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Dokumentation Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. 49. Wissenschaftliche Jahrestagung 11. – 14. März 2009 in Aachen In Zusammenarbeit mit: Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. – Berufsverband Deutscher Arbeitsmediziner – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Hauptthemen: Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge Herausgegeben von: Prof. Dr. med. Thomas Kraus Dr. med. Monika Gube Rosemarie Kohl 1

Dokumentation<br />

Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />

Umweltmedizin e. V.<br />

49. Wissenschaftliche Jahrestagung<br />

11. – 14. März <strong>2009</strong> in Aachen<br />

In Zusammenarbeit mit:<br />

Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. – Berufsverband Deutscher<br />

Arbeitsmediziner –<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung<br />

Hauptthemen:<br />

Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben<br />

Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge<br />

Herausgegeben von:<br />

Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />

Dr. med. Monika Gube<br />

Rosemarie Kohl<br />

1


Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen<br />

Wiedergabe und der Übersetzung in andere Sprachen vorbehalten.<br />

Copyright <strong>2009</strong> by<br />

Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.<br />

Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Aachen,<br />

Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

ISBN 978-3-9811784-2-5<br />

ISSN 1861-6577<br />

2


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Vorwort 26<br />

Eröffnungsveranstaltung 28<br />

Begrüßung 28<br />

Grußworte 34<br />

Ehrungen 36<br />

E.W. Baader-Preis<br />

Franz-Koelsch-Medaille<br />

Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong><br />

Joseph-Rutenfranz-Medaille<br />

36<br />

37<br />

39<br />

41<br />

Einleitung zu den Hauptthemen 43<br />

Walther Heipertz<br />

Krank und trotzdem arbeiten? - Der chronisch Kranke im Erwerbsleben 43<br />

Michael Nasterlack<br />

Unfallprävention durch arbeitsmedizinische Vorsorge 53<br />

3


Inhalt<br />

Vorträge<br />

Unfallprävention<br />

V 1 Kurt Rinnert<br />

V 2<br />

V 3<br />

V 4<br />

V 5<br />

Diabetes mellitus und Fahrtüchtigkeit<br />

Britta Husemann, Isabel Löffler, Alexander Mentel, Katharina Fella, Bernd<br />

Rossbach, Stephan Letzel<br />

Musik beim Autofahren - Unfallrisiko erhöht oder Fahrleistung verbessert?<br />

Heiko Rüger, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Fernpendeln und Gesundheit. Gibt es Hinweise auf einen „healthy commuter<br />

effect“?<br />

Axel Muttray, Oliver Weirich, Jean-Baptist du Prel, Katrin Meinken, Britta<br />

Geißler, Lorenz Hagenmeyer<br />

Beurteilung von Fahrerschläfrigkeit von Berufskraftfahrern mittels<br />

Videoanalyse<br />

Thomas Küpper, Jürgen Steffgen<br />

Kälteexposition bei alpinen Luftrettungseinsätzen – Konsequenzen für die<br />

Sicherheit von Retter und Patient<br />

Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

V 6 Elke Ochsmann, Heiko Rüger, Thomas Kraus, Hans Drexler, Stephan Letzel,<br />

Eva Münster<br />

V 7<br />

V 8<br />

V 9<br />

V 10<br />

V 11<br />

Geschlechtsspezifische Risikofaktoren akuter Rückenschmerzen -<br />

Ansatzpunkte für eine Zielgruppen-spezifische Prävention<br />

Dirk Ditchen, Rolf Ellegast, Bernd Hartmann, Monika A. Rieger<br />

Zeitanteile kniebelastender Tätigkeiten in ausgesuchten Berufen der<br />

Bauwirtschaft<br />

Claus Jordan, Andreas Theilmeier, Norbert Wortmann, Stefan Kuhn, Alwin<br />

Luttmann, Matthias Jäger<br />

Wirbelsäulenbelastung von Pflegepersonen beim Transfer schwergewichtiger<br />

Patienten<br />

Gunter Spahn, Reinhard Bartsch, Gunther Hofmann, Marcel Peter, Rainer<br />

Schiele<br />

Verteilung von Knorpelschäden in Beziehung zur beruflichen Belastung.<br />

Ergebnisse einer arthroskopischen Studie<br />

Bernd Hartmann, Dirk Seidel<br />

Multiple Gesundheitsbeschwerden bei Beschäftigten mit Befunden am<br />

Muskel-Skelett-System<br />

Sonja Freitag, Albert Nienhaus, Isabell Fincke<br />

Messtechnische Analyse von ungünstigen Körperhaltungen bei Pflegekräften<br />

– Kranken- und Altenpflege im Vergleich<br />

60<br />

64<br />

69<br />

73<br />

77<br />

79<br />

83<br />

89<br />

94<br />

96<br />

99<br />

4


Inhalt<br />

Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

V 12 Tobias Weiß, Michael Castillo, Wolfgang Lanters, Dietmar Breuer, Holger<br />

Martin Koch, Thomas Brüning<br />

V 13<br />

V 14<br />

V 15<br />

V 16<br />

V 17<br />

Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten - Nikotin und seine<br />

Metabolite als Marker der inneren Belastung<br />

Wolfgang Lanters, Dietmar Breuer, Helmut Blome, Tobias Weiß, Michael<br />

Castillo, Holger Martin Koch, Thomas Brüning<br />

Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten: Luftmessungen von<br />

Nikotin und Acrylnitril zur Unterstützung des Biomonitoring<br />

Thomas Schettgen, Elke Ochsmann, Anne Alt, Anita Musiol, Thomas Kraus<br />

Simultane Bestimmung der Mercaptursäuren von Acrylnitril (CEMA) und 1,3-<br />

Butadien (DHBMA, MHBMA) im Urin der Allgemeinbevölkerung. Ein neuer<br />

Biomarker zur Evaluierung einer Passivrauchbelastung?<br />

Eva-Maria Coester, Maryam Dashti Ardakani, Dirk Walter, Udo Knecht<br />

Untersuchungen zum Metabolismus von Ethyltoluol als Grundlage der<br />

Evaluierung eines BAT-Wertes<br />

Gabriele Leng<br />

Die Bedeutung des Biomonitoring im Rahmen eines Chemieunfalles<br />

Wolfgang Will, Rolf-Peter Pluto, Bernd Trauth<br />

Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl<br />

103<br />

107<br />

110<br />

115<br />

117<br />

120<br />

Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches Gesundheitsmanagement I<br />

V 18 Mekail-Cem Keskin, Anja Kühnlein, Katja Radon, Joachim Stork<br />

V 19<br />

V 20<br />

V 21<br />

V 22<br />

V 23<br />

Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Beschäftigten eines<br />

Industrieunternehmens<br />

Andreas Tautz, Helmut Schulte, Gerd Assmann<br />

Prävention von Herzkreislauferkrankungen – Deutschlands größtes<br />

Gesundheitsscreening am Arbeitsplatz und Folgeaktivitäten.<br />

Monika Schwarze, Nina Ristel, Thomas Schröder, Ingra-A. Manecke, Frank<br />

Teumer, Michael Spallek, Renate Wrbitzky, Christoph Gutenbrunner, Thomas<br />

Rebe<br />

Arbeitsplatzorientierte Rehabilitation bei Mitarbeitern mit Muskel-Skelett-<br />

Erkrankungen: Konsequenzen für die Wiedereingliederung und präventive<br />

Interventionen im Betrieb<br />

Christian Hetzel, Fritz Allinger, Reinhold Watzele, Andreas Weber<br />

Gesundheitsindikatoren und Arbeitsbedingungen bei über 55jährigen<br />

Personen in der bayerischen Land- und Forstwirtschaft - ein repräsentativer<br />

Querschnitt<br />

Heike Niedermeier, Harald Gündel, Thomas Graf, Anke Manthey, Wolfgang<br />

Hilla, Peter Angerer<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung für übergewichtige Auszubildende<br />

(Fit4You-Studie) - Ergebnisse nach 1-jähriger Intervention<br />

Stephan F. Schlosser<br />

Wiedereingliederungsmanagement als Grundlage für Betriebliche<br />

Präventionsstrategie - Ein Widerspruch?<br />

123<br />

129<br />

131<br />

139<br />

145<br />

150<br />

5


Inhalt<br />

Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

V 24 Elisabeth Eckert, Thomas Göen, Hans Drexler<br />

V 25<br />

Bestimmung von Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin mittels einer LC-<br />

MS/MS-Multimethode zum Biomonitoring von kanzerogenen Arbeitsstoffen<br />

Monika Gube, Katharina Heinrich, Thomas Schettgen, Peter Brand, Thomas<br />

Kraus<br />

Innere Belastung mit aromatischen Diaminen bei Friseuren durch die<br />

berufliche Anwendung von Oxidations-Haarfarben<br />

V 26 Tobias Weiß, Holger Martin Koch, Jana Henry, Volker Harth, Heiko U.<br />

Käfferlein, Kai Süsselbeck, Thomas Brüning<br />

V 27<br />

V 28<br />

Äußere und innere Belastung von Beschäftigten einer europäischen Kokerei<br />

mit humankanzerogenen aromatischen Aminen<br />

Rudolf Schierl, Antje Böhlandt, Dennis Nowak<br />

Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-<br />

Arbeitsplätzen<br />

Wolfgang Rosenberger, Götz Graubner, Renate Wrbitzky, Michael Bader<br />

Untersuchungen zur Freisetzung von Ethylenoxid aus gassterilisierten<br />

neurochirurgischen Implantaten<br />

Malignome<br />

V 29 Wolfgang Ahrens, Birte Mester, Nils Schmeisser, Ingo Langner, Thomas<br />

Behrens<br />

V 30<br />

V 31<br />

V 32<br />

V 33<br />

V 34<br />

Männliche Keimzelltumoren in der Metallindustrie – erste Ergebnisse einer<br />

eingebetteten Fall-Kontrollstudie<br />

Volker Harth, Andreas Seidler, Dirk Taeger, Matthias Möhner, Annekatrin<br />

Bergmann, Johannes Haerting, Kurt Straif, Hermann M. Bolt, Thomas Brüning<br />

Krebsinzidenz von beruflich gegenüber Dinitrotoluol exponierten Arbeitern des<br />

Mansfelder Kupferschieferbergbaus<br />

Peter Morfeld, Robert McCunney<br />

Korrektur einer potentiell verzerrten SMR: Industrieruß und Lungenkrebs<br />

Andreas Seidler, Nikolaus Becker, Alexandra Nieters, Evelin Deeg, Rolf<br />

Arhelger, Birte Mester, Gine Elsner, Massimo Melis, Simonetta Sesler,<br />

Guiseppe Avataneo, Michele Meloni, Pierluigi Cocco<br />

Asbestexposition und maligne Lymphome: eine gepoolte Auswertung der<br />

deutschen und italienischen EPILYMPH-Studie<br />

Klaus Golka, Matthias Hermes, Silvia Selinski, Meinolf Blaszkewicz, Thilo<br />

Seidel, Gerhard Roth, Holger Dietrich, Hans-Martin Prager, Jan G. Hengstler<br />

Einfluß einer c-myc nahen Mutation auf das Harnblasenkarzinom-<br />

Erkrankungsrisiko<br />

Beate Pesch, Gerhard Feil, Carolin Sturtz, Dirk Taeger, Michael Nasterlack,<br />

Bernd Scheuermann, Gabriele Leng, Heike Bontrup, Harald Wellhäußer,<br />

Matthias Kluckert, Friedhelm Eberle, Georg Johnen, Martin Pelster, Marcus<br />

Horstmann, Arnulf Stenzl, Thomas Brüning<br />

Untersuchung der chromosomalen Instabilität bei Harnblasenkarzinomen<br />

mittels urinbasiertem Tumormarkertest UroVysion in der Früherkennungstudie<br />

UroScreen<br />

151<br />

157<br />

162<br />

165<br />

168<br />

175<br />

176<br />

179<br />

180<br />

183<br />

187<br />

6


Inhalt<br />

Sinnesphysiologie<br />

V 35 Gerhard Triebig, Thomas Bruckner, Andreas Seeber<br />

V 36<br />

V 37<br />

V 38<br />

Styrol und Sehvermögen - Eine Längsschnittstudie bei Laminierern im<br />

Schiffsbau<br />

Gintautas Korinth, Andreas Remky, Thomas Göen, Niklas Plange, Oliver<br />

Arend, Hans Drexler<br />

Einfluss von Schwefelkohlenstoff-Exposition auf die Blutgefäße des<br />

Augenfundus<br />

Thomas Rebe, Susanne Genth, Cornelia Franke, Bernhard Vaske, Renate<br />

Wrbitzky<br />

Einfluss des Bildschirmarbeitsplatzes auf die hypovolämische Form des<br />

„Trockenen Auges“<br />

Kirsten Sucker, Rolf Both, Gerhard Winneke<br />

Expositions-Wirkungsuntersuchung von Geruchsimmissionen und subjektiver<br />

Gesundheit und der Einfluss von Belästigung und Krankheit<br />

192<br />

197<br />

201<br />

207<br />

Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches Gesundheitsmanagement II<br />

V 39 Klaus Schmid, Jana Schönlebe, Hans Drexler, Michael Mück-Weymann<br />

V 40<br />

Bereits bei jungen Männern führt Übergewicht zu negativen Auswirkungen auf<br />

das Herz- Kreislaufsystem - Betriebliche Gesundheitsförderung muss<br />

frühzeitig beginnen<br />

Hans Martin Hasselhorn, Sascha Schmidt, Jian Li, Bernd H. Müller<br />

Kann Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit eine gute Arbeitsfähigkeit<br />

haben?<br />

V 41 Der Beitrag wurde zurückgezogen 219<br />

V 42<br />

V 43<br />

Rudolf C. Zelfel, Torsten Alles, Andreas Weber<br />

Gesunde Arbeit in kleinen und mittleren Unternehmen - Ergebnisse einer<br />

Befragung zum Stand und Bedarf bei kleinen und mittleren Unternehmen<br />

Jochen Heuer, Bettina Hesse, Erika Gebauer<br />

Älter, kränker, verbrauchter - Und doch lieber keine Reha?<br />

Rehabilitationsbedürftigkeit und Reha-Antragsverhalten bei Versicherten der<br />

