den Faserenden elektronenmikroskopisch darstellbare, ca. 1µm durchmessende<br />
„Schwänzchen“ aufwiesen.<br />
Histologisch fand sich unter den Flockarbeitern eine überwiegend unspezifische, nichtgranulomatöse<br />
interstitielle Lungenfibrose, z. T. mit lymphozytärer Bronchiolitis obliterans<br />
und organisierender Pneumonie (BOOP). In diesem Zusammenhang wurde der Begriff<br />
„Flockarbeiterlunge“ geprägt.<br />
Ziel<br />
Im Flugzeugbau entstehen bei der mechanischen Bearbeitung von wabigen Laminaten<br />
faserförmige aromatische Polyamidstäube. Ausgehend von dem Fall eines 56jährigen<br />
Kunststoffgießers soll diskutiert werden, ob auch diese berufsbedingte Belastung zu<br />
einer Flockarbeiterlunge führen kann.<br />
Klinische Befunde<br />
Im vorliegenden Fall traten Ende 2004 nach einer mehr als 20jährigen, zeitweise über<br />
30mg/m 3 hohen Belastung gegenüber Stäuben aromatischer Polyamid-Fasern ein<br />
persistierender, teils produktiver Husten und zunehmende Belastungsdyspnoe auf. Im<br />
April 2005 fand sich radiologisch „eine fortgeschrittene Lungenfibrose“.<br />
Histologisch stellten sich eine nicht-granulomatöse interstitielle Lungenfibrose, ein<br />
überwiegend lymphozytäres Zellinfiltrat sowie ein BOOP dar. Lungenfunktionsanalytisch<br />
zeigte sich eine ausgeprägte Diffusionsstörung (D L,CO 54% vom Soll-MW). Die<br />
Vitalkapazität betrug 104% vom Soll-MW.<br />
Unter hochdosierter Steroidtherapie wurde im August 2005 eine nahezu vollständige<br />
Rückbildung der floriden interstitiellen Lungenveränderungen erreicht. Nach wiederholt<br />
versuchter Reduktion der Cortisondosis traten jeweils bei beruflich fortgesetzter,<br />
wenngleich geringer Kunststoff-Staubbelastung erneut pulmonale Entzündungszeichen<br />
mit rezidivierenden Atemwegsbeschwerden auf. Computertomographisch wurden dabei<br />
540
P53<br />
Poster – Atemwege II<br />
weiterhin Zeichen einer floriden interstitiellen Lungenerkrankung objektiviert, so dass<br />
Dosissteigerungen der Steroidtherapie vorgenommen wurden.<br />
Staubanalyse<br />
Eine elektronenmikroskopische Analyse von Staub, der beim Schleifen von<br />
Wabenmaterial entstanden ist, zeigte Fasern mit endständigen Abspleißungen,<br />
vergleichbar den bekannten alveolengängigen Faserschwänzchen an den Schnittenden<br />
von Nylonflocken in der Flockindustrie (s. Abbildung; Untersuchung Prof. J. Schneider,<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin Gießen).<br />
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Staubfaser nach dem Schleifen von Polyamid-Fasern<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Parallelität der klinischen sowie histopathologischen Befunde von Flockarbeitern und<br />
des Kunststoffgießers sprechen dafür, dass eine hohe Exposition gegenüber Polyamiden<br />
(mit alveolengängigen Abspleißungen) nicht nur in Flockenform, sondern auch als<br />
Fasern geeignet ist, eine Lungenfibrose hervorzurufen.<br />
541
P54<br />
Poster – Atemwege II<br />
Brauchen wir für die Begutachtung neue Referenzwerte für die<br />
ventilatorische Lungenfunktion?<br />
Wolfgang Marek 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Eike Marek 1 , Klaus Mückenhoff 3<br />
1 Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt Bochum<br />
2 Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein<br />
3 Institut für Physiologie, Ruhr-Universität Bochum<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
542
P55<br />
Poster – Atemwege II<br />
Leitlinienentwicklung am Beispiel der S 3-Leitlinie: „Arbeitsmedizinische<br />
Vorsorge der chronischen Berylliose“<br />
Ulrike Euler 1 , Andreas Seidler 1 , Frank Thalau 1 , Ute Latza 5 , Dirk Dahmann 3 , Karolina I. Gaede 9 ,<br />
Annette Gäßler 4 , David A. Groneberg 7 , Michael Heger 11 , Kristina Krutz 1 , Monika Lelgemann 6 , Rolf<br />
Merget 7 , Joachim Müller-Quernheim 8 , Thomas Nauert 10 , Thomas Schettgen 2 , Stephan Letzel 2<br />
1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA*<br />
2 Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., <strong>DGAUM</strong>*<br />
3 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV*<br />
4 Verband deutscher Betriebs- und Werkärzte, VDBW*<br />
5 Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie*<br />
6 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften, AWMF<br />
7 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin*<br />
8 Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg<br />
9 Forschungszentrum Borstel<br />
10 Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein<br />
11 Landesamt für Umwelt-und Arbeitsschutz, Saarbrücken<br />
* stimmberechtigt im Konsensprozess (jeweils nur ein benannter Repräsentant der Fachgesellschaft,<br />
Organisation)<br />
Hintergrund und Ziel:<br />
Die chronische Berylliose (CBD) ist seit Jahren eine anerkannte Berufskrankheit (BK<br />
1110). Differentialdiagnostisch ist die Unterscheidung zur Sarkoidose schwierig – bisher<br />
fehlt ein einheitlicher diagnostischer Algorithmus. Bei einem Fachgespräch im Mai 2006<br />
in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wurde deshalb<br />
vorgeschlagen hierfür gemeinsam mit den Fachgesellschaften eine Leitlinie zu<br />
entwickeln.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF)<br />
klassifiziert Leitlinien in drei Entwicklungsstufen:<br />
S1 = Handlungsempfehlungen basierend auf informellem Expertenkonsens<br />
(„Konsensuspapier“)<br />
S2 (e oder k)= Empfehlung basierend auf systematischem Review (e) oder auf formalem<br />
Konsens (k)<br />
S3 = Empfehlung basierend auf systematischem Review und auf formalem Konsens<br />
Im Juni 2007 fand die erste Sitzung der Leitliniengruppe in Zusammenarbeit mit der<br />
AWMF in der BAuA Berlin statt. Es wurde beschlossen eine S3-Leitlinie zu entwickeln.<br />
Ziel dieses Gemeinschaftsprojekts ist es:<br />
1. methodisch über den informellen Expertenkonsens hinauszugehen und in der<br />
Arbeitsmedizin eine evidenz- und konsensbasierte Entscheidungsfindung zu etablieren;<br />
2. Entscheidungen in der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Personen, die beruflich<br />
gegenüber Beryllium exponiert sind, oder bei symptomatischen Personen mit Verdacht<br />
auf chronische Berylliose auf eine rationalere Basis zu stellen.<br />
Methodik:<br />
In der ersten Sitzung wurden die Schlüsselfragen der Leitlinie vorformuliert und im<br />
formalen Konsensverfahren (nominaler Gruppenprozess) abgestimmt. Es bildeten sich<br />
543
P55<br />
Poster – Atemwege II<br />
vier thematische Arbeitsgruppen, eine zusätzliche Methodengruppe entwickelte<br />
Instrumente für die Evidenzbasierung. Der gesamte Leitlinien-Entwicklungsprozess wird<br />
in einem Methodenreport dokumentiert. Die Recherche erfolgte in den elektronischen<br />
Datenbanken Medline, Embase, Toxline und Cochrane Library. Von den Experten<br />
eingereichte Publikationen, die nicht in der systematischen Literatursuche identifiziert<br />
wurden, werden zusätzlich berücksichtigt (Handsuche). Die Studienauswahl treffen zwei<br />
Reviewer nach a priori festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien. Zur methodischen<br />
Bewertung der Literatur wurden Checklisten erarbeitet. Als Grundlage hierfür dienten<br />
Instrumente der schottischen Leitlinienagentur „SIGN“ (www.sign.ac.uk/) und des<br />
„Critical Appraisal Skills Programme/NHS“ (CASP)<br />
(www.phru.nhs.uk/Pages/PHD/CASP.htm), die entsprechend der Schlüsselfragen<br />
angepasst wurden. Zur Klassifizierung der Evidenz werden die vom „Oxford Centre for<br />
Evidence-based Medicine“ entwickelten „Level of Evidence“ übernommen.<br />
Ergebnisse/derzeitiger Projektstand:<br />
Nach erster Durchsicht der Titel und Abstracts konnten von insgesamt 5847<br />
Publikationen 3748 irrelevante Studien ausgeschlossen werden. Zur weiteren Filterung<br />
wurde eine Pilotstudie mit 100 randomisiert ausgewählten Studien durchgeführt. Hierbei<br />
wurden die vorab festgelegten Ein-Ausschlusskriterien von der Leitliniengruppe überprüft<br />
und nochmals angepasst. Derzeit erfolgt die zweite Durchsicht von zwei Reviewern<br />
unabhängig voneinander mit dokumentiertem Ein- und Ausschluss. Im Anschluss erfolgt<br />
die Bewertung der Volltexte in den Arbeitsgruppen. Die gesamte Literatursuche ist in<br />
einem Literaturverwaltungsprogramm dokumentiert und zu jedem Schritt einsehbar.<br />
Zusammenfassung:<br />
Es gibt einen großen Bedarf an arbeits- und umweltmedizinischen S2- und S3-Leitlinien<br />
als Grundlage für eine evidenzbasierte arbeitsmedizinische Prävention. Das<br />
systematische Vorgehen bei der Evidenzbasierung und der formalisierte<br />
Konsensusprozess eines repräsentativen Gremiums machen den Prozess der<br />
Formulierung von Empfehlungen transparenter und nachvollziehbarer. Die hohe<br />
methodische und politische Legitimation rechtfertigt den beträchtlichen<br />
Entwicklungsaufwand. Dies kann zukünftig insbesondere im regulativen Bereich der<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorge von Bedeutung sein. Allerdings ist die Erstellung dieser<br />
Leitlinien kostenintensiv, so dass weitere Träger dieser Maßnahmen erschlossen werden<br />
müssen.<br />
544
P56<br />
Poster – Atemwege III<br />
Trends in der Entwicklung berufsbedingter Lungen- und<br />
Atemwegserkrankungen in Deutschland zwischen 1970 und 2005<br />
Vera van Kampen 1 , Rolf Merget 1 , Dirk Taeger 1 , Martin Butz 2 , Thomas Brüning 1<br />
1<br />
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2<br />
DGUV – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
Einleitung<br />
Berufsbedingte Lungen- und Atemwegserkrankungen haben sich in vielen Ländern auf<br />
einem hohen Niveau eingependelt. Allein im deutschen Berufskrankheiten(BK)-<br />
Geschehen gingen im Jahr 2005 39% aller anerkannten Fälle auf Lungen- und<br />
Atemwegserkrankungen zurück. Über den Verlauf der einzelnen Erkrankungen in den<br />
letzten Jahrzehnten liegen jedoch nur wenige Informationen vor.<br />
Methoden<br />
Basierend auf den Daten der ursprünglich drei deutschen Unfallversicherungsträger<br />
wurden die Zahlen der Verdachts- und der anerkannten Fälle berufsbedingter Lungenund<br />
Atemwegserkrankungen zwischen 1970 und 2005 gesammelt und miteinander<br />
kombiniert. Neben den absoluten Zahlen wurden die Raten pro 100.000 Versicherte<br />
(Vollarbeiter) berechnet und analysiert. Einflussfaktoren wie durchgeführte<br />
Präventionsstrategien, industrieller Wandel sowie Änderungen im BK-Recht wurden<br />
berücksichtigt.<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt konnte seit 1998 eine Abnahme der angezeigten und anerkannten<br />
berufsbedingten Lungen- und Atemwegserkrankungen verzeichnet werden (Abbildung).<br />
Diese Entwicklung basiert hauptsächlich auf dem deutlichen Rückgang der<br />
Erkrankungen durch Quarz (Silikose (BK 4101), Silikotuberkulose (BK 4102), chronische<br />
obstruktive Bronchitis oder Emphysem im Steinkohlenbergbau (BK 4111)) und der<br />
obstruktiven Atemwegserkrankungen (allergisch (BK 4301), chemisch-irritativ (BK 4302))<br />
[1].<br />
Der Rückgang der Quarz-bedingten Erkrankungen lässt sich vor allem durch verbesserte<br />
Arbeitsbedingungen im Steinkohlen-Bergbau, wie die Einführung des Nassbohr-<br />
Verfahrens in den 50er Jahren und die zur selben Zeit einsetzenden regelmäßigen<br />
medizinischen Untersuchungen bzw. Arbeitseinsatzlenkung erklären [2]. Auch die<br />
Schließung von Zechen in den 80er und 90er Jahren kann im Zusammenhang mit dem<br />
Rückgang der Quarz-bedingten Erkrankungen stehen. Allerdings spricht die lange<br />
Latenzzeit der Erkrankungen und die Tatsache, dass in 86% der Fälle, die Exposition vor<br />
1970 stattfand, gegen diese Annahme. Bis zu Beginn der 90er Jahre wurden Silikosen<br />
nur anerkannt, wenn sie auch entschädigt wurden, was erst ab einem Streuungsgrad von<br />
545
P56<br />
Poster – Atemwege III<br />
mindestens 2/3 p/q – bei Pinhead-Silikosen mindestens 2/2 p/p – oder<br />
Schwielensilikosen der Fall war. Erst danach wurde zwischen sogenanntem<br />
Versicherungs- und Leistungsfall differenziert, was in den frühen 90er Jahren zu einem<br />
sprunghaften Anstieg der Anerkennungen und somit zu einer Angleichung der Zahlen für<br />
angezeigte und anerkannte Silikose-Fälle führte.<br />
Da sowohl für Atemwegsallergene als auch für chemisch-irritativ und toxisch wirkende<br />
inhalative Arbeitsstoffe Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen beschrieben wurden, gilt<br />
seit den 90er Jahren die Meidung bzw. die Reduktion der Exposition gegenüber<br />
inhalativen Allergenen bzw. Irritanzien als eine entscheidende Maßnahme zur<br />
Prävention. Aus diesem Grunde ist in Betrieben die Durchführung einer<br />
Gefährdungsbeurteilung und daraus die Ableitung erforderlicher Maßnahmen gesetzlich<br />
vorgeschrieben. Als Beispiel für eine erfolgreiche Allergieprävention gilt die bundesweite<br />
Kampagne im Jahr 1997/98, seit der gepuderte durch ungepuderte, allergenarme<br />
Latexhandschuhe zu ersetzen sind und durch die es zu einer signifikanten Abnahme von<br />
Latex-bedingten allergischen Atemwegskrankheiten kam [3].<br />
Im Gegensatz zu den Quarz-bedingten und den obstruktiven Atemwegskrankheiten<br />
zeigen die durch Asbest verursachten BKen während der letzten zehn Jahre eine<br />
Stagnation (Asbestose (BK 4103) und Lungen- oder Kehlkopfkrebs (BK 4104)) oder eine<br />
deutliche Zunahme (Mesotheliom (BK 4105)). Zurückzuführen ist dies auf die zum Teil<br />
lange Latenzzeit zwischen einer Asbestexposition und der Manifestation der<br />
Erkrankungen, bei Mesotheliomen beispielsweise bis zu 40 Jahre [4]. Da in Deutschland<br />
der Einsatz von Asbest seit 1993 verboten ist und entsprechende Abbruch- und<br />
Sanierungsarbeiten nur noch unter effektiven Schutzmaßnahmen durchgeführt werden<br />
dürfen, ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahrzehnten auch bei den<br />
Asbest-bedingten Erkrankungen ein rückläufiger Trend einsetzen wird.<br />
Schlussfolgerung<br />
Obwohl viele Faktoren das BK-Geschehen beeinflussen, kann durch die eindeutige<br />
Abnahme der gemeldeten und anerkannten BK-Fälle über einen langen<br />
Beobachtungszeitraum gezeigt werden, dass Präventionsmaßnahmen tatsächlich zu<br />
einer Verringerung der häufigsten berufsbedingten Lungen- und Atemwegserkrankungen<br />
in Deutschland – bisher allerdings noch mit Ausnahme der Asbest-induzierten<br />
Erkrankungen –geführt haben.<br />
546
P56<br />
Poster – Atemwege III<br />
Literatur<br />
1. van Kampen V, Merget R, Butz M, Taeger D, Brüning T. 2008. Trends in suspected<br />
and recognized occupational respiratory diseases in Germany between 1970 and<br />
2005. Am J Ind Med. 51(7):492-502.<br />
2. Bauer H-D. 1995. “Staubjahre“. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />
(HVBG) Druckzentrum Sutter und Partner GmbH (BIA-Report<br />
7/95).<br />
3. Latza U, Haamann F, Baur X. 2005. Effectiveness of a nationwide interdisciplinary<br />
preventive programme for latex allergy. Int Arch Occup Environ Health 78(5):394-<br />
402.<br />
4. Hagemeyer O, Otten H, Kraus T. 2006. Asbestos consumption, asbestos exposure<br />
and asbestos-related occupational diseases in Germany. Int Arch Occup Environ<br />
Health 79(8):613-620.<br />
Legende<br />
Abbildung: Zeitlicher Verlauf der Summe der angezeigten und anerkannten berufsbedingten<br />
Lungen- und Atemwegskrankheiten.<br />
547
P57<br />
Poster – Atemwege III<br />
Berufsbedingte IgE-vermittelte Nadelholz-Allergie - Nachweis<br />
einer klinischen Relevanz<br />
Sabine Kespohl 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Silke Maryska 1 , Thomas<br />
Brüning 1<br />
1<br />
BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2<br />
Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein/Vogtland<br />
Einleitung<br />
Typ I-Allergien auf Hölzer sind selten. Publiziert wurden Holzsensibilisierungen<br />
überwiegend gegen tropische Laubhölzer wie beispielsweise gegen Trip s 1 aus<br />
Abachiholz (Triplochiton scleroxylon (1), bzw. gegen Plikatsäure als Hauptallergen der<br />
Rotzeder (Thuja plicata) (2). Einheimische Hölzer und Nadelhölzer sind als<br />
Allergieauslöser bislang eher unbekannt.<br />
Die Diagnostik holzstaubbedingter allergischer Atemwegserkrankungen wird vielfach<br />
durch fehlende Allergenextrakte erschwert; eine serologische Klärung der Allergie-<br />
Ursache ist daher häufig nicht möglich, eine Allergenidentifizierung erst recht nicht. In der<br />
hier beschriebenen Kasuistik wird eine klinisch relevante Nadelholzallergie mit<br />
nachfolgendem serologischem Allergennachweis beschrieben. Die IgE-Bindung würde<br />
weiterhin auf Kreuzreaktivität zu anderen Hölzern und Glykostrukturen spezifiziert und<br />
ursächliche Nadelholzallergene wurden identifiziert.<br />
Methoden<br />
Bei einem 25-jährigen Tischler mit berufsbezogenen allergischen Augen- und<br />
Nasenbeschwerden wurde spezifisches IgE auf arbeitsplatz-relevante Hölzer mittels<br />
ImmunoCAP analysiert. Dazu wurden die arbeitsplatzrelevanten Holzstäube wässrig und<br />
ethanolisch extrahiert und über Streptavidin-Biotin-Affinität an ImmunoCAPs (Phadia,<br />
Uppsala, Sweden) gekoppelt (3). Die IgE-Reaktivität wurde durch ImmunoCAP-<br />
Inhibitionstests weiter spezifiziert. Inhibitoren waren positiv getestete Hölzer, Naturlatex<br />
(NRL) und Meerrettichperoxidase (HRP) als Glykokomponente. Potentielle Allergene<br />
wurden im IgE-Blot identifiziert. Die klinische Relevanz der Sensibilisierung wurde im<br />
Hauttest und im arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) überprüft.<br />
Ergebnisse<br />
Die spezifische IgE-Testung ergab die deutlichste Reaktion mit CAP-Klasse 3 auf Fichte,<br />
Kiefer und NRL. IgE-Antikörper gegen Lärchen- und Buchenholz wurden mit einer<br />
Konzentration der CAP-Klasse 2 gemessen und auf HRP mit CAP-Klasse 1. Andere,<br />
potentiell kreuzreaktive bzw. Arbeitsplatz-assoziierte Holzarten wie Abachi, Rotzeder<br />
oder Eiche zeigten keine IgE-Bindung.<br />
548
P57<br />
Poster – Atemwege III<br />
Im IgE-Inhibitionstest waren ebenfalls Fichten- und Kiefernholz die potentesten<br />
Inhibitoren, gefolgt von Lärchenholz. Alle drei Nadelholzextrakte inhibierten die sIgE-<br />
Bindung an Buche und NRL signifikant, umgekehrt war jedoch nur eine geringe bzw.<br />
keine Inhibition feststellbar. Deutlich messbar war eine Kreuzinhibition >50% zwischen<br />
Fichte-, Kiefern- und Lärchenholz, die nicht durch NRL, Buchenholz oder HRP erzielt<br />
wurde. Die sIgE-Bindung an die Nadelholzallergene basiert offenbar auf homologen<br />
Proteinen, die nicht in NRL oder Buchenholz enthalten sind. Glykostrukturen sind in<br />
diesem Fall nicht an der sIgE-Erkennung von Nadelholzallergenen beteiligt. Im<br />
Gegensatz dazu führte die Inkubation mit HRP aber zu einer vollständigen bzw. 50%igen<br />
Reduktion der sIgE-Bindung an Buche und NRL. Hier handelt es sich eher um eine<br />
primäre Glykostruktur vermittelte IgE-Bindung.<br />
Potentielle Allergene wurden ebenfalls nur in Nadelholzextrakten detektiert. Im<br />
Fichtenholzextrakt wurden IgE-bindende Proteindoppelbanden von 35 – 40 kDa und 70 –<br />
80 kDa identifiziert. Im Lärchenextrakt wurde ein 29 kDa Protein als Allergen markiert.<br />
Die klinische Relevanz dieser Nadelholzallergie wurde durch einen positiven Hauttest mit<br />
Fichten- und Kiefernholz und durch eine induzierte Rhinokonjunktivitis im AIT mit<br />
Kiefernholzspänen bestätigt.<br />
Schlussfolgerung<br />
Bei dem Patienten wurde eine klinisch relevante Nadelholzallergie diagnostiziert, die auf<br />
proteinogenen Epitopen basiert. Die Sensibilisierung gegen Buche, verursacht durch<br />
glykogene Epitope, wurde im Hauttest nicht bestätigt.<br />
Literatur<br />
(1) Kespohl S, Sander I, Merget R, Petersen A, Meyer HE, Sickmann A, et al.<br />
Identification of an obeche (Triplochiton scleroxylon) wood allergen as a class I<br />
chitinase. Allergy 2005;60(6):808-14.<br />
(2) Chan-Yeung M. Immunologic and nonimmunologic mechanisms in asthma due to<br />
western red cedar (Thuja plicata). J Allergy Clin Immunol 1982;70(1):32-7.<br />
(3) Sander I, Kespohl S, Merget R, Goldscheid N, Degens PO, Bruning T, et al. A new<br />
method to bind allergens for the measurement of specific IgE antibodies.<br />
International Archives of Allergy and Immunology 2005;136(1):39-44.<br />
549
P58<br />
Poster – Atemwege III<br />
Leisten arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen einen<br />
Beitrag zur Diagnose einer Berufskrankheit 4301 bei Bäckern?<br />
Stefan Baars<br />
Gewerbeärztlicher Dienst, Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover<br />
Einleitung<br />
„Bäckerasthma“ (BK 4301) ist auch heute noch ein häufiger Grund für die Berufsaufgabe<br />
von Bäckern und Konditoren. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen könnten die<br />
Diagnose zu einem Zeitpunkt ermöglichen, der ein Verbleiben im Beruf durch präventive<br />
Maßnahmen erlauben würde. Zudem sollen sie einen Beitrag zur primären Prävention<br />
leisten. Vorsorgeuntersuchungen sind seit 2004 bei Exposition gegenüber Mehlstaub<br />
anzubieten (ArbMedVV, früher GefStoffV). Durch eine Analyse von<br />
Berufskrankheitenfällen und eine Erhebung in den betroffenen Betrieben sollte geprüft<br />
werden, welchen Stellenwert arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in<br />
Bäckereien haben.<br />
Methode<br />
Eine zufällige Stichprobe der im Jahr 2008 beim Gewerbeärztlichen Dienst in<br />
Niedersachsen eingegangenen Fälle einer BK 4301 aus Bäckereien wurde anhand der<br />
von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) übersandten<br />
Ermittlungsergebnisse hinsichtlich verschiedener Krankheitsmerkmale und<br />
epidemiologischer Daten ausgewertet.<br />
Parallel wurden die betroffenen Betriebe standardisiert überprüft.<br />
Ergebnis<br />
Berücksichtigt wurden 44 Berufskrankheitenfälle aus 41 Betrieben. 34 bereits<br />
entschiedene Fälle konnten im Detail ausgewertet werden. 2 Fälle wurden wegen<br />
fehlender Mitwirkung der Erkrankten eingestellt, 8 Fälle waren noch nicht abgeschlossen.<br />
Die Erkrankten waren zwischen 18 und 61 Jahre alt (Median 30 Jahre), zu 85% in der<br />
Backstube bzw. der Produktion tätig und zu 68% männlich. 28 waren länger als ein Jahr<br />
im Betrieb bzw. Beruf tätig. In 32 Fällen konnte der Ursachenzusammenhang bestätigt<br />
werden (s. Tabelle 1).<br />
39 der 41 Betriebe konnten überprüft werden, 2 Betriebe waren zwischenzeitlich<br />
stillgelegt. Die Betriebsgröße lag im Median bei 9 Beschäftigten in der<br />
Backstube/Produktion (Range 1 – 260). Die Gesamtbeschäftigtenzahl lag zwischen 3<br />
und 500. Aus 19 Betrieben waren innerhalb der letzten 10 Jahre weitere<br />
Berufskrankheiten angezeigt worden (BK 4301 und 5101). In 3 Betrieben lagen zudem<br />
Erkrankungen vor, die dem Gewerbeärztlichen Dienst bisher nicht gemeldet wurden.<br />
550
P58<br />
Poster – Atemwege III<br />
„Basismaßnahmen“ zur Reduzierung der Mehlstaubbelastung waren häufig nicht<br />
realisiert. Weitere Mängel ergaben sich beim Hautschutz und der<br />
betrieblichen ersten Hilfe. In 4 Betrieben wurden überraschenderweise gepuderte Latex-<br />
Einmalhandschuhe für die Zubereitung von Snacks vorgefunden (s. Tabelle 2).<br />
In 10 Betrieben war keinerlei betriebsärztliche Betreuung nachweisbar. 19 Betriebe<br />
waren dem arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienst der BGN<br />
(ASD*BGN) angeschlossen. 9 Betriebe hatten das Unternehmermodell gewählt.<br />
Betriebsärztliche Ansprechpartner waren in 7 dieser 9 Betriebe unbekannt.<br />
Beratungsbedarf war trotz der Berufskrankheit nicht gesehen worden.<br />
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen wegen Mehlstaub wurden lediglich in 2<br />
Betrieben angeboten. Die entsprechenden rechtlichen Anforderungen waren in der Regel<br />
nicht bekannt.<br />
Kriterium<br />
Anzahl Fälle<br />
Kriterium<br />
Anzahl Betriebe<br />
Sensibilisierung gegen Berufsallergene<br />
(Prick und / oder RAST)<br />
unspezifische bronchiale Hyperreagibilität<br />
(n= 28*)<br />
bronchiale Obstruktion in Ruhe<br />
rhinitische Symptomatik am Arbeitsplatz<br />
(n= 31*)<br />
Asthmasymptomatik am Arbeitsplatz<br />
(n= 29*)<br />
Aufgabe der Tätigkeit erfolgt<br />
Aufgabe trotz gutachterlicher Empfehlung<br />
nicht erfolgt<br />
32<br />
18<br />
8<br />
28<br />
25<br />
19<br />
Tab. 1 Auswertung BK-Fälle<br />
* Ergebnisse lagen nicht in allen Fällen vor<br />
6<br />
Tab. 2 Auswertung Betriebe<br />
Gefährdungsbeurteilung vorhanden<br />
Betriebsanweisung "Mehl" vorhanden<br />
Unterweisung dokumentiert<br />
Mehlausbringung in "Handwurftechnik"<br />
Verwendung staubarme Trennmehle<br />
Silofüllschlauch bis Boden des Kneters<br />
bzw. vollständige Abdeckung (n= 32,<br />
7 Betriebe verarbeiteten Sackware)<br />
Reinigung der Backstube mit Besen<br />
Reinigung mit Staubsauger<br />
mind. gelegentl. Ausblasen mit Druckluft<br />
Hautpflegemittel zur Verfügung<br />
gepuderte Latex-Einmalhandschuhe<br />
ausreichend qualifizierte Ersthelfer<br />
Verbandbuch geführt<br />
13<br />
3<br />
10<br />
11<br />
11<br />
5<br />
39<br />
13<br />
18<br />
4<br />
4<br />
20<br />
7<br />
Diskussion<br />
Die Überprüfung von Bäckereien mit an „Bäckerasthma“ Erkrankten zeigt, dass<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in diesen Betrieben keine Rolle bei der<br />
Prävention bzw. Früherkennung von mehlstaubbedingten Berufskrankheiten spielen.<br />
Ursachen hierfür sind u.a. in der fehlenden Präsenz der Betriebsärzte, der fehlenden<br />
Akzeptanz der Betriebsinhaber (aber sicher auch der Beschäftigten) für<br />
Vorsorgeuntersuchungen und in der fehlenden Information der BGN über den Nutzen der<br />
Untersuchungen sowie die rechtlichen Anforderungen zu suchen. Da sich auch die<br />
„Basismaßnahmen“ zur Mehlstaubreduktion bisher nicht flächendeckend durchgesetzt<br />
haben, wird die Höhe der Mehlstaubbelastung primär durch die persönliche<br />
Arbeitshygiene beeinflusst. Die mit einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung<br />
verbundene zusätzliche Chance einer Verhaltensprävention gewinnt damit noch an<br />
551
P58<br />
Poster – Atemwege III<br />
Bedeutung. Eine deutlich höhere betriebsärztliche Präsenz in den Betrieben ist<br />
erforderlich. Die Festlegung einer Untersuchungsverpflichtung unabhängig vom<br />
Grenzwert für Beschäftigte in der Backstube bzw. der Teigmacherei / Teigaufbereitung<br />
wäre zu diskutieren.<br />
Literatur<br />
1. Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) vom 18. Dezember 2008<br />
(BGBl. 2008 I S. 2768)<br />
2. Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 23. Dezember 2004 (BGBl. 2004 I S. 3758),<br />
zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. 2008<br />
I S. 2768)"<br />
552
P59<br />
Poster – Atemwege III<br />
Allergische Rhinopathie durch Maispollen-Exposition am<br />
Arbeitsplatz<br />
Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port<br />
Health Centers) Hamburg<br />
Einleitung<br />
Mais ist eine windblütige Pflanzenart und gehört zu der Familie der Süßgräser<br />
(Poaceae). In verschiedenen Studien stellte sich eine geringe Kreuzreaktion zwischen<br />
Grass- und Maispollen heraus. Aufgrund ihres relativ hohen Gewichts kommt es nicht zu<br />
einer allgemeinen Verbreitung der Maisollen; das von Maispflanzen ausgehende<br />
allergene Risiko wird deshalb als gering eingeschätzt.<br />
Ziel<br />
Ausgehend von 3 weiblichen Laborkräften, die berufsbedingt im selben Gewächshaus<br />
regelmäßig gegenüber Maispollen exponiert waren und sich wegen dort auftretender<br />
Beschwerden in unserer Poliklinik vorstellten, soll das allergene Potential von Maispollen<br />
abgeschätzt werden.<br />
Berufliche Exposition<br />
Zu wissenschaftlichen Zwecken waren die 3 Laborkräfte über wenige Tage pro Monat<br />
mit der manuellen Bestäubung von Wildmaispflanzen beschäftigt. Hierzu wurden die<br />
Maispollen der über 2 Meter hohen Pflanzen von der endständigen Rispe, dem<br />
männlichen Anteil der Maispflanze, manuell abgeklopft, woraus eine hohe<br />
Pollenstaubbelastung unterhalb, im Kopfbereich der Betroffenen, resultierte. Die Pollen<br />
wurden dann über die weiblichen Blütenstände im unteren Anteil der Maispflanzen<br />
verschüttet. Ein Atemschutz kam bei der Bestäubung nicht zur Anwendung.<br />
Klinische Befunde<br />
1 bis 4 Monate nach Tätigkeitsbeginn entwickelten die drei Laborkräfte eine allergische<br />
Rhinitis (je zwei zusätzlich eine Urtikaria bzw. Konjunktivitis). Serologisch (dreimal IgE-<br />
Antikörper-Nachweis in der CAP-Untersuchung, Phadia) und im Haut-Pricktest (zweimal;<br />
hal Allergie) wurde eine Maispollen-Sensibilisierung objektiviert. Alle Patientinnen wiesen<br />
zusätzlich ein positives Hauttest-Ergebnis auf Gräsermischung auf und litten unter<br />
sommerlichem Heuschnupfen.<br />
Der Arbeitsplatz-bezogene inhalative Expositionstest mit frischen Maispollen und/ oder<br />
die nasale Applikation eines kommerziellen Maispollen-Extrakts führten in allen Fällen zu<br />
553
P59<br />
Poster – Atemwege III<br />
einer Rhinitis mit messtechnisch objektivierter reaktiver Verengung der oberen<br />
Atemwege (s. Abbildung).<br />
Expositionstests<br />
IgE-Antikörper<br />
RAST-CAP-Kl.<br />
Nasale Applikation eines<br />
Maispollen-Extrakts<br />
Arbeitsplatz-bezogener<br />
Expositionstest mit nativen<br />
Maispollen<br />
Probandin<br />
Alter<br />
Maispollen<br />
Maismehl<br />
Symptome<br />
Änderung<br />
Nasenfluss<br />
Symptome<br />
Änderung<br />
Nasenfluss<br />
Nr. 1 44 3 0 - -<br />
Rhinitis<br />
Augentränen<br />
-94,1%<br />
Nr. 2 41 3 2<br />
Konjunktivitis<br />
Nasenfluss<br />
Keine<br />
Änderung<br />
Niesen<br />
Nasenfluss<br />
-59,3%<br />
Nr. 3 27 2 0 Nasenfluss - 67,8% Konjunktivitis -29,9%<br />
Abb. Allergologische Befunde und Ergebnisse der nasalen Provokation mit Maispollenextrakt und<br />
des Arbeitsplatz-bezogenen inhalativen Expositionstests<br />
Passend zu den klinischen Angaben war bei den 3 Patientinnen keine Lungenfunktionseinschränkung<br />
vor, während oder nach der Exposition nachweisbar.<br />
Erst seit Einführung eines Ganzkörperschutzes inklusive eines Atemschutzhelms (mit<br />
externer Zuführung gefilterter Luft) am Arbeitsplatz wurden die drei Laborkräfte<br />
anhaltend beschwerdefrei.<br />
Schlussfolgerung<br />
Der eindeutige Arbeitsplatzbezug rhinitischer Symptome, die objektivierte Typ I-Sensibilisierungen<br />
auf Maispollen und der positive Expositionstest mit Maispollen belegen, dass<br />
die Laborkräfte eine allergische Maispollen-Rhinopathie im Sinne einer Berufskrankheit<br />
Nr. 4301 entwickelt haben.<br />
Die anamnestischen Angaben der Patientinnen, dass „auch fast alle anderen Maispollenexponierten<br />
Arbeitskollegen“ (ca. 10, die sich bisher keiner arbeitsmedizinischen<br />
Untersuchung unterziehen wollten) ebenfalls unter rhinitischen Beschwerden leiden,<br />
weisen auf ein erhebliches, bislang unterschätztes allergenes Potential der Maispollen im<br />
Rahmen des unmittelbaren Kontakts hin.<br />
554
P60<br />
Poster – Atemwege III<br />
Aussagekraft verschiedener Untersuchungsverfahren für die<br />
Diagnose des Berufsasthmas<br />
Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Hamburg<br />
Einleitung<br />
Arbeitsplatzbezogene spezifische Inhalationsteste (AIT) gelten als Goldstandard in der<br />
Diagnostik des Berufsasthmas. Allerdings stehen für einige ursächliche Noxen bisher<br />
standardisierte Testverfahren nicht zur Verfügung. Die abschließende Diagnose wird in<br />
solchen Fällen anhand der Ergebnisse von anderen diagnostischen Tests und des<br />
Krankheitsverlaufs gestellt.<br />
In dieser retrospektiven Auswertung beurteilen wir die Aussagekraft verschiedener<br />
diagnostischer Teste unter Bezug auf die abschließende Diagnose, die als Goldstandard<br />
fungiert. In diese geht die langjährliche und eingehende diagnostische Erfahrung eines<br />
spezialisierten Zentrums der Arbeitmedizin ein.<br />
Patienten und Methodik<br />
Die Auswertung betrifft 189 Latex-exponierte, im Gesundheitsdienst Beschäftigte. 158<br />
Probanden (84%) erhielten auch einen unspezifischen Methacholin-Provokationstest<br />
(BHR).<br />
Außerdem erfolgten bei allen Probanden IgE-Bestimmungen (Gesamt-IgE, Latex-IgE),<br />
Prick-Hautteste (SPT) mit 20 Umweltallergenen und Latex-Extrakten sowie eine<br />
standardisierte Anamnese, Lungenfunktionsprüfung und ein spezifischer<br />
arbeitsplatzbezogener inhalativer Provokationstest (AIT). Der AIT begann mit gepuderten<br />
Vinyl-Handschuhen (Placebo) und setzte sich mit gepuderten Latex-Handschuhen fort<br />
(Aeroallergenkonzentration<br />
200 – 350 ng/m3 bis ca. 2500 ng/m3).<br />
Das Kriterium der positiven asthmatischen Reaktion im AIT (AIT+) wurde definiert als<br />
verdoppelter und 2 kPa * s überschreitender sRaw-Wert. Die abschließende Diagnose<br />
Berufsasthma (Ab.D) wurde immer auf Basis aller diagnostischen Testergebnisse in der<br />
klinischen Institutskonferenz unter der Leitung eines erfahrenen Arbeitsmediziners und<br />
Pneumologen gestellt.<br />
Statistische Analyse<br />
Die Ergebnisse des spezifischen Expositionstests wurden mit den Resultaten der<br />
anderen diagnostischen Verfahren zusammengeführt, in Form von Vierfeldertafeln<br />
dargestellt und statistisch (exakter Test von Fisher) geprüft. Odd Ratios (OR) und die<br />
95% Konfidenz-Intervale wurden berechnet.<br />
555
P60<br />
Poster – Atemwege III<br />
Ergebnisse<br />
89 Patienten weisen die abschließende Diagnose Berufsasthma (Ab.D +) auf. Darunter<br />
fanden sich alle 42 Personen mit positiven AIT-Ergebnissen.<br />
Trotz negativer AIT-Ergebnisse wurde die abschließende Diagnose Berufsasthma (Ab.D<br />
+) auch bei 47 Patienten (32 % aller AIT-Negativen) gestellt. Die abschließende<br />
Diagnose basierte hier meistens auf der Kombination von arbeitsplatzbezogenen<br />
Symptomen, Obstruktion (sRt-basal oder BHR), Latex-IgE-Nachweis und FeNO .<br />
Arbeitsplatzbezogene Symptome zeigen die engste Assoziation mit der abschließenden<br />
Diagnose in der Gesamt- Gruppe (n=189) und in der Gruppe mit negativem AIT-<br />
Ergebnisse (n=147).<br />
Auf dem zweiten Platz folgen erhöhtes FeNO,<br />
auf dem dritten der Nachweis von Latex-IgE,<br />
auf dem vierten die BHR (Tabelle 1).<br />
T a b e lle 1<br />
Assoziation zw ischen abschließender Diagnose Berufsasthm a und<br />
diagnostischen Befunden von 147 Latex-exponierten G HW -<br />
Beschäftigten m it arbeitsplatzbezogenen Sym ptom en m it negativen<br />
AIT (AIT - )<br />
(AIT = arbeitsplatzbezogener inhalativer Provokationsteststest)<br />
Ab.D<br />
Arbeitsplatz<br />
bezogene<br />
Asthm a<br />
S y m p to m e<br />
FeNO<br />
(N ich t-<br />
Raucher)<br />
Latex<br />
Ig E<br />
BHR<br />
Atopie<br />
(S P T )<br />
Gesam t-<br />
Ig E ?<br />
Rauchen<br />
Ab.D<br />
streng positive<br />
Assoziatio n<br />
OR=18.5;<br />
P
P60<br />
Poster – Atemwege III<br />
oder handelt es sich um einen Bias (arbeitsplatzbezogene Symptome des Rauchers<br />
könnten irrtümlich auf das Rauchverhältnis zurückgeführt werden<br />
und nicht auf die berufbedingte Sensibilisierung).<br />
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Kombination von 4 standarddiagnostischen<br />
Verfahren eine sehr ähnliche diagnostische Validität wie der AIT aufweist.<br />
557
P61<br />
Poster – Atemwege III<br />
Ist die subjektive Beeinträchtigung am Arbeitsplatz ein<br />
prädiktiver Marker für die Entwicklung beruflicher Atemwegserkrankungen<br />
bei Beschäftigten in der metallverarbeitenden<br />
Industrie?<br />
Thomas Baumeister, Wobbeke Weistenhöfer, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- u. Umweltmedizin, FAU Erlangen<br />
Hintergrund<br />
Beruflich bedingte Atemwegserkrankungen stellen neben Hauterkrankungen,<br />
Wirbelsäulen- und Gehörschäden die am häufigsten gemeldeten Berufserkrankungen<br />
dar (1). Atemwegserkrankungen entwickeln sich oft schleichend progredient und<br />
manifestieren sich erst nach jahrelanger Exposition. Die Krankheitsverläufe können<br />
individuell stark variieren, wesentlich für die Prognose sind jedoch in jedem Fall optimale<br />
Arbeitsschutz-Maßnahmen, die frühzeitige Diagnose und die Einleitung einer optimalen<br />
Therapie. In der Metallindustrie sind beruflich bedingte Atemwegserkrankungen zwar<br />
seltener als etwa im Bergbau, dennoch sind zahlreiche Atemwegserkrankungen<br />
beschrieben, darunter Bronchitis, Asthma, Pneumonie, Lungenfibrose und<br />
Metalldampffieber. Neben Schweißrauchen (2) und Hartmetallstäuben sind hierfür<br />
insbesondere die Bestandteile von Aerosolen aus Kühlschmiermitteln, ihren Zusätzen<br />
und Verunreinigungen verantwortlich (3,4). Die arbeitsmedizinische Vorsorge zielt<br />
speziell auf die Früherkennung von berufsbedingten Erkrankungen ab und ist deshalb<br />
auf verlässliche prädiktive Marker angewiesen.<br />
Um prädiktive Faktoren für die Entwicklung einer beruflich bedingten<br />
Atemwegserkrankung zu identifizieren, wurde an einem, potentiell für die Entwicklung<br />
von Atemwegserkrankungen gefährdeten, Kollektiv untersucht, inwiefern das Bestehen<br />
außerberuflicher Atemwegserkrankungen und die subjektive Beeinträchtigung der<br />
Beschäftigten durch irritative Arbeitsstoffe mit dem Bestehen von Symptomen<br />
korrelieren, die auf eine berufsbezogene Atemwegserkrankung hinweisen.<br />
Studienziel<br />
Ziel ist es, zu beurteilen, inwieweit bei Beschäftigten der Metallindustrie die subjektive<br />
Beeinträchtigung ein valides Frühsymptom für eine manifeste berufliche<br />
Atemwegserkrankung darstellt.<br />
Methodik<br />
In 19 metallverarbeitenden Betrieben in Deutschland wurde bei 789 männlichen<br />
Beschäftigten im Alter zwischen 18 und 63 Jahren in einem standardisierten Interview<br />
das Vorhandensein von Symptomen, die auf eine allergische oder irritative<br />
558
P61<br />
Poster – Atemwege III<br />
Atemwegserkrankung hinweisen (Rhinitis, Konjunktivitis, bronchiale Hyperreagibilität,<br />
Hustenreiz und Atem-beschwerden) in der Freizeit und am Arbeitsplatz erfasst.<br />
Parallel wurden die Probanden aufgefordert, ihre subjektive Beeinträchtigung durch<br />
Raumluftaerosole am Arbeitsplatz auf einer numerischen Skala von 0 – 10 (0 entspricht<br />
keiner, 10 entspricht einer maximalen Beeinträchtigung) einzuschätzen. Zur<br />
Vereinfachung der Auswertung wurden die Skalenwerte zusammengefasst. 0 entspricht<br />
keiner, 1-3 einer minimalen, 4-6 einer mäßigen und 7-10 einer starken bis sehr starken<br />
Beeinträchtigung.<br />
Ergebnisse<br />
Gesundheitliche Beschwerden (Konjunktivitis, Rhinitis, Hustenreiz, Atembeschwerden<br />
und bronchiale Hyperreagibilität) in Beruf und / oder Freizeit wurden von 302 Probanden<br />
(38,2%) angegeben. Auch ohne berufsbezogene Beschwerden fühlten sich fast 49 % der<br />
Probanden durch Raumluftaerosole am Arbeitsplatz subjektiv mäßig bis stark<br />
beeinträchtigt.<br />
Die Häufigkeit von Symptomen (Ausnahme: Hyperreagibilität) nahm mit dem Alter<br />
tendenziell zu.<br />
Symptom<br />
Altersgruppe in der<br />
Symptome am seltensten<br />
bejaht wurden (prozentualer<br />
Anteil an der Altersgruppe)<br />
Altersgruppe in der<br />
Symptome am häufigsten<br />
bejaht wurden (prozentualer<br />
Anteil an der Altersgruppe)<br />
Konjunktivitis 25-
P61<br />
Poster – Atemwege III<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die geringere subjektive Beeinträchtigung bei älteren Beschäftigten bei gleichzeitig<br />
häufigerem Auftreten manifester Symptome kann sowohl durch den sog. „healthy<br />
worker“- Effekt als auch durch eine veränderte Krankheitswahrnehmung (Abstumpfung,<br />
Gewöhnung, Toleranz) bedingt sein. Die subjektive Beeinträchtigung ist als alleiniger<br />
prädiktiver Marker für eine beginnende berufliche Atemwegserkrankung nicht<br />
ausreichend.<br />
Literatur<br />
(1) http://www.dguv.de/inhalt/zahlen/bk/bk-verdachtsanzeigen/index.jsp<br />
(2) Antonini JM, Taylor MD, Zimmer AT, Roberts JR. Pulmonary responses to<br />
welding fumes: role of metal constituents. J Toxicol Environ Health A. 2004 Feb<br />
13;67(3):233-49.<br />
(3) Gordon T. Metalworking fluid-the toxicity of a complex mixture. J Toxicol Environ<br />
Health A. 2004 Feb 13;67(3):209-19.<br />
(4) Abrams L, Seixas N, Robins T, Burge H, Muilenberg M, Franzblau A.<br />
Characterization of metalworking fluid exposure indices for a study of acute<br />
respiratory effects. Appl Occup Environ Hyg. 2000 Jun;15(6):492-502.<br />
560
P62<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Quantifizierung von Rinderhaarallergenen mittels zweiseitigem<br />
Enzymimmunoassay<br />
Eva Zahradnik 1 , Rudolf Schierl 2 , Ingrid Sander 1 , Anne Flagge 1 Joachim Sültz 3 , Dennis Nowak 2 ,<br />
Thomas Brüning 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1<br />
1<br />
BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
3<br />
Facharztpraxis für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Neusäß<br />
Einleitung<br />
Der Umgang mit Rindern kann allergische Atemwegserkrankungen bei entsprechend<br />
exponierten Personen hervorrufen. Verantwortliche Auslöser der allergischen Symptome<br />
sind Proteine, die hauptsächlich in Haaren und Hautschuppen der Tiere enthalten sind.<br />
Als Majorallergen wurde das Lipocalin Bos d 2 identifiziert (1;2). Die bisherigen<br />
Untersuchungen zeigen, dass zwischen Bos d 2-Konzentrationen im Hausstaub von<br />
Landwirten und deren Sensibilisierung gegen Rinderhaar eine starke Beziehung besteht<br />
(3;4). Um die Allergenexposition an Arbeitsplätzen von betroffenen Landwirten erfassen<br />
zu können, wurde daher ein zweiseitiger Enzymimmunoassay (EIA) für den Nachweis<br />
der Rinderhaarproteine entwickelt.<br />
Methoden:<br />
Für den Assay-Aufbau wurde ein mittels SDS-PAGE und IgE-Immunoblot<br />
charakterisierter Extrakt aus Haaren mehrerer für Deutschland repräsentativer<br />
Rinderrassen hergestellt und zur Immunisierung von Kaninchen verwendet. Die<br />
spezifischen Antikörper wurden mittels Affinitätschromatographie aus dem Serum isoliert<br />
und als Fang- bzw. nach Biotinylierung als Detektionsantikörper in einem Sandwich-<br />
ELISA eingesetzt. Zur Spezifitätsüberprüfung des EIA wurden Extrakte aus Epithelien<br />
anderer Nutztier- und Labortierspezies sowie aus verschiedenen Milben- Schimmelpilzund<br />
Getreidearten getestet. Zur Validierung des Assays wurden gesiebte Stall-,<br />
Wohnzimmer- und Matratzen-Stäube aus dem landwirtschaftlichen Bereich eingesetzt,<br />
bei denen die Konzentration des Majorallegens Bos d 2 in der Vergangenheit mittels<br />
Rocket-Immunelektrophorese bestimmt wurde (3). Der Gehalt an Rinderhaarallergenen<br />
in Staubproben von Landwirten wurde zusätzlich mit dem in Hausstäuben von nicht<br />
exponierten Personen verglichen.<br />
Ergebnisse:<br />
Der Rinderhaar-EIA besitzt einen mittleren Messbereich von 0,1 – 5,9 ng/ml. Während in<br />
allen Milben-, Schimmelpilz- und Getreideextrakten keine Reaktivität nachgewiesen<br />
wurde, zeigte der Assay dagegen geringe Reaktionen mit anderen Tierextrakten, wobei<br />
darunter die Reaktion mit Ziegenepithelien am ausgeprägtesten war. Erwartungsgemäß<br />
561
P62<br />
Poster – Atemwege IV<br />
wurde in den Stallstäuben ein viel höherer Allergengehalt (Median 12225 µg/g Staub) als<br />
in den Wohnraumstäuben (Median 93,3 µg/g) und den Matratzenstäuben (Median 68,6<br />
µg/g) von Landwirten bestimmt. In den Hausstaubproben von Nicht-Exponierten ließen<br />
sich aber auch geringe Mengen an Rinderallergenen nachweisen (Median 0,2 µg/g). In<br />
den Wohnbereichen von Landwirten war die gemessene Allergenmenge ca. um den<br />
Faktor 400 höher als in den Wohnräumen der Nicht-Exponierten. Die gemessenen<br />
Rinderhaarallergen-Werte zeigten eine sehr gute Übereinstimmung mit den mittels<br />
Rocket-Immunelektrophorese bestimmten Bos d 2-Gehalten (r = 0,87).<br />
Schlussfolgerung:<br />
Der neu entwickelte Rinderhaar-EIA ist empfindlich und spezifisch genug, so dass er<br />
somit zur Quantifizierung der Allergenbelastung sowohl am Arbeitsplatz als auch im<br />
häuslichen Bereich eingesetzt werden kann. Auch für die Bestimmung von<br />
luftgetragenen Rinderhaarallergenen ist der Assay ausreichend sensitiv.<br />
Literatur:<br />
(1) Rautiainen J, Rytkonen M, Virtanen T, Pentikainen J, Zeiler T, Mantyjarvi R.<br />
BDA20, a major bovine dander allergen characterized at the sequence level, is Bos<br />
d 2. J Allergy Clin Immunol 1997;100(2):251-2.<br />
(2) Ylonen J, Mantyjarvi R, Taivainen A, Virtanen T. IgG and IgE antibody responses to<br />
cow dander and urine in farmers with cow-induced asthma. Clin Exp Allergy 1992<br />
January;22(1):83-90.<br />
(3) Berger I, Schierl R, Ochmann U, Egger U, Scharrer E, Nowak D. Concentrations of<br />
dust, allergens and endotoxin in stables, living rooms and mattresses from cattle<br />
farmers in southern Bavaria. Ann Agric Environ Med 2005;12(1):101-7.<br />
(4) Hinze S, Bergmann KC, Lowenstein H, Hansen GN. Cow hair allergen (Bos d 2)<br />
content in house dust: correlation with sensitization in farmers with cow hair<br />
asthma. Int Arch Allergy Immunol 1997;112(3):231-7.<br />
562
P63<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Mikrobielle Kontamination von Atemschutz in Abhängigkeit von<br />
der Tragedauer bei Landwirten mit berufsbedingter<br />
Atemwegsallergie<br />
Astrid R.R. Heutelbeck 1 , Ernst Hallier 1 , Ullrich Schmelz 2<br />
1 Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsmedizin Göttingen<br />
2 Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Göttingen<br />
In Staub-exponierten Arbeitsbereichen hat hinsichtlich der persönlichen<br />
Schutzmaßnahmen die Nutzung von Atemschutzgeräten oberste Priorität. Grundsätzlich<br />
wird kommerziell erhältlichen Arbeitsschutzgeräten bereits seit Jahren eine gute<br />
Praktikabilität und Akzeptanz bei den Landwirten bescheinigt (Müller-Wening 1989,<br />
Taivainen 1998), wobei allerdings in der landwirtschaftlichen Praxis eine konsequente<br />
und regelmäßige Nutzung noch selten ist. Auch wirtschaftliche Überlegungen tragen<br />
sicherlich dazu bei, dass die Filter häufig unregelmäßig und erst nach monatelanger<br />
Tragedauer gewechselt werden. Allerdings fehlen bislang Erkenntnisse zur möglichen<br />
mikrobiellen Kontamination in Abhängigkeit von Nutzungsumgebung und<br />
Nutzungsdauer. Ziel: Gegenstand der Untersuchung war es, Art, Umfang und<br />
gesundheitliche Relevanz der mikrobiellen Kontamination von Atemschutzfiltern in<br />
Abhängigkeit von deren Nutzungszeit bei atemwegskranken Nutztierhaltern zu ermitteln.<br />
Methode: Gebläseunterstützter Atemschutz (P2 und P3 Filter) wurde von<br />
atemwegskranken Nutztierhaltern (Rinder (n=3), Schweine (n=3), Geflügel (n=1), Pferde<br />
(n=1)) täglich mehrstündig ein, zwei, beziehungsweise drei Wochen bis zum<br />
Filterwechsel benutzt. Im Filtermaterial wurden nach Extraktion mittels 0,9% NaCl-<br />
Lösung, quantitativer Aufbereitung (Verdünnung) und Inkubation auf Vollblutagar<br />
(Bakterien), sowie auf DG18- und Sabouraud-Agar (Pilze) die mikrobiellen Kolonien<br />
(KBE) pro Gramm Filter quantifiziert. Die Bestimmung von mikrobieller Gattung und Art<br />
erfolgte nach Färbung mikroskopisch und biochemisch. Mittels Immunblot wurde das Blut<br />
der Landwirte auf spezifisches IgE gegen die detektierten Schimmelpilze untersucht<br />
(Heutelbeck 2004). Ergebnis: Mit zunehmender Dauer der Nutzungszeit zeigte sich eine<br />
mikrobielle Besiedelung mit Bakterien bis zu KBE 7,5 x 10 5 (Abbildung 1a) und mit<br />
Schimmelpilzen bis zu KBE 6 x 10 6 (Abbildung 1b) auf der unreinen Seite der<br />
Atemschutzfilter. Bei drei atemwegssymptomatischen Landwirten konnten im<br />
Immunoblot Hinweise auf eine IgE vermittelte Sensibilisierung gegen die detektierten<br />
Schimmelpilze wie Mucor, Aureobasidium, Penicillium und Aspergillus nachgewiesen<br />
werden. Ein „Durchschlagen“ der Schimmelpilze auf die reine, den Atemwegen<br />
zugewandte Seite der Atemschutzfilter konnte in fast allen Betriebsarten bereits nach<br />
zwei Wochen Nutzungsdauer nachgewiesen werden, ebenso eine relevante mikrobielle<br />
563
P63<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Hintergrundbelastung in den zur Aufbewahrung der Arbeitskleidung und<br />
Atemschutzausrüstung genutzten Räumen. Diskussion: Die genutzten Atemschutzfilter<br />
waren zur Abscheidung von mikrobieller aerogener Belastung an den<br />
Tierhaltungsarbeitsplätzen prinzipiell geeignet. Dennoch war ein Durchschlagen der<br />
adsorbierten Belastung zu beobachten, so dass bei einer täglich mehrstündigen<br />
Tragedauer ein Filterwechsel der P2, besser P3 Filter, nach ein bis maximal zwei<br />
Wochen erfolgen sollte. Desweiteren empfiehlt sich die Aufbewahrung der<br />
Atemschutzausrüstung in geschützter Atmosphäre. Allerdings ersetzt die Verwendung<br />
derartiger Atemschutzgeräte nicht die Karenz der schädigenden Exposition und weitere<br />
flankierende Maßnahmen wie schützende Arbeitskleidung und die Schaffung von<br />
Schwarz- und Weißbereichen zur Minderung der Allergenverschleppung. Hinsichtlich der<br />
Arbeitskleidung empfiehlt es sich, zumindest bedeckende Arbeitskleidung konsequent im<br />
Stall zu tragen. Auch liegen erste Erfahrungen mit allergendichter Arbeitskleidung als<br />
Präventionsmaßnahme bei rinderallergischen Landwirten vor (Heutelbeck <strong>2009</strong>). Damit<br />
kommen aus präventionsmedizinischer Sicht der Einrichtung einer Umkleide (Schwarz-<br />
Weißbereich), der Nutzung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung, der Sanierung<br />
des häuslichen Bereiches hinsichtlich der Allergenbelastung, sowie der hygienisch<br />
einwandfreien Gestaltung von Arbeits- und Wohnbereich die größere Bedeutung zu, um<br />
der Entwicklung und dem Fortschreiten einer landwirtschaftsbedingten Atemwegsallergie<br />
vorzubeugen. Schlussfolgerungen: Die genutzten Atemschutzfilter waren zur<br />
Abscheidung von mikrobieller aerogener Belastung an den Tierhaltungsarbeitsplätzen<br />
geeignet. Dennoch war ein Durchschlagen der adsorbierten Belastung zu beobachten,<br />
so dass ein Wechsel der P2-, besser P3-Filter nach ein bis maximal zwei Wochen<br />
erfolgen sollte, wenn die Tragedauer täglich mehrere Stunden überschreitet.<br />
Desweiteren empfiehlt sich die Aufbewahrung der Atemschutzausrüstung in geschützter<br />
Atmosphäre.<br />
Literatur: Heutelbeck A, Rinnau E, Luthin S, Thiemich J, Förster G, Nöring R, Rabente T,<br />
Glade T, Warfoloneow I, Dunkelberg H, Schulz TG, Hallier E (2004) Allergologische<br />
Diagnostik bei Verdacht auf eine Schimmelpilzallergie beim Umgang mit<br />
Kühlschmierstoffen in der Metallindustrie. Zbl. Arbeitsmed. 54, 138 – 145<br />
Heutelbeck ARR, Hallier E (<strong>2009</strong>) Aktuelles zur Prävention der berufsbedingten<br />
Rinderallergie in der Landwirtschaft: Erfahrungen mit allergendichter Arbeitskleidung<br />
Zbl. Arbeitsmed 59, 82-87<br />
Müller-Wening D, Repp H (1989) Investigation on the protective value of breathing<br />
masks in farmer’s lung using an inhalation provocation test. Chest 95, 100-105<br />
Taivainen AI, Tukiainen HO, Terho EO, Husman KR (1998) Powered dust respirator<br />
helmets in the prevention of occupational asthma among farmers. Scand. J. Work<br />
Environ. Health 24, 503-507<br />
Die Untersuchung erfolgte in Kooperation mit der LBG Niedersachsen-Bremen.<br />
564
P63<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Atemschutzfilter Nutzungszeit 1 Woche<br />
Atemschutzfilter Nutzungszeit 2 Wochen<br />
Atemschutzfilter Nutzungszeit 3 Wochen<br />
Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 1 Woche<br />
Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 2 Wochen<br />
Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 3 Wochen<br />
Abbildung 1: Darstellung der Keimlast in Atemschutz- und Kontrollfiltern in den untersuchten Tierhaltungsbetrieben in Abhängigkeit von<br />
der Nutzungsdauer der Atemschutzausrüstung (a: kolonienbildende Einheiten bakteriellen Ursprungs; b: kolonienbildende Einheiten<br />
pilzbedingten Ursprungs)<br />
565
P64<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Mus m 1 Exposition unter verschiedenen Arbeits- und Haltungsbedingungen<br />
in der Labortierhaltung<br />
Siegfried Turowski 1,2 , Jürgen Krause 3 , Ernst Hallier 1 , Hermann Riedesel 3,4 , Astrid Heutelbeck 1<br />
1 Arbeits- und Sozialmedizin Universitätsmedizin Göttingen (UMG)<br />
2 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)<br />
3 Max-Planck-Institut (MPI) für Experimentelle Medizin, Tierhaus Göttingen<br />
4 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Tierexperimentelle Einheit, Braunschweig<br />
Hintergrund:<br />
Atemwegserkrankungen durch Labortierallergene sind bei Beschäftigten in<br />
experimentellen Tierhaltungen weit verbreitet. Zur Entwicklung geeigneter<br />
Arbeitsschutzstrategien ist eine Analyse der Allergenbelastung notwendig. Gegenstand<br />
der vorliegenden Untersuchung war die inhalative Mausallergenexposition unter<br />
verschiedenen Arbeitsplatzbedingungen.<br />
Methodik:<br />
Mittels stationärer und personengetragener Messung (Durchfluß: 2,5 to 3 l/min, 8 µm<br />
Zellulosenitratfilter) wurden in Tierlaboren, der Käfigwaschanlage sowie an einem<br />
indirekt allergenexponierten PC-Arbeitsplatz die alveolengängigen und einatembaren<br />
Staubfraktionen jeweils über die Dauer einer Arbeitsschicht gesammelt. Dabei wurden<br />
verschiedenen Haltungs- (offene Käfige, einzeln belüftete Käfige (IVC) mit Über- und<br />
Unterdruckbelüftung) und Arbeitsbedingungen (offenes Umsetzen der Tiere, Umsetzen<br />
unter der Laminarflowbank) berücksichtigt. Nach Extraktion wurde das Mausallergen<br />
mus m 1 mittels kommerziell erhältlichem ELISA quantifiziert.<br />
Ergebnis:<br />
In den IVC´s lag der mittlere Allergengehalt von mus m 1 bis 0,55 ng/m 3 (Überdruck), in<br />
den Ställen mit offenen Käfigen bei bis zu 12,97 ng/m 3 . Beim offenen Umsetzen fanden<br />
sich mus m 1 Level bis zu 17,55 ng/m 3 verglichen mit 0,67 ng/m 3 beim Umsetzen unter<br />
der Laminarflowbank. Höhere Allergenmengen, bis zu 84,93 ng/m 3 mus m 1, wurden in<br />
der Luft bei der Käfigwaschanlage detektiert; mittels Absaugung konnte der Level auf<br />
2,59 ng/m 3 verringert werden. In der Luft am PC Arbeitsplatz ließen sich<br />
Mausallergenmengen bis zu 7,16 ng/m 3 nachweisen.<br />
Diskussion und Schlussfolgerung:<br />
Unter den meisten Arbeitsbedingungen waren relevante Mausallergenexpositionen<br />
festzustellen. Bereits in früheren Untersuchungen konnte die Einstreu der Käfige als<br />
Hauptquelle für die aerogene Belastung in den Tierlaboren identifiziert werden (Kaliste<br />
566
P64<br />
Poster – Atemwege IV<br />
2004). Ebenso findet die höchste Belastung mit Mausallergenen in Folge des direkten<br />
Tierkontaktes statt (Ohman 1994). Wichtig war die Beobachtung, dass sich auch an<br />
indirekt exponierten Arbeitsbereichen, wie beispielsweise dem PC-Arbeitsplatz, relevante<br />
Mausallergenbelastungen nachweisen ließen. Bei der offenen Käfighaltung traten bis zu<br />
20-fach höhere mus m 1 Expositionen als bei einzeln belüfteten Käfigen auf. Die<br />
Belüftung der IVC‘s mit Unterdruck ergab hingegen nur geringe Unterschiede hinsichtlich<br />
der aerogenen Mausallergenbelastung im Vergleich zur Belüftung mit Überdruck.<br />
Der Vergleich des Umsetzens der Tiere ohne Abzug oder unter der Laminarflowbank<br />
zeigte für Letzteres erwartungsgemäß eine geringere Allergenbelastung (vgl. Gordon<br />
2001). In der Käfigwaschanlage konnte eine 32-fache Allergenreduktion durch die<br />
Installation einer einfachen Absaugung erreicht werden. Weiterführende Untersuchungen<br />
sollen die Relevanz der möglichen Allergenminderung hinsichtlich der Prävention<br />
arbeitsbedingter Atemwegsallergien beleuchten.<br />
Literatur :<br />
Kaliste et al.: The bedding of laboratory animals as a source of airborne contaminant.<br />
Lab Animals (2004) 38: 25-37<br />
Gordon et al.: Elimination of mouse allergens in the working environement: assessment<br />
of individually ventilated cage systems and ventilated cabinets in the containment of<br />
mouse allergens. J Allergy Clin Immunol (2001) 108: 288-294<br />
Ohman et al.: Distribution of airborne mouse allergen in a major mouse breeding facility.<br />
J Allergy Clin Immunol (1994) 94: 810-817<br />
567
P64<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Tabelle 1: Ergebnisse der Allergenmessung<br />
Arbeitsbereich Haltung und Arbeitsverfahren MUS m1 level (ng/m 3 )<br />
Tierlabor (nachts) offene Käfige 12,97<br />
Tierlabor<br />
(Käfigwechsel)<br />
einzeln belüftete Käfige (IVC) mit<br />
Unterdruckbelüftung<br />
einzeln belüftete Käfige (IVC) mit<br />
Überdruckbelüftung<br />
Umsetzen der Tiere ohne<br />
Laminarflow-Bank (offene Käfige)<br />
Umsetzen der Tiere unter der<br />
Laminarflow-Bank (IVC –<br />
Unterdruck)<br />
Umsetzen der Tiere ohne<br />
Laminarflow-Bank (IVC)<br />
< NG<br />
0,55<br />
17,55<br />
0,67<br />
1,15<br />
Käfigwaschanlage ohne Absaugung 84,93<br />
mit Absaugung 2,59<br />
indirekt exponierte<br />
Bereiche<br />
PC Arbeitsplatz 7,16<br />
568
P65<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Arbeitsplatz Geflügelstall – hohe Belastung durch Bioaerosole<br />
Monika A. Rieger 1,2 , Nicole Blomberg 1<br />
1<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />
Fakultät für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />
2<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27, 72074 Tübingen<br />
Einleitung<br />
Zum Ende des Jahres 2008 liefen die Übergangsfristen zur Abschaffung der<br />
Käfighaltung in Deutschland endgültig aus. Damit sind nur noch verschiedene Varianten<br />
der Bodenhaltung und die Kleingruppenhaltung, eine modifizierte Form der Käfighaltung,<br />
zulässig. In explorativen Messungen in alternativen Legehennenhaltungssystemen<br />
wurde gezeigt, dass die Beschäftigten regelmäßig hohen Konzentrationen des Stall-<br />
Bioaerosols ausgesetzt sind (1). Dies kann zu erheblichen Auswirkungen auf die<br />
Gesundheit der Exponierten führen. Im Rahmen eines Verbundprojektes werden Qualität<br />
und Quantität der luftgetragenen biologischen Arbeitsstoffe zur Charakterisierung der<br />
verschiedenen artgerechten Haltungsformen mit Fokus auf den Arbeitsschutz<br />
herangezogen (BLE, Teilprojekt 05 HS 012/1). Ziel des Verbundprojektes ist es, den<br />
Umfang und die Höhe der wichtigsten luftbelastenden Stoffe zu ermitteln und<br />
Emissionsminderungsmaßnahmen zu identifizieren sowie persönliche<br />
Arbeitsschutzmaßnahmen für die in der Legehennenhaltung Beschäftigten zu erarbeiten.<br />
Methoden: Folgende Haltungssysteme wurden für die Untersuchung ausgewählt:<br />
Freilandhaltung (Innenraum: Ganzrostboden über Kotgrube, eingestreuter<br />
Scharrbereich) - Bodenhaltung (Kotlagerung ganzjährig im Stall, Scharrbereich im Stall,<br />
Sitzstangen auf 3 Ebenen, kein Wintergarten) – Voliere (Kotbänder, Scharrrbereich im<br />
Stall, kein Wintergarten) – Kleingruppenhaltung (mit Scharrfläche). Alle Ställe hatten eine<br />
temperaturgesteuerte Zwangsbelüftung. Über zwei Aufstallungsperioden wurden<br />
Schimmelpilze (SP), Endotoxine und Glucane aus filtriertem Stallstaub (GSP-PGP-<br />
System, BGIA) gemäß BGIA-Merkblätter bestimmt (SP: indirektes kulturelles Verfahren;<br />
Endotoxine: COAMATIC® Chromo-LAL K; Glucane bestimmt als Differenz der<br />
Endotoxinbestimmung mit und ohne Glucashield®-Puffer) (Durchführung der<br />
mikrobiologischen Untersuchungen: Labor Dr. Balfanz – Dr. Lohmeyer GbR, Münster).<br />
Die Messungen wurden alle drei Monate an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stationär<br />
(Grundbelastung im Stall) und personengetragen (Tätigkeiten der Beschäftigten)<br />
durchgeführt.<br />
569
P65<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Ergebnisse: Zur Auswertung lagen die Messwerte aus dem Zeitraum 6/2007-12/2008<br />
vor. Über alle Messzeitpunkte zusammengefasst wiesen bei der stationären Messung die<br />
Bodenhaltung und der Stall der Freilandhaltung die höchsten Endotoxinkonzentrationen<br />
(mit Glucashield®-Puffer) auf (Median: 4.943 EU/m 3 bzw. 3.338 EU/m 3 ), gefolgt von der<br />
Voliere und der Kleingruppenhaltung (Median: 1.181 EU/m 3 bzw. 633 EU/m 3 ). Erhöhte<br />
Schimmelpilzkonzentrationen fanden sich nur in der Freilandhaltung (2.191 KBE/m 3 ). Die<br />
Endotoxinkonzentrationen schwankten z.T. erheblich (Abb. 1).<br />
Abb. 1: Endotoxine - Ergebnisse der stationären Messung, Nachweis mit Glucashield®<br />
Diskussion:<br />
In den untersuchten Geflügelställen wurden die Beschäftigten hohen Konzentrationen<br />
luftgetragener biologischer Arbeitsstoffe ausgesetzt. Die Endotoxinkonzentrationen lagen<br />
in den beiden Bodenhaltungssystemen (Bodenhaltung und Stall der Freilandhaltung)<br />
höher als in der Voliere und der Kleingruppenhaltung. Nicht zuletzt da die Tiere auf<br />
Tätigkeiten der Beschäftigten in der Regel mit einer höheren Aktivität reagieren, ist für<br />
die Arbeit in allen Haltungssystemen gemäß TRBA 230 (2) die Verwendung von<br />
Atemschutz zu empfehlen (z.B. partikelfiltrierende Halbmasken). In einem Teilprojekt des<br />
Verbundes erfolgt eine entsprechende Intervention bei Beschäftigten in der<br />
Geflügelhaltung (Schulung, Anleitung zum Tragen von Masken, Erfassen der Effektivität<br />
von Atemschutz). Daneben müssen diejenigen baulich-technischen Faktoren identifiziert<br />
werden, die die Luftqualität im Stall beeinflussen. Dieser Ansatz wird in weiteren<br />
Teilprojekten des Verbundes verfolgt.<br />
570
P65<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Danksagung<br />
Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Bundesanstalt für Ernährung<br />
und Landwirtschaft (BLE) (FKZ 05 HS 012/1). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und<br />
Sozialmedizin Tübingen wird finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und<br />
Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall).<br />
Literatur<br />
(1) Blomberg, N., Rieger, M.A.: Luftqualität in alternativen Legehennenhaltungsbetrieben<br />
Orientierende Untersuchungen zu biologischen Arbeitsstoffen, Gefahrstoffe –<br />
Reinhaltung der Luft, 68 (9), 2008, 369-378<br />
(2) TRBA 230 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der<br />
Land- und Forstwirtschaft und vergleichbaren Tätigkeiten“, Ausgabe November 2007,<br />
www.baua.de<br />
571
P66<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Polyaziridinvernetzer in der Lederindustrie – Auslöser eines<br />
pseudoallergischen Berufsasthmas?<br />
Elke Ochsmann 1,2 , Barbara Jüngert 2 , Hans Drexler 2<br />
1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Erlangen<br />
Einleitung: Ein 61jähriger Patient stellte sich im Nov 07 zur Begutachtung am Institut für<br />
Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg vor. Er war als<br />
Zurichter in der Lederindustrie tätig, wo seine Tätigkeit darin bestand behandeltes Leder<br />
auf eine Bahn aufzulegen, die in den Trockenkanal führt. Aufgrund von Beschwerden im<br />
Sinne einer obstruktiven Atemwegserkrankung stellte der behandelnde Lungenfacharzt<br />
eine BK-Anzeige (gefährdende Einwirkung: Lösungsmittel am Arbeitsplatz). Das<br />
Unternehmen hielt nach Kontrolle des Arbeitsplatzes fest, dass die Atembeschwerden<br />
am ehesten aufgrund von Verdampfung der Hilfsmittel Härter U und Telac W15 auftreten<br />
könnten, dass keine direkt gefährdende Tätigkeit ausgeübt wird, dass daher auch keine<br />
Ergebnisse von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vorliegen würden und<br />
ebenso keine Luftmessungen am Arbeitsplatz.<br />
Aus den Unterlagen des Lungenfacharztes konnten vor Lyse ein VCin (l) von 75%; ein<br />
FEV1max (l) von 44%, ein FeV1/VC von 59% und ein Rtot (kPas/l) von 131% bestimmt<br />
werden. Nach Lyse wurden folgende Werte gemessen: VCin (l) 93%, FEV1max (l) 55%,<br />
FEV1/VC 59% und Rtot (kPas/l) 66%. Als Therapie wurde Salbutamol bei Bedarf<br />
festgelegt.<br />
Im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes wird erläutert, dass als Zurichtung die<br />
Schutzschicht bezeichnet wird, die auf das nach der Gerbung und dem Färben<br />
getrocknete Leder aufgetragen wird, um es vor mechanischer Beanspruchung,<br />
Verschmutzung und Feuchtigkeit zu schützen. Die Zurichtchemikalien werden in einem<br />
Spritzkanal aufgebracht. Das Spritzen des Leders läuft in einem geschlossenen System<br />
(mit Ablüftvorrichtung) ab. In der Farbküche (getrennter Raum) werden die Chemikalien<br />
gemischt, in einem Fass zur Spritzmaschine transportiert und über einen Schlauch<br />
angesaugt. Der Versicherte war ausschließlich an der Spritzmaschine tätig.<br />
Atemwegsprobleme des Versicherten treten nur bei Verwendung des Härter U auf<br />
(Inhaltsstoffe: Polyaziridinvernetzer (50-100%) und 1-Methoxy-2-propanol (25-50%).<br />
Anamnese:<br />
Hustenreiz und Atemnot am Arbeitsplatz, die im Urlaub oder am Wochenende<br />
nicht bestehen würden. Im Alltag sonst keine Atembeschwerden.<br />
572
P66<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Atemnot-Symptomatik beim Umgang mit Härter U in der Spritzmaschine (bereits<br />
kurz nach Einbringung des Arbeitsstoffes, aber z. T. nächtliche<br />
Verschlimmerung).<br />
Augenbrennen, Augenrötung und z. T. auch Nasenbluten am Arbeitsplatz (auch<br />
bei Kollegen).<br />
Schutzausrüstung: Handschuhe<br />
Der Mitarbeiter ist seit 1965 als Gerber tätig (mit einer Unterbrechung von 4<br />
Jahren, in denen er in der Keramikindustrie beschäftigt war: 1985-1989). Keine<br />
relevanten betrieblichen Veränderungen.<br />
Exraucher seit 12 Jahren, zuvor ca. 30 Jahre eine halbe Schachtel pro Tag<br />
Familienanamnese: keine allergischen Erkrankungen, keine Atopie bekannt<br />
Untersuchungsergebnisse:<br />
körperliche Untersuchung (insbesondere Auskultation der Lunge) unauffällig.<br />
Ausgangs-Lungenfunktionsdiagnostik (Einnahme der Bedarfs-Medikation am<br />
vorherigen Tag): kein Hinweis auf eine obstruktive Ventilationsstörung:<br />
VCin (l) 4,36 (124%)<br />
FEV1max (l) 3,43 (127%)<br />
ITGV (l) 3,45 (106%)<br />
Rtot (kPas/l) 0,18 (60%)<br />
sRtot (kPas) 0,69 (59%)<br />
Metacholintest: mittelgradige unspezifische bronchiale Hyperreagibilität.<br />
Bereits bei einer kumulativen Metacholindosis von 0,106 ml (3. Metacholinstufe)<br />
Auftreten einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (UHB).<br />
Rtot (kPas/l) vorher 0,15 nachher 0,35<br />
sRtot (kPas) vorher 0,50 nachher 1,39<br />
Arbeitsplatz-Inhalations-Test (AIT)<br />
Ca. 50 ml Aziridinvernetzer in Plastikschale mit Spatel verrührt – Abstand zum<br />
Gesicht ca. 30 cm<br />
Klinik: sofort Augenbrennen, zunehmender Husten, nach 5minütiger Exposition<br />
Abbruch wegen Dyspnoe und Schwindelgefühl. Unauffällige Auskultation.<br />
Lungenfunktionsanalyse (AIT – direkt nach Abbruch der Exposition):<br />
VCin (l) 4,15 (118%)<br />
FEV1max (l) 3,11 (115%)<br />
ITGV (l) 2,64 (81%)<br />
Rtot (kPas/l) 0,42 (141%)<br />
sRtot (kPas) 1,30 (110%)<br />
573
P66<br />
Poster – Atemwege IV<br />
Pricktestung mit Härter U-Polyaziridinvernetzer 5% in physiologischer<br />
Kochsalzlösung bei dem Mitarbeiter wie auch bei zwei Kontrollpersonen:<br />
Mitarbeiter: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 4/4; Polyaziridinvernetzer 5/5<br />
Kontrolle1: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 8/25; Polyaziridinvernetzer 7/7<br />
Kontrolle2: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 5/10; Polyaziridinvernetzer 5/5<br />
Laboruntersuchungen: IgE gesamt: 7,28 U/ml.<br />
Schlussfolgerung:<br />
Nach Exposition erfolgte eine sofortige klinische Reaktion des Mitarbeiters, was im Sinne<br />
einer allergischen Reaktion vom Typ 1 gedeutet werden könnte. In der Literatur wird ein<br />
sehr unspezifisches Bild, was das allergische Potential von Polyaziridinvernetzern betrifft<br />
gezeichnet, das von akuten Reaktionen der Atemwege über Rhinitis, Quaddelbildung bis<br />
zur Kontaktdermatitis reicht. Meist kann keine deutliche IgE-Erhöhung nachgewiesen<br />
werden. Weiterhin konnte bis jetzt kein spezifisches IgE/IgG nachgewiesen werden [1-3].<br />
Die positive Reaktion im Pricktest der nicht exponierten Kontrollpersonen könnte ein<br />
Hinweis auf eine unspezifische Histaminliberation durch Aziridin sein und die bronchiale<br />
Reaktion des Patienten am Arbeitsplatz erklären. Damit könnten die Beschwerden des<br />
Mitarbeiters als pseudoallergisches Berufsasthma gelten. Eine weitere Abklärung dieses<br />
Zusammenhangs ist angedacht, ggf. wird ein B-Zell-Aktivierungs-Test durchgeführt<br />
werden.<br />
574
P67<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Gibt es ein Krebsrisiko durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />
Gesundheitswesen?<br />
Grita Schedlbauer, Wolfgang Wegscheider, Udo Eickmann, Albert Nienhaus<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.<br />
Einleitung: Formaldehyd wird im Gesundheitswesen in größeren Mengen zur<br />
Desinfektion und Konservierung verwendet. Die IARC stuft Formaldehyd in ihrer<br />
vorläufigen Evaluation als krebserzeugend beim Menschen ein [1]. Das Risiko für<br />
Karzinome im Nasopharyngeal-Bereich ist danach erhöht. In einem Literatur-Review<br />
wurde die Evidenz für diese Einschätzung untersucht. Ferner wurden Daten zur<br />
Expositionssituation im Gesundheitswesen gesucht, um ein evtl. Krebsrisiko für<br />
Beschäftigte im Gesundheitswesen abschätzen zu können.<br />
Methode: Die Analyse beruht auf 9 Meta-Analysen bzw. publizierten Reviews sowie einer<br />
Medline-Recherche mit den entsprechenden Stichwörtern. Über Medline konnten wir<br />
keine Studien zur Exposition im Gesundheitswesen identifizieren. In den einschlägigen<br />
deutschen Zeitschriften wurden per Handsuche drei relevante Publikationen identifiziert.<br />
Ergebnisse: Die Studien sind insgesamt widersprüchlich. Die Einstufung von<br />
Formaldehyd als human-kanzerogener Stoff, der Nasopharyngeal-Tumore verursacht,<br />
lässt sich am ehesten mit der Meta-Analyse von Blair et al. [2] begründen. Lediglich in 3<br />
Studien von 9 Metaanalysen wurden Expositionen quantifiziert und es zeigten sich<br />
erhöhte Risiken für Nasopharynx-Karzinome (Tabelle 1). Bei der kombinierten Analyse<br />
der drei Studien fand sich in der höchsten Expositionsgruppe ein statistisch signifikant<br />
erhöhtes RR von 2,1 für Nasopharyngeal-Tumoren [2]. Die Definition der höchsten<br />
Expositionsgruppe war in den drei kombinierten Studien uneinheitlich: ≥5,5 ppm-Jahre,<br />
eine höhere Exposition (≥1 ppm/Tag) für mindestens 20 Jahre oder nur qualitative<br />
Angabe. Systematische Messungen von Formaldehyd-Expositionen im<br />
Gesundheitswesen liegen nur in geringer Zahl vor. Der Kurzzeitwert für Formaldehyd<br />
(0,6 ppm) wurde je nach Tätigkeit in 20-53% der Messungen überschritten.<br />
Diskussion: Insgesamt ist die Datenlage für die Einstufung von Formaldehyd als<br />
Humankanzerogen eher schwach. Die Studien erlauben keine Abschätzung von<br />
Dosiswirkungsbeziehungen. Expositionsermittlungen wurden bisher eher in Hinblick auf<br />
Einhaltung oder Nicht-Einhaltung der Grenzwerte durchgeführt. Kumulierte<br />
Expositionsabschätzungen liegen nicht vor. Deshalb kann keine evidenzbasierte<br />
Abschätzung des Krebsrisikos durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />
575
P67<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Gesundheitswesen vorgenommen werden. Aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse<br />
der epidemiologischen Studien ist eher von einem geringen Krebsrisiko auszugehen.<br />
Tabelle 1: Studien mit quantitativen Angaben zur Expositionshöhe und erhöhtem Risiko für<br />
Nasopharynx-Karzinome<br />
Studie Expositionshöhe Ergebnis<br />
Roush et al. [3] Höhe der Exposition (keine, 20 Jahre in der<br />
Gruppe der älteren Männer (>68<br />
Jahre)<br />
Marsh et al. [4]<br />
Blair et al. [5] *<br />
>0,2 ppm;<br />
>0,2 ppm für >10 Jahre<br />
Tätigkeiten wurden 5 geschätzten<br />
Expositionskategorien zugeordnet<br />
und ppm-Jahre berechnet (
P68<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Gewalt und Aggression gegenüber Beschäftigten in Pflege- und<br />
Betreuungsberufen<br />
Simone Franz, Annett Zeh, Anja Schablon, Saskia Kuhnert, Albert Nienhaus<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />
Ziel der Studie<br />
Handlungen der Gewalt und Aggression, die durch Klienten gegenüber Pflege- und<br />
Betreuungspersonal ausgeübt werden, können schwere körperliche und psychische<br />
Folgen für die Betroffenen haben. Angaben über die Prävalenz sowie die Art und<br />
Schwere derartiger Übergriffe sind nur bedingt aussagekräftig, da sich die<br />
Studiendesigns teilweise sehr stark unterscheiden (Zeh et al. 2008). Darüber hinaus ist<br />
von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, so dass die Zahl tatsächlicher Übergriffe<br />
vermutlich höher liegt (Rippon 2000). Besonders in Deutschland steht die Forschung in<br />
diesem Themenbereich noch am Anfang (Richter 2002). Das Ziel der vorliegenden<br />
Studie war es zum einen das Vorkommen sowie die Art und Schwere von Gewalt und<br />
Aggression gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen näher zu beleuchten. Zum<br />
anderen sollten Aussagen über den Bedarf an Maßnahmen zum Umgang mit derartigen<br />
Übergriffen getroffen werden.<br />
Methoden<br />
Im Rahmen einer Querschnittserhebung wurden Pflege- und Betreuungspersonen mit<br />
einem standardisierten Erhebungsinstrument zu ihren Erfahrungen mit körperlicher und<br />
verbaler Aggression in den vorausgegangenen zwölf Monaten schriftlich befragt. In dem<br />
Instrument waren sowohl Fragen zu Häufigkeit und Art der Übergriffe enthalten, als auch<br />
zu den Folgen, zu der Belastung und zu unterstützenden Angeboten am Arbeitsplatz. Die<br />
Stichprobe bestand aus 123 Pflegekräften und Betreuungspersonen, die aus einer<br />
psychiatrischen Klinik, zwei Einrichtungen der stationären Altenpflege und einer<br />
Werkstatt für behinderte Menschen (WFB) rekrutiert wurden. Die Responserate betrug<br />
38,8%.<br />
Ergebnisse<br />
Verbale Gewalt erlebten 89,4% und körperliche Gewalt 70,7% der Befragten. In der<br />
Abbildung 1 ist die Prävalenz aggressiven Verhaltens getrennt nach<br />
Versorgungsbereichen dargestellt. Beschäftigte aus der stationären Altenpflege waren<br />
ähnlich stark von verbaler und körperlicher Aggression betroffen wie Pflegekräfte aus der<br />
psychiatrischen Klinik. 82,9% der von verbaler Gewalt betroffenen Personen berichten,<br />
dass derartige Übergriffe einmal im Monat oder häufiger geschehen sind. Im Bereich der<br />
577
P68<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
körperlichen Gewalt waren dies 44,8%. Weitere Ergebnisse der Studie waren, dass<br />
Gewalt und Aggression zumeist mit leichteren körperlichen Beeinträchtigungen (z.B.<br />
kurzzeitige Schmerzen) einhergingen. 10,9% gaben an, dass eine ärztliche Behandlung<br />
notwendig war. Anders sieht es mit den emotionalen Folgen aus. Die befragten Personen<br />
empfangen nach Übergriffen vor allem Ärger, Wut, Enttäuschung oder Hilflosigkeit. Die<br />
Belastung durch Gewalt und Aggression wurde von 36,2% als wenig oder mittelmäßig<br />
belastend eingeschätzt, 27,6% empfunden die Situationen als stark belastend. Soziale<br />
Unterstützung erhielten die befragten Personen vor allem aus dem Kollegenkreis<br />
(83,6%). Dagegen haben 12,9% keinerlei soziale Unterstützung nach Übergriffen<br />
erhalten. Angebote zum Umgang mit Gewalt und Aggression bestehen derzeit vereinzelt<br />