DRV Westfalen aus kleinen und mittleren Unternehmen - Ergebnisse aus der<br />

KoRB-Studie<br />

210<br />

215<br />

220<br />

225<br />

Molekulare Arbeitsmedizin<br />

V 44 Simone Schmitz-Spanke, Albert W. Rettenmeier<br />

V 45<br />

V 46<br />

V 47<br />

Arbeitsmedizin trifft Proteomics – Perspektiven einer neuen Technologie<br />

Mario Pink, Albert W. Rettenmeier, Simone Schmitz-Spanke<br />

Proteomische Analyse humaner Harnblasenkarzinomzellen (RT 4) nach<br />

Benzo(a)pyren-Exposition<br />

Frank Mosel, Susanne Standar, Albert W. Rettenmeier<br />

Ein neues und schnelles Verfahren zum Direktnachweis von Umweltkeimen<br />

mittels MALDI-TOF-MS<br />

Hans-Peter Rihs, Boleslaw Marczynski, Anne Spickenheuer, Monika Raulf-<br />

Heimsoth, Thomas Brüning<br />

Modulation von oxidativen DNA-Schädigungen durch die Reparaturenzyme<br />

XRCC1 und OGG1<br />

230<br />

234<br />

238<br />

239<br />

7


Inhalt<br />

Schichtarbeit<br />

V 47a Thomas Erren, Peter Morfeld, Joachim Stork, Peter Knauth, Matthias von<br />

Mülmann, Rolf Breitstadt, Uta Müller, Michael Emmerich, Claus Piekarski<br />

V 48<br />

V 49<br />

V 50<br />

V 51<br />

IARC 2007: Schichtarbeit, Chronodisruption und Krebs? 10 Thesen zur<br />

Forschung und zur Prävention als Ergebnisse des Kölner Kolloquiums 2008<br />

Reingard Seibt, Stefan Ulbricht, Annelore Seibt, Bettina Hunger<br />

Zusammenhang von Nachtarbeitsanteil und Komponenten der Gesundheit<br />

und des Schlafes bei Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie<br />

in Bäckereien<br />

Volker Harth, Sylvia Rabstein, Anne Spickenheuer, Markus Schiffermann,<br />

Christian Baisch, Yon Ko, Beate Pesch, Thomas Brüning<br />

Der Einfluss von Wechsel- und Nachtschichtarbeit auf die Entstehung des<br />

Mammakarzinoms (GENICA-Studie)<br />

Barbara Griefahn, Sibylle Robens<br />

Ist der Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen ein geeigneter Indikator der<br />

physiologischen Anpassung an Nachtarbeit?<br />

Matthias Weigl, Andreas Müller, Andrea Zupanc, Peter Angerer<br />

Erfassung ärztlicher Aktivitäten und Belastungen im Krankenhaus mittels<br />

teilnehmender Ganzschichtbeobachtungen<br />

Atemwege<br />

V 52 Bernd Roßbach, Ernst Kiesswetter, Karl-Heinz Schaller, Stephan Letzel<br />

V 53<br />

V 54<br />

V 55<br />

Exposition gegenüber aluminiumhaltigen Schweißrauchen – Zusammenhänge<br />

zwischen Markern der äußeren und inneren Belastung<br />

Peter Brand, Karl Holzinger, Elke Ochsmann, Thomas Kraus<br />

Nanopartikel im Schweißrauch an verschiedenen Arbeitsplätzen<br />

Monika Raulf-Heimsoth, Christoph van Thriel, Frank Hoffmeyer, Jürgen<br />

Bünger, Thomas Brüning<br />

Einsatz nicht-invasiver Methoden zur Abschätzung von Effekten durch niedrig<br />

dosierte akute Schwefeldioxid-Exposition auf die Atemwege<br />

Yi Sun, Frank Bochmann, Weihong Chen<br />

Expositionsmuster, Dosis-Wirkungsbeziehung und "lifetime risk" von Silikose -<br />

Das "extended follow-up" der chinesischen Quarzstudie<br />

Psychomentale Belastungen<br />

V 56 Horst Hildebrandt, Victor Candia, Matthias Nübling<br />

V 57<br />

V 58<br />

Evaluation gesundheitlicher Belastungen und Arbeitseinstellungen bei<br />

Studienanfängern an Musikhochschulen<br />

Marcus Oldenburg, Ralf Wegner, Clara Schlaich, Andrea Ruppert, Dieter<br />

Hillmer, Xaver Baur<br />

Burnout-Syndrom unter Seeleuten<br />

Jessica Lang, Jonas W.B. Lang, Ingo Zettler, Matthias Dreger, Thomas<br />

Kraus<br />

Der inkrementelle Beitrag von Persönlichkeitsfaktoren in der Aufklärung<br />

arbeitsbezogener psychischer Gesundheitsprobleme<br />

242<br />

246<br />

253<br />

256<br />

262<br />

267<br />

272<br />

276<br />

279<br />

280<br />

286<br />

290<br />

8


Inhalt<br />

V 59<br />

V 60<br />

V 61<br />

Michael Unrath, Andrea Jaenicke, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Effort-Reward Imbalance und der Gesundheitszustand von Schuldnerberatern<br />

in Rheinland-Pfalz<br />

Andreas Müller, Raluca Petru, Lucia Seitz, Peter Angerer<br />

Ist der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ein sensitiver Indikator<br />

unmittelbarer mentaler Beanspruchungen bei der Arbeit?<br />

Matthias Nübling, Martin Vomstein, Sabine Gregersen, Madeleine Dulon,<br />

Albert Nienhaus<br />

Psychische Belastungen in der Altenpflege im Vergleich zu anderen<br />

Berufsgruppen<br />

291<br />

296<br />

300<br />

Haut<br />

V 62<br />

V 63<br />

V 64<br />

V 65<br />

V 66<br />

V 67<br />

Hans F. Merk, Hagen Ott, Claudia Skazik, Richard Brans, Jens Malte Baron<br />

EU-Sen-si-tiv: Entwicklung alternativer Methoden zur Risikobewertung<br />

kontaktsensibilisierender Stoffe<br />

Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />

Validität, Inter- und Intraobserver-Variabilität eines Hautscores zur<br />

Früherkennung des Handekzems in der arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />

Manigé Fartasch, Dirk Taeger, Sandra Schöneweis, Beatrice Gellert,<br />

Thomas Brüning<br />

Experimenteller Nachweis einer erhöhten Irritabilität der Haut nach<br />

Feuchtarbeit<br />

Dirk Taeger, Beate Pesch, Heinrich Dickel, Anke Leiste, Sandra<br />

Schöneweis, Natascha Goldscheid, Michael Haufs, Rolf Merget, Peter<br />

Altmeyer, Thomas Brüning<br />

Ergebnisse einer randomisierten und kontrollierten Studie zur Überprüfung<br />

der Wirksamkeit von Hautschutzpräparaten an kühlschmierstoffexponierten<br />

Beschäftigten<br />

Birgitta Kütting, Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Wolfgang<br />

Uter, Hans Drexler<br />

Akzeptanz des dreistufigen Hautschutzkonzepts bei 1355 Beschäftigten der<br />

metallbearbeitenden Industrie<br />

Birgit Fillies, Theo Blättler, Manfred Dreier, Hardy Mannheims<br />

Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen<br />

304<br />

305<br />

308<br />

309<br />

311<br />

315<br />

Umweltmedizin<br />

V 68 Thomas Göen, Lutz Nitschke, Hermann Fromme, Hans Drexler<br />

V 69<br />

V 70<br />

V 71<br />

Biologisches Monitoring von Glykolethern bei geringen<br />

Innenraumluftbelastungen<br />

Thomas Schettgen, Anne Alt, Doris Keller, Dieter Preim, Thomas Kraus<br />

Innere Belastung von Beschäftigten eines PCB-kontaminierten Gebäudes mit<br />

dioxin-ähnlichen und nicht-dioxin-ähnlichen PCB-Kongeneren<br />

Dieter Preim, Doris Keller, Thomas Kraus, Thomas Schettgen<br />

Strategiewechsel durch Bestimmung der PCB-Konzentration im Blut<br />

Ingrid Sander, Monika Raulf-Heimsoth, Gerhard Kraus, Stefan Mayer, Heinz-<br />

Dieter Neumann, Eva Zahradnik, Christina Fleischer, Thomas Brüning<br />

Hausstaubmilbenallergenkonzentrationen in Bodenstäuben und<br />

luftgetragenen Stäuben von Arbeitsplätzen und Privatwohnungen<br />

319<br />

325<br />

330<br />

334<br />

9


Inhalt<br />

V 72<br />

V 73<br />

Jürgen Bünger, Jürgen Krahl, Axel Munack, Yvonne Ruschel, Olaf Schröder,<br />

Claudia Handrich, Michael Müller, Ernst Hallier, Götz Westphal, Thomas<br />

Brüning<br />

Erhöhte Gentoxizität durch Dieselmotoremissionen bei Verbrennung von<br />

Kraftstoffmischungen mit Biodieselanteil<br />

Renate Kimbel, Ulrich T. Egle, Barbara Schmidt, Christian Geber, Sandra<br />

Weihert, Joachim Schüz, Stephan Letzel, Wilfred A. Nix<br />

Erfassung umwelt- oder arbeitsplatzbezogener Belastungsfaktoren bei<br />

Personen mit subjektiver Elektrosensibiliät (SES) in Rheinland-Pfalz<br />

337<br />

341<br />

Lehrergesundheit<br />

V 74 Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />

V 75<br />

V 76<br />

V 77<br />

Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung, Arbeitsbelastungen und<br />

Arbeitsfähigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern<br />

Ralf Wegner, Peter Berger, Xaver Baur<br />

Burnout bei Lehrkräften, Ergebnisse einer klinisch-psychologischen<br />

Interventionsstudie<br />

Juliane Hardt, Reingard Seibt, Klaus Scheuch<br />

Hypertonierisiko, Arbeitsbedingungen und personenbezogene Faktoren bei<br />

Lehrkräften<br />

Reingard Seibt, Stefanie Deckert, Silvia Spitzer, Klaus Scheuch, Gabriele<br />

Freude<br />

Altersbezogener Zusammenhang von Effort-Reward-Imbalance und<br />

kardiovaskulären Risikofaktoren bei Führungskräften und Lehrern<br />

Infektionsgefährdung<br />

V 78 Ulrich Bolm-Audorff<br />

V 79<br />

V 80<br />

V 81<br />

V 82<br />

V 83<br />

Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der sicheren Nadeltechnik<br />

in Justizvollzugsanstalten<br />

Albert Nienhaus, Roland Diel<br />

Risikofaktoren für eine latente Tuberkulose-Infektion<br />

Gabriela Petereit-Haack, Ulrich Bolm-Audorff<br />

Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der Verwendung sicherer<br />

Nadelsysteme in psychiatrischen Kliniken<br />

Andreas Wittmann, Jan Köver, Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

Schutzwirkung unterschiedlicher Handschuhsysteme in der Chirurgie<br />

Andreas Wittmann, Jan Köver, Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />

Übertragene Blutvolumina nach Nadelstichverletzungen an s.c. Kanülen<br />

Jennifer Martin, Klemens Neppach, Burkhard Rieke, Thomas Küpper<br />

Infektiöse Risiken junger Freiwilliger von Non-Governmental Organizations<br />

(NGOs)<br />

Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

V 84 Michael Spallek, Klaus Giersiepen, Annika Friedebold, David A. Groneberg<br />

Karpaltunnelsyndrom und Berufskrankheit<br />

344<br />

348<br />

353<br />

358<br />

364<br />

369<br />

373<br />

378<br />

382<br />

385<br />

387<br />

10


Inhalt<br />

V 85<br />

V 86<br />

V 87<br />

V 88<br />

V89<br />

V 90<br />

V 91<br />

Ulrich Glitsch, Nicole Lundershausen, Dorothee Knieps, Alexander<br />

Johannknecht, Rolf Ellegast<br />

Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei Tätigkeiten im Hocken<br />

und Knien<br />

Monika A. Rieger, André Klußmann, Hansjürgen Gebhardt, Matthias Nübling,<br />

Falk Liebers, Bertil Bouillon, Köln-Wuppertal ArGon-Studiengruppe<br />

Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die Kniegelenksarthrose –<br />

Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie<br />

Ulrike Noll, Elke Ochsmann, Gerhard Krahn, Siegfried Leuchte, Thomas<br />

Kraus<br />

Plantare Druckbelastung bei verschiedenen Boden-Schuh-Kombinationen –<br />

eine Untersuchung an typischen Arbeitsplätzen der Automobilindustrie<br />

Martin Fritz, Oliver Geiss<br />

Risikoabschätzung bei Ganzkörper-Schwingungen mittels<br />

Schwingungsbewertung nach VDI 2057 und einer kraftbezogenen Bewertung<br />

- Methodenvergleich<br />

Rolf Ellegast, Kathrin Keller, Helmut Berger, Frank Krause, Liesbeth<br />

Groenesteijn, Merle Blok, Peter Vink<br />

Vergleichende ergonomische Laboranalyse besonders dynamischer<br />

Büroarbeitsstühle<br />

Fritz Andreas Schön, Dieter Preim<br />

Zur Biomechanik des dynamischen Sitzens<br />

Ulrike Hoehne-Hückstädt, Sandra Chandra Keller, Rolf Ellegast<br />

Beurteilung der Ergonomie von PC-Eingabemitteln<br />

391<br />

395<br />

400<br />

402<br />

406<br />

411<br />

416<br />

Poster<br />

Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

P 1 Karsten Sonntag, Katrin Groneberg, Rolf Hess-Gräfenberg, Wolfgang<br />

Schuster, Andreas Tautz<br />

P 2<br />

P 3<br />

P 4<br />

P 5<br />

Erfassung von psychischen und sozialen Belastungen bei Beschäftigten in der<br />

Briefzustellung<br />

Detlev Jung, Verena Bopp, Rolf Helbig, Ralph Bruder<br />

Untersuchung der psychomentalen Belastung und Beanspruchung im<br />

Internationalen Schaltraum einer deutschen Fernsehanstalt<br />

Kathleen Karge, Silvia Spitzer, Klaus Scheuch, Reingard Seibt<br />

Führungsverhalten von Schulleitern - eine Ressource für gute<br />

Arbeitsfähigkeit?<br />

Andrea Wittich, Wilfried E. Dieterle, Silke Senn, Michael Wirsching<br />

Supervision im Krankenhaus. Effekte und Umsetzung - Ergebnisse einer<br />

formativen Evaluation<br />

Andrea Wittich, Michael Wirsching<br />

Teambezogene Frühintervention nach Tod eines Kollegen oder einer Kollegin<br />

420<br />

421<br />

424<br />

427<br />

429<br />

11


Inhalt<br />

Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

P 6 Franz J. Heeg<br />

P 7<br />

P 8<br />

P 9<br />

P 10<br />

Integrierte betriebsärztliche Diagnose und Therapie von Stress, Ineffizienz und<br />

Ineffektivität<br />

Anja Roggentin, Johannes Tümler, Rüdiger Mecke, Eberhard Alexander<br />

Pfister, Irina Böckelmann<br />

Beanspruchungsanalyse bei der Arbeit mit modernen Technologien<br />

Wolfgang Hagemann, Katja Geuenich, Svenja Waclawiak<br />

Diagnostik von Stressbelastung, Burnout und psychosomatischen<br />

Beschwerden im beruflichen und sozialen Kontext<br />

Beatrice Thielmann, Evelin Ackermann, Jörg Frommer, Irina Böckelmann<br />

Psychophysiologische Untersuchungen bei Teilnehmern eines<br />

Stressbewältigungskurses für Studenten<br />

Britta Geißler, Lorenz Hagenmeyer, Katrin Meinken, Axel Muttray<br />

Arbeitsbelastung und -beanspruchung von Busfahrern<br />

Prävention I<br />

P 11 Martina Michaelis, Ulrich Stößel, Jürgen Pietsch<br />

P 12<br />

P 13<br />

P 14<br />

P 15<br />

P 16<br />

Arbeit und Gesundheit bei Universitätsbeschäftigten – Ergebnisse einer<br />

MitarbeiterInnenbefragung an der Universität Freiburg<br />

Ulrich Funke<br />

Der überarbeitete G24: evidenzbasierte effiziente Hautvorsorge<br />

Gabriele Freude, Reingard Seibt, Olga Jakob, Peter Martus, Uwe Rose<br />

Biologisches vs. kalendarisches Alter - arbeits- und gesundheitsbezogene<br />

Prädiktoren<br />

Dagmar Arndt, Mohit Kumar, Steffi Kreuzfeld, Matthias Weippert, Markus<br />

Preuss, Regina Stoll, Sebastian Neubert<br />

Möglichkeiten des Einsatzes eines Telemonitoring-Systems im<br />

arbeitsmedizinischen Bereich<br />

Manuela Merchlewicz, Claudia Peters, Albert Nienhaus<br />

Betriebliche Suchtprävention – Engagement und Kompetenz von<br />

Betriebsärzten<br />

Michael Schneider<br />

Diabetes-Screening im betrieblichen Umfeld: Die Bewertung postprandialer<br />

Blutzuckerwerte nach einer gemischten standardisierten Testmahlzeit<br />

Prävention II<br />

P 17 Andrea Jaenicke, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

P 18<br />

P 19<br />

Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Abhängigkeit<br />

des Erwerbsstatus und der beruflichen Stellung<br />

Christa Weßel, Kristina Harth, Ulrike Burger, Stephan Letzel<br />

Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften In Rheinland-Pfalz -<br />

Pilotkonzept<br />

Elke Ochsmann, Heike Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Überschuldung von Privathaushalten in Deutschland - Arbeitsmedizinische<br />

Relevanz am Beispiel der Adipositas<br />

432<br />

435<br />

438<br />

439<br />

442<br />

444<br />

447<br />

448<br />

451<br />

453<br />

455<br />

458<br />

461<br />

464<br />

12


Inhalt<br />

P 20<br />

P 21<br />

P 22<br />

Michael Schneider<br />

Influenza-Schutzimpfung: Wer lässt sich impfen?<br />

N. Patrick Mayr, Tanja Leban, Peter Tassani-Prell<br />

Verbreitung und Einsatz von Frühdefibrillatoren im betrieblichen Umfeld<br />

Markus Preuss, Steffi Kreuzfeld, Dagmar Arndt, Matthias Weippert, Mohit<br />

Kumar, Regina Stoll, Sebastian Neubert<br />

Körperbezogene Lebensqualität und psychologische Faktoren bei älteren<br />

Langzeitarbeitslosen: Fit 50+<br />

467<br />

470<br />

472<br />

Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

P 23 Simone Schröder, Paul Jansing, Thomas Küpper<br />

P 24<br />

P 25<br />

P 26<br />

P 27<br />

P 28<br />

P 29<br />

P 30<br />

Vergleichende Untersuchungen zur Lärmbelastung bei alpinen Helikopter-<br />

Rettungseinsätzen<br />

Thomas Küpper, Jürgen Steffgen, Volker Schöffl<br />

Technisches und alpinistisches Anforderungsprofil bei der alpinen Luftrettung<br />

Thomas Küpper, Jürgen Steffgen, Volker Schöffl<br />

Epidemiologie alpiner Notfälle im Hinblick auf das fachliche Anforderungsprofil<br />

des Rettungsdienstpersonals<br />

Thomas Küpper, Jürgen Steffgen<br />

Who is fit for rescue? – Mindestanforderungen an die körperliche<br />

Leistungsfähigkeit bei alpinen Luftrettungseinsätzen<br />

Eileen M. Wanke, Roland Wolff<br />

Zur gesundheitlichen Situation von hauptberuflich tätigen<br />

Tanzpädagogen/innen in Deutschland<br />

Eileen M. Wanke, Roland Wolff, Helmgard Mill<br />

Akute Verletzungen bei heranwachsenden Bühnentanzschüler/innen -<br />

Ursachen und Prävention<br />

Eileen M. Wanke<br />

Die arbeitsmedizinische Betreuung von Bühnentänzern in der DDR<br />

Eileen M. Wanke, Roland Wolff, Helmgard Mill<br />

Präventionsaspekte im professionellen Bühnentanz<br />

Lehre / Fortbildung<br />

P 31 Monika Gube, Andrea Pirkl, Christian Eisenhawer, Lars Knoll, Michael Felten,<br />

Thomas Schettgen, Michaela Weishoff-Houben, Irmgard Classen-Linke,<br />

Thomas Kraus<br />

P 32<br />

P 33<br />

Interaktives Lehrkonzept durch Einsatz von Simulationspatienten im Fach<br />

Arbeitsmedizin im Rahmen des Aachener Modellstudienganges<br />

Birgit Emmert, Anne Simmenroth-Nayda, Jean-Francois Chenot, Ernst Hallier<br />

Verbesserung der Lehre im Fach Arbeits- und Sozialmedizn durch den Einsatz<br />

von Schauspielpatienten<br />

Sibylle Hildenbrand, Verena Röder, Monika A. Rieger<br />

Arbeitsmedizinische Betriebsbegehungen in der Lehre – Aktivität schafft<br />

Interesse<br />

474<br />

475<br />

476<br />

477<br />

478<br />

480<br />

482<br />

484<br />

487<br />

489<br />

492<br />

13


Inhalt<br />

P 34<br />

Katja Radon, Stefanie Kolb, Laura Wengenroth<br />

Online CME-Bedarf deutschsprachiger Arbeits- und Betriebsmediziner<br />

495<br />

Schichtarbeit / Stress<br />

P 35 Anke van Mark, Andreas Otto, Stephan W. Weiler, Michael Spallek, Richard<br />

Kessel<br />

Die Auswirkungen von Schichtarbeit auf junge Arbeitnehmer<br />

P 36 Der Beitrag wurde als Vortrag präsentiert (siehe V 47a) 499<br />

P 37<br />

P 38<br />

P 39<br />

P 40<br />

Ulrich Bolm-Audorff<br />

Ableitung von Normwerten für die Adrenalin- und Noradrenalinkonzentration<br />

im Sammelurin während der Arbeitszeit<br />

Thomas Rebe, Susanne Netz-Piepenbrink, Uwe Johansson, Michael Bader,<br />

Renate Wrbitzky<br />

Katecholaminausscheidung im Urin bei Motorradfahrern in Abhängigkeit vom<br />

Stresstypus<br />

Dorothea Nitsche, Heiko Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Berufspendeln und Fehlzeiten. Fehlen Fernpendler häufiger bei der Arbeit?<br />

Detlev Jung, Johannes Jung<br />

Die Relevanz der Zeit für den Menschen und die Auswirkungen auf sein<br />

Verhältnis zur Arbeit<br />

496<br />

500<br />

503<br />

505<br />

508<br />

Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

P 41 Elke Ochsmann, Thorsten Kunst, Monika Gube, Alice Müller-Lux, Thomas<br />

Kraus<br />

P 42<br />

P 43<br />

P 44<br />

P 45<br />

P 46<br />

Kann durch individuelle Anpassung von Sicherheitsschuhen die Akzeptanz<br />

verbessert werden?<br />

Andreas Glatz, Nadine Nutt, Oliver Kaltheier, Helmut Wallrabenstein,<br />

Andreas Bahemann, Walter Heipertz, Andreas Weber, Thomas Kraus<br />

Das Event-Videografierungs-System EVS - eine neue Methode zur<br />

Dokumentation der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit<br />

Matthias Mozdzanowski, Andreas Glatz<br />

Replizierbarkeit der Ergebnisse ärztlicher Beurteilung der arbeitsbezogenen<br />

körperlichen Leistungsfähigkeit durch Einbezug ERGOS-gestützter Befundung<br />

Gert Notbohm, Sieglinde Schwarze, Martin Albers<br />

LWS-Schäden durch Ganzkörpervibrationen: Bedeutung von Schwellenwert<br />

und Expositionsdauer für das Risiko einer Gesundheitsgefährdung<br />

Matthias Jäger, Jürgen Voß, Annekatrin Bergmann, Ulrich Bolm-Audorff, Rolf<br />

Ellegast, Joachim Grifka, Martina Michaelis, Andreas Seidler, Alwin Luttmann<br />

Verteilung der Wirbelsäulen-Belastungsdosis bei Personen mit<br />

bandscheibenbedingten lumbalen Erkrankungen – Zusatzanalysen zur<br />

Deutschen Wirbelsäulenstudie<br />

Falk Liebers, Martina Jakob<br />

Experimentelle Studie zur physischen Beanspruchung beim maschinellen<br />

Melken mit Berücksichtigung der Art des Melkzeuges und der Arbeitshöhe<br />

511<br />

513<br />

514<br />

515<br />

518<br />

521<br />

14


Inhalt<br />

Atemwege I<br />

P 47 Alexandra Marita Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />

P 48<br />

P 49<br />

P 50<br />

P 51<br />

Vergleich von CO- und NO-Diffusionskapazität in verschiedenen<br />

Patientenkollektiven<br />

Holger Dressel, Philipp Fischer, Dorothea Motte de la, Dennis Nowak, Rudolf<br />

A. Jörres<br />

Untersuchungen zur Anwendbarkeit von exhaliertem Kohlenmonoxid zwecks<br />

Detektion alveolärer Entzündung<br />

Marcus Bauer, Rainer Bayer, Ilse Folgmann, Oliver Hofer, Stephan Kruse,<br />

Gerd Laschinski, Gert Notbohm, Lutz Richter, Klaus Siegmund, Sieglinde<br />

Schwarze<br />

Vergleichende Messungen der Lungendiffusionskapazität mittels<br />

Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei gesunden Nichtrauchern<br />

Lioubov Barbinova, Alexandra M. Preisser, Xaver Baur<br />

Änderung der Stickstoffmonoxid-Konzentration (NO) in den Atemwegen der<br />

Raucher<br />

Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Jana Henry, Gerda Borowitzki,<br />

Rolf Merget, Jürgen Bünger, Thomas Brüning<br />

Serumspiegel von sCD95 bei ehemals Beschäftigten im Steinkohlenbergbau<br />

Atemwege II<br />

P 52 Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Volker Harth, Jürgen Bünger, Rolf<br />

Merget, Thomas Brüning<br />

P 53<br />

P 54<br />

P 55<br />

Einfluss des Kondensatortyps auf die Nachweisbarkeit von Biomarkern im<br />

Atemkondensat<br />

Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />

Polyamid-Faserstäube als Auslöser einer Flockarbeiterlunge<br />

Wolfgang Marek, Nicola Kotschy-Lang, Eike Marek, Klaus Mückenhoff<br />

Brauchen wir für die Begutachtung neue Referenzwerte für die ventilatorische<br />

Lungenfunktion?<br />

Ulrike Euler, Andreas Seidler, Frank Thalau, Ute Latza, Dirk Dahmann,<br />

Karoline I. Gaede, Annette Gäßler, David A. Groneberg, Michael Heger,<br />

Kristina Krutz, Monika Lelgemann, Rolf Merget, Joachim Müller-Quernheim,<br />

Thomas Nauert, Stephan Letzel<br />

Leitlinienentwicklung am Beispiel der S 3-Leitlinie: „Arbeitsmedizinische<br />

Vorsorge der chronischen Berylliose“<br />

Atemwege III<br />

P 56 Vera van Kampen, Rolf Merget, Dirk Taeger, Martin Butz, Thomas Brüning<br />

P 57<br />

Trends in der Entwicklung berufsbedingter Lungen- und<br />

Atemwegserkrankungen in Deutschland zwischen 1970 und 2005<br />

Sabine Kespohl, Monika Raulf-Heimsoth, Nicola Kotschy-Lang, Silke<br />

Maryska, Thomas Brüning<br />

Berufsbedingte IgE-vermittelte Nadelholz-Allergie - Nachweis einer klinischen<br />