in den Einrichtungen, darunter vor allem Weiterbildungsangebote und<br />
Fallbesprechungen. Was die Nutzung dieser betrifft, gaben 37,9% der Befragten an,<br />
keinerlei Angebote nach Situationen mit aggressiven Klienten in Anspruch genommen zu<br />
haben.<br />
Anzahl<br />
in%<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
78,7<br />
96,7<br />
Psychiatrisches<br />
Krankenhaus<br />
90,3<br />
83,9<br />
Altenpflege<br />
41,9<br />
77,4<br />
Behindertenhilfe<br />
körperlich<br />
verbal<br />
Abbildung 1: Prävalenz von Gewalt und Aggression in den untersuchten Versorgungsbereichen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Gewalt und Aggression stellen in den untersuchten Versorgungsbereichen ein großes<br />
Problem dar. Überraschenderweise war der Anteil an Gewalt und Aggression in der<br />
psychiatrischen Einrichtung vergleichbar hoch wie in den Einrichtungen der Altenpflege.<br />
Diesen Unterschieden sollte in weiteren Studien nachgegangen werden. Die aggressiven<br />
Übergriffe wurden als belastend eingeschätzt und zogen negative Emotionen nach sich.<br />
Angebote zum Umgang mit derartigen Situationen werden in den Einrichtungen noch<br />
nicht ausreichend vorgehalten. Der Bedarf an Angeboten zur Prävention und Nachsorge<br />
ist daher als hoch einzuschätzen.<br />
578
P68<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Literatur<br />
Richter, D.: Gewalt am Arbeitsplatz: Das Gesundheitswesen. In: Bundesanstalt für<br />
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.) (2002): Gewalt am Arbeitsplatz. Fachgespräch<br />
vom 26. Februar in Dresden. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW. S. 81-92.<br />
Rippon, T. J.: Agression an violence in health care professions. In: Journal of Advanced<br />
Nursing, Band 31, 2000, Nr. 2, S. 452-460.<br />
Zeh, A./Schablon, A./Wohlert, C./Richter, D./Nienhaus, A.: Gewalt und Aggression in<br />
Pflege- und Betreuungsberufen – Ein Literaturüberblick. In: Gesundheitswesen, zur<br />
Publikation angenommen am 23.12.2008.<br />
579
P69<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Wie sicher ist sicher? Entsorgung sicherer Instrumente<br />
Sabine Wicker 1,2 , Pia Lechner 3 , Holger F. Rabenau 2 , René Gottschalk 2 , Alexander<br />
Bockenheimer 3 , Christina Berger 3<br />
1 Betriebsärztlicher Dienst, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main<br />
2 Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am<br />
Main<br />
3 Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische Universität<br />
Darmstadt<br />
Einleitung: Nadelstichverletzungen sind ein ernstes Gesundheitsrisiko für Mitarbeiter im<br />
Gesundheitswesen. In diesem Kontext spielen v. a. das Hepatitis B-Virus, Hepatitis C-<br />
Virus sowie das HI-Virus eine maßgebliche Rolle. Aus diesem Grund wurde in<br />
Deutschland 2007 mit der geänderten TRBA 250 die Einführung sog. „sicherer<br />
Instrumente“ verpflichtend vorgeschrieben. Unklar bleibt dabei bislang, wie bruchsicher<br />
im Sinne der Abfallentsorgung diese Instrumente einzustufen sind. Aus ökonomischer<br />
und ökologischer Sicht sollte untersucht werden, ob Instrumente mit aktiviertem<br />
Sicherheitsmechanismus auch weiterhin im Abwurfbehälter entsorgt werden müssen.<br />
Methoden: Die sicheren Instrumente wurden eines Drei-Punkt-Biegeversuches<br />
unterzogen. Hierbei wurden die Kräfte ermittelt, die nötig waren, um die Nadel<br />
freizulegen, so dass der Schutz vor Stichverletzungen während der Entsorgung nicht<br />
mehr gewährleistet war. Die Instrumente wurden im Hinblick auf Handhabung und<br />
Entsorgung bewertet.<br />
Ergebnisse: Bezüglich der Handhabung und Aktivierung des Sicherheitsmechanismus<br />
wurden relevante Unterschiede deutlich. Bei einigen Instrumenten ist bei korrekter<br />
Anwendung keinerlei Kontakt mit der Nadelspitze möglich, bei anderen Instrumenten<br />
kann der Mechanismus erst nach der Anwendung durch den Benutzer aktiviert werden,<br />
so dass es unter Umständen zum Kontakt mit der Nadelspitze kommen könnte. Die<br />
untersuchten sicheren Instrumente konnten die gesetzte Kraftgrenze nicht erreichen und<br />
sollten dementsprechend auch weiterhin im Abwurfbehälter entsorgt werden. Weitere<br />
Entwicklungen seitens der Hersteller könnten es ermöglichen, die Instrumente auch<br />
zusammen mit Abfällen des Abfallschlüssels AS 180104 zu entsorgen, was eine enorme<br />
Platzersparnis gepaart mit einem nicht unerheblichen finanziellen Vorteil mit sich bringen<br />
würde.<br />
Diskussion: Die derzeitige Entsorgung der sicheren Instrumente sollte kritisch überdacht<br />
werden. Der Mitarbeiterschutz hat hier, wie auch bei der Handhabung, höchste Priorität,<br />
wenngleich ökonomische sowie umweltspezifische Belange nicht vernachlässigt werden<br />
580
P69<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
dürfen. Handlungsabläufe sollten vor dem Hintergrund der neuen Arbeitsinstrumente<br />
reflektiert werden um unsinnige Automatismen zu vermeiden.<br />
Literatur: Dr. Sabine Wicker, Dipl.-Ing. Pia Lechner, Prof. Dr. Holger F. Rabenau, PD Dr.<br />
Dr. René Gottschalk, Dipl.-Ing. Alexander Bockenheimer, Prof. Dr.-Ing. Christina Berger<br />
Prüfung der Bruchsicherheit sicherer medizinischer Instrumente. Zentralblatt für<br />
Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008<br />
581
P70<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Ist Grippe bei Krankenschwestern häufiger als in der<br />
Normalbevölkerung?<br />
Frank Haamann 1 , R. Williams, G. Diner, Albert Nienhaus 1 , Udo Buchholz 2<br />
1<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />
Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />
2 Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Berlin<br />
Einleitung<br />
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Influenza-<br />
Impfung bei medizinischem Personal. Unklar ist, ob medizinisches Personal (MP) einem<br />
erhöhten Risiko für Influenza-Infektionen ausgesetzt ist. Es wurde eine prospektive,<br />
multizentrische Kohortenstudie mit der Fragestellung initiiert, ob medizinisches Personal<br />
in der stationären Akutversorgung ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant<br />
erhöhtes Risiko für eine Influenza-Infektion hat.<br />
Methoden<br />
Die Studie wurde in der Saison 2006/07 in Berlin durchgeführt. Das medizinische<br />
Personal (MP) wurde aus drei Berliner Krankenhäusern rekrutiert. Nichtmedizinischisches<br />
Personal wurde aus Blutspendezentren, einem Verwaltungszentrum,<br />
einer Bundesbehörde und zwei akademischen bzw. berufsbildenden Einrichtungen<br />
rekrutiert. Die Teilnehmer wurden vor und nach der Influenzasaison zu demographischen<br />
Grundinformationen und Risikofaktoren befragt, wie z.B. Influenza-Impfung, ausgeübter<br />
Beruf, Haushaltsgröße, Zusammensetzung des Haushalts, Autobesitz und der<br />
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Während der Influenzasaison wurden SMS bzw.<br />
emails an alle Teilnehmer mit der Frage nach Atemwegserkrankungen versandt. Wurde<br />
diese Anfrage bejaht, wurden die betreffenden Teilnehmer zur Durchführung eines<br />
detaillierteren Symptomfragebogens angerufen. Zur Bestimmung der Antikörpertiter<br />
gegen aktuelle Influenzaviren wurde den Teilnehmern vor und nach der Influenzasaison<br />
Blut abgenommen. Serokonversion (SK) war definiert als vierfacher Titeranstieg und<br />
einem post-saisonalen Titer von mindestens 40. Die Datenanalyse erfolgte mittels der<br />
Software STATA (College Station, TX, USA).<br />
Ergebnisse<br />
Es wurden initial 1044 Teilnehmer rekrutiert, davon konnten 736 in die Endanalyse<br />
aufgenommen werden (250 MP, 486 nicht-MP). Die Altersverteilung war zweigipflig mit<br />
den beiden Gipfeln in der 3. und 5. Lebensdekade. Fast drei Viertel der Teilnehmer war<br />
weiblich. Fehlende Impfung, Autobesitz, Mehrpersonen-Haushalt und die Anwesenheit<br />
von einem oder mehr Kindern im Haushalt waren in der univariaten Analyse signifikant<br />
mit SK assoziiert, MP, Subgruppen von MP (z.B. Krankenschwestern) und die<br />
582
P70<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel dagegen nicht. In der multivariaten Analyse<br />
blieben (fehlende) Impfung, die Anwesenheit von Kindern im Haushalt und Autobesitz als<br />
signifikante Variablen im Modell. Nebenergebnisse waren, dass mindestens 28% der<br />
Teilnehmer mit Influenza-Infektion asymptomatisch blieben, dass der positive<br />
Vorhersagewert über den Studienzeitraum, d.h. während der Grippewelle 26% betrug,<br />
und dass die Schutzwirkung der Impfung etwa 44% gegen SK und etwa 75% gegen SK<br />
mit Influenza-artiger Symptomatik betrug.<br />
Schlussfolgerung<br />
Es konnten in diesem Setting und der untersuchten Saison keinen Anhalt dafür gefunden<br />
werden, dass MP in der akuten, stationären Patientenversorgung ein im Vergleich zur<br />
Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko für eine Influenza-Infektion hatte. Falls ein<br />
erhöhtes Risiko bestand, war die Power der Stichprobe zu klein, um dieses zu<br />
identifizieren. In dem Kollektiv war die Immunisierungsrate untypisch hoch (in einer Klinik<br />
68%). Die Schutzwirkung der Impfung stellte sich als gut heraus, bei Beschäftigten über<br />
50 Jahren ließ die Schutzwirkung allerdings nach.<br />
Die Aktivität der Grippesaison war mittelgradig. Ob infolge einer aktiven Grippesaison<br />
mehr Grippe – erkrankte Patienten in Krankenhäuser aufgenommen werden und dann<br />
mehr Beschäftigte im Gesundheitsdienst an Influenza infiziert werden, kann daher nicht<br />
beantwortet werden.<br />
Möglicherweise sind Risikofaktoren außerhalb des Berufes, wie die Größe und<br />
Zusammensetzung des Haushaltes, sowie Lebensgewohnheiten (Benutzung eines<br />
Autos) für eine Influenza-Infektion von größerer Bedeutung.<br />
583
P71<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Pertussis: Akzeptanz der Schutzimpfung bei pädiatrischem<br />
Personal einer Universitätskinderklinik<br />
Sabine Wicker 1 , Stefan Zielen 2 , Markus A. Rose 2<br />
1 Betriebsärztlicher Dienst, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main<br />
2<br />
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie, Klinikum der Johann Wolfgang<br />
Goethe-Universität, Frankfurt am Main<br />
Einführung: Keuchhusten-Infektionen bei Säuglingen und Kindern können zu<br />
schwerwiegenden Verläufen und Todesfällen führen. Jedoch auch bei Erwachsenen mit<br />
Pertussis ist bei schätzungsweise 25% mit Komplikationen zu rechnen. Die WHO geht<br />
davon aus, dass es durch Pertussisinfektionen zu jährlich circa 300.000 Todesfällen und<br />
schätzungsweise knapp 40 Millionen Erkrankungsfällen kommt.<br />
Erwachsene sind eine häufige Übertragungsquelle für ungeimpfte und teilgeimpfte<br />
Kinder. Beschäftigte des Gesundheitswesens mit Kontakt zu Kindern haben einerseits<br />
ein erhöhtes Expositionsrisiko und können andererseits auch als Überträger fungieren.<br />
Nosokomiale Pertussis-Übertragungen von Mitarbeitern des Gesundheitswesens auf<br />
Patienten wurden wiederholt beschrieben. Das Robert Koch-Institut nennt medizinisches<br />
Personal mit Kontakt zu Kindern ausdrücklich als eine Risikogruppe, die gegenüber<br />
Pertussis geimpft sein sollte. Nichtsdestotrotz, ist vielen Mitarbeitern im<br />
Gesundheitswesen ihre eigene Gefährdung nicht bewusst und die Akzeptanz der<br />
Pertussis-Impfung im nationalen und internationalen Umfeld ist gering.<br />
Methodik: Anonyme Fragebogenerhebung bezüglich des Pertussis-Impfverhaltens der<br />
Mitarbeiter der Universitäts-Kinderklinik Frankfurt.<br />
Ergebnisse: Die am häufigsten angegebenen Gründe, sich bisher nicht gegen Pertussis<br />
impfen zu lassen, waren: Die Mitarbeiter sahen kein spezifisches Risiko für sich (81,0%);<br />
Pertussis sei keine schwerwiegende Erkrankung (27%), die Angst vor Nebenwirkungen<br />
(20,6%), die falsche Annahme, dass die Pertussis-Impfung selbst eine<br />
Keuchhustenerkrankung auslösen könne (17,5%).<br />
Diskussion: Die Akzeptanz der Pertussis-Impfung bei den im Gesundheitswesen tätigen<br />
Personen ist ungenügend. Die Impfung mit den Kombinationsimpfstoffen ist die<br />
effektivste Prophylaxe gegen Pertussis. Langfristig sollten umfangreiche Maßnahmen<br />
implementiert werden, um einen besseren und präventiven Impfschutz zu erzielen.<br />
Hierdurch könnten nosokomiale Ausbrüche und Infektionsübertragungen von<br />
Beschäftigten auf Patienten und vice versa verhindert werden.<br />
584
P71<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Literatur: Wicker S, Zielen S, Rose M: Attitudes of healthcare workers towards pertussis<br />
vaccination in a German university children’s hospital<br />
Expert Review of Vaccines Nov 2008<br />
585
P72<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Tuberkuloseausbruch in einer Behörde<br />
Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />
Einführung<br />
Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 4916 Tuberkulose(TB)-Fälle bekannt, davon ca.<br />
60% Männer und 40 % bei Frauen. Ausländer (v. a. mit einer Aufenthaltsdauer von<br />
weniger als 5 Jahren) waren mit 40 % der Fälle überzufällig häufig vertreten. Die TB ist<br />
bei Beschäftigten in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege die häufigste<br />
Berufinfektionskrankheit.<br />
Fallbericht<br />
Wir berichten über einen Tuberkuloseausbruch bei Beschäftigten im Jugend- und<br />
Sozialamt einer kleineren Stadt.<br />
Der erste Fall wurde bei einem Sozialarbeiter und Fallmanager in einer<br />
Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II im Rahmen einer Routineuntersuchung vor einer<br />
Auslandsreise beim Hausarzt Anfang März 2006 entdeckt. Da der Patient starker<br />
Zigarettenraucher war und bei ihm die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit<br />
beschleunigt war, führte man eine Röntgen-Thorax-Untersuchung durch, bei der eine<br />
frische Tuberkulose auffiel. (Abbildung 1).<br />
Daraufhin wurde von den zuständigen Gesundheitsämtern eine Umgebungsuntersuchung<br />
eingeleitet. Bei weiteren vier Mitarbeitern, die ihre Arbeitplätze im selben<br />
Gebäude wie der o. g. Patient haben, wurde eine frische TB-Erkrankung diagnostiziert.<br />
Bei allen fünf Patienten wurde im Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien<br />
derselbe M. tuberculosis-Stamm nachgewiesen.<br />
Die epidemiologische Kette konnte nicht mit Sicherheit rekonstruiert werden, da ein<br />
Indexpatient, der den Ausbruch verursacht hatte, nicht ausfindig gemacht werden<br />
konnte. Im konkreten Fall muss aber mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit<br />
angenommen werden, dass es sich beim Initialindexpatienten um einen Klienten eines<br />
der Ämter handelte. Im Gebäude des Jugend- und Sozialamtes verkehren nämlich<br />
vorwiegend Personen, die zum Kreis der extrem Tuberkulosegefährdeten gehören:<br />
Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfänger, Personen mit Migrationsintergrund usw. Im<br />
Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit führten alle Betroffenen intensive Gespräche am<br />
Tisch und begleiten ihre Klienten auf dem Weg in die Büros anderer Beschäftigter.<br />
Zu Bedenken Anlass gibt aber vor allem die Tatsache, dass es zur Entdeckung der<br />
Erkrankung bei einer Routineuntersuchung vor einer Reise gekommen ist und dass in<br />
586
P72<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
der Vergangenheit bei keinem von Betroffenen eine nach den Kriterien der<br />
Biostoffverordnung vorgesehene TB-Screenings-Untersuchung durchgeführt wurde.<br />
Literatur<br />
1. Meyer J, Konietzko N. Tuberkulose in Deutschland – eine sozial ungleich verteilte<br />
Last. Dtsch Ärztebl 1996; 93(3): A-108 / B-90 / C-82<br />
2. NN. Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten im Jahr 1999 Teil 5: Tuberkulose<br />
in Deutschland Epid. Bull. 2000; 50: 395-6<br />
3. Heberling AM. Epidemiologie der Tuberkulose im Einzugsgebiet der Pneumologischen<br />
Klinik Waldhof Elgershausen in den Jahren 1980-2000. Dissertation Justus –Liebig-<br />
Universität Gießen 2005<br />
4. Rüsch-Gerdes S, Hillemann D. Tuberkulose. In: Hofmann F (Hrsg.). Handbuch der<br />
Infektionskrankheiten. Ecomed Verlag, Landsberg. 2007: VIII-1.52:1-24<br />
Abbildung 1: Abbildung 1: PA-Thoraxaufnahme beim Patienten Nr. 1: Eine aktive Tuberkulose mit<br />
Befall der Spitzen, der Ober- und der Unterfelder mit konfluierenden Herden weichfleckiger Natur.<br />
587
P73<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Zur arbeitsmedizinischen Bedeutung der Legionellose<br />
Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />
Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />
Legionellen – arbeitsmedizinische Bedeutung?<br />
In stehendem Wasser in haustechnischen Installationen (vor allem Klimaanlagen und<br />
wenig benutzten Wasserleitungen) mit Temperaturen zwischen 30 und 45 °C bestehen<br />
ideale Voraussetzungen für die Vermehrung von Legionellen. Die Infektion erfolgt durch<br />
Einatmen von zerstäubtem Wasser, beispielsweise unter der Dusche oder aus einem<br />
Luftbefeuchter. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher nicht bekannt<br />
geworden und gilt als unwahrscheinlich. Der Erreger ist insbesondere für nicht<br />
immunkompetente Menschen gefährlich und befällt die Alveolen. Legionellen überleben<br />
in der Regel Temperaturen nicht, die dauerhaft über 60 °C oder kurzzeitig über 70 °C<br />
liegen. Durch vorübergehende Aufheizung des Wassers auf 70 °C und aerosolarme<br />
Duschköpfe wird bei Neuinstallationen in Westeuropa der Infektionsgefahr<br />
entgegengewirkt. Die Legionärskrankheit (Legionellose mit Pneumonie) wurde 1976 zum<br />
ersten Mal beschrieben. Das ebenfalls durch Legionellen hervorgerufene Pontiac-Fieber<br />
(= Legionellose ohne Pneumonie) wurde bereits im Jahre 1968 beschrieben. Die<br />
Erkrankung erhielt ihren Namen nach einem Ausbruch in der Stadt Pontiac in Michigan.<br />
Epidemiologie: Im Jahr 2006 (Tabelle 1) erkrankten hierzulande Männer (n = 344) im<br />
Vergleich zu Frauen (n = 139) mehr als doppelt so häufig (Verhältnis: 2,5; Inzidenz: 0,85<br />
vs. 0,33 Erkr./100.000 Einwohner, Letalität 7,4 %).<br />
Fallbeispiel: Tödliche Legionellose bei einem Beschäftigten in einer KTL-Anlage<br />
Die Firma, in der sich ein von uns begutachteter Fall (der zur Anerkennung als BK<br />
vorgeschlagen wurde) ereignete, betreibt eine KTL- Beschichtungsanlage mit einer 3-<br />
Zonen-Spritzvorbehandlung (Entfetten, Zink-Phosphatieren, Passivieren). Zwischen den<br />
Zonen befinden sich Spritzspülbereiche, die in der betreffenden Zeit mit Brunnenwasser<br />
betrieben wurden. Die abschließende Spülung vor dem KTL -Lackbad erfolgt mit VE-<br />
Wasser (deionisiert, demineralisiert oder voll entsalzt). Durch Wärmeaustausch über<br />
Ware/Warenträger werden die Spülzonen auf 35-45 0 C aufgeheizt. Die Warenträger<br />
werden von einer Kettenförderanlage durch einen bis auf die Einfahrt und die Ausfahrt<br />
geschlossenen Vorbehandlungstunnel geführt. Im oberen Teil des Gehäuses werden die<br />
Warenträger über eine Bürstenabdeckung abgedichtet. Am Tag 0 führte ein<br />
Wartungstrupp die anfallenden Reinigungs- und Wartungsarbeiten so durch, dass zuerst<br />
die Pumpvorlagebehälter entleert und gereinigt, die Spritzröhre und -düsen ausgebaut<br />
und unter Einsatz von Hochdruckreinigern gesäubert wurden. Die Spritztunnel-Wände<br />
wurden ebenfalls unter Einsatz von Hochdruckreinigern gereinigt. Die<br />
Pumpvorlagebehälter wurden anschließend mit Brunnenwasser aufgefüllt und die<br />
588
P73<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Prozessbad - Chemikalien ergänzt. Die Wasserversorgung erfolgte über eingefördertes<br />
Brunnenwasser. Am Tag 3 erfolgte die Krankmeldung bei einem Wartungsarbeiter<br />
wegen „hohem Fieber und Grippe“ In seiner Familie und Bekanntenkreis erkrankte keine<br />
weitere Person. Am Tag 7 erfolgte die stationäre Aufnahme: Der Patient hatte hohes<br />
Fieber (40,9 0 C) und klagte über eine zunehmende respiratorische Erschöpfung.<br />
Radiologisch wurde eine schwere beidseitige Pneumonie festgestellt. Im Urin wurden am<br />
Tag 9 Legionellen-Antigene mittels der „Legionella Urin Antigen EIA-Methode“ (Bio Test)<br />
nachgewiesen. Trotz großzügiger intravenöser Infusionstherapie verschlechterte sich die<br />
Nierenfunktion bis hin zu einem akuten Nierenversagen und stark erhöhten<br />
Kreatininwerten. Dazu entwickelte sich eine zunehmende Verwirrtheit (ZNS-Beteiligung),<br />
so dass eine Verlegung zur maximalen intensivmedizinischen Therapie erfolgte. Trotz<br />
massiven Einsatzes von Antibiotika, Katecholaminen und Hämodialyse verstarb der<br />
Patient am Tag 27 im septischen Schock an einer fulminanten pulmonalen Blutung.<br />
Die bei der Untersuchungen der KTL-Anlage am entnommenen Wasserisolate wurden<br />
weiterhin im Konsiliar-Labor für Legionellen an der TU Dresden typisiert: Es wurden L.<br />
sainthelensi (6 Proben), L. pneumophila, Serogruppe 1 Monoklonaler Subtyp Bellingham<br />
(2 Proben) sowie L. pneumophila Serogruppe 1 Monoklonaler Subtyp OLDA und L.<br />
pneumophila Serogruppe 10 (jew. 1 Probe) nachgewiesen.<br />
Fazit: Der Übertragungsweg lässt Legionellen arbeitsmedizinisch relevant erscheinen.<br />
Die Tatsache, dass in knapp 40 % der Infektionsweg nicht gesichert werden kann, sollte<br />
Anlass dazu sein, sich in Zukunft intensiver mit der Problematik zu beschäftigen, zumal<br />
bislang nur vereinzelt Legionellosefälle als BK (3101) gemeldet wurden (2005: 2<br />
anerkannte Fälle). Von Vorteil für die Beurteilung ist v.a. der Umstand, dass die<br />
Inkubationszeit mit 2 – 10 Tagen recht kurz ist (kaum Gefahr für Recall-Bias!).<br />
Literatur<br />
1. NN. Legionellose im Jahr 2206. Epid Bull 2007; 50: 469<br />
2. Tiller FW, Stein B. Das klinische Labor. ecomed Medizin, Landsberg 2003: p. 269<br />
3. Lück PC, Helbig JH, Schuppler M. Epidemiology and Laboratory Diagnosis of<br />
Legionella Infections. Laboratoriumsmedizin 2002; 26: 174–182 doi:10.1046/j.1439-<br />
0477.2002.02038.x<br />
4. N.N. Guidelines for the Management of Adults with Community-acquired Pneumonia<br />
Diagnosis, Assessment of Severity, Antimicrobial Therapy, and Prevention 9, Am J<br />
Respir Crit Care Med 2001;163: pp 1730–1754,<br />
5. NN. Legionellose. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte.<br />
www.rki.de<br />
6. Wildin JD, Pleuvry BJ, Mawer GE, Onon T, Millington L. Respiratory and sedative<br />
effects of clobazam und clonazepam in volunteers. Br J clin Pharmac 1990; 29: 169-177<br />
589
P73<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Infektionsort N Infektionsland N<br />
Privathaushalt 138 Deutschland 396 (83,2 %)<br />
Hotelübernachtung 88 Italien 17 (3,6 %)<br />
Stationär im Krankenhaus 49 Türkei 15 (3,1 %)<br />
Pflegeeinrichtung 12 Spanien 9 (1,9 %,)<br />
Unbekannt 206 Griechenland 8 (1,7 %)<br />
übriges Europa 26 (5,5 %)<br />
Übersee 5 (1 %)<br />
Tabelle 1: Legionellosen in Deutschland (RKI Daten 2006): Möglicher Infektionsort (n = 483) und<br />
Infektionsländer (n = 476)<br />
590
P74<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
Neues zytotoxisches Mykotoxin in Aspergillus nidulans<br />
Claudia Handrich 1 , Jürgen Bünger 2 , Götz Westphal 2 , Ernst Hallier 1 , Michael Müller 1<br />
1<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen<br />
2<br />
BGFA, Ruhr-Universität Bochum<br />
Einleitung und Ziel der Studie<br />
Schimmelpilze bilden als Sekundärmetabolite Mykotoxine, die ein breites Spektrum von<br />
Substanzklassen umfassen und verschiedene Zielorgane und Körpersysteme schädigen<br />
können. Arbeiter in Land- und Forstwirtschaft, Lebensmittel- und Futtermittelindustrie<br />
sowie in der Abfallverwertung sind potentiell in hohem Maße der inhalativen Exposition<br />
gegenüber staubgebundenen Mykotoxinen ausgesetzt. Die Wirkung der Mykotoxine<br />
reicht dabei je nach Expositionshöhe und –dauer von akut toxischen bis zu<br />
langdauernden oder chronischen Gesundheitsschäden, u. a. Atemwegserkrankungen.<br />
Aspergillus nidulans ist ein häufiger Schimmelpilzvertreter in Kompostanlagen und<br />
bekannt als Produzent des Kanzerogens Sterigmatocystin [1]. Mit Hilfe einer „Structure-<br />
Activity”-Methode wurde der Extrakt von A. nidulans auf bislang unbekannte Mykotoxine<br />
untersucht, die an der Verursachung der beobachteten Gesundheitsschäden potentiell<br />
beteiligt sein könnten.<br />
Methode<br />
Der Schimmelpilz A. nidulans wurde auf YES-Agarplatten angezüchtet und Extrakte<br />
daraus hergestellt [2]. Die Verbindungen des Extraktes wurden mittels HPLC-DAD<br />
semipräparativ aufgetrennt und in Fraktionen gesammelt [3]. Als Screening-System zur<br />
Abschätzung der Zytotoxizität der Fraktionen diente der Neutralrottest nach Borenfreund<br />
und Puerner [4] in verschiedenen Zelllinien (A-549-Pneumocyten, L-929-Fibroblasten,<br />
hepatische (Hep-G2) und neuronale (Neuro-2a) Zellen). Von der am stärksten<br />
zytotoxischen Fraktion wurden alle Einzelverbindungen isoliert und deren individuelle<br />
Toxizität untersucht. An das Prioritätsranking der Einzelsubstanzen schloss sich eine<br />
Strukturaufklärung mittels HPLC-Massenspektroskopie und NMR-Spektroskopie an.<br />
Ergebnisse<br />
Die Fraktion mit den lipophilsten Verbindungen demonstrierte im Neutralrottest die<br />
höchste Zytotoxizität. Aus ihr konnten mindestens drei Substanzen isoliert werden, auf<br />
die diese zytotoxische Wirkung zurückzuführen ist [5]. Von einer dieser Verbindungen<br />
war es bisher möglich, ausreichend Material für die Strukturaufklärung zu sammeln. Aus<br />
den HPLC/ESI/MS-Untersuchungen konnte eine Masse von m/z 425 [M+H] + ermittelt<br />
werden, der die Summenformel von C 25 H 28 O 6 zugrunde liegt. Die Auswertung der ein-<br />
591
P74<br />
Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />
und mehrdimensionalen 1 H- und 13 C-NMR-Spektren ergab das in der Abbildung 1<br />
dargestellte Cycloisoemericellin-Derivat mit einem Xanthon-Grundgerüst.<br />
O<br />
O<br />
O<br />
OH<br />
O<br />
OH<br />
Abbildung 1: Struktur der neuen zytotoxischen Verbindung im A. nidulans-Extrakt<br />
(Cycloisoemericellin-Derivat)<br />
Die neue Verbindung zeigte in allen verwendeten Zelllinien eine zytotoxische Wirkung<br />
mit IC 50 -Konzentrationen um 12µg/ml Medium.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Mit Hilfe der „Structure-activity”-Methode ist es gelungen, bislang unbekannte<br />
zytotoxische Mykotoxine in A. nidulans nachzuweisen und aufzuklären. Die<br />
Strukturaufklärung weiterer toxischer Verbindungen des A. nidulans-Extraktes wird<br />
fortgesetzt.<br />
Danksagung<br />
Wir danken der DFG für die finanzielle Unterstützung des Projekts (Mu 1716/2-2). Des<br />
Weiteren gilt unser Dank Frau PD Dr. Grond und ihrer Mitarbeiterin Melanie Quitschau<br />
am Insitut für Organische und Biomolekulare Chemie der Universität Göttingen für die<br />
Messung und Auswertung der NMR-Spektren.<br />
Literatur<br />
[1] Bünger J, Westphal G, Mönnich A, Hinnendahl B, Hallier E, Müller M (2004)<br />
Cytotoxicity of occupationally and environmentally relevant mycotoxins. Toxicology<br />
202: 199-211<br />
[2] Müller M, Bünger J, Hallier E (1999) Mycotoxin spectra as a biochemical parameter<br />
for occupational and environmental fungi exposure. In: Bioaerosols, fungi and<br />
mycotoxins: health effects, assessment, prevention and control. Editor: Johanning E.<br />
Boyd Printing Company, Inc., Albany, NY, U.S.A.: 418-422<br />
[3] Frisvad JC, Filtenborg O (1987) High-performance liquid chromatographic<br />
determination of mycotoxins and other secondary metabolites. J Chromatography<br />
392: 333-347<br />
[4] Borenfreund E, Puerner JA (1984) A simple quantitive procedure using monolayer<br />
cultures for cytotoxicity assays. J Tiss Cult Meth 9: 7-9<br />
[5] Handrich C, Müller M, Westphal G, Hallier E, Bünger J (2006) Detection of unknown<br />
toxic mycotoxins in Aspergillus nidulans using a structure-activity approach.<br />
Mycotoxin Research 22 (4): 211-216<br />
592
P75<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Wie effektiv sind betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />
in Form von Aktionstagen? Validierung der<br />
Untersuchungsergebnisse 2006 und 2007 in zwei Großbetrieben<br />
Monika Gube 1 , Sarah Schaal 1 , Michael-Rüdiger Suchodoll 2 , Peter Brand 1 , Thomas Kraus 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2<br />
Praxis für Arbeitsmedizin, Aachen<br />
Hintergrund<br />
Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zur Gesunderhaltung der<br />
Mitarbeiter sind Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion um den demographischen<br />
Wandel. Durch Angebote der Unternehmen an ihre Mitarbeiter beteiligt sich auch die<br />
Arbeitgeberseite seit einigen Jahren an den Maßnahmen gegen den drohenden Mangel<br />
an Arbeitskraft durch Überalterung und krankheitsbedingtes vorzeitiges Ausscheiden aus<br />
dem Erwerbsleben.<br />
Methode<br />
Zwei Großbetriebe aus der Region Aachen boten im Rahmen von Aktionstagen in den<br />
Jahren 2006 und 2007 allen Mitarbeitern die kostenfreie Teilnahme an so genannten<br />
„Gesundheitstagen“ an, in deren Rahmen Parameter wie Körpergröße, Gewicht,<br />
Körperfettanteil, Blutdruck, Herzfrequenz sowie diverse Laborparameter bestimmt<br />
wurden. Außerdem füllten die Teilnehmer einen Fragebogen zu Lebensstil und<br />
Ernährungsgewohnheiten aus.<br />
Die Daten der Mitarbeiter, die wiederholt an den Gesundheitstagen teilnehmen, geben<br />
Hinweise auf möglichen Nutzen beziehungsweise Erfolg solcher Maßnahmen.<br />
Ergebnisse<br />
Von insgesamt 419 teilnehmenden Personen in 2006 nahmen 156 erneut im Jahr 2007<br />
teil, wobei die Gesamtteilnehmerzahl in 2007 bei 530 Personen lag. 98,5% der<br />
Wiederholer gaben an, dass es sich bei den Aktionstagen um ein sinnvolles Angebot<br />
handele. 32% gaben an, ihren Lebensstil seit der letzten Untersuchung positiv geändert<br />
zu haben, wobei 54% dies zumindest teilweise auf die erste Teilnahme im Jahr 2006<br />
zurückführten. Eine Reduktion des Zigarettenkonsums gaben 14,6% an, während knapp<br />
40% eine Erhöhung der körperlichen Aktivität bzw. des Obst- und Gemüsekonsums<br />
angaben. Eine Reduktion des Konsums von Fleisch- bzw. Süßwaren gaben 33 bzw. 31%<br />
an. Andererseits zeigten die 156 Wiederholer bei der 2. Untersuchung in 2007 keine<br />
signifikante Veränderung von Körpergewicht, Herzfrequenz, Körperfettanteil,<br />
Triglyceriden, LDL und HDL, während Cholesterin (p=0,007) und Blutdruck (systolisch<br />
+6,4 u. diastolisch +3,4 mmHg) sogar einen Anstieg zeigten (p=0,001 bzw. p=0,004).<br />
593
P75<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Einzig die Glucose im Serum war im Vergleich zum Vorjahr gesunken (p=0,029). Hierbei<br />
muss aber bedacht werden, dass die Bestimmung der Blutglucose teils in nicht<br />
nüchternem Zustand erfolgte und somit eine valide Aussage zu diesem Parameter nicht<br />
möglich ist.<br />
Diskussion<br />
Die Gesamtteilnehmerzahl an den Gesundheitstagen 2006 / 2007 lag bei nur rund 11%<br />
bzw. 14% der Belegschaft der beobachteten Betriebe. Bei der betrachteten Subgruppe<br />
der Wiederholer handelt es sich bereits um eine -wahrscheinlich positive- Selektion, so<br />
dass eine abschließende Aussage über den Gesundheitszustand der Belegschaft nicht<br />
möglich ist.<br />
Mit den angewandten Methoden konnte der subjektiv positiv erlebte Einfluss der<br />
Gesundheitstage nicht objektiv gemessen werden. Aus den hier erhobenen Ergebnissen<br />
können jedoch Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung der Maßnahmen im Rahmen<br />
der betrieblichen Gesundheitsförderung erarbeitet werden, deren Nachhaltigkeit mittels<br />
Fragebögen und objektiv messbaren Parametern überprüft werden kann.<br />
Zunächst gilt es also die Belegschaft von den möglichen Erfolgen solcher Aktionen zu<br />
überzeugen und sie so zur Teilnahme zu motivieren.<br />
594
P75<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Tabelle 1<br />
Längsschnitt<br />
Teilnahme Gesundheitstag 2006 Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 449 174 275<br />
Prozent 100,00% 38,75% 61,25%<br />
Veränderungen Lebensgew. Seitdem Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 226 66 160<br />
Prozent 100,00% 29,20% 70,80%<br />
Reduktion Zigarettenkonsum Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 93 20 73<br />
Prozent 100,00% 21,51% 78,49%<br />
Erhöhung körperliche Aktivität Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 140 53 87<br />
Prozent 100,00% 37,86% 62,14%<br />
Erhöhung Konsum Obst/Gemüse Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 143 53 90<br />
Prozent 100,00% 37,06% 62,94%<br />
Reduktion Fleischwaren Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 145 49 96<br />
Prozent 100,00% 33,79% 66,21%<br />
Reduktion Konsum Süßwaren Anzahl Angaben Ja Nein<br />
Absolut 140 43 97<br />
Prozent 100,00% 30,71% 69,29%<br />
Rückführung der V. auf Teilnahme<br />
GT06<br />
Anzahl Angaben<br />
Voll und<br />
ganz Ja, teilweise Nein<br />
126 2 44 80<br />
100,00% 1,59% 34,92% 63,49%<br />
GT sinnvolles gesundheitliches<br />
Angebot Anzahl Angaben Ja Nein<br />
424 419 5<br />
100,00% 98,82% 1,18%<br />
Oben stehende Tabelle zeigt die Angaben in den ausgegebenen Fragebögen derjenigen<br />
Teilnehmer der Gesundheitstage 2007, die bereits an den Gesundheitstagen 2006<br />
teilgenommen hatten.<br />
595
P76<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Gesundheitsförderung in der Lehrer-Schüler-Interaktion an der<br />
Berufsbildenden Schule<br />
Eva Haufe 1 , Andreas Genz 1 , Constance Winkelmann 2 , Klaus Scheuch 1<br />
1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU<br />
Dresden<br />
2<br />
Fachrichtung Psychologie, Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, der TU Dresden<br />
Problemstellung: Gesundheit und Zufriedenheit in der Lehrtätigkeit werden<br />
entscheidend von der Lehrer-Schüler-Interaktion beeinflusst. Besonders problematisch<br />
ist diese an Berufsbildenden Schulen im Berufsvorbereitenden und<br />
Berufsgrundbildenden Jahr (BVJ/BGJ) wegen der Besonderheiten der Schülerklientel.<br />
Ziel eines vom BMBF geförderten Projektes war die Entwicklung von modularen,<br />
kombinierbar aufeinander abgestimmten Maßnahmepaketen für die primäre Prävention<br />
der miteinander verknüpften Zielgruppen Berufspädagogen und Berufsschüler/-innen. Im<br />
Beitrag wird das dabei entwickelte und evaluierte modulare Konzept primärpräventiver<br />
Bausteine vorgestellt und zur Nachnutzung angeboten.<br />
Methoden: Ist-Stands-Analyse der Aus-, Fort- und Weiterbildungssituation im Bereich<br />
Gesundheitsförderung und Kompetenzentwicklung durch Interviews mit Akteuren sowie<br />
Analyse der Lehrpläne und Fortbildungsangebote; Bedarfsermittlung durch Interviews<br />
und Gruppendiskussionen mit Lehrkräften und Schüler/-innen im BVJ/BGJ sowie<br />
Hospitationen im Unterricht an vier Modellschulen in Sachsen.<br />
Ergebnisse: Die folgenden Module M1 bis M5 sind erprobt und evaluiert (Abbildung 1):<br />
M1 und M2: Konfliktbewältigungstraining für Lehramtsstudierende und Bausteine<br />
für die Lehrerfortbildung: Motivation, Zeitmanagement, Kommunikation,<br />
systematisches Problemlösen, soziales Kompetenztraining, Entspannung.<br />
M3: Moderierte Kleingruppendiskussionen als Methode der<br />
Schulorganisationsentwicklung: Anwendung der Methode des Aufgabenbezogenen<br />
Informationsaustauschs (Neubert & Tomcyk, 1981) in der Organisation Schule;<br />
Erfolgskriterien sind Strukturiertheit, Regelmäßigkeit, Dauer der Sitzungen sowie die<br />
aktive Teilnahme der Schulleitung.<br />
M4: Gesundheitsförderung und Kompetenzentwicklung bei BVJ-Schüler/-innen mit<br />
drei voneinander unabhängigen Einzelbausteinen:<br />
M41: Kompetenzwerkstatt „Ich und meine Zukunft“ –Trainingsinhalte:<br />
Einführung: Überblick über das Verfahren und dessen Nutzen.<br />
Interessen: Erkenntnis, dass hinter den eigenen Interessen Können steckt.<br />
Stärken: Erkennen der wichtigsten Stärken aus dem eigenen Können und den<br />
Interessen.<br />
Ziele: Ableitung persönlich wichtiger Ziele aus persönlichen Interessen, Stärken und<br />
Können sowie Formulierung einer Projektidee.<br />
596
P76<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Projektidee: Selbstständige Erarbeitung eines Projektplans für die Projektarbeit,<br />
Erkennen von Hindernissen und unterstützenden Ressourcen.<br />
Projektarbeitsphase: Erlernen eigenverantwortlichen Handelns und Einsatz der Stärken<br />
zur Erreichung der eigenen Ziele, Lernen durch Rückmeldung, Fehler als Chance.<br />
Projektauswertung: Diskussion der Projekterfahrungen, gegenseitiges Lernen, ggf.<br />
Änderung von Zielen, Differenzierung der Stärken, Abbau von Schwächen.<br />
Traumberufsfeld: Stärken und Ziele werden in Beziehung zum Traumberufsfeld gesetzt,<br />
Erlernen, diesen Zusammenhang zu begründen, Erarbeitung von Zielen.<br />
Abschluss und Reflexion: Reflexion über den Weg durch das Training und Darstellung<br />
der persönlichen Lernerfahrung.<br />
M42: Training sozialer Kompetenz: Übungen zu sozialer Kognition, sozialmotivationalen<br />
Aspekten sowie zur Selbsteinschätzung; Durchführung durch eine<br />
Lehrkraft möglich.<br />
M43: Sensibilisierung der Schüler/-innen für Arbeitsplatzrisiken sowie<br />
Körperwahrnehmung und gesunde Lebensweise: Je nach Bedarf der Schulen in<br />
Kooperation mit externen Anbietern wie Krankenkassen, Gesundheitsdiensten und<br />
BGen, Netzwerkstruktur.<br />
M5: Präventionsprogramm für die Altenpflegeausbildung - Trainingsinhalte:<br />
Der Umgang mit Stress: Klärung des Stressbegriffs, individuelle Auseinandersetzung mit<br />
dem Thema Stress, Analyse von individuellen Auslösern und Symptomen von Stress,<br />
Kennenlernen und Erproben verschiedener Stressbewältigungsstrategien.<br />
Der Umgang mit Burnout-Symptomen: Auseinandersetzung mit dem Thema Burnout,<br />
Identifizierung persönlicher Risikobereiche, Entwicklung eines „Notfallplans“ Burnout-<br />
Prävention.<br />
Der Umgang mit Konflikten im Team: Auseinandersetzung mit positiven und negativen<br />
Aspekten der Arbeit im Team, Analyse konkreter Konflikte, Prinzipien des Kritisierens<br />
und des Annehmens von Kritik, Körpersprache, Strategien zur Führung eines<br />
Konfliktgesprächs, Strategien zur Wiederherstellung einer guten Kommunikationsbasis.<br />
Der Umgang mit Konflikten mit Betagten und deren Angehörigen: Definition von<br />
Aggression, Analyse von Ursachen für Konflikte mit Betagten und deren Angehörigen,<br />
Erarbeitung und Übung von Strategien zum Umgang mit eigenen Aggressionen.<br />
Entspannung: Vermittlung von Wissen zum Thema Entspannung, Vorstellung bereits<br />
praktizierter und Überblick über weitere Entspannungstechniken, Erlernen und Erleben<br />
von Entspannung durch praktische Übungen, Erarbeitung eines realistischen Konzepts<br />
zur Integration von Entspannung in den Alltag.<br />
597
P76<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Weitere ausführliche Informationen sowie schriftliche Handlungsanleitungen sind<br />
abrufbar unter:<br />
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/inst/ias<br />
Diskussion: Prävention im Setting Berufsschule ist wichtig und möglich. Trotz<br />
begrenzender Rahmenbedingungen sind Handlungsspielräume hierfür vorhanden. Bei<br />
den erarbeiteten Modulen wird Gesundheitsförderung für Lehrkräfte in den Kontext<br />
gelingender Lehrer-Schüler-Interaktion gestellt. Bedingung für den – frühestens<br />
mittelfristigen – Erfolg der Maßnahmen ist das Engagement von Lehrkräften und<br />
Schulleitung.<br />
Abbildung 1: Struktur des Projekts und Einordnung der Module<br />
598
P77<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung – Was wünschen sich<br />
Beschäftigte in der Stahlindustrie?<br />
Thomas Muth 1 , Georg von Groeling-Müller 2 , Werner Mölders 2<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
2 Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
Die großen Industrien Deutschlands und Europas stehen vor gewaltigen<br />
gesundheitspolitischen Herausforderungen. Zwei zentrale Handlungsfelder sind durch<br />
die älter werdenden Belegschaften (demographischer Wandel) und die fortschreitende<br />
Globalisierung vorgegeben 1,2 . Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) gilt dabei als<br />
bedeutsamer settingbasierter Ansatz, der den Zugang zu den erwerbstätigen Menschen<br />
eröffnen und traditionelle präventive Bemühungen ergänzen soll 1,3 . Das Problem ist<br />
häufig, diejenigen, die eigentlich im Zentrum der Bemühungen stehen, zu erreichen: die<br />
betroffenen Mitarbeiter/innen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, die<br />
Wünsche der Belegschaft der ThyssenKrupp Steel AG (TKS) zu Angeboten der BGF<br />
herauszufinden, gruppenspezifische Interessen zu beschreiben und Motivationspotenziale<br />
zu erschließen.<br />
Methode<br />
Im Rahmen der regulären arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen wurden<br />
mehrere Monate lang alle Mitarbeiter/ innen mit einem standardisierten Fragebogen zum<br />
Thema BGF befragt. Dabei wurde das Interesse an 13 Angeboten mit einer 4stufigen<br />
Skala erfasst. Die Summe dieser Werte wurde als integratives Maß für das Interesse<br />
verwendet. Außerdem wurde von den Befragten eine Hitliste der drei attraktivsten<br />
Angebote gebildet. Die Erhebung wurde durch eine „erweiterte arbeitsmedizinische<br />
Anamnese“ mit der Dokumentation des individuellen Risikoprofils (Rauchen, Blutdruck,<br />
Bewegung, BMI) ergänzt.<br />
Ergebnisse<br />
784 Mitarbeiter/innen haben sich beteiligt, die überwiegende Mehrheit (n = 746, 95%)<br />
war männlich. Für die Konzeption und das Interesse an gesundheitsfördernden<br />
Maßnahmen sind vor allem das Alter und das Beschäftigungsverhältnis<br />
(Lohn/Gehaltsempfänger), welches den sozialen Status charakterisiert, von Bedeutung.<br />
Lohnempfänger im Alter zwischen 30 und 59 Jahren stellen die größte Gruppe der<br />
Befragten, der Schwerpunkt liegt zwischen 40 und 49 Jahren. Bislang haben die<br />
Beschäftigten nur beschränkte Erfahrungen mit BGF. Für jüngere Auszubildende ist die<br />
Teilnahme an verschiedenen Angeboten allerdings bindend, so dass hier Quoten von<br />
50% erreicht werden. Bei den über 30jährigen schwankt der Anteil zwischen 10% und<br />
599
P77<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
16%. Nur unter den Gehaltsempfängern ab 50 Jahren weisen fast 21% eigene<br />
Erfahrungen mit BGF auf. Das Interesse an zukünftigen BGF-Angeboten wächst mit<br />
zunehmendem Alter und ist unter den Gehaltsempfängern größer. Geschlecht und<br />
Schichtarbeit bleiben in der multiplen Regression ohne bedeutsamen Einfluss.<br />
Folgende Abbildung zeigt, wie groß das Interesse der befragten Mitarbeiter/innen an den<br />
verschiedenen Angeboten zur BGF ist:<br />
Mitarbeiter mit (mehreren) Risikofaktoren zeigen kein größeres Interesse an BGF<br />
insgesamt. Ebensowenig fragen sie verstärkt Angebote nach, welche ihre eigene<br />
Risikokonstellation betreffen. Ausnahme: „Was macht eigentlich dick“ wird von<br />
Übergewichtigen bevorzugt. Im Übrigen sind es eher die weniger Gefährdeten, die sich<br />
in ihren persönlichen Hitlisten gegenüber den Angeboten der BGF aufgeschlossen<br />
zeigen.<br />
Zusammenfassung<br />
Nicht unerwartet bestätigen die vorliegenden Ergebnisse, dass mit den bislang üblichen<br />
Angeboten der BGF eher die Gesünderen und besser Ausgebildeten erreicht werden.<br />
Der Beitrag zur Prävention bedeutsamer chronischer Erkrankungen kann auf diese<br />
Weise nur gering sein. Zur nachhaltigen Verbesserung der gesundheitlichen Situation<br />
von Beschäftigten mit Risikofaktoren für häufige und bedeutsame chronische<br />
Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes mellitus bedarf es neuer<br />
Ansätze. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis wurde bei TKS das innovative Konzept<br />
einer Gesundheitsschicht ® erarbeitet. Diese Schicht soll gemeinsam mit der sozialen<br />
Bezugsgruppe stattfinden. Ein Prinzip ist dabei, mit allen Mitarbeiter/innen individuelle<br />
600
P77<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Gesundheitsziele zu erarbeiten und jede/n auf vielfältige Weise dauerhaft bei der<br />
Erreichung seiner eigenen Ziele zu unterstützen.<br />
1. Letzel S, Stork J, Tautz A. 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf<br />
von betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Arbeitsmed.<br />
Sozialmed. Umweltmed. 2007; 42: 298300.<br />
2. Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) (Hrsg). Stahl und stahlnahe Branchen im<br />
demographischen Wandel. Dortmund: Eigenverlag, 2006.<br />
3. ENWHP (Hrsg). Die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der<br />
EU. Fassung v. Januar 2007.<br />
601
P78<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Die erweiterte arbeitsmedizinische Anamnese als Instrument des<br />
betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
Georg von Groeling-Müller 1 , Thomas Muth 2 , Werner Mölders 2<br />
1 Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
2<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />
Die Situation der Beschäftigten in Deutschland ist unter anderem durch den<br />
demographischen Wandel geprägt. Gerade in einer Branche wie der Stahlindustrie<br />
entsteht dabei ein Spannungsfeld aus erhöhten Leistungsanforderungen und älter<br />
werdenden Belegschaften. Aufgabe betrieblicher Gesundheitspolitik ist es, Lösungen für<br />
diese Herausforderungen zu erarbeiten. Um die entsprechenden BGF-Maßnahmen zu<br />
steuern, müssen verschiedene Kennzahlen erhoben werden 1 .<br />
Hierzu wurde von ThyssenKrupp Steel ein Instrument entwickelt und im arbeitsmedizinischen<br />
Alltag erprobt. Die „erweiterte arbeitsmedizinischen Anamnese" kann ohne großen<br />
Aufwand in Routineabläufe integriert werden und liefert zugleich aussagekräftige Daten.<br />
Methode<br />
Ein Ziel dieser Anamnese war die Erfassung wichtiger Risikofaktoren für chronische<br />
Erkrankungen bei einer repräsentativen Stichprobe der Belegschaft. Dazu wurden bei<br />
allen arbeitsmedizinischen Untersuchungen mit einem speziell entwickelten, kurzen<br />
Erhebungsbogen die vier Risikofaktoren Übergewicht (BMI), Blutdruck, Raucherstatus<br />
und Sportverhalten erfasst und nach anerkannten Standards klassifiziert. Ergänzend<br />
wurden die Wünsche an die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) erfragt. Mit Hilfe<br />
von Regressionsanalysen wurden Zusammenhänge zwischen dokumentierten<br />
Risikoprofilen und Alter, Geschlecht, Anstellungsverhältnis sowie Schichtarbeit geprüft.<br />
Ergebnisse<br />
Während der Projektlaufzeit von drei Monaten wurden mit einem zusätzlichen Aufwand<br />
von fünf Minuten je Proband aussagekräftige Daten von 784 Mitarbeiter/innen erhoben.<br />
Das Erhebungsverfahren ergab eine Stichprobe, welche weitgehend typisch für die<br />
Grundgesamtheit der Beschäftigten bei TKS war. Mit dem Instrument der „erweiterten<br />
arbeitsmedizinischen Anamnese“ wurden allerdings eher Mitarbeiter mit belastenden<br />
Arbeitsbedingungen erfasst: Männer, Lohnempfänger und Schichtarbeiter.<br />
Interessanterweise gilt dies jedoch nicht für die älteren Mitarbeiter. Lediglich 7,5% der<br />
Beschäftigten (n=59) wiesen keinen der vier Risikofaktoren auf. Bei 56,6% (n=344)<br />
wurden ein oder zwei, bei den anderen 35,7% (n=280) sogar alle vier Risiken<br />
dokumentiert. Die multivariaten Analysen zeigen negative Einflüsse mit zunehmendem<br />
Alter und auch für Lohnempfänger. Besonders häufig finden sich unter den Mitarbeitern<br />
602
P78<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Übergewicht und mangelnde Bewegung. Tabelle 1 gibt einen Überblick und zeigt, welche<br />
Risiken häufig auftreten:<br />
Risikofaktoren: BMI kein Sport Rauchen RR <br />
n % n % n % n %<br />
Gesamt 566 73,6 395 50,7 322 41,3 333 43,4<br />
Altersgruppe bis 29 60 54,1 34 30,1 52 46,0 42 37,5<br />
30-39 119 71,3 81 48,2 81 48,2 41 25,0<br />
40-49 227 79,6 177 61,2 114 39,3 141 49,5<br />
50-59 147 79,5 94 49,7 65 34,4 101 54,0<br />
Anstellung Lohn 443 73,7 336 55,1 270 44,2 276 46,0<br />
Gehalt 104 73,2 47 32,6 40 27,8 48 33,6<br />
Tab. 1: Häufigkeit der Risikofaktoren bei den untersuchten Mitarbeitern/innen<br />
Schlussfolgerungen<br />
Das einfache Instrument der systematischen, standardisierten "erweiterten<br />
arbeitsmedizinischen Anamnese" konnte erfolgreich eingesetzt werden. Mit geringem<br />
Aufwand ist es gelungen, in einem Stahlunternehmen die Handlungsfelder für<br />
betriebliches Gesundheitsmanagement mit Hilfe fundierter Daten zu fokussieren. Dabei<br />
wurden insbesondere Mitarbeiter mit belastenden Arbeitsbedingungen erreicht.<br />
Im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung 2 und anderen Erhebungen 3,4 fällt vor<br />
allem das ausgeprägte Risikoprofil der Lohnempfänger bei TKS auf. Obwohl es sich bei<br />
ihnen überwiegend um Facharbeiter handelt, entspricht es weitgehend dem von<br />
Angehörigen der Unterschicht. Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, wo die betriebliche<br />
Gesundheitsförderung ansetzen muss: Rauchen, Ernährung und Bewegung - in erster<br />
Linie bereits bei jungen, besonders belasteten gewerblichen Mitarbeitern.<br />
Risikokonstellationen, wie sie sich in dieser Arbeit gezeigt haben, müssen Gegenstand<br />
umfassender präventiver Bemühungen sein, um die große Herausforderung alternder<br />
Belegschaften bewältigen zu können.<br />
1. Letzel S, Stork J, Tautz A. 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf<br />
von betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland.<br />
Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2007; 42: 298-300.<br />
2. Robert Koch-Institut (Hrsg). Gesundheit in Deutschland.<br />
Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut, 2006.<br />
3. Schneider M, Scholl J. Analyse des aktuellen Gesundheitsstatus bei Personen im<br />
mittleren Lebensalter. Erste Ergebnisse einer Querschnitterhebung bei Mitarbeitern<br />
zwischen 40 und 65 Jahren in einem pharmazeutischen Unternehmen. Arbeitsmed<br />
Sozialmed Umweltmed 2007; 42: 596-604.<br />
4. Wydra G, Schwarz M, Heidinger S, Demke R. Gesundheitsförderung bei der<br />
Berufsfeuerwehr. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2008; 43: 360-366.<br />
603
P79<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Health Promotion in Adult Learning - Gesundheitsförderung in<br />
der Erwachsenenbildung. Ein europäisches GRUNDTVIG Projekt<br />
Rudolf C. Zelfel 1 , Bettina Begerow 1 , A. Deharde 2 , Andreas Glatz 3 , Andreas Weber 1<br />
1 IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation, Köln<br />
2 Deutsche Angestellten Akademie Brandenburg, Frankfurt/Oder<br />
3 Otto-Friedrich-Universität, Bamberg<br />
Ziel der Studie<br />
Im Rahmen des EU Programms GRUNDTVIG, ein Unterprogramm von LEONARDO<br />
wurde erprobt, wie sich Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe in der<br />
Erwachsenenbildung implementieren lässt. Ausgangspunkt ist, dass<br />
Gesundheitsförderung (health promotion) in Einrichtungen der Erwachsenenbildung<br />
(Adult Learning Institutes AEI) wenig Beachtung findet, andererseits bei vielen der<br />
Bildungsteilnehmer, insbesondere bei Arbeitslosen, gesundheitliche Einschränkungen zu<br />
beobachten sind. Des Weiteren bieten nur wenige der Erwachsenenbildungsinstitute<br />
gesundheitsfördernde Lernbedingungen. Die beteiligten Projektpartner kamen aus den<br />
EU-Mitgliedsländern Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Polen und Vereinigtes<br />
Königreich.<br />
Ziel des Projektes war es, ein Curriculums zur Ausbildung von Multiplikatoren (health<br />
tutors) für Gesundheitsförderung in der Erwachsenenbildung zu entwickeln und zu<br />
erproben.<br />
Methoden<br />
Eine europäische Literaturrecherche ergab, dass Gesundheitsförderung bisher in der<br />
Erwachsenenbildung wenig beachtet wird. Es wurde als sinnvoll erachtet,<br />
Dozenten/innen in der Erwachsenenbildung als Gesundheitstutoren (health tutors)<br />
auszubilden, die in ihren Einrichtungen als Mulitplikatoren und Ansprechpartner<br />
fungieren. Hierzu wurde ein Curriculum für eine bis zu fünftägige Schulung entwickelt.<br />
Dieses wurde mit Basisinformationen, einen Gesundheitscheck für Einrichtungen und<br />
verschiedenen Fragebögen sowie Evaluationstools angereichert.<br />
Das Konzept von Gesundheit in diesem Curriculum wird hier nicht als Abwesenheit von<br />
Erkrankungen, sondern im Sinne eines dynamischen Balancezustandes zwischen<br />
objektiven Daten und subjektiven Befinden einer Person umgesetzt. (Antonovsky)<br />
Balance ist gegeben, wenn sich eine Person in Einklang mit körperlichen, seelischen,<br />
sozialen Bereichen, ihren Entwicklungsmöglichkeiten und Zielen sowie den äußeren<br />
Lebensbedingungen befindet.<br />
604
P79<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Ergebnisse:<br />
Die praktische Anwendung in insgesamt fünf Schulungen in Deutschland, Italien und<br />
Polen zeigt, dass das entwickelte Curriculum mit zeitlichen Modifikationen gut einsetzbar<br />
ist. Der „health check“ stellt ein erfolgreiches Instrument dar, um gesundheitsfördernde<br />
Aspekte einer Bildungseinrichtung zu beurteilen und Verbesserungen anzustoßen. Die<br />
Evaluation der Kurse zeigt hohe Zufriedenheit bei den geschulten Multiplikatoren.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Immer mehr Menschen, ob beschäftigt oder arbeitssuchend, nehmen europaweit an<br />
Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die Institutionen der Weiterbildung<br />
können ein hervorragendes Setting bieten, um Bildungsteilnehmer mit<br />
gesundheitsfördernden Maßnahmen vertraut zu machen. Die Multiplikatorenschulung<br />
erscheint als erfolgreicher Weg, Gesundheitsförderung in Bildungsmaßnahmen der<br />
Erwachsenenbildung zu implementieren.<br />
Literatur<br />
Antonovsky, A. Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Expanded German<br />
edition by A. Franke. Tübingen: dgvt, 1997.<br />
Begerow, B., Zelfel, R.C. Healthy Learners in Healthy Adult Education Institutes (AEI).<br />
unveröffentlichtes Manuskript, 2008.<br />
UNESCO. The Hamburg Declaration On Adult Learning Confintea V. www.unesco.int,<br />
Zugriff: 20.08.2007, 1997<br />
weitere Informationen: http://www.healthtutor.eu<br />
605
P80<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
FIT IM LEBEN – FIT IM JOB: Eine effektive Maßnahme zur<br />
nachhaltigen Veränderung des Gesundheitsverhaltens<br />
Michael Schneider 1 , Anna Ernsting 2 , Conny H. Antoni 2<br />
1<br />
Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />
2<br />
Universität Trier<br />
Ziel der Studie<br />
Zahlreiche Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems sind zu einem erheblichen Teil<br />
durch riskantes, gesundheitsschädigendes Verhalten (mit)verursacht. Präventive<br />
Maßnahmen werden daher an dieser Stelle bedeutsam, weil sie auf die Veränderung des<br />
Gesundheitsverhaltens abzielen, bevor es zur Entstehung bzw. Chronifizierung solcher<br />
Erkrankungen kommt. FIT IM LEBEN – FIT IM JOB von Boehringer Ingelheim stellt eine<br />
primär- und sekundärpräventive Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung dar,<br />
deren aufeinander aufbauenden Schritte FIT1, FIT2 und FITback Mitarbeiter ohne<br />
kardiovaskuläre Risikofaktoren zu gesundheitsförderlichem Verhalten anregen<br />
(Primärprävention) und Mitarbeiter mit entsprechenden Risikofaktoren wie bspw.<br />
Hypertonie zur Umstellung des bisherigen Gesundheitsverhalten motivieren und in der<br />
Veränderung dieses Verhaltens unterstützen möchte (Sekundärprävention). Dazu<br />
werden zu FIT1 und FIT2 ausgewählte medizinische Daten erhoben, dem Mitarbeiter zu<br />
FIT2 rückgemeldet und der Mitarbeiter zur Veränderung seines bisherigen Verhaltens<br />
motiviert. Zu FITback wird der Mitarbeiter erneut motiviert und bei der Umsetzung der<br />
Absicht unterstützt. Die Evaluation des Programms soll nun die Wirksamkeit und<br />
Nachhaltigkeit des Programms bzw. der einzelnen Schritte prüfen, wobei die<br />
sekundärpräventiven Effekte im Vordergrund stehen. Die Evaluation wurde vor dem<br />
theoretischen Hintergrund des Health Action Process Approach (HAPA) von Schwarzer<br />
vorgenommen, um über einen allgemeinen Wirksamkeitsnachweis hinaus die zugrunde<br />
liegenden Prozesse und Schlüsselkomponenten transparent zu machen.<br />
Methodik:<br />
Zu vier Messzeitpunkten wurden Teilnehmer des Präventionsprogramms wiederholt zu<br />
ausgewählten gesundheitsbezogenen Einstellungen aus dem HAPA und ihrem BMI<br />
befragt. Zur Erfassung der körperlichen Aktivität wurde ein Schrittzähler eingesetzt. Die<br />
vier Zeitpunkte wurden so angeordnet, dass die sekundärpräventiven Effekte der<br />
einzelnen Programmkomponenten explizit überprüft und erste Erkenntnisse zu<br />
primärpräventiven Effekten gewonnen werden konnten: Die Baselinerhebung fand im<br />
Anschluss an FIT1, die zweite Erhebung im Anschluss an FIT2 statt. Der dritte<br />
Fragebogen wurde den Teilnehmern vor ihrem FITback-Termin zugeschickt und ca. 8-12<br />
606
P80<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Wochen nach FITback erhielt der Teilnehmer den vierten Fragebogen. Zu FIT2 wurden<br />
die Mitarbeiter nach festen Kriterien hinsichtlich ihres Risikos für kardiovaskuläre<br />
Erkrankungen in Risikopersonen (EG) bzw. keine Risikopersonen (KG) eingeteilt. Die<br />
Veränderung der gesundheitsbezogenen Einstellungen über die Zeit wurde<br />
varianzanalytisch, Zusammenhänge zwischen den Zielkriterien und<br />
Verhaltensindikatoren mittels Spearman Korrelationen berechnet.<br />
Ergebnisse:<br />
Insgesamt haben 71 Mitarbeiter (EG: 10 Frauen, 31 Männer; KG: 14 Frauen, 16 Männer)<br />
an der Studie teilgenommen. Die Ergebnisse indizieren eine effektive und nachhaltige<br />
Motivierung der Mitarbeiter mit kardiovaskulären Risikofaktoren durch FIT2, ihre<br />
sportliche Aktivität zu steigern (EG T1 zu T2: T(40) = -4.215, p = .000*, r² = .17). Durch<br />
FITback werden diese Mitarbeiter in ersten Schritten in der Umsetzung ihrer Motivation<br />
(Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit) unterstützt (EG T3 zu T4: T(40) = -1.557, p =<br />
.064, r² = .02) und erste Verhaltensveränderungen, indiziert durch den BMI (EG T3 zu<br />
T4: T(40) = 2.274, p = .014*, r² = .05 ) und die durchschnittliche tägliche Schrittanzahl<br />
(EG T3 zu T4: T(32) = -4.086, p = .000*, r² = .19) sind ca. 8-12 Wochen nach dem<br />
Beratungsgespräch zu beobachten. Die Korrelationsanalysen zeigen zu allen<br />
Messzeitpunkten einen engen Zusammenhang handlungsbezogener Kompetenzen, d.h.<br />
der Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit und dem Ausmaß an sportlicher Aktivität, d.h.<br />
der durchschnittlichen täglichen Schrittanzahl (T1: r = .241*; p = .039*; r² =.06; T2: r =<br />
.236*; p=.043*; r² =.06; T3: r = .255; p=.031*; r² = .07). Zusätzliche Korrelationsanalysen<br />
zur externen Validität finden hingegen keinen Zusammenhang zwischen der Intention für<br />
sportliche Aktivität und dem Ausmaß tatsächlicher Aktivität, d.h. der durchschnittlichen<br />
täglichen Schrittanzahl zu allen Messzeitpunkten.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die Studie belegt die Wirksamkeit und Notwendigkeit des systematischen und<br />
mulitmodalen Programms FIL – FIJ: Die einzelnen Schritte bauen systematisch<br />
aufeinander auf und liefern je einen exklusiven und unverzichtbaren Beitrag zum<br />
Gelingen der Verhaltensveränderung: FIT2 motiviert die Risikogruppe erfolgreich zur<br />
Verhaltensveränderung. Auf dieser Basis baut FITback auf und fördert die Kompetenzen<br />
zur Realisierung der Absicht und Handlungsausführung. Mit FITback hört das Programm<br />
damit nicht dort auf, wo es die meisten Programme tun, sondern geht den<br />
entscheidenden Schritt weiter, um die Lücke zwischen „guter Absicht“ und tatsächlichem<br />
Verhalten zu schließen. Dass diese handlungsbezogenen Kompetenzen zur Realisierung<br />
und Ausführung der Intention von entscheidend für eine effektive (und langfristige)<br />
607
P80<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />
Veränderung des Gesundheitsverhaltens sind, zeigen die Korrelationsanalysen zur<br />
externen Validität: Eine gute Absicht allein reicht nicht aus, damit ein hohes Maß an<br />
Sportlicher Aktivität gezeigt wird (Schrittanzahl), sondern es bedarf darüber hinaus (u.A.)<br />
der Überzeugung, selbst in der Lage zu sein, ein neues Verhalten ausüben oder<br />
gesundheitsschädigende Verhaltensweisen aufgeben zu können. Diese Befunde der<br />
Evaluation bestätigen damit nicht nur das Programmkonzept, sondern auch die zugrunde<br />
liegenden theoretischen Aussagen des Health Action Process Approach von Schwarzer.<br />
Literatur:<br />
Schlicht, W. & Schwenkmezger, P. (1995). Sport in der Primärprävention: Eine<br />
Einführung aus verhaltens- und sozialwissenschaftlicher Sicht. In Schlicht, W. &<br />
Schwenkmezger, P. (Hrsg.), Gesundheitsverhalten und Bewegung: Grundlagen,<br />
Konzepte und empirische Befunde. Verlag Karl Hofmann, Schorndorf.<br />
Schwarzer, R. (2008a). Models of health behaviour change: Intention as mediator or<br />
stage as moderator? Psychology & Health, 23(3), 259-263. DOI:<br />
10.1080/08870440801889476<br />
Schwarzer, R. (2008b). Some burning issues in research on health behavior change.<br />
Applied Psychology: An International Review, 57, 84-93.<br />
Schwarzer, Ralf (2004). Psychologie des Gesundheitsverhaltens (3.Aufl.). Göttingen:<br />
Hogrefe.<br />
608
P81<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Wellness und Work Ability: Versuch einer Synthese aus Sicht<br />
der Gesundheitsförderung<br />
Michael G. Haufs 1 , Dirk Eichelberg 1 , Pamela Wehling<br />
1<br />
Arbeitsmedizin, Dermatologie und Berufsdermatologie, Praxis-Klinik Dr. Eichelberg und Partner, Dortmund<br />
2 Lehrstuhl Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, Institut für Arbeitswissenschaften, Ruhr-Universität<br />
Bochum<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
609
P82<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Gesunde Verwaltung - Modernes Gesundheitsmanagement am<br />
Beispiel der Stadtverwaltung Aachen<br />
Astrid Brammertz<br />
Arbeitsschutz-Gesundheitsschutz-Soziales, Stadtverwaltung Aachen<br />
Zusammenfassung:<br />
Am Beispiel der Stadtverwaltung Aachen wird ein Konzept für ein betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement auf kommunaler Ebene vorgestellt.<br />
Neben der herkömmlichen betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Versorgung der<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird ein umfangreiches Programm zur betrieblichen<br />
Gesundheitsförderung, der Eingliederung sowie der Prävention durchgeführt.<br />
Zur Verwaltung der Stadt Aachen und ihrer Eigenbetriebe zählen rund 4 700 MA (<strong>2009</strong>).<br />
Es werden abgeschlossene und aktuelle Projekte vorgestellt unter Berücksichtigung von<br />
familienfreundlicher Gestaltung der Arbeitsplätze und demographischem Wandel.<br />
Die Herausforderung einer Gesunden Verwaltung insbesondere auch unter strengen<br />
Haushaltsvorgaben wird aufgezeigt.<br />
Alle Maßnahmen, Kurse und Projekte werden evaluiert und auf Nachhaltigkeit überprüft.<br />
Stichworte<br />
▪ Gesundheitsmanagement ▪ Prävention ▪ Evaluation<br />
▪ Company Health Management ▪ Prevention ▪ Evaluation<br />
AGS – alles unter einem Dach:<br />
A rbeitsschutz<br />
G esundheitsschutz<br />
S oziales<br />
Alle ziehen an einem Strang:<br />
Dezernent<br />
Personal & Organisation<br />
Sozialpsychologische<br />
Mitarbeiterberatung<br />
Team<br />
Gesunde Verwaltung<br />
Arbeitsmedizinischer<br />
Dienst<br />
Technischer<br />
Arbeitsschutz<br />
Gesunde<br />
Verwaltung<br />
Sozialpsychologische<br />
Mitarbeiterberatung<br />
Schwerbehindertenvertretung<br />
Co-Dezernent Personal<br />
& Organisation / FB-Lt.<br />
Experten Personalamt / PE<br />
Arbeitskreis<br />
Gesundheit<br />
& Arbeit<br />
Fachkraft für<br />
Arbeitssicherheit<br />
Betriebsärztin<br />
Auch unter Berücksichtigung von Demografie<br />
Gendermedizin<br />
betrieblichem Eingliederungsmanagement<br />
Suchtprävention<br />
Gleichstellungsbüro<br />
Personalrat<br />
Schwerbehindertenvertretung<br />
610
P82<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Team Gesunde Verwaltung<br />
• Aufgabenbereiche<br />
BGM<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
Angebote<br />
für alle<br />
Beschäftigten:<br />
• halbjährliches<br />
Kursprogramm<br />
•Raucherentwöhnung<br />
• Aufklärung,<br />
Beratung,<br />
Beteiligung<br />
• Mitarbeiterbeteiligung<br />
Angebote für<br />
Führungskräfte:<br />
• Nachhaltiges<br />
Seminarkonzept:<br />
Gesundheitsgerechte<br />
Mitarbeiterführung<br />
• Bisher 50% der<br />
Fachbereichsleitungen<br />
im Sem.<br />
Beratung für<br />
Führungskräfte<br />
Projekte<br />
in<br />
derzeit<br />
4 Fachbereichen<br />
Angebote<br />
für die Gesamtverwaltung:<br />
• BGM-Datenbank:<br />
Infos rund um<br />
den Arbeits- u.<br />
Gesundheitsschutz<br />
•Präventionund<br />
Soziales<br />
• Gesundheitsaktionen<br />
Vernetzung:<br />
• Intern:<br />
Arbeitskreis<br />
Gesundheit<br />
und Arbeit<br />
• Extern:<br />
Move Europe,<br />
DNBGF u.a.<br />
Öffentlichkeits<br />
arbeit:<br />
• intern<br />
• extern<br />
Pilotprojekt Sportamt<br />
70 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. 5 Schwimmbädern<br />
Kooperation<br />
Unfallkasse NRW<br />
Projektstart September 2005<br />
Mitarbeiterbefragung 88 %<br />
Gesundheitsbericht Juni 2006<br />
Gesundheitszirkel 2<br />
Maßnahmenvorschläge 39<br />
Umsetzungsquote 100%<br />
Evaluation<br />
Befragung, Workshop<br />
Aktueller Stand: Evaluationsbericht<br />
BGM-Projekte<br />
Projekt FB Umwelt<br />
70 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. Gemeindeforstamt<br />
Kooperation<br />
Unfallkasse NRW<br />
Projektstart Mai 2006<br />
Mitarbeiterbefragung 87 %<br />
Gesundheitsbericht April 2007<br />
Gesundheitszirkel 2<br />
Maßnahmenvorschläge 106<br />
Umsetzungsquote 75 %<br />
Aktueller Stand:<br />
Maßnahmenumsetzung<br />
Projekt FB Sicherheit und Ordnung<br />
178 Mitarbeiter/innen in Verw. u. Überwachungsdiensten<br />
Kooperation<br />
Techniker Krankenk.<br />
Unfallkasse NRW<br />
Projektstart<br />
Juli 2007<br />
Mitarbeiterbefragung 71 %<br />
Gesundheitsbericht Juni 2008<br />
Aktueller Stand: 5 Gesundheitszirkel<br />
werden gebildet<br />
ABBA 1) - Projekt für die AR.GE Aachen<br />
239 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. Ermittlungsdiensten<br />
Kooperation<br />
Unfallkasse NRW, AGS,<br />
Polizei (Aachener Modell)<br />
Projektstart Dezember 2007<br />
Mitarbeiterbefragung 73 %<br />
Gesundheitsbericht Mai 2008<br />
Mitarbeiterbeteiligung 3 Arbeitskrse: ARGE u.<br />
Koop.-Partner sowie<br />
Gesundheitszirkel/GesuV<br />
Aktueller Stand: Maßnahmenplanung<br />
1) Arbeitsbedingte Belastungen u. Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV<br />
611
P83<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Lassen sich die Prinzipien der Prozessgestaltung und des<br />
Komplexitätsmanagements für ein wirksames Gesundheitsmanagement<br />
nutzen?<br />
Ulrich Funke<br />
Dr. Funke Consulting GmbH, Stadtbergen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
612
P84<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Kosteneffektivität betrieblicher Interventionen zur Primärprävention<br />
kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
Frank Thalau 1 , Felix Holzinger 2 , Nina Adelberger 2 , Andreas Seidler 1<br />
1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin<br />
2 Berlin School of Public Health an der Charité, Berlin<br />
Einleitung<br />
Betriebliche Präventionsprogramme zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen genießen ein gutes<br />
Image. Ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit sind jedoch strittig und noch erstaunlich<br />
wenig untersucht. Dieser systematische Review stellt den gesundheitsökonomischen<br />
Forschungsstand dar und zeigt weiteren Bedarf auf.<br />
Methode<br />
Die Recherche erfolgte in PubMed, EconLit, NHS Economic Evaluation Database und<br />
per Handsuche in Zeitschriften nach definierten Suchbegriffen, die Studienauswahl trafen<br />
zwei unabhängige Reviewer nach vorab festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien (s.<br />
Abb. 1). Zur methodischen Qualitätsbewertung dienten Instrumente der schottischen<br />
Leitlinienagentur SIGN (www.sign.ac.uk). Aus den Einzelstudien extrahierte Daten<br />
wurden in Evidenztabellen zusammengefasst und analysiert.<br />
Ergebnisse<br />
Von 3420 gesichteten Studien gaben neun das Nutzen-Kosten-Verhältnis in monetären<br />
Einheiten in Form des Return-on-Investment (ROI) an (s. Abb. 1 und<br />
Literaturverzeichnis).<br />
Abb. 1: Recherche- und Auswahlverfahren<br />
Acht der eingeschlossenen Studien stammten aus den USA, eine aus Kanada. Sie<br />
wurden 1985-2008 in sieben verschiedenen Zeitschriften in englischer Sprache<br />
publiziert. Drei Studien erhielten eine schlechte, vier eine gute und zwei eine sehr gute<br />
methodische Qualitätsbewertung. Die Studien hatten unterschiedliche<br />
Stichprobengrößen (156-29315 Teilnehmer) und Beobachtungszeiträume (1-15 Jahre)<br />
und ihre Interventionen zielten sowohl auf die Verhaltens- als auch die Verhältnisebene.<br />
613
P84<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Auf der Nutzenseite dominierte die Betrachtung von Verminderungen der Fehl- und<br />
Ausfallzeiten, auf der Kostenseite die Berechnung der direkten Programmkosten. Das<br />
Verhältnis zwischen erzieltem Nutzen und eingesetzten Kosten (benefit-to-cost ratio) lag<br />
zwischen 1,1:1 und 15,6:1 US$. Diskontierung berücksichtigten nur vier Studien und dies<br />
in unterschiedlicher Weise (zumeist nur bei der Kostenseite).<br />
Diskussion und Fazit<br />
Betriebliche Interventionen zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
zeigten in Nordamerika eine positive Kosteneffektivität. Methodisch schwächere Arbeiten<br />
schätzten diese tendenziell höher ein. Design, Interventionskombinationen,<br />
Beobachtungszeiten, Diskontierung und ökonomische Perspektiven waren höchst<br />
unterschiedlich und erlaubten keine gepoolte Datenauswertung im Sinne einer Meta-<br />
Analyse. Systemunterschiede zu Deutschland erschweren eine Übertragbarkeit der<br />
Ergebnisse. Eigene ökonomische Untersuchungen sind daher erforderlich. Strenge<br />
methodische Standards (z. B. Randomisierung, Diskontierung) können dabei helfen, das<br />
Risiko einer Überschätzung der Kosteneffektivität zu vermindern.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Aldana SG, Jacobson BH, Harris CJ, Kelley PL, Stone WJ. Influence of a mobile<br />
worksite health promotion program on health care costs. Am.J.Prev.Med. 1993; 9: 378-<br />
83.<br />
Aldana SG, Merrill RM, Price K, Hardy A, Hager R. Financial impact of a comprehensive<br />
multisite workplace health promotion program. Prev.Med. 2005; 40: 131-7.<br />
Bertera RL. The effects of workplace health promotion on absenteeism and employment<br />
costs in a large industrial population. Am.J.Public Health 1990; 80: 1101-5.<br />
Gibbs JO, Mulvaney D, Henes C, Reed RW. Work-site health promotion. Five-year trend<br />
in employee health care costs. J.Occup.Med. 1985; 27: 826-30.<br />
Golaszewski T, Snow D, Lynch W, Yen L, Solomita D. A benefit-to-cost analysis of a<br />
work-site health promotion program. J.Occup.Med. 1992; 34: 1164-72.<br />
Naydeck BL, Pearson JA, Ozminkowski RJ, Day BT, Goetzel RZ. The Impact of the<br />
Highmark Employee Wellness Programs on 4-Year Healthcare Costs.<br />
J.Occup.Environ.Med. 2008; 50: 146-56.<br />
Ozminkowski RJ, Dunn RL, Goetzel RZ, Cantor RI, Murnane J, Harrison M. A return on<br />
investment evaluation of the Citibank, N.A., health management program. Am.J.Health<br />
Promot. 1999; 14: 31-43.<br />
Shephard RJ. Long term impact of a fitness programme - the Canada Life Study.<br />
Ann.Acad.Med.Singapore 1992; 21:63-8.<br />
Schultz AB, Lu C, Barnett TE, Yen LT, McDonald T, Hirschland D et al. Influence of<br />
participation in a worksite health-promotion program on disability days.<br />
J.Occup.Environ.Med. 2002; 44: 776-80.<br />
614
P85<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Test- und Retestergebnisse einer Herz-Kreislauf-Präventionsstudie<br />
Beate Peter, Irina Böckelmann, Christiane Seik, Eberhard A. Pfister<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Zielstellung:<br />
Rechtzeitige Prävention kann bei vielen chronischen Erkrankungen das Risiko einer<br />
verminderten Erwerbsfähigkeit senken. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken neben<br />
klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auch sekundäre Faktoren wie<br />
Bewegungsmangel und Stresssituationen mit, so dass Berufsgruppen mit hoher<br />
zeitlicher und psychomentaler Belastung in dieser Hinsicht besonders gefährdet sind.<br />
Ziel der hier vorgestellten abgeschlossenen Längsschnittstudie ist die Erfolgskontrolle<br />
individuell empfohlener Maßnahmen zur Verhaltensprävention.<br />
Probanden und Methodik:<br />
Im Rahmen einer Gesundheitsförderungsmaßnahme absolvierten 182 freiwillige<br />
Mitarbeiter (125 Männer und 57 Frauen) der Universität Magdeburg ein umfassendes<br />
Programm. Nach einer medizinischen Untersuchung mit Bestimmung der<br />
kardiovaskulären Risikofaktoren wurden für alle Probanden das individuelle<br />
Herzinfarktrisiko (PROCAM-Index) berechnet und spezifische Präventionsmaßnahmen<br />
abgeleitet. Deren Wirksamkeit überprüften wir nach 4-5 Jahren an 125 Probanden (88<br />
Männer und 37 Frauen) bei einem Retest mit identischem Studiendesign.<br />
Mit Hilfe arbeitspsychologischer Fragebögen (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und<br />
Erlebensmuster [AVEM] und Stressverarbeitungsfragebogen [SVF]) erfolgte die<br />
Einstufung in Kategorien zu gesundheitsförderlichem bzw. –gefährdendem Verhalten<br />
und zur Stressbewältigung.<br />
Weitere Untersuchungsebenen der Studie betrafen eine Beurteilung der individuellen<br />
Arbeitsplatzverhältnisse, einen psychophysiologischen Versuch (Erfassung der<br />
Kardioreaktivität unter mentaler Provokation) und ein 24-h-EKG-Monitoring mit<br />
nachfolgender Bestimmung der Herzratenvariabiliät. Auf die entsprechenden Ergebnisse<br />
wird hier nicht näher eingegangen.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Berechnung des individuellen Herzinfarktrisikos nach dem PROCAM-Algorithmus<br />
(Prospective Cardiovascular Münster Study) ist aussagekräftig für Männer ab dem 35.<br />
Lebensjahr und Frauen nach der Menopause. Dies traf für 104 unserer Probanden zu.<br />
Der PROCAM-Index (Herzinfarktrisiko des Probanden gegenüber Gleichaltrigen) stieg im<br />
Test-Retest-Vergleich signifikant an (p < 0,001, siehe Abb.).<br />
615
P85<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Bei den kardiovaskulären Risikofaktoren zeigten sich im Test-Retest-Vergleich<br />
signifikante Erhöhungen von BMI und LDL/ HDL-Quotient (p < 0,001).<br />
Der Test-Retest-Vergleich der AVEM-Ergebnisse ergab in einigen Kategorien des<br />
Arbeitsengagements („Beruflicher Ehrgeiz“, „Verausgabungsbereitschaft“) und des<br />
Lebensgefühls („Lebenszufriedenheit“) signifikant bessere Einstufungen im Retest (p <<br />
0,05).<br />