Relevanz<br />

524<br />

527<br />

529<br />

532<br />

534<br />

537<br />

540<br />

542<br />

543<br />

545<br />

548<br />

15


Inhalt<br />

P 58<br />

P 59<br />

P 60<br />

P 61<br />

Stefan Baars<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Mehlstaubexposition. Leisten<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen einen Beitrag zur Diagnose<br />

einer Berufskrankheit 4301 bei Bäckern?<br />

Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />

Allergische Rhinopathie durch Maispollen-Exposition am Arbeitsplatz<br />

Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />

Aussagekraft verschiedener Untersuchungsverfahren für die Diagnose des<br />

Berufsasthmas<br />

Thomas Baumeister, Wobbeke Weistenhöfer, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />

Ist die subjektive Beeinträchtigung am Arbeitsplatz ein prädiktiver Marker für<br />

die Entwicklung beruflicher Atemwegserkrankungen bei Beschäftigten in der<br />

metallverarbeitenden Industrie?<br />

550<br />

553<br />

555<br />

558<br />

Atemwege IV<br />

P 62 Eva Zahradnik, Rudolf Schierl, Ingrid Sander, Anne Flagge, Joachim Sültz,<br />

Dennis Nowak, Thomas Brüning, Monika Raulf-Heimsoth<br />

P 63<br />

P 64<br />

P 65<br />

P 66<br />

Quantifizierung von Rinderhaarallergenen mittels zweiseitigem<br />

Enzymimmunoassay<br />

Astrid R.R. Heutelbeck, Ernst Hallier, Ullrich Schmelz<br />

Mikrobielle Kontamination von Atemschutz in Abhängigkeit von der<br />

Tragedauer bei Landwirten mit berufsbedingter Atemwegsallergie<br />

Siegfried Turowski, Jürgen Krause, Ernst Hallier, Hermann Riedesel, Astrid<br />

Heutelbeck<br />

Mus m 1 Exposition unter verschiedenen Arbeits- und Haltungsbedingungen in<br />

der Labortierhaltung<br />

Monika A. Rieger, Nicole Blomberg<br />

Arbeitsplatz Geflügelstall – hohe biologische Belastungen in artgerechten<br />

Haltungsformen<br />

Elke Ochsmann, Barbara Jüngert, Hans Drexler<br />

Polyaziridinvernetzer in der Lederindustrie - Auslöser eines<br />

pseudoallergischen Berufsasthmas?<br />

Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

P 67 Grita Schedlbauer, Wolfgang Wegscheider, Udo Eickmann, Albert Nienhaus<br />

P 68<br />

P 69<br />

P 70<br />

Gibt es ein Krebsrisiko durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />

Gesundheitswesen?<br />

Simone Franz, Saskia Kuhnert, Albert Nienhaus, Anja Schablon, Annett Zeh<br />

Gewalt und Aggression gegenüber Beschäftigten in Pflege- und<br />

Betreuungsberufen<br />

Sabine Wicker, Pia Lechner, Holger Rabenau, René Gottschalk, Alexander<br />

Bockenheimer, Christina Berger<br />

Wie sicher ist sicher? Entsorgung sicherer Instrumente<br />

Frank Haamann, Chris Williams, Udo Buchholz, Albert Nienhaus<br />

Ist Grippe bei Krankenschwestern häufiger als in der Normalbevölkerung?<br />

561<br />

563<br />

566<br />

569<br />

572<br />

575<br />

577<br />

580<br />

582<br />

16


Inhalt<br />

P 71<br />

P 72<br />

P 73<br />

P 74<br />

Sabine Wicker, Stefan Zielen, Markus A. Rose<br />

Pertussis: Akzeptanz der Schutzimpfung bei pädiatrischem Personal einer<br />

Universitätskinderklinik<br />

Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

Tuberkuloseausbruch in einer Behörde<br />

Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />

Zur arbeitsmedizinischen Bedeutung der Legionellose<br />

Claudia Handrich, Jürgen Bünger, Götz A. Westphal, Ernst Hallier, Michael<br />

Müller<br />

Neues zytotoxisches Mykotoxin in Aspergillus nidulans<br />

584<br />

586<br />

588<br />

591<br />

Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

P 75 Monika Gube, Sarah Schaal, Michael-Rüdiger Suchodoll, Peter Brand,<br />

Thomas Kraus<br />

P 76<br />

P 77<br />

P 78<br />

P 79<br />

P 80<br />

Wie effektiv sind betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen in Form von<br />

Aktionstagen? Validierung der Untersuchungsergebnisse 2006 und 2007 in<br />

zwei Großbetrieben<br />

Eva Haufe, Andreas Genz, Constance Winkelmann, Klaus Scheuch<br />

Gesundheitsförderung in der Lehrer-Schüler-Interaktion an der<br />

Berufsbildenden Schule<br />

Thomas Muth, Georg von Groeling-Müller, Werner Mölders<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung - was wünschen sich Beschäftigte der<br />

Stahlindustrie?<br />

Georg von Groeling-Müller, Thomas Muth, Werner Mölders<br />

Die erweiterte arbeitsmedizinische Anamnese als Instrument des betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagements<br />

Rudolf C. Zelfel, Bettina Begerow, Andreas Glatz, Andreas Weber<br />

Health Promotion in Adult Learning - Gesundheitsförderung in der<br />

Erwachsenenbildung. Ein europäisches Projekt<br />

Michael Schneider, Anna Ernsting<br />

FIT IM LEBEN-FIT IM JOB: Eine effektive Maßnahme zur nachhaltigen<br />

Veränderung des Gesundheitsverhaltens<br />

Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

P 81 Michael G. Haufs, Dirk Eichelberg, Pamela Wehling<br />

P 82<br />

P 83<br />

P 84<br />

Wellness und Work Ability: Versuch einer Synthese aus Sicht der<br />

Gesundheitsförderung<br />

Astrid Brammertz<br />

Gesunde Verwaltung - Modernes Gesundheitsmanagement am Beispiel der<br />

Stadtverwaltung Aachen<br />

Ulrich Funke<br />

Lassen sich die Prinzipien der Prozessgestaltung und des<br />

Komplexitätsmanagements für ein wirksames Gesundheitsmanagement<br />

nutzen?<br />

Frank Thalau, Felix Holzinger, Nina Adelberger, Andreas Seidler<br />

Kosteneffektivität betrieblicher Interventionen zur Primärprävention<br />

kardiovaskulärer Erkrankungen<br />

593<br />

596<br />

599<br />

602<br />

604<br />

606<br />

609<br />

610<br />

612<br />

613<br />

17


Inhalt<br />

P 85<br />

P 86<br />

Beate Peter, Irina Böckelmann, Christiane Seik, Eberhard Alexander Pfister<br />

Test- und Retestergebnisse einer Herz-Kreislauf-Präventionsstudie<br />

Sascha Eberwein, Heinz Joh. Bicker, Guido Mann, Martina Dahlmann<br />

Überprüfung der Eignung bestimmter Laborparameter als Alkoholismusmarker<br />

bei vorwiegend unter Tage beschäftigten männlichen Mitarbeitern der RAG<br />

Aktiengesellschaft<br />

615<br />

617<br />

Asbest I<br />

P 87<br />

P 88<br />

P 89<br />

P 90<br />

P 91<br />

P 92<br />

Alexandra Marita Preisser, Xaver Baur<br />

Ab wann ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei der BK 4103<br />

fassbar?<br />

Dennis Wilken, Xaver Baur<br />

Asbestbedingte Lungenfunktionsveränderungen auch bei normalem<br />

Röntgenthoraxbefund?<br />

Rolf Arhelger, Paul Mayer, Kurt Georg Hering, Joachim Schneider<br />

Korrelation des Streuungsgrades einer Lungenasbestose nach ILO und HRCT<br />

mit der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis<br />

Michael Felten, Lars Knoll, Christian Eisenhawer, Diana Ackermann,<br />

Johannes Hüdepohl, Wolfgang Zschiesche, Thomas Kraus<br />

Retrospektive Ermittlung der Asbestexposition bei Mitarbeitern der<br />

Energieindustrie<br />

Christian Schikowsky, Diana Ackermann, Michael Felten, Thomas Kraus<br />

Statistische Verfahren zur Behandlung fehlender Werte in epidemiologischen<br />

Studien<br />

Marion Voigt, Lars Knoll, Michael Felten, Khaled Khatab, Thomas Kraus<br />

Deskriptive Analyse asbestbedingter Malignome ehemals exponierter<br />

Kraftwerksmitarbeiter<br />

Asbest II<br />

P 93 Kraisorn Chaisaowong, Achim Knepper, Elke Ochsmann, Til Aach, Thomas<br />

Kraus<br />

P 94<br />

P 95<br />

P 96<br />

Automatische Detektion und quantitative Beurteilung pleuraler Verdickungen<br />

in thorakalen CT Daten<br />

Monika Gube, Georg Johnen, Beate Pesch, Peter Brand, Dirk Taeger, Daniel<br />

Weber, Isabelle Gross, Thorsten Wiethege, Hendrik Müller-Berndorff, Thomas<br />

Kraus, Thomas Brüning<br />

Bedeutung von SMRP, CA 125 und CYFRA 21-1 als Biomarker zur<br />

Früherkennung von Mesotheliomen und Lungenkrebs bei ehemals<br />

Asbestexponierten<br />

Simone Helmig, Nahid Aliahmadi, Joachim Schneider<br />

Assoziation der Tumor Necrosis Factor TNF α Genpolymorphismen mit<br />

Asbestfaserstaub verursachten Krebserkrankungen der Lunge oder der Pleura<br />

(BK-Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />

Simone Helmig, Jelena Wübbeling, Joachim Schneider<br />

Assoziation der Interleukin 6 (IL6) und Interleukin 10 (IL10) Genpolymorphismen<br />

mit asbestfaserstaubverursachten Krebserkrankungen der<br />

Lunge oder der Pleura (BK-Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />

620<br />

623<br />

624<br />

627<br />

630<br />

633<br />

636<br />

639<br />

642<br />

645<br />

18


Inhalt<br />

P 97<br />

Volker Neumann, Margit Fischer, Andrea Tannapfel<br />

Erfüllen Karzinoidtumoren der Lunge die Legaldefinition für den Begriff<br />

„Lungenkrebs“ der Berufskrankheitenverordnung?<br />

648<br />

Gefahrstoffe I<br />

P 98 Michael Erler, Rainer Schiele, Anne Löffler<br />

P 99<br />

P 100<br />

P 101<br />

Amalgam – eine Bewertung unter Zusammenführung von Biomonitoringdaten<br />

und psychometrischen Testverfahren<br />

Michael Heck, Bernd Brückel, Rolf Arhelger, Dirk Walter<br />

Charakterisierung von Kfz-Dieselrußstäuben unterschiedlicher Provenienz<br />

Irina Böckelmann, Friederike Maier, Eberhard Alexander Pfister<br />

Psychologische Ergebnisse bleibelasteter Polizeischießausbilder<br />

Carl-Gerhard Winter, Friederike Maier<br />

Luft- und Biomonitoring bei bleibelasteten Polizeischießausbildern<br />

P 102 Elke Dopp, Susanne Tautz, Ute Zimmermann, Ludwig Jonas, Albert W.<br />

Rettenmeier<br />

P 103<br />

Zelluläre Aufnahme und Toxizität von Tonerpartikeln in vitro<br />

Dorothea Koppisch, Ulrike Koch, Rainer Van Gelder, Stefan Gabriel<br />

Schwerpunkte der Exposition gegenüber ototoxischen Gefahrstoffen<br />

Gefahrstoffe II<br />

P 104 Rolf Merget, Boleslaw Marczynski, Vera van Kampen, Thomas Brüning<br />

P 105<br />

P 106<br />

P 107<br />

P 108<br />

P 109<br />

Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehung im standardisierten Expositionstest mit<br />

Diphenylmethan-4,4´-diisocyanat (MDI)<br />

Sibylle Hildenbrand, Roman Wodarz, Elfriede Wiest<br />

Phthalatweichmacher-Untersuchungen bei Schwangeren in der 15.-17.<br />

Schwangerschaftswoche in Urin, Serum und Fruchtwasser<br />

Lygia Therese Budnik, Elke Finsel, Xaver Baur<br />

Einfluss der Substitutionsrate von in-vitro generieren Isocyanat-Albumin-<br />

Konjugaten auf massenspektrometrische Strukturparameter und das<br />

Antikörper-Bindungsverhalten<br />

Alexandra Marita Preisser, Frank Heblich, Wolfgang H. Zangemeister, Birgit<br />

Hottenrott, Lygia Therese Budnik, Xaver Baur<br />

Übersicht über die Folgen von Begasungmittel-Intoxikationen in einer webbasierten<br />

Datenbank<br />

Anne Spickenheuer, Monika Raulf-Heimsoth, Benjamin Kendzia, Thomas<br />

Brüning, Beate Pesch<br />

Anwendung verschiedener statistischer Modelle am Beispiel eines Biomarkers<br />

in der Humanstudie Bitumen<br />

Peter Welge, Anne Spickenheuer, Boleslaw Marczynski, Monika Raulf-<br />

Heimsoth, Benjamin Kendzia, Anja Erkes, Rainer Bramer, Dietmar Breuer,<br />

Heiko U. Käfferlein, Beate Pesch, Thomas Brüning<br />

Einflussfaktoren auf die Mikrokernraten in Lymphozyten von Beschäftigten bei<br />

der Heißverarbeitung von Bitumen<br />

651<br />

654<br />

656<br />

659<br />

662<br />

664<br />

667<br />

670<br />

673<br />

674<br />

679<br />

681<br />

19


Inhalt<br />

Arbeitsphysiologie I<br />

P 110 Wolfgang Marek, Eike Marek, Nicola Kotschy-Lang, Petra Vogel, Yvonne<br />

Rüttgers, Klaus Mückenhoff<br />

P 111<br />

P 112<br />

P 113<br />

P 114<br />

P 115<br />

Zur Reproduzierbarkeit der Wegstrecke im 6-Minuten Gehtest<br />

Lutz Schega, Gunther Claus, André Niklas<br />

Anpassungsverhalten bei Immersion: Herz-Kreislauf-Patienten vs. gesunde<br />

Normalpersonen<br />

Matthias Weippert, Steffi Kreuzfeld, Dagmar Arndt, Mohit Kumar, Markus<br />

Preuss, Sebastian Neubert, Regina Stoll<br />

Kardiale Aktivität bei unterschiedlicher muskulärer Beanspruchung<br />

Wolfgang Jaschinski<br />

Ein optometrisches Messverfahren zur Bestimmung der Bereiche des<br />

Scharfsehens beim Tragen von Bildschirmarbeitsplatzbrillen<br />

Claudia Gutsch, Volker Kielstein, Irina Böckelmann<br />

Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen Patienten<br />

Saskia Lüthke, Anja Schlossmacher, Siegfried Kropf, Irina Böckelmann<br />

Untersuchungen zur Farb- und Kontrastwahrnehmung bei bestimmten<br />

Arbeitnehmergruppen mit chronischen Erkrankungen<br />

Arbeitsphysiologie II<br />

P 116 Isabelle Lang, Ajnur Jusufoska, Thomas Bruckner, Gerhard Triebig<br />

P 117<br />

P 118<br />

P 119<br />

P 120<br />

P 121<br />

P 122<br />

Formaldehyd und olfaktorische Funktion - Eine experimentelle<br />

Längsschnittstudie<br />

Birgit Emmert, Ernst Hallier<br />

Retrospektive Studie zum Hörvermögen bei Arbeitnehmern in einem<br />

metallverarbeitenden Betrieb im Hinblick auf die Einführung der neuen<br />

Lärmverordnung<br />

Reinhard Müller, Gerald Fleischer, Joachim Schneider<br />

Entwicklung der Reinton-Hörschwelle bei Schulkindern<br />

Anke Marks, Barbara Griefahn<br />

Schläfrigkeit während der Tag- und Nachtschicht nach Lärmexposition im<br />

Schlaf<br />

Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher Gegebenheiten der<br />

Beschäftigten im Friseurhandwerk und der Abschätzung der fachkundigen<br />

Personen<br />

Stephan Becher, Friedrich Hofmann<br />

Berufsunfähigkeit bei Privatversicherungen – Ursachen und Hintergründe<br />

Monika Kolberg, Reinhard Bartsch, Christine Salzmann, Michael Erler,<br />

Rainer Schiele<br />

Berufskrankheiten in Thüringen<br />

Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

P 123 Nils Schmeisser, Birte Mester, Wolfgang Ahrens<br />

Einsatz von Insektiziden in häuslicher Umgebung und Hodentumorrisiko<br />

684<br />

685<br />

688<br />

691<br />

694<br />

696<br />

699<br />

700<br />

703<br />

706<br />

709<br />

711<br />

712<br />

718<br />

20


Inhalt<br />

P 124 Georg Johnen, Daniel Weber, Ricarda Zdrenka, Jens Schreiber, Albert W.<br />

Rettenmeier, Thomas Brüning, Elke Dopp<br />

P 125<br />

P 126<br />

P 127<br />

P 128<br />

P 129<br />

Verminderte COX2-Expression in Arsen-exponierten UROtsa-Zellen korreliert<br />

mit einer Erhöhung von regulierenden microRNAs<br />

Klaus Golka, Jürgen Zumbe, Michael Zellner, Wolfgang Schöps<br />

CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />

Urothelkarzinomen<br />

Heike Bontrup, Marcus Horstmann, Judith Delbanco, Anne Weber, Dirk<br />

Taeger, Georg Johnen, Beate Pesch, Jörg Hennenlotter, Oliver Patschan,<br />

Gerhard Feil, Arnulf Stenzl, Thomas Brüning<br />

Harnblasenkrebserkennung durch den molekularen Marker Survivin<br />

Gerlinde Kaul, Eva Backé, Carmen Thim<br />

Individuelle Disposition oder subjektive Interpretation – Was erklärt den<br />

Leidensdruck bei „Elektrosensibilität“?<br />

Gerlinde Kaul, Bernd Schmitt, Siegfried Eggert, Klaus Hentschel, Hannelore<br />

Neuschulz<br />

Untersuchung von Aufmerksamkeitsleistungen während des Telefonierens mit<br />

einem TETRAPOL-Handfunkgerät<br />

Elke Dopp, Elisabeth Preckel, Ute Zimmermann, Achim Seebens, I. Erol<br />

Sandalcioglu, Albert W. Rettenmeier<br />

Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf zerebrale<br />

Gliazellen in vitro<br />

719<br />

721<br />

723<br />

726<br />

730<br />

733<br />

Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums „Arbeitsphysiologie<br />

für Nachwuchswissenschaftler“<br />

P 130<br />

P 131<br />

P 132<br />

P 133<br />

P 134<br />

P 135<br />

André Klußmann, Hans Jürgen Gebhardt, Matthias Nübling, Falk Liebers,<br />

Bertil Bouillon, Monika A. Rieger, ArGon Studiengruppe<br />

Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die Entstehung von<br />

Kniegelenkarthrose. Erste Ergebnisse der ArGon-Studie.<br />

Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />

Physische Beanspruchung versus subjektives Erleben bei<br />

Kommissionierarbeit in Kälte<br />

Kathrin Hey, Stephanie Juran, Christoph van Thriel<br />

Gibt es eine Veränderung der kognitiven Leistungen durch lokale Reizstoffe?<br />

- Experimentelle Untersuchung zu Acetaldehyd<br />

Franziska Schulz<br />

Messungen der bequemen vertikalen Augen- und Kopfneigung<br />

Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />

Geschlechtseffekte und Korrelate im Burnouterleben sächsischer Lehrkräfte<br />

Sebastian Neubert, Dagmar Arndt, Markus Preuss, Mohit Kumar, Regina<br />

Stoll<br />

Mobiles Online-Erfassungssystem zur Aufnahme physiologischer Parameter<br />

und des subjektiven Beanspruchungsempfindens<br />

735<br />

738<br />

739<br />

743<br />

745<br />

750<br />

21


Inhalt<br />

Foren<br />

F1<br />

F2<br />

F3<br />

Atemwege / Lunge<br />

Thomas Kraus<br />

HR-CT, konventionelle Aufnahmen des Thorax und Lungenfunktion bei<br />

Bauarbeitern<br />

Joachim Schneider<br />

Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern<br />

Alexandra M. Preisser<br />

Eigene Erfahrungen mit den neuen Compliance-Sollwerten von Galetke et al.<br />

Astrid Heutelbeck<br />

Nicht-allergische Atemwegserkrankungen in der Landwirtschaft<br />

Arbeitsphysiologie<br />

Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />

Subjektive Beurteilung der Arbeitsbedingungen in Warenverteilzentren für<br />

Kühl- und Tiefkühlkost<br />

Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />

Beanspruchungsreaktionen auf Kältearbeit bei +3° C und -24° C durch<br />

Blutdruck und Herzschlagfrequenz<br />

Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />

Änderungen der Hautoberflächen- und Körperkerntemperatur beim<br />

Kommissionieren in einem Tiefkühlzentrum mit Arbeitsumgebungstemperaturen<br />

von +3° C bzw. -24° C<br />

Epidemiologie<br />

Andreas Seidler<br />

Welches Potential kommt dem Arbeitsplatz bei der Prävention von Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen zu?<br />

Johannes Siegrist<br />

Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen: ERI<br />

Matthias Nübling<br />

Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen: COPSOQ<br />

Renate Rau<br />

Beurteilung psychosozialer Arbeitsbelastungen aus arbeitspsychologischer<br />

Sicht - Vergleich zwischen Expertenassessment und ERI<br />

Detlev Jung<br />

Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher Sicht<br />

751<br />

752<br />

757<br />

761<br />

762<br />

762<br />

762<br />

763<br />

767<br />

768<br />

771<br />

772<br />

22


Inhalt<br />

F4<br />

F5<br />

Gefahrstoffe<br />

Thomas Kraus, Hans Drexler<br />

Human Biomonitoring bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen im Hinblick auf die<br />

Gefahrstoffverordnung<br />

Thomas Schettgen<br />

Hb-Addukte als biochemische Effektmarker krebserzeugender Arbeitsstoffe<br />

Thomas Göen, Karl-Heinz Schaller, Hans Drexler<br />

Qualitätssicherung für das Biomonitoring -<br />

Entwicklungen<br />

Umweltmedizin<br />

Rolf Merget<br />

Erkrankungen durch Schimmelpilze - die pneumologische Sicht<br />

Guido Fischer<br />

Schimmelpilze - eine Expositionserfassung<br />

Thomas Baumeister<br />

Feinstaub in Innenräumen - ein Gesundheitsrisiko?<br />

aktueller Stand und neue<br />

774<br />

774<br />

774<br />

775<br />

775<br />

775<br />

Symposien<br />

SY1<br />

SY2<br />

Etablierung eines Risikomanagementsystems in der betrieblichen<br />

Betreuung<br />

Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch<br />

Strom und Felder -<br />

Jens Jühling<br />

Unfälle durch elektrischen Strom - Unfallformen<br />

Jiri Silny<br />

Wirkungsmechanismen elektrischer Ströme im Organismus - Schwellenwerte<br />

Reinhard Hirtler<br />

Gesundheitliche Risiken der Körperdurchströmung (Strom-Zeit-Kurven)<br />

Wolfgang Zschiesche<br />

Medizinische Befunde und Krankheitsbilder nach Körperdurchströmung<br />

Alexander Dorsch<br />

Erste Hilfe und medizinische Maßnahmen nach Stromunfällen<br />

Dietmar Ulrich<br />

Pathophysiologie der Stromverbrennung und ihre Behandlung<br />

Jiri Silny<br />

Gesundheitliche Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF)<br />

776<br />

777<br />

777<br />

777<br />

777<br />

777<br />

777<br />

777<br />

23


Inhalt<br />

Sarah Driessen, Roman Wienert<br />

EMF-Portal: wissenschaftliche Literatur zu gesundheitlichen Wirkungen EMF<br />

Markus Fischer<br />

Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz - Regelungen und Maßnahmen<br />

nach BGV B11<br />

Stephan Joosten<br />

Störbeeinflussung von aktiven und passiven Implantaten durch elektrische<br />

Ströme und EMF<br />

Hannah Heinrich<br />

Besondere Gefahrenbereiche in der Industrie<br />

777<br />

777<br />

778<br />

778<br />

SY3<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Ursula Mikulicz<br />

Arbeitsmedizinische Betreuung bei Auslandstätigkeit<br />

- Aufgaben - Inhalte - Probleme<br />

Matthias Kluckert<br />

Neue rechtliche Rahmenbedingungen der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei<br />

Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Andreas Welker<br />

Aspekte der betriebsärztlichen Betreuung bei Auslandseinsätzen<br />

Andreas Müller<br />

Untersuchungen nach Auslandstätigkeit (Inhalt und Umfang)<br />

Burkhard Rieke<br />

Arbeitsaufenthalt im Ausland bei Vorerkrankungen<br />

Peter Schmitz<br />

Psychische Belastungen bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Wolfgang Mayrhofer<br />

Der Heimtransport aus medizinischen Gründen<br />

779<br />

779<br />

779<br />

779<br />

779<br />

779<br />

779<br />

Seminare<br />

AMD-Kolloquium<br />

Dietmar Groß, Andreas Genz, Karsten Rossa, Klaus Scheuch, Dirk Seidel<br />

Qualität der Prävention: Betriebsärztliche und sicherheitstechnische<br />

Betreuung<br />

Bernd Hartmann<br />

Die Funktionen des Kompetenzzentrums von AMD und STD der Bau BG<br />

Kurt Rinnert<br />

Praktische Umsetzung des G 25 und G 41 und die neue Rechtsverordnung<br />

„Arbeitsmedizinische Vorsorge“<br />

Beate Nölle<br />

AMD-Mitarbeit in Netzwerken<br />

780<br />

786<br />

789<br />

789<br />

24


Inhalt<br />

Thomas Diepgen<br />

Hautkrebs durch UV-Licht - aus dermatologischer Sicht<br />

Otto Blome<br />

Hautkrebs durch UV-Licht - aus BK-rechtlicher Sicht<br />

Kerstin Rathmann<br />

Das neue Einstufungs- und Kennzeichnungssystem GHS - ein Überblick<br />

Norbert Kluger<br />

Sachstand zu künstlichen Mineralfasern<br />

Reinhold Rühl, Klaus Kersting<br />

Sicherer Umgang mit optimierten Epoxidharzprodukten<br />

789<br />

789<br />

789<br />

789<br />

789<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Harald Wellhäußer<br />

Projekt „Evaluation der Grundsätze“<br />

Michael Nasterlack<br />

Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention braucht praxisnahe Forschung<br />

Stephan Letzel<br />

Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention aus Sicht der <strong>DGAUM</strong><br />

Jens Petersen<br />

Leitfaden für Betriebsärzte zur Beratung des Arbeitgebers bei der<br />

Gefährdungsbeurteilung<br />

Alexander Paaßen<br />

Vorgehen in der Praxis eines Groß-/Mittelbetriebes<br />

Detlef Glomm<br />

Vorgehen in der betriebsärztlichen Praxis<br />

Referentenverzeichnis<br />

790<br />

795<br />

799<br />

807<br />

815<br />

819<br />

822<br />

25


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,<br />

es ist mir eine große Freude, Sie als Gastgeber und Tagungspräsident der diesjährigen<br />

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.<br />

(<strong>DGAUM</strong>) in Aachen begrüßen zu dürfen. Die wissenschaftliche Jahrestagung wird nun<br />

schon zum 49. Mal ausgerichtet, ein deutliches Zeichen für die langjährige und<br />

nachhaltige Tradition der Arbeitsmedizin in Deutschland, aber auch ein Zeichen für das<br />

große Engagement und die bemerkenswerte Aktivität der wissenschaftlich- und<br />

praktisch-orientierten arbeits- und umweltmedizinischen Gemeinschaft.<br />

Für das Jahr <strong>2009</strong> hat die wissenschaftliche Fachgesellschaft zwei besonders aktuelle<br />

und praxisrelevante Hauptthemen gewählt.<br />

„Krank und trotzdem arbeiten? – der chronisch Kranke im Erwerbsleben“ ist das<br />

erste dieser beiden Hauptthemen. In Zeiten, in denen der demographische Wandel und<br />

die daraus resultierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft diskutiert werden, ist die<br />