Beim SVF waren im Retest die stressvermehrenden Negativstrategien<br />
„Selbstbeschuldigung“ (SB) und „Gedankliche Weiterbeschäftigung“ (GW) signifikant<br />
geringer ausgeprägt. Gleichzeitig wiesen die stressreduzierenden Positivstrategien<br />
„Suche nach Selbstbestätigung“ (SS) und „Herunterspielen durch Vergleich mit Anderen“<br />
höhere Punktwerte im Retest auf (p < 0,01).<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Trotz Interventionsmaßnahmen (Ernährungsumstellung, Reduktion des Übergewichts<br />
und des Konsums von Genussmitteln und Nikotin, ausdauerbetonte sportliche<br />
Aktivitäten, Strategien zur beruflichen Stressbewältigung) konnte im Verlauf die<br />
individuelle Einstufung des Herz-Kreislauf-Risikos nicht verbessert werden. Nach<br />
Befragung wurden diese auch nur von zwei Drittel der Studienteilnehmer umgesetzt.<br />
Hinsichtlich der Stressbewältigungsfähigkeit war im Test-Retest-Vergleich allerdings eine<br />
Verbesserung zu erkennen.<br />
Als Konsequenz aus dieser Längsschnittstudie ist zu ziehen, dass betriebliche<br />
Gesundheitsförderungsmaßnahmen kontinuierlich vom Betriebsarzt begleitet und<br />
Erfolgskontrollen in relativ kurzen Abständen durchgeführt werden müssen.<br />
Ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-<br />
Guericke-Universität Magdeburg liegt vor.<br />
Retest<br />
1,34<br />
Test<br />
0,77<br />
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6<br />
PROCAM-Index<br />
Abb.: PROCAM-Index im Test-Retest-Vergleich<br />
616
P86<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Überprüfung der Eignung bestimmter Laborparameter als<br />
Alkoholismusmarker bei vorwiegend unter Tage beschäftigten<br />
männlichen Mitarbeitern der RAG Aktiengesellschaft<br />
Sascha Eberwein, Heinz-Johannes Bicker, Guido Mann, Martina Dahlmann<br />
Abt. Gesundheitsschutz des Bereiches Arbeits-, Gesundheits-, Umweltschutz Herne<br />
• Der chronische Alkoholabusus hat wegen seiner großen Verbreitung in der<br />
Bevölkerung<br />
und der toxischen Wirkung des Alkohols auf fast alle Organsysteme des Menschen<br />
eine<br />
erhebliche medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung.<br />
• Zur arbeitsmedizinischen Tätigkeit gehört, unter anderem zur Vermeidung von<br />
alkoholbedingten Unfällen im Betrieb, sowie im Straßenverkehr, die Abschätzung des<br />
regelmäßigen Alkoholkonsums der Probanden.<br />
• Um die Eignung bestimmter Laborparameter als Alkoholismusmarker bei vorwiegend<br />
unter Tage beschäftigten männlichen Mitarbeitern der RAG Aktiengesellschaft zu<br />
überprüfen, wurden Zusammenhänge zwischen verschiedenen Laborparametern mit<br />
dem<br />
erfragten Alkoholkonsum bei den ca. 25.000 arbeitsmedizinischen Untersuchungen<br />
der Beschäftigten des Jahres 2006 untersucht.<br />
Zunächst wurden die Untersuchungsergebnisse der Beschäftigten nach dem<br />
angegebenen Trinkverhalten eingeteilt, in Gruppen mit:<br />
• regelmäßigen Alkoholkonsum,<br />
• gelegentlichen Alkoholkonsum,<br />
• keinen Alkoholkonsum,<br />
• beendeten früheren Alkoholkonsum,<br />
• sowie keinen Angaben zum Alkoholkonsum.<br />
Die GGT- Mittelwerte wurden mit dem angegebenen Trinkverhalten der Probanden in<br />
Beziehung gesetzt:<br />
617
P86<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
GGT M itte lw erte<br />
GGT [ U/I ]<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
keine Angaben nein gelegentlich regelmäßig nicht mehr<br />
Al kohol konsum<br />
■ Probanden, die einen regelmäßigen Alkoholkonsum angaben, wiesen die<br />
höchsten GGT- Werte auf. Probanden ohne Alkoholkonsum wiesen die<br />
niedrigsten GGT- Werte auf.<br />
Die ermittelten CDT- Mittelwerte wurden mit dem angegebenen Trinkverhalten der<br />
Probanden in Beziehung gesetzt.<br />
■<br />
Probanden, die einen regelmäßigen oder gelegentlichen Alkoholkonsum<br />
angaben, wiesen höhere CDT- Werte auf.<br />
Es wurde auf eine Beziehung der GGT- Werte mit dem Gesamtcholesterinwert hin<br />
geprüft.<br />
■<br />
Mitarbeiter mit hohen Cholesterinwerten wiesen zumeist höhere GGT- Werte auf.<br />
Die GGT- und CDT- Werte von den Probanden mit angegebenem regelmäßigem<br />
Alkoholkonsum wurden verglichen.<br />
■<br />
Erhöhte CDT- Werte fanden sich hier auch bei niedrigen GGT- Werten.<br />
618
P86<br />
Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />
Nun wurde die Gruppe mit angegebenem regelmäßigem Alkoholkonsum nach dem<br />
angegebenen wöchentlichen Bierkonsum weiter untersucht.<br />
Die erhobenen GGT- Werte wurden dem angegebenen Bierkonsum zugeordnet.<br />
■<br />
Niedrige GGT- Werte kamen zwar überwiegend bei den Probanden mit dem<br />
niedrigeren angegebenen Alkoholkonsum vor, waren aber auch bei Probanden<br />
mit höherem angegebenem Alkoholkonsum zu finden.<br />
Die erhobenen CDT- Werte wurden dem angegebenen Bierkonsum zugeordnet.<br />
■<br />
Die überwiegende Anzahl der Probanden mit dem niedrigeren angegebenen<br />
Bierkonsum hatte normale CDT- Werte und die überwiegende Anzahl der<br />
Probanden mit höherem, bzw. hohem angegebenem Bierkonsum hatte erhöhte<br />
CDT- Werte, bzw. CDT- Werte im Graubereich.<br />
Zusammenfassung:<br />
■<br />
■<br />
Eine Erhöhung der GGT kann ein Hinweis auf einen erhöhten Alkoholkonsum<br />
sein.<br />
Zur Abgrenzung von nicht alkoholbedingten Erhöhungen der GGT wie z.B. einer<br />
isolierten Fettstoffwechselstörung von einem bestehenden Alkoholmissbrauch<br />
scheint die CDT- Bestimmung geeignet zu sein.<br />
619
P87<br />
Poster – Asbest I<br />
Ab wann ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei der<br />
BK 4103 fassbar?<br />
Alexandra M. Preisser, Xaver Baur<br />
Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />
Hintergrund:<br />
Die Berufskrankheit Nr. 4103 (Lungen-Asbestose oder asbestbedingte Pleuraplaques)<br />
führt zu einer vornehmlich restriktiven Ventilationsstörung. Bisher wird eine MdE-<br />
Einschränkung i.d.R. erst ab 20 % gewertet und genannt, wobei man hierbei zur<br />
Beurteilung in manchen Fällen nur die Spirometrie zugrunde legt. Eine MdE von 10%<br />
kann jedoch im Falle des Vorliegens einer weiteren Berufskrankheit, z.B. einer<br />
Lärmschwerhörigkeit, zu Versicherungsleistungen führen.<br />
Anhand von 4 Fällen wird unter Berücksichtigung weiterer lungenfunktioneller Parameter<br />
eine differenzierte MdE-Einschätzung dargestellt.<br />
Methode:<br />
4 Patienten mit asbestbedingten Pleuraplaques, in einem Fall zusätzlich mit Z. n.<br />
asbestassoziierter Pleuritis, wurden gutachterlich untersucht. Führendes Symptom war<br />
die Dyspnoe bei stärkerer Belastung. Neben der Spirometrie erfolgten<br />
Bodyplethysmografie, Spiroergometrie mit Messungen der alveoloarteriellen<br />
Sauerstoffdifferenz (AaDO 2 ) und der Messung der CO-Diffusionskapazität (D L,CO ) sowie<br />
in zwei Fällen die Compliance-Bestimmung. Neben konventionellen<br />
Röntgenuntersuchungen des Thorax lagen CT-Untersuchungen zur Beurteilung vor.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Vitalkapazität aller Patienten lag im unteren Normbereich (81 - 85% d. Soll-<br />
Mittelwertes n. Brändli et al. 2000). Drei Patienten zeigten einen verminderten CO-<br />
Transfer auf 67%, 71% bzw. 64% des Soll-Mittelwertes (n. Cotes et al., 1993); zwei von<br />
diesen wiesen einen Abfall des Sauerstoffpartialdrucks unter Belastung mit Erhöhung der<br />
AaDO 2 auf 42 und 40 mmHg auf. In Fall 2 und 3 war die statische Compliance<br />
vermindert auf 42 bzw. 58% d. Soll-MW (n. Galetke et al., 2005). Insbesondere im<br />
zweiten Fall, dem Patienten mit Zustand nach asbestbedingter Pleuritis und Obliteration<br />
des costophrenischen Winkels, war diese Minderung der Compliance weit unterhalb des<br />
unteren Sollgrenzwertes der führende Untersuchungsbefund. Der vierte Patient hatte<br />
vornehmlich eine Obstruktion der kleinen Atemwege mit Einschränkung der FEV 1 und<br />
der FEF 25-75 . Er war seit 31 Jahren Nichtraucher, vorher 16 packyears.<br />
In zwei Fällen ließ sich eine reproduzeirbare Vitalkapazität Höhe der Vitalkapazität mit<br />
einem Wert oberhalb des unteren Sollgrenzwertes (je von 81 bzw. 82 % des<br />
620
P87<br />
Poster – Asbest I<br />
Sollmittelwertes) erst in der spirometrischen Messung nach der Belastungsuntersuchung<br />
objektivieren.<br />
Bei zwei Patienten bestand nach der klinischen Untersuchung und der zusätzlich<br />
durchgeführten Audiometrie der Verdacht auf das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit,<br />
ein Patient hatte eine Gonarthrose, als Berufskrankheit anerkannt mit einer MdE von<br />
20%.<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Die Beschränkung der Lungenfunktionsdiagnostik auf die Spirometrie, wie sie von<br />
einigen UV-Trägern für bestimmte Konstellationen der BK 4103 vorgenommen wird, stellt<br />
keine ausreichend sensitive Diagnostik hierfür dar. Ergänzend sind Spiroergometrie mit<br />
Messung der Blutgase und alveolo-arteriellen Sauerstoffdifferenz, Messung der CO-<br />
Diffusionskapazität und Compliance zur Objektivierung (noch) leichter funktioneller<br />
Einschränkungen und damit der MdE-Einschätzung notwendig. Ist die<br />
Reproduzierbarkeit der Vitalkapazität nicht gegeben, sollten die Untersuchungen durch<br />
eine Spirometrie nach Belastung ergänzt werden.<br />
Die umfassende Untersuchung kann vor allem beim gleichzeitigen Vorliegen einer<br />
anderen Berufskrankheit bedeutsam sein (sog. „Stütz-MdE“). Vorgenannte Verfahren<br />
sollten daher immer in der gutachterlichen Untersuchung restriktiver<br />
Lungenerkrankungen eingesetzt werden.<br />
621
P87<br />
Poster – Asbest I<br />
Abb. 1: Blutgase (P a,O2 Soll: 85.99 mmHg, Soll-UG: 71.82) und AaDO 2 (Alveoloarterielle<br />
Sauerstoffdifferenz) in Ruhe und unter Belastung (rot unterstrichen). Während der bereits initial<br />
leicht pathologische P a,O2 keinen weiteren wesentlichen Abfall zeigt, ist ein deutlicher Anstieg der<br />
AaDO 2 in den pathologischen Bereich als Zeichen der Diffusionsstörung messbar.<br />
Literatur:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Brändli O, Leuenberger Ph, Schindler C, Baur X, Degens P, Künzli N, Keller R,<br />
Perruchoud AP. Reestimated reference equations for the 5 th percentiles of lung<br />
function variables in the adult population of Switzerland (SAPALDIA-study).<br />
Thorax 2000; 55: 173-174<br />
Cotes JE, Chinn DJ, Quanjer PH, Roca J, Yernault JC. Standardization of the<br />
measurement of transfer factor (diffusing capacity) European Community for<br />
Steel and Coal. Official statement of the European Respiratory Society. Eur<br />
Respir J 1993; 6: 41-52<br />
Galetke W, Feier C, Muth T, Rühle K-H, Borsch-Galetke E, Randerath. Neue<br />
Referenzwerte für die dynamische und statische Compliance der Lunge bei<br />
Männern. Pneumologie 2005;59:S60<br />
622
P88<br />
Poster – Asbest I<br />
Asbestbedingte Lungenfunktionsveränderungen auch bei<br />
normalem Röntgenthoraxbefund?<br />
Dennis Wilken, Xaver Baur<br />
Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
623
P89<br />
Poster – Asbest I<br />
Korrelation des Streuungsgrades einer Lungenasbestose nach<br />
ILO und HRCT mit der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis<br />
Rolf Arhelger 1 , Paul Mayer 2 , Kurt Georg Hering 3 und Joachim Schneider 1<br />
1<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort<br />
Gießen<br />
2 An Sichelscheid 20, 52134 Herzogenrath<br />
3 Knappschaftskrankenhaus Dortmund<br />
Einleitung und Fragestellung<br />
Im Gegensatz zur Verursachung von Pleuraplaques oder des Pleuramesothelioms<br />
werden für die Lungenasbestose höhere kumulative Asbestfaserstaub-Dosen erforderlich<br />
gehalten. Derartig erhöhte Asbestfaserstaub-Einwirkungen werden in der Regel nur an<br />
bestimmten Arbeitsplätzen angetroffen. In der Legaldefinition zur Nr. 4103 der BKV<br />
werden keine Mindest-Dosen am Arbeitsplatz als Anerkennungskriterium vorgegeben. Im<br />
folgenden sollen die sicherheitstechnisch ermittelten Asbestfaserstaub-Dosen mit dem<br />
Schweregrad einer Lungenasbestose in Beziehung gesetzt werden.<br />
Kollektiv und Methoden<br />
In einem Kollektiv mit n=169 Männern im Alter zwischen 35 und 74 Jahren mit als<br />
Berufskrankheit der Nr. 4103 BKV anerkannter Lungen- und/oder Pleuraasbestose [1]<br />
wurden die kumulativen Asbestfaserstaubdosen (FJ) sicherheitstechnisch geschätzt [2]<br />
und mit dem Schweregrad einer Lungenasbestose aufgrund bildgebender Befunde<br />
(Übersichtsaufnahme nach ILO und HR-CT) korreliert [3, 4].<br />
Ergebnisse<br />
Patienten in der Asbestprodukt-Herstellung (n=30) hatten mit im Median 73 Faserjahren<br />
(Spannweite: 15-787) höhere Dosen am Arbeitsplatz als Anwender (n=139) mit im<br />
Median 38,5 (Spannweite: 1-480) Faserjahren.<br />
Die Korrelation der bildgebenden Befunde nach ILO im Thorax-Übersichtsbild mit den FJ<br />
zeigt für Lungenasbestosen 1/1 eine gewisse Dosisabhängigkeit, siehe Abbildung 1.<br />
CT morphologisch sind Lungenasbestosen schon bei relativ niedrigen<br />
Faserkonzentrationen nachweisbar. Eindeutig im HRCT gesicherte Lungenasbestosen<br />
wurden bei einem Faserjahr (Streuungskategorie im HRCT: 1/1), 15 Faserjahren<br />
(Streuungskategorie im HRCT: 1/2), 27 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 2/1),<br />
13 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 2/2), 6 Faserjahren (Streuungskategorie<br />
im HRCT: 3/1) und 8 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 3/2) beobachtet.<br />
624
P89<br />
Poster – Asbest I<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
Bei für eine Lungenasbestose relativ niedrigen Faserkonzentrationen waren bereits<br />
computertomografisch fortgeschrittene Lungenasbestosen nachweisbar. Dies spricht für<br />
eine besondere Empfindlichkeit bestimmter Patienten.<br />
Literatur<br />
1. Hauser-Heidt G, Arhelger R, Schneider J: Wertigkeit der statischen Compliance-<br />
Messung bei Asbestfaserstaub-verursachten Erkrankungen der Lunge und der<br />
Pleura. Wissenschaftlicher Abschlussbericht, Hauptverband der gewerblichen<br />
Berufsgenossenschaften (2006)<br />
2. BK-Report 1/2007 Faserjahre: Berufsgenossenschaftliche Hinweise zur Ermittlung<br />
der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz (Faserjahre) und<br />
Bearbeitungshinweise zur Berufskrankheit Nr. 4104 „Lungenkrebs oder<br />
Kehlkopfkrebs“. Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen<br />
Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin (2007): 1-257<br />
3. Hering K G, Jacobsen M, Bosch-Galetke E, Elliehausen H-J, Hieckel H-G, Hofmann-<br />
Preiß K, Jacques W, Jeremie U, Kotschy-Lang N, Kraus Th, Menze B, Raab W,<br />
Raithel H-J, Schneider W D, Straßburger K, Tuengerthal S, Woitowitz H-J: Die<br />
Weiterentwicklung der Internationalen Staublungenklassifikation – von der ILO 1980<br />
zur ILO 2000 und zur ILO 2000/Version Bundesrepublik Deutschland. Pneumologie<br />
57 (2003): 576-584<br />
4. Hering K G, Tuengerthal S, Kraus T: Standardisierte CT/HRCT-Klassifikation der<br />
Bundesrepublik Deutschland für arbeits- und umweltbedingte Thoraxerkrankungen.<br />
Der Radiologe 5 (2004): 500-511<br />
625
P89<br />
Poster – Asbest I<br />
Kumulative Asbestfaserstaub-Dosis [F/m 3 *10 6 * Jahre]<br />
s<br />
0 50 100 150 200<br />
0 50 100 150 200<br />
A<br />
n=<br />
6 86 51 12 7 2 5<br />
B<br />
0/0 0/1 1/0 1/1 1/2 2/1 2/2<br />
Streuungskategorie nach ILO<br />
n=169<br />
n=<br />
13 40 28 10 19 17 18 11 9 3 1<br />
0/0 0/1 1/0 1/1 1/2 2/1 2/2 3/1 3/2 3/3 3/+<br />
Streuungskategorie s‘t‘u und/oder v‘w‘x nach HRCT<br />
Abbildung 1: Korrelation der Streuungskategorien nach ILO (A) und HRCT (B) mit der<br />
kumulativen Asbestfaserstaubdosis.<br />
626
P90<br />
Poster – Asbest I<br />
Retrospektive Ermittlung der Asbestexposition bei Mitarbeitern<br />
der Energieindustrie<br />
Michael K. Felten 1 , Lars Knoll 1 , Christian Eisenhawer 1 , Diana Ackermann 2 , Wolfgang<br />
Zschiesche 3 , Johannes Hüdepohl 3 , Thomas Kraus 1<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinik der RWTH Aachen,<br />
2<br />
Institut für Medizinische Statistik, Universitätsklinik der RWTH Aachen,<br />
3<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Köln<br />
Einleitung<br />
Asbeststaub erhöht das Risiko an z.B. einer Lungenfibrose, einem Bronchialkarzinom<br />
oder einem Mesotheliom zu erkranken (1). Um trotz langer Latenzperioden bis zum<br />
Ausbruch der Erkrankung einen größtmöglichen Effekt bei möglichst geringen Kosten<br />
sicher zu stellen, sollten Früherkennungsprogramme risikodifferenziert angelegt sein. Es<br />
ist bekannt, dass Mitarbeiter in Kraftwerken und in Einrichtungen der Energieverteilung,<br />
wie Umspannwerken und Transformatoren, insbesondere vor dem Asbestverbot Ende<br />
1992 Asbeststaub ausgesetzt waren (2,3). Bisher verfügbare Daten über<br />
aufgabenspezifische Belastungen am Arbeitsplatz und individuelle Erkrankungsrisiken<br />
sind allerdings unzureichend.<br />
Kollektiv und Methode<br />
Aus aktiven und ehemaligen asbestbelasteten Mitarbeitern eines großen deutschen<br />
Energieerzeugers bildeten wir eine Kohorte von 8632 Probanden (Tabelle 1), die auf<br />
einem selbst ausgefüllten Fragebogen Angaben über ihre Expositionsdauer für<br />
Asbeststaub, ihre Berufsbezeichnung und ihre hauptsächlichen Tätigkeiten machten (4).<br />
Die Mehrzahl der Teilnehmer (n = 5622) war in einem von acht Kraftwerken beschäftigt.<br />
Die übrigen arbeiteten in verschiedenen Einrichtungen der Energieverteilung (n = 2498)<br />
oder der Gasversorgung (n = 512). Da die Letzteren mit einiger Verzögerung erfasst<br />
wurden, konnten für diese Gruppe Expositionsdaten und Tätigkeiten nicht ausgewertet<br />
werden. Zur Berechnung der individuellen kumulativen Asbestbelastung (in Faserjahren)<br />
benutzten wir ein standardisiertes Computerprogramms (BESTOS) (5). Das Programm<br />
wird über eine leicht zu bedienende Oberfläche bedient und läuft auf konventionellen<br />
Personalcomputern. Zur Auswertung ordneten wir die Vielzahl der Berufsbezeichnungen<br />
sechs Gruppen zu, deren berufliche Exposition als ähnlich angenommen wurde. Die<br />
individuellen Belastungen der Teilnehmer und die Häufigkeiten typischer Tätigkeiten mit<br />
Asbestbelastung wurden zwischen diesen Berufsgruppen verglichen. Die definierten<br />
Berufsgruppen ähnlicher Exposition waren Schlosser, Elektriker, Kraftwerker, andere<br />
Handwerker, Leitende und andere Berufe.<br />
627
P90<br />
Poster – Asbest I<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt werteten wir Expositionsdaten von 7775 Probanden (90% der Kohorte) aus,<br />
von denen 5284 aus dem Bereich Energieerzeugung und 2491 aus dem Bereich<br />
Energieverteilung kamen. Die Probanden aus der Energieerzeugung hatten ein mittleres<br />
Alter von 56 Jahren, waren 20 Jahre lang exponiert und hatten eine kumulative<br />
Asbestdosis von 42 Faserjahren. Den höchsten Wert von 79 Faserjahren erreichte die<br />
Berufsgruppe der Schlosser (n = 1600). Die entsprechenden Ergebnisse für die<br />
Energieverteiler waren 45 und 20 Jahre, sowie 2,5 Faserjahre mit einem Spitzenwert von<br />
5,1 Faserjahren bei den Kraftwerkern. Alle Berufsgruppen hatten deutlich geringere<br />
Werte für die Faserjahre als diejenigen bei den Energieerzeugern. Der mittlere<br />
Faserjahreswert bezogen auf die gesamte Gruppe der Energieverteiler erreichte nur<br />
etwa 6 % des mittleren Wertes bei den Energieerzeugern (2,5 gegenüber 42 Faserjahre).<br />
Schlussfolgerungen<br />
In der Zeit vor 1993 waren Mitarbeiter insbesondere der Energie erzeugenden Industrie<br />
hochgradig asbestexponiert. Mitarbeiter der Energie verteilenden Industrie hatten eine<br />
mittlere Belastung von nur etwa 6% der Belastung bei den Energieerzeugern.<br />
Vorsorgemaßnahmen für asbestverursachte Erkrankungen sollten auf der Grundlage<br />
gezielter epidemiologischer Erhebungen zur Ermittlung des berufsspezifischen<br />
Erkrankungsrisikos durchgeführt werden. Das verwendete Programm zur<br />
standardisierten Berechnung der individuellen Asbestbelastungen eignet sich gut für<br />
epidemiologische Erhebungen in definierten Risikogruppen.<br />
Literatur<br />
1. Doll R, Peto J. Effects on health of exposure to asbestos. London: HSE Books, 1985.<br />
2. Madl AK, Clark K, Paustenbach DJ. Exposure to airborne asbestos during removal<br />
and installation of gaskets and packings: a review of published and unpublished<br />
studies. J Toxicol Environ Health B Crit Rev 2007;10(4):259-86.<br />
3. Williams PR, Phelka AD, Paustenbach DJ. A review of historical exposures to<br />
asbestos among skilled craftsmen (1940-2006). J Toxicol Environ Health B Crit Rev<br />
2007;10(5):319-77.<br />
4. Swuste P, Dahhan M, Burdorf A. Linking Expert Judgement and Trends in<br />
Occupational Exposure into a Job-Exposure Matrix for Historical Exposure to<br />
Asbestos in The Netherlands. Ann Occup Hyg 2008;52(5):397-403.<br />
5. HVBG. Berufsgenossenschaftliche Hinweise zur Ermittlung der kumulativen<br />
Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz („BK-Report Faserjahre“). Sankt Augustin,<br />
2007.<br />
628
P90<br />
Poster – Asbest I<br />
629
P91<br />
Poster – Asbest I<br />
Statistische Verfahren zur Behandlung fehlender Werte in<br />
epidemiologischen Studien<br />
Christian Schikowsky 1 , Diana Ackermann 2 , Michael K. Felten 3 , Thomas Kraus 3<br />
1<br />
Technische Universität Dortmund,<br />
2<br />
Institut für Medizinische Statistik, RWTH Aachen,<br />
3<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Bei der Auswertung epidemiologischer Studien stellen fehlenden Werte ein häufig<br />
auftretendes Problem dar, welches sich darin äußert, dass solche Beobachtungen durch<br />
die statistischen Verfahren häufig von der Analyse ausgeschlossen werden. Hierdurch<br />
kann ein Informationsverlust entstehen. Eine Lösung dieses Problems stellen<br />
Ersetzungsstrategien für die fehlenden Werte dar, die eine Auswertung auf Basis<br />
möglichst aller Beobachtungen ermöglichen. Mit einfachen Verfahren dieser Art werden<br />
fehlende Werte z.B. durch eine statistische Kenngröße ersetzt. Komplexere Verfahren,<br />
bei denen zum Beispiel die fehlenden Werte mehrfach ersetzt werden, sind mit einem<br />
deutlich höheren Rechenaufwand verbunden. Wir haben den Einfluss verschiedener<br />
Ersetzungsstrategien für fehlende Werte auf die Ergebnisse (Vorhersagefähigkeit)<br />
untersucht.<br />
Methoden<br />
Grundlage der Untersuchungen bildete eine Kohorte von 4446 ehemals<br />
asbestexponierter Kraftwerksmitarbeitern. Mit den Variablen Alter, Expositionsdauer,<br />
Berufsgruppe, Faserjahre und Tabakrauchkonsum in packyears eine Auswahl von<br />
Merkmalen für die Analysen verwendet. Vor allem die im Mittelpunkt der Betrachtung<br />
stehenden Faserjahre stellten sich als anfällig für fehlende Werte (1145/25,75%) heraus.<br />
Insgesamt wiesen 1170 (26,32%) fehlende Werte auf. Im ersten Teil der Analyse wurden<br />
die verschiedenen Verfahren auf den Datensatz angewendet. Es ergaben sich,<br />
basierend auf dem angewendeten Verfahren, ein oder mehrere vervollständigte<br />
Datensätze. An jeden dieser Datensätze wurde dann ein logistisches Regressionsmodell<br />
angepaßt (1). Anhand dieser wurde im nächsten Schritt vorhergesagt, ob ein Proband<br />
als berufserkrankt oder gesund eingestuft würde. Für den Vergleich der Verfahren wurde<br />
das Receiver Operating Characteristics Curve (ROC) Verfahren verwendet (3). Die ROC<br />
Kurve betrachtet zu verschiedenen Leveln die Anzahl der korrekt als Event (Sensitivität)<br />
bzw. als Nichtevent (Spezifität) klassifizierten Beobachtungen und gibt Aufschluß über<br />
die Vorhersagefähigkeit des zu Grunde liegenden Modells und somit über die Qualität<br />
der Ersetzungsverfahren. Wir beschränkten uns bei unseren Analysen auf die folgenden<br />
Verfahren:<br />
630
P91<br />
Poster – Asbest I<br />
Listwise deletion (LD): Dieses Verfahren entfernt jegliche Beobachtungen, die<br />
fehlende Werte enthalten, aus dem Datenmaterial.<br />
Imputation (IM): Ersetzt die fehlenden Werte durch plausible Werte z.B. das<br />
arithmetische Mittel oder den Median.<br />
Predictive Mean Matching (PMM): Für jedes Merkmal, welches fehlende Werte<br />
enthält, werden mittels eines Regressionsmodells Vorhersagen für die<br />
Beobachtungen der Variablen mit fehlenden Werten bestimmt. Die fehlenden Werte<br />
werden durch beobachtete Werte mit einem ähnlichen Vorhersagewert ersetzt.<br />
Multiple Imputation (MI): Grundidee ist die Anwendung eines Ersetzungsverfahrens<br />
auf m Kopien des Datensatzes. Diese werden einzeln analysiert und abschließend<br />
wird aus den sich ergebenden m Statistiken eine Endstatistik gebildet.<br />
Ergebnisse<br />
Durch die Anwendung der Ersetzungsverfahren konnte, im Vergleich zum<br />
Standardvorgehen, eine Verbesserung der Vorhersagefähigkeit erzielt werden<br />
(Abbildung 1). Die Unterschiede zwischen den Ersetzungsverfahren sind hingegen nur<br />
geringfügig. Dies zeigt sich ebenfalls bei Betrachtung der Schätzungen der Flächen<br />
unterhalb der ROC Kurven (0.808 (LD), 0.841 (IM-MI), 0.844 (IM-ME), 0.843 (PMM) und<br />
0.843 (MI)).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Ergebnisse unserer Analysen lassen sich nur bedingt verallgemeinern, da sie<br />
spezifisch für den analysierten Datensatz sind. Anhand der bisherigen Analysen kann<br />
der Einfluss der Datenstruktur auf die Ergebnisse nicht eingeschätzt werden. Aus diesem<br />
Grund sollte vor einer routinemäßigen Anwendung die Kontrolle unserer Ergebnisse<br />
anhand von:<br />
Datensätzen mit ähnlicher Datenstruktur<br />
Datensätzen mit unterschiedlicher Datenstruktur<br />
Datensätzen in denen die fehlenden Werte künstlich erzeugt wurden<br />
durchgeführt werden.<br />
Literatur<br />
1. Allison, P. D. (1999). Logistic Regression Using SAS: Theory and Application, Cary,<br />
NC: SAS Institute Inc.<br />
2. Allison, P. D. (2001). Missing Data, (Sage University Papers Series on Quantitative<br />
Applications in the Social Sciences, series no. 07-136). Thousands Oaks, CA: Sage.<br />
3. Hanley, J. A., McNeil, B. J. (1982) The meaning and use of the area under a receiver<br />
operating characteristic (ROC) curve, Radiology, 143, 29-36.<br />
631
P91<br />
Poster – Asbest I<br />
Abbildung 1: ROC Kurven der Verfahren zur Behandlung fehlender Werte<br />
632
P92<br />
Poster – Asbest I<br />
Deskriptive Analyse asbestbedingter Malignome ehemals<br />
exponierter Kraftwerksmitarbeiter<br />
Marion Voigt, Lars Knoll, Michael Felten, Khaled Khatab, Thomas Kraus<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Bei ehemals asbestexponierten Kraftwerksmitarbeitern liegt ein erhöhtes Risiko unter<br />
anderem für die Entstehung bösartiger Erkrankungen der Lunge und der Pleura vor.<br />
Unter bestimmten Voraussetzungen können gemäß der aktuellen Berufskrankheitenverordnung<br />
Bronchialkarzinome (BC), Larynxkarzinome (LC) und Mesotheliome (ME)<br />
als Berufskrankheit anerkannt werden.<br />
Ob und an welcher Form ein Individuum nach Asbestbelastung erkrankt und wie schwerwiegend<br />
die Erkrankung dann ist, ist auf Grund der multifaktoriellen Genese nur schwer<br />
abzuschätzen.<br />
Material und Methode<br />
Im Rahmen unseres differenzierten Vorsorgeprogramms für ehemals asbestexponierte<br />
Arbeitnehmer (DiVA -Differenzierte Vorsorge Asbest-) und dessen jetziger Fortführung<br />
CARE (Comprehensive Asbestos Research Endeavour) sowie im Zuge von Berufskrankheitenfeststellungsverfahren<br />
wurden qualifizierte Berufsanamnesen inklusive der<br />
Faserjahresbestimmung erhoben. Ferner hat man ärztliche körperliche und apparative<br />
(Röntgen-Thorax, LDSCT und Lungenfunktionsanalysen) Untersuchungen durchgeführt<br />
als auch laborchemische (Osteopontin, Mesothelin) und zytologische<br />
(Sputumuntersuchungen) Parameter gewonnen.<br />
Im Zuge dieses risikodifferenzierten Früherkennungsprogramms, das allen ehemals<br />
asbestexponierten Kraftwerksmitarbeitern von RWE angeboten wurde, entstand eine seit<br />
März 2002 gewachsene Kohorte, die nun die Grundlage von prospektiven<br />
Längsschnittstudien ist.<br />
Aus einer Grundgesamtheit von 5622 ehemals asbestexponierten Arbeitnehmern<br />
sind uns derzeit (Stichtag 01.06.2008) 79 histologisch gesicherte Malignomfälle<br />
bekannt.<br />
Gruppiert nach den Diagnosen BC, LC und ME wurde eine deskriptive Analyse<br />
hinsichtlich der Variablen Alter, Latenzzeit, Expositionsdauer, Faserjahre,<br />
Rauchstatus inklusive der Packyears und CT-morphologischer pleuraler<br />
(Pleuraplaques) und parenchymaler Veränderungen (Lungenfibrose) durchgeführt.<br />
633
P92<br />
Poster – Asbest I<br />
Ergebnisse<br />
Im Beobachtungszeitraum fanden sich 57 BC, 18 ME und 4 LC. Die mediane<br />
Faserjahresbelastung war 9 bei den BC, 10,9 bei den ME und 33,7 bei LC. Der Anteil der<br />
Nieraucher beträgt 5,5% (BC), 16,7 % (ME) und 25 % (LC). Demgegenüber stehen mit<br />
47,3 % (BC), 5,6 % (ME) und 25 % (LC) die aktiven Raucher. BC- und LC-Patienten<br />
haben im Median mit 41 bzw. 34,5 Packyears deutlich mehr geraucht als ME-Patienten.<br />
Im CT fanden sich bei BC, ME und LC-Patienten in 77,1, 85,7 und 66,7% pleurale<br />
Veränderungen. Parenchymale Veränderungen wurden in 60, 14,2 und 66,7%<br />
objektiviert.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen für die drei Erkrankungsgruppen keinen<br />
wesentlichen Unterschied im Hinblick auf das Alter, die Latenzzeit und die<br />
Expositionsdauer. Bei den BC- und ME-Patienten liegen zwar keine signifikanten<br />
Unterschiede hinsichtlich der asbestbezogenen Expositionsvariablen Dauer, Latenz und<br />
Dosis vor, allerdings differiert das Rauchverhalten deutlich. Die Gruppe der BC-Patienten<br />
weist den größten Anteil an Rauchern auf und ist auch die zahlenmäßig größte<br />
Erkrankungsgruppe. Somit ergibt sich neuerlich ein Hinweis auf den bekanntermaßen bei<br />
der Erkrankungsgenese wesentlich einwirkenden Kofaktor Rauchen. Die Prävalenz CTmorphologisch<br />
gesicherter Veränderungen an Lunge und Pleura bildet sich<br />
erkrankungstypisch ab, so haben an einem ME erkrankte Personen überwiegend<br />
Veränderungen an der Pleura (unabhängig vom ME) und nur zu einem geringen Teil<br />
(14,3%) im Lungenparenchym. Aufgrund der geringen Fallzahl sind weitreichendere<br />
Schlussfolgerungen für die Gruppe der Larynxkarzinome nicht möglich. Weiteren<br />
Aufschluss werden die umfassenden Ergebnisse der prospektiven Längsschnittstudie<br />
634
P92<br />
Poster – Asbest I<br />
geben können. Die Ergebnisse der krankheitsgruppenspezifischen Analyse von<br />
beruflichen und außerberuflichen Belastungen sind für die Weiterentwicklung von<br />
differenzierten Risikomodellen eine wichtige Grundlage.<br />
635
P93<br />
Poster – Asbest II<br />
Automatische Detektion und quantitative Beurteilung der<br />
pleuralen Verdickungen in thorakalen CT Daten<br />
Kraisorn Chaisaowong 1 2 , Achim Knepper 1 , Elke Ochsmann 3 , Til Aach 1 , Thomas Kraus 3<br />
1<br />
Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen<br />
2<br />
King Mongkut’s University of Technology North Bangkok<br />
3<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
Einleitung<br />
Ehemals asbestexponierte Beschäftigte können an einem malignen Mesotheliom der<br />
Pleura, des Perikards oder des Peritoneums erkranken (BK 4105). In 3D CT-Aufnahmen,<br />
z.B. Spiral-CT, können pleurale Verdickungen als Asbestinhalationsfolgen dargestellt<br />
und bewertet werden. Die manuelle Untersuchung der einzelnen CT-Schnittbilder ist<br />
allerdings zeitintensiv und die resultierenden Befunde unterliegen aufgrund der<br />
subjektiven visuellen Beurteilung Schwankungen. Ziel der vorliegenden interdisziplinären<br />
Arbeit ist es, die Diagnostik der Pleuraplaques durch ein automatisches<br />
Bildverarbeitungssystem zu unterstützen, welches es erlaubt, die mögliche Progredienz<br />
von Pleuraplaques zu objektivieren und damit standardisiert zu erfassen und<br />
dokumentieren. Dazu wurde ein computerbasiertes Bildanalysesystem zur<br />
automatisierten Verarbeitung der 3D CT-Daten entwickelt.<br />
Methodik<br />
Der Gesamtumfang des Bildanalysesystems beinhaltet die Detektion des<br />
Lungenbereichs, die Bestimmung des Pleuraverlaufs, die Detektion der<br />
Pleuraverdickungen, sowie die quantitative Erfassung der gefundenen Verdickungen,<br />
und abschließend die semiautomatische Registrierung [1].<br />
1. Die Detektion des Lungenbereichs wurde durch eine Schwellwerttechnik realisiert [2],<br />
die einen vordefinierten Bereich der Relation zwischen den Lungen und den gesamten<br />
Daten berücksichtigt. Diese führte zur Trennung des Lungenparenchyms von den<br />
restlichen Daten.<br />
2. Die Bestimmung des Pleuraverlaufs basiert auf einer Annahme des statistischen<br />
Verhaltens der CT-Daten als Gibbs-Markov Wahrscheinlichkeitsfeld, mit Hilfe dessen<br />
optimale Nachbarschaftsbeziehung eine präzise Konturbestimmung ermöglicht wurde<br />
[2].<br />
3. Die Detektion der Pleuraverdickungen benötigte die Erstellung eines gesunden<br />
Modells der Pleura. Da die Verdickungen als Unregelmäßigkeiten entlang der<br />
Lungenwand gelten, wurde hierfür die aktuelle Pleura so geglättet, dass die Glättung<br />
jeweils nur auf die lokale Unregelmäßigkeit angepasst wurde. Als mögliche<br />
Verdickungen gelten die Differenzen zwischen der tatsächlichen Pleura und dem Modell.<br />
Weiterhin wurden virtuelle Biopsien aus den CT-Daten durchgeführt, aus denen ein<br />
636
P93<br />
Poster – Asbest II<br />
statistisches Hounsfield-Unit-Modell für das Verdickungsparenchym abgeleitet wurde.<br />
Das Modell bildet die Grundlage für die Endbestimmung der Verdickung und deren<br />
Ausbreitung (Abb. 1, links) [3].<br />
4. Die quantitative Erfassung (Abb. 1, rechts) der jeweiligen Verdickung geschieht<br />
mittels Interpolation. Durch Rekonstruktion der fehlenden Lungenwand sowie durch 3D<br />
Interpolation der Hülle der Verdickung kann das Volumen pixelgenau bestimmt werden<br />
[1].<br />
5. Die semi-automatische Registrierung erfolgte nach der Markierung von anatomischen<br />
Fixpunkten durch den Benutzer. Durch die Bestimmung der Lungenlage. können die<br />
gefundenen Verdickungen in nachfolgenden Datensätzen desselben Patienten<br />
miteinander verglichen werden [2]<br />
Ergebnis<br />
Eine präzise, reproduzierbare Auswertung von Pleuraplaques durch Einsatz der<br />
Methoden der digitalen Bildverarbeitung kann den befundenden Arzt bei der frühzeitigen<br />
Erkennung von progredienten pleuralen Verdickungen unterstützen. Die sogenannte<br />
semi-automatische Registrierung bietet die Möglichkeit, eine quantifizierte Aussage über<br />
das Wachstum der jeweiligen Verdickung zu treffen. Pleurale Verdickungen, die im<br />
zeitlichen Verlauf im Hinblick auf Ausdehnung und/oder Dicke zunehmen bzw. neu<br />
entstehen, sind verdächtig auf das Vorliegen eines Pleuramesothelioms und bedürfen<br />
der weiteren Abklärung.<br />
Abb. 5 (links) Ausgehend von der bestimmten Pleurakontur (grün) wurde die Verdickung und<br />
deren Ausbreitung (gelb) pixelgenau detektiert. (rechts) Die Vermessung einer Verdickung in 2D<br />
sowie 3D Darstellung.<br />
Schlussfolgerung<br />
Neben der Reproduzierbarkeit der maschinellen Befundungsergebnisse bietet das<br />
System als weiteren Nutzen für die diagnostizierenden Ärzte eine Reduktion des<br />
Zeitaufwands, denn die manuelle Durchsicht und Ausmessung der CT Daten wird bereits<br />
im Voraus vom Bildanalysesystem abgenommen. Alle Verarbeitungsschritte bleiben<br />
dabei transparent, und können durch den befundenden Arzt jederzeit kontrolliert werden.<br />
637
P93<br />
Poster – Asbest II<br />
Mittels einer ersten Evaluierung an Test-Daten bestätigte sich, dass das die derzeit<br />
vorliegende Basisversion des Softwaresystem gut zur Weiterentwicklung geeignet ist.<br />
Literatur<br />
[1] K. Chaisaowong, P. Jaeger, S. Vogel, A. Knepper, T. Kraus. and T. Aach, “Computerassisted<br />
Diagnosis for Early Stage Pleural Mesothelioma: Towards Automated Detection<br />
and Quantitative Assessment of Pleural Thickenings from Thoracic CT Images.” Methods<br />
of Information in Medicine, 46(3):324-31, 2007.<br />
[2] K. Chaisaowong, B. Bross, A. Knepper, T. Kraus, and T. Aach, “Detection and Follow-<br />
Up Assessment of Pleural Thickenings from 3D CT Data.” in Proc. The 2008<br />
International Conference of Electrical Engineering/Electronics, Computer, Telecommunications<br />
and Information Technology Association, an IEEE Conference, Krabi (TH), pp<br />
I489 - 92, 2008.<br />
[3] C. Buerger, K. Chaisaowong, A. Knepper, T. Kraus, and T. Aach, “A topology-oriented<br />
and tissue-specific approach to detect pleural thickenings from 3D CT data.” in Proc.<br />
SPIE Medical Imaging: Image Processing, Lake Buena Vista (FL), pp 7259-123 -1-11,<br />
<strong>2009</strong>.<br />
638
P94<br />
Poster – Asbest II<br />
Bedeutung von SMRP, CA 125 und CYFRA 21-1 als Biomarker<br />
zur Früherkennung von Mesotheliomen und Lungenkrebs bei<br />
ehemals Asbestexponierten<br />
Monika Gube 1 , Georg Johnen 2 , Beate Pesch 2 , Peter Brand 1 , Dirk Taeger 2 , Daniel Weber 2 ,<br />
Isabelle M. Gross 2 , Thorsten Wiethege 2 , Hendrik Müller-Berndorff 1 , Thoma Kraus 1 , Thomas<br />
Brüning<br />
1<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />
2<br />
BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Mesotheliome sind aggressive Tumoren, die durch die erst in fortgeschrittenen Stadien<br />
gestellte Diagnose meist eine schlechte Prognose aufweisen. Auch<br />
Lungenkrebserkrankungen sind je nach Histologie oder Stadium oft nicht mehr kurativ<br />
angehbar. In einem Kollektiv ehemals Asbestexponierter sollte die diagnostische<br />
Wertigkeit von Biomarkern im Serum beurteilt werden.<br />
Methode<br />
626 ehemals Asbestexponierte (575 Männer und 51 Frauen) nahmen von 1993 bis 1997<br />
an einem Programm teil, das zur Früherkennung asbestbedingter Erkrankungen<br />
angelegt war. In diesem Zeitraum wurden den Probanden jährliche Untersuchungen<br />
inklusive HRCT der Lunge und Blutabnahmen angeboten. Von 60 Personen lagen<br />
Blutproben an allen 4 möglichen Zeitpunkten vor, von 285 Personen lagen 3 Proben und<br />
von 281 lagen jeweils nur 1 - 2 Proben vor.<br />
Aus den 1993 -1997 gesammelten Proben wurde das sofort separierte Serum bei -80°C<br />
gelagert und die Konzentration der Biomarker SMRP (soluble mesothelin-related<br />
proteins), CA125 und CYFRA 21-1 in der Zeit von 12/2005 bis 08/2006 bestimmt.<br />
Die Marker wurden mittels Wilcoxon-Test verglichen sowie prädiktive Werte und 95%-<br />
Konfidenzintervalle berechnet.<br />
Zur Analyse wurde der Median aller individuellen Werte eines jeden Patienten für jeden<br />
Tumormarker vor dem Auftreten eines Mesothelioms oder eines Lungenkrebses<br />
herangezogen. Als Cuf-Offs für einen positiven Markerbefund wurden folgende Werte<br />
verwendet: CA 125 ≥ 34KIU/l; CYFRA 21-1 ≥ 3,3ng/ml; SMRP ≥ 1,5nmol/l.<br />
Ergebnisse<br />
In einem Vitalstatus-Follow-up (01/2006 - 04/2007) wurden in der untersuchten Kohorte<br />
20 Mesotheliome (ICD-10 C45) und 12 Fälle von Lungenkrebs (ICD-10 C34) festgestellt.<br />
CYFRA 21-1 zeigt zwar eine signifikante Erhöhung (p=0,0062) bei Personen mit<br />
Lungenkrebs, jedoch lagen die Werte nicht über dem Cut-Off oder unterlagen starken<br />
Schwankungen. SMRP und CA 125 waren weder bei den Personen mit Mesotheliom<br />
639
P94<br />
Poster – Asbest II<br />
noch bei denen mit Lungenkrebs signifikant erhöht. Auch für CYFRA 21-1 fand sich<br />
keine signifikante Erhöhung der Werte bei Probanden mit einem nachgewiesenen<br />
Mesotheliom. Eine Abhängigkeit der Biomarker fand sich für SMRP vom Alter, für CA<br />
125 von der Diagnose Lungenkrebs und für CYFRA 21-1 von der Diagnose Lungenkrebs<br />
und vom Alter.<br />
Die Sensitivität der Marker SMRP und CA 125 sowie die Kombination der Marker (inkl.<br />
CYFRA 21-1) bezüglich eines Mesothelioms lag bei nur 5 - 15% während der positive<br />
prädiktive Wert sogar nur 2,9 - 4,1% betrug (Tabelle 1).<br />
Die Sensitivität der einzelnen Marker für eine Lungenkrebserkrankung lag bei 16,7% (für<br />
SMRP und CA125) beziehungsweise 25% (für CYFRA 21-1). Bezüglich der Sensitivität<br />
der Kombination der Marker fanden sich Werte von 25 - 50%, jedoch lag auch hier der<br />
positive prädiktive Wert bei lediglich 3,9% (SMRP) - 30% (CYFRA 21-1).<br />
Diskussion<br />
In der vorliegenden Studie hatten die genannten Biomarker keine eigenständige<br />
diagnostische Wertigkeit.<br />
Ähnliche Daten zeigen neuere Studien von Park et al. (2008) und Roe et al. (2008).<br />
Die individuellen zeitlichen Verläufe zeigten insgesamt keine Hinweise auf spätere<br />
Tumoren.<br />
Einschränkend bei der Interpretation muss allerdings berücksichtigt werden, dass lange<br />
Zeiträume zwischen Blutabnahme und Diagnose lagen.<br />
Eine umfassende Bewertung der einzelnen Marker bzw. Kombinationen derselben oder<br />
eines Markerpanels kann nur im Rahmen einer prospektiven Längsschnittstudie erfolgen.<br />
Hierbei sollten auch weitere mögliche Confounder, die bereits in der Literatur erwähnt<br />
werden (wie zum Beispiel die Rauchgewohnheiten und das Vorliegen einer<br />
Niereninsuffizienz usw.), Berücksichtigung finden.<br />
Literatur<br />
Park EK, Sandrini A, Yates DH, et al. Soluble mesothelin-related protein in an asbestosexposed<br />
population: the dust diseases board cohort study. Am J Respir Crit Care Med<br />
2008; 178:832-7.<br />
Roe OD, Creaney J, Lundgren S, et al. Mesothelin-related predictive and prognostic<br />
factors in malignant mesothelioma: a nested case-control study. Lung Cancer 2008;<br />
61:235-43.<br />
640
P94<br />
Poster – Asbest II<br />
Tabelle 1<br />
641
P95<br />
Poster – Asbest II<br />
Assoziation der Tumor Necrosis Factor TNF α Genpolymorphismen mit<br />
asbestfaserstaubverursachten Krebserkrankungen der Lunge oder der Pleura (BK-<br />
Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />
Simone Helmig, Nahid Aliahmadi, Joachim Schneider<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig Universität, Gießen<br />
Einleitung und Fragestellung<br />
Eingeatmete Asbestfasern führen in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis und der<br />
individuellen Disposition zu Lungen und/oder Pleuraasbestosen. Tumor Nekrosefaktor<br />
(TNFα), ein multifunktionelles Zytokin gilt als Schlüsselenzym bei fibrosierenden<br />
Prozessen. Genetische Variationen des TNFα Promotergens könnten so Einfluss auf die<br />
Induktion bzw. Progression von fibrosierenden Erkrankungen nehmen. Es soll untersucht<br />
werden, ob eine Assoziation der Promoter- Polymorphismen (PM) des TNFα- Gens ( -<br />
308 G/A und -238 G/A) mit Lungen- oder Pleuraasbestose (Nr. 4103 BKV) und<br />
asbestbedingten Bronchialkarzinomen (Nr. 4104 BKV) respektive Mesotheliomen (Nr.<br />
4105 BKV) vorliegt.<br />
Kollektiv und Methoden<br />
Mit Hilfe von fluoreszenzmarkierten Sonden wurden die Genotypen der TNFα<br />
Promotorregion -238G/A und -308G/A detektiert. Die Methode basiert auf der<br />
Schmelzkurvenanalyse mittels Light Cycler.<br />
Blut von Patienten mit Berufskrankheiten der Nr. 4103 BKV (N=395), der Nr. 4104 BKV<br />
(N=48) und der Nr. 4105 BKV (N=33) wurde gewonnen und mit einer Gruppe nicht<br />
asbestexponierter Gesunder (N=177) verglichen.<br />
Das Risiko (Odds Ratio) bezogen auf ein gesundes Kontroll-Kollektiv ohne relevante<br />
Einwirkung kanzerogener Arbeitsstoffe wurde ermittelt und auf das Rauchverhalten,<br />
definiert durch die Packungsjahre, sowie auf Alter und Geschlecht adjustiert.<br />
Ergebnisse<br />
In der untersuchten Stichprobe wurden für das Wild Typ Allel (-238G) eine<br />
Allelfrequenzen von 0,96 und für das Wildtyp Allel (-308G) eine Allelfrequenzen von 0,85<br />
ermittelt. Der homozygote mutante Genotyp (-238A/A) war in dieser Stichprobe nicht<br />
vorhanden.<br />
Das mutante Allel -238A war mit einem tendenziell erhöhten Risiko für Lungenasbestose<br />
OR=2,12 (95%-CI: 0,46-9,93), für hyaline Pleuraplaques OR=1,83 (95%-CI :0,39-8,62)<br />
und für Pleuraasbestosen mit verkalkenden Pleuraplaques OR=2,24 (95%-CI: 0,48-<br />
10,38) assoziiert.<br />
642
P95<br />
Poster – Asbest II<br />
Das mutante Allel -238A war zusätzlich mit einem tendenziell erhöhten Risiko für maligne<br />
Mesotheliome OR=1,98 (95%-CI: 0,34-11,53) assoziiert.<br />
Das mutante Allel -308A zeigte ein tendenziell erhöhtes Risiko für Lungenasbestosen<br />
OR=1,59 (95%-CI: 0,66-3,87) und für verkalkende Pleuraplaques OR=1,2 (95%-CI: 0,52-<br />
2,75), sowie ein signifikant erhöhtes Risiko für hyaline Pleuraplaques OR=2,9 (95%-CI:<br />
1,08-7,78 p=0,03).<br />
Im Gegensatz dazu konnte ein tendenziell erniedrigtes Risiko für asbestbedinte<br />
Bronchialkarzinome sowohl für das mutante Allel -238A OR=0,715 (95%-CI: 0,09-5,56)<br />
als auch für das mutante Allel -308A OR=0,45 (95%-CI: 0,12-1,61) ermittelt werden.<br />
Zusätzlich wies das mutante Allel -308A ein tendenziell erniedrigtes Risiko für maligne<br />
Mesotheliome OR=1,98 (95%-CI: 0,34-11,53) auf.<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
Die mutanten Allele der TNFα Promoterregion -238A und -308A sind mit einem<br />
konkordant erhöhten Risiko für Abestosen bei einem gleichzeitig erniedrigten Risiko für<br />
asbestbedinte Bronchialkarzinome assoziiert.<br />
In dieser Studie finden sich Hinweise auf einen genetischen Einfluss der TNFα Promotor-<br />
Polymorphismen auf die Induktion bzw. Progression von asbestbedingten fibrosierenden<br />
bzw. tumorösen Erkrankungen. Diese genetische Variabilität könnte einen Teil der<br />
interindividuell unterschiedlichen Suszeptibilität erklären.<br />
Zukünftig werden weitere Patienten der Arbeits- und Sozialmedizin Gießen hinsichtlich<br />
ihrer Genotypen untersucht werden, um durch größere Fallzahlen die Ergebnisse<br />
abzusichern.<br />
In einer weiteren Studie soll untersucht werden ob sich der Einfluss der<br />
Genpolymorphismen (PM) auch auf der mRNA- bzw. Proteinebene widerspiegelt.<br />
643
P95<br />
Poster – Asbest II<br />
Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />
Lungenasbestosen<br />
Hyaline Pleuraplaques<br />
Verkalkende Pleuraplaques<br />
Asbestbedingter Lungenkrebs<br />
(Nr. 4104 BKV)<br />
Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />
IL6 -174<br />
n<br />
395<br />
45<br />
120<br />
122<br />
48<br />
33<br />
Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />
Lungenasbestosen<br />
Hyaline Pleuraplaques<br />
Verkalkende Pleuraplaques<br />
Asbestbedingter Lungenkrebs<br />
(Nr. 4104 BKV)<br />
Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />
IL10 -1082<br />
n<br />
560<br />
59<br />
501<br />
142<br />
297<br />
167<br />
130<br />
n<br />
395<br />
45<br />
120<br />
122<br />
48<br />
33<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Odds Ratio<br />
Odds Ratio<br />
1 2 3 4<br />
Odds Ratio<br />
Odds Ratio<br />
Abb.1: Auf Rauchen in PJ, Alter und Geschlecht adjustierte Risikoabschätzung (OR) asbestverursachter Erkrankungen für TNFα -238 PM (links) und für TNFα -238 PM<br />
(rechts).<br />
644
P96<br />
Poster – Asbest II<br />
Assoziation der Interleukin 6 (IL6) und Interleukin 10 (IL10) Gen-<br />
Polymorphismen mit Asbestfaserstaub verursachten<br />
Erkrankungen der Lunge oder der Pleura (Nr. 4103, 4104, 4105<br />
BKV)<br />
Simone Helmig, Jelena Wübbeling, Joachim Schneider<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig Universität, Giessen<br />
Einleitung und Fragestellung<br />
Eingeatmete Asbestfasern führen in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis und der<br />
individuellen Disposition zu Lungen- und/oder Pleuraasbestosen. IL6 und IL10 sind<br />
multifunktionelle Zytokine und nehmen eine Schlüsselposition bei fibrosierenden<br />
Prozessen ein. Genetische Variationen im Promotor von IL6- bzw. IL10 könnten so<br />
Einfluss auf die Induktion bzw. Progression von fibrosierenden Erkrankungen nehmen.<br />
Es soll untersucht werden, ob eine Assoziation der Promotor-Polymorphismen (PM) des<br />
IL6-Gens (-174G/C) und des IL10-Gens (-1082G/A) mit Lungen- oder Pleuraasbestosen<br />
(Nr. 4103 BKV) und asbestbedingten Bronchialkarzinomen (Nr. 4104 BKV) respektive<br />
Mesotheliomen (Nr. 4105 BKV) vorliegt.<br />
Kollektiv und Methoden<br />
Mit der Hilfe von speziell synthetisierten fluoreszenzmarkierten Sonden wurden die<br />
Genotypen der Promotorregion des IL6 -Gens (-174G/C) und IL10 –Gens (-1082G/A)<br />
detektiert. Die Methode basiert auf der Schmelzkurvenanalyse mittels LightCycler.<br />
Blut von Patienten mit Berufskrankheiten der Nr. 4103 BKV (n=395), der Nr. 4104 BKV<br />
(n=48) und der Nr. 4105 BKV (N=33) wurde gewonnen und mit einer Gruppe nicht<br />
asbestexponierter Gesunder (n=177) verglichen.<br />
Das Risiko (Odds Ratio) bezogen auf ein gesundes Kontroll-Kollektiv ohne relevante<br />
Einwirkung kanzerogener Arbeitsstoffe wurde ermittelt und auf das Rauchverhalten,<br />
definiert durch die Packungsjahre, sowie auf Alter und Geschlecht adjustiert.<br />
Ergebnisse<br />
In der untersuchten Stichprobe hatte das Wildtyp Allel (-174G) eine Allelfrequenz von<br />
0,51 und das Wildtyp Allel (-1082G) eine Allelfrequenz von 0,47.<br />
Das mutante Allel IL6 –174C war durchweg mit einem tendenziell erhöhten Risiko für<br />
Lungenasbestosen OR=1,94 (95%-CI: 0,88-4,28), für Pleuraasbestosen hyaline<br />
OR=2,19 (95%-CI: 0,87-5,53) bzw. verkalkende OR=1,31 (95%-CI: 0,62-2,77) sowie<br />
asbestbedingte Bronchialkarzinome OR=2,39 (95%-CI: 0,9-6,33) und Mesotheliome<br />
OR=2,4 (95%-CI: 0,86-6,8) assoziiert.<br />
645
P96<br />
Poster – Asbest II<br />
Das mutante Allel IL10 –1082A zeigte ein geringfügig erniedrigtes Risiko für<br />
Lungenasbestosen OR=0,84 (95%-CI: 0,32-2,18) und für verkalkende Pleuraasbestosen<br />
OR=0,79 (95%-CI: 0,32-1,99). Für hyaline Pleuraasbestosen OR=1,13 (95%-CI: 0,5-<br />
2,55), asbestbedingte Bronchialkarzinome OR=1,07 (95%-CI: 0,36-3,14) und<br />
Mesotheliome OR=1,69 (95%-CI: 0,5-5,78) konnte tendenziell ein geringfügig erhöhtes<br />
Risiko ermittelt werden.<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
Im Vergleich zum IL6-PM konnte für den IL10-PM gegenläufige Tendenzen der<br />
Risikomodifikation bei fibrosierenden Erkrankungen ermittelt werden, welche mit der<br />
konträren Wirkungsweise der Zytokine korreliert.<br />
In dieser Studie findet sich ein Hinweis auf einen genetischen Einfluss der IL6 und IL10<br />
Promotor Polymorphismen auf das Krankheitsrisiko bei Asbestfaserstaub verursachten<br />
Erkrankungen der Lunge und der Pleura. Diese genetische Variabilität könnte einen Teil<br />
der interindividuell unterschiedlichen Suszeptibilität erklären.<br />
646
P96<br />
Poster – Asbest II<br />
Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />
Lungenasbestosen<br />
Hyaline Pleuraplaques<br />
Verkalkende Pleuraplaques<br />
Asbestbedingter Lungenkrebs<br />
(Nr. 4104 BKV)<br />
Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />
IL6 -174<br />
n<br />
395<br />
45<br />
120<br />
122<br />
48<br />
33<br />
Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />
Lungenasbestosen<br />
Hyaline Pleuraplaques<br />
Verkalkende Pleuraplaques<br />
Asbestbedingter Lungenkrebs<br />
(Nr. 4104 BKV)<br />
Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />
IL10 -1082<br />
n<br />
560<br />
59<br />
501<br />
142<br />
297<br />
167<br />
130<br />
n<br />
395<br />
45<br />
120<br />
122<br />
48<br />
33<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Odds Ratio<br />
Odds Ratio<br />
1 2 3 4<br />
Odds Ratio<br />
Odds Ratio<br />
Abb.1: Auf Rauchen in PJ, Alter und Geschlecht adjustierte Risikoabschätzung (OR) asbestverursachter Erkrankungen für IL6 -174 PM (links) und für IL10α<br />
-308 PM (rechts).<br />
647
P97<br />
Poster – Asbest II<br />
Erfüllen Karzinoidtumoren der Lunge die Legaldefinition für den<br />
Begriff „Lungenkrebs“ der Berufskrankheitenverordnung?<br />
Volker Neumann 1 , Margit Fischer 1 , Andrea Tannapfel 2<br />
1 Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum am<br />
Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum<br />
2 Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />
Einleitung:<br />
Die Karzinoidtumoren leiten sich aus dem disseminierten neuroendokrinen System ab.<br />
Die Mehrzahl der Karzinoidtumoren (> 70 %) ist im Gastrointestinaltrakt lokalisiert [1].<br />
Der Anteil primärer Lungentumoren an den Karzinoidtumoren wird mit 8 bis 25 %<br />
angegeben [1]. Bei ca. 90 % der Karzinoidtumoren der Lunge handelt es sich um<br />
typische, bei ca. 10 % um atypische Karzinoidtumoren [2, 3]. Die Unterschiede liegen in<br />
der Anzahl der Mitosen und der Ausbildung von Nekrosen. Typische Karzinoidtumoren<br />
zeigen weniger als zwei Mitosen pro 2 mm 2 (High power field) und haben keine<br />
Tumornekrosen [4]. Karzinoidtumoren weisen Besonderheiten hinsichtlich Inzidenz und<br />
klinischem Verhalten sind auf. Nach der gültigen WHO Klassifikation werden<br />
Karzinoidtumoren -entsprechend dem kleinzelligen und dem großzelligen<br />
neuroendokrinen Karzinom – als grundsätzlich bösartige epitheliale Tumoren eingestuft<br />
[4].<br />
Schlüsselwörter: Lungenkrebs, Berufskrankheit Ziffer 4104, Karzinoidtumoren,<br />
Asbest<br />
Ergebnisse:<br />
Im Rahmen unserer Untersuchung wurden Gewebeproben von 108 Patienten mit<br />
Karzinoidtumoren untersucht. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Studien<br />
treten Karzinoidtumoren bevorzugt in der rechten Lunge (40 %) im Unterlappen (30 %)<br />
auf, der Altersmittelwert liegt bei 56 Jahren, überwiegend handelt es sich um typische<br />
Karzinoidtumoren (74 %), der Anteil der Frauen (32 %) ist erhöht, die mittlere Latenzzeit<br />
bei der hypothetischen Annahme des Kausalfaktors „Asbestexposition“ beträgt 35 Jahre.<br />
Bei 26 % der Patienten finden sich erhöhte pulmonale Asbestbelastungen (Abb. 1). Ein<br />
signifikanter Unterschied in der pulmonalen Asbestbelastung zwischen Patienten mit<br />
typischen und atypischen Karzinoidtumoren liegt nicht vor (p > 0,05). 3 Patienten wiesen<br />
eine Minimalasbestose auf und bei 9 (8,3 %) Patienten konnten Pleuraplaques<br />
nachgewiesen werden, die nach bestverfügbaren Angaben als asbestassoziiert zu<br />
werten waren.<br />
Diskussion:<br />
Unsere Ergebnisse zeigen sich hinsichtlich Tumorprimärlokalisation,<br />
Geschlechterverteilung und Altersverteilung gut vergleichbar zu international publizierten<br />
Befunden: Karzinoidtumoren treten bevorzugt in der rechten Lunge und hier zumeist<br />
648
P97<br />
Poster – Asbest II<br />
Unterlappen betont auf [5], bei der Mehrzahl der Patienten (74 %) lag ein typischer<br />
Karzinoidtumor vor [6], der Anteil der Frauen ist mit ca. 32 % vergleichsweise hoch [7],<br />
der Altersmittelwert liegt bei 56 Jahren [3], Latenzzeiten (bei der Annahme von Asbest<br />
als Kausalfaktor) und Dauer der Expositionen sind dem Ergebnissen anderer Studien<br />
vergleichbar [8, 9]. Nicht nachvollziehbar war die Aussage [10], dass Patienten mit<br />
typischen Karzinoidtumoren signifikant jünger seien als Patienten mit atypischen<br />
Karzinoidtumoren. Nicht bestätigt wurde das Ergebnis erhöhter pulmonaler<br />
Asbestbelastungen bei nur ca. 7 % der Patienten aus einer anderen Studie [6]. Der Anteil<br />
der Karzinoidtumoren an der im Mesotheliomregister erfassten Gesamtzahl der<br />
bösartigen primären Lungentumoren beträgt 1,3 % und stimmt gut mit den Angaben<br />
anderer Studien [2, 10] von Häufigkeiten zwischen 1 bis 2 % überein. Fazit:<br />
• die aktuelle WHO-Klassifikation [4] weist pulmonale Karzinoidtumoren als<br />
prinzipiell bösartige epitheliale Lungentumoren aus.<br />
• primäre epitheliale Lungentumoren mit neuroendokriner Morphologie wie z.B.<br />
das kleinzellige oder großzellige neuroendokrine Karzinom werden bei Vorliegen<br />
der Vorraussetzungen als BK 4104 anerkannt.<br />
• epidemiologisch belastbare Daten hinsichtlich einer asbestassoziierten<br />
Genese von Karzinoidtumoren konnten im Rahmen von internationalen Studien<br />
bisher nicht erlangt werden und sind bei diesem seltenen Tumorbild auch nur<br />
schwer zu gewinnen.<br />
• Patienten mit einem typischen Karzinoidtumor haben in der Regel - im<br />
Vergleich zu den sonstigen primären Lungenkarzinomen - die weitaus günstigere<br />
Prognose.<br />
• In unserem Untersuchungskollektiv finden sich Patienten mit<br />
Karzinoidtumoren, die die sonstigen geforderten Kriterien für die Anerkennung<br />
einer BK 4104 erfüllen.<br />
Nach unserer Auffassung ist eine Konkretisierung der Legaldefinition „Lungenkrebs“ in<br />
der BKVO nötig.<br />
Literatur:<br />
1. Crocetti E, Paci E. Malignant carcinoids in the USA, SEER 1992-1999. An<br />
epidemiological study with 6830 cases. Europ J cancer prevent 2003; 12:191-94<br />
2. Corrin B. Neuroendocrine neoplasm of the lung. Curr diag pathol 1997; 4:239-50<br />
3. Fink G, Krelbaum T, Yellin A. Pulmonary carcinoid: presentation, diagnosis and<br />
outcome in 142 cases in israel and review of 640 cases form the literature. Chest<br />
2001; 119:1647-1651<br />
4. Travis W, Rush W, Flieder D, Falk R, Fleming M, Gal A, Koss M. Survival analysis of<br />
200 pulmonary neuroendocrine tumours with clarification of criteria of atypical<br />
carcinoid and its separation from typical carcinoid. Am J surg pathol 1998; 22:934-<br />
944<br />
649
P97<br />
Poster – Asbest II<br />
5. Cooper WA, Thourani VH, Gal AA, Lle RB, Mansour KA, Miller JI. The surgical<br />
spectrum of pulmonary neuroendocrine neoplasm’s. Chest 2001; 119:14-18<br />
6. Fisseler-Eckhoff A, Laberke H, Fischer M, K Müller K. Karzinoidtumoren der Lunge<br />
und Asbest. Pathologe 1998; 19:425-429<br />
7. Modlin IM, Sandor A. An analysis of 8305 cases of carcinoid tumours. Cancer 1997;<br />
79:813-29<br />
8. Hillerdal G, Douglas W, Henderson MR. Asbestos, asbestosis, pleural plaques and<br />
lung cancer Scand J work enviro health 1997; 23:93-103<br />
9. Selikoff IJ, Hammond EC, Seidmann H. Latency of asbestos disease among<br />
insulation workers in the United States and Canada. Cancer 1980; 46:2736-40<br />
10. Huang Q, Muzitansky A, Eugene M. Pulmonary neuroendocrine carcinomas: A<br />
Review of 234 cases and statistical analysis of 50 cases treated at one institution<br />
using a simple<br />
650
P98<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Amalgam – eine Bewertung unter Zusammenführung von<br />
Biomonitoringdaten und psychometrischen Testverfahren<br />
Michael Erler, Rainer Schiele, Anne Löffler<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und –hygiene,Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller<br />
Universität Jena<br />
Zielstellung<br />
Amalgam zeigt als Zahnfüllungswerkstoff ausgezeichnete Materialeigenschaften, zudem<br />
ist es leicht, schnell und kostengünstig zu verarbeiten. Die ständige Freisetzung von<br />
Quecksilber aus Amalgamfüllungen konnte in den letzten Jahren durch moderne<br />
hochempfindliche Analysenmethoden schlüssig bewiesen werden (Erler et al. 2007).<br />
Über die möglichen gesundheitlichen Belastungen infolge der Quecksilberfreisetzung<br />
gibt es jedoch keinen Konsens (Mutter et al. 2005). Es wird immer behauptet, dass eine<br />
Vielzahl von Beschwerden durch Amalgamfüllungen ausgelöst werden können. Am<br />
häufigsten wird über Symptome wie chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen und Migräne<br />
berichtet.<br />
Ziel der Arbeit war es deshalb, die Ergebnisse von umweltmedizinischtestpsychologischen<br />
Verfahren im Vergleich zu den Messwerten des Urin-Biomonitorings<br />
zu prüfen.<br />
Methoden<br />
Untersucht wurden 126 Probanden beiderlei Geschlechts im Alter von 16 bis 76 Jahren.<br />
Ohne Amalgamrestaurationen waren 45 Probanden. Keiner der Probanden übte einen<br />
Beruf mit bekannter erhöhter Quecksilberexposition aus. Es erfolgte keine<br />
geschlechtsspezifische Auswahl, auch die soziale Stellung der Teilnehmer und ihr Alter<br />
war nicht Gegenstand der Auswahlkriterien.<br />
Die Erfassung psychischer Leistungsfunktionen und psychischer Beschwerden erfolgte<br />
mit den Fragebögen:<br />
- Beschwerdeliste nach v. Zerssen (Konstrukt: allgemeine subjektive<br />
Beschwerden)<br />
- Psychologisch Neurologischer Fragebogen nach Seeber (Konstrukt:<br />
expositionsbedingte subjektive Beschwerden)<br />
- Modifizierter Q 16 (Konstrukt: Neurotoxisches Screening)<br />
651
P98<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Der Konzentrationsnachweis von Quecksilber im Urin erfolgte mittels Kaltdampf-<br />
Atomabsorptionsspektrometrie.<br />
Ergebnisse<br />
Die Quecksilberkonzentration der Probanden lag im üblichen Bereich beruflich nicht<br />
belasteter Personen (Hg Harn < 5 µg/g Kreatinin).<br />
Die im Biomonitoring ermittelte innere Quecksilberbelastung der Probanden steht nicht in<br />
signifikanter Abhängigkeit zu den Daten der neuropsychologischen Untersuchungen, d.h.<br />
eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung im Niedrigdosis-Bereich besteht nicht. Nur mit<br />
dem Q 16-mod. ließ sich ein leicht ansteigender Trend zwischen der<br />
Quecksilberkonzentration im Urin, der Amalgamfüllungszahl und den erreichten<br />
Punktwerten („Ja“-Antworten feststellen (Abb. 1).<br />
Frauen gaben dabei im Vergleich zu männlichen Probanden häufiger Beschwerden an.<br />
Die Mediane des PNF-Fragebogens und der Beschwerdeliste liegen bei den weiblichen<br />
Probanden signifikant höher als bei den Männern. Nur beim Q 16-mod. sind die Mediane<br />
beider Geschlechter nahezu identisch. Das Lebensalter der Probanden erklärt dabei<br />
nicht die Einschränkungen der vermehrt geäußerten Beschwerden.<br />
Die Untersuchungen legen eine psychologische Verursachung der geklagten<br />
Beschwerden nahe.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Neuropsychologische Screeningfragebögen sind sensitive Instrumente für die Erfassung<br />
von Beschwerden in der umweltmedizinischen Sprechstunde. Deren Ergebnisse stehen<br />
in keiner Beziehung zur Quecksilberkonzentration im Urin von Amalgamfüllungsträgern.<br />
Literatur<br />
Erler,M., Schiele,R., Jendrek,M., Bartsch,R. (2007) Untersuchungen zur<br />
Quecksilberfreisetzung aus Amalgamprüfkörpern infolge von Abrasion durch Zahnbürste<br />
und –creme unter In-vitro-Bedingungen.<br />
Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 67, 137-141<br />
Mutter,J., Naumannt,J., Walach,H., Daschner,F. (2005) Amalgam: Eine Risikobewertung<br />
unter Berücksichtigung der neuen Literatur bis 2005.<br />
Gesundheitswesen 67, 204-216<br />
652
P98<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Hg-Konzentration im Harn [µg/g Kreatinin]<br />
6,00<br />
5,00<br />
4,00<br />
3,00<br />
2,00<br />
1,00<br />
0,00<br />
0<br />
2,5<br />
5<br />
7,5<br />
10<br />
12,5<br />
Q16-mod.-Punktzahl im Prüfkollektiv (n=126)<br />
Abb. 1: Q 16 mod. Punktzahl in Beziehung zu den Quecksilberkonzentrationen im Urin<br />
653
P99<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Charakterisierung von Kfz-Dieselrußstäuben unterschiedlicher<br />
Provenienz<br />
Michael Heck, Bernd Brückel, Rolf Arhelger, Dirk Walter<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig-Universität, 35392 Gießen<br />
Motivation<br />
Die Weiterentwicklung von Automobil-Dieselmotoren hat in den letzten Jahren zu einer<br />
Optimierung der Verbrennungsvorgänge geführt. Eine optimierte Verbrennung des<br />
Dieselkraftstoffs könnte jedoch zugleich zu einer steigenden Anzahl ultrafeiner<br />
Rußpartikel von arbeits- und umweltmedizinischer Relevanz führen. In der vorliegenden<br />
Studie werden rußhaltige Emissionen von im täglichen Einsatz befindlichen Dieselkraftfahrzeugen<br />
unterschiedlichen Baujahres charakterisiert und untereinander verglichen.<br />
Material und Methode<br />
CPC-Messungen (Kondensationskernzähler) dienten zur Bestimmung der<br />
Abgasemissionen. Für die elektronenmikroskopischen und thermoanalytischen<br />
Untersuchungen wurden Luftprobenahmen (Filterbeaufschlagungen) sowie<br />
Materialprobenahmen durchgeführt [1,2]. Folgende PKW wurden untersucht: PKW A,<br />
Baujahr 1991 – keine Euronorm, PKW B, Baujahr 2005 – Euronorm 4 mit<br />
Dieselpartikelfilter, PKW C, Baujahr 2002 – Euronorm 3 und PKW D, Baujahr 2004 –<br />
Euronorm 4.<br />
Abbildung 1: TEM Aufnahmen aus Abgasmessungen an PKW A und PKW B (40000-fache<br />
Vergrößerung) von Agglomeraten aus Primärteilchen. Länge der Bildunterkanten: 2 µm.<br />
Unter dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM; 40000-fache Vergrößerung)<br />
wurden die beaufschlagten Filter (Ansaugvolumen bei laufendem PKW-Motor: 3,5 l · min -<br />
1 ; Zeitdauer: 10 min) ausgewertet. An den Materialproben erfolgte eine<br />
thermogravimetrische Analyse (TG) (Einwaage: ~20 mg).<br />
Ergebnisse<br />
Erwartungsgemäß hatte die mittlere Partikelkonzentration des PKW A mit 268000 P/cm 3<br />
den höchsten Wert, die des modernsten PKW B mit 198000 P/cm 3 den geringsten Wert.<br />
654
P99<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Die Messung fand im Leerlauf statt. Zu bedenken ist jedoch, dass das CPC-<br />
Messverfahren nicht zwischen Agglomeraten, Aggregaten und Primärteilchen<br />
unterscheiden<br />
kann.<br />
Elektronenmikroskopische Untersuchungen geben Aufschluss über die Morphologie der<br />
Ruße. Es werden Agglomerate aus 10 – 100 nm großen Primärteilchen beobachtet. Ein<br />
sichtbarer Unterschied zwischen den Agglomeraten, Aggregaten und Primärteilchen der<br />
verschiedenen Ruße ist dabei allerdings nicht zu erkennen, vergleiche Abb.1.<br />
Auch die quantitative Auswertung der Filterbeaufschlagungen von PKW A (6,2 · 10 11<br />
Primärteilchen/m 3 mit einem Primärteilchendurchmesser von 27,5 nm) bzw. PKW B (11,7<br />
· 10 11 Primärteilchen/m 3 mit einem Primärteilchendurchmesser von 29,5 nm) führt zu<br />
keinem unterscheidbaren Ergebnis. Erst weiterführende thermoanalytische<br />
Untersuchungen machen die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Ruße<br />
deutlich. So ermöglicht es die thermische Analyse aufgrund, des für jede Probe<br />
charakteristischen Umwandlungsverhaltens, zwischen den jeweiligen Dieselrußen zu<br />
differenzieren.<br />
Zusammenfassung<br />
Die „klassische“ Luftmessung mittels CPC-Kondensationskernzählers führt zu der<br />
Annahme, dass moderne Fahrzeuge weniger „Partikel“ emittieren als ältere Fahrzeuge.<br />
Hingegen zeigen die Ergebnisse der Elektronenmikroskopie (TEM) keinen Unterschied in<br />
der Anzahl der Agglomerate und Primärpartikeln. Dies bedeutet: Die Anzahl der arbeitsund<br />
umweltmedizinisch relevanten, ultrafeinen (alveolengängigen) Primärpartikel aus<br />
Abgas-emissionen der untersuchten Dieselfahrzeuge unterscheiden sich nicht<br />
wesentlich!<br />
Literatur:<br />
[1] WALTER, D.; ARHELGER, R.; BRÜCKEL, B.:<br />
Thermoanalytische Untersuchungen zur Charakterisierung elektronenmikroskopisch<br />
schwer unterscheidbarer Dieselruß-, Flammruß und Tonerstäube,<br />
Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 2008, 43, 169 - 171<br />
[2] HECK, M.; ARHELGER, R.; BRÜCKEL, B.; FÜGLEIN, E.; WALTER, D.:<br />
Characterization<br />
of carbon black, diesel exhaust and toner material by<br />
electron microscopy and thermal analysis,<br />
Proceedings Book, AFCAT-GEFTA-SKT-Symposium, Mulhouse, 2008, 82<br />
655
P100<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Psychologische Ergebnisse bleibelasteter Polizeischießausbilder<br />
Irina Böckelmann 1 , Friederike Maier 2 , Eberhard Alexander Pfister 1<br />
1<br />
Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Leiterin: PD Dr. I. Böckelmann)<br />
2<br />
Polizeiärztliches Zentrum / Ärztlicher Gutachterdienst der Landesverwaltung Magdeburg (Leiter: Dr. W.<br />
Pedal)<br />
Einleitung<br />
Bei der Erfassung neurotoxischer Wirkungen chemischer Schadstoffe spielen<br />
verhaltenstoxikologische Untersuchungen und die Psychodiagnostik eine besondere<br />
Rolle, wobei sich die meisten Beeinträchtigungen psychologischer Parameter als<br />
Früheffekte zeigen.<br />
Probanden und Methodik<br />
Mit dem Ziel, neben der Erfassung aktueller Bleibelastung von Polizeischießausbildern<br />
den Fragen möglicher neurotoxischer Effekte durch solche Belastung nachzugehen,<br />
wurden 11 Polizeibeamte (9 Männer und 2 Frauen; 34,5 bis 56,5 Jahre alt) untersucht.<br />
Für das psychologische Screening wurden folgende Verfahren ausgewählt:<br />
Psychologisch-Neurologischer Fragebogen (PNF), Selbstbeurteilungsskala (SCL-90-R),<br />
Mehrfachwahl–Wortschatz-Test (MWT-B), Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (HAWIE-<br />
R), Aufmerksamkeits-Belastungs-Test d2 und Trail Making Test (Teil A und B). Zur<br />
Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Probanden wurden etablierte psychometrische<br />
Verfahren eingesetzt: Zahlengedächtnistest, Einfachwahlreaktion und Motorische<br />
Leistungsserie.<br />
Ergebnisse<br />
Nur zwei der elf Probanden zeigten leicht auffällige Befunde im PNF, wobei einer<br />
(Proband Nr. 2) gleich in 3 Kategorien (Antrieb, Erregbarkeit, Konzentration und<br />
Gedächtnis). Dieser Beamte ist seit 7 Jahren bleiexponiert und im letzen Jahr lag seine<br />
maximale innere Blutbleibelastung bei 251 µg/l.<br />
Es ergaben sich im SCL-90-R auch bei dem Probanden Nr. 2 auffällige Befunde. Die<br />
Skalen „Unsicherheit im Sozialkontakt“ und „Paranoides Denken“ demonstrierten eine<br />
hohe bis sehr hohe psychische Belastung dieses Polizeibeamten. Der Proband Nr. 8 mit<br />
einer aktuellen Bleibelastung von 82,0 µg/l weist auch einen auffälligen Wert in der<br />
Kategorie „Paranoides Denken“ auf. Der globale Kennwert PSDI (positive symptom<br />
distress index) spricht für eine deutlich messbare psychische Belastung. Bei dem<br />
Probanden Nr. 10 mit dem aktuellen BPb von 115,8 µg/l und maximalen Wert der<br />
inneren Bleibelastung aus dem letzten Jahr von 202 µg/l wurden höhere Werte für die<br />
656
P100<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Kategorie „Somatisierung“ festgestellt. Alle anderen Probanden demonstrierten die<br />
Skalenwerte im Normbereich.<br />
Die Ergebnisse des d2-Tests zur Bestimmung der Konzentrationsleistung (KL) wurden in<br />
Form eines Interpretationsschemas mit den Achsen Tempo und Sorgfalt dargestellt<br />
(Abbildung 1). Acht der 11 Probanden zeigten gute Leistungen im d2-Test. Zwei<br />
Probanden (Nr. 1 und Nr. 3) hatten ein sogenanntes Übersprung-Syndrom (Ü-Syndrom),<br />
ein Indiz für instruktionswidriges Verhalten. Das ist verbunden mit einer außergewöhnlich<br />
hohen Tempo-/Mengenleistung (Gesamtzahl aller bearbeiteten Zeichen, GZ) bei<br />
entsprechend hohem Fehleranteil (F%), also bei extrem geringer Sorgfalt und<br />
Genauigkeit der Testbearbeitung. Die GZ-Rohwerte des Probanden Nr. 4 fallen in das<br />
Quartil Q1, was eine relativ schlechte Leistung kennzeichnet.<br />
F%/PR = 100<br />
sorgfältig<br />
kontrolliert<br />
(pedantisch)<br />
hochkonzentriert<br />
(reflexiv)<br />
aufmerksam,<br />
konzentriert<br />
Sorgfalt<br />
unaufmerksam,<br />
unkonzentriert<br />
Nr. 2, Nr. 5,<br />
Nr. 6, Nr. 7<br />
Nr. 8, Nr. 9, Nr.<br />
10, Nr. 11<br />
(impulsiv)<br />
fehlerhaft<br />
unkontrolliert<br />
F%/PR = 0<br />
erheblich<br />
konzentrationsgestört<br />
Nr. 4<br />
Nr. 1<br />
Nr. 3<br />
Ü-Syndrom<br />
GZ/PR = 0<br />
langsam,<br />
antriebsarm,<br />
passiv<br />
Tempo<br />
GZ/PR = 100<br />
schnell,<br />
antriebsstark,<br />
aktiv<br />
Abbildung 1: Ergebnisse des d2-Tests mittels Interpretationsschema Tempo-Sorgfalt (Bemerkung:<br />
GZ – Gesamtzahl aller bearbeiteten Zeichen, PR – Prozentrangwert, F% -<br />
Fehlerprozentwert)<br />
Den schlechtesten KL-Wert demonstrierte der Polizist mit der Bleibelastung von 252 µg/l<br />
im Blut. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigt, dass mit einer höheren Bleibelastung die<br />
Fehlerleistung der Probanden steigt und die Konzentrationsleistung sinkt.<br />
Die durchschnittliche gemerkte Ziffernlänge im Zahlengedächtnistest war 5,2 1,0, was<br />
noch im Normbereich liegt. Bei der Betrachtung der individuellen Ergebnisse fallen aber<br />
657
P100<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
eine schlechte Gedächtnisleistung der Probanden Nr. 1, 2, 4 und 11 auf. Diese Beamten<br />
haben einen relativ hohen aktuellen bzw. maximalen BPb des letzten Jahres.<br />
Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung kann hier bestätigt werden, zwischen der mittleren<br />
gemerkten Ziffernlänge und dem aktuellen BPb bzw. maximalen BPb des letzten Jahres<br />
besteht eine negative Korrelation (r = -0,685 bei p = 0,020 bzw. r = -0,721 bei p = 0,012).<br />
Mit einer höheren Bleiexposition wurden schlechtere Leistungen im Gedächtnistest<br />
beobachtet. Auch die maximal gemerkte Zahlenlänge korreliert mit der Expositionshöhe<br />
(r = -0,634 bei p = 0,036).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Diese Leistungsdefizite bei den Polizeischießausbildern sollte man im Rahmen der<br />
arbeitsmedizinischen Routinevorsorgeuntersuchung weiter verfolgen. Das tangiert auch<br />
die weitgehend ungelöste Frage einer möglichen Reversibilität neurotoxischer Effekte bei<br />
einer stark reduzierten Bleiexposition. Tatsächlich sind inzwischen Maßnahmen am<br />
untersuchten Schießplatz erfolgt, die eine deutlich geringere Bleiexposition der<br />
Polizeibeamten in der Zukunft erwarten lassen. Dementsprechend müssten bei einer<br />
späteren analogen Nachuntersuchung mit diesen Probanden bessere psychologische<br />
Ergebnisse gefunden werden, was dann in Richtung einer Reversibilität neurotoxischer<br />
Effekte zu interpretieren wäre.<br />
658
P101<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Luft- und Biomonitoring bei bleibelasteten Polizeischießausbildern<br />
Carl-Gerhard Winter 1 , Sigurd Kliese 2 , Friederike Maier 3<br />
1 Bereich Arbeitsmedizin, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
2 Öko-control GmbH Schönebeck (Elbe)<br />
3 Polizeiärztliches Zentrum/Ärztlicher Gutachterdienst der Landesverwaltung Magdeburg<br />
Zielstellung<br />
Aus der Literatur ist bekannt, dass bei Sportschützen, Polizisten, Schießstandtrainern<br />
und –reinigungs-personal eine höhere Pb-Belastung vorkommen kann. Nach wie vor ist<br />
das Schwermetall Blei ein wesentlicher Munitionsbestandteil und es gibt<br />
Untersuchungen, die erhöhte Bleibelastungen bei Schützen gefunden haben (Löfstedt et<br />
al. 1999, Wuster et al. 2006).<br />
Das übliche arbeitsmedizinische Überwachungsmuster für eine aktuelle Pb-Belastung ist<br />
die Kontrolle der Blutblei- und der Luftbleikonzentration im Arbeitsbereich.<br />
Ziel der Untersuchung war, die aktuelle Bleibelastung durch Kontrolle der<br />
Blutbleikonzentration sowie eine retrospektive Pb-Expositionsanalyse bei<br />
Schießausbildern durchzuführen, um das expositionelle Risiko dieser Gruppe zu<br />
verifizieren.<br />
Probanden und Methodik<br />
Elf Schießausbilder (9 Männer und 2 Frauen) im Durchschnittsalter von 43,2 ± 6,6<br />
Jahren nahmen an der Untersuchung teil.<br />
Das Untersuchungsprogramm bestand aus:<br />
- Arbeitsplatzbesichtigung der Schießanlage; Erfassung der arbeitstechnischen<br />
und persönlichen Schutzmaßnahmen sowie der hygienischen Bedingungen als<br />
Arbeitsplatzanalyse<br />
- Arbeitsmedizinische/-toxikologische Untersuchung/Expositionserfassung,<br />
Abschätzung der aktuellen Exposition (BPb), Ambient Air Monitoring<br />
- Analyse der Luftuntersuchung mit einem Flammen-AAS und der<br />
Blutuntersuchung mit einem Graphitrohr-AAS.<br />
Ergebnisse<br />
Die Expositionsdauer der bleiexponierten Probanden betrug 11,9 ± 8,6 Jahre. Die<br />