Aktualität dieser Fragestellung unverkennbar und muss, angesichts der Inzidenz und<br />

Prävalenz von chronischen Erkrankungen bei älteren Mitarbeitern, hohe Priorität sowohl<br />

in der arbeitsmedizinischen Praxis als auch in der Wissenschaft haben. Um die<br />

Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter durch enge Zusammenarbeit von<br />

Arbeitsmedizinern, Sicherheitsfachkräften, Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch im Fall<br />

von chronischen Erkrankungen zu erhalten, ist die gezielte Fachdiskussion und der<br />

Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis unverzichtbar und es ist mir ein<br />

besonderes Anliegen, diesen Austausch im Rahmen der 49. Jahrestagung anzustoßen<br />

und zu fördern.<br />

Im Jahr 2008 veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

Daten zur „Arbeitswelt im Wandel“ und berichtete hier über eine seit vielen Jahren<br />

erstmals wieder ansteigende Zahl tödlicher Arbeitsunfälle (letzter Stand aus dem Jahr<br />

2006). Das zweite Hauptthema „Unfallprävention und arbeitsmedizinische<br />

Vorsorge“ erhält durch diese Entwicklung besondere Aktualität. Dass sich die<br />

Arbeitsmedizin mit den Risiken für den Menschen in der modernen Arbeitswelt<br />

auseinandersetzen muss ist unbestritten. Bei ausschließlicher Fokussierung auf sog.<br />

„moderne Themen“ besteht jedoch die Gefahr, dass die Notwendigkeit zur<br />

Unfallprävention ob der hervorragenden Entwicklungen in diesem Feld in der<br />

Vergangenheit in den Hintergrund tritt.<br />

26


Vorwort<br />

Leider ist es in diesem Zusammenhang nicht gelungen, zentrale Forderungen der<br />

Arbeitsmedizin zur Optimierung der Unfallprävention z.B. durch Implementierung von<br />

speziellen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die der Unfallprävention<br />

dienen, als Pflichtuntersuchung in der neuen Verordnung zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge durchzusetzen. Gleichwohl gilt es, die Unfallprävention zukünftig sowohl auf<br />

der Ebene der Verhältnisprävention als auch in der Verhaltensprävention weiter zu<br />

optimieren.<br />

Der Freitag und der Samstag stehen schwerpunktmäßig neben den Vorträgen zu den<br />

beiden Hauptthemen ganz im Zeichen der Präsentation und Diskussion von neuen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen in Form von ca. 100 Vorträgen und mehr als 120<br />

Postern, die ein umfangreiches Spektrum arbeits- und umweltmedizinischer Themen<br />

abdecken.<br />

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion am Samstag soll eines der zentralen<br />

Herausforderungen behandelt werden: die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich<br />

des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Unternehmen. Hier werden Experten<br />

verschiedener Fachrichtungen und Organisationen ihre Aufgabenfelder und Pflichten<br />

darstellen und insbesondere Schnittstellen und Synergien diskutieren.<br />

Ich freue mich zusammen mit Ihnen auf viele neue Erkenntnisse und Anregungen für<br />

unsere Arbeit, v. a. auf den Erfahrungsaustausch, zahlreiche gute Kontakte und schöne<br />

gemeinsame Tage in Aachen.<br />

Mit herzlichen Grüßen<br />

Ihr<br />

Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />

- Tagungspräsident -<br />

27


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel, Präsident der<br />

Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />

e. V.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

zur 49. wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin<br />

und Umweltmedizin darf ich Sie hier in Aachen ganz herzlich begrüßen.<br />

Besonders begrüßen möchte ich<br />

die Bundesministerin für Gesundheit Frau Ulla Schmidt.<br />

Es ist uns eine besondere Ehre, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben um<br />

uns die Grußworte Ihres Ministeriums zu überbringen.<br />

Herzlichen Dank hierfür!<br />

Genauso herzlich begrüße ich,<br />

Herrn Prof. Dr. Rolf Rossaint<br />

Prorektor der RWTH Aachen,<br />

Herrn Prof. Dr. Johannes Noth<br />

Dekan der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen,<br />

Herrn Dr. Hans-Joachim Wolf<br />

Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,<br />

Frau Isabel Rothe<br />

Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,<br />

sowie last but not least Herrn Dr. Wolfgang Panter<br />

Präsident des Verbandes der Deutschen Betriebs- und Werksärzte.<br />

Begrüßen möchte ich auch Frau Rita Janning, Leiterin des Referates III b 1 im<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Frau Dr. Klien, die Präsidentin der<br />

Österreichschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Herrn Prof. von Kieparski, den<br />

Präsidenten des Verbandes Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) und Herrn Prof.<br />

Strasser, den Pastpräsidenten der Gesellschaft für Arbeitswissenschaften (GfA).<br />

Seien Sie alle herzlich willkommen bei unserer Jahrestagung.<br />

28


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Unser besonderer Dank gilt auch dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn<br />

Olaf Scholz, der die Schirmherrschaft für unsere Veranstaltung übernommen hat.<br />

Bereits an dieser Stelle darf ich Herrn Kollegen Thomas Kraus und seinen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Aachener Instituts Arbeitsmedizin und<br />

Sozialmedizin, für die Ausrichtung unserer diesjährigen wissenschaftlichen Jahrestagung<br />

ganz herzlich danken. Ich weiß aus eigener Erfahrung, mit welchem enormen<br />

persönlichen Aufwand die Vorbereitung und Durchführung eines solchen Kongresses<br />

verbunden ist. Lieber Thomas, herzlichen Dank dafür.<br />

Herrn Thomas Kraus ist es in den letzten Jahren gelungen das Institut für<br />

Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der RWTH zu einem der großen arbeitsmedizinischen<br />

Institute in Deutschland zu machen. Bei den günstigen Rahmenbedingungen an der<br />

RWTH in Aachen und der Nähe zur technischen Fakultät verwundert es dann auch<br />

nicht, dass Du lieber Thomas, in den letzten Jahren, 2 ehrenvollen Rufen auf die W3-<br />

Professuren für Arbeitsmedizin an den Universitäten in Gießen und Tübingen abgelehnt<br />

hast. Du hast Dich entschlossen, das Aachener Institut weiter auszubauen, was Dir<br />

hervorragend gelungen ist. Bei Deiner großen wissenschaftlichen Reputation, die weit<br />

über Deutschland hinaus anerkannt ist, ist es uns nicht schwer gefallen, die diesjährige<br />

Jahrestagung in Deine Hände zu legen.<br />

Als Hauptthemen hast Du als Tagungspräsident zwei sehr wichtige und aktuelle Themen<br />

ausgewählt, die derzeit nicht nur im Bereich der Arbeitsmedizin lebhaft diskutiert werden.<br />

Es handelt sich dabei um folgende beiden Themen:<br />

<br />

<br />

„Krank und trotzdem arbeiten? – der chronisch Kranke im Erwerbsleben“<br />

„Unfallprävention und arbeitsmedizinische Vorsorge“<br />

Ich bin schon sehr auf die Einführungsreferate zu den beiden Hauptthemen gespannt.<br />

Doch bevor wir uns den Tagungsthemen zuwenden, möchte ich im Folgenden kurz auf<br />

die Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Politik,<br />

und<br />

die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Arbeitsmedizin und<br />

praktischer Betriebsmedizin<br />

eingehen.<br />

29


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Politik:<br />

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der betriebsärztlichen Versorgung der<br />

Beschäftigten, greifen in einzelnen Bereichen in die Autonomie der Unternehmen und<br />

damit in das Arbeitsrecht ein. Es ist daher absolut nachvollziehbar, dass das<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales diese rechtlichen Rahmenbedingungen des<br />

Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz vorgibt und damit wichtiger Ansprechpartner der<br />

Arbeitsmedizin ist.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Arbeitsmedizin und dem BMAS ist gut, ich<br />

habe in den letzten Jahren sehr wohl wahrgenommen, dass das arbeitsmedizinische<br />

Fachwissen im BMAS sehr gerne eingeholt wird und weitgehend in die entsprechenden<br />

Gesetze und Verordnungen einfließt. Exemplarisch möchte ich hier nur die neue<br />

Rechtsverordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge ansprechen. Für die gute<br />

Zusammenarbeit möchte ich den Vertreterinnen und Vertreter des<br />

Bundesarbeitsministeriums, insbesondere Ihnen Frau Janning, ganz herzlich danken.<br />

Aufgabe der Wissenschaft ist es hier, die entsprechenden Grundlagen für eine effiziente<br />

und Evidenzbasierte arbeitsmedizinische Prävention zu schaffen. Gerade unter<br />

Berücksichtigung der sich wandelnden Arbeitswelt, ist hier die Generierung neuer<br />

Erkenntnisse dringend erforderlich. Bei der derzeitigen, z. T. sehr ungünstigen Situation<br />

an ca. 1/3 bis der Hälfte der arbeitsmedizinischen Universitätsinstituten in Deutschland,<br />

ist die Etablierung geeigneter Förderinstrumente für eine unabhängige<br />

arbeitsmedizinische Forschung unabdingbar.<br />

Der Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat für den 23. März dieses Jahres zur<br />

Startkonferenz der Initiative „Neue Kultur der Arbeit“ nach Berlin eingeladen. Diese<br />

Veranstaltung bildet den Auftakt für die Erarbeitung eines gemeinsamen<br />

Aktionsprogramms zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Deutschland. In seinem<br />

Einladungsschreiben hat der Bundesarbeitsminister formuliert: „Der Schaffung guter und<br />

zukunftsfähiger Arbeitsbedingungen fühle ich mich verpflichtet.“<br />

Ich hoffe, dass dem Minister und dem zuständigen Ministerium klar ist, dass dies nur auf<br />

der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse möglich ist. Im Rahmen dieser Initiative<br />

erscheint es daher auch dringend erforderlich zu sein, dass Projekte für entsprechende<br />

arbeitsmedizinische Forschung eingeplant und ausgeschrieben werden. Ich betone die<br />

„Arbeitsmedizin“ hier ganz bewusst, die entsprechende Forschung muss sowohl die<br />

speziellen Belastungen des Arbeitsplatzes, als auch den Menschen, seine Gesundheit<br />

30


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

und seine Krankheiten im Focus haben, und da ist eben die Arbeitsmedizin die<br />

entsprechende Fachdisziplin.<br />

Sehr geehrte Frau Bundesgesundheitsministerin, erlauben Sie mir auch auf die<br />

Schnittstelle zwischen Arbeitsmedizin und Bundesgesundheitsministerium kurz<br />

einzugehen. Wenn ich ehrlich bin, diese Schnittstelle besteht nicht bzw. ist nur sehr<br />

rudimentär ausgeprägt, was aus Sicht der deutschen Arbeitsmedizin ein großes Manko<br />

für das deutsche Gesundheitssystem darstellt.<br />

Ich darf dies kurz erläutern. Der größte gesundheitspolitische Settingansatz und damit<br />

der wesentliche Schlüssel zur Prävention in Deutschland sind ca. 40 Millionen<br />

Erwerbstätige, die über bestehende rahmenrechtliche Regelungen des Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzes von derzeit ca. 12.000 Ärztinnen und Ärzten mit<br />

arbeitsmedizinischer Fachkunde erreicht werden können. Jährlich werden in diesem<br />

Bereich über 5 Millionen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt. Ich meine, dieses<br />

System muss über die arbeitsplatzbezogene Prävention hinaus, generell für die<br />

Prävention und Gesundheitsförderung unserer Bevölkerung genutzt werden. Über die<br />

betriebsärztliche Betreuung in den Unternehmen können Personen erreicht werden, die<br />

aus den verschiedensten Gründen nicht oder noch nicht den Arzt aufsuchen. Die<br />

Arbeitsmedizin wäre damit eine hervorragende Plattform für eine Koordination von<br />

Prävention und ambulanter Versorgung.<br />

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Vor wenigen Tagen hat in Mainz die 1. Nationale<br />

Impfkonferenz stattgefunden. Sie Frau Ministerin, hatten hierzu auch ein Grußwort<br />

einspielen lassen. Auf dieser 1. Nationalen Impfkonferenz wurden die großen Defizite der<br />

deutschen Bevölkerung im Rahmen der Impfprävention mehrfach angesprochen und in<br />

der Diskussion nach geeigneten Lösungswegen gesucht. Hier hätte die Arbeitsmedizin in<br />

den Altersgruppen zwischen ca. 20 und 65 Jahren ein erhebliches Potential. Der<br />

Aufwand, sich im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung den<br />

Impfpass vorzulegen zu lassen – selbstverständlich absolut freiwillig – und den<br />

Mitarbeiter adäquat zu beraten, erforderliche Impfungen anzubieten und ggf. auch<br />

durchzuführen, wäre minimal. Ich verstehe nicht, warum diese Möglichkeiten nicht<br />

ausreichend genutzt werden.<br />

Erlauben Sie mir noch einen weiteren Punkt anzusprechen. Das mehr oder weniger<br />

geplante Präventionsgesetz des Bundesministeriums für Gesundheit und die<br />

gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie, die vom Bundesministerium für Arbeit und<br />

31


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Soziales, der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung und den Ländern<br />

verabschiedet wurde und demnächst umgesetzt werden soll.<br />

In dem letzten Referentenentwurf des Präventionsgesetztes wurde auf den Settingansatz<br />

„Beruf“ ausführlich eingegangen und der Stellenwert der Arbeitsmedizin aufgeführt. Sie<br />

können sich vorstellen, dass wir hierüber sehr erfreut waren und dies aus unserer Sicht<br />

in die richtige Richtung weist. Absolut unverständlich ist es jedoch für viele von uns, dass<br />

nach außen hin keine Abstimmung zwischen den beiden Ministerien im Bereich der<br />

Prävention sichtbar wird. Es wäre sinnvoll, die Bemühungen auf dem Gebiet der<br />

Prävention zu bündeln und die entsprechenden Aktivitäten – auf der einen Seite im<br />