Analysenergebnisse der Arbeitsplatzmessungen nach TRGS 402 zeigen, dass der<br />
frühere Bleiwert von 0,15 mg/m 3 nur bei Mattenwechsel deutlich überschritten wurde<br />
(Mattenwechsel rechts 6,6 mg/m 3 und links 8,12 mg/m 3 Luft). Die gemittelten Bleiwerte<br />
lagen im Durchschnitt bei 100,1 ± 55,7 µg/l (siehe Tabelle).<br />
659
P101<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Tabelle 1<br />
Der niedrigste gemittelte Wert lag bei 55,6 µg/l und der höchst bei 252,0 µg/l. Bei 5 von 9<br />
männlichen Probanden lagen die Blutbleiwerte oberhalb des Normalwertes (HBM-<br />
Kommission für Männer in der Allgemeinbevölkerung 90 µg/l Blut). Bis auf den<br />
Probanden Nr. 4 lagen die Blutbleiwerte unter dem HBM-I von 150 µg/l. Proband 4 lag<br />
sogar über dem HBM-II-Wert von 250 µg/l. Bei den zwei weiblichen Probanden (Prob.-<br />
Nr. 6 und 7) lagen die Blutbleiwerte im unauffälligen Bereich.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass bei Schießausbildern deutlich<br />
erhöhte Blutbleiwerte festgestellt wurden, die bis in den Bereich einer möglichen<br />
Gesundheitsgefährdung reichen.<br />
Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überwachung von<br />
Mitarbeitern an Schießstandplätzen (auch im Sportbereich). In Auswertung der<br />
Untersuchung an einem ausgewählten Schießplatz wurden die hygienischen und<br />
Arbeitsschutzmaßnahmen wie folgt überarbeitet:<br />
Die jährliche Belastung der Schießanlage beträgt 250.000 Schuss<br />
Der gesamte Boden wurde 0,5 m tief aufgenommen und entsorgt<br />
Der Stahllamellen-Kugelfang wurde gereinigt (Spezialfirma)<br />
Die kontaminierten Holzsegmente wurden substituiert<br />
Nach Grundsanierung der Schießanlage Einstellung des Schießens mit der<br />
Trainingspatrone 9 x 19 mm Sintox-Standard (Vollmantelbleigeschoss – 7,4 g<br />
Blei/Geschoss) und Einführung der bleifreien Trainingspatrone 9 x 19 mm<br />
GREEN RANGE (Messingvollgeschoss, Gewicht 6,1 g/Geschoss)<br />
Regelmäßige Durchführung von Ambient Air – und Biomonitoring im Bereich der<br />
Schießanlage<br />
In Form von Weiterbildung muss unbedingt Aufklärungsarbeit geleistet werden,<br />
da jeder Schütze über die Gefahren durch Bleibelastung informiert sein sollte,<br />
auch vor dem Hintergrund, dass Blei als kanzerogen eingestuft ist.<br />
Literatur<br />
1. Bolt H.M.: Grenzwerte für krebserzeugende Stoffe am Arbeitsplatz. Arbeitsmed.<br />
Sozialmed. Umweltmed. 43, 10, 485-493 (2208)<br />
2. Muttray A., Scharnbacher: Bedeutung der Arbeitsplatzanalyse für Begutachtung<br />
und Prävention am Beispiel einer chronischen Bleiintoxikation. Arbeitsmed.<br />
Sozialmed. Umweltmed. 43, 12, 618-621 (2008)<br />
3. Wurster U., Ebert H., Fleig E., Ott G.: Reduzierung der Gefahrstoffbelastung in<br />
Raumschießanlagen durch Verwendung bleifreier Trainingsmunition. Gefahrstoffe<br />
– Reinhaltung der Luft 6, 295-299 (2006)<br />
660
P101<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
4. Löfstedt H., Selden A., Storeus L., Bodin L.: Blood Lead in Swedish Police<br />
Officers. Am. J Ind Med 35, 519-522 (1999)<br />
Tab. 1: Expositionsdaten der bleiexponierten Schießausbildergruppe<br />
Proband<br />
1<br />
Expos.-dauer<br />
(Jahre)<br />
11<br />
BPb<br />
(µg/l)<br />
67,0<br />
BPb max<br />
(µg/l)<br />
176<br />
Zigaretten<br />
(pro Tag)<br />
0<br />
Alkohol<br />
(g/Tag)<br />
39,00<br />
2<br />
7<br />
119,6<br />
251<br />
10<br />
0,00<br />
3<br />
7<br />
59,2<br />
71<br />
0<br />
1,86<br />
4<br />
7<br />
252,0<br />
252<br />
1 – 2<br />
3,71<br />
5<br />
9<br />
91,2<br />
114<br />
0<br />
5,57<br />
6<br />
7<br />
67,2<br />
111<br />
0<br />
0,00<br />
7<br />
6<br />
55,6<br />
96<br />
10 – 12<br />
0,00<br />
8<br />
29<br />
82,0<br />
100<br />
0<br />
16,0<br />
9<br />
29<br />
72,6<br />
222<br />
10 – 15<br />
7,43<br />
10<br />
11<br />
115,8<br />
202<br />
5 – 6<br />
6,86<br />
11<br />
7,5<br />
119,0<br />
149<br />
0<br />
13,80<br />
MW<br />
± SD<br />
11,9<br />
± 8,6<br />
100,1<br />
± 55,7<br />
158,5<br />
± 65,6<br />
4,1<br />
± 5.2<br />
8,60<br />
± 11,50<br />
661
P102<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Zelluläre Aufnahme und Toxizität von Tonerpartikeln in vitro<br />
Susanne Tautz 1,2 , Ute Zimmermann 2 , J. Hippler 3 , Ludwig Jonas 1 , Albert W. Rettenmeier 2 , Elke<br />
Dopp 2<br />
1 Elektronenmikroskopisches Zentrum, Institut für Pathologie, Universität Rostock,<br />
2 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen,<br />
3 Institut für Umweltanalytik, Universität Duisburg-Essen<br />
Ziel der Studie<br />
Tonerpartikel aus Tonerpatronen für Laserdrucker und Kopierer können während des<br />
Nachfüllens bzw. während des Druck-/Kopierprozesses Angestellte und Servicetechniker<br />
inhalativ belasten. Die Wirkung von Toneremissionen (Stäube und flüchtige<br />
Verbindungen) auf die menschliche Gesundheit ist bisher nicht bekannt, jedoch ergeben<br />
sich Hinweise auf rezidivierende Entzündungen der Atemwege, Epistaxis, Sinusitis,<br />
Asthma bronchiale und allergische Reaktionen.<br />
Ziel der vorliegenden Studie war es, die zellulären Effekte nach Tonerpartikelexposition<br />
an kultivierten Zellen zu untersuchen und mit der Toxizität von ultrafeinen<br />
Kohlenstoffpartikeln zu vergleichen.<br />
Methode<br />
3T3-Zellen (primäre embryonale Mäusefibroblasten von ATCC, USA) wurden in<br />
Dulbeccos Modified Eagle Medium (DMEM) mit 15 % fötalem Kälberserum (FCS) und<br />
BEAS-2B-Zellen (humane bronchiale Epithelzellen) in DMEM + 10 % FCS kultiviert und<br />
gegenüber Toner- (schwarz, pink) und Carbon black-Partikel exponiert. Die zelluläre<br />
Aufnahme wurde raster- (REM) und transmissionselektronenmikroskopisch (TEM), die<br />
Zytotoxizität mit dem Trypan-Blau-Test, die Genotoxizität mit dem Mikrokerntest und die<br />
Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS) mit der H 2 DCFDA-Färbung untersucht.<br />
Ergebnisse<br />
Die REM-Analyse ergab eine durchschnittliche Tonerpartikelgröße von ca. 10<br />
µm/Partikel, die Elementanalyse (EDX: Energie Dispersive Röntgenmikroanalyse) einen<br />
100 %igen Anteil an Kohlenstoff bei den schwarzen Tonern und ein Elementgemisch<br />
(Fe, Ti, Sn, Mn) bei den pinkfarbenen Tonern (Abb.1). Zytotoxische Effekte waren bei<br />
Tonerpartikelkonzentrationen ab 10 µg/cm² und einer Expositionsdauer von 24 h<br />
nachweisbar. Im Vergleich zu Carbon black (Partikeldurchmesser ca. 55 nm) waren<br />
diese Effekte jedoch weniger stark ausgeprägt. Gentoxische Effekte waren in BEAS-2B<br />
Zellen im Vergleich zu anderen Stäuben (z.B. Carbon black) nach Tonerexposition<br />
(schwarz und pink) nur schwach ausgeprägt, jedoch statistisch signifikant (p
P102<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
erhöht und bei pinkfarbenen Tonern ausgeprägter als bei Kohlenstofftonern (siehe<br />
Abb.1).<br />
Toner<br />
Prozent<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
15' 30' 45' 1 h 3 h 6 h<br />
Abb. 1: Elementanalyse mittels Röntgen-Fluoreszenz von pinkfarbenem Toner (links), REM von<br />
Tonerpartikeln (Mitte, pink: oben, schwarz: unten) und intrazelluläre Radikalbildung nach<br />
Exposition von BEAS-2B Zellen gegenüber den zwei verschiedenen Tonerarten (Konzentration: 5<br />
µg/cm²). Gezeigt ist die Radikalbildung im Verhältnis zur Kontrolle in Prozent (rechte Grafik).<br />
Zeit<br />
K<br />
Black<br />
Pink<br />
Diskussion<br />
Im gewählten Zellkulturmodell wurde sowohl ein zytotoxisches als auch ein<br />
genotoxisches Potenzial (inkl. Radikalbildung) verschiedener Tonerstäube<br />
nachgewiesen. Die beobachteten Effekte waren jedoch schwächer ausgeprägt als die<br />
nach Carbon black-Exposition (ultrafeine Partikel). Auch das Zellmodell spielte eine<br />
Rolle, da humane Zellen unempfindlicher reagierten. Tonerpartikel verschiedener<br />
Größen waren intrazellulär in Lysosomen und Restkörpern nachweisbar, Zellkern und<br />
Mitochondrien waren dagegen nicht belastet.<br />
In nachfolgenden Studien sollen Emissionsmessungen und toxikologische<br />
Untersuchungen verknüpft werden. Auch sollen additive Effekte (Partikel + flüchtige<br />
Verbindungen wie z.B. Di-/Tributylzinn, Styrol und Phenol) Beachtung finden.<br />
Bemerkung:<br />
Die Arbeit wurde mit dem 3. Posterpreis auf der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong> ausgezeichnet.<br />
663
P103<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Schwerpunkte der Exposition gegenüber ototoxischen<br />
Gefahrstoffen<br />
Dorothea Koppisch, Ulrike Koch, Rainer Van Gelder, Stefan Gabriel<br />
Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
Einleitung<br />
Ototoxische Stoffe sind Substanzen, die zu einer Schädigung des Gehörs, des Gleichgewichtsorgans<br />
oder des VIII. Hirnnerven führen. Je nach Substanz sind die<br />
Angriffspunkte dabei unterschiedlich. Die Wirkung von Styrol, Toluol, p-Xylol und<br />
Ethylbenzol erfolgt über eine Schädigung der äußeren Haarzellen im Corti-Organ. Für<br />
die Erstickungsgase Kohlenstoffmonoxid und Cyanide wird eine Wirkung über<br />
Sauerstoffmangel im sehr energieabhängigen Corti-Organ angenommen. Für<br />
Schwefeldisulfid und n-Hexan wird die Ursache hingegen in der Beeinträchtigung der<br />
Reizweiterleitung und -verarbeitung nach der Cochlea angenommen (Möller und Nies<br />
2008).<br />
Ziel dieser Untersuchung ist es, als Grundlage für eine bessere Prävention<br />
Arbeitsbereiche und Branchen zu identifizieren, in denen hohe Expositionen gegenüber<br />
ototoxischen Gefahrstoffen auftreten.<br />
Material und Methoden<br />
Es wurden aus der BGIA-Expositionsdatenbank MEGA Messdaten mit Schichtbezug<br />
(Expositionsdauer >= 8 h, Probenahmedauer >= 2 h) zu den am häufigsten diskutierten<br />
ototoxischen Gefahrstoffen Styrol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Kohlenstoffdisulfid, n-<br />
Hexan, n-Heptan, Hydrogencyanid, Kohlenstoffmonoxid und Quecksilber ausgewertet.<br />
Für die krebserzeugenden Gefahrstoffe Benzol, Trichlorethylen, Acrylnitril und Blei (-<br />
verbindungen) erfolgte keine Auswertung, da bei diesen Gefahrstoffen die<br />
Kanzerogenität im Vordergrund steht.<br />
Bei Einhaltung der Luftgrenzwerte für die betrachteten Gefahrstoffe ist ein wesentlicher<br />
Hörverlust wenig wahrscheinlich (Milde et al. 2006). Daher wurden zunächst Branchen<br />
mit Grenzwertüberschreitungen identifiziert. Dann wurden in diesen Branchen die<br />
Arbeitsbereiche mit den meisten Grenzwertüberschreitungen ermittelt.<br />
664
P103<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Ergebnisse<br />
Mehr als 5 % Grenzwertüberschreitungen wurden von 1990 - 2007 für Styrol,<br />
Kohlenstoffdisulfid, Kohlenstoffmonoxid und für Quecksilber und seine Verbindungen<br />
dokumentiert (Tabelle 1).<br />
Ein hoher Anteil an Grenzwertüberschreitungen traten in der chemischen Industrie<br />
(Schwerpunkt Kunststoffe), in der Metallbe- und -verarbeitung (inkl. Maschinenbau und<br />
Gießereien) und im Bauwesen auf. Schwerpunkte hoher Expositionen sind dabei die<br />
Arbeitsbereiche Herstellung und Laminieren von Formteilen (Styrol), Oberflächenbeschichtung<br />
(Styrol, Toluol), Formerei und Schmelzerei in Gießereien (Styrol, Kohlenstoffmonoxid),<br />
Betrieb von Flügelglättern (Kohlenstoffmonoxid), Spinnen und Tauchen<br />
von Chemiefasern (Kohlenstoffdisulfid) und Zerkleinerung von Schrott (Quecksilber).<br />
Tab. 1: Ototoxische Gefahrstoffe: Anzahl Messdaten und Branchen in der Expositionsdatenbank<br />
MEGA, Anteil an Messwerten über dem Grenzwert; 1990 – 2007<br />
Messdaten in MEGA<br />
Anzahl<br />
Analysen<br />
Anzahl<br />
Branchen<br />
Grenzwertüberschreitungen<br />
Prozent Prozent<br />
Analysen Branchen<br />
Aktuelle Grenzwerte<br />
Art des mg/m³ ppm<br />
GW 1)<br />
Lösungsmittel<br />
Styrol 6.719 172 28 % 34 % AGW 86 20<br />
Toluol 14.891 249 2,9 % 22 % AGW 190 50<br />
Xylol 17.448 257 0,5 % 12 % AGW 440 100<br />
Ethylbenzol 11.473 220 0,2 % 5 % AGW 440 100<br />
Kohlenstoffdisulfid 304 33 12,8 % 10 % BL-AGS 30 9,5<br />
n-Hexan 3.016 147 0,2 % 1 % AGW 180 50<br />
n-Heptan 4.236 155 0 % 0 % AGW 2100 500<br />
Erstickungsgase<br />
Kohlenstoffmonoxid 466 63 10,1 % 19 % AGW 35 30<br />
Cyanide 593 34 0 % 0 % BL-AGS 5<br />
Hydrogencyanid 947 45 0,7 % 7 % BL-AGS 11 10<br />
Metalle<br />
Quecksilber und 584 70 5,1 % 17 % AGW 0,1 2)<br />
seine Verbindungen<br />
1) Art des Grenzwertes: AGW: Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900,<br />
BL-AGS: Grenzwert aus der Bearbeitungsliste des AGS<br />
2) Dieser Grenzwert gilt nur für Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen<br />
665
P103<br />
Poster – Gefahrstoffe I<br />
Diskussion<br />
Für die Schwerpunkte der Exposition gegenüber den ototoxischen Gefahrstoffen Styrol,<br />
Toluol, Kohlenstoffdisulfid, Kohlenstoffmonoxid und Quecksilber ist im nächsten Schritt<br />
die Lärmbelastung zu überprüfen. Anschließend können betriebsspezifisch Maßnahmen<br />
entwickelt werden, um die Lärm- und Gefahrstoffexposition in den betroffenen Bereichen<br />
zu reduzieren.<br />
Literatur<br />
Milde, J., Ponto, K., Wellhäußer, H. (2006): Positionspapier des AK 2.1 „Lärm“ und AK 3<br />
„Gefahrstoffe“ des Ausschusses Arbeitsmedizin beim HVBG zu ototoxischen<br />
Arbeitsstoffen. Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, Sankt<br />
Augustin<br />
Möller, A., Nies, E. (2008): Ototoxische Gefahrstoffe – zum Stand der Diskussion.<br />
Umweltmed Forsch Prax 13: 26-36<br />
666
P104<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehung im standardisierten<br />
Expositionstest mit Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat (MDI)<br />
Rolf Merget, Boleslaw Marczynski, Vera van Kampen, Thomas Brüning<br />
Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGFA), Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Einleitung<br />
Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehungen bei Expositionstests mit Diisocyanaten (im<br />
Folgenden Isocyanate genannt) wurden bisher nur in einer Publikation als seltenerer<br />
Reaktionsmodus beschrieben [1]. Da die Tests hierbei über mehrere Tage durchgeführt<br />
worden waren, wurde ursächlich u.a. eine unterschiedliche Metabolisierung der<br />
Isocyanate angenommen. Wir beschreiben einen weiteren Fall mit einer nichtlinearen<br />
Dosis-Wirkungsbeziehung in einem eintägigen Expositionstest mit Isocyanaten.<br />
Methoden<br />
Der bei Erstuntersuchung 06/2005 55jährige Schlosser in einer Isocyanat-Produktion war<br />
seit 1970 gegenüber Isocyanaten exponiert. Aufgrund arbeitsbezogener<br />
Atemwegsbeschwerden wurde er 1987 versetzt, hatte aber bis 02/2005 noch seltenen<br />
(symptomatischen) Kontakt zu Isocyanaten. Zuletzt bestand eine leichtgradige<br />
asthmatische Symptomatik unter antiobstruktiver Medikation. Es wurden Pricktests mit<br />
Umweltallergenen (verschiedene Hersteller) und Isocyanat-Humanserum-Konjugaten<br />
(eigene Herstellung) sowie CAP-Tests (Phadia, Freiburg) zum Nachweis spezifischer<br />
IgE- und IgG-Antikörper gegen Isocyanate im Serum des Versicherten durchgeführt.<br />
Standardisierte Expositionstests erfolgten mit Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat (MDI;<br />
MERCK Schuchardt OHG, Hohenbrunn) mit 5, 10, 20 und 30 ppb über jeweils 30 Min. in<br />
der Isocyanatkammer [2]. Effektparameter waren Einsekundenkapazität (FEV 1 ),<br />
spezifischer Atemwegswiderstand (gemessen mit MasterLab, Cardinal Health,<br />
Würzburg), Methacholintest [3] vor und 24 h nach Testung mit MDI und exhaliertes<br />
Stickstoffmonoxid (eNO; gemessen mit CLD 700; Eco Physics, München [4]). Die<br />
Messungen erfolgten bei normaler Lungenfunktion unter kurz ausgesetzter Medikation.<br />
Ein positives Votum der Ethikkommission der Ruhr-Universität lag vor.<br />
Ergebnisse<br />
Der Versicherte war kein Atopiker und nicht gegenüber Isocyanaten sensibilisiert. Der<br />
Expositionstest 2005 zeigte bodyplethysmographisch keine signifikante Reaktion und<br />
spirometrisch eine nichtlineare Reaktion bei unzureichender Atemtechnik (Abbildung 1).<br />
Während der Methacholintest vor der spezifischen Testung keine bronchiale<br />
Hyperreaktivität zeigte, lag nach dem Expositionstest mit MDI eine geringgradige<br />
667
P104<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
bronchiale Hyperreaktivität vor. eNO stieg von 44 ppb vor Exposition auf 82 ppb am Tag<br />
nach Testung mit MDI. Aufgrund der nicht konsistenten Befunde wurde die Testung<br />
08/2007 wiederholt. Die Beschwerden hatten sich gebessert, die antiobstruktive<br />
Medikation wurde aber fortgeführt. Während sich die bodyplethysmographischen und<br />
spirometrischen Reaktionen aus 2005 reproduzieren ließen, war jetzt eine Zunahme der<br />
bronchialen Hyperreaktivität nach MDI-Testung nicht mehr darzustellen, eNO stieg von<br />
25 ppb vor Exposition auf 52 ppb am Tag nach Testung mit MDI.<br />
Diskussion<br />
Im vorliegenden Fall ist eine obstruktive Atemwegserkrankung zweifelsfrei dargestellt.<br />
Die anamnestischen Angaben mit einem klaren Arbeitsbezug der Atembeschwerden<br />
sprechen für ein Isocyanatasthma. Die Expositionstests waren hinsichtlich einer<br />
obstruktiven Atemwegsreaktion nicht eindeutig, aber hinweisend auf ein<br />
Isocyanatasthma. Der reproduzierbare Anstieg des eNO am Tag nach der<br />
Expositionstestung spricht ebenso für ein Isocyanatasthma wie die Besserung unter<br />
Expositionskarenz zwischen 2005 und 2007. Anstiege des eNO nach Expositionstests<br />
mit Isocyanaten wurden bei pulmonalen „Nonrespondern“ bereits beschrieben [5]. Mit<br />
dem vorliegenden Fall konnte gezeigt werden, dass nichtlineare Dosis-<br />
Wirkungsbeziehungen nach Expositionstestung mit Isocyanaten auch in<br />
Eintagesprotokollen auftreten können und auf ein vermutlich immunologisches<br />
Isocyanatasthma hinweisen. Die Frage, weshalb es bei einigen Personen zu diesem<br />
nichtlinearen Reaktionsverlauf kommt, ist weiterhin nicht eindeutig geklärt. Neben einer<br />
unterschiedlichen Metabolisierung der Isocyanate ist auch die Veränderung von Epitopen<br />
(z.B. Prepolymere) im Verlaufe der Exposition möglich. Messungen des eNO können die<br />
Sensitivität von Expositionstests mit Isocyanaten erhöhen und sind möglicherweise<br />
besser geeignet als serielle Methacholintests vor und nach Expositionstestung. Als<br />
geeigneter Zeitpunkt ist die Messung am Tag nach der Isocyanatexposition zu<br />
empfehlen.<br />
Literatur<br />
1. Malo JL, Ghezzo H, Elie R. Occupational asthma caused by isocyanates:<br />
patterns of asthmatic reactions to increasing day-to-day doses. Am J Respir Crit<br />
Care Med 1999;159:1879-83<br />
2. Merget R, Heinze E, Korn M, Raulf-Heimsoth M, Marczynski B, Brüning T.<br />
Diagnostische Validität und Sicherheit eines 4-Stufen-1-Tagesexpositionstests<br />
mit Diisocyanaten. Atemw Lungenkrkh 2004;30:380-1<br />
668
P104<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
3. Baur X, Huber H, Degens PO, Allmers H, Ammon J. Relation between<br />
occupational asthma case history, bronchial methacholine challenge, and specific<br />
challenge test in patients with suspected occupational asthma. Am J Ind Med<br />
1998;33:114-22<br />
4. ATS/ERS. Recommendations for standardized procedures for the online and<br />
offline measurement of exhaled lower respiratory nitric oxide and nasal nitric<br />
oxide. Am J Respir Crit Care Med 2005;171:912-30<br />
5. Barbinova L, Baur X. Increase in exhaled nitric oxide (eNO) after work-related<br />
isocyanate exposure. Int Arch Occup Environ Health 2006;79:387-95<br />
Legende Abbildung 1<br />
Expositionstests mit MDI bis 30 ppb zeigen sowohl 2005 und 2007 keine eindeutige obstruktive<br />
Reaktion, aber einen reproduzierbaren Anstieg von eNO am Tag nach der Expositionstestung.<br />
Die gestrichelte Linie stellt den Methacholintest (MCH) dar.<br />
669
P105<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Phthalatweichmacher-Untersuchungen bei Schwangeren in der<br />
15.-17. Schwangerschaftswoche in Urin, Serum und Fruchtwasser<br />
Sibylle Hildenbrand 1 , Roman Wodarz 1 , Elfriede Wiest 2<br />
1<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />
2<br />
Universitätsfrauenklinik Tübingen<br />
Einleitung und Ziele der Studie<br />
Phthalsäuredialkylester werden als Weichmacher für PVC-Produkte verwendet. Sie<br />
kommen auch u. a. in Pharmaka, Körperpflegemitteln, Parfüms und Deodorants zum<br />
Einsatz. Der Mensch kann sie oral, inhalativ oder perkutan aufnehmen.<br />
Die Weichmacherbelastung mit Diethylhexylphthalat (DEHP) und Dibutylphthalat (DBP)<br />
bei Schwangeren wurde durch Biomonitoring-Untersuchungen von Spontanurin und<br />
Serum bestimmt. Zur Einschätzung der Weichmacherbelastung bei Feten wurden die<br />
Weichmacherkonzentrationen im Fruchtwasser bestimmt.<br />
Material und Methoden<br />
Von 60 Probandinnen wurden bei 40 Schwangeren alle drei Matrixes, d.h. Spontanurin,<br />
Serum und Fruchtwasser erhalten. Nur die Ergebnisse dieser Probandinnen sind hier<br />
dargestellt. Sie waren im Mittel 36 Jahre alt (Min-Max 19-43 Jahre) und meist in der 15.-<br />
17. Schwangerschaftswoche. Die Probennahme fand im Rahmen einer pränatalen<br />
invasiven Diagnostik zwischen September 2003 und Juni 2004 statt (Uhrzeit: 8.00 bis<br />
12.00 Uhr). Alle medizinischen Hilfsmitttel waren PVC-frei. Die Probandinnen füllten<br />
einen Fragebogen aus, über den auch mögliche Eintragspfade ermittelt werden sollten.<br />
In den Proben wurden die Metabolite der Weichmacher DEHP und DBP, das heißt u. a.<br />
Monoethylhexylphthalat (MEHP), Mono(2-ethyl-5-hydroxyhexyl)phthalat (5-OH-MEHP)<br />
und Mono(2-ethyl-5-oxohexyl)phthalat (5-Oxo-MEHP) sowie Monobutylphthalat (MBP),<br />
mittels GC-MS quantifiziert.<br />
Ergebnisse<br />
Zur Ermittlung der Belastung mit DEHP und DBP wurden die Metabolitkonzentrationen<br />
herangezogen (Abb. 1). In den Urinproben lag die mittlere MEHP-Konzentration bei 7,8<br />
µg/l (Min-Max:
P105<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Die mittleren Konzentrationen für MBP lagen im Spontanurin bei 110,8 µg/l (Min-Max:<br />
6,9-2870,8 µg/l) und im Fruchtwasser bei 15,5 µg/l (Min-Max:
P105<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
1a)<br />
15<br />
64,4<br />
51,1 32,5<br />
Spontanurin<br />
Serum<br />
Fruchtwasser<br />
10<br />
MEHP in µg/l<br />
5<br />
0<br />
1 2 6 7 9 1012131415161720212832333435363738394042444546474951525354555657585960<br />
Probandinnen<br />
1b)<br />
100<br />
80<br />
2870,8 203,7<br />
Spontanurin<br />
Serum<br />
Fruchtwasser<br />
MBP in µg/l<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1 2 6 7 9 10 12 13 14 15 16 17 20 21 28 32 33 34 35 36 37 38 39 40 42 44 45 46 47 49 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60<br />
Probandinnen<br />
Abbildung 1: Konzentrationen von MEHP (1a) und MBP (1b) in Spontanurin, Serum und<br />
Fruchtwasser von 40 Schwangeren.<br />
672
P106<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Einfluss der Substitutionsrate von in-vitro generierten Isocyanat-<br />
Albumin-Konjugaten auf massenspektrometrische Strukturparameter<br />
und das Antikörper-Bindungsverhalten<br />
Lygia Therese Budnik, Elke Finsel, Xaver Baur<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Hamburg<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
673
P107<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Übersicht über die Folgen von Begasungmittel-Intoxikationen in<br />
einer Web-basierten Datenbank<br />
Alexandra M. Preisser 1 , Frank Heblich 4 , Wolfgang H. Zangemeister 2 , Birgit Hottenrott 3 , Lygia<br />
Therese Budnik 1 , Xaver Baur 1<br />
1 Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />
2 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />
3 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
4 Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine, Kronshagen<br />
Hintergrund: Import-Güter und -Container werden oftmals im Herkunftsland zur<br />
Schädlingsabtötung begast. Die verwendeten Chemikalien und deren Konzentrationen<br />
sind sehr verschieden; der stattgefundene Begasungsvorgang ist insbesondere bei<br />
Containerwaren als solcher in der Regel nicht erkenntlich. Als Folge finden sich im<br />
Ankunftsland noch in etwa jedem sechsten Importcontainer grenzwertüberschreitende<br />
Rückstände von Begasungsmitteln und/oder toxischen Industriechemikalien (Baur et al.,<br />
2007). Beim Öffnen der Container oder der Weiterverarbeitung der Import-Waren sind<br />
die Beschäftigten hierdurch nicht kalkulierbaren Gesundheitsrisiken ausgesetzt.<br />
Untersuchungen von Beschäftigten, die gegenüber Begasungsmitteln exponiert worden<br />
sind, belegen auffallend häufig neurologische Krankheitssymptome und -befunde (Acuna<br />
et al. 1997, Bowler et al. 2003, Calvert et al. 1998, Kamel and Hoppin 2004).<br />
Atemwegsbeschwerden werden selten genannt und zum Teil als vorübergehend<br />
betrachtet (U.S. Department of Health and Human Services 2001).<br />
Ziele:<br />
Betroffene Patienten leiden häufig anhaltend unter einem unspezifischen<br />
Symptomenkomplex, der überwiegend Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sowie<br />
Dyspnoe und weitere Atemwegsbeschwerden beinhaltet. Der Zusammenhang zur<br />
Tätigkeit ist den Patienten zunächst meist nicht bewusst und auch den primär<br />
behandelnden Ärzten häufig nicht bekannt. Kompetente medizinische Ansprechpartner<br />
werden daher nur verzögert gefunden. Weitergehende zielführende Diagnostik, wie z.B.<br />
Biomonitoring, erfolgt daher oft verspätet und wesentliche Befunde gehen hierdurch<br />
verloren. Unser Ziel ist, Patienten und primär versorgenden Ärzten Informationen zu<br />
Begasungsmittel-Intoxikationen und kompetenten Ansprechpartnern leicht erreichbar zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
Methode:<br />
Auf einer Internet-Website wurde eine Datensammlung erstellt, die die Expositionsdaten,<br />
Symptome und klinischen Befunde der in unserem Institut untersuchten Patienten<br />
darstellt. Ergänzt werden diese Falldarstellungen durch aktuelle Fälle aus der<br />
internationalen Literatur. Durch Platzieren geeigneter Stichworte werden diese<br />
674
P107<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Informationen leicht von Suchmaschinen gefunden. Sollte sich durch die dargestellten<br />
Symptomenkomplexe und Zusammenhänge der Verdacht auf das Vorliegen einer<br />
Begasungsmittel-Intoxikation beim Leser erhärten, werden Ansprechpartner genannt.<br />
Ergebnisse:<br />
Die Befunde von 16 am Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin<br />
untersuchten Patienten konnten in die Datenbank aufgenommen werden. Ergänzt<br />
wurden diese durch Daten aus Fremdberichten von 24 weiteren Fällen. Alle Patienten<br />
litten unter neurologischen Symptomen, vorherrschend waren anhaltende<br />
Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sowie Konzentrationsstörungen, hier<br />
insbesondere Störungen der „geteilten Aufmerksamkeit“, also der Fähigkeit sich auf<br />
mehrere Arbeitsabläufe gleichzeitig zu konzentrieren. Auffallend war auch das gehäufte<br />
Auftreten von bisher nicht gekannter Reizbarkeit und Muskelkrämpfen. Weiterhin<br />
beklagten zwölf der eigenen 16 Patienten respiratorische Symptome; in 7 Fällen fand<br />
sich eine bronchiale Hyperreaktivität.<br />
Zusammenfassung:<br />
Patienten, die nach Begasungsmittel-Intoxikationen unter verschiedenen Symptomen,<br />
überwiegend neurologisch und im Bereich des Respirationstrakts leiden, wird durch die<br />
Bereitstellung von leicht erreichbaren Informationen eine zeitnahe adäquate Diagnostik<br />
ermöglicht. Die Datensammlung ist unter der Adresse www.uke.unihamburg.de/institute/arbeitsmedizin/index_14284.php<br />
zu finden.<br />
Literatur:<br />
Acuna D MC, Diaz T V, Tapia Z R, Cumsille G MA. Estudio de los efectos neurotoxicos<br />
del bromuro de metilo sobre trabajadores expuestos, Assessment of neurotoxic effects of<br />
methyl bromide in fruit workers. Rev Med Chile 1997;125:36-42<br />
Baur X, Ollesch T, Poschadel B, Budnik LT, Finger S, Matz G.<br />
Begasungsmittelrückstände und toxische Industriechemikalien in Import-Containern. Zbl<br />
Arbeitsmed 2007;57:89-104<br />
Bowler RM, Gysens S, Hartney C. Neuropsychological effects of ethylen dichloride<br />
exposure. NeuroToxicology 2003;24:553-562<br />
Budnik LT, Veldman RW, Baur X. Toxische Industriechemikalien und<br />
Begasungsmittelrückstände in Importwaren – Gesundheitsgefährdung durch<br />
Begasungsmittel im internationalen Warenverkehr. <strong>Tagungsband</strong> der 48.<br />
Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />
Umweltmedizin e. V. in Verbindung mit ICOH Mid-term Meeting 2008. Hamburg 12.-<br />
15.3.2008.<br />
Calvert GM, Mueller CA, Fajen JM, Chrislip DW, Russo J, Briggle T, Fleming LE, Suruda<br />
AJ, Steenland K. Health effects associated with sulfuryl fluoride and methyl bromide<br />
exposure among structural fumigation workers. American Journal of Public Health<br />
1998;88:1774-1780<br />
675
P107<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
De Haro L, Gastaut JL, Jouglard J, Renacco E. Central and peripheral neurotoxic effects<br />
of chronic methyl bromide intoxication. Clinical Toxicology 1997;35(1):29-34<br />
Deschamps FJ, Turpin JC. Methyl bromide intoxication during grain store fumigation.<br />
Occup Med 1996;46:89-90<br />
Horowitz BZ, Albertson TE, O´Malley M, Swenson EJ. An unusual exposure to methyl<br />
bromide leading to fatality. Clinical Toxicology 1998;36(4):353-357<br />
Hottenrott B, Preisser A, Moritz S. Neuropsychologische Befunde bei Patienten nach<br />
Begasungsmittel-Intoxikation. Zbl Arbeitsmed <strong>2009</strong><br />
Kamel F, Hoppin JA. Association of pesticide exposure with neurologic dysfunction and<br />
disease. Environmental Health Perspectives 2004;112:950-958<br />
Koda S, Kumagai S, Ohara H. Health effects of acute exposures to methyl bromide<br />
during soil fumigation inside greenhouses. J Occup Health 2000;42:263-269<br />
Preisser AM, Poppe A, Budnik LT, Baur X. Intoxikationen beim Entladen von Import-<br />
Containern in einer Maschinenfabrik. Zbl Arbeitsmed 2007;57:105-109<br />
Preisser AM, Heblich F, Budnik LT, Baur X. Gesundheitsstörungen nach<br />
Begasungsmittelexposition: Arbeitsmedizinische Aspekte und Langzeitergebnisse<br />
Zbl Arbeitsmed <strong>2009</strong>; im Druck<br />
U.S. Department of Health and Human Services. Toxicological profile for 1,2-<br />
Dichlorethane. Public Health Service. Agency for Toxic substances and disease registry<br />
2001 http://www.atsdr.cdc.gov/toxpro2.html<br />
Yamano Y, Nakadate T. Three occupationally exposed cases of severe methyl bromide<br />
poisoning: Accident caused by a gas leak during the fumigation of a folklore museum. J<br />
O<br />
676
P107<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Abb. 1: Screenshot der Web-Seite mit Datensammlung<br />
677
P107<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Abb. 2: Screenshot der Untersuchungscodes<br />
678
P108<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Modellierung komplexer Daten am Beispiel eines Biomarkers in<br />
der Humanstudie Bitumen<br />
Anne Spickenheuer, Monika Raulf-Heimsoth, Benjamin Kendzia, Thomas Brüning, Beate Pesch<br />
BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
Ziel der Studie<br />
Ziel der Humanstudie Bitumen ist die Untersuchung genotoxischer und irritativer Effekte<br />
von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen. Hier wird der Einfluss der Bitumenexposition<br />
auf den Entzündungsmarker Interleukin (IL) -8 im induzierten Sputum abgeschätzt. Es<br />
werden verschiedene Regressionsmodelle verwendet, um die Robustheit der<br />
Effektschätzer zu untersuchen.<br />
Methoden<br />
In einer Querschnittsstudie wurden 280 Beschäftigte mit Bitumenexposition und ein<br />
Referenzkollektiv von 74 Straßenbauarbeitern untersucht. Während der Schicht wurde<br />
die Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen durch<br />
personengetragene Luftmessgeräte erfasst. Interleukin-8 Konzentrationen wurden vor<br />
und nach der Schicht im induzierten Sputum mittels Enzymimmunoassay bestimmt. Die<br />
Arbeiter wurden nach ihrem Alter, Rauchverhalten und ihrer Nationalität befragt. Ihr<br />
Atopiestatus wurde serologisch mittels Inhalationsallergen-Screening-Test sx1 ermittelt.<br />
Weitere Informationen zum Studienaufbau wurden in Raulf-Heimsoth et al. (2007)<br />
beschrieben. Das Votum der Ethikkommission der Ruhr-Universität Bochum und eine<br />
schriftliche Einverständniserklärung der Probanden liegen vor.<br />
Als klassischer Modellansatz wurde die Least Squares Linear Regression durchgeführt.<br />
Weiterhin wurden als robuste Modelle Least Median of Squares und Least Trimmed<br />
Squares verwendet. Beim Vorliegen von Ausreißern im Datensatz sind robuste Modelle<br />
der klassischen Modellierung überlegen. Diese Modelle wurden getrennt für IL-8 vor und<br />
nach der Schicht berechnet. Weiterhin wurde ein Linear Mixed Model angepasst, das<br />
gleichzeitig die Vorschicht- und die Nachschichtmessung berücksichtigt.<br />
Ergebnisse<br />
Vor der Schicht hatten Beschäftigte mit Bitumenexposition in allen betrachteten<br />
Regressionsmodellen höhere IL-8 Konzentrationen im Sputum als Beschäftigte der<br />
Referenzgruppe (p < 0,01). Aktuelle Raucher hatten höhere IL-8 Konzentrationen als<br />
Nichtraucher (p < 0,01). Auf die nach der Schicht gemessenen IL-8 Konzentrationen<br />
679
P108<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
hatten ebenfalls die Expositionsgruppe (p < 0,01) und der Rauchstatus (p < 0,01) einen<br />
signifikanten Einfluss, während die gemessene Bitumenexposition (p > 0,05) keinen<br />
Effekt hatte. In den Vor- und den Nachschichtmodellen zeigten die verschiedenen<br />
Regressionsmodelle jeweils ähnliche Effektschätzer. Im Linear Mixed Model waren<br />
ebenfalls die Expositionsgruppe (p < 0,01) und der Rauchstatus (p < 0,01) signifikant.<br />
Zusätzlich hatten der Messzeitpunkt (p < 0,05) und die Nationalität (p < 0,05) einen<br />
signifikanten Einfluss auf die IL-8 Konzentrationen. Vor der Schicht waren die IL-8<br />
Konzentrationen höher als nach der Schicht. Die gemessene Konzentration an Dämpfen<br />
und Aerosolen aus Bitumen hatte wiederum keinen signifikanten Effekt (p > 0,05).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die unterschiedlichen Regressionsmodelle zeigen ähnliche Ergebnisse. Folglich sind die<br />
Effektschätzer robust und kaum durch Ausreißer beeinflusst. Weiterhin stabilisiert die<br />
große Studienpopulation die Effektschätzer und führt so zu belastbaren Resultaten.<br />
Bitumenexponierte haben insgesamt höhere IL-8 Konzentrationen als Arbeiter der<br />
Referenzgruppe. Da bereits vor der Schicht die IL-8 Konzentrationen bei Exponierten<br />
höher waren, könnte es sich hier möglicherweise um einen subchronischen Effekt<br />
handeln. Raucher haben höhere IL-8 Konzentrationen als Nichtraucher. Rauchen ist<br />
daher ein starker Störfaktor. Zusätzlich könnten die in beiden Gruppen vor der Schicht<br />
höheren IL-8 Konzentrationen auf einen Tagesrhythmus in der Interleukinproduktion und<br />
/ oder -freisetzung hindeuten. Für Zytokine sind chronobiologische Effekte bekannt.<br />
Obwohl ein Gruppenunterschied zwischen Bitumenexponierten und Referenzarbeitern<br />
vorliegt, wurde keine Dosis-Wirkungs-Beziehung von Dämpfen und Aerosolen aus<br />
Bitumen mit Interleukin-8 gefunden. Möglicherweise ist eine einzelne Schichtmessung<br />
aufgrund der täglich wechselnden Expositionshöhe und der möglichen subchronischen<br />
Effekte nicht ausreichend, um eine solche Beziehung aufzustellen.<br />
Literatur<br />
Raulf-Heimsoth M., Pesch B., Spickenheuer A., Bramer R., Schott K., Marczynski B.,<br />
Breuer D., Hahn J.U., Merget R., Brüning T. (2007): Assessment of irritative effects of<br />
fumes of bitumen on the airways using non-invasive methods – results of a cross-shift<br />
study in mastic asphalt workers. JOEH, 4 (S1), 223 – 227.<br />
680
P109<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Einflussfaktoren auf die Mikrokernraten in Lymphozyten von<br />
Beschäftigten bei der Heißverarbeitung von Bitumen<br />
Peter Welge 1 , Anne Spickenheuer 1 , Boleslaw Marczynski 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Benjamin<br />
Kendzia 1 , Anja Erkes 1 , Rainer Bramer 1 , Dietmar Breuer 2 , Heiko-U. Käfferlein 1 , Beate Pesch 1 ,<br />
Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität, Bochum,<br />
2 BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />
Hintergrund und Ziel der Studie<br />
Wird Bitumen - wie bei der Verwendung von Gussasphalt - heiß verarbeitet, kommt es zu<br />
einer Exposition der Beschäftigten gegenüber entsprechenden Dämpfen und Aerosolen.<br />
Es stellt sich die Frage, ob diese Exposition zu genotoxischen Effekten führen kann. Ziel<br />
dieser Untersuchung war die Ermittlung von Chromosomenbrüchen und -verlusten mit<br />
dem Mikrokerntest und die Ermittlung von Faktoren, die einen Einfluss auf die<br />
Mikrokernraten in Lymphozyten von Beschäftigten bei der Heißverarbeitung von Bitumen<br />
haben.<br />
Methoden<br />
Die Mikrokernraten von 89 gegen Dämpfe und Aerosole aus Bitumen exponierten<br />
Beschäftigten und von 18 nicht gegen Bitumen exponierten Beschäftigten mit<br />
vergleichbarem Alters- und Tätigkeitsprofil und Rauchverhalten wurden in Blut-<br />
Lymphozyten bestimmt. Der Mikrokerntest wurde nach Fenech (2000) unter Verwendung<br />
von Cytochalasin B (Cytokinesis blocked micronucleus assay, CBMN) durchgeführt. Die<br />
Mikrokernraten wurden jeweils auf der Basis von 1000 zweikernigen Zellen (BNC) nach<br />
standardisierten Kriterien ermittelt. In einem linearen Regressionsmodell wurde zum 5%-<br />
Signifikanzniveau der Einfluss der Zugehörigkeit zu Expositions- oder Referenzgruppe,<br />
Höhe der Exposition (in mg/m³), sowie von Rauchverhalten, Alter und Atopiestatus<br />
(serologisch über sx1-Inhalationsallergenscreen) ermittelt.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Bei Bitumen-exponierten Beschäftigten wurden im Median 7,5 Mikrokerne/1000<br />
zweikernige Zellen (MN/1000 BNC) nach einer Arbeitsschicht gefunden, bei nicht<br />
exponierten Referenzpersonen 6,7 MN/1000 BNC (Unterschied nicht signifikant). Mit<br />
einem linearen Regressionsmodell (Tabelle) fand sich kein signifikanter Zusammenhang<br />
der Mikrokernraten nach der Arbeitsschicht mit einer einzelnen Schichtmessung der<br />
Dämpfe und Aerosole aus Bitumen. Als deutlichster Einflussfaktor erwies sich aber das<br />
Alter der Beschäftigten (p < 0,0001). Mit dem Alter steigt die Mikrokernrate an. Aufgrund<br />
der Korrelation zwischen Lebensalter und Dauer der Exposition gegenüber Dämpfen und<br />
681
P109<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Aerosolen aus Bitumen (in Jahren) muss differenziert werden, ob die mit dem Alter<br />
ansteigenden Mikrokernraten nur einen direkten Einfluss des Lebensalters darstellen,<br />
oder ob zusätzlich ein indirekter Einfluss der Expositionsdauer eine Rolle spielt. Der<br />
enge Zusammenhang mit dem Lebensalter gegenüber der nur schwachen Korrelation<br />
mit der Dauer der Exposition spricht für den direkten Alterseinfluss. Dieser ist auch aus<br />
einer gepoolten Analyse der Daten vieler Labors zum Mikrokerntest (mit Adjustierung für<br />
Exposition gegenüber genotoxischen Substanzen) bekannt (Bonassi et al. (2001)).<br />
Ethnische Zugehörigkeit und Atopiestatus sind schwächere, aber signifikante<br />
Einflussfaktoren. Die biologische Bedeutung muss noch geklärt werden. Das<br />
Rauchverhalten übte keinen signifikanten Einfluss auf die Mikrokernraten in<br />
Lymphozyten aus.<br />
Tabelle: Modellierung der Mikrokernraten (Mikrokerne/1000 BNC, log-transformiert) nach<br />
Schicht<br />
(N = 105, R 2 = 0,356).<br />
Einflussvariable exp(Schätzwert) 95% KI p-Wert<br />
Konstante 2,29 1,28 – 4,10<br />
Kollektiv: Expositionsgruppe<br />
(Ref=Referenzgruppe.)<br />
1,27 0,96 – 1,69 0,0979<br />
Dämpfe und Aerosole aus Bitumen [mg/m³] 1,01 0,97 – 1,05 0,6767<br />
Alter [Jahre] 1,03 1,02 – 1,05 < 0,0001<br />
Nichtdeutscher (Ref=Deutscher) 0,77 0,62 – 0,96 0,0153<br />
Allergiesuchtest sx1 im Serum: positiv<br />
(Ref=negativ)<br />
0,80 0,66 – 0,97 0,0245<br />
Raucher (Ref=Nichtraucher) 0,99 0,81 – 1,21 0,9205<br />
Schlussfolgerungen<br />
Zwischen der Mikrokernrate und der äußeren Exposition gegenüber Dämpfen und<br />
Aerosolen aus Bitumen fand sich kein signifikanter Zusammenhang. Dies deutet darauf<br />
hin, dass unter den gegebenen Expositionsbedingungen eine einzelne Schichtmessung<br />
der Exposition nicht ausreicht, eine mögliche sich über die Lebensdauer der<br />
Lymphozyten ereignende Schädigung zu charakterisieren. Ein Anstieg der<br />
Mikrokernraten mit dem Alter ist bei den Exponierten erkennbar. Es bedarf der näheren<br />
Überprüfung, ob hier nur das Alter direkt oder zusätzlich indirekt die Dauer der<br />
Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen eine Rolle spielt. Die<br />
bisherigen Befunde sprechen eher für einen direkten Alterseffekt.<br />
Die Ergebnisse sind Teil der „Humanstudie Bitumen.“<br />
682
P109<br />
Poster – Gefahrstoffe II<br />
Literatur<br />
1. Fenech, M (2000): The in vitro micronucleus technique. Mutat Res 455; 81-95<br />
2. Bonassi, S et al. (2001) HUman MicroNucleus project: international database<br />
comparison for results with the cytokinesis-block micronucleus assay in human<br />
lymphocytes: I. Effect of laboratory protocol, scoring criteria, and host factors on the<br />
frequency of micronuclei. Environ Mol Mutagen 37; 31-45<br />
683
P110<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Zur Reproduzierbarkeit der Wegstrecke im 6-Minuten-Gehtest<br />
Wolfgang Marek 1 , Eike Marek 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Petra Vogel 2 , Yvonne Rüttgers 1 , Klaus<br />
Mückenhoff 1<br />
1 Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bochum<br />
2 Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
684
P111<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Anpassungsverhalten bei Immersion: Herz-Kreislauf-Patienten<br />
vs. gesunde Normalpersonen<br />
Lutz Schega 1 , Gunther Claus 2 , André Niklas 2<br />
1 Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
2 Bereich Sportmedizin, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universität<br />
Göttingen<br />
Theoretischer Hintergrund / Ziel der Studie<br />
Für ältere Menschen und insbesondere für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
bietet das Medium Wasser Gefahrenmomente, die es in der Praxis zu berücksichtigen<br />
gilt. Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der hämodynamischen Adaptationen<br />
unter Wasserexposition und bei körperlicher Arbeit (1). Wenn Wirkungen auf den<br />
menschlichen Organismus im Wasser beurteilt werden sollen, ist davon auszugehen,<br />
dass nicht allein durch die Bewegungsaktivität Anpassungseffekte hervorgerufen<br />
werden. Bereits der Aufenthalt in diesem Medium, über das so genannte Eintauchen<br />
(Immersion), verursacht physiologische Anpassungsreaktionen und therapeutische<br />
Effekte.<br />
Methode<br />
Zur Prüfung der hämodynamischen und leistungsphysiologischen Adaptation wurden 23<br />
männliche Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK) (Alter: 61 7,5 Jahre, Größe:<br />
175 5 cm, Gewicht: 80 10,4 kg, Körperoberfläche: 2,1 0,24 m 2 bei Head-Out Water<br />
Immersion (HOWI) mittels transthorakaler 2-D Echokardiographie untersucht. Im<br />
Vergleich zu den KHK-Patienten (differenziert: KHKoWBS – ohne<br />
Wandbewegungsstörungen (N = 11), KHKmWBS – mit Wandbewegungsstörungen (N =<br />
6), KHKlvH – mit linksventrikulärer Hypertrophie (N = 6)) wurden fünf ältere<br />
Freizeitsportler (Alter: 60 3,1 Jahre; Größe: 176 4,5 cm, Gewicht: 78 7,3 kg,<br />
Körperoberfläche: 2,2 0,16 m 2 ) in die Untersuchungen einbezogen. Anhand<br />
ausgewählter Parameter erfolgt eine differenzierte Bewertung des<br />
Anpassungsverhaltens.<br />
Darstellung und Diskussion der Ergebnisse<br />
Bei den Freizeitsportlern (NP) und bei den KHKmWBS sowie KHKoWBS führt der beim<br />
Eintauchen wirkende hydrostatische Druck auf die peripheren Kapazitätsgefäße und das<br />
Abdomen zu einem deutlichen Anstieg des venösen Rückflusses, gekennzeichnet durch<br />
den Anstieg des enddiastolischen Volumens (EDV). Druckregulatorisch fällt die<br />
Herzfrequenz (Hf) bei den NP und bei den KHKoWBS. Die Förderleistung des Herzens<br />
nimmt sowohl bei den NP und KHKoWBS durch den gleichsinnigen Anstieg des<br />
Schlagvolumens (SV) zu. Im Gegensatz dazu ist das EDV bei den Patienten mit KHKlvH<br />
nicht erhöht und die Hf steigt (Abb. 1). Der bei HOWI im Allgemeinen beschriebene<br />
Anstieg des SV in Verbindung mit einer Zunahme der Förderleistung des Herzens konnte<br />
685
P111<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
nicht durchgängig beobachtet werden. Vor allem der durch Zunahme des systolischen,<br />
arteriellen Drucks und der damit verbundene druckreflektorische Abfall der Hf, auch als<br />
Tauchreflex bekannt (2), war bei dem KHKmWBS und KHKlvH nicht feststellbar. Sowohl<br />
der KHKoWBS als auch der NP steigern das HZV durch eine Zunahme des SV.<br />
Vergleichbar bei beiden Probanden sinkt die Hf. Bei dem KHKmWBS konnte das HZV<br />
durch Zunahme des SV und durch einen leichten Anstieg der Hf in ausreichendem Maße<br />
gesteigert werden. Im Gegensatz dazu ist das EDV bei dem KHKlvH trotz des beim<br />
Eintauchen wirkenden hydrostatischen Drucks auf die Kapazitätsgefäße nicht erhöht.<br />
Das SV sinkt und die Hf steigt an. Das HZV kann den Anforderungen entsprechend nicht<br />
gesteigert werden. Im Vergleich einer NP mit jeweils einem Patienten mit<br />
unterschiedlicher kardialer Grunderkrankung kann festgestellt werden: (1) Ein Anstieg<br />
der Hf bei HOWI ist nicht grundsätzlich mit einer Gefahrensituation verbunden. Die zur<br />
Steuerung der Belastungsintensität im Wasser existierende Forderung nach einer um<br />
10/min gesenkten Trainingsherzfrequenz - nach einer Belastungsuntersuchung an Land<br />
- muss nicht in jedem Falle zwingend sein. (2) Wenn bei HOWI ein abnehmendes SV mit<br />
einer gleichzeitigen Zunahme der Hf gekennzeichnet werden kann, ist vor aktiver<br />
Nutzung des Mediums Wasser eine weiterführende kardiologische Diagnostik<br />
einzufordern.<br />
Schlussfolgerungen / Praxishinweise<br />
HOWI kann für einzelne KHK-Patienten gefährdende Beanspruchungssituationen<br />
hervorrufen. Ältere, gesunde Freizeitsportler zeigen das bekannte Anpassungsverhalten<br />
im Wasser. Empfehlungen für die Praxis (Intensitätssteuerung) sollten differenziert<br />
erfolgen. Für Menschen ohne kardiale Einschränkungen kann das Medium Wasser<br />
grundsätzlich empfohlen werden. Im Rahmen der Rehabilitation von Herz-Kreislauf<br />
Patienten (sekundäre und tertiäre Prävention) stellt das Eintauchen in das Wasser eine<br />
zu beachtende Belastung dar, die im Einzelfall als höhere Beanspruchung gewertet<br />
werden muss. Eine Wassergewöhnung, z. B. in Orientierung an den gymnastischen<br />
Übungen nach Hille et al. (3), sollte vor dem Schwimmen immer durchgeführt werden.<br />
Das bereits von Gauer 1955 (4) postulierte „Immersionstraining“ sollte in Erweiterung<br />
vorliegender Befunde (5), bei therapeutischen Interventionen berücksichtigt werden<br />
(Teiltauchgänge, stufenweise Immersion).<br />
Literatur<br />
1. Meyer K, Bücking J: Exercise in Heart Failure: Should Aqua Therapy and Swimming<br />
be allowed? Medicine Science in Sport & Exercise 2004; 36 (12): 2017-23.<br />
2. Arborelius M, Balldin UI, Lilja B, Lundgren CEG: Hemodynamic changes in man during<br />
immersion with the head above water. Aerospace Medicine 1972; 43 (7): 592-98.<br />
3. Hille H, Goerke J, Kienle H, Höpfer O: Vergleichende Untersuchungen über die<br />
kardiale Belastung gymnastischer Übungen im warmen Bewegungsbad und auf dem<br />
Fahrradergometer. Zeitschrift für Physikalische Medizin 1981; 6: 370-376.<br />
686
P111<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
4. Gauer OH: Die hydrostatische Wirkung von Bädern auf den Kreislauf. Deutsches<br />
Medizinisches Journal 1955; 6 (13-14): 462-66.<br />
5. Schega L, Claus G, Almeling M, Niklas A, Daly DJ.: Hemodynamic response during<br />
water immersion in patients with Coronary Artery Disease. J Cardiopul Rehabil Prev<br />
2007; 27 (2): 76-80.<br />
687
P112<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Kardiale Aktivität bei unterschiedlicher muskulärer<br />
Beanspruchung<br />
Matthias Weippert 1 , Steffi Kreuzfeld 1 , Dagmar Arndt 2 , Mohit Kumar 2 , Markus Preuss 1 , Sebastian<br />
Neubert 1 , Regina Stoll 1<br />
1<br />
Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />
² Center for Life Science Automation (Celisca), Rostock<br />
Ziel: Die kardiovaskulären und respiratorischen Umstellungen bei Muskelbelastungen<br />
sind gut bekannt und umfassen Anstiege des arteriellen Blutdrucks, der Herzrate (HR)<br />
und des Atemminutenvolumens. Zum einen werden zentral generierte („central<br />
command“) als auch mechano- und metaboreflektorisch kontrollierte Mechanismen<br />
(„exercise pressor reflex“) als Modulatoren dieser kurzfristigen Anpassung angesehen.<br />
Deren genauer Beitrag und ihre Funktionsweise werden diskutiert. Ziel der Untersuchung<br />
war es, festzustellen, ob mit Hilfe der Analyse der Herzratenvariabilität (HRV) qualitative<br />
Anpassungen der autonomen Steuerung bei unterschiedlichen Muskelbelastungen<br />
nachweisbar sind und ob es Zusammenhänge zwischen der muskulären<br />
Beanspruchung, ermittelt durch Bestimmung der Blutlaktatkonzentration, und<br />
Parametern der autonomen kardialen Aktivität gibt.<br />
Methode: Es wurden 21 gesunde Männer (Alter: 24,9 ± 2,2 Jahre, Größe: 184,6 ± 7,0<br />
cm, Gewicht: 77,3 ± 7,0 kg) in liegender Ruhe (R), bei allgemeiner dynamischer<br />
Muskelbelastung (D) sowie bei lokaler statischer Muskelbelastung der oberen<br />
Extremitäten (SO) und der unteren Extremitäten (SU) untersucht. Die Dauer und<br />
Häufigkeit der statischen Belastungen betrug jeweils drei Mal vier Minuten. Als Marker<br />
muskulärer Beanspruchung wurde die Blutlaktatkonzentration in Ruhe und nach jeder<br />
statischen Belastung aus dem hyperämisierten Ohrläppchen bestimmt. Die Aufzeichnung<br />
der schlaggenauen Herzrate erfolgte permanent mit dem Herzfrequenzmonitor S810i<br />
(Fa. Polar, Finnland). Die Analyse von HR und HRV erfolgte für die letzten drei Minuten<br />
jeder Belastung. Als HRV-Parameter wurden die Parameter HF/TP (widerspiegelt den<br />
parasympathischen Anteil an der autonomen Herzratenregulation) und LF/TP<br />
(widerspiegelt den sympathischen Anteil) bestimmt.<br />
Ergebnisse: Im Vergleich zur Ruhebedingung unterschieden sich Blutlaktatwerte,<br />
Herzrate und HRV-Parameter signifikant sich für alle Muskelbelastungen. Auch zwischen<br />
den einzelnen Belastungen zeigten sich hoch signifikante Unterschiede. Bei D und SU<br />
zeigten sich die höchsten, während R und SO die niedrigsten HSF-Werte.<br />
Demgegenüber indizierten hohen die LF/TP- Werte während SO eine hoch signifikant<br />
stärkere sympathische Modulation der Herzrate, verglichen mit allen anderen<br />
Bedingungen. Neben R zeigten sich die höchsten Werte für den Marker der anteiligen<br />
688
P112<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
parasympathisch gesteuerten Herzratenvariation HF/TP bei D. Gegenüber SU war dieser<br />
Unterschied jedoch nicht signifikant. Nur bei SU ergaben sich Korrelationen zwischen der<br />
Blutlaktatkonzentration und kardiovaskulären Beanspruchungsparametern, mit dem<br />
höchsten Koeffizienten für den Parameter HF/TP (r=0,584; p
P112<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
0.45<br />
0.4<br />
0.35<br />
0.3<br />
HF/TP<br />
0.25<br />
0.2<br />
0.15<br />
0.1<br />
0.05<br />
Median<br />
Count<br />
0<br />
(1) Ruhe (2) allgemein dynamisch (3) lokal statisch u.E. (4) lokal statisch o.E.<br />
0.25 0.09 0.09 0.08<br />
21 21 21 21<br />
Belastung<br />
Abbildung 6: Anteil der parasympathischen Aktivierung bei unterschiedlicher muskulärer<br />
Belastung.<br />
690
P113<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Ein optometrisches Messverfahren zur Bestimmung der<br />
Bereiche des Scharfsehens beim Tragen von Bildschirmarbeitsplatzbrillen<br />
Wolfgang Jaschinski 1 und Claudia Haensel 2<br />
1<br />
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, IfADo Dortmund<br />
2<br />
Studiengang Augenoptik, Fachbereich SciTec, Fachhochschule Jena<br />
Einleitung: Wegen der nachlassenden Akkommodationsfähigkeit mit zunehmendem<br />
Alter wird das Scharfsehen in der Nähe und auch am Bildschirmarbeitsplatz erschwert.<br />
Als Abhilfe kann man Bildschirmarbeitsplatzbrillen verwenden, wobei den Benutzern oft<br />
nicht unmittelbar klar ist, in welchen Bereichen am Arbeitsplatz ein scharfes Sehen<br />
möglich ist. Bei ungünstiger Positionierung des Bildschirms relativ zum Auge versuchen<br />
viele Benutzer, durch Zwangshaltungen des Kopfes den Bildschirm scharf zu sehen, was<br />
zu muskulären Anspannungen und langfristig zu Nacken- und Rückenschmerzen führt.<br />
Wie entwickeln praxisgerechte Sehtestmethoden, um den Bildschirm im vertikalen<br />
Schärfenbereich der jeweiligen Brille zu positionieren und dabei eine bequeme<br />
Kopfhaltung einzunehmen.<br />
Methode: Es wurden zwei Methoden entwickelt, um in vertikaler Blickrichtung die Nahund<br />
Fernpunktkurven des Scharfsehens zu bestimmen, d. h. die kleinsten bzw. größten<br />
Sehabstände, bei denen gerade noch scharf gesehen werden kann.<br />
a) Nahpunktkurven-Tafel: Am Arbeitsplatz wurde in Blickrichtung des Probanden in<br />
vertikaler Sagitalebene eine Testtafel aufgestellt, die als Koordinatensystem zum<br />
Auftragen der Nahpunkte diente. Der Experimentator bewegte in mehreren horizontalen<br />
Ebenen ein Sehzeichen aus der Nähe in die Ferne; der Proband gab an, wo das<br />
Sehzeichen scharf erschien. Bei manchen Brillen ist auch die Erfassung des<br />
Fernpunktes im Messbereich von 30 – 100 cm möglich.<br />
b) Das Neigungsoptometer: Zur Bestimmung der Nah- und Fernpunkte wurde ein<br />
Optometer auf der Basis eines Binoptometers (nach Reiner, OCULUS) entwickelt. Es<br />
ermöglicht bei individuell angenehmer Kopfhaltung Messungen bei verschiedenen<br />
Augenneigungen zwischen horizontal und 50 Grad abwärts, sowie Einstellungen der<br />
Sehentfernung von 30 cm bis unendlich.<br />
Ergebnisse: Aus der Stichprobe von 10 Personen zeigt die Abbildung für einen<br />
Probanden mit einer Bildschirm-Gleitsichtbrille die Messdaten der Nah- und Fernpunkte<br />
als Funktion der Blickneigung, und zwar als Sehabstände relativ zur Augenposition im<br />
Koordinatenursprung. Im Bereich zwischen der Nahpunkt- und der Fernpunktkurve ist<br />
scharfes Sehen möglich; hier kann der Bildschirm positioniert werden.<br />
691
P113<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
vert. Abstand (cm)<br />
0<br />
-10<br />
-20<br />
-30<br />
-40<br />
-50<br />
-60<br />
horizontaler Abstand (cm) vom Auge<br />
0 20 40 60 80 100 120<br />
Nahpunkte 1 Optometer<br />
Fernpunkte 1 Optometer<br />
Nahpunkte 2 Optometer<br />
Fernpunkte 2 Optometer<br />
Nahpunkte 1 Testtafel<br />
Augenruheneigung<br />
Nahpunkte 2 Testtafel<br />
Für eine Bildschirm-Gleitsichtbrille sind die Kurven der Nah- und Fernpunkte dargestellt als<br />
Sehabstände (cm) in einem Koordinatensystem mit dem Auge als Ursprung. Es sind zwei<br />
wiederholte Messungen des Neigungsoptometers und der Nahpunktkurven-Tafel (Testtafel)<br />
gezeigt. Zwischen der Nahpunkt- und der Fernpunktkurve ist ein Monitor im Bereich des scharfen<br />
Sehens eingezeichnet.<br />
Die vom Auge ausgehende schräge Linie stellt die Ruheblickneigung dar, so wie sie mit<br />
einem neu entwickelten Schnelltest-Verfahren für diese Person bestimmt wurde. Daraus<br />
lässt sich folgern, dass die Monitormitte etwas unterhalb der Ruheblickneigung innerhalb<br />
des Schärfenbereiches liegen sollte, wie es durch den Balken angedeutet ist. Bei<br />
horizontalem Blick ist scharfes Sehen zwischen Sehabständen von 0,8 und 1,4 m<br />
möglich, d. h. beim Blick in die Ferne besteht unscharfes Sehen, wie es für eine<br />
Bildschirm-Gleitsichtbrille typisch ist.<br />
Schlussfolgerungen: Es stehen heute verschiedene Varianten von Brillen für den<br />
Bildschirmarbeitsplatz zur Verfügung, darunter auch Gleitsichtbrillen, deren optische<br />
Eigenschaften an die Arbeitsaufgaben und die individuellen Seheigenschaften angepasst<br />
werden können. Die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Methoden sind geeignet, für<br />
die jeweilige Brille die individuellen vertikalen Schärfenbereiche am Arbeitsplatz bei<br />
bequemer Kopfhaltung zu bestimmen. Für jeden Probanden und jede Brille existieren<br />
unterschiedliche Kurvenverläufe; entsprechend kann die Bildschirmposition individuell<br />
relativ zum Auge gewählt werden. Dazu sind flexibel aufstellbare Flachbildschirme<br />
vorteilhaft. Niedrig aufgestellte Flachbildschirme erlauben es, auch<br />
Universalgleitsichtbrillen am Bildschirm zu nutzen, die auch scharfes Sehen in der Ferne,<br />
692
P113<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
d. h. beim Autofahren, erlauben (Jaschinski, W.: Zbl. Arbeitsmed. 58: 172-180, 2008);<br />
siehe auch www.ifado.de/vision.<br />
693
P114<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen Patienten<br />
Claudia Gutsch, Volker Kielstein, Irina Böckelmann<br />
Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Ziel der Studie<br />
Internationale ophthalmologische Studien haben gezeigt, dass langjährige Exposition mit<br />
Alkohol visuelle Störungen im Bereich der Retina hervorrufen kann. Eine hohe<br />
Sensitivität zur frühzeitigen Erkennung retinaler Veränderungen zeigt die Bestimmung<br />
der Kontrastempfindlichkeit. Ziel unserer Studie ist, die Veränderung der<br />
Kontrastempfindlichkeit nach jahrelangem Alkoholkonsum zu erfassen.<br />
Methoden<br />
In Zusammenarbeit mit der Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH in Magdeburg erfolgten<br />
Untersuchungen des Farbsehens und der Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen<br />
Patienten in der Entgiftungsphase, nach 4 Wochen und einem halben Jahr Abstinenz.<br />
Ingesamt nahmen 42 Probanden im Alter von 20 bis 62 Jahren an der Studie freiwillig<br />
teil, darunter 35 alkoholabhängige (A) Patienten (Männer 26, Frauen 9) und 7<br />
Kontrollpersonen (K) (Männer 1, Frauen 6). Ausschlusskriterien waren Visuswerte kleiner<br />
0,67, Augenerkrankungen, wie Glaukom und Katarakt, jahrelange Lösemittelexposition,<br />
medikamentöse Confounder wie Digitalis, die evidenzbasiert das Sehvermögen<br />
beeinträchtigen können.<br />
Unter standardisierten Bedingungen wurde die Kontrastempfindlichkeit (KE) mittels<br />
Vistech-Tafel (Vistech Consultans , Inc., Dayton, USA) untersucht. Die Messwerte<br />
wurden monokular im Abstand von 3 m und bei einer Beleuchtungsstärke von 100 cd/m2<br />
erhoben.<br />
Die Kontrastempfindlichkeit (KE = 1/KS) wird als Reziprokwert des Schwellenkontrastes<br />
KS definiert [1]. Der Schwellenkontrast beträgt KS = (L 1 -L 2 )/( L 1 + L 2 ), wobei L1 die<br />
Leuchtdichte des Objektes und L2 die der Umgebung sind. Ortsfrequenz (OF) = Anzahl<br />
der Hell-Dunkel-Perioden pro Winkelgrad [cpd].<br />
Ergebnisse<br />
Nach subjektiven Angaben der Patienten betrug die durchschnittliche Dauer der<br />
Alkoholabhängigkeit 14,8 ± 11,6 Jahren. Der durchschnittliche Alkoholkonsum der letzten<br />
12 Monate lag bei der K-Gruppe bei 34,0 ± 48,1 g Alkohol/Woche und bei der A-Gruppe<br />
887,9 ± 677,9 g Alkohol/Woche (p < 0,001). Der Alkoholkonsum der letzten 4 Wochen<br />
unterscheidet sich signifikant (p < 0,001) in beiden untersuchten Gruppen(K: 34,0 g<br />
Alkohol/Woche vs. A: 748,2 g Alkohol/Woche). Im Vergleich der beiden Gruppen<br />
(Alkoholabhängige (A) vs. Kontrollgruppe (K)) zeigten die Ergebnisse der Oneway<br />
694
P114<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
ANOVA Analyse, dass die Kontrastempfindlichkeit der Patienten bei den höheren<br />
Ortsfrequenzen (18 cpd) signifikant (p = 0,004) bzw. tendenziell (p = 0,079) reduziert war<br />
(siehe Abb.)<br />
Rechtes Auge<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
A<br />
40<br />
**<br />
K<br />
20<br />
0<br />
1,5 3 6 12 18<br />
Ortsfrequenz [cpd]<br />
Abb. 1: Logarithmische Darstellung der KE mit Signifikanzniveaus für das rechte Auge<br />
Da das Alter der Kontrollpersonen (35,4 ± 11,7 Jahre) und die Geschlechterverteilung<br />
signifikant unterschiedlich zu der Gruppe Alkoholabhängiger (43,4 ± 10,7Jahre) ist, sollte<br />
eine alters- und geschlechtergematchte Analyse der Daten diskutiert werden. Die<br />
Ergebnisse des Chi-Quadrat nach Pearson zeigten, dass die Mehrzahl der<br />
Kontrollpersonen (71,4 % für das linke Auge) eine im Normbereich liegende<br />
Kontrastempfindlichkeit haben. 32,4 % der Alkoholabhängigen Patienten haben eine<br />
reduzierte Kontrastempfindlichkeit für das linke Auge. 17,6 % der Probandengruppe A<br />
haben einen KE-Wert, der an dem unteren Normgrenzwert der KE-Kurve für das linke<br />
Auge liegt.<br />
Schlussfolgerung<br />
Alkoholtoxische Wirkungen auf kognitive Funktionen, Herz-Kreislauf (z. B.<br />
Kardiomyopathie, Hypertonie) und Leber (z. B. Leberzirrhose) werden häufiger<br />
gegenüber Veränderungen oder Beeinträchtigungen im visuellen System thematisiert. Im<br />
arbeitsmedizinischen Kontext ist die Früherkennung einer toxischen retinalen<br />
Schädigung durch Alkohol wichtig, da diese mittels therapeutischer Interventionen<br />
verzögert werden kann.<br />
Die verringerte Kontrastempfindlichkeit hat Auswirkungen im allen Bereichen des<br />
alltäglichen Leben, insbesondere am Arbeitsplatz, z. B. bei Berufskraftfahrern. Bei BK-<br />
Verfahren, wo eine reduzierte KE vorliegt, sollte evtl. Alkohol als möglicher Konfounder<br />
berücksichtigt werden. Die KE-Prüfung ist eine zeitsparende und sensitive<br />
Messmethode, die Bestandteil der regelmäßigen arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorgeuntersuchung werden sollte.<br />
Literatur: 1. Paliaga GP (1993) Die Bestimmung der Sehschärfe. Verlag München Quintessenz<br />
695
P115<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Untersuchungen zur Farb- und Kontrastwahrnehmung bei<br />
bestimmten Arbeitnehmergruppen mit chronischen<br />
Erkrankungen<br />
Saskia Lüthke 1 , Anja Schlossmacher 1 , Siegfried Kropf 2 , Irina Böckelmann 1<br />
1<br />
Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
2<br />
Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Ziel der Studie<br />
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Erkrankungen, die mit einer verminderten retinalen<br />
Blutversorgung assoziiert sind, sich negativ auf die visuelle Wahrnehmung auswirken.<br />
Dazu zählen unter anderem Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie.<br />
Der bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen bestimmte Visus allein ist nicht in der<br />
Lage, alle Informationen über das Sehen zu erfassen. Es empfiehlt sich, zusätzlich die<br />
Farb- und Kontrastwahrnehmung zu untersuchen. Ziel dieser Studie war es, zu ermitteln,<br />
ob diese Untersuchungen dazu beitragen, visuelle Beeinträchtigungen bei<br />
Arbeitnehmern mit Diabetes mellitus und/oder arterieller Hypertonie bereits im<br />
Anfangsstadium zu erkennen.<br />
Methodik<br />
Insgesamt wurden in der Studie 98 Personen (19 – 65 Jahre) untersucht, die sich in vier<br />
Gruppen unterteilen: Patienten, die an Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie oder an<br />
Diabetes und Hypertonie erkrankt sind und gesunde Kontrollpersonen.<br />
Ausschlusskriterien waren Visuswerte < 0,67, Glaukom, Katarakt, starker Nikotinkonsum<br />
(> 20 Stück/d), Alkoholkonsum (> 40 g/d), Drogenkonsum, sowie medikamentöse<br />
Konfounder (z. B. Digitalis) und Lösungsmittelexposition, die alle das Sehvermögen<br />
beeinträchtigen.<br />
Unter standardisierten Bedingungen wurde mittels der Vistech-, Ishihara-, Velhagen- und<br />
Tritan-Tafeln, des D-15d-Tests, sowie des Anomaloskops IF2 die Farb- und<br />
Kontrastwahrnehmung getestet.<br />
Um den Alterseinfluss zu minimieren, wurden in den jeweiligen Patientengruppen<br />
altersgematchte Paare (Patient - Kontrollperson) gebildet.<br />
Ergebnisse<br />
Die Farbsehuntersuchungen mit den pseudoisochromatischen Tafeln (Ishihara-,<br />
Velhagen- und Tritan-Tafeln) wurden durchgeführt, um die Patienten mit angeborenen<br />
Farbsehstörungen von der Auswertung auszuschließen.<br />
Bei dem Lanthony-Desaturated-Panel-D-15d-Test zeigten sich in keiner Gruppe<br />
signifikante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe.<br />
Es folgen nun die Werte der Anomaloskop-Untersuchung:<br />
696
P115<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
In der Gruppe, bei der die Patienten sowohl an Diabetes, als auch an arterieller<br />
Hypertonie erkrankt waren, ergab sich bei Anwendung der Raleigh-Gleichung, dass der<br />
minimale Wert der Einstellbreite tendenziell kleiner war als bei den Kontrollpersonen (p =<br />
0,063). Die Dauer des Diabetes korrelierte sowohl bei Anwendung der Raleigh- als auch<br />
bei der Moreland-Gleichung mit mehreren Anomaloskop-Parametern. Die Dauer der<br />
arteriellen Hypertonie korrelierte signifikant hingegen nur mit Parametern der Moreland-<br />
Gleichung.<br />
In der Gruppe der Diabetiker fanden sich bei Anwendung der Moreland-Gleichung<br />
signifikant geringere Werte in Bezug auf die maximale Helligkeitseinstellung (p = 0,017).<br />
Weiterhin zeigten sich tendenzielle Unterschiede beim maximalen Anomalquotienten (p =<br />
0,056) und bei Anwendung der Raleigh-Gleichung beim minimalen Anomalquotienten (p<br />
= 0,058). Bei beiden Gleichungen war der Anomalquotient bei den Patienten kleiner als<br />
bei den Kontrollpersonen. Die Dauer der Erkrankung korrelierte mit einigen Parametern<br />
der Raleigh-Gleichung und mit allen untersuchten Parametern der Moreland-Gleichung.<br />
Bei der Gruppe der Hypertoniker zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im<br />
Vergleich zur Kontrollgruppe.<br />
Die Werte der Kontrastwahrnehmung, die mittels der Vistech-Tafel ermittelt wurden, sind<br />
der Tabelle zu entnehmen. Die Ergebnisse sind als arithmetische Mittelwerte und<br />
Standardabweichungen dargestellt.<br />
Tabelle: Kontrastempfindlichkeitswerte in Abhängigkeit von der Ortsfrequenz<br />
Gruppe<br />
Ortsfrequenz (Hell-Dunkel-Perioden/Winkelgrad)<br />
1,5 (A) 3 (B) 6 (C) 12 (D) 18 (E)<br />
Hypertonie 39,2 ± 14,44 99,0 ± 45,39 101,5 ± 47,10 53,5 ± 35,52 20,1 ± 12,79<br />
Kontrolle 45,8 ± 25,07 123,5 ± 46,84 110,0 ± 41,35 63,6 ± 35,49 21,2 ± 13,20<br />
p-Wert 0,143 0,039 * 0,340 0,171 0,948<br />
Diabetes +<br />
Hypertonie<br />
41,6 ± 22,73 78,7 ± 28,74 66,4 ± 42,13 35,1 ± 31,28 11,4 ± 8,98<br />
Kontrolle 42,4 ± 14,66 114,3 ± 50,83 94,2 ± 42,86 59,3 ± 36,41 18,8 ± 13,31<br />
p-Wert 0,666 0,030 * 0,079 0,074 0,088<br />
Diabetes 36,8 ± 11,60 76,8 ± 29,16 76,4 ± 39,00 46,8 ± 35,21 14,4 ± 12,70<br />
Kontrolle 53,9 ± 26,90 133,5 ± 50,92 106,6 ± 50,91 60,5 ± 33,48 20,0 ± 11,97<br />
p-Wert 0,022 * 0,001 ** 0,058 0,226 0,177<br />
697
P115<br />
Poster – Arbeitsphysiologie I<br />
Schlussfolgerungen<br />
Besonders bei Patienten mit Diabetes mellitus sind Effekte auf das visuelle System<br />
ersichtlich. Daher sollte gezielt auf diese bestimmte Arbeitnehmergruppe ein Augenmerk<br />
gelegt werden. Sowohl die Farbseh-Prüfung als auch die Kontrolle der<br />
Kontrastwahrnehmung sind dabei sensitive Messmethoden. Diese sollten verstärkt<br />
Eingang in die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen finden.<br />
Diese Studie wurde gefördert durch die Lieselotte und Dr. Karl-Otto Winkler-Stiftung für<br />
Arbeitsmedizin<br />
(Projektnummer T226/17668/2008/sm)<br />
698
P116<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Formaldehyd und olfaktorische Funktion - Eine experimentelle<br />
Längsschnittstudie<br />
Isabelle Lang 1 , Ajnur Jusufoska 1 , Thomas Bruckner 2 , Gerhard Triebig 1<br />
1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg<br />
2 Medizinische Biometrie und SDGC, Universität Heidelberg<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
699
P117<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Retrospektive Studie zum Hörvermögen in einem Metallbetrieb<br />
im Hinblick auf die Einführung der neuen Lärmverordnung<br />
Birgit Emmert 1 , Ernst Hallier 2<br />
1<br />
AfB Betriebsarztzentrum Göttingen<br />
2 Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Im Rahmen der regelmäßigen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen („G20“) in<br />
einem Metallverarbeitenden Betrieb waren aktuell deutlich schlechtere<br />
Audiogrammbefunde bei Mitarbeitern aufgefallen, die nach der UVV „Lärm“ in einem<br />
noch nicht als Lärmbereich ausgewiesenen Bereich (RP) arbeiten. Nach der neuen<br />
Lärmverordnung besteht dort jedoch Gehörschutztragepflicht. Im Vergleich fielen<br />
bessere Befunde bei den Mitarbeitern auf, die in einem bereits seit Jahren<br />
ausgewiesenen Lärmbereich (IP) arbeiten und konsequent (Einmal)Gehörschutz tragen.<br />
Dieser Verdacht sollte in der vorliegenden retrospektiven anonymen Studie geprüft<br />
werden.<br />
Einleitung<br />
Die Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“ (BK-Nr. 2301) gehört mit 5.036 anerkannten<br />
Fällen bei insgesamt etwa 8600 gemeldeten Fällen in Deutschland im Jahr 2007 immer<br />
noch zu den führenden Berufskrankheiten [1]. Bisher basierte die gesetzliche Regelung<br />
für die Unternehmen auf der Unfallverhütungsvorschrift Lärm (UVV „Lärm“, BGV B3), die<br />
seit 1974 in der betrieblichen Praxis zur Prävention lärmbedingter Gehörschäden<br />
angewandt wurde. Im März 2007 wurde sie durch die „Verordnung zum Schutz der<br />
Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen“ (LärmVibrationsArbSchV)<br />
abgelöst mit der Einführung neuer Leitgrößen wie z.B. der Absenkung der unteren<br />
Auslöseschwelle um 5dB(A) auf 80dB(A) [2].<br />
Methoden<br />
Folgende Einschlusskriterien für die Studie wurden bei den ca. 400<br />
Produktionsmitarbeitern aus den Bereichen Walzwerk (RP) und Industrieprodukte (IP)<br />
erhoben: (1) Vorliegen eines unauffälligen Audiogramms bds. beim Eintritt ins<br />
Unternehmen (2) Mindestens 10jährige Unternehmenszugehörigkeit (d.h. ab dem 30.<br />
Lebensjahr) einschließlich aktueller Betriebszugehörigkeit (3) Vollschichtige Tätigkeit (4)<br />
Regelmäßige, d.h. zeitlich nicht wesentlich unterbrochene, Tätigkeit im Bereich RP oder<br />
IP. In die anonymisierte retrospektive Studie konnten nach den o.a. Kriterien nur etwa<br />
50% aller Produktionsmitarbeiter, d.h. 206 Mitarbeiter (n = 206), eingeschlossen werden,<br />
randomisiert nach den Altersgruppen: a) 20-39 Jahre b) 40-59 Jahre c) ab 60 Jahre.<br />
700
P117<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Davon sind 69% (143/206) im Bereich RP und 31% (63/206) im Bereich IIP tätig bei<br />
einem Anteil von 99% Männern und 1% Frauen. Während bei den<br />
Produktionsmitarbeitern im Bereich IP nach der UVV „Lärm“ eine langjährige<br />
Gehörschutztragepflicht bestand galt im Bereich RP bisher nur das Angebot zum<br />
Gehörschutz.<br />
Ergebnisse<br />
Die Bewertung der 206 Audiogrammbefunde als “auffällig” erfolgte, wenn ein oder<br />
mehrere der Kriterien für die berufsgenossenschaftliche Untersuchung G20 (“Lärm”) [3]<br />
erfüllt waren: (1) Hörverlust bei 2kHz auf mindestens einem Ohr von 40dB in der<br />
Luftleitung (LL) oder Überschreitung (2) Zunahme der Hörverlust-Summe in der<br />
Knochenleitung (KL) innerhalb der letzten 3 Jahre um > 3% (3) Summe der Hörverluste<br />
in der Luftleitung (LL) bei 2, 3 und 4 kHz auf mindestens einem Ohr entsprechend der<br />
Hörverlust-Grenzwerttabelle für Nachuntersuchungen. Die folgende Graphik zeigt die<br />
auffälligen Audiogrammbefunde in %:<br />
RP<br />
IP<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10 %<br />
0%<br />
20 - 39 Jahre 40 - 59 Jahre über 60 Jahre<br />
Im Bereich RP sind bereits in der Altersgruppe 20-39 Jahre 10% (7/70) der<br />
Audiogrammbefunde auffällig vs. 5% (1/20) im Bereich IP. In der Altersgruppe der 40-59<br />
Jährigen weisen im Bereich RP 28% (19/69) Audiogrammbefunde auffällig vs. 16%<br />
(7/43) im Bereich IP auf. In der höchsten Altersgruppe (> 60 Jahre) finden sich im<br />
Bereich RP 75% (3/4) auffällige Audiogramme; allerdings gibt es keinen Vergleichswert<br />
für IP, da dort keine Mitarbeiter in dieser Altersgruppe arbeiten.<br />
Diskussion und Fazit<br />
In den Altersgruppen 20-39 und 40-59 Jahre finden sich im Vergleich zu IP prozentual<br />
fast doppelt so viele auffällige Audiogrammbefunde im Bereich RP, in dem bisher nach<br />
der langjährig gültigen UVV „Lärm“ keine Gehörschutztragepflicht bestand. Die<br />
Ergebnisse der anonymisierten retrospektiven Studie unterstreichen die Notwendigkeit<br />
der Einführung der neuen Lärmverordnung für die Prävention der Lärmschwerhörigkeit<br />
701
P117<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
(BK-Nr. 2301) und dienten als Grundlage für die Mitarbeiter-Lärmschulungen sowie die<br />
Einführung eines individuell angepassten Gehörschutzes im Unternehmen.<br />
Literatur<br />
[1] Quelle HVBG: Statistische Angaben zum BK-Geschehen und zur BK Lärm, Stand<br />
2007.<br />
[2] “Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung” (LärmVibrationsArbSchV) vom<br />
09.März 2007.<br />
[3] HVBG, Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische<br />
Vorsorgeuntersuchungen-G20 Lärm; Gentner Verlag, Stuttgart 2007, 4. Auflage, 291-<br />
307.<br />
702
P118<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Entwicklung der Reinton-Hörschwelle bei Schulkindern<br />
Reinhard Müller, Gerald Fleischer und Joachim Schneider<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort<br />
Gießen<br />
Einleitung und Fragestellung<br />
Die ganz überwiegende Mehrzahl der Publikationen über die Hörfähigkeit von<br />
Schulkindern beschäftigt sich mit Erkrankungen des Gehöres. Das normale<br />
Hörvermögen von Kindern hingegen ist selten Gegenstand von Untersuchungen. Dies<br />
findet auch seinen Niederschlag in der ISO 7029 [2], in welcher die normale Hörfähigkeit<br />
für 18jährige Personen definiert ist und die übliche Alterung des Gehöres per Formeln<br />
errechnet werden kann. Jüngere Personen werden in dieser arbeitsmedizinisch<br />
relevanten Norm nicht berücksichtigt, obwohl die Berufsanfänger und Auszubildenden<br />
häufig jünger als 18 Jahre sind.<br />
Kollektiv und Methoden<br />
Alle Schüler einer typischen deutschen Grundschule wurden ihres Gehöres untersucht.<br />
Mit einem angepassten Fragebogen wurden relevante Daten rund um das Gehör erfragt.<br />
Eine Ohrinspektion mit einem Video-Otoskop von Neomed und eine Impedanzmessung<br />
mit einem Tympanometer GSI 38 von Grason Stadler schlossen sich an die Befragung<br />
an. Mit 2 Audiometern Typ MA 53 von Maico wurde eine sogenannte Voraudiometrie als<br />
Lernphase vor der eigentlichen Audiometrie dazwischengeschoben. Die Audiometrie<br />
erfolgte mit 3 Audiometern Typ CA 540 von Hortmann. Alle Audiometer waren mit<br />
Kopfhörern Typ HDA 200 von Sennheisser ausgerüstet und mach ISO 389 kalibriert<br />
[3,4]. Die Nachtests wurden mit 3 Audiometern Typ MA 53 durchgeführt.<br />
Ergebnisse<br />
Eine Feldstudie an einer deutschen Grundschule mit 200 otologisch normalen Schülern<br />
zeigte über einen Frequenzbereich von 125 – 16.000 Hz eine deutlich schlechtere Hörschwelle<br />
bei Kindern als bei jungen Erwachsenen. Eine Einteilung der Untersuchten in<br />
zwei Altersgruppen 6J. – 8J. (94 Schüler Ø 7,4 J.) und 9J. – 12J. (106 Schüler Ø 10,3 J.)<br />
zeigt ein signifikant besseres Hörvermögen der älteren gegenüber der jüngeren Gruppe.<br />
Die arithmetisch über alle 17 Messfrequenzen gemittelte Verbesserung beträgt auf dem<br />
linken Ohr 3,7 dB HL und auf dem rechten Ohr 3,8 dB HL.<br />
Drei Jahre später wurde der abgehende Jahrgang (4. Klasse) derselben Grundschule<br />
erneut untersucht.<br />
703
P118<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Vergleicht man die ermittelten Hörschwellen im zeitlichen Verlauf, findet man für das<br />
linke Ohr eine durchschnittliche Verbesserung der Hörschwellen von 3,7 dB für das<br />
rechte und von 5,1 dB für das linke Ohr (siehe Abb. 1). In einem Zeitraum von 3 Jahren<br />
verbessert sich die Hörfähigkeit von Kindern signifikant.<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
Sowohl Querschnitts- als auch Längsschnitt-Untersuchung zum Hörvermögen von<br />
Schulkindern zeigen eine deutliche Entwicklung der Hörfähigkeit im Altersverlauf. Gründe<br />
dafür liegen zum einen im Wachstum der Mittelohr-Volumina mit den Mastoidzellen, die<br />
zu einer allmählichen Verschiebung der Übertragungsfunktion des Mittelohres zu tieferen<br />
Frequenzen hin führen [1,5]. Reifungsprozesse des Nervensystems und die Einübung<br />
des Hörsinnes sowie der Zuwachs an persönlichen Hörerfahrungen führen zu weiteren<br />
Verbesserungen des Hörvermögens der Heranwachsenden.<br />
Bei der Beurteilung der Audiogrammen von Kinder und Jugendlichen sollte die<br />
veränderte Hörschwelle berücksichtigt werden.<br />
Literatur<br />
[1] Fleischer G. 1978. Evolutionary Principles of the Mammalian Middle Ear, Adv Anat<br />
Embryol Cell Biol, 55(5), 3-70<br />
[2] International Organisation for Standardization 1984. Acoustics –Theshold of hearing<br />
by air conduction as a function of age and sex for otologically normal persons. ISO<br />
7029. Geneva: ISO<br />
[3] International Organisation for Standardization 1999. Acoustics – Reference zero for<br />
the calibration of audiometric equipment – Part 5: Reference equivalent threshold<br />
sound pressure levels for pure tones in the frequency range 8 kHz to 16 kHz. ISO<br />
389-5. Geneva: ISO<br />
[4] International Organisation for Standardization 2000. Acoustics – Reference zero for<br />
the calibration of audiometric equipment – Part 1: Reference equivalent threshold<br />
sound pressure levels for pure tones and supra-aurals earphones. ISO 389-1.<br />
Geneva: ISO<br />
[5] Zollner M. & Zwicker E. 1993. Elektroakustik, Springer-Verlag, 3rd Ed.<br />
704
P118<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
linkes Ohr<br />
Frequenz in kHz<br />
Mittelwert in dB HL<br />
.13 .25 .5 .75 1 1.5 2 3 4 6 8 10 12.5 16<br />
-10<br />
-5<br />
Verbesserung !<br />
0<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
1. Klasse (N=35) 4. Klasse (N=35)<br />
Abbildung 1.<br />
Vergleich der gemittelten Hörschwellen von Schulkindern in der<br />
1. Schulklasse mit denselben Kindern in der 4. Schulklasse.<br />
705
P119<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Schläfrigkeit während der Tag- und Nachtschicht nach<br />
Lärmexposition im Schlaf<br />
Anke Marks und Barbara Griefahn<br />
IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
Ziel der Studie<br />
Durch Verkehrslärm gestörter Schlaf kann die Leistung und das Befinden am folgenden<br />
Tag nachhaltig beeinflussen. In den meisten Laborstudien werden jedoch nicht die<br />
Auswirkung des Lärms über mehrere Stunden nach dem gestörten Schlaf beobachtet,<br />
sondern nur die Lärmeffekte unmittelbar nach dem Aufstehen getestet (Basner 2008,<br />
Bonnefond et al. 2008, Griefahn et al. 2006). Diese Studie untersucht die Schläfrigkeit<br />
während simulierter achtstündiger Tag- und Nachtschichten als Nachwirkungen von<br />
lärmbedingten Schlafstörungen.<br />
Methoden<br />
Im Vorfeld wurde das habituelle Schlafverhalten mittels Pittsburgh Sleep Quality Index<br />
(Buysse et al. 1989) erfragt, um sicher zu stellen, dass die Probanden keine<br />
Schlafstörungen hatten. Teilnehmen durften zudem nur Personen, die keine Erfahrung<br />
mit Schichtarbeit hatten und im Audiogramm keine Hinweise auf ein vermindertes<br />
Hörvermögen zeigten.<br />
48 Probanden (23 Männer und 25 Frauen) zwischen 18 und 30 Jahren schliefen je 4<br />
Nächte (23-7 Uhr) und 4 Tage (14-22 Uhr) in zwei aufeinander folgenden Wochen im<br />
Labor, wobei die Hälfte der Probanden mit Tagschlaf und die andere Hälfte mit<br />
Nachtschlaf begannen. Nach einem Gewöhnungsschlaf in Ruhe gab es in permutierter<br />
Folge eine weitere Ruhebedingung sowie 6 Expositionsbedingungen, bei denen Straßenund<br />
Schienen-verkehrsgeräusche mit äquivalenten Pegeln zwischen 41.2 und 55.9<br />
dB(A) appliziert wurden.<br />
Eine Stunde nach dem Wecken begann jeweils eine acht Stunden dauernde<br />
Arbeitsschicht, in der stündlich Leistungstests durchgeführt und die Schläfrigkeit mittels<br />
7-stufiger Stanford Sleepiness Scale (SSS) und 9-stufiger Karolinska Sleepiness Scale<br />
(KSS) erhoben wurde.<br />
Ergebnisse<br />
Ausgewertet wurden sowohl die acht Einzelwerte jeder Stunde als auch die über die<br />
gesamte Schicht gemittelte Schläfrigkeit. In der 2x3 ANOVA (Schicht x Lärmart) wurden<br />
die Schläfrigkeitswerte aus 190 Nachtschichten und 191 Tagschichten analysiert. Bei<br />
den SSS Schläfrigkeitswerten zeigte sich in den Schichtmittelwerten ein Haupteffekt bei<br />
706
P119<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
den Lärmarten. Dieser Effekt konnte von der ersten bis zur fünften Stunde beobachtet<br />
werden, in den Stunden sechs und sieben zeigte sich noch ein signifikanter Trend. Das<br />
bedeutet, dass die Probanden die höchsten Schläfrigkeitswerte nach Schlaf unter<br />
Schienenverkehrslärm abgaben, gefolgt vom Schlaf unter Straßenverkehrslärm. Die<br />
niedrigsten Schläfrigkeitsurteile wurden nach Schlaf unter Ruhe angegeben. Besonders<br />
groß waren die Unterschiede in den Nachtschichten (Abbildung 1).<br />
Signifikante Mittelwertsunterschiede wurden auch zwischen den Tag- und<br />
Nachtschichten beobachtet. In den Nachtschichten waren die Probanden schläfriger als<br />
in den Tagschichten. Diese Unterschiede begannen ab der vierten Stunde der jeweiligen<br />
Schicht und nahmen bis zum Ende der Schicht bedeutsam zu.<br />
Bei der KSS zeigten sich vergleichbare Lärmeffekte, allerdings waren diese nur bis zur<br />
zweiten Stunde signifikant und in dritten und fünften Stunde tendenziell. Unterschiede<br />
zwischen der Tag- und Nachtschicht wurden ab Stunde fünf beobachtet.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Auf den Schlaf einwirkender Verkehrslärm führt insbesondere nach dem Tagschlaf zu<br />
einer erhöhten Müdigkeit in den ersten Stunden nach dem Aufstehen. Die Ergebnisse<br />
deuten darauf hin, dass die zirkadianen Effekte, die durch die Schichtarbeit<br />
hervorgerufen werden, durch die Einwirkung von Geräuschen während des Schlafes<br />
verstärkt werden. Zudem kommen für den Schichtarbeiter, der am Tag schlafen muss,<br />
deutlich schlechtere akustische Bedingungen hinzu (ein um 10-15 dB(A) höherer Pegel<br />
und stark informationshaltige Geräusche), welche die negative Auswirkungen des<br />
gestörten Schlafes zusätzlich intensivieren.<br />
Literatur<br />
Basner M (2008): Nocturnal aircraft noise exposure increases objectively assessed<br />
daytime sleepiness. Somnology, 12 (2): 110-118.<br />
Bonnefond A, Saremi M, Rohmer O, Hoeft A, Eschenlauer A, Eschenlauer R, Muzet A,<br />
Tassi P (2008). Effects of nocturnal railway noise on subjective ratings of sleep and<br />
subsequent cognitive performance. Somnology, 12 (2): 130-138.<br />
Buysse, D., Reynolds, C., Monk, T., Berman, S., Kupfer, D. (1989). The Pittsburgh Sleep<br />
Quality Index: A new instrument for psychiatric practice and research. Psychiatry<br />
Research, 28, 193-213.<br />
Griefahn B, Marks A, Robens S (2006): Noise emitted from road, rail and air traffic and<br />
their effects on sleep. Journal of Sound and Vibration, 205: 129-140.<br />
707
P119<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
3,2<br />
3<br />
2,8<br />
2,6<br />
2,4<br />
2,2<br />
2<br />
Ruhe Schiene Straße<br />
Tagschicht<br />
Nachtschicht<br />
Abb.1: Mittelwerte der Stanford Sleepiness Scale (SSS) über die gesamte Schicht. ANOVA (Lärm<br />
x Schicht): Haupteffekt Lärm (p=.005) und Haupteffekt Schicht (p=.001).<br />
708
P120<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher<br />
Gegebenheiten der Beschäftigten im Friseurhandwerk und der<br />
Abschätzung der fachkundigen Personen<br />
Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />
Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />
Einleitung<br />
Die Belastungen, die auf die Beschäftigten im Friseurgewerbe einwirken, sind<br />
vielfältig. Bei der überwiegend im Stehen verrichteten Tätigkeit kommt es zu<br />
Belastungen des Bewegungsapparates, insbesondere der unteren Extremitäten<br />
und der Wirbelsäule; die repetitiven Bewegungen der Arme und der Hände sowie<br />
des Oberkörpers belasten Gelenke und Sehnen. Durch das Hantieren mit<br />
scharfen Scheren und Messern kommt es zu Schnittverletzungen. Insbesondere<br />
bei den Schnittverletzungen ist eine ausreichende Beleuchtung am Arbeitplatz<br />
absolut unerlässlich.<br />
Ziel der Studie<br />
Ziel der Studie war es, die subjektive Wahrnehmung der betrieblichen<br />
Gegebenheiten der Beschäftigten an den Arbeitsplätzen im Friseurhandwerk mit<br />
der subjektiven Wahrnehmung der in der Sicherheitstechnik fachkundigen<br />
Personen (Forschungspersonen = FP) zu vergleichen.<br />
Material und Methoden<br />
Die Beschäftigten (n=167) und FP (n=30) bewerteten unabhängig voneinander<br />
die Lichtverhältnisse und die Beleuchtung sowie die (natürlichen und künstlich<br />
geschaffenen) Belüftungsverhältnisse am Arbeitsplatz auf einer Skala von 1 für<br />
sehr gut bis 4 für sehr schlecht. Als Kriterium diente hier die subjektive<br />
Einschätzung der Helligkeit (einfallendes natürliches Licht, künstliche<br />
Beleuchtung) bzw. der Belüftung (natürlich durch Fenster, künstlich durch<br />
Klimaanlagen) am Arbeitsplatz.<br />
Ergebnisse<br />
Die Beschäftigten bewerteten die Lichtverhältnisse zu 89% und die<br />
Belüftungsverhältnisse zu 88% als sehr gut bis gut. Die FP schätzten Beides<br />
signifikant (76% bzw. 63%) schlechter ein. Nur etwa 50% der unabhängigen<br />
Bewertungen der Beschäftigteen und der Forschungspersonen stimmten überein.<br />
709
P120<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Die meisten Abweichungen traten auf, wenn die Friseure die jeweilige<br />
Gegebenheit mit sehr gut oder gut bewerteten (Tabelle 1).<br />
Schlussfolgerung<br />
Die betrieblichen Gegebenheiten im Friseurhandwerk werden von den<br />
Beschäftigten signifikant besser als von den in der Sicherheitstechnik<br />
fachkundigen Personen eingeschätzt. Diese Wahrnehmungsverschiebung könnte<br />
bei der Anwendung des Unternehmermodels der arbeitsmedizinischen und der<br />
sicherheitstechnischen Betreuung im Friseurhandwerk einen negativen Einfluss<br />
auf die Arbeitssicherheit haben.<br />
Beurteilung<br />
Lichtverhältnisse und<br />
die Beleuchtung<br />
natürliche<br />
Belüftungsverhältnisse<br />
künstliche<br />
Belüftungsverhältnisse<br />
sehr gut gut<br />
sehr<br />
schlecht<br />
schlecht<br />
B FP B FP B FP B FP<br />
49 26 40 50 9 22 2 2<br />
41 19 47 44 8 26 4 11<br />
35 11 45 63 9 24 11 2<br />
Tabelle 1: Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher Gegebenheiten der<br />
Beschäftigten im Friseurhandwerk (B) und der Abschätzung der fachkundigen Personen FP in<br />
Prozent.<br />
710
P121<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Berufsunfähigkeit bei Privatversicherungen - Ursachen und<br />
Hintergründe<br />
Stephan Becher 1 , Friedrich Hofmann 2<br />
1 Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />
2 FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />
Universität Wuppertal<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
711
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Berufskrankheiten in Thüringen von 1970 bis 2000<br />
Monika Kolberg, Reinhard Bartsch, Christine Salzmann, Michael Erler, Rainer Schiele<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />
Zielstellung:<br />
Arbeitnehmer sind im beruflichen Alltag durch permanent oder wiederholt einwirkende<br />
chemische, physikalische oder biologische Belastungen gefährdet.<br />
Untersucht wurden die im Bundesland Thüringen bzw. in den ehemaligen Bezirken der<br />
DDR Erfurt, Gera und Suhl vom Gewerbeärztlichen Dienst erfassten<br />
Berufskrankheitenvorgänge. Berücksichtigung fanden Erkrankungen, die im Zeitraum<br />
von 1970 bis 2000 zur Anzeige kamen. Ausgehend von der Gesamtzahl der Meldungen<br />
lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Auswertung der Beurteilungen des<br />
Gewerbearztes. Des weiteren erfolgte ein Vergleich der ermittelten Ergebnisse mit in der<br />
Literatur zugänglichen Daten im Hinblick auf die Entwicklung des<br />
Berufskrankheitengeschehens im Gebiet der BRD bzw. der ehemaligen DDR, um<br />
Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten zu erfassen.<br />
Material und Methode:<br />
Das Landesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Thüringen stellte für die<br />
statistische Erhebung anonymisierte Daten zur Verfügung. Diese stammen aus dem<br />
Archiv des Gewerbeärztlichen Dienstes Thüringen und liegen als Datenbank im Format<br />
Microsoft Access2.0 vor. Enthalten sind die zum Zeitpunkt der Datenübergabe als<br />
abgeschlossen erfassten Berufskrankheitenvorgänge des heutigen Bundeslandes<br />
Thüringen bzw. der ehemaligen DDR-Bezirke Erfurt, Gera und Suhl. Hierbei handelt es<br />
sich um 46.748 Datensätze des Zeitraumes 1950 bis Februar 2001. Die Erfassung der<br />
Meldungen in der Datenbank erfolgte getrennt nach den Berufskrankheitenlisten der<br />
BRD und der DDR. Zunächst galt es einander entsprechende Berufskrankheiten<br />
zuzuordnen. Neben der Anzahl der Verdachtsmeldungen interessierte vor allem, ob nach<br />
Abschluss des Berufs-krankheitenverfahrens eine Anerkennung als Berufskrankheit<br />
erfolgte.<br />
Ergebnisse:<br />
Im untersuchten Zeitraum wurden 41.367 Verdachtsmeldungen auf das Vorliegen einer<br />
Berufskrankheit registriert. Diese verteilten sich auf sechs Hauptgruppen (Abb.1).<br />
712
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
2849 878 1060<br />
Physikalische Einwirkungen<br />
6098<br />
22334<br />
Hauterkrankungen<br />
Erkrankungen von Atemwegen,<br />
Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />
Infektionserreger und Parasiten<br />
8148<br />
Chemische Einwirkungen<br />
Sonstige<br />
Abb.1: Berufskrankheiten-Verdachtsmeldungen von 1970 bis 2000.<br />
In 21.854 Fällen konnte vom Gewerbearzt eine Anerkennung als Berufskrankheit<br />
empfohlen werden (Abb.2, Abb.4). In 12.501 Fällen lagen die Minderung der<br />
Erwerbsfähigkeit bzw. der Körperschaden bei mindestens 20 % (Abb.3).<br />
2433<br />
253 303<br />
Physikalische Einwirkungen<br />
Hauterkrankungen<br />
3207<br />
10255<br />
Erkrankungen von Atemwegen,<br />
Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />
Infektionserreger und Parasiten<br />
Chemische Einwirkungen<br />
5403<br />
Sonstige<br />
Abb.2: Anerkannte Berufskrankheiten von 1970 bis 2000.<br />
713
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
565<br />
152<br />
286<br />
Physikalische Einwirkungen<br />
2144<br />
1021<br />
8334<br />
Hauterkrankungen<br />
Erkrankungen von Atemwegen,<br />
Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />
Infektionserreger und Parasiten<br />
Chemische Einwirkungen<br />
Sonstige<br />
Abb.3: Entschädigte Berufskrankheiten von 1970 bis 2000.<br />
Sonstiges<br />
1504<br />
Keine Berufskrankheit<br />
18009<br />
Berufskrankheit<br />
21854<br />
0 5000 10000 15000 20000 25000<br />
Anzahl der Fälle<br />
Abb.4: Gewerbeärztliche Stellungnahmen von 1970 bis 2000.<br />
Jährlich wurden durchschnittlich 1334 Verdachtsmeldungen registriert, 705 Fälle<br />
anerkannt und 403 Fälle entschädigt.<br />
Unter Betrachtung der Verdachtsmeldungen, wurden von 1980 bis 1986 in den Bezirken<br />
Erfurt, Gera und Suhl und von 1993 bis 1999 in Thüringen die meisten Fälle angezeigt.<br />
Die Anerkennungen erreichten Spitzenwerte in den Jahren von 1980 bis 1984 und die<br />
Entschädigungen von 1974 bis 1977 sowie 1980, 1981 und 1983 (Abb.5, Abb.6).<br />
714
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
1970<br />
1972<br />
1974<br />
1976<br />
1978<br />
1980<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
Anzahl der Fälle<br />
2000<br />
Jahr<br />
Verdachtsmeldungen<br />
Anerkannte Berufskrankheiten<br />
Abb.5: Von 1970 bis 2000 registrierte Berufskrankheitenmeldungen und –anerkennungen.<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
1970<br />
1972<br />
1974<br />
1976<br />
1978<br />
1980<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
Anzahl der Fälle<br />
Jahr<br />
Anerkannte Berufskrankheiten<br />
Entschädigte Berufskrankheiten<br />
Abb.6: Von 1970 bis 2000 registrierte Anerkennungen und Entschädigungen.<br />
Erkrankungen durch chemische Einwirkungen verteilten sich auf vier große Gruppen:<br />
Metalle und Metalloide, Erstickungsgase, chemische Kanzerogene sowie Lösemittel,<br />
Schädlings-bekämpfungsmittel und sonstige chemische Stoffe. Am häufigsten wurden<br />
Intoxikationen (68 Fälle) und Hepatosen (82 Fälle) als Berufskrankheit anerkannt.<br />
Meldungen von Erkrankungen durch physikalische Einwirkungen betrafen: mechanische<br />
Einwirkungen, Lärm, Strahlen sowie Druckluft. Innenohrschwerhörigkeiten (7482 Fälle)<br />
wurden am häufigsten anerkannt. Weitere Anerkennungen bedingten degenerative<br />
715
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Wirbel-säulenveränderungen (475 Fälle), Bronchialkarzinome durch ionisierende<br />
Strahlung (435 Fälle) und degenerative Veränderungen oberen Extremitäten durch Arbeit<br />
mit Druck-luftwerkzeuge (335 Fälle).<br />
Durch Infektionserreger und Parasiten verursachte Berufskrankheiten ließen sich<br />
folgenden Gruppen zuordnen: Erkrankungen durch von Mensch zu Mensch,<br />
Erkrankungen durch von Tieren auf den Menschen sowie Erkrankungen durch in den<br />
Tropen übertragene Infektionserreger und Parasiten und Wurmkrankheiten der<br />
Bergleute. Die Trichophytie (513 Fälle) aus der Gruppe der von Tieren auf den<br />
Menschen übertragenen Infektionen und Hepatitiden (538 Fälle) aus der Gruppe der von<br />
Mensch zu Mensch übertragenen Infektionen wurden am häufigsten anerkannt.<br />
Atemwegserkrankungen verteilten sich auf: durch anorganische Stäube, durch<br />
organische Stäube verursachte Berufskrankheiten sowie Atemwegsobstruktionen.<br />
Silikosen (1161 Fälle) kamen am häufigsten zur Anerkennung gefolgt von Asbestosen<br />
(469 Fälle).<br />
Unter den anerkannten Hauterkrankungen fanden sich am häufigsten Kontaktekzeme<br />
(3965 Fälle).<br />
Die Gruppe „Sonstige Ursachen“ berücksichtigte: Augenzittern der Bergleute, Fälle, die<br />
sich keiner der Ziffern in der Berufskrankheiten-Liste zuordnen ließen, Fälle nach § 3<br />
BKV sowie Fälle nach § 9 Abs.2 SGB VII. Im Sonderentscheidverfahren kamen vor allem<br />
obstruktive Atemwegserkrankungen (156 Fälle) und degenerative<br />
Wirbelsäulenveränderungen (76 Fälle) zur Anerkennung.<br />
Der Anteil der anerkannten Berufskrankheiten an den Verdachtsmeldungen betrug von<br />
1982 bis 1990 in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl 66 %. In der DDR insgesamt lag er<br />
bei 71 %. Entschädigt, d.h. mit einem Körperschaden von mindestens 20 % beurteilt,<br />
wurden in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl im gleichen Zeitraum 49 % der<br />
anerkannten Berufs-krankheiten. Eine ähnliche prozentuale Verteilung mit 50 % zeigte<br />
sich für das Gebiet der DDR. Die Differenzen bedingte eine zum Zeitpunkt der<br />
Datenübergabe noch nicht vollständig abgeschlossene Erfassung von<br />
Berufskrankheiten-Altfällen.<br />
Im Bundesland Thüringen wurden von 1991 bis 2000 26 % der Verdachtsmeldungen als<br />
Berufskrankheit anerkannt. In der BRD waren 22 % zu erheben. Setzte man die<br />
entschädigten ins Verhältnis zu den anerkannten Berufskrankheiten, zeigte sich in<br />
Thüringen ein Anteil von 42 %, im Gebiet der BRD von 35 %. Die Unterschiede erklären<br />
sich durch die in Thüringen parallel zur BKV der Bundesrepublik entschädigten Fälle<br />
nach DDR-Recht.<br />
716
P122<br />
Poster – Arbeitsphysiologie II<br />
Schlussfolgerungen:<br />
Drei Gruppen fanden sich am häufigsten unter den Verdachtsmeldungen, den<br />
anerkannten und den entschädigten Berufskrankheiten: durch physikalische<br />
Einwirkungen verursachte Erkrankungen, Hauterkrankungen sowie Erkrankungen der<br />
Atemwege, der Lungen, des Rippen- und des Bauchfells.<br />
Unter Berücksichtigung der Einzelerkrankungen erreichten Lärmschwerhörigkeiten,<br />
Erkrankungen durch mechanische Einwirkungen, Hauterkrankungen sowie<br />
Erkrankungen durch anorganische Stäube die höchsten Fallzahlen in den Kategorien der<br />
Berufskrankheiten-Anzeigen, -Anerkennungen und -Entschädigungen.<br />
717
P123<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Einsatz von Insektiziden in häuslicher Umgebung und<br />
Hodentumorrisiko<br />
Nils Schmeisser, Birte Mester, Wolfgang Ahrens<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin,<br />
Bremen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
718
P124<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Verminderte COX2-Expression in Arsen-exponierten UROtsa-<br />
Zellen korreliert mit einer Erhöhung von regulierenden<br />
microRNAs<br />
Georg Johnen 1 , Daniel G. Weber 1 , Richard Zdrenka 2 , Jens Schreiber 1 , ‚Albert W. Rettenmeier 2 ,<br />
Thomas Brüning 1 , Elke Dopp 2<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />
Ziel der Studie<br />
Neben einer geogenen Kontamination von Grundwasser spielen Arsenbelastungen<br />
besonders auch bei Staubexpositionen, z.B. im Bergbau, eine Rolle. Chronische<br />
Arsenexpositionen können Haut-, Lungen-, Leber- und insbesondere auch<br />
Harnblasenkrebs induzieren. Mechanismen der Kanzerogenese, vor allem bei frühen<br />
Veränderungen, sind bisher nur teilweise bekannt und sollen daher näher beleuchtet<br />
werden. Dazu werden Marker benötigt, mit denen die molekularen Effekte bei<br />
Langzeitexpositionen verfolgt werden können. Hier bieten sich microRNAs an, die<br />
gewebs- bzw. tumorspezifisch exprimiert werden und stabiler als mRNAs sind.<br />
microRNAs sind ca. 22 Nukleotide lange, regulatorische RNA-Moleküle. Sie binden an<br />
das 3’-Ende von mRNAs und hemmen so deren Translation in die entsprechenden<br />
Proteine. Das COX2-Gen spielt eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung. Da dessen<br />
Expression durch Arsenexposition beeinflußt wird, sollte dessen Regulation durch<br />
microRNAs genauer untersucht werden.<br />
Methode<br />
Humane, SV40-transformierte Urothelzellen (UROtsa) wurden mit unterschiedlichen<br />
Konzentrationen von MMA(III) (Monomethylarsonige Säure) behandelt. Die Expression<br />
des COX2-Gens wurde mittels TaqMan RT-PCR Assays (mRNA) und Western Blot<br />
(densitometrische Quantifizierung der Proteinbanden) bestimmt. Parallel dazu wurden<br />
drei verschiedene microRNAs mit RT-PCR quantifiziert, die zuvor durch<br />
Computerberechnungen ermittelt wurden. Laut dieser Berechnungen sollten sie an den<br />
3’-Bereich der COX2-mRNA binden und deren Translation hemmen.<br />
Ergebnisse<br />
MMA(III)-Konzentrationen im mikromolaren Bereich führen zu akut-toxischen Effekten<br />
und einem Absterben vieler Zellen. Hemmende microRNAs sind signifikant (*) erhöht<br />
nachweisbar, während sich die COX2-mRNA wenig verändert (Abb. 1A). Die Expression<br />
von COX2-Protein ist hingegen deutlich reduziert (Abb. 1B). Bei einer MMA(III)-<br />
Konzentration von 50 nM schwächen sich die zelltoxischen Effekte deutlich ab. Eine<br />
719
P124<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Verlängerung der Expositionszeiten von einigen Stunden auf bis zu 8 Wochen bei 50 nM<br />
bestätigt die molekularen Veränderungen bei den microRNAs.<br />
Abbildung 1: (A) RNA- und (B) Protein-Quantifizierung von Kontrollen und exponierten UROtsa-<br />
Zellen<br />
Schlussfolgerungen<br />
microRNA-Levels in UROtsa-Zellen werden durch Arsenexposition verändert<br />
in silico vorhergesagtes microRNA-Target COX2 wurde erstmals in humanen<br />
Zellen experimentell bestätigt (Korrelation mit Hemmung der COX2-Proteinsynthese)<br />
Kurzzeit-Expositionen mit 10 µM und achtwöchige Expositionen mit 50 nM<br />
MMA(III) zeigen vergleichbare microRNA-Ergebnisse<br />
Langzeitexpositionen im Niedrigdosisbereich mit geringer akut-toxischer Wirkung<br />
erscheinen, entsprechend Literatur [1], möglich und zeigen meßbare molekulare<br />
Effekte<br />
microRNAs könnten als mögliche Marker der Harnblasen-Kanzerogenese<br />
eingesetzt werden (Langzeitziel: Früherkennungsmarker für<br />
Vorsorgeuntersuchungen)<br />
Literatur<br />
1. Bredfeldt TG, Jagadish B, Eblin KE, Mash EA, Gandolfi AJ: Monomethylarsonous<br />
acid induces transformation of human bladder cells. Toxicol Appl Pharmacol 2006;<br />
216: 69-79<br />
Danksagung<br />
Die Studie wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />
720
P125<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />
Urothelkarzinomen<br />
Klaus Golka 1 , Jürgen Zumbé 2 , Michael Zellner 3 , Wolfgang Schöps 4<br />
1 IfADo Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund,<br />
2 Klinik für Urologie, Klinikum Leverkusen,<br />
3 Urologie, Klinikum Passauer Wolf, Bad Griesbach,<br />
4 Abteilung für Urologie, Kreiskrankenhaus Mechernich<br />
Bei beruflich bedingten Harnblasenkarzinomerkrankungen besteht eine erhebliche<br />
Diskrepanz zwischen dem geschätzten Anteil von beruflich bedingten<br />
Harnblasenkarzinomen und der Anzahl der als Verdacht auf das Vorliegen einer BK<br />
1301 angezeigten Fälle (Golka et al. 2007). Doll und Peto (1981) sowie Colditz et al.<br />
(1996) schätzen, dass 5 % der Harnblasenkarzinome bei Frauen und 10% der<br />
Harnblasenkarzinome bei Männern beruflich bedingt sind. Im Jahre 2007 wurden in<br />
Deutschland 870 Anzeigen, darunter auch allein auf dem Beruf basierende Meldungen<br />
von Krankenkassen, auf das Vorliegen eines Verdachtes eines beruflich bedingten<br />
Harnblasenkarzinoms gemeldet – bei ca. 25.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Ziel des<br />
Beitrages ist es, Ärzten, die nicht speziell mit dem beruflich bedingten<br />
Harnblasenkarzinom vertraut sind, einfach verfügbare Informationen mittels einer CDgestützten<br />
Broschüre zur Verfügung zu stellen.<br />
Die CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />
Urothelkarzinomen<br />
Zu 35 bekannten Berufen mit erhöhtem Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko und 31<br />
bekannten Expositionen mit erhöhtem Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko wurden<br />
praxisrelevante Informationen aus der Literatur zusammengetragen und gelistet. Zudem<br />
wurde für die Praxis ein einfacher Fragebogen zum Screenen nach beruflichen Ursachen<br />
des bereits diagnostizierten Harnblasenkarzinoms entwickelt. Die Informationen zu<br />
relevanten Berufen und Expositionen sowie der Fragebogen werden zusammen mit<br />
praktischen Hinweisen zum Berufskrankheitenverfahren mittels einer CD-gestützten<br />
Broschüre (Zumbé et al. 2008) präsentiert. Sämtliche auf der CD enthaltenen<br />
Informationen können direkt auf den Rechner in Klinik oder Praxis gespeichert und von<br />
diesem ausgedruckt werden. Die Fragebögen sind praxisgerecht gestaltet.<br />
Besonders hilfreich im klinischen Alltag ist eine Liste mit Zuordnungen von bestimmten<br />
Tätigkeiten/Branchen zu Unfallversicherungsträgern. Bei den Anschriften der<br />
Gesetzlichen Unfallversicherungsträger („Berufsgenossenschaften“) bzw. Unfallkassen<br />
ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich infolge der erheblichen Reduzierung der Anzahl<br />
dieser Institutionen durch Zusammenschlüsse die Anschriften kurzfristig ändern können.<br />
721
P125<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Die CD-gestützte Broschüre wird über den Außendienst eines im Bereich der Onkologie<br />
tätigen Pharmaunternehmens vor allem an Urologen verteilt.<br />
Tab. 1: Beispiele der Inhalte der CD-gestützten Broschüre für das Screening nach<br />
Urothelkarzinomen<br />
Prozessbeschreibung<br />
Patientenbefragungsbogen für Berufe<br />
Patientenbefragungsbogen für Stoffe<br />
Ärztliche Anzeige Verdacht auf Berufskrankheit<br />
Erläuterungen zur Anzeige<br />
Literatur zur Meldepflicht<br />
Hintergrund zu Berufen / Stoffen<br />
Liste Gesetzliche Unfallversicherungsträger<br />
Liste Berufsgenossenschaften<br />
Liste Unfallkassen<br />
Liste Tätigkeit zu UV-Träger zuordnen<br />
UV-GOÄ<br />
Musterrechnung BK-Meldung<br />
Musterrechnung Nachfrage mit Bericht<br />
Musterrechnung Nachfrage nur Kopien aus Krankengeschichte<br />
Liste interessanter Links<br />
Schlussfolgerung<br />
Die direkte Berufsanamnese, erhoben von Ärzten, die Patienten mit urologischen<br />
Tumoren behandeln, wird längerfristig dazu beigetragen, die Dunkelziffer bei<br />
Harnblasenkarzinomerkrankungen mit beruflicher Exposition abzubauen.<br />
Literatur<br />
Colditz G., DeJong W., Hunter D., Trichopoulos D., Willet H.W., eds.: Harvard report on<br />
cancer prevention Vol. 1: Causes of human cancer. Cancer Causes Control (1996) 7<br />
(Suppl.) S3-S59<br />
Doll R., Peto R. The causes of cancer: Quantitative estimates of avoidable risks of<br />
cancer in the United States today. J. Natl. Cancer Inst. (1981) 66: 1191-1308<br />
Golka K., Goebell P.J., Rettenmeier A.W. Ätiologie und Prävention des<br />
Harnblasenkarzinoms. Dtsch. Ärztebl. 104 (2007) 719-723, Diskussion 1998-1999<br />
Zumbé J., Golka K., Schöps W., Zellner M. Berufsbedingte Urothelkarzinome UROTOP<br />
17, 2. überarbeitete Auflage medac 2008<br />
722
P126<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Harnblasenkrebserkennung durch den molekularen Marker<br />
Survivin<br />
Heike Bontrup 1 , Marcus Horstmann 2 , Judith Delbanco 1 , Anne Weber 1 , Dirk Taeger 1 , Georg<br />
Johnen 1 , Beate Pesch 1 , Jörg Hennenlotter 2 , Oliver Patschan 2 , Gerhard Feil 2 , Arnulf Stenzl 2 ,<br />
Thomas Brüning 1<br />
1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
2 Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard Karls Universität, Klinik für Urologie<br />
Ziel der Studie<br />
Arbeitsmedizinische Untersuchungen sollten für den Patienten möglichst wenig invasiv<br />
sein und dennoch zuverlässige Ergebnisse liefern. Hier bieten sich molekulare Marker<br />
in Körperflüssigkeiten wie Urin oder Blut an. Wichtige Voraussetzung für deren Einsatz<br />
ist aber eine ausreichende Kenntnis über Ausschlusskriterien und Auswirkungen von<br />
Nebenbefunden.<br />
Ziel der Studie war die Untersuchung von Einflussgrößen für den Marker Survivin bei<br />
der Erkennung von Harnblasenkrebs sowie die Etablierung eines Cut-offs im Urin, der<br />
eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Befunden ermöglicht.<br />
Methode<br />
Survivin-Bestimmungen erfolgten an anonymisiertem und archiviertem Urinzellmaterial<br />
von 49 Probanden, die mit Verdacht auf Blasenkrebs einer transurethralen Resektion<br />
(TURB) unterzogen worden waren. Vorher war ihnen Spontanurin entnommen worden.<br />
Das Durchschnittsalter der 32 männlichen und 17 weiblichen Teilnehmer lag bei 68<br />
Jahren. Blasenkrebs wurde bei 32, keine Malignität bei 17 Probanden histopathologisch<br />
belegt. Aus den, im Urin enthaltenen Zellen, wurde RNA isoliert und der Gehalt an<br />
Survivin-mRNA wurde mittels Real-Time-PCR quantifiziert. Zur Abschätzung eines<br />
geeigneten Cut-off-Wertes wurde eine ROC-Analyse durchgeführt. Auch die Einwirkung<br />
von Begleitbefunden wie Zystitis, Hämaturie oder anderen urologischen Erkrankungen<br />
wurde geprüft.<br />
Ergebnisse<br />
Nahezu alle gemessenen Proben (98%) waren auswertbar. Anhand der ROC-Analyse<br />
wurde ein Cut-off-Wert von 10.000 mRNA-Kopien für Survivin festgelegt. Die<br />
Sensitivität betrug 53%, die Spezifität 88%.<br />
Die untersuchten Begleitbefunde zeigten im vorliegenden Kollektiv keinen<br />
nachweisbaren Effekt auf die Survivin-Ergebnisse (Abbildung 1). Geschlecht und Alter<br />
waren ebenfalls keine Einflussgrößen. Dagegen zeigte sich bei der Analyse der<br />
Tumorstadien eine große Streuungsbreite. Die Sensitivität lag zwischen 30% bei pTa<br />
723
P126<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Tumoren und 100% bei Tumoren, die histopathologisch pT1 und höher klassifiziert<br />
worden waren.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Interpretation von Survivin-Messungen wird nach unseren Ergebnissen nicht durch<br />
Begleitbefunde eingeschränkt, was für einen Einsatz in arbeitsmedizinischen<br />
Untersuchungen spricht. Gerade bei diesen Untersuchungen erfolgt nicht in jedem Fall<br />
eine labormedizinische Untersuchung auf Nebenbefunde. Außerdem ist eine<br />
Wiedervorstellung nach Therapie hier schwieriger zu handhaben. Der Marker Survivin<br />
weist eine hohe Spezifität und, bei muskelinvasiven Tumoren, eine gute Sensitivität auf.<br />
Jedoch ist letztere bei Low-grade-Tumoren deutlich reduziert. Für diese Studie ist<br />
allerdings die kleine Fallzahl einschränkend zu berücksichtigen und die Ergebnisse<br />
einer zurzeit laufenden prospektiven Früherkennungsstudie sollten abgewartet werden.<br />
724
P126<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
725
P127<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Individuelle Disposition oder subjektive Interpretation - Was<br />
erklärt den Leidensdruck bei „Elektrosensibilität“? -<br />
Gerlinde Kaul, Eva-Maria Backé, Carmen Thim<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />
Hintergrund und Fragestellung:<br />
Die zunehmende elektronische Gestaltung unserer Arbeitswelt und die Nutzung mobiler<br />
Telekommunikationsgeräte fasziniert die Einen und verunsichert die Anderen. Immer<br />
mehr Menschen äußern jedoch Beschwerden, weil sie sich den elektromagnetischen<br />
Feldern (EMF), insbesondere denen des Mobilfunks, ungeschützt ausgesetzt fühlen und<br />
darin die alleinige Ursache für ihre Gesundheitsstörungen zu sehen glauben.<br />
Auf der biologischen Ebene ließ sich bisher kein Zusammenhang zwischen der subjektiv<br />
geäußerten Empfindlichkeit gegenüber EMF und realen EMF-Expositionen objektivieren<br />
[2]. Bei den Provokationsexperimenten, die mit einem magnetischen 50-Hertz-Feld (10<br />
µT) und dem Hochfrequenzfeld eines GSM-Mobiltelefons in der BAuA [1] durchgeführt<br />
wurden, ließ sich bei den Probanden ebenfalls keine expositionsabhängige<br />
Empfindlichkeit finden.<br />
Offen blieb trotzdem die Frage, welche individuelle Bedingtheit das Phänomen<br />
"Elektrosensibilität“ beeinflussen könnte. Gibt es bei Personen, die unter einer<br />
„Elektrosensibilität“ leiden, charakteristische Merkmale im Erleben und Verhalten oder<br />
begründen Merkmale in der Disposition den Unterschied zu den nicht belasteten<br />
Personen einer Kontrollgruppe?<br />
Methodik:<br />
In doppelt verblindeten Provokationsexperimenten waren 38 Personen (18 w, 20 m), die<br />
sich gegenüber niederfrequenten Feldern oder/und Hochfrequenzfeldern des Mobilfunks<br />
beeinträchtigt fühlten, sowie 96 unbelastete Personen getestet und hinsichtlich<br />
individueller Merkmale verglichen worden. Mit Verfahren zur Selbstbeurteilung, Tests zur<br />
Differenzierung der Wahrnehmungsleistung und mit der Bestimmung des Cotisolspiegels<br />
über einen Tag mit alltäglichen Belastungen [3] sind spezifische Merkmale der Person<br />
mit erfasst worden.<br />
1. Aus den Selbsteinschätzungen sind charakteristische Befundergebnisse zu<br />
• individuellen Erwartungshaltungen in Bezug zum Gesundheitsverhalten (AVEM [4]),<br />
• reflektierter Ängstlichkeit (STAI [5]) und<br />
• subjektiver Empfindlichkeit gegenüber Lärmbelästigungen [6] ausgewählt worden.<br />
2. Individuelle Wahrnehmungsleistungen wurden an Hand der<br />
Kurzzeitbeobachtungsprobe (PEGLAU [7]) sowie mit dem Prüfen kleinster<br />
Gewichtsunterschiede differenziert.<br />
726
P127<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
3. Die Cortisolsekretion wurde im Tagesprofil bestimmt und ist mit der anderer<br />
Berufsgruppen vergleichen worden. Das ermöglichte es, den geäußerten Stress auf<br />
Grund von „Elektrosensibilität“ physiologisch zu objektivieren. Dazu wurden ab dem<br />
Aufwachen und im 15-minütigen Abstand fünf Speichelproben in der ersten Stunde<br />
sowie drei weitere um 12, 15 und 20 Uhr erbeten, die von den Personen mittels<br />
Salivetten (Sarstedt) nach Anweisung gesammelt und später in der BAuA<br />
ausgewertet wurden.<br />
Ergebnisse:<br />
1. Zur Selbstbeurteilung von Verhaltens- und Erlebensinhalten:<br />
• Subjektive Erwartungshaltung und Gesundheitsverhalten:<br />
In den beiden Stichproben war das Verhältnis der klassifizierten Gesundheitstypen,<br />
die sich aus den abgegebenen Selbsteinschätzungen im AVEM ableiten, sehr<br />
unterschiedlich. Es überraschte, dass bei den „elektrosensiblen“ Frauen das Typ-A-<br />
Verhalten dominierte, das mit einem offensiv bis aggressiv durchsetzungswilligen<br />
Verhalten korrespondierte. „Elektrosensible“ Männer wurden häufiger als in der<br />
Kontrollgruppe einer defensiven und eher von Ohnmacht geprägten Strategie für die<br />
Bewältigung von Herausforderungen zugeordnet.<br />
Von beiden Typ-Charakteristiken würde ein höheres Gesundheitsrisiko ausgehen,<br />
weil es physiologisch eine hohe Stressbereitschaft einfordert.<br />
• Individuelle Lärmempfindlichkeit:<br />
In der Allgemeinbevölkerung zeigte sich, dass Frauen Lärm störender empfinden als<br />
Männer. Jedoch fühlten sich die „elektrosensiblen“ Frauen signifikant stärker durch<br />
Lärm belästigt als die Frauen in der Kontrollgruppe.<br />
• Ausprägung des Niveaus allgemeiner Ängstlichkeit:<br />
Während mit zunehmendem Alter das Niveau allgemeiner Ängstlichkeit (STAI trait)<br />
etwas ansteigt und mit einer allumfassenden Vorsicht gegenüber sich selbst in<br />
Beziehung steht, erreichten „elektrosensible“ Frauen im Vergleich zur Kontrollgruppe<br />
signifikant höhere Werte.<br />
2. Zu individuellen Unterschieden in der Wahrnehmungsleistung:<br />
• Die Kurzzeitbeobachtungsprobe:<br />
In beiden Stichproben waren die altersabhängigen Bewertungen für exakt<br />
übereinstimmende Details aus den erinnerten Mustervorgaben ähnlich verteilt.<br />
Unterschiede zeichneten sich nur für das Erreichen einer Bestleistung ab, wofür aber<br />
auch die Fähigkeit, sich ausdauernd konzentrieren zu können, mit verantwortlich ist.<br />
• Das Prüfergebnis bei geringen Gewichtsunterschieden:<br />
727
P127<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Die Verteilung der Trefferrate beim Schätzen von Gewichtsproben, deren<br />
Unterschiede nur wenig um die Wahrnehmungsschwelle differierten, zeigte lediglich,<br />
dass kaum einer der „elektrosensiblen“ Personen über eine 90 % richtige<br />
Differenzierung hinaus kam.<br />
3. Die Cortisolsekretion - Anzeiger einer physiologisch vermittelten Stressreaktion<br />
Die Cortisol-Tagesmenge, die für 11 ältere Angestellte aus der Kontrollgruppe<br />
ermittelt wurde, war in der Höhe mit der vergleichbar, wie sie auch bei älteren<br />
Beschäftigten im Rettungsdienst (zusätzliche Vergleichsgruppe) gefunden wurde.<br />
„Elektrosensible“ Männer und Frauen unterschieden sich zwar in der Höhe ihres<br />
Speichelcortisols individuell voneinander, erreichten aber selten die<br />
Cortisoltagesmenge der Vergleichspersonen. Ihr morgendlicher Cortisolanstieg<br />
unterschied sich jedoch nicht von dem bei den Kontrollen.<br />
Fazit:<br />
„Elektrosensibilität“ ließ sich im Provokationsexperiment nicht objektivieren. Die Fähigkeit<br />
betroffener Personen, eine reale Feldexposition aufzudecken, erwies sich als rein<br />
zufällig.<br />
„Elektrosensible“ Probanden unterschieden sich in ihrer Wahrnehmungsleistung jedoch<br />
nicht von der anderer. Nur schienen sie sich weniger ausdauernd konzentrieren zu<br />
können.<br />
Die im Speichel nachgewiesene Cortisolsekretion lag bei den „elektrosensiblen“<br />
Personen nicht höher als bei Personen mit hoher individueller Verantwortung. Dass<br />
wegen der „Elektrosensibilität“ eine chronische Belastungssituation bestehen könnte,<br />
erscheint auf Grund der Befundlage in Übereinstimmung mit CARLSSON et al. (2006)<br />
weniger wahrscheinlich.<br />
Personen, die an „Elektrosensibilität“ litten, unterschieden sich von den nicht betroffenen<br />
Kontrollpersonen nur bezüglich ihrer subjektiven Selbsteinschätzung. Eine erhöhte<br />
Störbarkeit durch unkontrollierbare Situationen im Lebensalltag bei gleichzeitig hohen<br />
Erwartungshaltungen an die Bedingungen in ihrer Umgebung könnten bei<br />
„elektrosensiblen“ Personen zunehmend die Erfahrung einer unbefriedigenden<br />
Selbstwirksamkeit vermitteln.<br />
D.h., wenn ubiquitär auftretenden EMF, deren Feldstärke weit unterhalb der Grenzwerte<br />
liegt, so viel Einfluss auf die eigene Befindlichkeit zugesprochen wird, wäre dies eine rein<br />
subjektive Interpretation. Auf Grund dieser Datenlage kann eine individuelle<br />
Veranlagung, gegenüber bestimmten EMF-Expositionen empfindlich zu sein, nicht<br />
bestätigt werden.<br />
728
P127<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
[1] Kaul, G. (2006): „Elektrosensibilität“: Hält die Wahrnehmung der Realität stand? Symposium<br />
Medical, H. 6, 12-14<br />
[2] Health effects of exposure to EMF. SCENIHR Stellungnahme auf der 28. Plenarsitzung am<br />
19.01.09, www.ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04_scenihr/docs/scenihr_o_022.pdf<br />
[3] Pruessner, J.C.; Kirschbaum, C.; Meinlschmid, G.; Hellhammer, D.H. (2003): Two formulas for<br />
computation of the area under the curve represent measures of total hormone concentration<br />
versus time-dependent change. Psychoneuroendocrinology, 28(7), 916-931<br />
[4] Schaarschmidt, U., Fischer, A. (1996): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster<br />
(AVEM). Swets Test Services GmbH, Frankfurt<br />
[5] Laux, L.; Glanzmann, P.; Schaffner, P.; Spielberger, C.D. (1981): Das State-Trait-<br />
Angstinventar (STAI). Verl. Beltz Testgesellschaft, Weinheim<br />
[6] Zimmer, K.; Ellermeier, W. (1998): Ein Kurzfragebogen zur Erfassung der individuellen<br />
Lärmempfindlichkeit. Umweltmedizin, 2, 54-63<br />
[7] Peglau, K. (1980): Tachistoskopische Wahrnehmungsprobe (TaWaPro). Verkehrsmedizin,<br />
27(6)<br />
[8] Carlsson, F.; Persson, R.; Karlson, B.; Osterberg, K. et al.(2006): Salivary cortisol and selfreported<br />
stress among persons with environmental annoyance. Scand J Work Environ Health.<br />
32(2):109-120<br />
729
P128<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Untersuchung von Aufmerksamkeitsleistungen während des<br />
Telefonierens mit einem TETRAPOL- Handfunkgerät<br />
Gerlinde Kaul 1 , Bernd Schmitt 2 , Siegfried Eggert 1 , Klaus Hentschel 1 , Hannelore Neuschulz 1<br />
1<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz u. Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin;<br />
2 Institut für den medizinischen Arbeits- u. Umweltschutz der Bundeswehr (IMAUS), Berlin<br />
Hintergrund und Fragestellung:<br />
Der Mobilfunkstandard TETRAPOL ist – parallel mit TETRA 25 – für Behörden und<br />
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) entwickelt worden. Er beruht auf einer<br />
digitalen Signalverarbeitung und ist europaweit für tragbare Funkgeräte abhörsicher<br />
einsetzbar. Auch die Bundeswehr verwendet ihn seit 2002 bei Einsätzen mit<br />
grenzüberschreitenden Kommunikationsanforderungen. Im Frequenzbereich um 400<br />
MHz und bei einer Kanalbreite von 10 – 12,5 kHz wird ein cw-Signal im Semiduplex-<br />
Betriebsmodus ausgegeben. Dabei beträgt die Sendeleistung des Handfunkgerätes 2<br />
Watt.<br />
Bedeutsam für ein sicheres Verhalten und die Bewertung erhaltener Informationen ist die<br />
Zuverlässigkeit von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen. Bei einem<br />
bestimmungsgemäßen Gebrauch der TETRAPOL-Handfunkgeräte, bei dem geltende<br />
Grenzwerte nicht überschritten werden, sollten keine feldbedingten Effekte zu finden<br />
sein.<br />
Diese Untersuchung diente dem Ziel, den Einfluss dieses Mobilfunksystems unter<br />
Nahfeldbedingungen zu überprüfen, um einzuschätzen, ob unter der gegebenen<br />
TETRAPOL-Exposition dennoch ein mögliches Gesundheitsrisiko zu erwarten wäre.<br />
Methodik:<br />
In einem Doppelblind-Design wurde das menschliche Reaktionsverhalten während des<br />
ein- oder ausgeschalteten Handfunkgerätes analysiert. Die Stichprobe rekrutierte sich<br />
aus 36 jungen Männern im Alter zwischen 22 und 30 Jahren.<br />
Während die Exposition (links, rechts, feldfrei) in drei Untersuchungsabschnitten nach<br />
einem balancierten Versuchsplan wechselte (Tab. 1), war der Proband mit visuellen<br />
Testanforderungen beansprucht, die unterschiedliche Aufmerksamkeitsfunktionen<br />
ansprachen: Erhaltung des Vigilanzniveaus unter Monotonie [3], schnelle Reiz-Reaktion<br />
[3], Signalerkennung im „Signalrauschen“ [3] und die Initiierung einer<br />
Wahrnehmungstäuschung („autokinetc effect“).<br />
Das Experiment wurde mit einer feldfreien Trainingsphase begonnen, um Unterschiede<br />
im Leistungsniveau zwischen den Untersuchungsabschnitten auszugleichen. Gemessen<br />
wurden Reaktionszeit und Fehler sowie die Bewegungsparameter [4] der<br />
aufgezeichneten autokinetischen Illusion.<br />
730
P128<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Das Experiment wurde in einem geschirmten Faraday-Raum durchgeführt. Dabei waren<br />
die Originalfunkgeräte, die in Telefonierhaltung an einem Helm appliziert waren, bis auf<br />
ihre Antennenfunktion reduziert worden. Die Hochfrequenzexposition erfolgte als<br />
Dauerstrichsignal ohne Leistungsregelung mit einer Trägerfrequenz von 390,5625 MHz<br />
und wurde permanent ausgegeben. Über den gesamten Untersuchungsabschnitt<br />
dauerte die Exposition somit etwa 30 Minuten an. An der Anschlussbuchse des<br />
Funkgerätes betrug die cw-Sendeleistung (P HF ) 2 Watt. Am Kopfphantom (DASY 4)<br />
wurde unter der gegebenen TETRAPOL-Exposition die spezifische Absorptionsrate<br />
(SAR) ermittelt (Abb. 1). Die notwendige Hochfrequenzenergie wurde mittels<br />
Signalgenerator (Rohde & Schwarz) und Leistungsverstärker extern erzeugt und über<br />
dämpfungsarme Koaxialkabel der Antenne am Funkgerät zugeführt (Reflexions-faktor r <<br />
15%).<br />
Ergebnisse:<br />
Anhand der varianzanalytischen Bewertung der Mittelwertsunterschiede zwischen den<br />
Expositionsbedingungen [1] ließ sich bei keinem der gemessenen Parameter ein<br />
signifikanter Expositionseffekt belegen, auch wenn die Exposition jeweils über einen<br />
Zeitraum von 30 Minuten ungewöhnlich lang angedauert hatte. Lediglich die Dauer des<br />
Experiments wurde in einigen Parametern z.T. als Trainings- und z.T. als<br />
Ermüdungseffekt signifikant erkennbar.<br />
Auch das tonische Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit, das über die Zeitspanne<br />
jeder Testanforderungen gemittelt wurde, zeigte keine signifikante Beeinflussung durch<br />
die Exposition. Der zeitliche Verlauf des Experiments wurde aber über eine Änderung<br />
dieses Parameters signifikant abgebildet.<br />
Fazit:<br />
Die Ergebnisse geben keinen Hinweis auf eine Beeinflussung psychonervaler<br />
Informationsverarbeitungsprozesse auf Grund der TETRAPOL-Exposition, soweit sich<br />
diese in visuellen Aufmerksamkeitsleistungen hätten niederschlagen können.<br />
Demzufolge würde es im Nahfeld eines TETRAPOL-Hochfrequenzsignals bei einer<br />
bestimmungsgemäßen Benutzung des Funkgerätes auch nicht zu einer Beeinflussung<br />
der Handlungszuverlässigkeit während des Kommunizierens kommen.<br />
[1] Rasch, D.; Herrendörfer, G.; Bock, J.; Busch, K. (1981): Verfahrensbibliothek. Bd. 3, Kap.<br />
3/24/6950<br />
[2] Dosimetric Assessment System - DASY 4. Schmid & Partner Engineering AG (SPEAG),<br />
Messung durch ITIS-Foundation (ETH) Zürich<br />
[3] „Wiener Testsystem“. Fa. Dr. Schuhfried GmbH. Mödling, Austria<br />
[4] Shoemaker, A.; Bolt, D. (1992): Computer measurement of the autokinetic effect. Percept. Mot.<br />
Skills, 75, 771-777<br />
731
P128<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Periode<br />
(a i )<br />
Training<br />
a = 0<br />
Behandlungsfolgen (d i )<br />
1 2 3 4 5 6<br />
Exposition:<br />
O O O O O O<br />
a = 1<br />
a = 2<br />
a = 3<br />
O R L<br />
R L O<br />
L O R<br />
O R L<br />
L O R<br />
R L O<br />
Tab. 1: Balancierter Periodenversuchsplan [1]: ohne Exposition (O) bzw. an der linken (L) oder<br />
rechten (R) Kopfseite<br />
Abb. 1: Am Kopfphantom (DASY 4)ermittelte SAR-Werte unter TETRAPOL-Exposition [2]<br />
732
P129<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf<br />
zerebrale Gliazellen in vitro<br />
Elisabeth Preckel 1 , Ute Zimmermann 1 , Achim Seebens 2 , I. Erol Sandalcioglu 3 , U. Sure 3 , Albert<br />
W. Rettenmeier 1 , Elke Dopp 1<br />
1 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen,<br />
2 Institut für Kommunikationstechnik, Universität Duisburg-Essen,<br />
3 Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Essen<br />
Ziel der Studie<br />
Die rasche Expansion der Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren setzt die<br />
Menschen neuen physikalischen Einwirkungen aus der Umwelt und damit potenziell<br />
neuen Gesundheitsrisiken aus. Offen ist z. B. die Frage, ob die extensive Nutzung von<br />
Mobilfunktelefonen adverse Effekte in biologischen Systemen hervorruft. Während<br />
weitgehend Einigkeit über die thermischen Wirkungen hochfrequenter<br />
elektromagnetischer Strahlung herrscht, bedarf es noch eingehender Forschungsarbeit<br />
zu den nichtthermischen Effekten. Im Hinblick auf den geringen Abstand zwischen<br />
Gehirn und Mobilfunkantenne wurde in der vorliegenden Studie der Einfluss<br />
hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf humane zerebrale Gliazellen<br />
hinsichtlich zyto- und genotoxischer Effekte sowie intrazellulärer Radikalbildung<br />
untersucht.<br />
Methode<br />
C6 Ratten-Astrozytomzellen wurden in Ham’s F12, Humane Mikroglia in Mikroglia-<br />
Medium und Humane Oligodendrozyten-Progenitor-Zellen (HOPC) in Oligodendrozyten-<br />
Medium (beides von ScienCell) kultiviert und gegenüber HF-ER (900–1800 MHz)<br />
exponiert. In den Spezialinkubator wurde eine Antenne eingebaut und mit einem CMD-<br />
55-Digital-Radio-communication-Tester (Rohde & Schwarz) verbunden. Die Zytotoxizität<br />
wurde mittels Trypan-Blau-Test, die Genotoxizität (DNA-Strangbrüche) mit dem Comet-<br />
Assay, die ROS-Bildung mit der H 2 DCFDA-Färbung und die oxidative DNA-Schädigung<br />
mittels kompetitivem ELISA auf das Vorhandensein von 8-Hydroxy-2-desoxyguanosin (8-<br />
OHdG) untersucht.<br />
Ergebnisse<br />
Die elektromagnetische Strahlung in den untersuchten Frequenzbereichen induzierte<br />
weder zytotoxische noch genotoxische Effekte in den zerebralen Gliazellen. Auch eine<br />
oxidative DNA-Schädigung war nicht nachweisbar. Jedoch wurde eine erhöhte<br />
Radikalbildung nach einer Expositionsdauer von 1 h bei allen verwendeten Frequenzen<br />
in den untersuchten Zellarten beobachtet (siehe Abb.1).<br />
733
P129<br />
Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />
a) b) c)<br />
Radikalbildung in C6<br />
Radikalbildung in C6<br />
Radikalbildung in Mikroglia<br />
Radikalgehalt im<br />
Verhältnis zur Kontrolle<br />
in %<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
0.25 0.5 1 2<br />
Expositionsdauer in h<br />
900 MHz 0 W<br />
900 MHz 1 W<br />
900 MHz 2 W<br />
Radikalgehalt im Verhältnis<br />
zur Kontrolle in %<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
0.25 0.5 1 2<br />
Expositionsdauer in h<br />
1800 MHz 0 W<br />
1800 MHz 1 W<br />
1800 MHz 2 W<br />
Radikalgehalt im Verhältnis<br />
zur Kontrolle in %<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
0.5 1<br />
Expositionsdauer in h<br />
Mikroglia bei 1800<br />
MHz 2 W<br />
Abb. 1: Intrazelluläre Radikalbildung nach Exposition von Gliazellen der Ratte (a, b) und des<br />
Menschen (c) gegenüber elektromagnetischer Strahlung verschiedener Frequenzbereiche (a) 900<br />
MHz, b) und c) 1800 MHz) und Leistungen (0 bis 2 W).<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
Elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich von 900 bis 1800 MHz und einer<br />
Leistung bis zu 2 W induzierte weder Zytotoxizität noch eine DNA-Schädigung<br />
(Chromosomenbruch und 8-OHdG-Bildung) in zerebralen Gliazellen in vitro. Dagegen<br />
war die intrazelluläre Radikalbildung in C6-Zellen und in humanen Mikroglia nach<br />
Exposition gegenüber elektromagnetischer Strahlung, die dem Frequenzbereich des<br />
deutschen Mobilfunknetzes entspricht, signifikant erhöht. Ob diese erhöhten<br />
Radikalgehalte in der Zelle zu einer Inaktivierung von Enzymen, einer Schädigung von<br />
Proteinen oder einer Beeinträchtigung von Signalwegen führen, ist noch unklar und soll<br />
daher weiter untersucht werden. Dabei sollen in nachfolgenden Studien neuronale<br />
Zellgemische verwendet werden, um reale Bedingungen besser abbilden zu können.<br />
Danksagung<br />
Das Projekt wurde vom Zentrum für Wasser- und Umweltforschung (ZWU,<br />
Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“) der Universität Duisburg-Essen unterstützt.<br />
734
P130<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die Entstehung<br />
von Kniegelenksarthrose – Zielsetzung und Methodik der ArGon-<br />
Studie<br />
André Klußmann 1 , Hansjürgen Gebhardt 1 , Matthias Nübling 2 , Falk Liebers 3 , Bertil Bouillon 4 , Monika<br />
A. Rieger 5,6 und die ArGon-Studiengruppe<br />
1<br />
Institut ASER e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal<br />
2<br />
Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), Freiburg<br />
3<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Gruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter<br />
Erkrankungen“, Berlin<br />
4<br />
Lehrstuhl für Unfallchirurgie / Orthopädie der Universität Witten / Herdecke, Klinik für Unfallchirurgie und<br />
Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Merheim, Köln<br />
5<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Fakultät<br />
für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Witten<br />
6<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />
Einleitung<br />
Die Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) ist eine der häufigsten degenerativen Erkrankungen<br />
des Muskel-Skelett-Systems. Als Risikofaktoren für Gonarthrose (GA) werden neben<br />
konstitutionellen Faktoren körperliche Fehlbelastungen und Zwangshaltungen sowohl im<br />
Beruf (z.B. Knien, Heben und Tragen schwerer Lasten) (1, 2, 3) als auch in der Freizeit<br />
(z.B. bestimmte Sportarten) diskutiert. Vor diesem Hintergrund sollte ein möglichst großes<br />
Spektrum von Risikofaktoren für die Entstehung und den Fortschritt einer Gonarthrose in<br />
der Zusammenschau bei Frauen und Männern untersucht werden mit dem Ziel,<br />
Präventionsmaßnahmen abzuleiten bzw. Zielgrößen für die Prävention der Gonarthrose zu<br />
beschreiben. Zu diesem Zweck wurde von der BAuA eine Fall-Kontroll-Studie initiiert und<br />
finanziert (BAuA-Fremdforschungsprojekt F2096; ArGon (Arbeit und Gonarthrose)).<br />
Methoden<br />
Mittels standardisierter Fragebögen wurden Patienten mit klinisch relevanter<br />
Kniegelenksarthrose befragt (Fallgruppe). Verglichen wurde diese Fallgruppe mit einem<br />
Kontrollkollektiv, dem ein inhaltsgleicher Fragebogen vorgelegt wurde. Der Fragebogen<br />
wurde im Wesentlichen auf Grundlage bereits bestehender Instrumente entwickelt (u.a. aus<br />
den Studien von Sandmark et al. (1), Coggon et al. (2) und Seidler et al. (3)) und enthält die<br />
in Abb. 1 dargestellten Items. Bei den Fällen erfolgte die Dokumentation des in der Regel<br />
arthroskopisch bzw. intraoperativ erhobenen Befundes (Schwere und Lokalisation des<br />
Knorpelschadens) gemäß ICRS-Standard.<br />
Eingeschlossen in diese Studie wurden Männer und Frauen im Alter von 25-75 Jahren mit<br />
Wohnsitz im Einzugsgebiet die sprachlich und kognitiv in der Lage waren den Fragebogen<br />
auszufüllen und ihre Studienteilnahme mit einer Einverständniserklärung bestätigten. Als<br />
Fälle wurden Patienten rekrutiert, die eine der beteiligten Kliniken aufgrund von<br />
Kniebeschwerden aufsuchten, eine gesicherte Gonarthrose an mind. einem Knie (mind.<br />
Grad III n. Outerbridge, 1961 oder Grad II n. Kellgren & Lawrence, 1963) hatten sowie über<br />
735
P130<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
keine zurückliegenden Frakturen mit Kniegelenksbeteiligung, Verletzungen des Knies oder<br />
entzündliche bzw. reaktive Kniegelenkerkrankungen in der Vergangenheit berichteten. Als<br />
Kontrollen wurden Patienten rekrutiert, die stationär aufgrund einer Unfallverletzung<br />
(ausgeschlossen wurden hierbei Arbeitsunfälle) aus äußerer Ursache in einer der<br />
beteiligten Kliniken behandelt wurden und bei denen die Diagnose Gonarthrose bisher nicht<br />
gestellt wurde. Es wurde ein detailliertes Studienprotokoll verfasst, welches der zuständigen<br />
Ethikkommission an der Universität Witten / Herdecke vorgelegt und nach Genehmigung<br />
veröffentlicht wurde (4).<br />
Ergebnisse<br />
Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen (438 Frauen, 301 Männer) und 571<br />
Kontrollen (303 Frauen, 268 Männer) zur Verfügung. Die Auswertung und Diskussion der<br />
Erhebung sind im Beitrag zu V86 in diesem <strong>Tagungsband</strong> (5) dargestellt.<br />
Danksagung<br />
Das Forschungsprojekt wurde initiiert, finanziert und fachlich begleitet von der<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (Fremdforschungsprojekt<br />
F2096). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird finanziell<br />
unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V.<br />
(Südwestmetall).<br />
Literatur<br />
(1) Coggon, D., Croft, P., Kellingray, S., Barrett, D., McLaren, M., Copper, C.: Occupational<br />
physical activities and osteoarthritis of the knee. Arthr. Rheum. 2000; 43: 1443-1449.<br />
(2) Sandmark, H., Hogstedt, C., Vingard, E.: Primary osteoarthritis of the knee in men and<br />
women as a result of lifelong physical load from work. Scand. J. Work Environ Health. 2000;<br />
26: 20-25.<br />
(3) Seidler, A., Bolm-Audorff, U., Abolmaali, N., Elsner, G. and the knee osteoarthritis studygroup.<br />
The role of cumulative physical work load in symptomatic knee osteoarthritis – a<br />
case-control study in Germany, Journal of Occupational Medicine and Toxicology 2008,<br />
3:14. doi:10.1186/1745-6673-3-14<br />
(4) Klußmann, A., Gebhardt, H., Liebers, F., von Engelhardt, L.V., Dávid, A., Bouillon, B.,<br />
Rieger, M.A.: Individual and occupational risk factors for knee osteoarthritis – Study protocol<br />
of a case control study. BMC Musculoskeletal Disorders 2008, 9:26; doi:10.1186/1471-<br />
2474-9-26.<br />
(5) Rieger, M.A., Klußmann, A., Gebhardt, H., Nübling, M., Liebers F., Bouillon, B. und die<br />
ArGon-Studiengruppe: Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die<br />
Kniegelenksarthrose – Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie. Dokumentation der 49.<br />
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin <strong>2009</strong>,<br />
V86.<br />
736
P130<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Individuelle Faktoren I<br />
• Körpergröße<br />
• Körpergewicht<br />
• Body-Mass-Index<br />
• Rauchen (Packungsjahre)<br />
• Alkoholkonsum<br />
• Schulabschluss<br />
• Kniebeschwerden in Kindheit<br />
• Harte Arbeit während Kindheit<br />
• GA in enger Verwandtschaft<br />
• Anzahl Schwangerschaften<br />
• Dauer Hormoneinnahme<br />
• Dauer Periode<br />
Individuelle Faktoren II<br />
• Skoliose<br />
• Hüftstellungsfehler<br />
• Beinlängendifferenz<br />
• X oder O – Beine<br />
• Diabetes<br />
• Osteoporose<br />
• Gicht<br />
• Erh. Blutfettwerte<br />
• Erh. Cholesterin<br />
• Schilddrüsenunter-/-überfunkt.<br />
berufliche Faktoren I*<br />
• Sitzen<br />
• Stehen<br />
• Gehen<br />
• Knien<br />
• Knieschützer<br />
• Springen<br />
• Treppen steigen<br />
Kniegelenksarthrose<br />
berufliche Faktoren II*<br />
• Akkordarbeit / Zeitdruck<br />
• Hand-Arm od. Ganzkörper-Vibration<br />
• Bedienung schwerer Werkzeuge<br />
• Nässe / Feuchtigkeit<br />
• Kälte od. Hitze bei der Arbeit<br />
• Gehen/Stehen nass/uneben Boden<br />
• Knien / Kriechen nass/uneben Boden<br />
• Heben/Tragen von Lasten<br />
• Ziehen/Schieben von Lasten<br />
Freizeitaktivitäten / Sport*<br />
• Mannschaftssport<br />
• Tennis/Tischtennis<br />
• Squash/Badminton<br />
• Kegeln/Billard/Bowling/Dart<br />
• Golf/Minigolf<br />
• Schiessen/Bogenschiessen<br />
• Kampfsport<br />
• Bodybuilding/Schwerathlethik<br />
• Fitnesstraining/Kieser<br />
• Nordic Walking, Sprint, Langstecke<br />
• Spinning/Rückenschule/Pilates<br />
• Leichtathl.: Speerw, Kugelst, Springen<br />
• Fahrrad fahren, Wandern/Spazieren<br />
• Schwimmen<br />
• Sonst. Wassersport<br />
außerberufliche Aktivitäten*<br />
• Anteil an Hausarbeit<br />
• Pflege Erwachsener / Pflege Kind<br />
• Gartenarbeit<br />
• Bau/Umbau Haus/Wohnung<br />
• Renovierung / Renovierungshilfe<br />
• Nebentätigkeiten<br />
• Landwirtschaft/Tierhaltung<br />
* Kumulative Werte über alle Berufe/Tätigkeiten in Stunden, bzw. Scores<br />
Abb. 1: Fragebogenitems und mögliche Prädiktoren für Kniegelenksarthrose.<br />
737
P131<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Physische Beanspruchung versus subjektives Erleben bei<br />
Kommissionierarbeit in Kälte<br />
Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
738
P132<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Beeinflusst die chemosensorische Wahrnehmung von Acetaldehyd<br />
die kognitive Leistung?<br />
Kathrin Hey, Stefan Kleinbeck, Michael Schäfer, Ernst Kieswetter, Meinolf Blaszkewicz, Anna<br />
Zimmermann, Klaus Golka und Christoph van Thriel<br />
IfADo – Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />
Kurzfassung: Um Aufschluss über eventuelle Leistungsveränderung in Abhängigkeit der<br />
Raumluftkonzentrationen zu bekommen, wurde während 4-stündiger Exposition mit<br />
unterschiedlichen Acetaldehyd-Konzentrationen (0; 12,5; 25; 37,5 und 50 ppm) die kognitive<br />
Leistung der Untersuchungsteilnehmern erfasst. Zudem wurden mit standardisierten<br />
Beurteilungsskalen die Geruchsbelästigung und weitere chemosensorische Empfindungen<br />
abgefragt. Während der Exposition zeigten sich nur schwache Geruchseffekte ohne<br />
Hinweise auf sensorische Irritationen. Aus den Ergebnissen der kognitiven Tests lässt sich<br />
ablesen, dass die Art der Aufgabe für eine konzentrationsabhängige Leistungsveränderung<br />
bedeutsam ist. Besonders für Aufgaben des räumlichen Arbeitsgedächtnisses verlängerten<br />
sich die Reaktionszeiten während der 50 ppm Bedingung. Der selektive Effekt kann jedoch<br />
nicht im Sinne eines generellen Ablenkungseffekts durch den Geruch von Acetaldehyd<br />
interpretiert werden.<br />
Einleitung<br />
Unter der Bezeichnung „lokale Reizstoffe“ werden chemische Arbeitsstoffe<br />
zusammengefasst, die chemisch-irritative Wirkungen an den oberen Atemwegen und<br />
Augen auslösen.<br />
Acetaldehyd ist ein solcher „lokaler Reizstoff“. Es ist eine farblose, sehr leicht flüchtige<br />
und leicht entzündliche Flüssigkeit (CH3CHO). Acetaldehyd ist bedeutendes<br />
Zwischenprodukt zur Herstellung zahlreicher organischer Großprodukte und wird unter<br />
anderem zur Herstellung von Kunststoff-Flaschen und beim Versilbern von Glas verwendet.<br />
Die Maximale Arbeitsplatzkonzentration für Acetaldehyd liegt derzeit bei 50 ppm (DFG<br />
2007), eine Überschreitung des Wertes hinsichtlich einer Spitzenbegrenzung ist nicht<br />
erlaubt.<br />
In einem Experiment mit Ratten konnte bei einer 3-tägigen inhalativen Exposition gegen<br />
750 ppm eine erhöhte Inzidenz an Einzelzellnekrosen des olfaktorischen Epithels<br />
festgestellt werden (Cassee et al. 1996). Dieser Versuch belegt die zytotoxische Wirkung<br />
von Acetaldehyd bei höheren Konzentrationen, wie auch in weiteren Untersuchungen am<br />
olfaktorischen Epithel von Ratten (Appelman et al. 1982; Saldiva et al. 1985).<br />
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P132<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Für eine einmalige Exposition beim Menschen wurden ab 135 ppm Reizungen des<br />
oberen Atemtraktes beschrieben (Sim und Pattle 1957). Zu wiederholten Expositionen gibt<br />
es bislang keine Ergebnisse. In einer kürzlich vorgestellten Untersuchung von Muttray et al.<br />
(2008) konnten für eine akute Belastung durch 50 ppm Acetaldehyd bei gesunden<br />
Probanden keine adversen Effekte auf die oberen Atemwege gefunden werden (Vortrag<br />
<strong>DGAUM</strong>, 48. Jahrestagung). Weiterhin fehlen Erkenntnisse über die Stärke der<br />
Geruchsbelästigung und über die Einflüsse, die berufliche Expositionen von Acetaldehyd<br />
auf das Erleben und Verhalten des Menschen haben.<br />
Der Untersuchung wurde von Seiten der Ethikkommission zugestimmt und alle<br />
Probanden nahmen freiwillig an dem Expositionsexperiment teil. Die methodische<br />
Vorgehensweise wird im Folgenden weiter erläutert.<br />
Methoden<br />
In unserem Expositionslabor befinden sich vier Computerarbeitsplätze. Von einem<br />
externen Steuerraum aus können unterschiedliche Leistungstests gestartet werden.<br />
Insgesamt wurden von den Probanden drei kognitiven Aufgaben während der Exposition<br />
bearbeitet, um die Wirkungen von Acetaldehyd zu untersuchen.<br />
Zum einen benutzten wir eine Arbeitsgedächtnisaufgabe, entlehnt aus der Testbatterie<br />
zur Aufmerksamkeitsprüfung von Zimmermann und Fimm (1994), bei der die Erinnerung<br />
von Zahlen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen (2-back, 3-back) erfasst wird. Diese<br />
Arbeitsgedächtnisaufgabe wurde um zwei Versionen erweitert, eine mit Objekten, eine<br />
andere mit unterschiedlich räumlich angeordneten Punktpositionen. Desweiteren<br />
bearbeiteten die Probanden eine Flankierreizaufgabe modifiziert nach Kopp et al. (1996),<br />
bei der die möglichst schnelle Reaktion auf einen Zielreiz erfasst wird. Durch ablenkenden<br />
„Flankier“-Reize werden bei dieser Aufgabe Fehler provoziert und die Reaktionszeit wird für<br />
die inkongruenten Durchgänge (Zielreiz und Ablenkreiz differieren) verlängert. Bei der<br />
letzten Aufgabe, der Aufgabe zur Geteilten Aufmerksamkeit, wurden die<br />
Versuchsteilnehmern angehalten gleichzeitig eine visuelle und eine auditive Aufgabe zu<br />
bearbeiten. Diese Aufgabe ist ebenfalls ein Untertest aus der Testbatterie zur<br />
Aufmerksamkeitsprüfung (TAP).<br />
Desweiteren wurde mit standardisierten Messverfahren Beschwerden und Befinden der<br />
Probanden an jedem Tag der Exposition mehrfach erfasst.<br />
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P132<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
2.1 Experimentelles Design<br />
An der Untersuchung nahmen 18 gesunde rechtshändige Teilnehmer, davon 10 Männer<br />
und 8 Frauen im Alter zwischen 19 und 34 Jahren ( = 23,33 Jahre) teil. Die Untersuchung<br />
dauerte fünf Wochen, für jede Versuchsperson an einem Tag in der Woche von 8:00 bis<br />
16:30 Uhr. Maximal vier Versuchspersonen wurden an jedem Termin vier Stunden mit fünf<br />
unterschiedlichen Acetaldehyd-Konzentrationen im Labor exponiert (0 ppm; 12,5 ppm; 25<br />
ppm; 37,5 ppm und 50 ppm). Die Nullbedingung entsprach der Kontrollbedingung.<br />
Folgenden Faktoren gehen in die Analysen mit ein: Der Faktor Konzentration mit den<br />
oben genannten Abstufungen, der Faktor Durchgang (Beginn und Ende der Exposition), der<br />
Faktor Art des Reizes (Punkte; Objekte; Ziffern bzw. visuell; auditiv), sowie der Faktor<br />
Schwierigkeit der Aufgabe (2-back; 3-back) für die Arbeitsgedächtnisaufgabe und<br />
Kompatibilität (inkompatibel; kompatibel) für die Flankierreizaufgabe.<br />
Als abhängige Variable wurden die Anzahl der Fehler bzw. der Richtigen Reaktionen und<br />
die Reaktionszeiten erfasst.<br />
Ergebnisse<br />
Selbst für die 50 ppm Bedingung berichteten die Probanden lediglich eine mäßige<br />
Geruchsbelästigung. Besonders für die Augenreizungen war zu beobachten, dass gegen<br />
Ende der Exposition (180 bis 235 Minuten) sich die Werte erhöhten. Doch auch hier blieben<br />
die von den Probanden wahrgenommen Augenreizungen im geringfügigen Bereich.<br />
Für die Arbeitsgedächtnisaufgabe ergab sich sowohl für die Anzahl der Richtigen<br />
Reaktionen (nR) als auch für die Reaktionszeiten (RT) einen Haupteffekt Reiz (nR: F 2,16 =<br />
10,2; p = .001 und RT: F 2,16 = 4,3; p = .032) und einen Haupteffekt Schwierigkeit (nR: F 1,17<br />
= 73,4; p = .000 und RT: F 1,17 = 14,5; p = .001), sowie eine Wechselwirkung Reiz x<br />
Schwierigkeit (nR: F 2,16 = 46,9 ; p = .000 und RT: F 2,16 = 5,7; p = .014).<br />
Eine Wechselwirkung Konzentration x Reiz (F 1,17 = 3,7; p = .028) konnte für die<br />
Reaktionszeiten gefunden werden, wobei für die höchste Konzentration von 50 ppm die<br />
Reaktionszeiten der räumlichen und der objektbezogenen Arbeitsgedächtnisaufgabe<br />
deutlich höher waren als für die anderen Konzentrationsbedingungen, und auch höher als<br />
die der Gedächtnisaufgabe mit Zahlen.<br />
Für die Flankierreizaufgabe zeigte sich für die Anzahl der Richtigen Reaktionen ein<br />
Haupteffekt Kompatibilität (F 1,17 = 3372,9; p = .000), sowie eine Wechselwirkung<br />
Kompatibilität x Durchgang (F 4,14 = 21,0; p = .000). Desto später der Durchgang im<br />
Expositionszeitraum lag, desto schlechter waren die Ergebnisse für die inkompatiblen<br />
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P132<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Durchgängen. Die für die Flankierreizaufgabe zusätzlich erfassten Fehlalarme (Reaktion,<br />
obwohl keine Reaktion erwünscht) bestätigten diesen Durchgangseffekt hochsignifikant (F<br />
1,17 = 25,1; p = .000).<br />
Für die Aufgabe zur Geteilte Aufmerksamkeit unterschieden sich die Reaktionen auf die<br />
unterschiedlichen Reize (visuell oder auditiv) wie erwartet hochsignifikant (nR: F 2,16 = 937,9;<br />
p = .000 und RT: F 2,16 = 78,7; p = .000). Desweiteren konnte für die Anzahl der Richtigen<br />
Reaktionen eine Wechselwirkung Konzentration x Durchgang bestätigt werden (F 4,14 =<br />
3,041; p = .026). Gegen Ende der Exposition nahm für die 50 ppm Bedingung die Anzahl<br />
der Richtigen Reaktionen deutlich stärker ab als für die anderen<br />
Konzentrationsbedingungen.<br />
Trotz einiger Hinweise – bezogen auf die Wechselwirkungen Konzentration x Reiz, sowie<br />
Konzentration x Durchgang – wurde eine dosisabhängige Wirkung auf die kognitiven<br />
Leistungen der akut gegenüber Acetaldehyd exponierten Probanden in dem vorliegenden<br />
Experiment nicht bestätigt. Chemosensorisch vermittelte Ablenkeffekte sind daher<br />
unwahrscheinlich.<br />
Literatur<br />
1. Appelman, L.M., Woutersen, R.A. und Feron, V.J. 1982. Inhalation toxicity of<br />
acetaldehyde in rats. I. Acute and subacute studies. Toxicology. 23: 293-307.<br />
2. Cassee, F.R., Arts, J.H., Groten, J.P. und Feron, V.J. 1996. Sensory irritation<br />
to mixtures of formaldehyde, acrolein, and acetaldehyde in rats. Archives of<br />
toxicology. 70: 329-337.<br />
3. DFG (2007) List of MAK and BAT Values. WILEY-VCH Verlag GmbH,<br />
Weinheim.<br />
4. Kopp, B., Mattler, U., Goertz, R. und Rist, F. 1996. N2, P3 and the lateralized<br />
readiness potential in a nogo task involving selective response priming.<br />
Electroencephalogr Clin Neurophysiol. 99: 19-27.<br />
5. Muttray, A., Gosepath, J., Brieger, J., Faldum, A., Pribisz, A., Mayer-Popken,<br />
O., Jung, D., Mann, W. und Roßbach, B. 2008. Zur Wirkung von 50 ppm<br />
Acetaldehyd auf die oberen Atemwege gesunder Probanden. Arbeitsmed<br />
Sozialmed Umweltmed 43: 144-145.<br />
6. Saldiva, P.H., do Rio Caldeira, M.P., Massad, E., Calheiros, D.F., Cardoso,<br />
L.M., Bohm, G.M. und Saldiva, C.D. 1985. Effects of formaldehyde and<br />
acetaldehyde inhalation on rat pulmonary mechanics. J Appl Toxicol. 5: 288-<br />
292.<br />
7. Sim, V.M. und Pattle, R.E. 1957. Effect of possible smog irritants on human<br />
subjects. J Am Med Assoc. 165: 1908-1913.<br />
8. Zimmermann, P. und Fimm, B. 1994. Testbatterie zur<br />
Aufmerksamkeitsprüfung (TAP). Psychologische Testsysteme.<br />
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Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
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Messungen der bequemen vertikalen Augen- und Kopfneigung<br />
Franziska Schulz 1 , Wolfgang Jaschinski 2<br />
1<br />
Studiengang Augenoptik, Fachbereich SciTec, Fachhochschule Jena, Jena<br />
2<br />
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, IfADo, Dortmund<br />
Einleitung: Bei der Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes besteht oft die Frage, in<br />
welcher Höhe der Bildschirm relativ zum Auge aufgestellt werden sollte, um<br />
Sehbeschwerden und Muskel-Skelett-Beschwerden zu vermeiden. Wegen<br />
widersprüchlicher Angaben in Forschung und praktischen Empfehlungen untersuchen wir<br />
die Ruheblickneigung bei bequemer Kopfhaltung. Wir verfolgen das Konzept, dass eine<br />
muskuläre Sehfunktion wie die vertikale Augenneigung eine Ruhelage besitzt, die sich ohne<br />
Sehreiz (z. B. in Dunkelheit) einstellt, dass diese Ruhelage von den Augen spontan<br />
eingenommen wird und dabei eine minimale subjektive Anstrengung resultiert; diese<br />
Ruhelage könnte dann einer Augenposition entsprechen, die gegenüber anderen<br />
Positionen bevorzugt und somit angenehm und bequem empfunden wird. Aus den<br />
bequemen Ruhepositionen von Kopf und Auge lässt sich die Höhenposition des Bildschirms<br />
ableiten (siehe Abbildung).<br />
Auge –Ohr-Linie LinieLinie<br />
Blickneigung<br />
Bildschirm<br />
Aus der Kopfneigung relativ zum Rumpf und der Augenneigung relativ zum Kopf resultiert die<br />
Blickneigung relativ zur Horizontalen.<br />
Methode: Bei 21 normalsichtigen Probanden im Alter von 18 bis 42 Jahren untersuchten<br />
wir die Ruheblickneigung bei bequemer Kopfhaltung mit den folgenden vier Verfahren.<br />
a) Objektive Messung der vertikalen Blickneigung in Dunkelheit mit dem Video-Eyetracker<br />
EyeLink II (SR-Research).<br />
b) Schnelltest-Verfahren: Vor dem Probanden steht eine quadratische Kartonsäule, auf<br />
jeder Seite bedruckt mit vertikal angeordneten Zeichen. Man schließt die Augen, bewegt sie<br />
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P133<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
aufwärts und abwärts, um die angenehme Blickneigung zu finden. Beim Öffnen der Augen<br />
gibt man an, welches Sehzeichen man spontan fixierte.<br />
c) Cross-Modality Matching: bei Blickneigungen von 10, 0, -10, -20, -30, -40, -50 Grad übt<br />
man jeweils eine Kraft auf einen Drucksensor aus, um damit das Ausmaß der Anstrengung<br />
zu beurteilen, das man jeweils beim Fixieren eines Sehobjekts für 10 s empfindet. Durch<br />