Rahmen des Präventionsgesetztes und auf der anderen Seite bei der gemeinsamen<br />

deutschen Arbeitsschutzstrategie – zusammenzuführen und zu koordinieren. Schon<br />

alleine aus Effizienzgründen erscheint hier ein Überschreiten der Ressortgrenzen<br />

dringend erforderlich.<br />

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich glaube, ich kann hier auch im Namen des Verbandes<br />

Deutscher Betriebs- und Werksärzte sprechen, bei Bedarf steht die deutsche<br />

Arbeitsmedizin gerne für weiterführende Gespräche zur Prävention, Ihrem Ministerium<br />

zur Verfügung.<br />

Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft:<br />

Lassen Sie mich nun noch kurz auf die Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft<br />

kommen. Aus meiner Sicht hat sich hier in den letzten Jahren zwischen den beiden<br />

Gesellschaften, dem Berufsverband also dem Verband der Deutschen Betriebs- und<br />

Werksärzte und der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Deutschen Gesellschaft für<br />

Arbeits- und Umweltmedizin eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Ich<br />

darf Ihnen lieber Herr Panter und Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Vorstand,<br />

hierfür ganz herzlich danken.<br />

Wir hatten in den letzten Monaten mehrfach über bessere Kooperationsmöglichkeiten im<br />

Bereich der Forschung gesprochen. Alleine schon für die Generierung des<br />

Nachwuchses, ist aus meiner Sicht eine engere Kooperation zwischen Praxis und<br />

Wissenschaft dringend erforderlich. Wir würden es auch sehr begrüßen, wenn mehr<br />

wissenschaftliche Fragestellungen aus der Industrie an uns herangetragen würden und<br />

diese Themen sowie der Forschungsbedarf auch in den entsprechenden Gremien<br />

benannt würden.<br />

32


Eröffnungsveranstaltung - Begrüßung<br />

Von Seiten der Arbeitgeber würde ich mir auch wünschen, dass bei der z. T. prekären<br />

Situation an den arbeitsmedizinischen Hochschulinstituten diese Tatsache nicht einfach<br />

hingenommen wird sondern aktiv dagegen Stellung bezogen wird.<br />

Ich glaube Arbeit braucht Gesundheit und damit auch ein Fach, das sich mit dieser<br />

Wechselbeziehung beschäftigt, nämlich die Arbeitsmedizin. Die Arbeitsmedizin braucht<br />

für ein evidenzbasiertes Handeln auch wissenschaftliche Grundlagen, und diese fallen<br />

nicht von Himmel sondern setzen gezielte, unabhängige Forschungsaktivitäten voraus<br />

und diese wiederum benötigen eine entsprechende Förderung.<br />

Abschließend möchte ich noch einen kurzen Blick auf unsere letzte Jahrestagung in<br />

Hamburg zurückwerfen. Eines der Hauptthemen war damals „Ethik in der<br />

Arbeitsmedizin“. Wir hatten hier über manches z. T. kontrovers diskutiert, jedoch erkannt,<br />

dass es für unser Fach wichtig ist, dass wir uns diesem Thema stellen. Die Prävention<br />

am Arbeitsplatz und die Kompensation von Berufskrankheiten braucht auch die<br />

Berücksichtigung der ethischen Dimension. Wir - Vertreter der <strong>DGAUM</strong> und des VDBW -<br />

haben daher zwischenzeitlich in Fortführung der Hamburger Jahrestagung die Ethik-<br />

Leitlinie der <strong>DGAUM</strong> überarbeit und als Ethikkodex in den Vorständen verabschiedet.<br />

Den Ethikkodex und weitere Beiträge zu dieser Thematik haben wir in einem Buch<br />

zusammengefasst. Dieses Buch werde ich anschließend gerne den Rednern der<br />

Grußworte überreichen.<br />

Ich wünsche uns allen nun interessante wissenschaftliche Beiträge, anregende<br />

Diskussionen und gute Gespräche am Rande des wissenschaftlichen Programms und<br />

danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

33


Eröffnungsveranstaltung - Grußworte<br />

Grußworte<br />

Olav Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales<br />

34


Eröffnungsveranstaltung - Grußworte<br />

35


Ehrungen<br />

Ehrungen<br />

Verleihung des E.W. Baader-Preises <strong>2009</strong><br />

Die Verleihung erfolgte an Herrn Privatdozenten Dr. med. Volker Harth.<br />

Die Laudatio hielt Herr Professor Dr. med. Hans-Joachim Woitowitz.<br />

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Ehrungen<br />

Franz-Koelsch-Medaille <strong>2009</strong><br />

Verleihung an Herrn Diplom Ingenieur Karl-Heinz Schaller<br />

Anlässlich des 90. Geburtstags von Prof. Dr. med. Franz Koelsch, dem Nestor der<br />

deutschen Arbeitsmedizin, stiftete die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin 1967 die<br />

Franz-Koelsch-Medaille. Seitdem wird die Franz-Koelsch-Medaille an Persönlichkeiten<br />

verliehen, die sich durch besondere Leistungen auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin<br />

ausgezeichnet haben.<br />

In diesem Jahr wird die Franz-Koelsch-Medallie an Herrn Diplom Ingenieur Karl-Heinz<br />

Schaller, Mitarbeiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und<br />

Umweltmedizin der Universität Erlangen, für seine besonderen Verdienste um die<br />

Arbeitsmedizin verliehen.<br />

Erlauben Sie mir diese Auszeichnung kurz zu begründen:<br />

Herr Schaller wurde 1966 als Chemiker von Professor Valentin am Erlanger Institut mit<br />

der Entwicklung des Biomonitorings beauftragt und hat seitdem maßgeblich dazu<br />

beigetragen, dass dieses diagnostische Verfahren weiterentwickelt wurde und den<br />

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz beim Umgang mit Gefahrstoffen sehr viel sicherer<br />

gemacht hat und u. a. dadurch zu einem deutlichen Rückgang von toxischbedingten<br />

Berufskrankheiten geführt hat.<br />

Sie lieber Herr Schaller, waren sicherlich einer der ersten Naturwissenschaftler in<br />

unserem Fach, die sich systematisch mit der arbeitsmedizinischen Prävention<br />

beschäftigt haben. Ihr enormes Fachwissen hat dazu geführt, dass Sie als wichtiger<br />

Ratgeber in zahlreiche nationale und internationale Gremien berufen wurden. Man kann<br />

ohne zu übertreiben sagen, dass in den letzten Jahrzehnten keine wesentlichen<br />

Weichenstellungen im Bereich des arbeitsmedizinischen Biomonitorings erfolgten, ohne<br />

dass Sie mit Ihrem enormen Sachverstand dazu maßgeblich beigetragen haben.<br />

37


Ehrungen<br />

Von Ihren vielen Aktivitäten darf ich exemplarisch nennen:<br />

Ihre langjährige Mitgliedschaft der BEI Gruppe des US amerikanischen ACGIH<br />

bis 2006<br />

und<br />

die über 30-jährige Mitgliedschaft in der Senatskommission zur Prüfung<br />

gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />

Sie waren hier nicht nur Mitglied sondern sehr aktives Mitglied und waren an der<br />

Erarbeitung einer Vielzahl von Analysemethoden und wissenschaftlichen<br />

Begründungen maßgeblich beteiligt.<br />

Nicht vergessen werden darf auch Ihre langjährige sehr engagierte Tätigkeit als Co<br />

Editor für eine der weltweit renommiertesten arbeitsmedizinischen Fachzeitschriften, den<br />

International Archives of Occupational and Environmental Health. Das Wohlergehen<br />

dieser Fachzeitschrift lag Ihnen immer besonders am Herzen.<br />

Kaum zu zählen ist die große Anzahl von Doktoranden, die durch Sie betreut wurden.<br />

Nahezu alle Erlanger Habilitanden schulden Ihnen großen Dank für die aktive<br />

Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Qualifikation. Es wären hier noch viele<br />

Aktivitäten in den verschiedensten Gremien zu benennen, dies würde aber den Rahmen<br />

dieser Veranstaltung sprengen.<br />

Lieber Herr Schaller als Anerkennung und Dank für Ihre vielseitigen Aktivitäten für die<br />

nationale und internationale Arbeitsmedizin macht es mir eine besondere Freude Ihnen<br />

die Franz-Koelsch-Medaille überreichen zu dürfen.<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />

(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />

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Ehrungen<br />

Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong><br />

Verleihung an Herrn Chefarzt a.D. Dr. med. Kurt Georg Hering<br />

Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin verleiht<br />

für besondere innovative Leistungen zum Nutzen der Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />

den Innovationspreis der <strong>DGAUM</strong>. Mit dem Innovationspreis werden innovative<br />

Leistungen in Forschung, Lehre, Weiterbildung und Fortbildung ausgezeichnet, die für<br />

die Arbeitsmedizin und Umweltmedizin von wesentlicher Bedeutung sind.<br />

Der Preisträger des Jahres <strong>2009</strong> ist Herr Dr. med. Kurt Georg Hering, ehemaliger<br />

Chefarzt der Radiologischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses Dortmund.<br />

Herr Dr. Hering ist Mitglied der Arbeitsgruppe des International Labour Office (ILO),<br />

- die permanent Schulungen weltweit für die Anwender der ILO<br />

Staublungenklassifikation anbietet,<br />

- wegweisende Weiterentwicklungen der ILO Staublungenklassifikation erarbeitet<br />

und<br />

- derzeit maßgeblich auch den schwierigen Transfer von der analogen zur digitalen<br />

Röntgenwelt in diesem Bereich begleitet und gestaltet.<br />

Bereits in den 70er Jahren beschäftigte sich Herr Dr. Hering sehr intensiv mit den damals<br />

neuen Methoden der Bildgebung insbesondere mit der Computertomographie.<br />

Sie lieber Herr Hering zählen hierbei zu einem der international führenden Experten der<br />

Anwendung der Computertomographie im Bereich arbeits- und umweltbedingter<br />

Erkrankungen. Mitte der 90er Jahre hatten Sie erkannt, dass bei einer zunehmenden<br />

Anwendung der Computertomographie in der Staublungendiagnostik die Notwendigkeit<br />

einer zur ILO Klassifikation analoge standardisierte Diagnostik besteht.<br />

Bereits sehr früh haben Sie erste Entwicklungen zu einer standardisierten CT-<br />

Klassifikation voran getrieben, die schließlich in Kooperation mit einer internationalen<br />

Forschergruppe zur ersten Internationalen CT-Klassifikation für arbeits- und<br />

umweltbedingte Atemwegserkrankungen führten.<br />

39


Ehrungen<br />

Für diese wegweisenden Leistungen und für den wichtigen Beitrag zur Entwicklung und<br />

Weiterentwicklung von Methoden, die zu einer Verbesserung der Diagnostik von<br />

staubbedingten Erkrankungen führen, überreicht die <strong>DGAUM</strong> Herrn Dr. Kurt Georg<br />

Hering, den Innovationspreis <strong>2009</strong>.<br />

Lieber Herr Hering, es ist mir eine große Freude Ihnen diesen Preis zu überreichen.<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />

(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />

40


Ehrungen<br />

Joseph-Rutenfranz-Medaille <strong>2009</strong><br />

Verleihung an Herrn Prof. Dr. rer. nat. Alwin Luttmann<br />

Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin hat zum Gedenken an<br />

den 1989 verstorbenen Professor Dr. med. Dr. phil. Joseph Rutenfranz eine Medaille<br />

gestiftet. Professor Rutenfranz hat sich sowohl als Wissenschaftler als auch als<br />

Vorstandsmitglied und Präsident unserer Fachgesellschaft sehr um die Entwicklung der<br />

Arbeitsphysiologie verdient gemacht. Die Joseph-Rutenfranz-Medaille wird daher an<br />

Wissenschaftler verliehen, die sich durch besondere Leistungen in der<br />

Arbeitsphysiologie, als einem bedeutenden Teil der Arbeitsmedizin, ausgezeichnet<br />

gemacht haben.<br />

In diesem Jahr wird die Joseph-Rutenfranz-Medallie an Herrn Prof. Dr. Alwin<br />

Luttmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsphysiologie an der<br />

Universität Dortmund, für seine besonderen Verdienste um die Arbeitsphysiologie<br />

verliehen.<br />

Erlauben Sie mir diese Auszeichnung kurz zu begründen:<br />

Herr Prof. Luttmann studierte zwischen 1963 und 1969 an der Technischen Universität<br />

Hannover Elektrotechnik. Nach einer etwa einjährigen Tätigkeit an der Physikalisch-<br />

Technischen Bundesanstalt in Braunschweig begann er seine wissenschaftliche<br />

Laufbahn am Institut für Physiologie der Ruhr Universität in Bochum. 1977 erfolgte die<br />

Promotion und 1980 die Habilitation im Fach Physiologie. Darauf wechselte er zum<br />

Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund und übernahm dort in der<br />

Abteilung Ergonomie eine Leitungsfunktion.<br />

Auf dem Gebiet der Arbeitsphysiologie, speziell der Arbeitsphysiologie des<br />

Bewegungsapparates, haben Sie sich – lieber Herr Luttmann - wissenschaftlich große<br />

Verdienste erworben. Sie haben über viele Jahre hinweg eine Brückenfunktion zwischen<br />

der Arbeitsmedizin und der Ergonomie/Arbeitswissenschaft eingenommen und haben<br />

Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse gleichermaßen kontinuierlich sowohl im Bereich der<br />

Arbeitsmedizin als auch der Arbeitswissenschaften publiziert.<br />

41


Ehrungen<br />

Ihr primärer arbeitsphysiologischer Ansatzpunkt war die Muskelphysiologie und der<br />

Einsatz des EMG für arbeitsphysiologische Untersuchungen, die Sie zunächst in der<br />

ergonomischen Abteilung von Prof. Dr.-Ing. W. Laurig im Dortmunder IfADo<br />

durchführten, und zwar noch in der Zeit von Joseph Rutenfranz. Rutenfranz war ein<br />

ständiger Förderer Ihrer Ideen und wichtiger Diskussionspartner für Ihre damalige<br />

wissenschaftliche Arbeit.<br />

Inhaltlich fokussiert sich auch heute noch Ihre wissenschaftlichen Arbeiten auf die<br />

Ermittlung muskulärer Beanspruchungen und skelettaler Belastungen im Feld und im<br />