eine Parabelanpassung an die gemessenen Kräfte wird diejenige Blickneigung ermittelt, bei<br />
der die empfundene Sehanstrengung minimal ist.<br />
d) Bevorzugte Blickneigung: Ein Sehzeichen wird abwechselnd von oben und von unten ins<br />
Blickfeld geführt: man gibt den Punkt an, an dem das Sehen angenehm wird. Der Mittelwert<br />
aus dem oberen und unteren Grenzwert ergibt die bevorzugte Blickneigung.<br />
Ergebnisse: Die mittlere Blickneigungen betrug bei den Verfahren (a) und (b) 9 Grad, bei<br />
den Verfahren (c) und (d) 14 Grad. Die Daten der vier Messverfahren zeigten signifikante<br />
Test-Retest-Korrelationen und signifikante Interkorrelationen. Ein Vergleich der<br />
Blickneigung minimaler Anstrengung (c) und der bevorzugten Blickneigung (d) zeigte keinen<br />
signifikanten Mittelwertsunterschied, ebenfalls nicht der Vergleich der Ruheblickneigungen,<br />
die objektiv (a) bzw. mit dem Schnelltest (b) gemessen wurden.<br />
Diskussion: Wegen deutlicher individueller Unterschiede in der Ruheblickneigung<br />
(zwischen der Horizontalen und etwa 20° abwärts) können Empfehlungen für die<br />
Bildschirmposition nur individuell sein. Allerdings besteht das praktische Problem, wie man<br />
seine individuelle Ruheblickneigung in der Praxis findet. Hierzu lässt sich das Schnelltest –<br />
Verfahren folgendermaßen auf die Arbeitsplatzsituation übertragen. Man nimmt am<br />
Arbeitsplatz eine ergonomisch günstige Sitzhaltung und Kopfposition ein, schließt dann<br />
seine Augen, bewegt sie auf- und abwärts und sucht so eine angenehme Augenposition,<br />
ohne sich an der tatsächlichen Bildschirmhöhe zu orientieren. Wenn man beim Augenöffnen<br />
spontan in die obere Hälfte des Bildschirms blickt, dann ist die Bildschirmmitte in günstiger<br />
Höhe, denn die anstrengungsärmste Position liegt etwas unterhalb des Ergebnisses des<br />
Schnelltest-Verfahrens. Ist der spontane Blick beim Augenöffnen nicht in die obere<br />
Bildschirmhälfte gerichtet, dann sollte der Bildschirm in der Höhenposition entsprechend<br />
verstellt werden. Für eine solche individuelle Höhenpositionierung muss jedoch der<br />
Flachbildschirm sehr flexibel verstellbar sein, was bei derzeitigen Modellen jedoch eher<br />
selten der Fall ist.<br />
Weitere Aspekte der Bildschirmergonomie, wie die spezielle Situation von alterssichtigen<br />
Personen mit Gleitsichtbrillen, sind beschrieben in Jaschinski, W.: Zbl. Arbeitsmed. 58: 172-<br />
180, 2008; siehe auch www.ifado.de/vision.<br />
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„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Arbeits- und personenbezogene Korrelate des Burnouterlebens<br />
sächsischer Lehrer und Lehrerinnen<br />
Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />
1. Einleitung<br />
Der Lehrerberuf fällt durch ein hohes Risiko für psychische Erkrankungen und Burnout auf.<br />
Dies hat besonders für einen gesellschaftlich bedeutsamen Beruf, wie den des Lehrers,<br />
erhebliche Konsequenzen. Die Gesundheit der Lehrer ist neben ihrer Qualifikation und<br />
Motivation eine unabdingbare Voraussetzung für eine gute Arbeitsfähigkeit und -<br />
zufriedenheit, beruflichen Erfolg sowie die Umsetzung des Bildungsauftrages im System<br />
Schule. Obwohl Burnout ein multidimensional beeinflusstes Konstrukt ist, beschränken sich<br />
die meisten bisherigen Studien auf einzelne Variablenbereiche (z.B. nur Arbeitsmerkmale),<br />
was allerdings einer ganzheitlichen Betrachtung entgegensteht. Daher ist es Anliegen der<br />
vorliegenden Arbeit neben weiteren gesundheitlichen Variablen sowohl arbeits- als auch<br />
personenbezogene, Merkmale auf ihren Zusammenhang mit Burnout zu untersuchen. Da<br />
nach bisherigen Studien zum Burnouterleben bei Lehrkräften von geschlechtsspezifischen<br />
Besonderheiten im Burnouterleben der Lehrer und Lehrerinnen auszugehen ist, soll auch<br />
der Geschlechtsaspekt in dieser Studie berücksichtigt werden.<br />
2. Methode<br />
2.1 Stichprobe<br />
In einem bundesweiten Verbundprojekt wurden arbeits- und personenbezogene Merkmale<br />
sächsischer Lehrkräfte erhoben. Die hier betrachtete Stichprobe setzt sich aus 83 Lehrern<br />
(Durchschnittsalter 47 ± 6 Jahre) und 630 Lehrerinnen (Durchschnittsalter 46 ± 7 Jahre) aus<br />
Grund- und Mittelschulen sowie Gymnasien zusammen. Lehrer und Lehrerinnen<br />
unterschieden sich im Beschäftigungsverhältnis: Während fast Dreiviertel der Lehrerinnen<br />
(71 %) teilzeitbeschäftigt (TZ) waren, traf dies nur auf knapp die Hälfte (43 %) der Lehrer<br />
zu.<br />
2.2 Eingesetzte Verfahren<br />
Als Erhebungsinstrument für Burnout, dem zentralen Konstrukt dieser Arbeit, diente die<br />
deutsche Form des Maslach Burnout Inventory (MBI-D) in der Übersetzung von Büssing<br />
und Perrar (1992). Demnach setzt sich Burnout aus drei Dimensionen zusammen: (1)<br />
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Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
emotionaler Erschöpfung, d.h. dem Gefühl der Entkräftung (verursacht durch verbrauchte<br />
Ressourcen), (2) Depersonalisation, dem distanzierten Verhalten hier gegenüber Schülern<br />
und (3) der reduzierten Leistungsfähigkeit, worunter eine herabgesetzte Wahrnehmung der<br />
eigenen beruflichen Kompetenz verstanden wird. Arbeitsbezogenen Variablen, wie z.B.<br />
Arbeitsumfang, Klassengröße, Arbeitsfähigkeit und Effort-Reward-Imbalance wurden<br />
anhand eines Fragebogens zur Berufsanamnese (Seibt & Dutschke, 2005), dem Work<br />
Ability Index (BAuA, 2003) und dem ERI-Questionnaire (Rödel et al., 2004) erhoben. Als<br />
gesundheitsbezogene Daten wurden physische und psychische Beschwerden (BFB: Höck<br />
und Hess (1975), psychische Beeinträchtigung (GHQ-12: Goldberg & Williams, 1991) und<br />
aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen Blutdruck und Body Mass Index berücksichtigt.<br />
Zur Ermittlung der personenbezogenen Merkmale Kohärenzsinn und Erholungsunfähigkeit<br />
kamen der Sense of Coherence-Fragebogen in der Leipziger Kurzform (SOC-L9:<br />
Schumacher, Wilz, Gunzelmann & Brähler, 2000) und eine Skala des Fragebogens zur<br />
Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung (FABA: Richter, Rudolf & Schmidt,<br />
1996) zum Einsatz.<br />
2.3 Statistische Auswertung<br />
Zur Analyse der Geschlechtseffekte wurden je nach Datenniveau der untersuchten<br />
Variablen Unterschiedstests (t-Test; Chi-Quadrat-Unterschiedstest) durchgeführt. Zur<br />
Ermittlung der geschlechtsspezifischen Zusammenhänge mit den Burnout-Dimensionen<br />
(emotionale Erschöpfung, Depersonalisation, reduzierte Leistungsfähigkeit) wurden<br />
Korrelations- und Regressionsanalysen berechnet.<br />
3. Ergebnisse<br />
3.1 Geschlechtseffekte zwischen Lehrern und Lehrerinnen<br />
Alle drei Burnout-Dimensionen waren bei beiden Geschlechtern moderat ausgeprägt (Tab.<br />
1). Lehrer erleben Depersonalisation stärker als Lehrerinnen, während für emotionale<br />
Erschöpfung und reduzierte Leistungsfähigkeit keine Geschlechtsunterschiede bestehen.<br />
Lehrer arbeiten mehr Stunden und unterrichten mehr Klassen. Die<br />
Geschlechtsunterschiede im ERI-Ratio (Lehrer: 0,7 ± 0,3; Lehrerinnen: 0,6 ± 0,2; p=.065)<br />
und in der Arbeitsfähigkeit sind nicht praktisch bedeutsam. Bezüglich<br />
gesundheitsbezogener Variablen lassen sich keine Unterschiede in der psychischen<br />
Beeinträchtigung feststellen. Die Anzahl physischer und psychischer Beschwerden ist bei<br />
Lehrern geringer, obwohl sie ungünstigere Blutdruck- und BMI-Werte (Lehrer: 27 ± 3;<br />
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P134<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Lehrerinnen: 25 ± 4; p=.001; d= .39) aufweisen. Die Erholungsunfähigkeit ist bei Lehrern<br />
geringer ausgeprägt, während sich im Kohärenzsinn keine Unterschiede finden lassen.<br />
Tabelle 1: Unterschiedstests zur Ermittlung von Geschlechtsunterschieden<br />
Variable<br />
Lehrer Lehrerinnen Signifikanz p<br />
(N=83) (N=630) (Effektstärke d)<br />
Burnout [Range: 1 – 6]<br />
Emotionale Erschöpfung MW ± SD 3,2 ± 0,8 3,2 ± 0,8 .617 n.s.<br />
Depersonalisation MW ± SD 2,5 ± 0,8 2,2 ± 0,7 .000 (.51)<br />
Reduzierte Leistungsfähigkeit MW ± SD 2,4 ± 0,4 2,4 ± 0,5 .900 n.s.<br />
Arbeitsbezogene Variablen<br />
Arbeitszeit [Zeitstunden] MW ± SD 42 ± 9 39 ± 10 .131 n.s.<br />
Unterricht [Schulstunden.] MW ± SD 21 ± 4 20 ± 4 .000 (.46)<br />
Klassengröße [Schüleranzahl] MW ± SD 20 ± 4 20 ± 4 .682 n.s.<br />
unterrichtete Klassen [Anzahl] MW ± SD 9 ± 3 6 ± 3 .000 (.81)<br />
ERI-Risiko (ERI-Ratio ≥ 1) % (Anzahl) 13 (11) 7 (43) .037 (.16)<br />
Arbeitsfähigkeit [Punkte: 7 - 39] MW±SD 39 ± 5 38 ± 6 .035 (.25)<br />
Gesundheitsbezogene Variablen<br />
Physische Beschwerden MW ± SD 5 ± 4 8 ± 6 .000 (.48)<br />
Psychische Beschwerden MW ± SD 2 ± 2 3 ± 3 .005 (.31)<br />
Psychische Beeinträchtigung MW ± SD 3 ± 3 2 ± 3 .089 n.s.<br />
Systolischer Blutdruck [mmHg]<br />
Diastolischer Blutdruck [mmHg]<br />
MW ± SD 142 ± 17<br />
93 ± 11<br />
131 ± 17<br />
90 ± 11<br />
.000 (.61)<br />
.029 (.26)<br />
Personenbezogene Variablen<br />
Kohärenzsinn [Range: 9 - 63] MW ± SD 52 ± 6 51 ± 6 .222 n.s.<br />
Erholungsunfähigkeit [Range: 6 - 24] MW ± SD 14 ± 4 16 ± 4 .000 (.43)<br />
Anmerkungen: VZ: Vollzeit; TZ: Teilzeit; MW: Mittelwert; SD: Standardabweichung; n.s.: nicht signifikant<br />
3.2 Geschlechtsspezifische Prädiktoren der Burnout-Dimensionen<br />
Die jeweils stärksten Zusammenhänge (r > .40) ergaben sich für beide Geschlechter<br />
zwischen emotionaler Erschöpfung und Beschwerden, psychischer Beeinträchtigung,<br />
personenbezogenen Variablen, sowie dem ERI-Ratio und der Arbeitsfähigkeit (Tab. 2). Die<br />
Korrelationen sind eher gering ausgeprägt (r max = .62).<br />
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Tabelle 2: Korrelationen der Variablen mit emotionaler Erschöpfung (EE), gruppiert nach Stärke<br />
Korrelationen mit EE Lehrer (N=83) Lehrerinnen (N=630)<br />
keine Korrelationen<br />
(r < .20)<br />
Arbeitszeit, Unterrichtstunden,<br />
Klassengröße, Klassenanzahl, Blutdruck<br />
Arbeitszeit, Unterrichtstunden, Blutdruck,<br />
Klassengröße, -anzahl<br />
geringe Korrelationen<br />
(.20 ≤ r < .50)<br />
ERI-Ratio, Beschwerden, psychische<br />
Beeinträchtigung, Kohärenzsinn<br />
physische Beschwerden, psychische<br />
Beeinträchtigung,<br />
Arbeitsfähigkeit, Erholungsunfähigkeit Arbeitsfähigkeit, Erholungsunfähigkeit ,<br />
mittlere Korrelationen<br />
psychische Beschwerden, Kohärenzsinn,<br />
(.50 ≤ r < .70)<br />
ERI-Ratio<br />
Für die Dimensionen Depersonalisation und reduzierte Leistungsfähigkeit ergeben sich<br />
ähnliche Muster. Bestätigung finden die Ergebnisse der Korrelationsanalyse in der<br />
Berechnung der Burnoutprädiktoren (Regression). Für alle sechs Modelle (je drei<br />
Dimensionen geschlechtsgetrennt) erwiesen sich Variablen aus dem personenbezogenen<br />
Bereich als stärkster Prädiktor (SOC und Erholungsunfähigkeit). Des Weiteren scheinen<br />
Arbeitsfähigkeit als auch das ERI-Ratio insbesondere mit der Kerndimension emotionale<br />
Erschöpfung assoziiert zu sein.<br />
4. Diskussion und Schlussfolgerung<br />
In Übereinstimmung mit anderen Studien an sächsischen Lehrern (Seibt et al., 2004), zeigte<br />
die untersuchte Stichprobe eher moderate Burnout-Ausprägungen. Ebenfalls im Konsens<br />
mit bisherigen Untersuchungen (Überblick in: Rösing, 2003) steht die erhöhte<br />
Depersonalisation der Lehrer. Unterschiede in der Anzahl der Arbeits- und<br />
Unterrichtsstunden resultieren aus der erhöhten Teilzeitquote der Lehrerinnen. Wie aus den<br />
Korrelations- und Regressions-analysen hervorgeht, sind gerade personenbezogene<br />
Merkmale mit Burnout, insbesondere mit emotionaler Erschöpfung, assoziiert. Dies sollte in<br />
weiteren Untersuchungen dahingehend berücksichtigt werden, dass neben<br />
Arbeitsmerkmalen, auch Ressourcen und Risikofaktoren der Person einbezogen werden.<br />
Die Öffnung der Burnoutforschung für salutogenetische und transaktionale Perspektiven ist<br />
in diesem Sinne zu unterstützen.<br />
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5. Literatur<br />
Deutsche Hochdruckliga (DHL) 2008, Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie<br />
[Online-Dokument]. Verfügbar unter: http://leitlinien.net/046-001.pdf [24.11.2008].<br />
Linden, M., Maier, W., Achberger, M., Herr, R., Helmchen, H. & Benkert, O. (1996).<br />
Psychische Erkrankungen und ihre Behandlung in Allgemeinarztpraxen in Deutschland.<br />
Nervenarzt, 67, 205-215.<br />
Rösing, I. (2003). Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt? Analyse und Kritik der<br />
internationalen Burnout-Forschung. Heidelberg: Asanger Verlag.<br />
Seibt, R. & Dutschke, D. (2005). Fragebogen zur Berufsanamenese. Unveröffentlicht,<br />
Technische Universität Dresden.<br />
Seibt, R., Thinschmidt, M., Lützkendorf, L. & Knöpfel, D. (2004). Arbeitsfähigkeit und<br />
Vitalität bei Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. Bremerhaven:<br />
Wirtschaftsverlag NW.<br />
Auf die Auflistung der Literaturangaben zu den Erhebungsmethoden wurde aus<br />
Platzgründen verzichtet.<br />
749
P135<br />
Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />
„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />
Mobiles Online-Erfassungssystem zur Aufnahme<br />
physiologischer Parameter und des subjektiven<br />
Beanspruchungsempfindes<br />
Sebastian Neubert 1 , Dagmar Arndt 1 , Markus Preuss 1 , Mohit Kumar 2 , Regina Stoll 1<br />
1 Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />
2 Center for Life Science Automation, Universität Rostock<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
750
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
HR-CT, konventionelle Aufnahmen des Thorax und Lungenfunktion<br />
bei Bauarbeitern<br />
Thomas Kraus<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />
Das Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
751
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern<br />
Joachim Schneider<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus Liebig-Universität, Gießen<br />
Einleitung<br />
Schweißrauche bestehen aus einer komplex zusammengesetzten Mischung sowohl<br />
feinster Staubteilchen als auch verschiedener gasförmiger Komponenten. Die Partikel<br />
der Schweißrauche haben zum Teil ultrafeine Abmessungen mit Durchmessern unter 0,1<br />
µm. Aufgrund teilweiser ultrafeiner Strukturen teilchenförmiger Komponenten der<br />
Schweißrauche gelangt ein großer Anteil in den Alveolarbereich der Lunge. Die<br />
chemisch metallurgische Zusammensetzung der Schweißrauchpartikel werden vom<br />
(Zusatz)Werkstoff bestimmt, insbesondere aber auch von den verwendeten Elektroden<br />
und den Schweißverfahren. Einflussfaktoren sind Strom, Umhüllung der Elektroden,<br />
Elektrodenanstellwinkel sowie insbesondere die Umgebungsbedingungen wie<br />
Raumgröße, Zeitdauer und Art der Schweißverfahren. Ungünstige arbeitshygienische<br />
Bedingungen bestehen bei fehlender Absaugung, unzureichenden Lüftungsbedingungen<br />
oder beengten Verhältnissen wie im Behälterbau, Tanks, Containern, bestimmten<br />
Schiffsräumen sowie Kellern und Tunneln. Insbesondere beim<br />
Lichtbogenhandschweißen, MAG-Schweißen, Beschichten und Trennschneiden<br />
entstehen Rauche als arbeitsmedizinisch relevante Gefahrstoffe. Chemisch-irritative<br />
Stoffe wie Ozon entstehen beim MIG-, WIG- und MAG-Schweißen sowie Stickoxide<br />
insbesondere beim Autogenschweißen, Flammspritzen und Brennschneiden.<br />
Chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen bei Schweißern<br />
Aufgrund der Einwirkung von chemisch-irritativ oder toxischen Schweißrauchen werden<br />
obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der Berufskrankheit der Nr. 4302 der BKV<br />
verursacht. Über benigne Pneumokoniosen (Siderosen) wird bei Schweißern seit<br />
Jahrzehnten berichtet. Nach langjähriger Schweißraucheinwirkung unter unzureichenden<br />
arbeitshygienischen Bedingungen wurden wiederholt auch interstitiell fibrosierende<br />
Lungenerkrankungen beschrieben [1]. Hierbei handelt es sich um die Siderofibrose der<br />
Lungen.<br />
Bei der Schweißerlunge Synonym „Eisenstaublunge“, Schweißersiderose,<br />
Lungensiderose oder benigne Pneumokoniose handelt es sich um eine Ablagerung<br />
inhalierter Eisenoxide ohne klinische Zeichen der Fibrosierung. Die Siderofibrose der<br />
Lungen wird nach langjähriger und hochgradiger Schweißraucheinwirkung beobachtet<br />
[2]. Röntgenologisch zeigen sich diffus verteilte kleine unregelmäßige Schatten.<br />
Pathoanatomisch herrscht das Bild herdförmiger interstitieller Siderofibrosen vor. Im<br />
Lungengewebe werden Staubpartikel mit hohem Eisenanteil nachgewiesen, die sich in<br />
752
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
direkter topographischer Beziehung zu den hyalinen bindegewebigen Fibrosebezirken<br />
befinden [3].<br />
Lungenfunktionseinschränkungen bei der Schweißerlungenfibrose<br />
Kasuistisch empirische Untersuchungsergebnisse von 17 Schweißern im medianen Alter<br />
von 53 Jahren wurden durchgeführt. Die Dauer der Schweißraucheinwirkung betrug ca.<br />
27 Jahre mit einer Schweißdauer von etwa 46.115 Stunden im Median. Die kumulative<br />
Schweißrauchdosis wurde in mg/m 3 x Jahre ermittelt und lag zwischen 100 und 4380<br />
mg/m 3 x Jahre. Es wurden umfangreiche lungenfunktionsanalytische Daten<br />
einschließlich Belastungsuntersuchung erhoben. Bei sämtlichen Patienten war die<br />
kardiopulmonale Leistungsbreite unter Belastung eingeschränkt. 13 mal fand sich ein<br />
Abfall des Sauerstoffpartialdruckes unter Belastung. 9 mal war die Diffusionskapazität<br />
bereits in Ruhe vermindert. Lediglich bei 7 Patienten bestand eine Einschränkung der<br />
Vitalkapazität während die übrigen 10 Patienten ein regelrechten Befund hinsichtlich der<br />
Vitalkapazität auswiesen (siehe Abbildung 1).<br />
Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern sind wiederholt beschrieben worden.<br />
In einer Fallkontrollstudie von Lyngenbo et al. [4] bestanden bei 8% (6 von 74) der<br />
Schweißer Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung, allerdings bei keinem der 31<br />
Kontrollpersonen. Die Abnahme der Vitalkapazität und Totalkapazität stellte die<br />
auffälligste Veränderung dar, welche mit einer restriktiven Ventilationsstörung vereinbar<br />
war. In einer Querschnittsstudie von Rastogi et al. [5] war bei 28% der Beschäftigten<br />
häufiger mit spirometrisch gemessenen Einschränkungen der Atemfunktion bei<br />
Schweißern gegenüber den Kontrollen mit 6,1% nachweisbar. Vorwiegend bestanden<br />
restriktive Ventilationsstörungen, wobei die forcierte Vitalkapazität im Mittel 63% des<br />
Sollwertes bei den Schweißern gegenüber 88% bei den Kontrollen lag. Ausschließlich<br />
restriktive Ventilationsstörungen fanden sich in 18,5% (5 von 27) bei Schweißern mit<br />
über 10-jähriger Expositionsdauer gegenüber 6,6% (2 von 30) bei Schweißern mit<br />
kürzeren Expositionsdauern.<br />
Durch Schweißrauche verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (Nr. 4302<br />
BKV)<br />
Aufgrund der chemisch-irritativen Wirkung u.a. von Stickoxiden und Ozon ist auch mit<br />
obstruktiven Atemwegserkrankungen bei Schweißern zu rechnen.<br />
Bei einem Patienten sind Atemnotbeschwerden beim Schweißen von Tanks (20.000 bis<br />
100.000 l) unter erheblicher Einwirkung von Schweißrauchbestandteilen aufgetreten. In<br />
einem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) mit Schweißrauchen beim Schweißen<br />
753
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
mit ummantelten Elektroden über die Dauer von etwa 20 Minuten kam es zu einem<br />
Anstieg des Atemwegswiderstandes (R t ) von 0,107 auf 0,36 kPa/l/sec (Normbereich bis<br />
0,35 kPa/l/s) bei einem Abfall der forcierten Vitalkapazität von 5,71 auf 3,47 l (Norm: 5,25<br />
l) und einen Abfall des FEV1 von 4,88 auf 2,81 l (Norm: 4,36l). Damit konnte im AIT mit<br />
Stabelektroden eine obstruktive Atemwegserkrankung auf Schweißrauche nachgewiesen<br />
werden.<br />
In der Literatur findet sich eine Reihe von Kasuistiken mit Atemwegserkrankungen bei<br />
Schweißern. Vergleichbar unserer Kasuistik hatten Hannu et al. [6] 34 Schweißer von<br />
rostfreiem Stahl untersucht, die einen positiven AIT mit Abfall des FEV1 und des Peak<br />
exspiratorischen Flusses (PEF) aufwiesen. 60% dieser Schweißer hatten auch eine<br />
unspezifische bronchiale Hyperreagibilität. Verlaufsuntersuchungen an 194 jungen<br />
Schweißern wurden von El-Zein et al. [7] durchgeführt. 15 Monate nach Arbeitsbeginn<br />
wiesen diese einen signifikanten Abfall im FEV1, der forcierten Vitalkapazität (FVC)<br />
sowie im FEV1/FVC aus (p
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Bei den Erkrankungen der Atemwege bei Schweißern werden obstruktive<br />
Ventilationsstörungen (Resistance-Erhöhung, FEV1 bzw. PEF-Abfall) am Arbeitsplatz<br />
oder im Arbeitsplatz(bezogenen)-Inhalationstest nachgewiesen. Es findet sich gehäuft<br />
eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität (UBH).<br />
Literatur<br />
1. Buerke U, Schneider J, Rösler J, Woitowitz H-J: Interstitial pulmonary fibrosis after<br />
severe exposure to welding fumes. Am J Ind Med 41 (2002): 259-268<br />
2. Buerke U, Schneider J, Müller KM, Woitowitz HJ: Schweißerlungenfibrose:<br />
Begründung für die Aufnahme als neue Berufskrankheit. Pneumologie 57 (2003): 9-<br />
14<br />
3. Müller KM, Verhoff MA: Graduierung von Sideropneumokoniosen. Pneumologie 54<br />
(2000): 315-317<br />
4. Lyngenbo O, Groth S, Groth M, Olsen O, Rossing N: Occupational lung function<br />
impairment in never-smoking Danish welders. Scand J soc Med 17 (1989):157-164<br />
5. Rastogi SK, Gupta BN Husain T, Mathur N, Srivastava S: Spirometric abnormalities<br />
among welders. Environ Res 56 (1991):15-24<br />
6. Hannu T, Pilpari R, Tuppurainen M, Nordman H, Tuomi T: Occupational asthma<br />
caused by stainless steel welding fumes: a clinical study. Eur Respir J 29 (2007): 85-<br />
90<br />
7. El-Zein M, Malo J-L, Infante-Rivard C, Gautrin D: Incidence of probable occupational<br />
asthma and changes in airway calibre and responsiveness in apprentice welders.<br />
Eur Respir J 22 (2003): 513-518<br />
8. Luo J-C J, Kuang-Hung H, Wu-Shiun S: Pulmonary function abnormalities and<br />
airway irritation symptoms of metal fumes exposure on automobile spot welders. Am<br />
J Ind Med 49 (2006): 407-416<br />
9. Lillienberg L, Zock J-P, Kromhout H, Plana E, Jarvis D, Toren K, Kogevinas: A<br />
population-based Study on welding exposures at work and respiratory symptoms.<br />
Am Occup Hyg Vol 52 No 2 (2008): 107-115<br />
755
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Code Dosis Röntgenfilm Histologie Lungenfunktionseinschränkung<br />
Nr. [mg/m 3 *Jahre] ILO s,t,u;p,q Fibrosierung VK Diffusion O2-Bel. Belastung<br />
17 2187 1/0 Mittelgradig<br />
o.B.<br />
16 194 2/1 Mäßiggradig o.B. - o.B.<br />
15 92 2/1 -<br />
o.B. o.B. o.B.<br />
14 115 2/2 Deutlich o.B. -<br />
13 1144 3/3 -<br />
-<br />
12 152 1/2 Leichtgradig o.B.<br />
11 221 2/3 Mäßiggradig<br />
o.B.<br />
10 1631 1/1 - o.B.<br />
o.B.<br />
9 64 3/2 Schwergradig - o.B.<br />
8 165 1/2 - o.B.<br />
7 287 1/2 Mäßiggradig o.B.<br />
6 2503 2/3 Schwergradig<br />
5 4350 1/1 - o.B.<br />
4 201 1/0 Leichtgradig o.B.<br />
3 160 1/1 Schwergradig<br />
2 3883 1/2 Deutlich<br />
1 803 2/1 Leichtgradig o.B. o.B.<br />
Einschränkung: leicht mittelgradig schwer<br />
I P A S<br />
Justus-Liebig<br />
Universität<br />
Giessen<br />
Abbildung 1: Kumulative Dosis und Befundspektrum bei Erkrankungen an Siderofibrose der<br />
Lungen nach langjähriger, hochgradiger Schweißrauch-Einwirkung<br />
756
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Eigene Erfahrungen mit den neuen Compliance-Sollwerten von<br />
Galetke et al.<br />
Alexandra Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />
Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />
Hintergrund:<br />
Restriktive Lungenerkrankungen zeichnen sich neben Verminderung der<br />
Lungenvolumina und der Diffusionskapazität durch eine Einschränkung der<br />
Lungendehnbarkeit, der Compliance, aus. Die Messung der Compliance erfolgt durch die<br />
zeitgleiche Erfassung des intrathorakalen Druckes mittels eines Ösophaguskatheters<br />
und die Messung der Änderung der Lungenvolumina mit dem Pneumotachographen.<br />
Wird die Compliance während der Ruheatmung bestimmt, spricht man von der<br />
dynamischen Compliance, während die Erfassung der Werte bei minimalen<br />
Volumenänderungen während der sehr langsamen Exspiration die quasi-statische<br />
Compliance widerspiegeln soll. Für die Compliance sind verschiedene Sollwertformeln<br />
bekannt, die sehr unterschiedliche Abhängigkeiten von Alter und Größe wiedergeben,<br />
wobei jedoch die untersuchten Personengruppen teils nur klein waren und teils nur eine<br />
begrenzte Altersgruppe erfassten. Unseres Erachtens sollten am ehesten die in 2005<br />
von Galetke und Mitarbeitern erfassten Werte zur Verwendung kommen; diese wurden<br />
bei 208 männlichen gesunden Personen im Alter von 20 bis 69 Jahren für die<br />
dynamische und statische Compliance erhoben. Hierbei zeigte sich eine leichte<br />
Abhängigkeit der statischen Compliance von der Größe und der dynamischen<br />
Compliance vom Alter der Probanden entsprechend folgenden Formeln: Cstat = 0,0267 x<br />
Größe [cm] – 1,4385 [L/kPa] und Cdyn = - 0,0114 x Alter + 3,4149 [L/kPa]. Unser Ziel<br />
war es nun, diese Sollmittel- sowie die Sollgrenzwerte in der Beurteilung unserer<br />
Patienten der arbeitsmedizinischen Poliklinik in Ihrer Aussagekraft zu überprüfen.<br />
Methode:<br />
Bei 22 männlichen Patienten (Alter (Mittel±SD) 67,4 ± 5,9 J.) unserer<br />
arbeitsmedizinischen Poliklinik, die früher berufliche asbestexponiert waren, wurde die<br />
Untersuchung der statischen und dynamischen Compliance durchgeführt. Zwei dieser<br />
Patienten wiesen eine Lungenfibrose 1/1 nach ILO 2000 auf, höhergradige Fibrosen<br />
fanden sich nicht. Sechs Patienten zeigten umschriebene Pleuraplaques, während bei<br />
vier Patienten eine Hyalinosis complicata diagnostiziert wurde, z.B. nach früherem<br />
asbestbedingtem Pleuraerguss mit fibrosiertem Sinus phrenico-costalis als Restzustand.<br />
Zehn der untersuchten Personen zeigten keine asbesttypischen radiologischen<br />
Veränderungen.<br />
757
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Ergebnisse:<br />
Auch in den von uns erhobenen Messwerten zeigte sich eine positive Korrelation<br />
zwischen den erhobenen statischen Compliance-Werten und der Größe der Patienten,<br />
so dass sich die Werte insbesondere der Personen ohne radiologische Veränderungen<br />
gut in die Sollwertkurve nach Galetke et al. einfügen (Abb. 1). Die von uns erhobenen<br />
Werte zeigten außerdem eine Tendenz zur negativen Korrelation zwischen statischer<br />
Compliance und Alter. Die negative Korrelation mit dem Alter war deutlich zu erkennen<br />
bei den erhobenen Werten der dynamischen Compliance; hiernach bestätigte sich die in<br />
der Sollwert-Formel von Galetke dargestellte Altersabhängigkeit (Abb. 2).<br />
Auffallend zeigte sich, dass sowohl die von uns erhobenen Werte der statischen<br />
Compliance als auch der dynamischen Compliance (Abb. 1 und 2) im unteren Bereich<br />
der Sollwerte liegen, bemerkenswert insbesondere für die Personen, die keine<br />
radiologischen Lungenveränderungen aufwiesen. Die Sollgrenzwerte zeigen eine breite<br />
Streuung der Sollwerte nach Galetke, so dass beispielsweise ein Wert von 64% des<br />
Sollmittelwertes noch oberhalb der unteren Sollgrenze liegen kann.<br />
Die stärkste Minderung, insbesondere der statischen Compliance, zeigte die Gruppe der<br />
Patienten mit Hyalinosis complicata.<br />
Wir stellten ansonsten eine signifikante positive Korrelation zwischen der statischen<br />
Compliance und der erhobenen Vitalkapazität in unserem Kollektiv fest, außerdem auch<br />
eine entsprechende Korrelation zu der gemessenen Einsekundenkapazität.<br />
Diskussion:<br />
In unserem Kollektiv ist eine positive Korrelation zwischen statischer Compliance und<br />
Körpergröße festzustellen, außerdem eine negative Korrelation zwischen dynamischer<br />
Compliance und Alter. Die von uns erhobenen Werte liegen im unteren Bereich der<br />
Normwertverteilung nach Galetke. Die Streuungsbreite der Normwerte ist groß, so dass<br />
z.B. Werte von 64% des Soll-Mittelwertes oberhalb des unteren Soll-Grenzwertes liegen.<br />
Pleuraasbestosen mit Komplikation wie Pleuritis und Fibrose des costophrenischen<br />
Winkels zeigen die schlechtesten Compliancewerte.<br />
758
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Abb 1: Einordnung unserer Messdaten innerhalb der Sollwerte der statischen<br />
Compliance (positive Korrelation zwischen statischer Compliance und Größe); Ga-Re=<br />
Sollmittelwert nach Galetke, OG= obere Sollwertgrenze, UG= untere Sollwertgrenze<br />
Abb. 2: Einordnung unserer Messdaten innerhalb der Sollwerte der dynamischen<br />
Compliance (negative Korrelation zwischen dynamischer Compliance und Alter); Ga-Re=<br />
Sollmittelwert nach Galetke, OG= obere Sollwertgrenze, UG= untere Sollwertgrenze<br />
759
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Literatur<br />
Galetke W, Feier C, Muth T, Ruehle KH, Borsch-Galetke E, Randerath W. Reference<br />
values for dynamic and static pulmonary compliance in men. Respiratory medicine 2007;<br />
101: 1783-1789<br />
760
F1<br />
Forum Atemwege / Lunge<br />
Nicht-allergische Atemwegserkrankungen in der Landwirtschaft<br />
Astrid Heutelbeck<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
761
F2<br />
Forum Arbeitsphysiologie<br />
Subjektive Beurteilung der Arbeitsbedingungen in Warenverteilzentren<br />
für Kühl- und Tiefkühlkost<br />
Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />
Beanspruchungsreaktionen auf Kältearbeit bei +3° C und -24° C<br />
durch Blutdruck und Herzschlagfrequenz<br />
Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />
Änderungen der Hautoberflächen- und Körperkerntemperatur<br />
beim Kommissionieren in einem Tiefkühlzentrum mit Arbeitsumgebungstemperaturen<br />
von +3° C bzw. -24° C<br />
Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />
Die Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
762
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Welches Potenzial kommt dem Arbeitsplatz bei der Prävention<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu?<br />
Andreas Seidler, Ulrike Euler, Frank Thalau<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />
Nach Bankenkrisen wurde eine um etwa 6% erhöhte kardiovaskuläre Mortalität<br />
beschrieben. Akuter Stress kann über die Aktivierung des Sympathikus-<br />
Nebennieren-Systems zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Pathophysiologisch<br />
wird angenommen, dass dieser Zusammenhang vermittelt wird über eine<br />
Steigerung der Herzfrequenz und des Blutdrucks mit der Folge der Verstärkung<br />
einer vorbestehenden myokardialen Ischämie; durch ein proarrhythmogenes<br />
Potenzial; durch die herabgesetzte Endothelfunktion mit der möglichen Folge einer<br />
Plaque-Vulnerabilität sowie durch die Thombozytenaktivierung mit der Gefahr einer<br />
Thrombusbildung. Im weiteren Verlauf stellen sich entzündliche und hämostatische<br />
Prozesse ein (z.B. TNF-alpha- und IL-6-Ausschüttung mit der Folge einer<br />
verstärkten CRP- und Fibrinogen-Bildung). Eine stressbedingte vegetative<br />
Dysfunktion äußert sich u. a. als verminderte Herzfrequenz-Variabilität. Schließlich<br />
wird neben dem sympathischen System auch die Hypothalamus-Hypophysen-<br />
Nebennierenrinden-Achse aktiviert; gestörte zirkadiane Cortisol- und Serotonin-<br />
Muster können u. a. zu einer Insulinresistenz und zu einem Hypertonus führen.<br />
Bereits in den 1980er Jahren wurde von Karasek das „Demand-Control-Modell“<br />
beschrieben (Karasek 1989): Mit beruflichem Stress verbunden sind Berufe, die<br />
neben hohen quantitativen Anforderungen einen geringen Entscheidungsspielraum<br />
aufweisen; beispielhaft ließen sich Schwesternhelferinnen nennen. Manager und<br />
Ärzte hingegen sind zwar ebenfalls hohen quantitativen Anforderungen ausgesetzt,<br />
haben daneben aber einen hohen Entscheidungsspielraum; eine derartige Tätigkeit<br />
wird als „aktive“ Tätigkeit eingestuft und wird in der Regel nicht mit einem hohen<br />
Gefährdungspotenzial in Verbindung gebracht.<br />
Wie wirkt nun chronischer Berufsstress auf das Herz-Kreislauf-System? Führt<br />
beruflicher Stress zu einem ungünstigen Gesundheitsverhalten, sprich zu hohem<br />
Zigarettenkonsum, geringem Obst- und Gemüseverzehr, fehlender Sportausübung<br />
und zu geringem (sic!) Alkoholkonsum und begünstigen diese „klassischen“<br />
Risikofaktoren die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Und/oder führt<br />
beruflicher Stress zu hohen Blutfettwerten, Übergewicht, hohen Cholesterinwerten,<br />
hohen Blutzuckerwerten und Bluthochdruck – also zum metabolischen Syndrom –<br />
und begünstigt das metabolische Syndrom wiederum die Entstehung von Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen? Oder hat chronischer beruflicher Stress einen<br />
763
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
unmittelbaren Effekt auf das Herz-Kreislauf-System? Der Whitehall II-<br />
Kohortenstudie (Marmot et al. 2008) zufolge wird lediglich ein geringer Teil des<br />
Berufsstress-bezogenen Risikos für eine koronare Herzkrankheit über klassische<br />
Risikofaktoren und das metabolische Syndrom vermittelt; der größte Teil des<br />
Berufsstress-bezogenen Risikos verläuft nicht entlang dieses<br />
„verhaltensbezogenen“ Weges.<br />
Werden die verlorenen Lebensjahre für die Haupt-Krankheitsgruppen nach ICD-10<br />
(Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2006) mit den entsprechenden<br />
populationsbezogenen attributablen Risiken (Nurminen und Karjalainen 2001)<br />
multipliziert, so ergibt sich eine grobe Abschätzung des maximal möglichen<br />
Gewinns an Lebensjahren, vorausgesetzt, arbeitsbedingte Risikofaktoren ließen<br />
sich komplett beseitigen. Als Ergebnis dieser Modellrechnung besteht für Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen (knapp vor den Krebserkrankungen) das theoretisch<br />
höchste Präventionspotenzial bezüglich zu gewinnender Lebensjahre (s. Abb. 1).<br />
ICD-10-<br />
Krankheitsgruppen<br />
Verlorene Lebensjahre Populationsbezogene<br />
(nach<br />
attributable Risiken<br />
Gesundheitsberichtersta<br />
(nach Nurminen u.<br />
ttung des Bundes 2006)<br />
Karjalainen 2001)<br />
Gewinn an<br />
Lebensjahren<br />
1. Psychische und<br />
Verhaltensstörunge<br />
n<br />
2. Muskel-Skelett-<br />
Erkrankungen<br />
38.000 3,5% 1.300<br />
2.000 -- --<br />
3. Neubildungen 269.000 8,4% 22.600<br />
4. Krankheiten des<br />
Kreislaufsystems<br />
5. Krankheiten des<br />
Atemwegssystems<br />
Gesamt *ohne Verletzungen/<br />
Vergiftungen<br />
188.000 12,4% 23.300<br />
27.000 4,1% 1.100<br />
*816.000 6,7% *54.700<br />
Abb. 1: Gewinn an Lebensjahren durch die Beseitigung arbeitsbezogener Risikofaktoren<br />
764
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Doch lässt sich dieses theoretisch hohe Präventionspotenzial bezüglich<br />
arbeitsbedingter Herz-Kreislauf-Erkrankungen praktisch realisieren? Hierzu ist zum<br />
einen eine vertiefte Kenntnis spezifischer Hochrisikoberufe, Hochrisikotätigkeiten<br />
und spezifischer Risikofaktoren erforderlich; diese Kenntnis können insbesondere<br />
Kohortenstudien zu berufsbezogenen – insbesondere auch psychosozialen –<br />
gesundheitsschädigenden und salutogenen Einflussfaktoren erbringen. Inwieweit<br />
konkrete Veränderungen der Arbeitsbedingungen tatsächlich Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen verhindern können (und in welchem Umfang), lässt sich am Besten<br />
durch randomisierte kontrollierte Interventionsstudien untersuchen.<br />
Mit Bezug auf die im Titel des Beitrags gestellte Frage lassen sich folgende<br />
Schlussfolgerungen ziehen:<br />
- „Blue collar“-Beschäftigte mit hohen quantitativen Arbeitsanforderungen und<br />
geringem Entscheidungsspielraum haben ein erhöhtes Risiko für Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen.<br />
- Im Extremfall sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch „aktive“ Arbeit (hohe<br />
quantitative Anforderungen bei hohem Entscheidungsspielraum) möglich,<br />
hier ist auf „Karoshi“-Fälle bei Managern hinzuweisen (Nishiyama u. Johnson<br />
1997). In der Regel ist „aktiver“ Arbeit eher ein salutogener Effekt<br />
zuzuschreiben.<br />
- Arbeitsepidemiologische Beobachtungsstudien finden – meist unter Einsatz<br />
von Selbsteinschätzungsinstrumenten – teilweise hohe Herz-Kreislauf-<br />
Risiken für beruflichen Stress. Randomisierte kontrollierte<br />
Interventionsstudien sollten vermehrt durchgeführt werden, um Aufschluss<br />
über das tatsächlich realisierbare Präventionspotenzial zu erzielen und um<br />
wirksame von unwirksamen Präventionsmaßnahmen zu unterscheiden.<br />
- Neben verhältnispräventiven Präventionsansätzen sollte auch der (Primär-)<br />
Prävention im betrieblichen Setting erhöhte Bedeutung zugemessen werden.<br />
765
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Literaturverzeichnis<br />
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2006, verfügbar unter<br />
http://infomed.mdsev.de/sindbad.nsf/23d3c3230b7af106c12571e800562768/8970a5dedcbac699c1257<br />
1ee0036856b/$FILE/Gesundheitsbericht_BRD-2006.pdf (letzter Zugriff 20-Feb-<br />
<strong>2009</strong>)<br />
Karasek R. Control in the workplace and its health-related aspects. In: Sauter S,<br />
Hurrell J, Cooper C, eds. Job control and worker health. New York: Wiley,<br />
1989:130.<br />
Marmot M, Shipley M, Hemingway H, Head J, Brunner E. Biological and behavioural<br />
explanations of social inequalities in coronary heart disease: the Whitehall II study.<br />
Diabetologia. 2008 Nov; 51(11): 1980-8. Epub 2008 Sep 6.<br />
Nishiyama K, Johnson, J. Karoshi-death from overwork: Occupational health<br />
consequences of Japanese production management. Int J Health Serv. 1997;27<br />
(4):625-41.<br />
Nurminen M, Karjalainen A. Epidemiologic estimate of the proportion of fatalities<br />
related to occupational factors in Finland. Scand J Work Environ Health 2001 Jun;<br />
27(3):161-213.<br />
766
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen:<br />
ERI<br />
Johannes Siegrist<br />
Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
767
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen:<br />
COPSOQ<br />
Matthias Nübling<br />
Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, FFAS, Freiburg<br />
Ziel: Auf dem Hintergrund steigender Arbeitsunfähigkeitszahlen mit Diagnosen im<br />
Bereich psychischer Erkrankungen rückt sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus<br />
betrieblicher Sicht die Frage nach den psychischen Belastungen in den Vordergrund.<br />
Diskutiert werden in diesem Zusammenhang vor allem die Frage nach dem Was:<br />
„Welche Aspekte gehören zu den psychischen Faktoren am Arbeitsplatz“ und dem Wie:<br />
„Wie können psychische Belastungen zuverlässig ermittelt werden?“<br />
COPSOQ – Befragung und COPSOQ- Datenbank:<br />
„Was“: Die deutsche Version des COPSOQ- Fragebogens (Copenhagen Psychosocial<br />
Questionnaire, Kristensen et al., 2005) ist ein inhaltlich sehr breites und umfangreich<br />
validiertes und erprobtes Fragebogeninstrument zur Erfassung psychischer Belastungen<br />
und Beanspruchungen (Nübling et al. 2005, 2006). Die Standardversion beinhaltet 25<br />
Themen (in der Regel Skalen) zu psychischen Faktoren am Arbeitsplatz. Das Instrument<br />
begegnet damit der inhaltlichen Unbestimmtheit des Themas „psychische Faktoren“<br />
durch eine möglichst breite Abfrage der potenziellen Themen.<br />
„Wie“: Der COPSOQ ist ein Instrument zur Selbstbeurteilung der psychischen Faktoren,<br />
das in Betrieben und Organisationen zur Ermittlung der Belastungen auf Ebene von<br />
Personengruppen (z.B. Abteilungen) eingesetzt wird. Vergleiche mit berufsspezifischen<br />
Referenzwerten der COPSOQ- Datenbank (N=20.000) ermöglichen bzw. erleichtern die<br />
Verortung und Interpretation der eigenen Betriebsergebnisse und die Ableitung von<br />
Handlungsprioritäten.<br />
Weitere Entwicklung:<br />
Zur Zeit sind mehrere Entwicklungen im Gange, die allesamt das Ziel verfolgen, die<br />
Qualität der Messung und der Datenbasis weiter zu optimieren.<br />
1. Verbesserung der Datenbasis: Ein aktuell verfolgtes Ziel ist die Gewinnung von Daten<br />
in den bisher unterrepräsentierten blue-collar Berufen. Zudem wird der COPSOQ z. Z. in<br />
einer großen bevölkerungsrepräsentativen Studie eingesetzt, was den Vergleich der<br />
COPSOQ- Datenbank mit Repräsentativdaten ermöglicht.<br />
2. Veränderungsmessung: Ein weiterer methodischer Schwerpunkt ist die Überprüfung<br />
der Veränderungssensitivität und der Spezifität des Instruments in prä- und<br />
postinterventorischen Befragungen.<br />
768
F3<br />
Zwischenresumee und Ausblick:<br />
Die Selbstbeurteilung psychischer Aspekte am Arbeitsplatz hat zum einen den Vorteil der<br />
inhaltlich umfassenden Beurteilung: viele Aspekte, die mit anderen Methoden<br />
(Beobachtung, arbeitsphysiologische Messung) nur schwer oder gar nicht fassbar<br />
erscheinen, aber einer Selbstbewertung zugänglich sind (z. B. Führungsqualität,<br />
Gemeinschaftsgefühl u.a.), können mit in die Erhebung aufgenommen werden. Ein<br />
zweiter Vorteil ist die Ökonomie und Praktikabilität: mit vergleichsweise geringem<br />
Aufwand können alle Beschäftigten eines Unternehmens an der Bewertung teilnehmen<br />
(was auch per se schon einen Vorteil bei der Implementierung eines BGM darstellen<br />
kann).<br />
R²= 0.54<br />
Arbeitszufriedenheit<br />
ext.<br />
Forum Epidemiologie<br />
3. Externe Validierung: Dritter Punkt ist die Validierung der Selbstangaben durch<br />
Methodenkombinationen (COPSOQ- Befragungen, betriebsärztliche Befunde,<br />
betriebliche Daten, Expertenbewertungen; Triangulation) und die Überprüfung der<br />
Konkordanz bzw. interindividuellen Variabilität der Bewertungen bei gleichen<br />
Arbeitsbedingungen.<br />
4. Längsschnittstudien: Ein letzter wichtiger Punkt ist der Einsatz des COPSOQ (und des<br />
ERI) in Längsschnittstudien, z.B. in der Gutenberg-Heart-Study zur Prädiktion von Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen. Hier wird die Zukunft zeigen, welchen Stellenwert psychische<br />
Faktoren am Arbeitsplatz im Vergleich zu anderen Faktoren haben.<br />
Arbeitsplatzbezogene<br />
Belastungen<br />
R²= 0.34<br />
Burnout<br />
R²= 0.14<br />
Gesundheit<br />
R²= 0.22<br />
Lebenszufriedenheit<br />
Abbildung 7: Erklärte Varianz (R²) bei vier Outcomes durch je die 5 wichtigsten<br />
Arbeitsplatzfaktoren (Prädiktoren). Überprüfung: theoretische und emprirische „Nähe“ und<br />
„Ferne“.<br />
769
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Kritisch bei Instrumenten der Selbstbeurteilung ist die Frage nach der Objektivität,<br />
Validität und Reliabilität der Angaben. Intern (also mit Angaben aus dem Fragebogen)<br />
kann hier z.B. als Qualitätsmerkmal geprüft werden, ob die theoretisch postulierten<br />
internen Zusammenhänge sich auch empirisch abbilden. In Abbildung 1 sind die<br />
Ergebnisse von multiplen Regressionsanalysen mit der COPSOQ- Datenbank<br />
dargestellt. (Erklärkraft jeweils der 5 wichtigsten psychischen Faktoren auf vier<br />
verschiedene Outcomes). Hier zeigt sich, dass die im theoretischen Modell näher an der<br />
Arbeitsrealität befindlichen Outcomes (Arbeitszufriedenheit, Burnout) auch empirisch<br />
besser durch arbeitsplatzbezogene Faktoren erklärt werden können, als solche, die<br />
weiter vom Arbeitsleben entfernt sind, also noch mehr andere Einflussfaktoren haben<br />
(Gesundheitszustand, Lebenszufriedenheit; allerdings hätten wir hier eher die<br />
umgekehrte Reihenfolge erwartet).<br />
Neben solchen internen Prüfungen müssen - für Themen, bei denen das möglich ist -<br />
auch externe Validierungen vorgenommen werden, um die Selbstangaben der<br />
Beschäftigten zu validieren. D. h. Vergleiche von Ergebnissen unterschiedlicher<br />
Erhebungsmethoden: Fragebogen, Expertenrating, übergeordnete Datenquellen und<br />
Statitiken, betriebsärztliche Untersuchungen etc.<br />
Literatur:<br />
Kristensen TS, Hannerz H, Høgh A, Borg V. The Copenhagen Psychosocial<br />
Questionnaire (COPSOQ) - a tool for the assessment and improvement of the<br />
psychosocial work environment. Scand J Work Environ Health. 2005;31: 438-449.<br />
Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Methoden zur<br />
Erfassung psychischer Belastungen - Erprobung eines Messinstrumentes (COPSOQ).<br />
Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1058.<br />
Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2005<br />
Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Measuring<br />
psychological stress and strain at work: Evaluation of the COPSOQ Questionnaire in<br />
Germany. GMS Psychosoc Med. 3: 2006, Doc05. www.egms.de/en/journals/psm/2006-<br />
3/psm000025.shtml/<br />
770
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Beurteilung pschosozialer Arbeitsbelastungen aus arbeitspsychologischer<br />
Sicht - Vergleich zwischen Expertenassessment<br />
und ERI<br />
Renate Rau<br />
AG Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie, Fachbereich 04 Psychologie, Philipps-Universität<br />
Marburg<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
771
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher<br />
Sicht<br />
Detlev Jung<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; Betriebsärztliche<br />
Station<br />
Einführung: Die arbeitsmedizinische Analyse und Beurteilung einer betrieblichen<br />
Belastungssituation (sei sie chemischer, physikalischer, biologischer oder eben auch<br />
psychosozialer Art) hat als Ziel die Möglichkeit einer Entscheidung, nämlich, ob und<br />
welcher Handlungsbedarf besteht. Im Gegensatz zu den ersten drei Belastungsarten, für<br />
die es in der Regel Tests und Grenzwerte gibt (, was aber ebenfalls nicht ohne weiteres<br />
mit einer Beurteilungssicherheit gleichzusetzen ist), existieren für den Bereich der<br />
psychosozialen Belastung zwar Tests (BAuA), aber keine Grenzwerte; allenfalls werden<br />
einmal halbquantitative Grenzbereiche angeboten. Die Testergebnisse und die<br />
Ergebnisse von Einzelfragen können aber gute Hinweise auf den eigentlichen Focus der<br />
prekären psychosozialen Situation liefern. Um die Beanspruchung in dieser Situation zu<br />
erfassen, ist in aller Regel zusätzlich ein kreatives ärztliches Gespräch (frei/strukturiert<br />
mit SOFT/SWOT) nötig, in dem die Konstitution der Einzelperson,<br />
Umgebungsbedingungen und mögliche weitere Faktoren betrachtet werden. Erst dann<br />
können zusammen mit einer entsprechenden Beurteilung bei Bedarf<br />
Gestaltungsempfehlungen abgegeben werden (s.a. VDBW).<br />
Ansätze der Erfassung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher<br />
Sicht: Zur Strukturierung des Vorgehens im Betrieb bietet sich die bewährte Unterteilung<br />
in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention an. Im Bereich der Primärprävention ist in<br />
aller Regel der Arbeitgeber der Initiator einer Analyse. Es werden häufig ganze Bereiche<br />
bezüglich ihrer psychosozialen Belastung betrachtet (s.a. P2 in diesem Band), eine<br />
Kooperation zwischen innerbetrieblichen und ggf. auch mit externen Stellen ist<br />
notwendig. Die betriebsärztliche Aufgabe ist in dieser Kooperation als beratend zu<br />
sehen. Der Anstoß zur Aktivität im Rahmen der Sekundär- wie auch der<br />
Tertiärprävention geht häufig von den Betroffenen oder auch deren Vorgesetzten aus.<br />
Da hier die Betriebsärzte oft direkt angesprochen werden, ist ihre Aufgabe in<br />
diagnostischer und therapeutischer Beratung sowie in Kooperationssuche zu sehen. Zu<br />
diagnostizieren ist, welche Konstellationen zur psychosozialen Beanspruchung geführt<br />
und welche Folgen diese gezeitigt haben, und zu analysieren, inwieweit deren Einfluss<br />
durch Maßnahmen am Arbeitsplatz, im Privaten oder auch durch<br />
Einstellungsänderungen modifiziert werden kann. Kooperationspartner (Vorgesetzte,<br />
772
F3<br />
Forum Epidemiologie<br />
Personalbereich, Arbeitnehmervertretung u.a.) müssen bei Bedarf einbezogen werden.<br />
Im Bereich der Tertiärprävention können gesetzliche Vorgaben (§84 Abs. 2 SGB IX)<br />
gerade die Strukturierung des letzten Punktes unterstützen.<br />
Themenfelder: Die Belastungen resultieren aus der Arbeitsaufgabe, also aus dem<br />
quantitativen und qualitativen Ausmaß mentaler Anforderungen sowie dem<br />
Handlungsspielraum, aus der Arbeitsorganisation (Strukturierung, Nacht- und<br />
Schichtarbeit), der materiellen Arbeitsumgebung (Klimafaktoren, Großraumbüro etc.), der<br />
sozialen Arbeitsumgebung (Kooperation und Kommunikation mit Kollegen, Mitarbeitern<br />
und Vorgesetzten) sowie den betrieblichen und überbetrieblichen Rahmenbedingungen<br />
(Tarifbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Fortbildungsmöglichkeiten). Die Ressourcen<br />
sind in der psychischen, physischen und sozialen (im privaten wie betrieblichen Bereich)<br />
Stabilität der Mitarbeiter zu suchen. Typische Problemfelder sind etwa der<br />
demographische Wandel bei gleichzeitiger Vermehrung von Arbeit zu unüblichen Zeiten<br />
im Rahmen des globalisierten Wettbewerbs, das zunehmende Verwischen der Grenze<br />
zwischen Arbeit und Freizeit und die Forderung eigenständiger Arbeitsstrukturierung bei<br />
weiterhin hierarchisch orientierten Führungsstrukturen (s.a. Albrod).<br />
Fazit: Zur Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher Sicht<br />
müssen immer wieder 1. die Strukturen der Beurteilung neu überdacht, 2. bei fehlenden<br />
Grenzwerten von Tests das individuelle Gespräch als notwendige Grundlage der<br />
Beurteilung angestrebt, 3. die Ausgangssituation (Primär-, Sekundär-, Tertiärprävention)<br />
bedacht und 4. die Kooperation mit Vorgesetzten, dem Personalbereich, der<br />
Mitarbeitervertretung, sonstigen interne und externe Institutionen (Sozialbereiche,<br />
Psychologen u.a.) angestrebt werden.<br />
Literatur:<br />
Albrod, M: Bedeutung psychomentaler Belastungen im betrieblichen Kontext.<br />
Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 43; 2008: 608-617<br />
VDBW Psychische Gesundheit im Betrieb – ein Leitfaden für Betriebsärzte und<br />
Personalverantwortliche. 2008<br />
Jung. D. Psychosoziale Faktoren. In: J. Petersen, A. Wahl-Wachendorf (Hrsg.).<br />
Praxishandbuch Arbeitsmedizin, Gentner-Verlag Stuttgart <strong>2009</strong><br />
http://www.rapidbi.com/created/SWOTanalysis.html (Zur Erläuterung der<br />
SOFT(SWOT)Analyse)<br />
BAuA: http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-<br />
Praxisbeispiele/Toolbox/Toolbox.html__nnn=true<br />
773
F4<br />
Gefahrstoffe<br />
Human Biomonitoring bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen im<br />
Hinblick auf die Gefahrstoffverordnung<br />
Thomas Kraus 1 , Hans Drexler 2<br />
1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />
2 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen<br />
Hb-Addukte als biochemische Effektmarker krebserzeugender<br />
Arbeitsstoffe<br />
Thomas Schettgen<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />
Qualitätssicherung für das Biomonitoring - aktueller Stand und<br />
neue Entwicklungen<br />
Thomas Göen, Karl-Heinz Schaller, Hans Drexler<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen<br />
Die Manuskript lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
774
F5<br />
Umweltmedizin<br />
Erkrankungen durch Schimmelpilze - die pneumologische Sicht<br />
Rolf Merget<br />
Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-Universität<br />
Bochum<br />
Schimmelpilze - eine Expositionserfassung<br />
Guido Fischer<br />
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />
Feinstaub in Innenräumen - ein Gesundheitsrisiko?<br />
Thomas Baumeister<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />
Nürnberg<br />
Die Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
775
SY1<br />
Etablierung eines Risikomanagementsystems in der betrieblichen<br />
Betreuung<br />
Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
776
SY2<br />
Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch Strom und<br />
Felder<br />
Unfälle durch elektrischen Strom - Unfallformen<br />
Jens Jühling<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />
Wirkungsmechanismen elektrischer Ströme im Organismus<br />
- Schwellenwerte<br />
Jiri Silny<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />
Gesundheitliche Risiken der Körperdurchströmung (Strom-Zeit-<br />
Kurven)<br />
Reinhard Hirtler<br />
Gemeinnützige Privatstiftung Elektroschutz, ESF Vienna, Wien<br />
Medizinische Befunde und Krankheitsbilder nach Körperdurchströmung<br />
Wolfgang Zschiesche<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />
Erste Hilfe und medizinische Maßnahmennach Stromunfällen<br />
Alexander Dorsch<br />
TrainMed GmbH, Haimhausen<br />
Pathophysiologie der Stromverbrennung und ihre Behandlung<br />
Andrzej Piatkowski de Grzymala, Dietmar Ulrich<br />
Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen<br />
Gesundheitliche Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF)<br />
Jiri Silny<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />
EMF-Portal: wissenschaftliche Literatur zu gesundheitlichen<br />
Wirkungen EMF<br />
Sarah Driessen, Roman Wienert<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />
Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz - Regelungen und<br />
Maßnahmen nach BGV B11<br />
Markus Fischer<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />
777
SY2<br />
Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch Strom und<br />
Felder<br />
Störbeeinflussung von aktiven und passiven Implantaten durch<br />
elektrische Ströme und EMF<br />
Stephan Joosten<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />
Besondere Gefahrenbereiche in der Industrie<br />
Hannah Heinrich<br />
2h-engineering, Hausen<br />
Die vorbeschriebenen Vorträge zu dem Symposium SY2 sind unter folgendem Link<br />
abrufbar:<br />
http://www.bgete.de/praev/praev_symposium_maerz_<strong>2009</strong>.html<br />
778
SY3<br />
Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Arbeitsmedizinische Betreuung bei Auslandstätigkeit<br />
Aufgaben - Inhalte - Probleme<br />
Ursula Mikulicz<br />
Deutscher Fachverband Reisemedizin e.V., Kronberg<br />
Neue rechtliche Rahmenbedingungen der arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Matthias Kluckert<br />
Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Bereich Prävention, Heidelberg<br />
Aspekte der betriebsärztlichen Betreuung bei Auslandseinsätzen<br />
Andreas Welker<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Voith AG, Heidenheim<br />
Untersuchungen nach Auslandstätigkeit (Inhalt und Umfang)<br />
Andreas Müller<br />
Missionsärztliche Klinik, Abteilung für Tropenmedizin, Würzburg<br />
Arbeitsaufenthalt im Ausland bei Vorerkrankungen<br />
Burkhard Rieke<br />
Gelbfieberimpfstelle, Tropenmedizinische Praxis, Düsseldorf<br />
Psychische Belastungen bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />
Peter Schmitz<br />
Malteser Generalsekretariat, Malteser International, Köln<br />
Der Heimtransport aus medizinischen Gründen<br />
Wolfgang Mayrhofer<br />
Medizinische Assistance Ausland, Malteser Köln<br />
Die vorbeschriebenen Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
779
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Qualität in der Prävention – Betriebsärztliche und sicherheitstechnische<br />
Betreuung<br />
Dietmar Groß 1 , Andreas Genz 2 , Karsten Rossa 2 , Klaus Scheuch 2 , Dirk Seidel 3<br />
1 BG der Bauwirtschaft AMD, Cottbus<br />
2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU<br />
Dresden<br />
3 Service Stelle für statistische und epidemiologische Auswertungen, BG Bauwirtschaft Hannover<br />
Der Vortrag stellt eine Fortsetzung und den Abschluss der Ausführung vom AMD –<br />
Seminar in Hamburg am 13.03.2008 dar.<br />
1. Anschlussinformation<br />
In einem seit 2005 aufgelegten Großprojekt der DGUV, (Projektleiter Dr. Kohstall) wurde<br />
in 14 Teilprojekten die Qualität berufsgenossenschaftlicher Dienstleistungen untersucht.<br />
Die vorgetragenen Ergebnisse wurden im Teilprojekt 9 „Qualität der betriebsärztlichen<br />
und sicherheitstechnischen Betreuung“ von Mitarbeitern des Institutes für Arbeits- und<br />
Sozialmedizin der TU Dresden unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Scheuch erarbeitet.<br />
Als Projektleiter fungierte Dr. Giso Schmeißer.<br />
Ziel und Inhalt dieses Teilprojektes bestand in einer Untersuchung von Effektivität und<br />
Wirksamkeit betriebsärztlicher Betreuung unter besonderer Berücksichtigung der BGVA<br />
2.<br />
Zu diesem Zweck sollten drei Formen der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen<br />
Betreuung untersucht werden:<br />
<br />
<br />
<br />
ASD-Rhein-Ruhr der BG Fahrzeughaltungen, Binnenschifffahrt<br />
Betreuungsmodell der StBG<br />
Arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Dienst (AMD/STD) der<br />
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU)<br />
Die weiteren Ausführungen betreffen ausschließlich die Betreuungsform des AMD/STD<br />
der BG BAU, bei der der Vortragende seit Juli 2005 als Koordinator fungiert.<br />
780
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
2. Verlauf des QdP - Teilprojektes<br />
Der bisherige Verlauf und Inhalt des QdP – Teilprojektes 9 kann wie folgt beschrieben<br />
werden:<br />
Datenerhebung zur Fragebogenentwicklung in den Zielgruppen<br />
Interviews (2006)<br />
Persönliche Befragungen (2006)<br />
Pilotierung der Fragebögen bzw. des Versandes an die Arbeitsgeber (2006 /<br />
2007)<br />
Fragebogenaktion Nov. 2007 / Jan. 2008, synchronisiert mit „BG BAU aktuell<br />
4/07“, 15.11.2007<br />
Auswertung an der TU – Dresden wurde im November 2008 abgeschlossen.<br />
Ein Vergleich der 4 einbezogenen Zielgruppen ergab folgenden auswertbaren Rücklauf<br />
an Fragebögen:<br />
Stichprobe Fragebögen Rücklauf Prozent<br />
Betriebsärzte 100 67 67 %<br />
Fachkräfte für<br />
Arbeitssicherheit 203 82 40 %<br />
Arbeitsgeber 925 325 35 %<br />
Arbeitsnehmer 1110 675 61 %<br />
3. Ergebnisse<br />
Die Ergebnispräsentation erfolgte am 10.12.2008 in der Hauptverwaltung der BG BAU, in<br />
Berlin.<br />
Die Ergebnisse des 113 Seiten umfassenden Berichtes wurden nach den klassischen 3<br />
Qualitätsmerkmalen strukturiert vorgetragen und kommentiert:<br />
781
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
3.1. Ergebnisqualität<br />
Frage/Aussage<br />
Stichprob<br />
e<br />
[N]<br />
Respond<br />
er<br />
[n]<br />
ja<br />
[%]<br />
teilweise<br />
[%]<br />
Betriebsarzt trägt zur Verbesserung<br />
des Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutzes im Unternehmen<br />
325 90,2 80,6 10,6 8,8<br />
bei<br />
Der Beratungsbedarf im<br />
Unternehmen wurde durch den<br />
325 90,5 91,8 4,4 3,8<br />
Betriebsarzt gedeckt<br />
Zufriedenheit der Unternehmer mit<br />
der Arbeit des Betriebsarztes<br />
325 91,4 96,6 — 3,4<br />
Waren die vom Betriebsarzt<br />
empfohlenen arbeitsschutzfördernden<br />
Investitionen auch<br />
198 81,8 95,7 — 4,3<br />
betriebswirtschaftlich vertretbar?<br />
Einschätzung des Preis-Leistungs-<br />
Verhältnisses der<br />
325 75,7 89,4 + 10,6 ++<br />
—<br />
+<br />
arbeitsmedizinischen Betreuung als<br />
gut + — schlecht +++<br />
Betreuungsanlässe für Unternehmer<br />
zum Hinzuziehen eines<br />
Betriebsarztes:<br />
- Gestaltung Arbeitszeit, Pausen,<br />
Schicht<br />
- Arbeitsmed. Untersuchungen u.ä.<br />
- Suchterkrankungen<br />
- Arbeitsplatzwechsel, (Wieder-)/<br />
Eingliederung<br />
- Häufung gesundheitlicher Probleme<br />
325 96,5<br />
8,3<br />
79,6<br />
54,1<br />
44,3<br />
66,6<br />
—<br />
—<br />
—<br />
—<br />
—<br />
nein<br />
[%]<br />
91,7<br />
20,4<br />
45,9<br />
55,7<br />
33,4<br />
Zusammenfassung Ergebnisqualität:<br />
Arbeitsmedizinische und Sicherheitstechnische Betreuung der BG BAU ist<br />
erforderlich.<br />
Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit tragen zur Verbesserung des<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen bei.<br />
Arbeitsgeber sind weitgehend zufrieden mit der Betreuung.<br />
Das Preis – Leistung - Verhältnis wird eher gut eingeschätzt.<br />
Bei einzelnen Aufgaben bestehen Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Im Wissen der Arbeitgeber um Betreuungsanlässe bestehen Lücken.<br />
782
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
3.2. Strukturqualität<br />
Frage/Aussage<br />
Stichprob<br />
e<br />
[N]<br />
Responde<br />
r<br />
[n]<br />
ja<br />
[%]<br />
teilweise<br />
[%]<br />
Qualifikation des Betriebsarztes:<br />
FA für AM + — Zusatz BM ++ — z. Z. in 67 100,0 92,5 + 3,0 ++ 4,5 +++<br />
WB +++<br />
nein<br />
[%]<br />
Teilnahme der Betriebsärzte an<br />
Weiterbildung der Ärztekammer<br />
67 98,5 95,5 — 4,5<br />
Zusammenfassung Strukturqualität:<br />
<br />
<br />
<br />
Betriebsärzte sind hoch qualifiziert.<br />
Die Fortbildung ist zeitlich und finanziell abgesichert.<br />
Ein hoher Anteil der Arbeitszeit wird mit Untersuchungen/Messungen,<br />
Begehungen und Beratungen verbracht.<br />
36,8 % Untersuchungen<br />
18,3 % Beratungen<br />
9,1 % Begehungen<br />
____________________<br />
64,2 der Gesamtarbeitszeit<br />
=====================<br />
3.3. Prozessqualität<br />
Frage/Aussage<br />
Werden in Ihrem Unternehmen<br />
Gefährdungsbeurteilungen<br />
durchgeführt?<br />
Werden Sie als Betriebsarzt zur<br />
Erstellung von<br />
Gefährdungsbeurteilungen<br />
herangezogen?<br />
Sind dem Betriebsarzt die genauen<br />
Arbeitsplatzverhältnisse in Ihrem<br />
Unternehmen bekannt?<br />
Wird der Betriebsarzt bei Urlaub oder<br />
Krankheit kompetent vertreten?<br />
Stichprob<br />
e<br />
[N]<br />
Respond<br />
er<br />
[n]<br />
ja<br />
[%]<br />
teilweise<br />
[%]<br />
nein<br />
[%]<br />
325 95,1 87,4 — 12,6<br />
67 98,5 18,2 54,5 27,3<br />
325 87,4 77,5 — 22,5<br />
325 73,2 94,5 — 5,5<br />
783
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Beratungsmöglichkeit durch den<br />
Betriebsarzt bei dringendem Bedarf<br />
des Unternehmens:<br />
- per Telefon innerhalb 24 Stunden<br />
- vor Ort innerhalb 24 Stunden<br />
Kennen sich Ihr Betriebsarzt und Ihre<br />
Fachkraft für Arbeitssicherheit?<br />
325<br />
325<br />
79,7<br />
65,9<br />
48,2<br />
31,3<br />
30,1<br />
35,5<br />
21,7<br />
33,2<br />
325 95,4 71,3 16,5 12,3<br />
Einschätzung der Kooperation<br />
zwischen Betriebsarzt und Sifa als 325 61,5 97,0 + — 3,0 +++<br />
gut + — schlecht +++<br />
Zusammenfassung Prozessqualität:<br />
Die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen wir häufig angegeben<br />
(Selbsteinschätzung der Arbeitsgeber).<br />
Betriebsärzte sind an Gefährdungsbeurteilungen und der Wirksamkeitskontrolle<br />
von Maßnahmen weniger beteiligt als Fachkräfte für Arbeitssicherheit.<br />
Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit werden kompetent vertreten.<br />
Telefonische Erreichbarkeit bei dringendem Beratungsbedarf könnte verbessert<br />
werden.<br />
70 % der Arbeitsgeber geben an, dass sich Betriebsarzt und Fachkraft für<br />
Arbeitssicherheit kennen.<br />
Wenn sie sich kennen, wird deren Zusammenarbeit als gut eingeschätzt.<br />
4. Weitere Vorgehensweise – Konsequenzen für die Prävention im AMD<br />
Neben der Auswertung der Ergebnisse, der Erkennung von Betreuungsdefiziten und der<br />
systematischen und zielgerichteten Verbesserung der Betreuungsqualität soll<br />
gemeinsam mit der TU – Dresden ein Indikatorsystem entwickelt werden<br />
Dieses System dient zur objektiven Bewertung der Betreuung und soll exemplarisch bei<br />
der BG BAU erprobt werden.<br />
Der Sinn eines Indikatorensystem?<br />
Schafft Ordnung und Struktur<br />
Reduziert die Informationsmenge auf das Wesentliche<br />
Fördert Transparenz und Überprüfbarkeit<br />
Ermöglicht eine Bewertung<br />
784
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Das Indikatorsystem ermöglicht Einschätzung der Betreuungsqualität durch:<br />
Diskussion und Festlegung von Betreuungszielen<br />
Internes Benchmarking bei wiederholten Befragungen<br />
Ergänzung vorhandener Qualitätsmanagementsysteme<br />
Handlungsbedarf wird erkennbar durch:<br />
Vergleich zwischen Zielen der BG BAU und Befragungsergebnissen<br />
Führt zu:<br />
Erhöhter interner und externer Transparenz der Arbeit von AMD und STD der<br />
BG BAU<br />
785
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Die Funktionen des Kompetenzzentrums von AMD und STD der<br />
BG BAU<br />
Bernd Hartmann<br />
BG der Bauwirtschaft – Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg<br />
1. Grundlagen<br />
Ein Kompetenzzentrum des Arbeitsmedizinischen Dienstes für die alternative Betreuung<br />
von Kleinbetrieben bis 10 Beschäftigte durch Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte<br />
erfolgt auf der Basis der Anlage 3 (zu § 2 Abs. 4) der BGV A2: „Abweichend von Abs. 2<br />
kann der Unternehmer nach Maßgabe der Anlage 3 ein alternatives Betreuungsmodell<br />
durch Kompetenzzentren wählen, wenn er aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden<br />
ist und die Zahl der Beschäftigten bis zu 10 beträgt. Erfüllt der Unternehmer seine<br />
Verpflichtungen im Rahmen der alternativen bedarfsorientierten Betreuungsform nicht,<br />
unterliegt er mit seinem Betrieb der Regelbetreuung nach Abs. 2 oder 3 dieser<br />
Unfallverhütungsvorschrift.“ Unternehmen mit ≤10 Beschäftigte sollten im Interesse einer<br />
rationellen Betreuung das alternative Betreuungsmodell wählen.<br />
Voraussetzungen zur Teilnahme am Kompetenzzentrum sind (BGV A2):<br />
Der Unternehmer wird von der BG BAU durch Teilnahme an Informations- und<br />
Motivationsmaßnahmen qualifiziert.<br />
Er beteiligt sich an Fortbildungsmaßnahmen und nimmt bedarfsorientiert die<br />
Betreuung durch das Kompetenzzentrum in Anspruch.<br />
Diese Informations- und Motivationsmaßnahmen umfassen 8 Lehreinheiten in Präsenz<br />
sowie Selbstlernmaßnahmen inkl. Lernerfolgskontrollen. Schwerpunktthemen sind<br />
insbesondere:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Arbeitsschutz als Führungsaufgabe und Unternehmensziel,<br />
Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes,<br />
Wirtschaftliche Aspekte des Arbeitsschutzes,<br />
Branchenspezifische Gefährdungspotenziale und Probleme des Arbeitsschutzes,<br />
Durchführung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen,<br />
Verfahren zur Feststellung des betrieblichen Beratungsbedarfs.<br />
Dem Kompetenzzentrum werden besondere Fortbildungsmaßnahmen übertragen (2.3):<br />
„Die Information und Motivation der Unternehmer wird durch regelmäßige Maßnahmen<br />
der Kompetenzzentren sowie durch Fachinformationen nach Vorgaben der<br />
Berufsgenossenschaft aufrechterhalten. Der Unternehmer hat sich daran zu beteiligen.“<br />
786
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
2. Umsetzung des Kompetenzzentrums durch AMD und STD<br />
Alle AMD-Zentren der BG BAU stehen bundesweit als Ansprechpartner für die<br />
Unternehmer zur Verfügung. Weiterhin stehen allen AMD Zentren Mitarbeiter des STD<br />
für sicherheitstechnische Fragen zur Seite. Auf Anfragen kann damit bedarfsgerecht und<br />
zeitnah reagiert werden, weil AMD und STD zusammenarbeiten.<br />
Wer soll durch die Kompetenzzentren erreicht werden? Nach einer Schätzung der<br />
Unternehmensstruktur liegen etwa 85% aller Unternehmen, die dem AMD der BG BAU<br />
angeschlossen sind, im Bereich der möglichen Betreuung durch das Kompetenzzentrum.<br />
Auf jeden Arzt entfallen statistisch durchschnittlich >900 Unternehmen. Diese könnten<br />
maximal durch das Kompetenzzentrum ohne Einsatzzeitennachweis zu betreuen sein.<br />
Angebotsformen dieser Betreuung sind mindestens<br />
a) Jährliche Information nach Gewerke-Schwerpunkten<br />
als „BG-BAU-aktuell“ - Beilage und als Aussendungen an Unternehmen mit Bezug<br />
zum Zentrum des AMD und des zugehörigen STD<br />
b) Gewerkebezogene Gesundheitsberichte des AMD als Datenbasis zur Begründung<br />
der Betreuung auf der Basis bestätigter Gefährdungen und<br />
Erkrankungsschwerpunkte,<br />
c) Betriebsbezogene Berichtspflichten als DV-Lösung in Kurzform über alle Aktivitäten<br />
vom AMD / STD über die im Kompetenzzentrum erbrachte Betreuung.<br />
d) Bundesweit vertiefende Seminare in Kooperation mit der Abteilung Prävention<br />
(möglich sind z. B. Korrosionsschutz, Altlasten, Druckluftarbeiten).<br />
Zusätzlich wird den Unternehmen angeboten, im AMD die Vorsorgekartei (neben der<br />
Unternehmerpflicht nach ArbMedVV) zu verwalten und die Aktualisierung des Bestandes<br />
entsprechend zu untersuchender (bzw. eine Vorsorge anzubietender) Beschäftigte wird<br />
ermöglicht. Die Unternehmen werden einmalig zur Wahrnehmung der fälligen Vorsorge<br />
aufgefordert.<br />
3. Schlussfolgerungen<br />
Die Kompetenzzentren führen die Erfahrungen der Poolbetreuung in der Bauwirtschaft<br />
nach der früher gültigen BGV A7 und deren Synergieeffekte fort. Zusätzlich stehen sie<br />
auch für erweiterte Fragestellungen bereit, was jedoch die Aktivität der Unternehmer<br />
voraussetzt. Für diese gibt das Kompetenzzentrum über die lokalen AMD-Zentren<br />
Auslöseimpulse in Form von Hinweisen auf zweckmäßige Angebote und ggf. Pflichten.<br />
Die inhaltliche Steuerung der Kompetenzzentrums ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die<br />
langjährig in der Baubranche erfahrene Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte in<br />
Verbindung mit anderen Präventionsfachkräften bei der BG BAU erfüllen. Eine<br />
787
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Expertenliste des AMD weist für übergreifende Fragestellungen Spezialisten für die<br />
Erarbeitung spezifischer fachlicher Grundlagen aus.<br />
788
S<br />
Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />
Bauwirtschaft<br />
Praktische Umsetzung des G 25 und G 41 und die neue<br />
Rechtsverordnung „Arbeitsmedizinische Vorsoge“<br />
Kurt Rinnert<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, BG Bau, Köln<br />
AMD-Mitarbeit in Netzwerken<br />
Beate Nölle<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, BG Bau, Dortmund<br />
Hautkrebs durch UV-Licht - aus dermatologischer Sicht<br />
Thomas Diepgen<br />
Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg<br />
Hautkrebs durch UV-Licht - aus BK-rechtlicher Sicht<br />
Otto Blome<br />
Informationsmanagement / Institut für arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten, Köln<br />
Das neue Einstufungs- und Kennzeichnungssystem GHS<br />
- ein Überblick<br />
Kerstin Rathmann<br />
GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />
Sachstand zu künstlichen Mineralfasern<br />
Norbert Kluger<br />
GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />
Sicherer Umgang mit optimierten Epoxidharzprodukten<br />
Reinhold Rühl, Klaus Kersting<br />
GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />
Die oben aufgeführten Beiträge lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />
789
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Projekt zur Evaluation der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsätze<br />
Harald Wellhäußer<br />
Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Bereich Prävention, Heidelberg<br />
Ziel aller arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen ist und bleibt der<br />
Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Trotz aller Maßnahmen zur Verbesserung von<br />
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sind weiterhin biologische, chemische,<br />
psychische und physikalische Einwirkungen der Beschäftigten in vielen Arbeitsbereichen<br />
gegeben. Aus diesem Grunde sind wirksame Maßnahmen der Sekundärprävention<br />
notwendig.<br />
Und genau hier setzen arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen an. Sie sollen<br />
Vorstadien und Frühsymptome arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen frühzeitig<br />
erkennen und ermöglichen, Maßnahmen zur Vermeidung von manifesten<br />
Gesundheitsstörungen zu ergreifen. Eine umfassende und wirksame Früherkennung<br />
dient somit auch der Verbesserung der Erfolge bei ggf. notwendigen Heilbehandlungen.<br />
Ein wirksames Instrument zur Früherkennung von Gesundheitsstörungen bei<br />
Beschäftigten, das durch die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die<br />
Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand geschaffen wurde, sind die "Speziellen<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach den Berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsätzen". Jährlich werden mehrere Millionen arbeitsmedizinische Untersuchungen<br />
nach unseren Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen durchgeführt. Die Anlässe zu<br />
diesen Untersuchungen gibt aktuell im Wesentlichen die Verordnung zur<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorge vor. Nach wie vor werden die<br />
Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze als allgemein anerkannte Erkenntnisse der<br />
Arbeitsmedizin umgesetzt und nachgefragt.<br />
Im Rahmen des Projektes wurde der Frage nachgegangen, ob die Grundsätze unter den<br />
gegebenen Bedingungen auch vor dem Hintergrund des finanziellen Aufwands der<br />
Untersuchungen weiterhin als effizientes und effektives Instrument zur Förderung und<br />
zum Erhalt für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu betrachten sind.<br />
Das Projekt wurde als Querschnittsbetrachtung angelegt, deren Untersuchungskollektiv<br />
2000 Beschäftigte aus allen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft umfassen sollte. Der<br />
Qualitätsstand der Untersuchungen selbst war nicht Gegenstand der Studie.<br />
790
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Zur Datenerhebung wurden Fragebögen an Betriebsärzte unterschiedlichster<br />
Unternehmen versendet. Das Untersuchungskollektiv repräsentierte einen breiten<br />
Querschnitt verschiedenster Branchen und Dienstleistungsbereiche. Um eine zu starke<br />
Aufsplitterung der Evaluation zu vermeiden, wurde die Anzahl der zu untersuchenden<br />
Grundsätze auf 5 begrenzt. Trotzdem sollte sich bei der Auswahl der zu untersuchenden<br />
Grundsätze das breite Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen für<br />
möglichst viele Gefährdungen abbilden.<br />
Insgesamt wurden 1.983 Bögen ausgefüllt zurückgesendet. Erstaunlicherweise kamen<br />
auch einige Bögen zurück, auf denen Grundsätze dokumentiert wurden, die gar nicht<br />
abgefragt worden waren. Von einigen Kolleginnen und Kollegen wurden sogar mehr<br />
Bögen zurückgeschickt als ursprünglich erwartet, aber auch das haben wir sehr gerne<br />
entgegengenommen. Dies erklärt z. B. beim G 37 einen Anteil zurückgesendeter<br />
Fragebögen von 115%. Gleichwohl, zusammenfassend kamen wir auf eine<br />
Rückläuferquote von 99,15%, was eine erstaunlich hohe Beteiligung und damit ein<br />
angenehm hohes Interesse an unserer Untersuchung bei den beteiligten Ärztinnen und<br />
Ärzten belegt.<br />
Da es sich bei der Studie um eine Querschnittsuntersuchung handelte, waren als<br />
Untersuchungsanlässe sowohl Erstuntersuchungen als auch Nachuntersuchungen<br />
möglich. Am häufigsten wurden die Fragebögen im Rahmen von Nachuntersuchungen<br />
bearbeitet. Über alle Grundsätze zusammen waren Pflicht- und<br />
Angebotsuntersuchungen jeweils ca. zur Hälfte vertreten.<br />
In Summe betrachtet konnte in 86,5% der Untersuchungen das Ergebnis „keine<br />
gesundheitlichen Bedenken“ dokumentiert werden. "Keine gesundheitlichen Bedenken<br />
unter bestimmten Voraussetzungen" konnten in 12,9% ausgesprochen werden, in jeweils<br />
0,3% aller Untersuchungen lauteten die Befunde „befristete gesundheitliche Bedenken“<br />
und „dauernde gesundheitliche Bedenken“. Diese Verteilung entsprach einem<br />
Erwartungswert aus früheren Jahren, als über die Landesverbände noch derartige<br />
Zahlen erhoben worden waren.<br />
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Ergebnis 86,5% ohne<br />
gesundheitlichen Bedenken keine weiteren Empfehlungen nach sich ziehen würde.<br />
Dieser Schluss ist falsch. Über alle Grundsätze gerechnet konnten bei 887<br />
Untersuchungen Empfehlungen, Auflagen oder Bedenken durch den untersuchenden<br />
Arzt bzw. die untersuchende Ärztin dokumentiert werden. Dies entspricht fast der Hälfte<br />
der ausgewerteten Untersuchungsbögen. Diese Empfehlungen, Auflagen und Bedenken<br />
791
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
wurden weiter differenziert nach tätigkeitsbezogenen Befunden, ungünstigen<br />
Arbeitsplatzgestaltungen, nach Verdacht auf Berufskrankheiten bzw. Maßnahmen nach §<br />
3 Berufskrankheitenverordnung und nach berufsunabhängigen Befunden bzw.<br />
Risikofaktoren. Nicht überraschend war in der letztgenannten Gruppe die häufigste<br />
Anzahl zu verbuchen. Diese 887 Empfehlungen, Auflagen und Bedenken blieben<br />
natürlich nicht gut gehütetes Geheimnis des untersuchenden Arztes, sondern mündeten<br />
in 1.644 Fällen in Empfehlungen an Beschäftigte sowie in 341 Fällen in Empfehlungen<br />
an den Unternehmer.<br />
Bei den durchgeführten Untersuchungen wurden verschiedenste auffällige Befunde<br />
erhoben. Diese Befunde wurden in insgesamt 9 Kategorien zusammengefasst. Neue,<br />
bislang nicht bekannte medizinische Befunde wurden in 294 aller Untersuchungen<br />
erhoben. In 292 Untersuchungen wurden daraufhin verhaltensorientierte Beratungen<br />
durchgeführt, die ausreichend waren, um keine medizinischen Bedenken äußern zu<br />
müssen. Auch dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass auch in der großen Gruppe der<br />
"ohne gesundheitlichen Bedenken" befundeten Beschäftigten zum Teil Handlungsbedarf<br />
bestand. Ebenfalls bemerkenswert ist die hohe Zahl an Empfehlungen, die zu einer<br />
weiteren ärztlichen Behandlung führten. Der größte Teil der Empfehlungen an die<br />
Beschäftigten bezog sich auf die Themenbereiche Sehvermögen, Ernährung und<br />
Raucherentwöhnung.<br />
Um die Gründe für gesundheitliche Bedenken bzw. den Zusammenhang zwischen dem<br />
Untersuchungsergebnis und möglichen Einflussfaktoren herauszufinden, wurden mit<br />
Hilfe der logistischen Regression Auswertungen der Daten durchgeführt. Zielvariable war<br />
der binäre Faktor Untersuchungsergebnis. In das Regressionsmodell wurden alle<br />
erhobenen Faktoren aufgenommen. In der univarianten Analyse waren außer dem<br />
Geschlecht, dem Rauchverhalten und dem Übergewicht alle ausgewählten Faktoren<br />
statistisch signifikant mit dem Ergebnis der Untersuchung korreliert. In der multivarianten<br />
Analyse blieben 6 Faktoren übrig, die statistisch signifikant waren.<br />
Aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeit von gesundheitlichen Bedenken bei den<br />
verschiedenen untersuchten Grundsätzen wurden die Auswertungen innerhalb der<br />
untersuchten 5 BG Grundsätze getrennt. Es zeigte sich, dass sich kein Faktor in allen 5<br />
Grundsätzen als statistisch signifikant erwies. Die Auswahl der Faktoren blieb immer<br />
unterschiedlich. Es ist jedoch zu bedenken, dass aufgrund der Fülle der Vergleiche eine<br />
Reihe von Ergebnissen auch per Zufall signifikant gewesen sein könnte. Es konnte<br />
hierbei nicht unterschieden werden, welche der signifikanten Ergebnisse wirklich einen<br />
Einfluss darstellten und welche Merkmale per Zufall signifikant waren. Letztlich sind die<br />
792
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Faktoren, die im Zusammenhang mit der Häufigkeit von gesundheitlichen Bedenken<br />
stehen, von Grundsatz zu Grundsatz unterschiedlich. Daher war es nicht möglich, eine<br />
gemeinsame Aussage hierzu zu treffen. Es waren vielmehr spezifische Aspekte, die mit<br />
dem Ergebnis im Zusammenhang standen.<br />
Insgesamt lautete bei 86,5% aller Untersuchungen das Ergebnis "keine gesundheitlichen<br />
Bedenken". Die Gründe für diesen hohen Anteil an Beschäftigten, deren Untersuchung<br />
keine gesundheitlichen Bedenken ergab, sind vielfältig. Worin liegen diese Gründe?<br />
Zunächst wird durch Angebots- und Pflichtuntersuchungen eine große Gruppe von<br />
Probanden erreicht, die nicht aufgrund von Krankheitssymptomen zu der Untersuchung<br />
erscheinen, sondern aufgrund von Regelungen im Arbeitsschutz. Personen mit<br />
bestimmten Beschwerden oder Erkrankungen werden bereits vorab aus<br />
Arbeitsbereichen herausgenommen, an denen das Risiko des Verschlimmerns dieser<br />
Beschwerden oder Erkrankungen besteht. Dies gehört auch zu den Effekten einer<br />
effizienten arbeitsmedizinischen Sekundärprävention. Ein Grund des häufigen Urteils<br />
"keine gesundheitlichen Bedenken" ist auch in den ständig weiterentwickelten<br />
Präventionsmaßnahmen in den Betrieben zu sehen, die auch auf den Empfehlungen der<br />
Betriebsmediziner beruhen. Nicht zuletzt die arbeitsmedizinischen<br />
Vorsorgeuntersuchungen mit ihren Beratungen der Beschäftigten und die aus diesen<br />
Untersuchungen resultierenden Empfehlungen an die Unternehmen und Beschäftigten<br />
tragen dazu bei, durch Verhalten und Verhältnisprävention die arbeitsbedingten<br />
Gefährdungen, die gesundheitlichen Einschränkungen führen könnten, zu reduzieren.<br />
12,9% der ausgewerteten Bögen zeigten als Ergebnis "keine gesundheitlichen Bedenken<br />
unter bestimmten Voraussetzungen". Die hierbei betroffenen Arbeitnehmer profitierten<br />
direkt von dem Instrumentarium der Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze. In diesen<br />
Fällen wurden im Rahmen der Sekundärprävention Belastungen der Gesundheit<br />
aufgrund der Arbeitsbedingungen festgestellt, die dann direkt zu Empfehlungen und<br />
Maßnahmen führten, die eine Erkrankung des Beschäftigten verhindern helfen. Die<br />
niedrige Zahl der ausgesprochenen "dauernden gesundheitlichen Bedenken" und<br />
"befristeten gesundheitlichen Bedenken" darf nicht zu der Schlussfolgerung verleiten,<br />
dass zu viele Probanden untersucht wurden oder dass der Personenkreis der zu<br />
Untersuchenden weiter eingeschränkt werden sollte. Vielmehr kommen hier die<br />
jahrzehntelangen Bemühungen aller am Arbeitplatz und Gesundheitsschutz im Betrieb<br />
beteiligten Akteure zum Ausdruck, die die Arbeitsplätze so gestaltet haben, dass diese<br />
Befunde nach einer Untersuchung nur selten ausgesprochen werden mussten.<br />
793
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Die detaillierten Untersuchungen zeigten auch, dass es keinen Grundsatz gab, bei dem<br />
besonders häufig Befunde bestimmter Befundkategorien erhoben wurden. Insofern<br />
können keine Grundsätze im Rahmen des Projektes identifiziert werden, die besonders<br />
geeignet wären, um sehr sensitiv gesundheitliche Beeinträchtigungen aufzuzeigen.<br />
Daraus kann gefolgert werden, dass das breite Angebot von verschiedenen Grundsätzen<br />
begründet und erforderlich ist.<br />
Die Auswertung der Fragebögen weist deutlich darauf hin, dass die<br />
Vorsorgeuntersuchungen häufig über die gesundheitliche Beurteilung hinausgehende<br />
gesundheitsförderliche Aspekte berücksichtigen. So werden in vielen<br />
arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen wertvolle Empfehlungen zur<br />
Gesundheitsförderung an die untersuchten Beschäftigten weitergegeben. Die weit über<br />
eintausend Empfehlungen und Beratungen sowohl an die Beschäftigten als auch an die<br />
Unternehmer, die in den Fragebögen dokumentiert wurden, weisen nach, dass spezielle<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen neben den unmittelbar<br />
tätigkeitsbezogenen Wirkungen auch Beiträge zur Gesunderhaltung der Probanden<br />
leisten, die nur mittelbar mit der Tätigkeit in Zusammenhang stehen oder dem privaten<br />
Bereich zuzuordnen sind. Somit leistet die spezielle arbeitsmedizinischen Vorsorge auch<br />
einen Beitrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung.<br />
Es bleibt festzuhalten, dass die ständig weiterentwickelten Berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ein effizientes und<br />
aktuelles Instrumentarium für die arbeitsmedizinische Vorsorge darstellen und damit<br />
einen wichtigen Beitrag zur Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit leisten.<br />
794
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention braucht<br />
praxisnaheForschung<br />
Michael Nasterlack<br />
Aus der Abteilung Occupational Medicine & Health Protection der BASF SE, Ludwigshafen, (Direktor: Dr.<br />
Stefan Lang)<br />
Einleitung<br />
Die Arbeitsmedizin ist wie kein anderes medizinisches Spezialistenfach interdisziplinär.<br />
Ihr Aufgabengebiet umfasst so ziemlich alle denkbaren Gesundheitszustände und deren<br />
Wechselwirkungen mit menschlicher Arbeit, soweit diese nicht a priori die Verrichtung<br />
jeglicher Arbeit ausschließen. Hierbei bedient sie sich jeweils etablierter Methoden aus<br />
den verschiedenen medizinischen Fachbereichen. Dieses gilt sowohl für die klassische<br />
Sekundärprävention („Gesundheitsüberwachung“) als auch für die in neuerer Zeit als<br />
immer wichtiger erkannte Primärprävention („Gesundheitsförderung“).<br />
Hierbei kann nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, dass alle Verfahren, die aus der<br />
klinischen Medizin stammen und überwiegend an Kranken aller Altersstufen entwickelt<br />
und erprobt wurden, auf im Prinzip gesunde, erwachsene Arbeitnehmerkollektive<br />
übertragbar sind. Die im arbeitsmedizinischen Alltag eingesetzten Methoden müssen<br />
überdies nicht nur wissenschaftlich fundiert sein, sondern auch praxistauglich bleiben.<br />
Praxistauglich ist hierbei vor allem das, was unter realen Bedingungen ohne erhebliche<br />
Störung der betrieblichen Abläufe durchführbar ist und sowohl für die betroffenen<br />
Arbeitnehmer als auch für die bezahlenden Arbeitgeber Nutzen schafft.<br />
Am Beispiel einer derzeit laufenden Studie im Rahmen von nachgehenden<br />
Untersuchungen nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 33 „aromatische<br />
Amine“ und einer in der BASF SE seit mehreren Jahren angebotenen<br />
Darmkrebsvorsorge soll gezeigt werden, wie praktische Arbeitsmedizin auch unter<br />
„Feldbedingungen“ zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess der<br />
arbeitsmedizinischen Verfahren und Prozesse beitragen kann.<br />
Beispiel Darmkrebsvorsorge<br />
Der Darmkrebs ist in Deutschland bei beiden Geschlechtern mit fast 60.000<br />
Neuerkrankungen pro Jahr die zweithäufigste Krebserkrankung. Obwohl er der Vorsorge<br />
grundsätzlich gut zugänglich ist und bei frühzeitiger Diagnose die Heilungsrate mit über<br />
90% angegeben wird, ist er auch weiterhin die zweithäufigste krebsbedingte<br />
Todesursache. Dies könnte grundsätzlich einer schlechten Sensitivität der zur<br />
Früherkennung eingesetzten Tests auf verstecktes Blut im Stuhl (FOBT), einer<br />
795
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
unzureichenden Teilnahmerate an den angebotenen Vorsorgeprogrammen oder der<br />
nicht konsequent verfolgten diagnostischen Abklärung „positiver“ Screening-Befunde<br />
geschuldet sein. Zwar waren in der Vergangenheit mehr oder weniger gezielte<br />
Kampagnen zur Darmkrebsvorsorge in verschiedensten Umfeldern bereits durchgeführt<br />
worden, jedoch waren uns systematische Untersuchungen mit entsprechender<br />
Nachverfolgung von Einzelfällen unter Feldbedingungen bislang nicht bekannt geworden.<br />
Aus diesem Grund führte die Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der BASF<br />
SE in den Jahren 2001 und 2002 eine Vorsorgeinitiative gegen Darmkrebs durch<br />
(Webendörfer et al. 2004). Im Rahmen dieser Aktion erhielten alle damals hier<br />
beschäftigten 13.265 Mitarbeiter, die das 45. Lebensjahr vollendet hatten, ein<br />
ausführliches Informationsschreiben mit Einladung zur Teilnahme an der Aktion.<br />
Insgesamt 3.732 Personen (28,1% der Zielgruppe) gaben einen FOBT ab und<br />
beantworteten Fragen zu beobachtetem Blut im Stuhl sowie zur Familienanamnese<br />
bezüglich Darmkrebs. Eine Indikation zur Koloskopie wurde aufgrund der Resultate bei<br />
insgesamt 688 Teilnehmern gestellt; 323 Personen (47%) ließen diese Untersuchung<br />
durchführen. Bei neun untersuchten Mitarbeitern wurde ein manifestes Karzinom<br />
gefunden, davon sechs in Frühstadien. In 61 Fällen wurden adenomatöse Polypen<br />
diagnostiziert und in der gleichen Sitzung abgetragen. Eine konservative Kosten-Nutzen-<br />
Analyse der Aktion ergab 1:10 auf der betrieblichen Ebene und 1:14 im Bereich des<br />
öffentlichen Gesundheitssektors. Aufgrund dieser überzeugenden Ergebnisse wurde aus<br />
der damaligen Gesundheitsaktion ein permanent weiter geführtes Vorsorgeangebot an<br />
über 45-jährige Mitarbeiter, an dessen Kosten sich auch die Betriebskrankenkasse<br />
ProNova beteiligt. Die Teilnahmequote ist in dieser Zeit auf 32% angestiegen, aber wir<br />
streben mehr an.<br />
Beispiel arbeitsmedizinische Vorsorge<br />
Arbeitnehmer, die früher beruflichen Umgang mit bestimmten aromatischen Aminen<br />
hatten, sind bekanntermaßen einem erhöhten Blasenkrebsrisiko ausgesetzt. Industrie<br />
und Berufsgenossenschaften haben hieraus Konsequenzen gezogen und bieten diesem<br />
Personenkreis nachgehende Untersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen<br />
Grundsatz G 33 an. Das spezifische Untersuchungsinventar dieses Grundsatzes sieht<br />
bislang eine allgemeine Urinuntersuchung sowie eine zytologische Untersuchung des<br />
Urinsediments vor. Als fakultative Untersuchung wird die Bestimmung von NMP22<br />
erwähnt. Inwieweit dieses Untersuchungsprogramm den Erfordernissen eines<br />
Risikokollektivs aus bislang symptomfreien Personen Rechnung trägt, wurde von uns<br />
erstmals in einer retrospektiven Auswertung der bis dahin bei uns durchgeführten<br />
nachgehenden Untersuchungen an 1.679 Teilnehmern überprüft (Nasterlack et al. 2001).<br />
Hierbei ergab sich eine mit 88% gute Sensitivität der kombinierten Indikatoren<br />
796
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
„wiederholte Mikrohämaturie oder auffällige Zytologie“ mit einem allerdings sehr<br />
unbefriedigenden positiven prädiktiven Wert von nur 4%. Urinbasierte diagnostische<br />
Marker können möglicherweise die Früherkennung von Harnblasenkrebs weiter<br />
verbessern. Ein International Consensus Panel of Bladder Cancer Tumor Markers<br />
empfahl jedoch geeignete prospektive Studien, um die prädiktiven Werte diese Marker<br />
zuverlässiger bewerten zu können (Habuchi et al. 2005, Lokeshwar et al. 2005). Vor<br />
diesem Hintergrund entstand das Forschungsprojekt UroScreen in Kooperation zwischen<br />
der BASF SE, Currenta (ehemals Bayer), der Berufsgenossenschaft der chemischen<br />
Industrie, dem Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen (ODIN), dem<br />
Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut Bochum und der Klinik für Urologie der<br />
Universität Tübingen. Um zu prüfen, ob Harnblasenkrebs mit einzelnen oder<br />
kombinierten Tumormarkern besser erkannt wird als durch Hämaturie oder Zytologie,<br />
wird seit 2003 bis voraussichtlich 2010 ehemals beruflich Exponierten jährlich ein<br />
erweitertes Früherkennungsprogramm mit der quantitativen Bestimmung von NMP22<br />
und dem von der FDA zugelassenen UroVysion TM -Test angeboten. Bei einem positiven<br />
Befund in mindestens einem dieser Marker wird die Durchführung einer Urozystoskopie<br />
zur weiteren Diagnostik empfohlen. Zusätzlich wird in einem Teilkollektiv der noch nicht<br />
klinisch etablierte Marker Survivin bestimmt, um hierfür eine retrospektive Auswertung zu<br />
ermöglichen (Stockmann et al. 2005).<br />
Bisher haben 1.556 Personen dieses Angebot mindestens einmal wahrgenommen. Unter<br />
4.738 Urinuntersuchungen traten 166 positive NMP22-Befunde und 62 positive Survivin-<br />
Bestimmungen auf, insbesondere bei Entzündungen, die als Ausschlusskriterium<br />
bekannt sind, in der Praxis aber nicht immer als solche gehandhabt werden können.<br />
Positive UroVysion TM -Tests zeigten sich bei 48 Proben, teilweise gemeinsam mit<br />
auffälligen Zytologiebefunden. Bisher wurden 15 Tumoren bei 14 Personen ermittelt, von<br />
denen elf in der vorausgegangenen Marker-Untersuchung einen positiven Urinbefund<br />
hatten. Protein-basierte (NMP22, Survivin) und zell-basierte Tests (UroVysion TM ,<br />
Zytologie) ergänzen sich hierbei. Insgesamt weisen diese ersten Ergebnisse darauf hin,<br />
dass ein Marker-Panel zu einer erfolgreichen Erkennung von Harnblasenkrebs in frühen<br />
Stadien führen kann. Die praktischen Erfahrungen dieser umfangreichen prospektiven<br />
Studie werden auch dazu beitragen, die Entscheidungsfindung für eine<br />
Blasenspiegelung zu optimieren.<br />
Schlussfolgerung<br />
Projekte wie die hier beschriebenen sind in vielen Fällen aufwändig, manchmal auch<br />
teuer. Ihre Durchführung muss den Kostenverantwortlichen gegenüber im Zweifelsfalle<br />
gut begründet werden. Für den Nachweis eines Nutzens reicht nicht mehr der einfache<br />
797
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Verweis auf Erfahrungswissen. Das Projektdesign muss im Sinne der Qualitätssicherung<br />
eine spätere strukturierte und nachvollziehbare Evaluation möglich machen. Hieraus lassen<br />
sich dann Potenziale für die kontinuierliche Verbesserung von praxisrelevanten<br />
Methoden und Verfahren ableiten. Dieser Prozess kann nicht ausschließlich - und noch<br />
nicht einmal überwiegend - im klinischen oder universitären Umfeld erfolgen, idealer<br />
Weise aber in enger Kooperation mit solchen Institutionen.<br />
Literatur<br />
Habuchi T, Marberger M, Droller MJ, Hemstreet GP 3rd, Grossman HB, Schalken JA,<br />
Schmitz-Dräger BJ, Murphy WM, Bono AV, Goebell P, Getzenberg RH, Hautmann SH,<br />
Messing E, Fradet Y, Lokeshwar VB (2005) Prognostic markers for bladder cancer:<br />
International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology 66 (Suppl. 1):64-74.<br />
Lokeshwar VB, Habuchi T, Grossman HB, Murphy WM, Hautmann SH, Hemstreet GP<br />
3rd, Bono AV, Getzenberg RH, Goebell P, Schmitz-Dräger BJ, Schalken JA, Fradet Y,<br />
Marberger M, Messing E, Droller MJ (2005) Bladder tumor markers beyond cytology:<br />
International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology 66 (Suppl. 1):35-63.<br />
Nasterlack M, Scheuermann B, Messerer P, Pallapies D, Zober A (2001)<br />
Harnblasenkrebs in einem Risikokollektiv - klinische und epidemiologische Aspekte.<br />
Symposium Medical 12:17-19.<br />
Stockmann H, Delbanco J, Eberle F, Scheuermann B, Nasterlack M, Brüning T, Johnen<br />
G (2005) Survivin als Früherkennungsmarker bei Harnblasenkarzinomen.<br />
Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />
45:192-194.<br />
Webendörfer S, Messerer P, Eberle F, Zober A (2004) Darmkrebs-Vorsorge im Betrieb.<br />
Dtsch Med Wschr 129:239-243.<br />
798
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Qualität der arbeitsmedizinischen Prävention aus Sicht der<br />
<strong>DGAUM</strong><br />
Stephan Letzel<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz<br />
Einleitung:<br />
Prävention am Arbeitsplatz ist die originäre Aufgabe der Arbeitsmedizin und beinhaltet<br />
das Gesamtspektrum der arbeitsmedizinischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention<br />
sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung (Abb. 1). Grundvoraussetzung der<br />
arbeitsmedizinischen Prävention ist die Gefährdungsbeurteilung.<br />
Abb. 1: Untergliederung der arbeitsmedizinischen Prävention<br />
Für den Begriff Qualität gibt es z. T. sehr unterschiedliche Definitionen. Nach DIN EN<br />
ISO 9000:2005 ist Qualität der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale<br />
Anforderungen erfüllt. Die Qualität gibt damit an, in welchem Maß ein Produkt oder eine<br />
Dienstleistung den bestehenden Anforderungen entspricht. Während Th. Heuss einmal<br />
formuliert hat „Qualität ist das Anständige“ und damit eine ethische Dimension bei der<br />
Definition der Qualität berücksichtigt hat, definierte Lettmann „Qualität ist, dass das<br />
Richtige richtig gemacht wird.“ Die drei genannten Qualitätsdefinitionen zeigen sehr<br />
unterschiedliche Schwerpunkte auf und sind nur zum Teil auf den Bereich der Prävention<br />
anzuwenden. Vom Institute of Medicine der national Academy of Sciences der USA<br />
wurde 1990 folgende Definition des Qualitätsbegriffes für die Medizin entwickelt: „ Quality<br />
of care is the degree to which health services for individuals and populations increase the<br />
likelihood of desired health outcomes and are consistent with current professional<br />
799
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
knowledge“ (Lohr und Schroeder, 1990). Sinngemäß auf die arbeitsmedizinische<br />
Prävention übertragen würde dies bedeuten: Qualität der arbeitsmedizinischen<br />
Prävention ist das Maß, in dem die Prävention von Individuen oder Personengruppen am<br />
Arbeitsplatz die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass unerwünschte, auf die Gesundheit<br />
bezogene Ergebnisse vermieden werden und zwar in Übereinstimmung mit dem<br />
aktuellen Wissen der Arbeitsmedizin. Bei der arbeitsmedizinischen Prävention darf<br />
zusätzlich als Qualitätsmerkmal auch nicht die Angemessenheit und Vertretbarkeit der<br />
Präventionsaufwendungen für das zu erzielende Ergebnis außer Acht gelassen werden.<br />
Qualitätsebenen der Prävention:<br />
Ein geeignetes Konzept zur Bestimmung der Qualität der arbeitsmedizinischen<br />
Prävention ist das analytische Konzept von Donabedian, das die Qualität in die drei<br />
Variablenkomplexe Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität unterteilt.<br />
Die Strukturqualität beschreibt hierbei die Rahmenbedingungen der präventiven<br />
Maßnahmen und beinhaltet u. a. die fachliche Qualifikation der beteiligten Personen, die<br />
Ausstattung der betriebsärztlichen Einrichtung, die Form der Zusammenarbeit mit an der<br />
Prävention beteiligten Fachrichtungen und Leistungserbringern sowie die entsprechende<br />
Organisationsstruktur.<br />
Die fachliche Qualifikation der im Bereich der arbeitsmedizinischen Prävention<br />
beschäftigten Ärztinnen und Ärzte liegt im Verantwortungsbereich der ärztlichen<br />
Selbstverwaltung in Zusammenarbeit der Ärztekammern (Bundesärztekammer,<br />
Landesärztekammern) mit den entsprechenden Fachgesellschaften (Deutsche<br />
Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (<strong>DGAUM</strong>), Verband Deutscher<br />
Betriebs- und Werksärzte(VDBW)). Wichtiger Bestandteil der fachlichen<br />
Qualitätssicherung im Bereich der Strukturqualität ist das Weiterbildungskurrikulum des<br />
Faches, das in der Weiterbildungsordnung (Facharzt „Arbeitsmedizin“,<br />
Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“) sowie im Kursbuch für den theoretischen<br />
Weiterbildungskurs in der Facharzt-Weiterbildung Arbeitsmedizin und in der Zusatz-<br />
Weiterbildung Betriebsmedizin verankert ist. Eine kontinuierliche Anpassung der<br />
Weiterbildungsinhalte an die Anforderungen der betriebesärztlichen Praxis ist dabei<br />
dringend erforderlich. Qualitativ hochwertige Weiterbildung setzt zudem qualifizierte<br />
Weiterbilder voraus. Eine entsprechende Qualitätssicherung muss daher sowohl die<br />
Weiterbilder als auch die Weiterbildungsinhalte sowie die Akademien für Arbeitsmedizin,<br />
die die theoretischen Weiterbildungskurse durchführen, mit einschließen. Als wichtiges<br />
Instrumentarium der Qualitätssicherung der arbeitsmedizinischen Prävention darf auch<br />
800
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
die strukturierte Fortbildung nicht vergessen werden. Hier würde sich die Erarbeitung von<br />
gemeinsamen Fortbildungsangeboten, insbesondere von VDBW, <strong>DGAUM</strong>,<br />
Ärztekammern, Akademien für Arbeitsmedizin und der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
anbieten.<br />
Neben der fachlichen Qualität der arbeitsmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte sind<br />
auch entsprechende Qualitätsanforderungen an das arbeitsmedizinische<br />
Assistenzpersonal zu stellen.<br />
Für die Qualität der betrieblichen Prävention ist es eine große Herausforderung,<br />
bestehende Schnittstellenprobleme zu lösen und damit zur Überwindung tradierter<br />
Zuständigkeiten beizutragen. Das immense Fachwissen der präventiv tätigen Akteure ist<br />
unter Einbeziehung der Arbeitsmedizin zu bündeln, um damit zu einer Optimierung des<br />
Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz und zur Arbeitssicherheit beizutragen.<br />
Die adäquate Ausstattung (personell, apparativ, baulich, Infrastruktur) der<br />
betriebsärztlichen Einrichtung ist eine wichtige Voraussetzung einer qualitativ<br />
hochwertigen arbeitsmedizinischen Prävention. Entscheidende Einflussgrößen sind hier<br />
insbesondere die Gefährdungssituation und die Personalstruktur der zu betreuenden<br />
Betriebseinheiten sowie die Bereitschaft (Unternehmensphilosophie) und die<br />
wirtschaftlichen Möglichkeiten des zuständigen Arbeitgebers. Dem Arbeitsmediziner<br />
kommt hierbei als qualifiziertem Berater des Arbeitgebers (u. a. §3 des ASiG) eine<br />
entscheidende Bedeutung zu.<br />
Die Prozessqualität beschreibt die Qualität, wie die präventiven Maßnahmen im<br />
Einzelfall durchgeführt werden, insbesondere die Prozessabläufe des praktischen und<br />
technischen Vorgehens im Einzelfall, die Dokumentation der präventiven Maßnahmen<br />
sowie die interpersonelle Zusammenarbeit.<br />
Ein wichtiges Instrumentarium zur Optimierung der Prozessqualität sind<br />
wissenschaftliche Leitlinien. Die wissenschaftlichen Leitlinien in der Medizin werden von<br />
den entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach den Regeln der<br />
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)<br />
erarbeitet. Die AWMF nimmt hierbei eine Schlüsselrolle bei der Koordination und<br />
Qualitätssicherung der Leitlinienentwicklung wahr.<br />
801
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Die Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind<br />
systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen<br />
Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der<br />
Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber<br />
auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die Leitlinien sind für Ärzte rechtlich nicht<br />
bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende<br />
Wirkung. Diese Leitlinien sind wesentlicher Bestandteil des Qualitätsmanagements im<br />
Gesundheitswesen und werden nach den in Tabelle 1 zusammengestellten<br />
Entwicklungsstufen erarbeitet.<br />
Tabelle 1: Entwicklungsstufen wissenschaftlicher medizinischer Leitlinien<br />
Entwicklungsstufe<br />
Definition<br />
S1<br />
S2<br />
S3<br />
von einer Expertengruppe im informellen Konsens<br />
erarbeitet<br />
eine formale Konsensfindung und/oder eine<br />
formale „Evidenz“-Recherche hat stattgefunden<br />
Leitlinie mit zusätzlichen/allen Elementen einer<br />
systematischen Entwicklung (Logik-,<br />
Entscheidungs- und „Outcome“-Analyse,<br />
Bewertung der klinischen Relevanz<br />
wissenschaftlicher Studien)<br />
Im Bereich der Arbeitsmedizin wurden in den letzten Jahren insgesamt 29 Leitlinien<br />
entwickelt, verabschiedet und regelmäßig aktualisiert (<strong>DGAUM</strong>, <strong>2009</strong>). Diese Leitlinien<br />
entsprechen hauptsächlich den Entwicklungsstufen S1. Derzeit wird in Zusammenarbeit<br />
u. a. mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und <strong>DGAUM</strong><br />
eine S3 Leitlinie „Arbeitsmedizinische Vorsorge der Berylliose“ erarbeitet. Weitere<br />
arbeitsmedizinische Leitlinien sind derzeit in Vorbereitung.<br />
Die Ergebnisqualität der arbeitsmedizinischen Prävention ist ein Maß für den Nutzen<br />
der präventiven Maßnahmen. Die Ergebnisqualität geht hierbei über die Vermeidung von<br />
Versicherungsfällen (Berufskrankheiten, Arbeitsunfälle, Wegeunfälle) hinaus und betrifft<br />
zudem u. a. die Vermeidung bzw. Reduzierung von arbeits(mit)bedingten Erkrankungen<br />
sowie die betriebliche Gesundheitsförderung.<br />
Als Maßzahl für die Ergebnisqualität sind Arbeitsunfähigkeitsdaten nur bedingt geeignet,<br />
da sie von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren (z. B. konjunkturelle Faktoren)<br />
beeinflusst werden und nur unzureichend den Gesundheitszustand der Beschäftigten<br />
wiedergeben. Aus Sicht der <strong>DGAUM</strong> muss daher ein erweitertes System von<br />
„Gesundheitskennzahlen“ und „Gesundheitszielen“ auf betrieblicher Ebene entwickelt<br />
802
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
werden, die einerseits den gesundheitsökonomischen Aspekten Rechnung tragen,<br />
andererseits die Ableitung entsprechender Unternehmensziele ergänzend zu<br />
bestehenden Zielsystemen zu Krankenstand und Unfallhäufigkeit ermöglichen. Diese<br />
erweiterte Zielsetzung ist aber auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil aus der<br />
Analyse von Einflussfaktoren auf die „Zielerreichung“ erweiterte Handlungsfelder und<br />
Instrumente ableitbar sind. Gesundheitskennzahlen müssen nach arbeitsmedizinischepidemiologischen<br />
Kriterien definiert und ausgewertet werden. Als Beispiel sei die<br />
Analyse beeinflussbarer Risikofaktoren von Belegschaftsgruppen genannt.<br />
Entsprechende Kennzahlen bilden das Fundament einer realistischen Erarbeitung<br />
betrieblicher Gesundheitsziele und eines umfassenden Gesundheitsmanagements; sie<br />
können durch anonymisierte Belegschaftsbefragungen und Arbeitsunfähigkeitsdaten<br />
ergänzt, aber keinesfalls ersetzt werden. (Letzel et al., 2007)<br />
Ein weiteres Maß für die Ergebnisqualität der arbeitsmedizinischen Prävention ist die<br />
Zufriedenheit sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber mit dem<br />
arbeitsmedizinischen Präventionsangebot und dessen Umsetzung. Bei beiden<br />
Gruppierungen steht sicherlich die generelle Abwehr und Vermeidung beruflicher<br />
Gesundheitsrisiken im Focus des Interesses, darüber hinaus ist jedoch davon<br />
auszugehen, dass es für die Arbeitnehmer besonders wichtig ist, dass präventive<br />
Maßnahmen u. a. zu keiner Gefährdung des Arbeitsplatzes führen, die<br />
Persönlichkeitsrechte (z. B. ärztliche Schweigepflicht) nicht beeinträchtigt werden und<br />
individuelle Bedürfnisse eine ausreichende Berücksichtigung finden. Aus<br />
Arbeitgebersicht dürften bei präventiven Maßnahmen u. a. Gesichtspunkte der<br />
Wirtschaftlichkeit und Produktivität von besonderer Bedeutung sein.<br />
Qualitätssicherung:<br />
Generell sind wichtige Bestandteile der Qualität und deren Weiterentwicklung – auch im<br />
Bereich der arbeitsmedizinischen Prävention – geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen.<br />
In der Medizin ist die Qualitätssicherung u. a. in § 5 der (Muster-)Berufsordnung<br />
für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend vorgeschrieben.<br />
Im Bereich der Arbeitsmedizin wurde Ende der 90iger Jahre auf Initiative des<br />
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom VDBW die Gesellschaft zur<br />
Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung mbH (GQB) gegründet.<br />
Die Gründung der Gesellschaft erfolgte, um die Qualität in der betriebsärztlichen<br />
Tätigkeit und damit der arbeitsmedizinischen Prävention zu gewährleisten und zu<br />
verbessern. Zur übergeordneten Sicherstellung der Qualität, Gewährleistung der<br />
Anbieterneutralität und Unterstützung einer breiten Akzeptanz wurde für die GQB ein<br />
803
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Beirat geschaffen, in dem wichtige Institutionen bzw. Organisationen (u. a.<br />
Bundesärztekammer, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,<br />
Länderausschuss für Arbeitssicherheit und Sicherheitstechnik, Arbeitgeber- und<br />
Arbeitnehmervertretungen, Verband Deutscher Sicherheitsingenieure, gesetzliche<br />
Unfallversicherung und Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin)<br />
vertreten sind. Somit wurden im Bereich der praktischen Arbeits- bzw. Betriebsmedizin<br />
geeignete Strukturen zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung der Prävention<br />
geschaffen.<br />
Zusätzlich wurde von Seiten der <strong>DGAUM</strong> ein weit über Deutschland hinaus anerkanntes<br />
und genutztes System der Ringversuche für Biomonitoringuntersuchungen etabliert, das<br />
zu einer wesentlichen Verbesserung der Qualität toxikologischer Untersuchungsbefunde<br />
im Bereich der Prävention am Arbeitsplatz beigetragen hat.<br />
Über die Prävention hinausgehend wurde von der <strong>DGAUM</strong> in Zusammenarbeit mit den<br />
Akademien für Arbeitsmedizin zur Qualitätssicherung arbeitsmedizinischer Gutachten ein<br />
Kurrikulum für Fortbildungskurse zur Erlangung eines Zertifikates „Arbeitsmedizinische<br />
Zusammenhangsbegutachtung“ geschaffen (Weihrauch et al. 2002). In den letzten<br />
Jahren wurden hierzu mehrere Fortbildungsveranstaltungen angeboten.<br />
Aus Sicht der <strong>DGAUM</strong> erscheint die Etablierung einer hohen arbeitsmedizinischen<br />
Qualität an den Universitätsinstituten von besonders hoher Priorität, da diese als<br />
unabhängige Einrichtungen eine besondere Vorbildfunktion innerhalb des Faches<br />
besitzen. Dort werden die Grundlagen der arbeitsmedizinischen Prävention im<br />
„Pflichtfach“ Arbeitsmedizin im Rahmen der universitären Lehre allen zukünftigen<br />
Ärztinnen und Ärzten vermittelt. Zudem ist eine qualitativ hochwertige<br />
arbeitsmedizinische Präventionsforschung als Grundlage für die Praxis – gerade in einer<br />
sich kontinuierlich verändernden Arbeitswelt – dringend erforderlich. Die aktuelle<br />
Entwicklung zeigt jedoch, dass arbeitsmedizinische Universitätsinstitute zunehmend<br />
aufgelöst oder so stark in der Ausstattung beschnitten werden, dass eine qualitativ<br />
hochwertige Lehre und unabhängige Forschung im Bereich arbeitsmedizinischer<br />
Prävention z. T. nicht mehr möglich sind. Die <strong>DGAUM</strong> verfolgt diese Entwicklung, die<br />
unweigerlich zu deutlichen Einschränkungen der Qualität arbeitsmedizinischer<br />
Prävention führen muss, mit großer Besorgnis und versucht hierauf Einfluss zu nehmen.<br />
Ausblick:<br />
Als Ausblick zum Thema „Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention“ dürfen<br />
abschließend nochmals die Kernaussagen des Positionspapiers der <strong>DGAUM</strong> und des<br />
804
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
VDBW aus dem Jahr 2004 (<strong>DGAUM</strong>, 2004) zitiert werden, die zwischenzeitlich nicht an<br />
Aktualität verloren haben:<br />
1.) Arbeitsmedizinische Prävention beinhaltet das Gesamtspektrum<br />
arbeitsmedizinischer Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention sowie der<br />
betrieblichen Gesundheitsförderung. Eine wichtige Rolle spielt dabei die<br />
Gefährdungsbeurteilung. Arbeitsmedizinische Prävention gewährleistet die<br />
Einheit von Verhältnis- und Verhaltensprävention.<br />
2.) Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von<br />
Erkrankungen und Gefährdungen, jedoch auch zur individuellen Prävention und<br />
zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sind zentraler Baustein der<br />
arbeitsmedizinischen Prävention.<br />
3.) Arbeitsmedizinische Prävention geht über die Vermeidung von<br />
„Versicherungsfällen“ hinaus.<br />
4.) Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bieten ein wesentliches<br />
Potenzial zur Prävention chronischer Erkrankungen<br />
5.) Arbeitsmedizinische Prävention ist mehr als eine kundenorientierte<br />
Dienstleistung: Sie dient dem Grundanliegen jedes Unternehmens und jedes<br />
Arbeitnehmers, sie ist unabhängig und unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht<br />
6.) Die betriebliche Gesundheitsförderung ist eine wichtige Aufgabe der<br />
Arbeitsmedizin. Arbeitsmedizinische Prävention und betriebliche sowie<br />
individuelle Gesundheitsförderung sind nicht zu trennen.<br />
7.) Arbeitsmedizinische Prävention ist das Kernelement des betrieblichen<br />
Gesundheitsmanagements und Modell für ein präventionsorientiertes<br />
Gesundheitssystem<br />
Literatur:<br />
<strong>DGAUM</strong>: Zukunft der Arbeitsmedizinischen Prävention und Gesundheitsförderung. Position der<br />
Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. und des<br />
Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (21.10.04). http://www-dgaum.med.unirostock.de/PDF/Praevention.pdf<br />
<strong>DGAUM</strong>: Leitlinien der <strong>DGAUM</strong> für arbeitsmedizinisch und umweltmedizinisch relevantes<br />
ärztliches Handeln. <strong>2009</strong>. http://www.dgaum.de/<br />
Donabedian, A.: The quality of medical care. Methods for assessing and monitoring the<br />
quality of care for research and for quality assurance programs. Science 1978, 200,:856-864<br />
Letzel S, Stork J, Tautz A: 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf von<br />
betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Gesundheitswesen 2007; 69:<br />
319-322<br />
Lohr KN, Schroeder SA: A Strategy for Quality Assurance in Medicare. N<br />
Engl J Med 1990; 322:707-12<br />
805
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Weihrauch M., Borsch-Galetke E, Lehret G, Woitowitz H-J, Wrbitzky R.: Qualitätssicherung in der<br />
arbeitsmedizinischen Begutachtung – Curriculum zum Zertifikat „Arbeitsmedizinische<br />
Zusammenhangsbegutachtung“ der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin e.<br />
V.. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2002; 37:188-197<br />
806
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Leitfaden für Betriebsärzte zur Beratung des Arbeitgebers bei<br />
der Gefährdungsbeurteilung<br />
Jens Petersen,<br />
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Hamburg<br />
Einleitung<br />
Eine moderne Arbeitsmedizin geht über gesetzliche Grundlagen betriebsärztlicher<br />
Tätigkeit hinaus stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmen ein. Hierzu sind einerseits<br />
ergänzende Kompetenzen von Betriebsärzten in den Bereichen<br />
Gesundheitsmanagement, Konfliktmanagement und Wiedereingliederung zu erwerben,<br />
andererseits aber auch offensiv gegenüber Unternehmern und anderen Gruppen des<br />
betrieblichen Arbeitsschutzes darzustellen und zu vertreten. Dies sind die wesentlichen<br />
Aufgabenfelder des Arbeitskreises „Betriebsärztliche Tätigkeit“ im Ausschuss<br />
Arbeitsmedizin der DGUV. Er erweitert seit 2006 die bisherigen Aufgaben und entwickelt<br />
im Rahmen von Projekten praktische Hilfen für Unternehmer und Betriebsärzte über<br />
Rollenbild, Selbstverständnis und Präsentation von Betriebsärzten. Der Arbeitskreis<br />
besteht aus in vielen Branchen praktisch tätigen Betriebsärzten und Vertretern des<br />
Berufsverbandes und der wissenschaftlichen Gesellschaft.<br />
Nach der Erarbeitung von Schwerpunkthemen wurden diese nach den Kriterien<br />
„Betriebsärztliche Relevanz“ und „Bedarf“ wie folgt priorisiert:<br />
- Beratung zu allen Gesundheitsfragen am Arbeitsplatz<br />
- Betriebsärztliche Aspekte der Gefährdungsbeurteilung (GB)<br />
- Betriebsärztliche Aufgaben im Gesundheitsmanagement<br />
- Aufgaben und Leistungsspektrum betriebsärztlicher Tätigkeit<br />
- Nutzen betriebsärztlicher Tätigkeit<br />
- Betriebsärztliche Tätigkeit bei der Wiedereingliederung nach SGB IX<br />
Ziel ist es, das Medienangebot der DGUV um eine Reihe von identisch aufgebauten<br />
Leitfäden zu erweitern, die in kompakter Form notwendige Informationen für<br />
Betriebsärzte zusammenfassen, aber auch für die Darstellung betriebsärztlicher<br />
Aufgaben gegenüber dem Unternehmer genutzt werden können. Für den ersten<br />
Leitfaden wurde wegen des hohen Beratungsbedarfs und der Aktualität das Thema<br />
„Gefährdungsbeurteilung“ (GB) gewählt.<br />
807
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Rahmenbedingungen<br />
Die GB erfasst alle Ursachen für mögliche arbeitsbedingte Gesundheitsschäden und<br />
beschreibt die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Sie ist Grundlage für<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und die angemessene Beratung von<br />
Beschäftigten. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet jeden Arbeitgeber,<br />
Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf der Basis einer Beurteilung der in seinem Betrieb<br />
vorliegenden Gefährdungen zu ermitteln. Die GB wird damit zu einem zentralen<br />
Element, um Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu verbessern.<br />
Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben besteht Handlungsbedarf: Alle dreieinhalb<br />
Minuten kommt in der EU jemand aus arbeitsbedingten Gründen zu Tode. Das sind<br />
nahezu 167 000 Tote pro Jahr aufgrund arbeitsbedingter Unfälle (7 500) oder<br />
berufsbedingter Krankheiten (159 500). Alle viereinhalb Sekunden erleidet ein<br />
Arbeitnehmer in der EU einen Unfall, der ihn zwingt, mindestens drei Arbeitstage lang zu<br />
Hause zu bleiben. Die Zahl der Arbeitsunfälle, die zu drei oder mehr Tagen Abwesenheit<br />
vom Arbeitsplatz führen, liegt bei über 7 Millionen (OSHA, 2008).<br />
In § 5 ArbSchG ist die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung der<br />
Gefährdungsbeurteilung als zentrale Aufgabe des Arbeitgebers beschrieben.<br />
Ausdrücklich wird eine Beteiligung der Betriebsärzte an der Gefährdungsbeurteilung in §<br />
7 Abs. 7 Gefahrstoffverordnung, § 8 Biostoffverordnung und § 5 Lärm- und Vibrations-<br />
Arbeitsschutzverordnung gefordert. Nach den Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen<br />
für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen setzt eine arbeitsmedizinische<br />
Beurteilung das Vorliegen einer GB voraus.<br />
Eine fundierte Gefährdungsanalyse ist eine wesentliche Grundlage für die<br />
betriebsärztliche Tätigkeit. Die Beratung des Arbeitgebers zur Durchführung der GB<br />
bietet Betriebsärzten die Möglichkeit, sich konstruktiv und kooperativ in die Gestaltung<br />
des Arbeitsschutzes im Unternehmen einzubringen. Die Gefährdungsbeurteilung mit<br />
abzuleitenden Maßnahmen ist Kernaufgabe des Betriebsarztes und kann in enger<br />
Kooperation mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit durchgeführt werden.<br />
Umsetzung<br />
Wie Abbildung 1 zeigt, erfolgte die Umsetzung einer GB bisher überwiegend in großen<br />
Unternehmen ab 50 Beschäftigten, während in Kleinbetrieben nur ein Drittel eine GB<br />
umgesetzt haben. Insgesamt ist aber der Anteil der Unternehmen seit 2002 deutlich<br />
gestiegen (Abbildung 2).<br />
808
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Gefährdungsbeurteilungen nach Betriebsgrößen<br />
100<br />
97<br />
90<br />
80<br />
80<br />
70<br />
60<br />
54<br />
Prozent<br />
50<br />
40<br />
30<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1 bis 9 10 bis 49 50 bis 249 über 250<br />
Anzahl Beschäftigte<br />
Abbildung 1 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach Betriebsgrößenklassen, Erhebung Deutschland,<br />
2005. Quelle: OSHA 2008.<br />
Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung<br />
vollständig<br />
21%<br />
nein<br />
42%<br />
begonnen<br />
17%<br />
überwiegend<br />
20%<br />
Abbildung 2 Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung, branchenübergreifende Erhebung 2002. Quelle:<br />
Amt für Arbeitschutz Hessen, 2003.<br />
In einer Erhebung aus Thüringen wird der Betriebsarzt nicht als eigenständige Gruppe<br />
genannt, wobei etwa zwei Drittel der GB durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit<br />
durchgeführt werden (Abbildung 3).<br />
809
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Durchführung der Gefährdungsbeurteilung<br />
70<br />
66<br />
60<br />
50<br />
Prozent<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
8<br />
9<br />
17<br />
0<br />
Arbeitgeber FASI Beauftrage Externe<br />
Abbildung 3 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, branchenübergreifende Erhebung 2007. Quelle:<br />
Thüringer Landesbetrieb für Arbeitsschutz, 2007<br />
Nutzen<br />
Eine GB gehört zu einem guten Managementansatz (OSHA, 2008). Die GB ist ein<br />
Instrument, mit dem der Arbeitsschutz optimiert, Handlungsschwerpunkte bestimmt,<br />
betriebliche Aktivitäten für die Verbesserung im Arbeitsschutz zielorientiert gesteuert und<br />
vor allem Aktionen kontrolliert und auf ihre Wirksamkeit untersucht werden können.<br />
Bereits die Vorgehensweise stellt einen ständigen Verbesserungsprozess dar. Mit einer<br />
strukturierten GB werden<br />
bedarfsgerechte Maßnahmen des Arbeitsschutzes festgelegt<br />
die Wahrnehmung von Gefährdungen bei den Beschäftigten geschärft<br />
die Motivation der Beschäftigten durch deren Beteiligung gestärkt<br />
das Unternehmensimage verbessert<br />
die Arbeitsschutzkultur im Betrieb verbessert<br />
eine Grundlage für Betriebsanweisungen und Unterweisungen geschaffen<br />
das Risiko arbeitsbedingter Erkrankungen und Arbeitsunfälle reduziert<br />
eine gute Planungsgrundlage für neue Tätigkeiten und Arbeitsplätze<br />
geschaffen.<br />
Die Umsetzung der Ergebnisse einer GB verringert die Störungen betrieblicher Abläufe.<br />
Damit leistet sie einen Beitrag zum Unternehmenserfolg und stellt Rechtssicherheit her.<br />
Alle Gefährdungen eines Arbeitsbereiches sind in einer einzigen GB<br />
zusammenzufassen, sie sollte systematisch unter Nutzung vorhandener<br />
Handlungsleitfäden und Hilfen durchgeführt werden.<br />
810
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Nach der Erstbeurteilung ist die GB in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.<br />
Mitwirkende sind Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Personalvertretung,<br />
Unternehmer und bei Bedarf weitere Experten. Die GB ist keine einmalige Aktion<br />
einzelner Experten, sie muss vielmehr zur betrieblichen Arbeitsschutzpraxis werden, die<br />
von allen Beschäftigten getragen wird. Auch die Mitarbeiter selbst sind daher immer<br />
einzubinden. Datengrundlage sind beispielsweise<br />
● Betriebsanweisungen, Gefahrstoffverzeichnis<br />
● Sicherheitsdatenblatt, Explosionsschutzdokument<br />
● Sicherheitsanalysen, Arbeitsbereichsanalysen<br />
● Gesundheitsakten, Verfahrensanweisungen<br />
Indikationen für eine GB sind<br />
● Neubeschaffung von Arbeitsmitteln, Einführung neuer Arbeitsstoffe<br />
● Bautechnische oder organisatorische Änderung von Arbeits- und<br />
Verkehrsbereichen<br />
● Einrichtung oder Änderung von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen<br />
● Änderung der Betriebsorganisation, Vorschriften und Einstufungen<br />
● Änderungen des Standes der Technik<br />
● Unfälle(n), Beinaheunfälle(n), Berufskrankheiten und andere(n)<br />
arbeitsbedingte(n) Erkrankungen.<br />
Spezielle Probleme<br />
Kleinbetrieb<br />
Der Kleinbetrieb ist durch flache Hierarchien mit kurzen Kommunikationswegen<br />
gekennzeichnet. Dies erleichtert zwar die Etablierung schlankerer<br />
Arbeitsschutzstrukturen ohne langwierige Abstimmungsprozesse. Dieser Effekt wird<br />
jedoch durch die begrenzten zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen<br />
abgeschwächt, was sich gerade bei einem breiten Spektrum an Gefährdungen negativ<br />
auswirkt. Deshalb ist ein zielgerichtetes Vorgehen für eine umfassende GB mit einem<br />
engen Zeitplan besonders wichtig. Für einen Kleinbetrieb ist es überlebenswichtig,<br />
potentielle Störungen des Arbeitsablaufs und arbeitsbedingte Erkrankungen der<br />
Beschäftigten zu verhindern, da sich personelle Engpässe und nicht nutzbare<br />
Kompetenz von Beschäftigten besonders negativ auf den Produktionsprozess<br />
811
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
auswirken. Gegebenenfalls müssen zunächst grundsätzliche Maßnahmen des<br />
Arbeitsschutzes wie zum Beispiel<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Organisation der Ersten Hilfe<br />
Brandschutz<br />
Unterweisungen<br />
Persönliche Schutzausrüstung<br />
etabliert werden. Erst danach wird eine umfassende GB durchgeführt. Eine<br />
besondere Herausforderung stellen hierbei ortsvariable und mobile Arbeitsplätze,<br />
Alleinarbeitsplätze, Arbeitsplätze in der Zeitarbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse<br />
dar.<br />
Kommunikation und Mitarbeiterbeteiligung<br />
Die geplante GB ist zu kommunizieren, insbesondere sind hier die Führungskräfte und<br />
die Personalvertretung einzubinden. Dabei sollte man kooperativ und partizipativ<br />
vorgehen,<br />
um die Motivation aller Beteiligten zu fördern. Die effektive Kommunikation aller<br />
Beteiligten ist wichtig, dabei sollte die Erwartungshaltung der Mitarbeiter realistisch<br />
gehalten werden. Die Erfahrung und das Wissen der Mitarbeiter können durch deren<br />
Einbindung in die Gefährdungsbeurteilung genutzt werden. Die Berücksichtigung<br />
realisierbarer Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter fördert die Motivation der<br />
Mitarbeiter und erhöht die Akzeptanz der Belegschaft für die Umsetzung von<br />
Schutzmaßnahmen.<br />
Durchführung<br />
Eine GB gliedert sich in die Abschnitte Grobanalyse und Durchführung. Die<br />
systematische Erarbeitung erfasst in neun Schritten Ist-Zustand, Handlungsbedarf mit<br />
konkreten Maßnahmenkatalogen und Zuständigkeiten für deren Umsetzung sowie eine<br />
Wirksamkeitskontrolle im Verlauf.<br />
Im ersten Schritt bei der Erstellung der GB wird festgehalten, wie die<br />
Sicherheitsorganisation im Betrieb strukturiert und aufgebaut ist (Schritt 1). Die<br />
Betriebsorganisation wird erfasst (Schritt 2) und die zu beurteilenden Arbeitsbereiche<br />
beziehungsweise Tätigkeiten oder Personen werden festgelegt (Schritt 3). Zum<br />
Erfassen der Betriebsorganisation wird der Betrieb in überschaubare Arbeitsbereiche<br />
untergliedert, diesen werden dann Tätigkeiten zugeordnet. Tätigkeiten sollten nicht mehr<br />
812
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
als unbedingt erforderlich differenziert werden. Weiterhin erfolgt eine groborientierende<br />
Erfassung und Priorisierung bestehender Gefährdungen.<br />
Die Durchführung der GB ist Teamarbeit. Der Unternehmer soll die Durchführung im<br />
Betrieb bekannt machen und je nach betrieblicher Situation folgende Personen<br />
einbeziehen: Führungskräfte, Personalvertretung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit,<br />
Sicherheitsbeauftragte, Betriebsärzte und die Mitarbeiter selbst. Es ist festzulegen und<br />
zu dokumentieren, wer an der Durchführung der GB beteiligt ist und wer welche<br />
Aufgaben übernimmt (Schritt 4). Die anzuwendende Methode sollte einfach und<br />
praxisnah sein.<br />
Es soll mit Arbeitsbereichen, Tätigkeiten oder Personen begonnen werden, bei denen mit<br />
besonderen Gefährdungen oder Belastungen zu rechnen ist. Hinweise hierzu geben zum<br />
Beispiel die Grobanalyse, das Unfallgeschehen, das Krankheitsgeschehen, die<br />
Beschwerden von Mitarbeitern oder die Ergebnisse von Vorsorgeuntersuchungen. Die<br />
Beurteilung erfolgt<br />
<br />
<br />
<br />
arbeitsbereichsbezogen, wenn alle dort Beschäftigten gleichen Gefährdungen<br />
oder Belastungen ausgesetzt sind.<br />
tätigkeitsbezogen, wenn am Arbeitsplatz zusätzliche Gefährdungen oder<br />
Belastungen auftreten.<br />
personenbezogen für bestimmte Personengruppen sowie für Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, die an ständig wechselnden Arbeitsplätzen tätig sind.<br />
Anschließend werden in Schritt (Schritt 5) systematisch alle Gefährdungen und<br />
Belastungen in den zu betrachtenden Arbeitsbereichen beziehungsweise bei den zu<br />
betrachtenden Tätigkeiten erfasst. Als Hilfsmittel für diese systematische Erfassung<br />
können verschiedene Gefährdungs- und Belastungskataloge, wie sie beispielsweise von<br />
Unfallversicherungsträgern angeboten werden, herangezogen werden. Diese Kataloge<br />
sind um betriebsspezifische Gefährdungen zu ergänzen. Bei der Erfassung sind auch die<br />
meistens nicht geregelten Betriebszustände (zum Beispiel An- und Abfahren, Einrichten,<br />
Reinigen, Instandhalten, Probennahme) zu betrachten. Mit Hilfe einer Beurteilungsmatrix<br />
werden die aufgeführten möglichen Gefährdungen oder Belastungen in den betrachteten<br />
Bereichen beurteilt (Schritt 6). Der Handlungsbedarf richtet sich nach der möglichen<br />
Schadensschwere und der Wahrscheinlichkeit des Wirksamwerdens der Gefährdung. Im<br />
nächsten Schritt (Schritt 7) werden die notwendigen Maßnahmen nach den folgenden<br />
Kriterien<br />
und Rangfolge festgelegt:<br />
813
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
1. Vermeiden/Beseitigen von Gefahrenquellen/Gefährdungsfaktoren<br />
2. Technische Schutzmaßnahmen<br />
3. Organisatorische Schutzmaßnahmen<br />
4. Persönliche Schutzmaßnahmen<br />
5. Verhaltensbezogene Schutzmaßnahmen<br />
6. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen<br />
Im nächsten Schritt (Schritt 8) muss festgelegt werden, welcher Mitarbeiter für die<br />
Durchführung der jeweiligen Maßnahme verantwortlich ist und bis zu welchem Zeitpunkt<br />
diese Maßnahmen realisiert sein müssen. Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen<br />
muss beurteilt werden (Schritt 9).<br />
Es stehen zahlreiche Handlungshilfen und Leitfäden von verschiedenen Anbietern zur<br />
Durchführung einer GB zu Verfügung. In aller Regel sind diese Hilfen evaluiert, im<br />
Internet kostenfrei verfügbar und bieten gleichzeitig die Möglichkeit einer vereinfachten<br />
Dokumentation. Die verwendeten Hilfsmittel sollten einfach zu handhaben, verständlich<br />
sein und die Ergebnisse übersichtlich nachvollziehbar machen.<br />
Literatur<br />
Gefährdungsbeurteilung – Rollen und Pflichten, Facts 80, OSHA 2008<br />
Gefährdungsbeurteilung – der Schlüssel zu gesunden Arbeitsplätzen, Facts 81,<br />
OSHA 2008<br />
Gesunde Arbeitsplätze, Kampagne Gefährdungsbeurteilung, OSHA 2007<br />
Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation, DGUV 2008<br />
Schwerpunktaktion Gefährdungsbeurteilung, Thüringer Landesbetrieb für<br />
Arbeitsschutz, 2007<br />
Schwerpunktaktion Gefährdungsbeurteilung, Amt für Arbeitsschutz Hessen, 2002<br />
814
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Rolle des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung<br />
… Vorgehen in der Praxis des Groß-/Mittelbetriebes<br />
Andreas Paaßen<br />
Chemiepark Marl, Infracor GmbH, Marl<br />
Die Gefährdungsbeurteilung stellt die Grundlage betriebsärztlichen Handelns dar. Häufig<br />
ist jedoch festzustellen, dass die Gefährdungsbeurteilung ausschließlich oder fast<br />
ausschließlich von den Sicherheitsfachkräften eventuell in Zusammenarbeit mit den<br />
Betrieben erstellt wird. Ursache dafür ist das Missverständnis, dass die<br />
Gefährdungsbeurteilung ausschließlich die Aufgabe habe, Unfälle zu verhüten, und<br />
deshalb sei sie im Wesentlichen technisch ausgerichtet. Die Gefährdungsbeurteilung<br />
wird aber genauso zur Vermeidung von berufsbedingten Erkrankungen angelegt. Dabei<br />
ist die Aufgabe, gesundheitsgefährdende Ursachen präventiv zu erkennen, um einiges<br />
anspruchsvoller. Durch die lange Entwicklungszeit der Gesundheitsschäden wie z. B. bei<br />
der Lärmschwerhörigkeit oder langen Latenzzeiten wie bei Krebserkrankungen ist die<br />
Erkennbarkeit eines Problems sehr stark verzögert. Dieses Problem können<br />
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nur bedingt lösen, da sie nur die<br />
Erstanzeichen von spät auftretenden Organschäden oder sogar<br />
Krebsfrüherkennungsmaßnahmen sind. Wenn wir als Ärzte unsere präventive Aufgabe<br />
ernst nehmen, dann müssen wir die gesundheitsgefährdenden Ursachen bei den<br />
Tätigkeiten und an den Arbeitsplätzen und somit an den konkreten Gefährdungen und<br />
Maßnahmen angehen!<br />
Wie muss denn eine Gefährdungsbeurteilung aussehen, damit sie aus<br />
arbeitsmedizinischer Sicht eine solche Aufgabe erfüllen kann?<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ganzheitliche Betrachtung aller Tätigkeiten und Arbeitsplätze<br />
Verhaltensorientierte Risikobewertung<br />
Risikobasierte Maßnahmenfestlegung und Vorsorgeuntersuchungen<br />
Systematische Wirksamkeitsprüfungen<br />
Integration in die Betrieblichen Prozesse<br />
Ganzheitliche Betrachtung<br />
Bei allen Tätigkeiten und an allen Arbeitsplätzen treten unterschiedlichste Gefährdungen<br />
auf. Die bisherige getrennte Betrachtung einzelner Gefährdungsfaktoren in<br />
Zuständigkeitsbereiche der Fachleute wie Sicherheitsfachkräfte, Arbeitshygieniker,<br />
Techniker und auch Ärzte führt zu einer mosaiksteinförmigen Betrachtung, die die<br />
815
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
gegenseitige Beeinflussung der Gefährdungsfaktoren und insbesondere den Einfluss des<br />
Handelns der tätigen Person nicht adäquat bewerten kann. Diese fragmentierten<br />
Gefährdungsanalysen stellen für den Beschäftigten in der Praxis kaum eine Hilfe dar.<br />
Deshalb muss die Gefährdungsbeurteilung eine ganzheitliche Bewertung aller Faktoren<br />
durchführen.<br />
Verhaltensorientierte Risikobewertung<br />
Internationale und eigene Untersuchungen zeigen, dass Unfälle (und das Gleiche gilt für<br />
berufsbedingte Erkrankungen) nur noch zum kleinen Teil ihre Ursachen in technischen<br />
Mängeln haben. 80 bis 90 % werden durch die weichen Faktoren, Verhalten der<br />
Mitarbeiter, Motivation, Informationsstand, Kommunikation usw. bedingt! Dies bedeutet<br />
für uns, dass wir uns mit großer Anstrengung den weichen Faktoren zuwenden müssen,<br />
eine rein technische Gefährdungsbeurteilung ist völlig unzureichend. Bei der Bewertung<br />
der weichen, der menschlichen Faktoren ist sicherlich der Arzt der gefragte Experte.<br />
Die in der Gefährdungsbeurteilung geforderte Risikobewertung muss die menschlich<br />
verursachten Risiken systematisch mit einbeziehen und in den Mittelpunkt stellen, da<br />
hiervon die größten Risiken abhängen. Da die weichen Faktoren unter anderem wegen<br />
der Variabilität nur schwer zu messen sind, muss zu diesem Zweck ein geeignetes<br />
theoretisches Bewertungsmodell angewendet werden, das den Einfluss des<br />
menschlichen Verhaltens auf das Risiko systematisch und reproduzierbar erfassen kann.<br />
Risikobasierte Maßnahmenfestlegung und Vorsorgeuntersuchungen<br />
Wenn eine fundierte ganzheitliche und verhaltensorientierte Risikobewertung<br />
durchgeführt wurde, sind alle Maßnahmen wie z. B. Schulungen, Persönliche<br />
Schutzausrüstungen und auch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen am<br />
Ergebnis dieser Bewertung in ihrer Intensität, Art und Häufigkeit auszurichten. Dies führt<br />
zu einer effizienten Konzentration der verfügbaren Ressourcen an den Stellen mit dem<br />
höchsten Risiko. Die Möglichkeiten einer risikogewichteten Steuerung von<br />
Vorsorgeuntersuchungen sind nach der anhanggesteuerten ‚Verordnung zur<br />
Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge’ (ArbMedVV)<br />
zwar begrenzt, doch kann bei der in großer Zahl auftretenden Angebotsuntersuchung<br />
durch eine an der Risikobewertung orientierten Aufklärung der Beschäftigten die<br />
Entscheidung über die Annahme des Angebotes qualifiziert werden.<br />
Systematische Wirksamkeitsprüfungen<br />
Die Wirksamkeitsprüfungen, ob getroffene Schutzmaßnahmen in der Praxis wirksam<br />
sind und die menschlichen Faktoren ein Wirken erlauben, sind ein wesentlicher und in<br />
der Vergangenheit vernachlässigter Faktor der Überprüfung der Ergebnisse der<br />
816
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Gefährdungsbeurteilung. Denn schließlich nutzt eine noch so gut durchgeführte<br />
Gefährdungsbeurteilung nichts, wenn die Schutzmaßnahmen in der Praxis nicht greifen.<br />
Wirksamkeitsprüfungen sind deshalb von den Betrieben systematisch durchzuführen und<br />
zu dokumentieren. Als Ärzte sind wir mit unseren Vorsorgeuntersuchungen oder auch<br />
mit Biomonitoring ebenfalls ein Teil dieser Prüfung.<br />
Integration in die betrieblichen Prozesse<br />
Da eine Gefährdungsbeurteilung immer aktuell gehalten werden muss und die<br />
Beschäftigten über die Ergebnisse zu informieren sind, ist die Ablage der<br />
Gefährdungsbeurteilung als Papier oder exklusiv zugänglichen Dokumenten kaum<br />
sinnvoll. Eine Integration der Gefährdungsbeurteilung in die betrieblichen Abläufe wie z.<br />
B. zur Unterstützung von Kommunikationsprozessen oder Schulungen garantiert die<br />
Aktualität, Vermeidung von Doppelarbeiten und Optimierung der Effizienz der Arbeitsund<br />
Gesundheitsschutzaktivitäten.<br />
Integrierte Gefährdungsanalyse (INGA)<br />
Im Chemiepark Marl und außerhalb betreut der Werksärztliche Dienst der Infracor GmbH<br />
eine große Zahl verschiedener Unternehmen mit insgesamt ca. 12 000 Mitarbeitern<br />
vorzugsweise in der Chemiebranche, aber auch allen anderen Branchen. Die<br />
Unternehmensgrößen schwanken zwischen 20 und 4 000 Mitarbeitern. Fast alle dieser<br />
Unternehmen werden mit dem Gefährdungsbeurteilungstool INGA betreut, dem eine<br />
verhaltensorientierte Sicherheitsphilosophie zugrunde liegt. Als Unterstützung verfügt<br />
INGA über eine leistungsfähige Datenbankanwendung.<br />
INGA erfasst, analysiert und bewertet ganzheitlich alle Gefährdungsfaktoren bei<br />
Tätigkeiten und an Arbeitsplätzen. Typischerweise sind die Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutzfachleute gemeinsam mit dem Betrieb an diesem Prozess beteiligt.<br />
Die dabei anfallenden Daten und Dokumente werden direkt in der INGA-Datenbank<br />
erfasst und stehen dann jedem Mitarbeiter zur Nutzung zur Verfügung. Somit stellt INGA<br />
das zentrale betriebliche Arbeitsinstrument für alle Belange des Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutzes dar.<br />
Bei der Risikobewertung wird ein spezielles Verfahren angewendet, das für jede Tätigkeit<br />
den potentiellen Beitrag des menschlichen Verhaltens zum Risiko misst und quantifiziert.<br />
Aufgrund dieses transparenten Bewertungsverfahrens können Maßnahmen risikobasiert<br />
festgelegt und durchgeführt werden. Die systematische Wirksamkeitskontrolle wird<br />
ebenfalls nach Risikobewertung stratifiziert. Doppelarbeiten werden durch die Integration<br />
aller Elemente konsequent vermieden. So können z. B. aus der Gefährdungsbeurteilung<br />
817
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
automatisch die tätigkeitsbezogenen Betriebsanweisungen erstellt werden. Als zentrales<br />
Instrument des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird INGA integraler Bestandteil der<br />
betrieblichen Prozesse.<br />
818
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Rolle des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung<br />
… Vorgehen in der Praxis eines Kleinbetriebes<br />
Detlef Glomm<br />
Vizepräsident des VDBW, BAD-Zentrum Dithmarschen<br />
Unternehmer von Klein- und Mittelbetrieben sind in besonderem Maße auf die<br />
Unterstützung von Experten bei der systematischen Erfassung, Bewertung und<br />
Dokumentation von Gefährdungen angewiesen. Die betrieblichen Arbeitsschutzsysteme<br />
und Organisationsstrukturen sind insbesondere in Kleinbetrieben in der Regel gering<br />
entwickelt und ausgebildet. Die informellen Netzwerke sind häufig eingeschränkt und der<br />
Unternehmer ist mangelhaft über den Nutzen einer systematischen Erfassung und<br />
Bewertung von Gefährdungen für seine betriebliche Organisation und Qualitätssicherung<br />
sowie seine gesetzlichen Verpflichtungen informiert. Geeignete, leicht handhabbare<br />
Analyse- und Dokumentationssysteme, die ihn beispielsweise seine<br />
Berufsgenossenschaft kostenlos zur Verfügung stellt, sind ihm entweder unbekannt oder<br />
scheinen ihm zu zeitaufwendig oder kompliziert, so dass er sie angesichts seiner<br />
vielfältigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verpflichtungen zurückstellt. Ein besonderes<br />
Problem stellen die nicht ortsfesten Arbeitsplätze und wechselnde Tätigkeitsfelder dar,<br />
wobei die Möglichkeiten zur Modifikation der Arbeitsanforderungen und<br />
Arbeitsorganisation z.B. auf Baustellen häufig eingeschränkt sind.<br />
Andererseits kennt der meist in der Produktion mitarbeitende Betriebsinhaber die<br />
Anforderungen und Gefährdungen detailliert aus eigener Erfahrung und kann aufgrund<br />
der kurzen Entscheidungswege, der einfachen informellen Organisationsstrukturen und<br />
der direkten Kommunikation innerhalb des Betriebes Verbesserungsmaßnahmen<br />
unmittelbar festlegen und umsetzen.<br />
Folgendes Vorgehen hat sich in der Praxis eines Kleinbetriebes bewährt:<br />
1. Einführungsgespräch mit Betriebsinhaber und Erläuterung der Vorgehensweise<br />
sowie Erhebung der allgemeinen Betriebsdaten und Tätigkeiten<br />
2. Verteilung eines Fragebogens an die Beschäftigten mit der Bitte, Tätigkeiten,<br />
Werkzeuge, Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe zu benennen, die nach ihrer<br />
persönlicher Meinung gesundheitsgefährdend sind<br />
3. Betriebsrundgang mit Betriebsinhaber und/oder einem erfahrenen Beschäftigten<br />
sowie, falls Vorhanden der Sicherheitsfachkraft und grobe Bestandsaufnahme<br />
der betrieblichen Gefährdungen und Belastungen, die sich aus der Gestaltung<br />
und Ausstattung des Arbeitsplatzes, Einsatz von Arbeitsmitteln, physikalischen,<br />
chemischen und biologischen Einwirkungen, Gestaltung von Arbeitsabläufen und<br />
819
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Arbeitszeit oder unzureichender Qualifikation und Unterweisung der<br />
Beschäftigten ergeben<br />
4. Erörterung der Ergebnisse und Erstellung eines Arbeits- und Zeitplans für die<br />
erforderlichen Detailanalysen ggf. einschließlich orientierender Messungen<br />
5. arbeitsplatz- bzw. tätigkeitsbezogene Erfassung und Beurteilung der<br />
Gefährdungen<br />
6. Risikoabschätzung, Erstellung einer Rangliste der erforderlichen Maßnahmen<br />
und Festlegung eines Zeitrasters zur Umsetzung einschließlich Festlegung von<br />
Pflicht- und Angebotsuntersuchungen, Unterweisungen etc.<br />
7. Erneutes Gespräch nach ca. 6 Monaten über Erfahrungen und Probleme bei der<br />
Umsetzung<br />
Insbesondere sollten Daten zu folgenden Problemfeldern erhoben und bewertet<br />
werden:<br />
Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen wie Lastenhandhabung, Lärm,<br />
Vibration etc.<br />
Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefährdung wie Absturzgefahr, Schnitt- u.<br />
Stichverletzungen<br />
Chemische Gefährdungen, Erfassung der Gefahrstoffe, Sichtung bzw.<br />
Beschaffung und Bewertung der Sicherheitsdatenblätter, Art und Häufigkeit des<br />
Umgangs etc.<br />
Biologische Gefährdungen<br />
psychomentale Belastungen und Stress wie dauernde hohe Anforderungen an<br />
Konzentration und Aufmerksamkeit, häufige Störungen im Arbeitsablauf oder<br />
Monotonie<br />
Umgebungsbedinge Gefährdungen, z.B. Arbeiten auf Baustellen, Nässe, Kälte<br />
etc.<br />
Nicht nur bei der Erfassung und Beurteilung psychomentaler Belastungen und Stress<br />
können Betriebsärzte einen wesentlichen Beitrag leisten. Beispielhaft werden im<br />
Folgenden die vielfältigen Möglichkeiten zur Unterstützung des Unternehmers bei der<br />
Beurteilung chemischer Gefährdungen dargestellt:<br />
<br />
<br />
<br />
Erfassung aller im Betrieb vorhandenen Gefahrstoffe mittels einer Checkliste<br />
Überprüfung aller Produkte hinsichtlich Erfordernis<br />
Aussondern und Entsorgung überflüssiger Gefahrstoffe<br />
820
K<br />
Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />
Beschaffung aktueller Sicherheitsdatenblätter mittels standardisierten<br />
Anschreibens<br />
Auswertung der Sicherheitsdatenblätter, ggf. Einholen von Zusatzinformationen<br />
und toxikologische Bewertung<br />
ggf. Ersatzstoffsuche<br />
Erstellung eines Gefahrstoffverzeichnisses<br />
Erfassung aller Tätigkeiten, bei denen Gefahrstoffe über die Atemwege oder die<br />
Haut aufgenommen werden können<br />
Gefährdungsbeurteilung in Hinblick auf die Tätigkeit und die<br />
Rahmenbedingungen<br />
Ermittlung von Schutzstufen und Ableitung von Maßnahmen<br />
Erstellung von allgemeinverständlichen Gefahrstoffinformationen über die<br />
wichtigsten Produkte für die Beschäftigten<br />
Erstellung eines Unterweisungskonzepts und Unterstützung des Unternehmers<br />
bei der Durchführung von Unterweisungen<br />
Festlegung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen (Pflicht- und<br />
Angebotsuntersuchungen)<br />
Auswertung der Untersuchungsergebnisse in Hinblick auf eine Modifizierung der<br />
Gefährdungsbeurteilung<br />
Bei systematischer Durchführung und Nutzung der Ergebnisse wird die<br />
Gefährdungsbeurteilung zu einem wesentlichen Baustein zum Aufbau eines<br />
betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsschutz-Managementsystem. Den<br />
Arbeitsschutzexperten, insbesondere den Betriebsärzten kommt bei der Einführung und<br />
Umsetzung eine wesentliche Rolle zu. Hier können sie den Unternehmer wirksam bei der<br />
zielgerichteten Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten unterstützen und entlasten und<br />
dazu beitragen, Beschäftigte vor Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten<br />
Gesundheitsgefahren zu schützen und eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit<br />
fördern. Wesentlich dabei ist auch die frühzeitige Einbindung der Beschäftigten sowie die<br />
offene Kommunikation der Ergebnisse und der daraus abzuleitenden Maßnahmen.<br />
821
Autorinnen und Autoren<br />
Aach, Til Prof. Dr.-Ing. ●P93<br />
Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />
Ackermann, Diana Dipl.-Stat. ●P90;P91<br />
Institut für Medizinische Statistik, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen<br />
Ackermann, Evelin Dr. phil. ●P9<br />
Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44,<br />
39120 Magdeburg<br />
Adelberger, Nina MPH ●P84<br />
BSPH, Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Freien Universität Berlin, Fabeckstraße<br />
60-62, 14195 Berlin<br />
Ahrens, Wolfgang Prof. Dr.rer.nat. ●P123;V29<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />
Albers, Martin Dipl.-Stat. ●P44<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Aliahmadi, Nahid cand. med. ●P95<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Alles, Torsten Ph. D. Dipl.-Sportw. ●V42<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />
Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />
50999 Köln<br />
Allinger, Fritz ●V21<br />
Prävention, Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Niederbayern-Oberpfalz<br />
und Schwaben (LSV NOS), Dr.-Georg-Heim-Allee 1, 84036 Landshut<br />
Alt, Anne ●V14;V70<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Altmeyer, Peter Prof. ●V65<br />
Klinik für Dermatologie und Allergologie, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791<br />
Bochum<br />
Angerer, Jürgen Prof. Dr.rer.nat ●VS<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Angerer, Peter PD Dr. med. ●V60;V22;V51;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Arend, Oliver Prof. Dr. med. ●V36<br />
Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
822
Autorinnen und Autoren<br />
ArGon-Studiengruppe, Köln-Wuppertal ●V86;P130<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />
Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />
Arhelger, Rolf Dipl.-Ing. ●P89;V32;P99<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Arndt, Dagmar Dr. ●P14;P22;P112;P135<br />
Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock, St.-Georg-Straße 108, 18055<br />
Rostock<br />
Assmann, Gerd Prof. Dr. med. ●V19<br />
unbekannt, Assmann-Stiftung für Prävention, Johann-Krane-Weg 23, 48149 Münster<br />
Avataneo, Giuseppe Dr. ●V32<br />
Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />
554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />
Baars, Stefan Dr. med. ●P58<br />
Gewerbeärztlicher Dienst, Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover, Am Listholze 74,<br />
30177 Hannover<br />
Backé, Eva Dr. ●P127<br />
FB 4.5, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42,<br />
10317 Berlin<br />
Bader, Michael PD Dr. rer. nat. ●V28;P38<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Bahemann, Andreas Dr. med. ●P42<br />
Leitender Arzt des ÄD-Regionalverbundes West (SE 618), Bundesagentur für Arbeit,<br />
Josef-Gockeln-Str. 7, 40474 Düsseldorf<br />
Baisch, Christian ●V49<br />
Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 53115 Bonn<br />
Barbinova, Lioubov ●P50;P47;P60<br />
Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />
Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstraße 10, 20459 Hamburg<br />
Baron, Jens Malte Prof. Dr. med. ●V62<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Bartsch, Reinhard Dr. ●P122;V9<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />
Bauer, Marcus Dr. med. ●P49<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />
823
Autorinnen und Autoren<br />
Baumeister, Thomas Dr. ●V66;V63;P61;F<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />
Baur, Xaver Prof. Dr. med. ●P53;V75;P59;P107;P87;V57;P50;P106;P47;P88;P60;VS<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />
und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />
20459 Hamburg<br />
Bayer, Rainer Prof. Dr. med. ●P49<br />
Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />
Düsseldorf<br />
Becher, Stephan PD Dr. ●P121<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gausstraße 20, 42097 Wuppertal<br />
Becker, Nikolaus Prof. Dr. ●V32<br />
Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />
Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />
Begerow, Bettina Dr. Dipl.-Sportwiss. ●P79<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />
Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />
50999 Köln<br />
Behrens, Thomas Dr. med. ●V29<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 29359 Bremen<br />
Berger, Peter Dipl. Psych. ●V75<br />
Hardtwaldklinik II, Universität Hamburg, Hardtstr. 32, 34596 Bad Zwesten<br />
Berger, Christina Prof. Dr.-Ing. ●P69<br />
Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />
Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />
Berger, Helmut Dipl.-Ing ●V89<br />
Prävention, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Nikolaus-Dürkopp-Straße 8, 33602<br />
Bielefeld<br />
Bergmann, Annekatrin Dr. med. ●V30;P45<br />
Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg, Magdeburger Str. 27, 6097 Halle/Saale<br />
Bicker, Heinz Joh. Dr. med. ●P86<br />
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />
Shamrockring 1, 44623 Herne<br />
Blaszkewicz, Meinolf Dr. ●V33<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Blättler, Theo ●V67<br />
unbekannt, Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Sankt-Franziskus-Str. 146, 40470<br />
Düsseldorf<br />
824
Autorinnen und Autoren<br />
Blok, Merle ●V89<br />
Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />
Blomberg, Nicole Dipl.-Ing. ●P65<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />
Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />
Blome, Helmut Prof. Dr. ●V13<br />
Institutsleiter, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Blome, Otto ●S<br />
Informationsmanagement/Institut für arbeitsbedingte. Erkrankungen und<br />
Berufskrankheiten. Laahnstrasse 59. 50859 Köln<br />
Bochmann, Frank Dr. phil. ●V55<br />
Fachbereich 1, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 St. Augustin<br />
Bockenheimer, Alexander Dipl.-Ing. ●P69<br />
Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />
Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />
Böckelmann, Irina Priv.-Doz. Dr. med. habil. ●P115;P100;P7;P85;P114;VS<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />
Böhlandt, Antje Dr. ●V27<br />
Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München LMU,<br />
Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Bolm-Audorff, Ulrich Prof. Dr. med. ●V78;P37;V80;P45<br />
Landesgewerbearzt Hessen, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und<br />
Umwelt,, Simone-Veil-Str. 5, 65197 Wiesbaden<br />
Bolt, Hermann M. Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. ●V30;VS<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Bontrup, Heike Dipl. Biol. ●V34;P126<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Bopp, Verena Dr. med. ●P2<br />
Institut für Arbeitswissenschaft, ZDF Mainz Betriebsärztliche Station, ZDF-Str.1, 55100<br />
Mainz<br />
Borowitzki, Gerda ●P51<br />
Allergologie/Immunologie, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen<br />
Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Both, Ralf Dr. ●V38<br />
Abteilung 3, Fachbereich 31, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz<br />
Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW), Leibnizstraße 10, 45659 Recklinghausen<br />
825
Autorinnen und Autoren<br />
Bouillon, Bertil Prof. Dr. ●V86;P130<br />
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus<br />
Merheim, Ostmerheimer Str. 200, 51058 Köln<br />
Bramer, Rainer ●P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Brammertz, Astrid Dr.med. ●P82<br />
Arbeitsschutz-Gesundheitsschutz-Soziales AGS B 17, Stadtverwaltung Aachen,<br />
Hackländerstr. 5, 52058 Aachen<br />
Brand, Peter Dr. ●V25;P75;V53;P94<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Brans, Richard ●V62<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Breitstadt, Rolf Dr. ●V47a<br />
Degussa-Hüls AG Werksärztlicher Dienst, Weißfrauenstr. 9, 60287 Frankfurt<br />
Breuer, Dietmar Dr. rer. nat. ●V13;V12;P109<br />
Fachbereich 2 Chemische und biologische Einwirkungen, BGIA - Institut für<br />
Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111,<br />
53754 Sankt Augustin<br />
Broding, Horst Christoph Dr.med. ●V35<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25 und 29, 91054 Erlangen<br />
Bruckner, Thomas Dipl.math. ●V35<br />
Medizinische Biometrie & SDGC, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 305,<br />
69120 Heidelberg<br />
Bruckner, Thomas ●P116<br />
Medizinische Biometrie und SDGC, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 305,<br />
69120 Heidelberg<br />
Bruder, Ralph Univ.-Prof. Dr.-Ing. ●P2<br />
Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt, Petersenstraße 30,<br />
64287 Darmstadt<br />
Brückel, Bernd Dipl. Ing. ●P99<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Gießen<br />
Brüning, Thomas Prof. Dr. med.<br />
●P104;V13;V64;V54;P124;V72;V47;P52;n.n.;P51;V26;P108;V12;V34;P56;V71;P56;P57;<br />
P62;P109;V30; V49;V65;P94;P126;VS<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Buchholz, Udo Dr. med. ●P70<br />
Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin<br />
826
Autorinnen und Autoren<br />
Buchter, Axel Prof. Dr. med. ●VS<br />
Universität des Saarlandes, Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin Universitätsklinikum<br />
Homburg,<br />
D-66421 Homburg<br />
Budnik, Lygia Therese Priv.Doz. Dr. ●P107;P106<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />
und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />
20549 Hamburg<br />
Bünger, Jürgen PD Dr. med. ●V54;V72;P52;P51;P74;VS<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Burger, Ulrike Dr. ●P18<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Butz, Martin Dr. ●P56<br />
Referat BK-Statistik/ZIGUV, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Candia, Victor Dipl.-Psych Dr.rer.nat. ●V56<br />
Senior Scientist, Collegium Helveticum, Universität und ETH Zürich, Schmelzbergstr. 25,<br />
CH 8092 Zürich,<br />
Castillo, Michael ●V12;V13<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Chaisaowong, Kraisorn Dipl.-Ing. ●P93<br />
Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />
Chandra Keller, Sandra ●V91<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heertsr.1 11, 53757 Sankt Augustin<br />
Chen, Weihong Prof. Dr. med. ●V55<br />
Department of Occupational and Environmental Health, Unbekannt, Hongkong Road 13,<br />
43003 Wuhan<br />
Chenot, Jean-Francois Dr. med. ●P32<br />
Allgemeinmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Humboltallee 38, 37075<br />
Göttingen<br />
Classen-Linke, Irmagrd Prof. Dr. med. ●P31<br />
AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />
Claus, Gunther Dr. med. ●P111<br />
Innere Medizin, Asplepios Klinikum Melsungen, Kasseler Strasse 80, 34212 Melsungen<br />
Cocco, Pierluigi Professor ●V32<br />
Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, Via San<br />
Giorgio 12, 9124 Cagliari<br />
827
Autorinnen und Autoren<br />
Coester, Eva-Maria Dr. med. ●V15<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Dahlmann, Martina ●P86<br />
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />
Shamrockring 1, 44623 Herne<br />
Dahmann, Dirk Dr. ●P55<br />
Institut für Gefahrstofforschung, Bergbau-Berufsgenossenschaft, Waldring 97, 44789<br />
Bochum<br />
Danuser, Brigitta Prof. Dr. ●VS<br />
Institut universitaire romand de santé au travail, Rue du Bugnon 19, CH-1005 Lausanne<br />
Dashti Ardakani, Maryam Dr.rer.nat, Dr. biol.hom ●V15<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Deckert, Stefanie ●V77<br />
Gesundheitsförderung, Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Breitscheidstraße 2,<br />
39114 Magdeburg<br />
Deeg, Evelin ●V32<br />
Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />
Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />
Delbanco, Judith ●P126<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Dickel, Heinrich Dr. ●V65<br />
Klinik für Dermatologie und Allergologie, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791<br />
Bochum<br />
Diel, Roland Priv.-Doz. Dr. med. ●V79<br />
Institut für Medizinische Soziologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Dieterle, Wilfried E. Dr. phil. ●P4<br />
Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstraße<br />
8, 79104 Freiburg<br />
Dietrich, Holger Priv.-Doz. Dr. med. ●V33<br />
Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />
6872 Lutherstadt Wittenberg<br />
Diepgen, Thomas Prof. Dr. med. ●S<br />
Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums, Voßstraße 2, 69115<br />
Heidelberg<br />
Ditchen, Dirk Dipl.-Biol. ●V7<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
828
Autorinnen und Autoren<br />
Dopp, Elke PD Dr. ●P129;P124;P102<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />
45122 Essen<br />
Dorsch, Alexander Dr. med. ●SY<br />
TrainMed GmbH, Am Pfanderling 11, 85778 Haimhausen<br />
Dott, Wolfgang Prof. Dr. med. ●VS<br />
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />
52074 Aachen<br />
Dreger, Matthias ●V58<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />
Aachen<br />
Dreier, Manfred Dr. ●V67<br />
Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Salzmannstr. 156, 48159 Münster<br />
Dressel, Holger ●P48<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Drexler, Hans Prof. Dr. med. ●V39;V66;V63;V6;P66;V36;V68;V24;P61;V35;F;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />
Drießen, Sarah Dr. ●SY<br />
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />
52074 Aachen<br />
du Prel, Jean-Baptist Dr. med. MPH ●V4<br />
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz<br />
Dulon, Madeleine Dr. ●V61<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35-37, 22089 Hamburg<br />
Eberle, Friedhelm Dipl.-Ing. ●V34<br />
Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz, BASF SE, 67056 Ludwigshafen<br />
Eberwein, Sacha ●P86<br />
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />
Shamrockring 1, 44623 Herne<br />
Eckert, Elisabeth ●V24<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM), Friedrich-<br />
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Universitätsstr. 42, 91058 Erlangen<br />
Eggert, Siegfried Dr. Ing. ●P128<br />
2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />
Egle, Ulrich T. Prof. Dr. med. ●V73<br />
Psychosomatische Medizin, Psychosomatische Fachklinik Gengenbach, Wolfsweg 12,<br />
77723 Gengenbach<br />
829
Autorinnen und Autoren<br />
Eichelberg, Dirk Dr. med. ●P81<br />
Dermatologie und Umweltmedizin, Praxisklinik Dr. Eichelberg und Partner, Hansastr.67,<br />
44137 Dortmund<br />
Eichendorf, Walter Dr.rer.nat ●SY<br />
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />
Augustin<br />
Eickmann, Udo Dr. ●P67<br />
Fachbereich Gefahrstoffe und Toxikologie, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />
und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337, 50968 Köln<br />
Eisenhawer, Christian ●P90;P31<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Ellegast, Rolf Dr. ●V7;V85;V89;V91;P45<br />
BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte<br />
Heerstr. 111, 53757 St. Augustin<br />
Elsner, Gine Prof. Dr. med. ●V32;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Universitätsklinik Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590<br />
Frankfurt/Main<br />
Emmerich, Michael Dr. ●V47a<br />
Arbeitsmedizinisches Zentrum Hirschbach, RAG Deutsche Steinkohle, In den<br />
Rodhecken 14, 66280 Sulzbach-Saar<br />
Emmert, Birgit Dr.med. ●P117;P32<br />
AfB Betriebsarztzentrum Göttingen, Arbeitsmedizin, Robert-Bosch-Breite27, 37079<br />
Göttingen<br />
Erkes, Anja ●P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Erler, Michael Dr. rer. nat. ●P98;P122<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />
Ernsting, Anna ●P80<br />
Werksärztlicher Dienst, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, Binger Straße<br />
173, 55216 Ingelheim<br />
Erren, Thomas PD Dr. ●V47a;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu<br />
Köln, Kerpener Str. 62, 50937 Köln<br />
Euler, Ulrike MSc Dr. ●P55<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317<br />
Berlin<br />
Fartasch, Manigé Prof. Dr. med. ●V64<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
830
Autorinnen und Autoren<br />
Feil, Gerhard Dr. rer. nat ●V34;P126<br />
Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076<br />
Tübingen<br />
Fella, Katharina Dipl.Psych. ●V2<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Felten, Michael Dr. med. MSc ●P90;P31;P92;P91<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Fillies, Birgit Dr. ●V67<br />
Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit, Land Nordrhein-Westfalen, Ulenbergstr. 127 –<br />
131, 40225 Düsseldorf<br />
Fincke, Isbell ●V11<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Finsel, Elke Dipl.Biol ●P106<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />
und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstrasse<br />
10, 20459 Hamburg<br />
Fischer, Guido Prof. Dr.rer.nat ●F<br />
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />
52074 Aachen<br />
Fischer, Margit Dr.rer.nat ●P97<br />
Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />
am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bürkle-de-la-<br />
Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Fischer, Markus Dipl.-Ing. ●SY<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />
Köln<br />
Fischer, Philipp ●P48<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Flagge, Anne ●P62<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Fleischer, Christina ●V71<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz1, 44789 Bochum<br />
Fleischer, Gerald Prof.●P118<br />
Arbeitsgruppe Hoerforschung, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der<br />
Justus-Liebig Universität, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
831
Autorinnen und Autoren<br />
Folgmann, Ilse ●P49<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />
Franke, Cornelia ●V37<br />
Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Franz, Simone ●P68<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Freitag, Sonja Dipl.-Ing. ●V11<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Freude, Gabriele Dr. ●P13;V77<br />
Arbeitsgestaltung bei psychischen Belastungen, Stress, Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />
und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317 Berlin<br />
Freudlsperger, Fritz Dr. ●V35<br />
Werksärzticher Dienst, MAINSITE SERVICES GmbH & Co. KG, Industrie Center<br />
Obernburg, 63784 Obernburg<br />
Friedebold, Annika ●V84<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Charite-Universitätsmedizin Berlin, Thielallee 69-73, 14195<br />
Berlin<br />
Fritz, Martin Prof. ●V88<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystrasse 67, 44139 Dortmund<br />
Fromme, Hermann Priv.-Doz. Dr. ●V68<br />
Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,<br />
Veterinärstrasse 2, 85764 Oberschleißheim<br />
Funke, Ulrich Dr. ●P83;P12<br />
Dr. Funke Consulting GmbH, Donnersbergstraße 26, 86391 Stadtbergen<br />
Gabriel, Stefan ●P103<br />
Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Gaede, Karoline I. PD Dr. ●P55<br />
Abteilung Klinische Medizin, Forschungszentrum Borstel, Parkallee 35, 23845 Borstel<br />
Gäßler, Annette Dr. ●P55<br />
Ärztliches Qualitätsmanagement, Airbus Deutschland GmBH, Kreetslag 10, 21129<br />
Hamburg<br />
Gebauer, Erika Dr. ●V43<br />
Sozialmedizin, Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Gartenstraße 194, 48125<br />
Münster<br />
Geber, Christian Dr. med. ●V73<br />
Neurologie, Universitätsklinik für Neurologie, Langenbeckstrasse 1, 55101 Mainz<br />
832
Autorinnen und Autoren<br />
Gebhardt, Hansjürgen Dr.-Ing. ●V86;P130<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />
Universität Wuppertal, Corneliusstr. 31, 42329 Wuppertal<br />
Geißler, Britta ●V4;P10<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Geiss, Oliver Dipl. Biol. ●V88<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Gellert, Beatrice ●V64<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de- la Camp- Platz 1, 44789<br />
Bochum<br />
Genth, Susanne Dr. ●V37<br />
Betriebsärztlicher Dienst, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Genz, Andreas Dipl.-Psych. ●P76; S<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Löscherstraße 18, 1309 Dresden<br />
Gerzer, Rupert Prof. Dr. med. ●VS<br />
Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
(DLR) Köln<br />
Geuenich, Katja Dr. ●P8<br />
Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />
Giersiepen, Klaus Dr. med. ●V84<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />
Glatz, Andreas Dr. ●P42;P79;P43<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />
Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />
Glitsch, Ulrich Priv.-Doz. Dr. ●V85<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Göen, Thomas Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●V36;V68;V24;V35;F;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />
Goldscheid, Natascha ●V65<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Golka, Klaus Prof. Dr. med. ●V33;P125<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
833
Autorinnen und Autoren<br />
Gottschalk, René PD Dr. Dr. ●P69<br />
Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
Frankfurt am Main, Paul-Ehrlich-Str. 40, 60596 Frankfurt<br />
Graf, Thomas Dipl. psych. ●V22<br />
Adipositas Rehazentrum, Adipositas - Rehazentrum Insula, Insula - Weg 8, 83483<br />
Bischofswiesen<br />
Graubner, Götz Dr. Ing. ●V28<br />
Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625<br />
Hannover<br />
Gregersen, Sabine ●V61<br />
BGW, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee<br />
35-37, 22089 Hamburg<br />
Griefahn, Barbara Univ.-Prof. Dr. ●P119;V50;VS<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Grifka, Joachim Prof. Dr. med. ●P45<br />
Orthopädische Klinik, Universität Regensburg, Kaiser-Karl V. Allee 3, 93077 Bad Abbach<br />
Groenesteijn, Liesbeth ●V89<br />
Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />
Groneberg, David A. Prof. Dr. med. ●P55;V84;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Charite-Universitätsmedizin Berlin, Thielallee 73, 14195<br />
Berlin-Dahlem<br />
Groneberg, Katrin Dr. med. ●P1<br />
Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Leibnizstr. 38, 10625 Berlin<br />
Groß, Dietmar MR Dr. ●S<br />
BG der Bauwirtschaft AMD Zentrum Cottbus, Papitzer Str. 01, 03046 Cottbus<br />
Gross, Isabelle Dipl.-Stat. ●P94<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Gube, Monika Dr. med. ●V25;P75;P31;P41;P94<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Gündel, Harald Prof. ●V22<br />
Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-<br />
Str.1, 30625 Hannover<br />
Gutenbrunner, Christoph Prof. Dr.med. ●V20<br />
Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation/Koordinierungsstelle für<br />
Rehabilitation, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30635<br />
Hannover<br />
Gutsch, Claudia ●P114<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />
834
Autorinnen und Autoren<br />
Haamann, Frank Dr.med. ●P70<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Haerting, Johannes Prof. Dr. med. ●V30<br />
Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg, Magdeburger Str. 27, 6097 Halle/Saale<br />
Hagemann, Wolfgang Dr. ●P8<br />
Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />
Hagenmeyer, Lorenz Dr. Dipl.-Ing., M.Sc.ME (Purdue Univ.) ●V4;P10<br />
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart,<br />
Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart<br />
Hallier, Ernst Prof. Dr. med. ●V72;P117;P32;P74;P63;P64;VS<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />
37073 Göttingen<br />
Handrich, Claudia ●V72;P74<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />
37073 Göttingen<br />
Hardt, Juliane Dipl.-Psych. ●V76<br />
Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck, Beckergrube 43-47, 23552 Lübeck<br />
Harth, Kristina Dr. med. ●P18<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Harth, Volker PD Dr. ●V30;P52;V26;V49<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Hartmann, Bernd Prof. Dr. med. ●V7;V10;VS;S<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Holstenwall 8-9,<br />
20355 Hamburg<br />
Hasselhorn, Hans Martin apl. Prof. Dr. med. ●V40;VS<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />
Haufe, Eva Dipl.-Math. ●P76<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />
Haufs, Michael G. Dr. med. Dr. rer. nat. ●P81, V65<br />
Arbeitsmedizin, Dermatologie und Berufsdermatologie, Praxis-Klinik Dr. Eichelberg und<br />
Partner, Hansastr. 67, 44137 Dortmund<br />
Heblich, Frank Dr. med. ●P107<br />
Kronshagen, Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine, Kopperpahler Allee 120, 24119<br />
Kronshagen<br />
835
Autorinnen und Autoren<br />
Heck, Ernst Michael Dipl. Geogr. ●P99<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Heeg, Franz J. Prof.Dr.-Ing. ●P6<br />
arbeitswissenschaftliches institut bremen (aib), Universität Bremen, Hochschulring 40,<br />
28359 Bremen<br />
Heger, Michael Dr.med. ●P55;GR<br />
Medizinischer Arbeitschutz, Landesamt für Umwelt-und Arbeitsschutz, Don-Bosco-Str.1,<br />
66119 Saarbrücken<br />
Heinrich, Hannah Dr. ●SY<br />
2-h-engineering, Thurner Straße 82, 91353 Hausen<br />
Heinrich, Katharina ●V25<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Heipertz, Walther Prof. Dr. ●P42;GR<br />
Ärztlicher Dienst (Zentrale), Bundesagentur für Arbeit, Regensburger Str. 104, 90327<br />
Nürnberg<br />
Helbig, Rolf Dr.-Ing. ●P2<br />
Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt, Petersenstraße 30,<br />
64287 Darmstadt<br />
Helmig, Simone Dr. vet.med. ●P96;P95<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Hengstler, Jan G. Prof. ●V33;VS<br />
Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />
Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Hennenlotter, Jörg ●P126<br />
Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076<br />
Tübingen<br />
Henry, Jana Dr. ●P51;V26<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Hentschel, Klaus ●P128<br />
2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin (BAuA), Nölderstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />
Hering, Kurt Georg Dr. med ●P89;S<br />
Ärztlicher Direktor, Beratender Arzt für Radiologische Diagnostik bei arbeits- und<br />
umweltbedingten Erkrankungen, Knappschaftskrankenhaus Dortmund, Wieckesweg 27,<br />
44309 Dortmund<br />
Hermes, Matthias Dr. ●V33<br />
Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />
Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
836
Autorinnen und Autoren<br />
Hess-Gräfenberg, Rolf Dr. med. ●P1<br />
Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Konrad-Adenauer-Platz 1,<br />
40210 Düsseldorf<br />
Hesse, Bettina Dr. ●V43<br />
Sozialmedizin, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Gartenstraße 194, 48125<br />
Münster<br />
Hetzel, Christian ●V21<br />
Gesundheitsförderung, IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und<br />
Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />
Heuer, Jochen ●V43<br />
Sozialmedizin, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Gartenstraße 194, 48125<br />
Münster<br />
Heutelbeck, Astrid Dr.med. ●P63;P64;F<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />
37073 Göttingen<br />
Hey, Kathrin ●P132<br />
Institut für Arbeitsphysiologie an der TU Dortmund, Ardeystr. 67, D-44139 Dortmund<br />
Hildebrandt, Horst Prof. Dr. med. Dipl. Mus. ●V56<br />
Musikphysiologie / Musik- und Präventivmedizin, Zürcher Hochschule der Künste (CH),<br />
Florhofgasse 6, 8001 Zürich<br />
Hildenbrand, Sibylle Dr. ●P105;P33<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />
72074 Tübingen<br />
Hilla, Wolfgang Dr. med. ●V22<br />
Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettingerstr., 85045 Ingolstadt<br />
Hillmer, Dieter ●V57<br />
Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />
Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />
Hirtler, Reinhard Dipl.-Ing. ●SY<br />
Gemeinnützige Privatstiftung Elektroschutz, ESF Vienna, Heiligenstädter Straße 187, A-<br />
1195 Wien<br />
Hoehne-Hückstädt, Ulrike Dr. med. ●V91<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Hofer, Oliver ●P49<br />
Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />
Düsseldorf<br />
Hoffmeyer, Frank Dr. med. ●V54;P52;P51<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
837
Autorinnen und Autoren<br />
Hofmann, Friedrich Prof. Dr. Dr. ●V81;V82;P73;P121;P72;P120;VS<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />
Hofmann, Gunther Prof. Dr. Dr. ●V9<br />
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Erlanger Allee 101, 7747 Jena<br />
Holzinger, Karl Dipl.-Ing. ●V53<br />
Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen, Pontstrasse 49, 52062<br />
Aachen<br />
Holzinger, Felix Dr. ●P84<br />
BSPH, Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Freien Universität Berlin, Fabeckstraße<br />
60-62, 14195 Berlin<br />
Horstmann, Marcus OA Dr. med. ●n.n.;V34;P126<br />
Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076<br />
Tübingen<br />
Hottenrott, Birgit ●P107<br />
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-<br />
Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg<br />
Hüdepohl, Johannes Dr. rer. nat. ●P90<br />
Präventionsabteilung, Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF),<br />
Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln<br />
Hunger, Bettina ●V48<br />
N.N., Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ASD*BGN, Eleonore-<br />
Prochaska-Str. 11, 14480 Potsdam<br />
Hupfer, Kristin Dr. ●S<br />
GOA/C, BASF SE, H 306, 67076 Ludwigshafen<br />
Husemann, Britta Dr. med. ●V2<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Jaenicke, Andrea ●V59;P17<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Jäger, Matthias PD Dr. ●V8;P45<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Jakob, Olga ●P13<br />
Institut für Biometrie und klinische Epidemiologie, Charite-Universitätsmedizin Berlin,<br />
Campus Charite Berlin, 10098 Berlin<br />
Jakob, Martina Dr. ●P46<br />
Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim e.V., Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim<br />
e.V., Max-Eyth-Allee 100, 14469 Potsdam<br />
838
Autorinnen und Autoren<br />
Jansing, Paul Priv. Doz. Dr. med. ●P23<br />
Arbeitsmedizin, Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen,<br />
Ulenbergstr. 127-131, 40225 Düsseldorf<br />
Jaschinski, Wolfgang Dr.-Ing. ●P113<br />
Individuelle Sehleistungen, Institut für Arbeitsforschung, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Jörres, Rudolf A Dr. ●P48<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Johannknecht, Alexander Dipl.-Ing. ●V85<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Johansson, Uwe ●P38<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Johnen, Georg Dr. ●P124;V34;P126;P94<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Jonas, Ludwig Prof. Dr. ●P102<br />
Institut für Pathologie, Universität Rostock, Strempelstrasse 14, 18057 Rostock<br />
Joosten, Stephan Dipl.-Ing. ●SY<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen,<br />
Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Jordan, Claus Dr. ●V8<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Jühling, Jens Dr.-Ing. ●Sy<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />
Köln<br />
Jüngert, Barbara Dr. med. ●P66<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />
Jung, Detlev Priv.-Doz. Dr. med. ●P40;P2;F;VS<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Jung, Johannes ●P40<br />
stud. phil., Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Hechtsheimerstr. 103, 55131 Mainz<br />
Juran, Stephanie ●P132<br />
Karolinska Institut, SE-17177 Stockholm<br />
Jusufoska, Ajnur ●P116<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Vossstraße<br />
2, 69115 Heidelberg<br />
839
Autorinnen und Autoren<br />
Käfferlein, Heiko U. Dr.rer.nat. ●V26;P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Kaltheier, Oliver ●P42<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />
Sporthochschule Köln, Sürther Straße 171, 50999 Köln<br />
Karge, Kathleen ●P3<br />
Bereich psychophysiologische Diagnostik, Institut und Poliklinik für Arbeits- und<br />
Sozialmedizin der TU Dresden, Fetscherstr. 74, 1307 Dresden<br />
Kaul, Gerlinde Dr. rer. nat. ●P128;P127<br />
2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 -42, 10317 Berlin<br />
Keller, Doris Dr. med. ●V70;V69<br />
Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Strasse 7, 52072 Aachen<br />
Keller, Kathrin ●V89<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Kendzia, Benjamin ●P108;P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Kentner, Michael Prof. Dr. med. habil. ●VS<br />
Moltkestr. 25, 76133 Karlsruhe<br />
Kersting, Klaus Dr.rer.nat. ●S<br />
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt.: GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />
Frankfurt<br />
Keskin, Mekail-Cem Dr.med. ●V18;V41<br />
Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettinger Straße, 85045 Ingolstadt<br />
Kespohl, Sabine Dr. ●P57<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />
Kessel, Richard Prof. Dr. med. Dr. med. dent. ●P35;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23858<br />
Lübeck<br />
Khatab, Khaled Dr ●P92<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />
Aachen<br />
Kielstein, Volker Dr. ●P114<br />
Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH, Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH, Planckstraße 4 – 5,<br />
39104 Magdeburg<br />
Kiesswetter, Ernst Dr. ●V52<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
840
Autorinnen und Autoren<br />
Kimbel, Renate Dr.med. ●V73<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Klien, Christine Dr. med. ●VS<br />
Geschäftsführerin ameco Health Professionals GmbH, Rheinstraße 61, CH-6900<br />
Bregenz<br />
Klußmann, André Dipl.-Ing., M.Sc. ●V86;P130<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />
Universität Wuppertal, Corneliusstr. 31, 42329 Wuppertal<br />
Kluckert, Matthias Dr. med. ●V34;SY<br />
Bereich Prävention, Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Kurfürsten-Anlage<br />
62, 69115 Heidelberg<br />
Kluger, Norbert Dipl.-Geogr. ●S<br />
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt. GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />
Frankfurt<br />
Kluth, Karsten Prof. Dr.-Ing. ●P131;F<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatz-Str. 9-11,<br />
57068 Siegen<br />
Knauth, Peter Professor ●V47a<br />
Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP), Universität Karlsruhe<br />
(TH), Hertzstraße 16, 76187 Karlsruhe<br />
Knecht, Udo Dr. rer.nat, Dr. hum.biol. ●V15<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Knepper, Achim Dipl.-Ing. ●P93<br />
Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />
Knieps, Dorothee Dipl-Ing. ●V85<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Knoll, Lars Dr. med. ●P90;P31;P92<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Ko, Yon Prof. Dr. med. ●V49<br />
Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 5313 Bonn<br />
Koch, Holger Martin Dr. rer.nat.●V13;V26;V12<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Koch, Ulrike ●P103<br />
Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
841
Autorinnen und Autoren<br />
Köver, Jan BA ●V81;V82<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />
Universität Wuppertal, Gaußstr. 20, 42119 Wuppertal<br />
Kolb, Stefanie Dr. ●P34<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Kolberg, Monika ●P122<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />
Koppisch, Dorothea Dr. ●P103<br />
Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Korinth, Gintautas Dr. med. ●V36<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Institut und Poliklinik für<br />
Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />
Nürnberg, Schillerstrasse 25 + 29, 91054 Erlangen<br />
Kotschy-Lang, Nicola Dr. med ●P110;P54;P57<br />
Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein, Lauterbacher Str.<br />
16, 8223 Falkenstein<br />
Krahl, Jürgen Prof. Dr. rer. nat. ●V72<br />
Physikalische Technik, FH Coburg, Friedrich-Streib-Str. 2, 96450 Coburg<br />
Krahn, Gerhard Dr. sc. tech. Dr. rer. nat. ●V87<br />
Institut für Umwelttechnik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Geusaer Straße,<br />
6127 Merseburg<br />
Kralj, Nenad Prof. Dr. med. ●V81;V82;P73;P72;P120;VS<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gauß Str. 20, 42097 Wuppertal<br />
Kramer, Dietmar Dr. med. ●S<br />
Leitender Arzt Salus Klinik, Warthfeldsiedlung 3, 61169 Friedberg<br />
Kraus, Thomas Prof. Dr. med.<br />
●P90;V14;V70;V25;V25;P75;P31;V6;P41;P42;V53;P94;V87;P93;V69;P92;V58;P91;VS;F<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Kraus, Gerhard Dr. med ●V71<br />
Abteilung für Prävention, Fachbereich Arbeitsmedizin und Berufskrankheiten,<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Oblatterwallstraße 18,<br />
86153 Augsburg<br />
Krause, Frank Dr. ●V89<br />
Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />
Krause, Jürgen ●P64<br />
Tierhaus, MPI für experimentelle Medizin, Herrmann-Rein-Str. 3, 37075 Göttingen<br />
842
Autorinnen und Autoren<br />
Kreuzfeld, Steffi Dr. med. ●P14;P22;P112<br />
Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />
Kropf, Siegfried Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●P115<br />
Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />
Kruse, Stephan ●P49<br />
Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />
Düsseldorf<br />
Krutz, Kristina Dr. ●P55<br />
Sicherheit und Gesundheit bei chemischen und biologischen Arbeitsstoffen,<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr.40-42, 10317<br />
Berlin<br />
Kühnlein, Anja ●V18;V41<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstraße 1, 80336 München<br />
Küpper, Thomas Priv. Doz. Dr. med. ●P26;V5;P25;P24;P23;V83;S;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelssstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Kütting, Birgitta Priv.-Doz. Dr. med. ● V66;V63;P61;VS;F<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25 + 29, 91052 Erlangen<br />
Kuhn, Stefan Dipl.-Ing. ●V8<br />
Präventionsdienst Mainz, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />
Wohlfahrtspflege, Göttelmannstraße 3, 55130 Mainz<br />
Kuhnert, Saskia ●P68;P68<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Kumar, Mohit Dr ●P14;P22;P112;P135<br />
Center for Life Science Automation, Universität Rostock, Friedrich-Barnewitz-Str.8,<br />
18119 Rostock<br />
Kunst, Thorsten ●P41<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Lang, Isabelle Cand. med. ●P116<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Voßstraße 2,<br />
69115 Heidelberg<br />
Lang, Jessica Dr. rer. soc. ●V58<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />
Aachen<br />
843
Autorinnen und Autoren<br />
Lang, Jonas W. B. Dr. phil. ●V58<br />
Department of Work and Social Psychology, Universität Maastricht, Postbus 616, 6200<br />
Maastricht<br />
Langner, Ingo Dr. rer. nat ●V29<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />
Lanters, Wolfgang ●V13;V12<br />
Fachbereich 2 Chemische und biologische Einwirkungen, BGIA - Institut für<br />
Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111,<br />
53757 Sankt Augustin<br />
Laschinski, Gerd Dr. rer. nat. ●P49<br />
Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />
Düsseldorf<br />
Latza, Ute PD Dr. rer. nat, MPH ●P55;VS;F<br />
Alice-Salomon-Fachhochschule, ASFH Berlin, Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />
Leban, Tanja ●P21<br />
Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern,<br />
Klinik an der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />
Lechner, Pia Dipl.-Ing. ●P69<br />
Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />
Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />
Leiste, Anke ●V65<br />
Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, Ruhr-Universität<br />
Bochum, , 4479 Bochum<br />
Lelgemann, Monika ●P55<br />
HTA Zentrum in der Universität Bremen, c/o Institut für Gesundheit und Medizinrecht,<br />
Postfach 330440, 28334 Bremen<br />
Leng, Gabriele Prof. Dr. med. ●V16;V34<br />
SI-GS-Institut für Biomonitoring, Currenta GmbH&Co.OHG, Chempark Leverkusen,<br />
51368 Leverkusen<br />
Letzel, Stephan Prof. Dr. med. Dipl.-Ing.<br />
●V59;V73;V6;P19;P39;V2;V3;P55;V52;P18;P17;VS;SY<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Leuchte, Siegfried Prof. Dr. paed. habil. ●V87<br />
Institut für Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Selkestr. 9/F,<br />
6122 Halle (Saale)<br />
Li, Jian Dr, PhD ●V40<br />
Institut für Sicherheitstechnik, Bereich Empirische Arbeitsforschung, Bergische<br />
Universität Wuppertal, Gausstrasse 20, 42097 Wuppertal<br />
844
Autorinnen und Autoren<br />
Liebers, Falk Dr. med. ●P46;V86;P130<br />
Gruppe 3.4 Arbeitsgestaltung bei physischen Belastungen, Muskel-Skelett-<br />
Erkrankungen, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA),<br />
Nöldnerstraße 40/42, 10317 Berlin<br />
Löffler, Isabel ●V2<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Löffler, Anne ●P98<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-,Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />
Lüthke, Saskia ●P115<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />
Lundershausen, Nicole Dipl.-Ing. ●V85<br />
Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Luttmann, Alwin Prof. Dr. ●V8;P45<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Maier, Friederike Dr. med. ●P100;P101<br />
Polizeiärztlicher Dienst Magdeburg, Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt, Alt<br />
Prester 5, 39114 Magdeburg<br />
Manecke, Ingra-A. Dr.med. ●V20<br />
Arbeitsmedizin, SNL Personalservice Halle, Berliner Platz 12, 38102 Braunschweig<br />
Mann, Guido Dr. ●P86<br />
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />
Shamrockring 1, 44623 Herne<br />
Mannheims, Hardy ●V67<br />
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337,<br />
50968 Köln<br />
Manthey, Anke Dipl. paed. ●V22<br />
Gesundheitsförderung, AUDI AG, Auto - Union - Str. 1, 85057 Ingolstadt<br />
Marczynski, Boleslaw Dr.rer.nat. ●P104;V47;P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Marek, Eike ●P110;P54<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Berstr. 26, 44791 Bochum<br />
Marek, Wolfgang PD Dr. rer. nat ●P110;P54<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bergstr. 26, 44791 Bochum<br />
Marks, Anke ●P119<br />
Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139<br />
Dortmund<br />
845
Autorinnen und Autoren<br />
Martin, Jennifer cand. med. ●V83<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Martus, Peter Prof. ●P13<br />
Institut für Biometrie und klinische Eprdemiologie, Charite-Universitätsmedizin Berlin,<br />
Campus Charite Mitte, 10098 Berlin<br />
Maryska, Silke ●P57<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />
Mayer, Paul Prof. ●P89<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Mayer, Stefan Dr. ●V71<br />
Abteilung Prävention, Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), M5,<br />
7, 68145 Mannheim<br />
Mayr, N. Patrick ●P21<br />
Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum des Freistaates Bayern, Klinik an<br />
der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />
Mayrhofer, Wolfgang Dr. med. ●SY<br />
Medizinische Assistance Ausland, Malteser Köln<br />
McCunney, Robert Dr. ●V31<br />
Massachusetts Institute of Technology, Department of Biological Engineering,<br />
Massachusetts Institute of Technology, 77 Massachusetts Avenue, Bldg. 16, Room 771,<br />
2139 Cambridge, MA<br />
Mecke, Rüdiger Dr.-Ing. ●P7<br />
Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung,<br />
Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg<br />
Meinken, Katrin ●V4;P10<br />
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart,<br />
Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart<br />
Meixner, Tankred Dipl.-Ing. ●VS;SY<br />
Leiter der Präventionsabteilung der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft,<br />
Kreuzstraße 45,<br />
40210 Düsseldorf<br />
Melis, Massimo Dr. ●V32<br />
Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />
554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />
Meloni, Michele Dr. ●V32<br />
Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />
554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />
Mentel, Alexander Dr. med. ●V2<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacherstr. 67, 55131 Mainz<br />
846
Autorinnen und Autoren<br />
Merchlewicz, Manuela ●P15<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Merget, Rolf Prof. Dr. med. ● P104;P52;P51;P55;P56;V65;F;VS<br />
Klinische Arbeitsmedizin, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen<br />
Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Merk, Hans F. Prof. Dr. med. ●V62;VS<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Mester, Birte Dr. ●V32;P123;V29<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 8, 28359 Bremen<br />
Meyer-Falcke, Andreas PD Dr. ●VS<br />
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW, Breite<br />
Str. 27, 40213 Düsseldorf<br />
Michaelis, Martina Dr. ●P11;P45<br />
FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />
Freiburg<br />
Mikulicz, Ursula Dr.med. ●SY<br />
Stellvertretende Vorsitzende Deutscher Fachverband Reisemedizin e.V., Am Sportfekd<br />
10,<br />
61476 Kronberg<br />
Mill, Helmgard ●P28;P30<br />
Prävention, Unfallkasse Berlin, Culemeyerstrasse 2, 12277 Berlin<br />
Möhner, Matthias Dr. ●V30<br />
Epidemiologie, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr.<br />
40-42, 10317 Berlin<br />
Mölders, Werner Dr. med. ●P78;P77;SY<br />
Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Kaiser-Wilhelm-Str. 100, 47166<br />
Duisburg<br />
Morfeld, Peter PD Dr. rer. medic. ●V31;V47a<br />
Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA), Evonik Services<br />
GmbH, Rüttenscheider Str. 1-3, 45128 Essen<br />
Mosel, Frank Dr. rer. nat. ●V46<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />
45122 Essen<br />
Motte de la, Dorothea ●P48<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Mozdzanowski, Matthias ●P43<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />
Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />
847
Autorinnen und Autoren<br />
Mück-Weymann, Michael Prof. Dr. ●V39<br />
Institut für Verhaltensmedizin und Prävention, Private Universität für<br />
Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Eduard-Wallnöfer-<br />
Zentrum I, 6060 Hall<br />
Mückenhoff, Klaus Dr. ●P110;P54<br />
Institut für Physiologie, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstr. 150, 44781 Bochum<br />
Müller, Bernd H Professor ●V40<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />
Müller, Michael Privatdozent Dr. ●V72;P74;VS<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />
37073 Göttingen<br />
Müller, Reinhard Dipl. Ing. ●P118<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Müller, Andreas Dr. med. ●SY<br />
Abteilung für Tropenmedizin, Missionsärztliche Klinik, Salvatorstrasse 7, 97074<br />
Würzburg<br />
Müller, Uta Dr. ●V47a<br />
Evonik Industries AG, Rellinghausenerstr. 1-11, 45128 Essen<br />
Müller, Andreas Dr. ●V60;V51<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Müller-Berndorff, Hendrik Dr. med. ●P94<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Müller-Lux, Alice Dr. med. ●P41<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Müller-Quernheim, Joachim Prof.Dr. ●P55<br />
Ärztlicher Direktor Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg, Kilianstr.5,<br />
79106 Freiburg<br />
Münster, Eva Prof. Dr. oec. troph. ●V59;V6;P19;P39;V3;P17;VS<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Munack, Axel Prof. Dr.-Ing. ●V72<br />
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />
Musiol, Anita ●V14<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
848
Autorinnen und Autoren<br />
Muth, Thomas Dr. rer. san., Dipl.-Psych. ●P78;P77<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Muttray, Axel Prof. Dr. med. ●V4;P10;VS<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Nasterlack, Michael Dr. med.●V34;GR;VS;SY<br />
GOA/C, BASF SE, H 306, 67076 Ludwigshafen<br />
Nauert, Thomas Dr. ●P55<br />
Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Land Schleswig Holstein, Adolph-<br />
Westphal-Str. 4, 24143 Kiel<br />
Neppach, Klemens cand. med. ●V83<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Netz-Piepenbrink, Susanne ●P38<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Neubert, Sebastian ●P14;P22;P112;P135<br />
Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />
Neumann, Heinz-Dieter Dr.-Ing. ●V71<br />
Abteilung Biologische-, chemische- und physikalische Einwirkungen, Dezernat<br />
Gesundheitsschutz und Erste Hilfe, Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Salzmannstraße<br />
156, 48159 Münster<br />
Neumann, Volker Dipl.Biol. ●P97<br />
Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />
am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bürkle-de-la-<br />
Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Neuschulz, Hannelore Dr. rer. nat. ●P128<br />
2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />
Neustadt, Katrin ●V74;P134<br />
Bereich psychophysiologische Diagnostik, Institut und Poliklinik für Arbeits- und<br />
Sozialmedizin der TU Dresden, Fetscherstr.74, 1307 Dresden<br />
Niedermeier, Heike Dr. med. ●V22<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Nienhaus, Albert Priv.-Doz. Dr. med. ●V79;V11;P15;P68;P70;P67;V61<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Nieters, Alexandra PD Dr. ●V32<br />
Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />
Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />
849
Autorinnen und Autoren<br />
Niklas, André Prof. Dr. med. et Dr. rer. nat. ●P111<br />
Zentrum für Anaestesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin (ZARI) - Sportmedizin,<br />
Georg-August-Universität Göttingen, Sprangerweg 2, 37075 Göttingen<br />
Nitsche, Dorothea Dr. med. ●P39;V3;P17<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Nitschke, Lutz Dr. ●V68<br />
Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,<br />
Pfarrstr. 3, 80538 München<br />
Nix, Wilfred A. Prof. Dr. med. ●V73<br />
Neurologie, Universitätsklinik für Neurologie, Langenbeckstrasse 1, 55101 Mainz<br />
Nölle, Beate Dr. med. ●S<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst der Bau-Berufsgenossenschaft Dortmund, Kronprinzenstr.<br />
67, 44135 Dortmund<br />
Noll, Ulrike ●V87<br />
Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Ergonomie, BMW AG, BMW Allee 1, 4349 Leipzig<br />
Notbohm, Gert Dr. phil. ●P44;P49<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Nowak, Dennis Prof. Dr. ●V27;P62;P48;VS;GR<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Nübling, Matthias Dr. ●V56;V61;V86;P130;F<br />
FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />
Freiburg<br />
Nutt, Nadine ●P42<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />
Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />
50999 Köln<br />
Ochsmann, Elke Dr. med.●V14;V6;P19;P41;P66;V53;V87;P93<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Oldenburg, Marcus Dr.med. ●P53;P59;V57<br />
Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />
Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />
Ott, Hagen Dr. med. ●V62<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Otto, Andreas ●P35<br />
Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538<br />
Lübeck<br />
850
Autorinnen und Autoren<br />
Pällmann, Ulrich Dr. med. ●VS<br />
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />
Augustin<br />
Panter, Wolfgang Dr. med. ●GR;VS;SY<br />
Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH, Ehinger Straße 200, 47259 Duisburg<br />
Patschan, Oliver ●P126<br />
Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-STraße 3, 72076<br />
Tübingen<br />
Pelster, Martin Dr. med. ●V34<br />
Currenta GmbH&Co.OHG, Geb. E 46, 51368 Leverkusen<br />
Penzkofer, Mario ●P131;F<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatz-Str. 9-11,<br />
57068 Siegen<br />
Pesch, Beate Dr. ●P108;V34;P126;P94;P109;V49;V65<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Peter, Beate Dr. med. ●P85<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39116 Magdeburg<br />
Peter, Marcel cand. med. ●V9<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstraße 3, 7740 Jena<br />
Petereit-Haack, Gabriela Dr. med. ●V80<br />
Landesgewerbearzt Hessen, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und<br />
Umwelt,, Simone-Veil-Straße/5, 65197 Wiesbaden<br />
Petermann, Olaf ●VS;SY<br />
Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />
Köln<br />
Peters, Claudia ●P15<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Petersen, Jens Dr. med. ●SY<br />
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), Deelbögenkamp 4, 22297 Hamburg<br />
Petru, Raluca Dr.med. ●V60<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Pfister, Eberhard Alexander Prof. Dr. rer. nat. habil. ●P100;P7;P85;VS<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />
Piekarski, Claus Prof. Dr. med. ●V47a;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu<br />
Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, 50924 Köln<br />
851
Autorinnen und Autoren<br />
Pietsch, Jürgen Dr. ●P11<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Universität Freiburg, Rheinstraße 10, 79085 Freiburg<br />
Pink, Mario ●V45<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />
41522 Essen<br />
Pirkl, Andrea ●P31<br />
AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />
Plange, Niklas PD Dr. med. ●V36<br />
Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Pluto, Rolf-Peter Dr. med. ●V17<br />
Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />
Ludwigshafen<br />
Prager, Hans-Martin Dr. med. Dipl.-Chem. ●V33<br />
Abteilung von, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Münsterplatz 4, 44575<br />
Castrop-Rauxel<br />
Preckel, Elisabeth cand. Dr. med. ●P129<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />
45122 Essen<br />
Preim, Dieter Dr. med. ●V70;V90;V69<br />
Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Straße 7-9, 52072 Aachen<br />
Preisser, Alexandra M. Dr. med. ●P50;P87;P107;P47;F<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM),<br />
Seewartenstr.10, 20459 Hamburg<br />
Preuss, Markus Dipl. Psych. ●P14;P14;P22;P112;P135<br />
Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />
Rabenau, Holger Prof. Dr. ●P69<br />
Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
Frankfurt am Main, Paul-Ehrlich-Str. 40, 60596 Frankfurt<br />
Rabstein, Sylvia Dipl.-Stat. ●V49<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Radon, Katja Prof.Dr. ●P34;V18;V41;VS<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-<br />
Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Raithel, Hans-Jürgen Prof. Dr. med. ●VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstraße 25-29, 91054 Erlangen<br />
Rathmann, Kerstin Dr. ●S<br />
GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hungener Straße 6, 60389 Frankfurt<br />
852
Autorinnen und Autoren<br />
Rau, Renate Prof. Dr. ●F<br />
AG Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie, Fachbereich 04 Psychologie,<br />
Philipps-Universität Marburg, Gutenbergstraße 18, 35032 Marburg<br />
Raulf-Heimsoth, Monika PD Dr. ●V54;V47;P52;P51;P108;V71;P57;P62;P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Rebe, Thomas Dr. med.●P38;V37;V20<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Rentrop, Manfred Dipl.-Ing. ●VS<br />
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />
Augustin<br />
Remky, Andreas Prof. Dr. med. ●V36<br />
Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Rettenmeier, Albert W. Prof. Dr. ●P129;P124;P102;V45;V44;V46;VS<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />
45122 Essen<br />
Richter, Lutz ●P49<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />
Riedesel, Hermann ●P64<br />
Tierhaus, Helmholtz-Centre for Infection Research, Inhoffenstrasse 7, 38124<br />
Braunschweig<br />
Rieger, Monika A. PD Dr. med. ●V7;P65;V86;P130;VS<br />
Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />
Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />
Rieger, Monika A. PD Dr. med. ●P33;P65;V86<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />
72074 Tübingen<br />
Rieke, Burkhard Dr. med ●V83;SY<br />
Gelbfieberimpfstelle,, Tropenmedizinische Praxis Düsseldorf, Oststraße 115, 40210<br />
Düsseldorf<br />
Rihs, Hans-Peter Dr. rer. nat. ●V47<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Buerkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789<br />
Bochum<br />
Rinnert, Kurt Dr. med. ●V1;S<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Eulenbergstraße<br />
13-21, 51065 Köln<br />
853
Autorinnen und Autoren<br />
Ristel, Nina ●V20<br />
Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />
Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Röder, Verena Dr. med.●P33<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />
72074 Tübingen<br />
Roßbach, Bernd Dr. rer. nat. ●V2;V52<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Robens, Sibylle Dipl.Stat. ●V50<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Roggentin, Anja ●P7<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />
Rose, Markus A. PD Dr. ●P71<br />
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie,<br />
Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />
Rose, Uwe Dr. ●P13<br />
Arbeitsgestaltung bei psychischen Belastungen, Stress, Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />
und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317 Berlin<br />
Rosenberger, Wolfgang ●V28<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1,<br />
30625 Hannover<br />
Rossa, Karsten, Dipl.-Ing. ●S<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Medizinische<br />
Fakultät Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden<br />
Roth, Gerhard ●V33<br />
Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />
6872 Lutherstadt Wittenberg<br />
Rüdiger, Hugo Prof. Dr. med. ●VS<br />
Klinische Abteilung Arbeitsmedizin Universität Wien Allgemeines Krankenhaus Wien,<br />
Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien<br />
Rüger, Heiko M.A. ●V6;P19;P39;V3<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Rühl, Reinhold Dr.rer.nat.●S<br />
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt. GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />
Frankurt<br />
Rüttgers, Yvonne ●P110<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bergstr. 26, 44791 Bochum<br />
854
Autorinnen und Autoren<br />
Ruppert, Andrea ●V57<br />
Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />
Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />
Ruschel, Yvonne Dipl. Chem. ●V72<br />
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />
Salzmann, Christine Dr.med. ●P122<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstraße 3, 7740 Jena<br />
Sandalcioglu, I. Erol PD Dr. ●P129<br />
Klinik für Neurochirurgie, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55, 45122 Essen<br />
Sander, Ingrid Dr. ●V71;P62<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Schaal, Sarah ●P75<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Schablon, Anja ●P68<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Schaller, Karl-Heinz Dipl.-Ing. ●V52<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />
Schedlbauer, Grita Dr. med. ●P67<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Schega, Lutz PD Dr. ●P111<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />
Schettgen, Thomas Dr. rer. nat. ●V14;V70;V25;P31;V69;P55<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />
Aachen<br />
Scheuch, Klaus Prof. Dr. med. ●P76;P3;V77;V76;VS;S<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />
Scheuermann, Bernd Dr. med. ●V34<br />
GOA/C, BASF SE, , 67056 Ludwigshafen<br />
Schicker, Hans-Jürgen Dr. med. ●S<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Waghäuseler<br />
Straße 12, 10715 Berlin<br />
855
Autorinnen und Autoren<br />
Schiele, Rainer Prof. Dr. med. ●P122;P98;V9;VS<br />
Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />
Schierl, Rudolf Dr. ●V27;P62<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Schiffermann, Markus ●V49<br />
Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 53113 Bonn<br />
Schikowsky, Christian ●P91<br />
Technische Universität Dortmund, Universität Dortmund, Messelinckstr. 56, 44309<br />
Dortmund<br />
Schlaich, Clara Dr. ●V57<br />
Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />
Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstrasse 10, 22459 Hamburg<br />
Schlosser, Stephan F. Dr. med. ●V23<br />
Betriebsärztlicher Dienst, Behr GmbH & Co. KG, Mauserstr. 3, 70469 Stuttgart<br />
Schlossmacher, Anja ●P115<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />
Schmeisser, Nils ●P123;V29<br />
Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />
Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />
Schmelz, Ullrich Dr. med. ●P63<br />
Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin, Georg-August Universität Göttingen,<br />
Humboldtallee 34a, 37073 Göttingen<br />
Schmid, Klaus PD Dr. med. ●V39;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Harfenstr. 18, 91054 Erlangen<br />
Schmidt, Sascha MScN, RN ●V40<br />
FG Arbeitssicherheit und Ergonomie, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20,<br />
42369 Wuppertal<br />
Schmidt, Barbara Dipl. Psychologin ●V73<br />
Psychologisches Institut, Psychologisches Institut der Johannes-Gutenberg- Universität<br />
Mainz, Staudingerweg 9, 55099 Mainz<br />
Schmitt, Bernd Dr. med. ●P128<br />
Institut für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr, Sanitätsamt<br />
der Bundeswehr, Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin<br />
Schmitz, Peter Dr. med. Dipl. Ing. ●SY<br />
Malteser International, Malteser Generalsekretariat, Kalker Hauptstr. 22-24, 51103 Köln<br />
Schmitz-Spanke, Simone Dr. med. ●V44;V45<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />
45122 Essen<br />
856
Autorinnen und Autoren<br />
Schneider, Joachim Prof. Dr. med. ●P118;P89;P96;P95;F;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Schneider, Michael Dr.med. ●P16;P20;P80<br />
Werksärztlicher Dienst, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, Binger Straße<br />
173, 55216 Ingelheim<br />
Schöffl, Volker Priv. Doz. Dr. med. ●P25;P24<br />
Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Marienplatz 1, 96950 Bamberg<br />
Schön, Fritz Andreas Dr. ●V90<br />
Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Straße 7, 52072 Aachen<br />
Schöneweis, Sandra ●V64;V65<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Schönlebe, Jana Dipl. med. ●V39<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25+29, 91054 Erlangen<br />
Schöps, Wolfgang Dr. ●P125<br />
Urologische Abteilung, Kreiskrankenhaus Mechernich, St.-Elisabeth-Str. 2-6, 53894<br />
Mechernich<br />
Schreiber, Jens ●P124<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Schröder, Olaf Dipl. Chem. ●V72<br />
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />
Schröder, Simone cand. med. ●P23<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />
Aachen<br />
Schröder, Thomas ●V20<br />
Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />
Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Schüz, Joachim Dr. ●V73<br />
Institut fuer Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Johannes Gutenberg-<br />
Universität Mainz, Obere Zahlbacher Straße 69, 55101 Mainz<br />
Schulte, Helmut Dr. rer. medic. ●V19<br />
Assmann-Stiftung für Prävention, Johann-Krane-Weg 23, 48149 Münster<br />
Schulz, Franziska ●P133<br />
Institut für Arbeitsphysiologie an der TU Dortmund, Ardeystr. 67, D-44139 Dortmund<br />
Schuster, Wolfgang ●P1<br />
Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Carl-Spaeter-Str. 2f, 56070<br />
Koblenz<br />
857
Autorinnen und Autoren<br />
Schwarze, Sieglinde Prof. Dr. med. ●P44;P49;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Schwarze, Monika Dr. ●V20<br />
Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />
Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
Seebens, Achim Dr. ing. ●P129<br />
Lehrstuhl für Kommunikationstechnik, Universität Duisburg-Essen, Gebäude BB, 47048<br />
Duisburg<br />
Seeber, Andreas Prof. Dr. ●V35<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Seibt, Reingard Dr. ●P13;V76;V74;P3;V48;V77;P134<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />
Seibt, Annelore Dr. ●V48<br />
THUMEDI - Präventionsmanagement GmbH, THUMEDI - Präventionsmanagement<br />
GmbH, Straße der Freundschaft 68, 9419 Thum-Jahnsbach<br />
Seidel, Dirk Dr. ●V10;S<br />
Service Stelle für statistische und epidemiologische Auswertungen,<br />
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hildesheimer Straße 309, 30519 Hannover<br />
Seidel, Thilo Dr. med. ●V33<br />
Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />
6872 Lutherstadt Wittenberg<br />
Seidler, Andreas PD Dr.med., M.P.H. ●P84;V32;V30;P55;P45;VS;F<br />
FB 1.4 Arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufskrankheiten, Bundesanstalt für<br />
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42, 10317 Berlin<br />
Seik, Christiane ●P85<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />
Seitz, Lucia ●V60<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Selinski, Silvia Dr. ●V33<br />
Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />
Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Senn, Silke cand. med. ●P4<br />
Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstr. 8,<br />
79104 Freiburg<br />
Sesler, Simonetta Dr. ●V32<br />
Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />
554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />
858
Autorinnen und Autoren<br />
Siegmund, Klaus Dr. med. Dipl.-Ing. ●P49<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />
Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />
Siegrist, Johannes Prof. Dr. ●F<br />
Institut für Medizinische Soziologie, Univerisitätsklinikum Düsseldorf, Universitätsstraße<br />
1, 40225 Düsseldorf<br />
Silny, Jiri Prof. Dr. med.habil. ●SY<br />
Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen,<br />
Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Simmenroth-Nayda, Anne Dr. med. ●P32<br />
Allgemeinmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Humboltallee 38, 37075<br />
Göttingen<br />
Skazik, Claudia Dipl.Biol. ●V62<br />
Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Sonntag, Karsten Dr. med. ●P1<br />
Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Kurt-Georg-Kiesinger-Platz 7,<br />
70173 Stuttgart<br />
Spahn, Gunter PD Dr. med. ●V9<br />
Unfallchirurgie und Orthopädie, Praxisklinik Eisenach, Sophienstraße 16, 99817<br />
Eisenach<br />
Spallek, Michael Dr.med. ●V84<br />
Gesundheitswesen, Volkswagen Aktiengesellschaft, Brieffach 1599, 38436 Wolfsburg<br />
Spallek, Michael Dr. med. ●P35;V20<br />
(EUGT), Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im<br />
Transportsektor e.V., Thielallee / 69, 14195 Berlin<br />
Spickenheuer, Anne Dipl.-Stat. ●V47;P108;P109;V49<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Spitzer, Silvia Dipl.-Psych. ●P3;V77<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />
Standar, Susanne ●V46<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Virchowstrasse 171,<br />
45147 Essen<br />
Steffgen, Jürgen Prof. Dr. med. ●P26;V5;P25;P24<br />
Inst. f. Nephrologie, Universtität Göttingen, Beim Tannenhof 82, 89079 Ulm-Wieblingen<br />
Stenzl, Arnulf Prof. Dr. med. ●V34;P126<br />
Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076<br />
Tübingen<br />
859
Autorinnen und Autoren<br />
Stockmann, Eberhard Dr. med. ●S<br />
Betriebsmedizin, Betriebsärztlicher Dienst der Siemens AG, Sieboldstr. 16, 91052<br />
Erlangen<br />
Stößel, Ulrich Dr. ●P11<br />
Abteilung für Medizinische Soziologie, Universität Freiburg, Hebelstr. 29, 79104 Freiburg<br />
Stoll, Regina PD Dr.habil. ●P14;P22;P112;VS<br />
Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />
Stork, Joachim Dr. med.●V18;V41;V47a;GR;VS<br />
Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettinger Str., 85045 Ingolstadt<br />
Straif, Kurt PD Dr. med. ●V30<br />
Carcinogen Identification and Evaluation, International Agency for Research on Cancer,<br />
World Health Organization, 150 cours Albert, 69372 Lyon Cedex 08<br />
Strasser, Helmut Prof. Dr. ●P131;GR<br />
Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatzstr. 9-11,<br />
57068 Siegen<br />
Sturtz, Carolin ●V34<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Suchodoll, Michael-Rüdiger Dr. med. Dr. sportwiss. ●P75<br />
Praxis für Arbeitsmedizin, Praxis für Arbeitsmedizin, Rottstr. 29, 52068 Aachen<br />
Sucker, Kirsten Dr. ●V38<br />
Medizin, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Sültz, Joachim Dr.med. ●P62<br />
Pneumologie, Arbeitsmedizin, Von-Richthofen-Str. 15, 86356 Neusäss<br />
Süsselbeck, Kai Dipl. Ing. ●V26<br />
Technischer Gesundheitsschutz, IGF - Institut für Gefahrstoff-Forschung der Bergbau-<br />
Berufsgenossenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Waldring 97, 44789 Bochum<br />
Sun, Yi Dr. med. ●V55<br />
Referat Angewandte Epidemiologie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen<br />
Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin<br />
Szadkowski, Dieter Prof. Dr. med. ●VS<br />
Rominterweg 58, 22844 Norderstedt<br />
Taeger, Dirk ●V64;V34;P126;P56;P94;V30;V65<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Tannapfel, Andrea Prof.Dr.med. ●P97<br />
Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum, BG-Kliniken Bergmannsheil; Bürklede-la-Camp-Platz<br />
1, 44789 Bochum<br />
860
Autorinnen und Autoren<br />
Tassani-Prell, Peter Prof. Dr. med. ●P21<br />
Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum des Freistaates Bayern, Klinik an<br />
der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />
Tautz, Andreas Dr. med. ●V19;P1;VS;GR<br />
Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Fritz-Schäffer-Str. 15, 53113<br />
Bonn<br />
Tautz, Susanne Dr. med. ●P102<br />
Institut für Pathologie, Universität Rostock, Strempelstrasse 14, 18057 Rostock<br />
Teumer, Frank Dr. ●V20<br />
Gesundheitswesen, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Postfach 2594, 30405 Hannover<br />
Thalau, Frank Dr. ●P84;P55<br />
FB 1.4 Arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufskrankheiten, Bundesanstalt für<br />
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42, 10317 Berlin<br />
Theilmeier, Andreas Dr.-Ing. ●V8<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Thielmann, Beatrice ●P9<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />
Thim, Carmen ●P127<br />
FB 4.5, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42,<br />
10317 Berlin<br />
Trauth, Bernd Dr. med. ●V17<br />
Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />
Ludwigshafen<br />
Triebig, Gerhard Prof.Dr.med. ●P116;V35;VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Voßstraße 2,<br />
69115 Heidelberg<br />
Tümler, Johannes Dipl.-Ing.-Inf. ●P7<br />
Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung,<br />
Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg<br />
Turowski, Siegfried ●P64<br />
Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />
37073 Göttingen<br />
Ulbricht, Stefan ●V48<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />
Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />
Ulrich, Dietmar PD Dr. med. ●SY<br />
Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Universitätsklinikum<br />
der RWTH<br />
Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />
Unrath, Michael Dipl.-Psych. ●V59<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
861
Autorinnen und Autoren<br />
Uter, Wolfgang Prof. Dr. med. ●V66<br />
Institut für Biometrie und Epidemiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />
Nürnberg, Waldstr.6, 91054 Erlangen<br />
Van Gelder, Rainer Dipl.-Chem. ●P103<br />
Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />
van Kampen, Vera Dr. ●P104;P56<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
van Mark, Anke Dr. med. ●P35<br />
Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538<br />
Lübeck<br />
van Thriel, Christoph Dr. ●V54;P132<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
Vaske, Bernhard ●V37<br />
Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625<br />
Hannover<br />
Vink, Peter Prof. Dr. ●V89<br />
Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />
Vogel, Petra ●P110<br />
Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein, Lauterbacher Str.<br />
16, 8223 Falkenstein<br />
Vogelgesang, Monika Dr. ●S<br />
AHG Klinik Münchwies, Turmstraße 50-58, 66540 Neunkirchen<br />
Voigt, Marion ●P92<br />
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />
Aachen<br />
Vomstein, Martin ●V61<br />
FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />
Freiburg<br />
von Groeling-Müller, Georg Dr. med. ●P78;P77<br />
Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Kaiser-Wilhelm-Str. 100, 47166<br />
Duisburg<br />
von Kiparski, Rainer Prof. Dr. ●GR<br />
Präsident des Verbandes Deutscher Sicherheitsingenieure, Albert Schweitzer-Allee 33,<br />
65203 Wiesbaden<br />
von Mülmann, Matthias Dr. ●V47a<br />
Medizinischer. Dienst, Deutsche Lufthansa AG, Flughafenbereich West, 60546 Frankfurt<br />
Voß, Jürgen ●P45<br />
Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />
862
Autorinnen und Autoren<br />
Waclawiak, Svenja Dipl.Psych. ●P8<br />
Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />
Wallrabenstein, Helmut Dr. med. ●P42<br />
Leitender Arzt des ÄD-Regionalverbundes Nord, Bundesagentur für Arbeit, Altenbekener<br />
Damm 82, 30173 Hannover<br />
Walter, Dirk PD Dr. Dr. ●V15;P99<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Wanke, Eileen M. Dr. med. ●P27;P28;P29;P30;<br />
Sportmedizin, Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung<br />
Sportmedizin, Philippstrasse 13. Haus 11, 10115 Berlin<br />
Watzele, Reinhold ●V21<br />
Prävention, Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Franken und Oberbayern<br />
(LSV FOB), Neumarkter Straße 35, 81673 München<br />
Weber, Andreas Prof. Dr. med. ●P42;V21;V42;P79;VS<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />
Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />
50999 Köln<br />
Weber, Anne ●P126<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />
Weber, Daniel Dr. ●P124;P94<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Wegner, Ralf Dr. med. ●V75;V57<br />
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />
und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />
20459 Hamburg<br />
Wegscheider, Wolfgang Dipl.- Ing. (FH) ●P67<br />
Fachbereich Gefahrstoffe und Toxikologie, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />
und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337, 50968 Köln<br />
Wehling, Pamela Dr. rer. soc. ●P81<br />
Lehrstuhl Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, Institut für Arbeitswissenschaften,<br />
Ruhr-Universität Bochum, Gebäude NB 1/28, 44780 Bochum<br />
Weigl, Matthias Dr. ●V51<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Weihert, Sandra Dipl. Psychologin ●V73<br />
Psychosomatische Medizin, Psychosomatische Fachklinik Gengenbach, Wolfsweg 12,<br />
77723 Gengenbach<br />
Weiler, Stephan W. Dr. med. ●P35<br />
Ingolstadt, AUDI AG, Ettinger Straße, 85045 Ingolstadt<br />
863
Autorinnen und Autoren<br />
Weippert, Matthias ●P14;P22;P112<br />
Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />
Weirich, Oliver cand. med. ●V4<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Weiß, Tobias Dr. rer. nat.●V13;V26;V12<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Buerkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789<br />
Bochum<br />
Weishoff-Houben, Michaela Dr. med. ●P31<br />
AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />
Weistenhöfer, Wobbeke Dr. med. ●V66;V63;P61<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />
Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstraße 25+29, 91054 Erlangen<br />
Welge, Peter Dipl.-Biol. ●P109<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Welker, Andreas Dr. med. ●SY<br />
Arbeitsmedizinischer Dienst, Voith AG, Sankt Pöltener Straße 43, 89522 Heidenheim<br />
Wellhäußer, Harald Dr. med. ●V34;SY<br />
Bereich Prävention, Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Kurfürsten-Anlage<br />
62, 69115 Heidelberg<br />
Wengenroth, Laura Dipl.-Soz. ●P34<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />
Weßel, Christa Dr. ●P18<br />
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />
Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />
Westphal, Götz A. Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●V72;P74<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Wicker, Sabine Dr. med. ●P69;P71<br />
Betriebsärztlicher Dienst, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7,<br />
60590 Frankfurt<br />
Wienert, Roman Dipl.-Ing. ●SY<br />
Wiest, Elfriede Dr. ●P105<br />
Universitätsfrauenklinik Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen, Calwerstr. 7, 72076<br />
Tübingen<br />
Wiethege, Thorsten Dr. ●P94<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
864
Autorinnen und Autoren<br />
Wilken, Dennis ●P88<br />
Klinische Arbeitsmedizin, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der<br />
Freien und Hansestadt Hamburg, Seewartenstraße 10 Haus 1, 20459 Hamburg<br />
Will, Wolfgang Dr. rer.-nat. ●V17<br />
Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />
Ludwigshafen<br />
Williams, Chris Dr.med. ●P70<br />
Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin<br />
Winkelmann, Constance Dr. rer. nat. ●P76<br />
Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, Fachbereich Psychologie der Technischen<br />
Universität Dresden, Mommsenstraße 13, 1062 Dresden<br />
Winneke, Gerhard Prof. Dr. ●V38<br />
Neurotoxikologie, ehemals Medizinisches Institut für Umwelthygiene an der Heinrich-<br />
Heine Universität Düsseldorf (MIU), Auf’m Hennekamp 50, 40225 Düsseldorf<br />
Winter, Carl-Gerhard Dr. ●P101<br />
Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg, Leipziger Str. 44, D-391 Magdeburg<br />
Wirsching, Michael Prof. Dr. med. ●P5;P4<br />
Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstr. 8,<br />
79104 Freiburg<br />
Wittich, Andrea Dr. ●P5;P4<br />
Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg, Hauptstr. 8, 79104 Freiburg<br />
Wittmann, Andreas Dr.-Ing. ●V81;V82<br />
FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />
Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal<br />
Wodarz, Roman ●P105<br />
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />
72074 Tübingen<br />
Woitowitz, Hans-Joachim Prof. Dr. med. ●VS<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Gießen, Aulweg<br />
129/III, 35385 Gießen<br />
Wolff, Roland Prof. Dr. med. ●P28;P30;P27<br />
Sportmedizin, Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung<br />
Sportmedizin, Philippstrasse 13, Haus 11, 10115 Berlin<br />
Wortmann, Norbert TAB med. vet. ●V8<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35-37, 22089 Hamburg<br />
Wrbitzky, Renate Prof. Dr. med. ●V28;P38;V37;V20;VS<br />
Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />
30625 Hannover<br />
865
Autorinnen und Autoren<br />
Wübbeling, Jelena cand.med. ●P96<br />
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />
Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />
Zahradnik, Eva Dipl. Biol. ●V71;P62<br />
Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />
Zangemeister, Wolfgang H. Prof.Dr.med. ●P107<br />
Neurologische Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, Universitätsklinikum Hamburg-<br />
Eppendorf, Martinistr.52-S10, 20251 Hamburg<br />
Zdrenka, Ricarda Dipl. Chem. ●P124<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstraße 55,<br />
45122 Essen<br />
Zeh, Annett ●P68<br />
Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />
Zelfel, Rudolf C. Dr. phil. Dipl.-Psych. ●V42;P79<br />
IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />
Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />
50999 Köln<br />
Zellner, Michael Dr. ●P125<br />
Urologische Abteilung, Reha-Zentrum Passauer Wolf, Thermalbadstr. 20, 94086 Bad<br />
Griesbach<br />
Zettler, Ingo ●V58<br />
Institut für Psychologie, RWTH Aachen, Jägerstraße zw. 17 u. 19, 52056 Aachen<br />
Zielen, Stefan Prof. Dr. ●P71<br />
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie,<br />
Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />
Zimmermann, Ute ●P129;P102<br />
Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />
45122 Essen<br />
Zschiesche, Wolfgang PD Dr. med. ●P90;S<br />
Präventionsabteilung, Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF),<br />
Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln<br />
866