Labor.<br />

Ihr wissenschaftliches Wirken spiegelt sich in über 400 nationalen und internationalen<br />

Publikationen wieder. Nicht vergessen werden darf Ihr vielfältiges Wirken sowohl im<br />

Rahmen von Vorlesungen an den Universitäten Bochum, Dortmund und Zürich als auch<br />

im Rahmen von Seminaren zur Fort- und Weiterbildung.<br />

Lieber Herr Luttmann als Anerkennung und Dank für Ihre vielseitigen Aktivitäten für die<br />

Arbeitsphysiologie macht es mir eine besondere Freude Ihnen die Joseph-Rutenfranz-<br />

Medaille überreichen zu dürfen.<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel<br />

(Präsident der <strong>DGAUM</strong>)<br />

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Einführung zu den Hauptthemen<br />

Krank und trotzdem arbeiten?<br />

– Chronisch Krank im Erwerbsleben<br />

Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Walther Heipertz<br />

Leitender Arzt der Bundesagentur für Arbeit<br />

Ausgangssituation<br />

Krankschreibungen nehmen gemäß BMAS seit 30 Jahren kontinuierlich ab (Abb. 1). Dies<br />

ist nicht ausschließlich krankheitsbedingt, sondern es wirken sich u.a. auch Ängste vor<br />

Arbeitsplatzverlust und rechtliche Veränderungen aus. Trotzdem liegt nahe, dass Arbeit<br />

immer weniger krank macht, was auch mit dem technischen Fortschritt zu erklären wäre.<br />

Allgemein herrscht aber sogar der gegenteilige Eindruck: Arbeit mache noch kränker.<br />

Gelegentlich werden auch Statistiken präsentiert, speziell dann zur Inzidenz psychischer<br />

Erkrankungen.<br />

Statistiken bedürfen aber der umsichtigen Interpretation, werden dennoch oft von<br />

„Gesundheitsmanagern“ und „Versorgungsprofis“ speziell im Sinne sich epidemisch<br />

ausbreitender psychischer Störungen instrumentalisiert, was automatisch auf mehr<br />

Stress in der neuen Arbeitswelt zurückgeführt wird. Obwohl arbeitswirtschaftliche<br />

Analysen moderner Arbeitsprozesse und gerade auch prekärer Arbeitsverhältnisse dafür<br />

sprechen, muss man sich vor Pseudoplausibilitäten hüten: Gemäß Angaben der TKK<br />

(Abb. 2) ging innerhalb eines Jahres der Anteil psychisch bedingter Fehlzeiten drastisch<br />

zurück. Nimmt das Psychoproblem wieder ab? Oder lässt man sich nur aus Angst solche<br />

Diagnosen nicht stellen? Warum aber gerade im Jahre 2005? Bemerkenswert wäre es<br />

ohnehin, denn Angst und Depression sollen doch an sich manifest krank machen. Wirkt<br />

der Druck protektiv? Auch wenn das abwegig ist, kann man diese Zahlen nicht<br />

ignorieren, insbesondere wenn das Gegenteil im öffentlichen Bewusstsein zur<br />

Gewissheit zu werden droht.<br />

Ärztliche Diagnosen werden einerseits in der öffentlichen Diskussion kritisch hinterfragt,<br />

durchaus zu Recht. Zu fragen wäre dann aber auch, ob nicht viele psychische<br />

Störungen in Wirklichkeit gar keine Beeinträchtigung von Krankheitswert sind, sondern<br />

vorrangig Etikettierungen zur Selbstverständigung und professionellen Einordnung in<br />

eine wichtige Konvention. Andererseits interessiert aber gerade diese Kritik an der<br />

„Medikalisierung gesellschaftlicher Aspekte“ die sonst heftigen Medizinkritiker<br />

insbesondere dann nicht, wenn die diagnostischen Fieberkurven ihren soziotechnischen<br />

Ansätzen zupass kommen und etwa Bewältigungstrainings, Coaching etc. „erforderlich“<br />

machen. Dies passt ja auch zum allfälligen Rückgang physischer Gesundheitsgefahren<br />

in der Arbeitswelt.<br />

43


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Die „bedrohliche“ demographische Entwicklung<br />

Die Gegenüberstellung der demographischen Momentaufnahmen für Deutschland aus<br />

den Jahren 1900 und 1998 (siehe Abb. 3) zeigt links eine in Wirklichkeit gar nicht<br />

gesunde Tannenbaumfigur, denn damals gab es „Kinder auf Vorrat“ und eine erst jetzt<br />

drastisch abnehmende Kindersterblichkeit. Die Baumkrone rechts zeigt<br />

erfreulicherweise, dass wir alle eine deutlich längere Lebenserwartung haben. Wie aber<br />

soll das im Generationenvertrag bewältigt werden? Unser Thema ist die Antwort: durch<br />

mehr Aktivität und Erwerbstätigkeit auch im Alter. Dennoch wird die breite Spitze zum<br />

Sinnbild „demographischer Bedrohung“. Zwar sind demographische Prognosen sicher,<br />

denn an den vorangegangenen Geburtenraten ändert sich nichts, sie reichen aber auch<br />

nicht länger als 30 Jahre in die Zukunft, so dass auch hier Szenariotechnik und<br />

Vorannahmen unabdingbar sind. In der öffentlichen Diskussion wird aber die fatalste<br />

Version zur Gewissheit – eine moderne Form „wissensbasierter“ Endzeiterwartung.<br />

Oft wird der Fachkräftemangel angesprochen, obwohl dies zumindest laut OECD in der<br />

BRD – abgesehen von schon aktuellen berufsspezifischen Ausnahmen – drastisch erst<br />

ab 2030 zu erwarten ist. Allerdings sind in Deutschland gemäß Studien der EU die<br />

Möglichkeiten zum persönlichen Wachstum in Arbeit – etwa durch weiteres berufliches<br />

Lernen, was im Alter ein wesentlicher Faktor für die Gesundheitsverträglichkeit von<br />

Arbeit ist - ausnehmend schlecht. Dies ist aber weniger wegen bevorstehender<br />

Katastrophen ein Skandal. Vielmehr ist es offenkundig widersinnig, leistungsfähige<br />

Menschen aus dem Erwerbsleben zu verbannen, bloß weil die vorherrschende<br />

Markterwartung an die Erwerbsarbeit das veränderte Leistungsprofil der erwerbsfähigen<br />

Bevölkerung ignoriert.<br />

„Kollaps der Altersversorgung“<br />

Heute beziehen mehr Menschen als früher Rente und dies länger. Aus einer Statistik der<br />

DRV-Bund (Abb. 4) ergibt sich, dass insbesondere Frauen im Jahre 2005 fast doppelt so<br />

lang bereits Rentnerinnen sind als vor 45 Jahren. Dies nährt die vorbeschriebene Sorge.<br />

Abgesehen von der beschlossenen schrittweisen Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist<br />

aber auch zu erwähnen, dass wichtige sozialpolitische Umsteuerungen nicht zwingend<br />

immer nur sehr langsam, schwer und insofern „schmerzhaft“ möglich sind. So haben die<br />

innerhalb des Jahres 2005 komplett umgesetzten Hartz-Gesetze zur Flexibilisierung des<br />

Arbeitsmarktes auch laut OECD Deutschland schlagartig wieder zu einem<br />

ausgesprochenen „zukunftsfähigen“ Gemeinwesen, sogar in Zeiten der aktuellen Finanzund<br />

Wirtschaftskrise, gemacht. Dies trotz vieler Jahre zerstörerischer Selbstkritik in<br />

Sachen „Standort Deutschland“.<br />

44


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Bis zum Jahre 2050 wird das Erwerbspersonenpotential in Deutschland gemäß OECD<br />

um ca. 7,9 Millionen sinken, entsprechend 21%. Auch wenn der Produktivitätsfortschritt<br />

hier viel auffängt, weiß niemand, welche Friktionen noch hinzukommen. Diese müssen<br />

aber nicht per se negativ sein. Kein Verantwortlicher dürfte deshalb zwar auf den<br />

Fortbestand global unbalancierter Verhältnisse setzen, dennoch darf aber die<br />

Gesellschaft weiterhin nach Wegen der Zukunftsgestaltung suchen und diese auch<br />

erproben.<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Motor der Beschäftigungsfähigkeit bis ins<br />

hohe Alter<br />

So positiv es ist, dass es neben den Herausforderungen auch noch Handlungsoptionen<br />

gibt, so bedauerlich ist die Kehrseite dessen: große Konzerne beispielsweise lassen sich<br />

ihre aktuelle Personalpolitik mitnichten von diesen Schicksalsfragen diktieren. Sie<br />

verhalten sich vielmehr oft „unvernünftig“ bzw. prozyklisch. Das BGM ist insofern<br />

keineswegs alternativlos und wird deshalb ja auch oft so „bitter ernst“ und „lockereinladend“<br />

zugleich dargestellt. Wie sollte aber die „Humanisierung der Arbeitswelt“ auf<br />

einem ständigen Siegeszug voranschreiten, wenn die Zukunft immer wieder Zwänge mit<br />

sich bringt: etwa schnell Kosten einzusparen, die Geschäftspolitik und das<br />

Produktportfolio zu ändern und gegebenenfalls auch Personal frei zu setzen. Da bedarf<br />

es weiterhin der gesetzlichen Absicherung, damit dies so sozialverträglich wie möglich<br />

geschieht und auch der Arbeitende selbst in einer flexibler werdenden Welt nicht<br />

jahrelang – innerlich und qualifikatorisch – an einem Arbeitsplatz „klebt“. Außerdem ist<br />

aber eine aktivere Funktion der Sozialleitungsträger erforderlich, wie auch einer Art<br />

„Pushfunktion“ der Fachleute, speziell auch der Betriebsärzte, die nachfolgend zu<br />

erklären sein wird.<br />

Im Windschatten des „Trommelfeuers“ für eine gute betriebliche Gesundheitsförderung<br />

findet aber eine interessante Stilbildung statt: Aus dem ständigen „Es wäre so einfach“,<br />

„Schaut auf den return on invest“ etc. resultiert eine Verabsolutierung der „weichen<br />

Faktoren“. Sie seien einerseits natürlich sehr ernst, andererseits aber mit gutem Willen<br />

und richtiger Technik leicht zu lösen. Auch hier die Monopolisierung des „psychischen<br />

Schadens“! Wird der dann, gleichsam ganz BGM-gemäß, auch noch „weggedacht“,<br />

reduziert sich Arbeit tatsächlich auf einen „beglückenden Akt der Teilhabe“. Sie hat dann<br />

nur noch schemenhaft mit existenziellem Zwang zu tun – zumindest in den Parolen und<br />

Forderungen, die auch die Politik publikumswirksam an die Arbeitgeber richtet.<br />

Unabhängig von diesen Polarisierungen im öffentlichen Diskurs ist aber – etwa im<br />

Hinblick auf Prävention – unübersehbar, dass sich die Dinge entwickeln. Die Mehrheit<br />

der Bevölkerung lebt gesünder als früher, nur in Extrembereichen kommt es zur<br />

45


Einführung zu den Hauptthemen<br />

„Entmischung“, wobei die marginalisierten Schichten zurzeit wieder zunehmen. Soweit<br />

aber Menschen über ausreichende Freiheitsgrade im Denken und Handeln verfügen,<br />

ziehen sie – auch zum Erhalt dieser Freiheit – in der Regel persönliche, im gros aber<br />

ähnliche und geeignete Konsequenzen aus den durch die Medien und vor ihren Augen<br />

multiplizierten Auseinandersetzungen. Diesem Mainstream, der auch Themen wie<br />

Aktivierung und Selbstlimitierung betrifft, passen sich dann wieder die Meinungsmacher<br />

an.<br />

Für die Arbeitswelt heißt das, dass auch sie sich weiterentwickelt, und zwar zum<br />

Positiven, von wirtschaftlichen Schwankungen abgesehen, die schon „eingerechnet“<br />

sind. Dies zeigen die vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte deutlich. Wenn aber<br />

heute speziell psychische Probleme in der Diskussion eine große Rolle spielen, dann<br />

auch, weil die Menschen sie in dieser Weise tatsächlich wahrnehmen und haben – wie<br />

immer man sie bezeichnet. Dass diese Diskussion vielfach dramatisierend und<br />

bagatellisierend zugleich geführt wird, ändert nichts daran, dass sie die Menschen<br />

weiterbringt und umgekehrt. Dies geschieht aber nicht durch ein perfektes betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement sondern durch eigene Entscheidung, durch das Herausgreifen<br />

der mich ansprechenden Botschaften (aus einem präventiven „Angebot“, das insofern<br />

natürlich auch im Betrieb in geeigneter und möglichst glaubwürdiger Weise vorhanden<br />

sein sollte).<br />

Die Frage ist also nicht, ob die Arbeitsmedizin sich aus epochalen Gründen radikal<br />

verändern muss, sondern wie die Schwerpunkte nach jahrzehntelangen Erfolgen<br />

fachärztlicher Arbeit vor Ort und in Forschung und Lehre eines medizinischen<br />

Spezialgebietes neu gesetzt werden sollten.<br />

Die Rolle des Psychischen in der Medizin – Konsequenzen für die Arbeitsmedizin<br />

In unserer westlichen Medizin war bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts Psychiatrie<br />

vorrangig ein Thema der Verwahrung und der Zwangsanwendung. Wissenschaftlich<br />

ernst zu nehmen war lediglich die Psychologie. Psychotherapie gab es noch nicht. Wie<br />

die Medizin hatte sie einen naturwissenschaftlichen Zugang, etwa in der<br />

Wahrnehmungspsychologie, bezog sich aber auf die Norm. Die Abweichung fiel hier<br />

noch schlicht aus dem Rahmen. Qualitativ entscheidend für die Verankerung in der<br />

Medizin – gegen heftigen Widerstand – war die Freudsche Psychoanalyse, in der das<br />

Psychische als physiologisches System zum „Apparat“ wurde. Die darauf aufbauende,<br />

rein verbale Kommunikation zwischen Arzt und Patient hatte deshalb einen ausdrücklich<br />

„instrumentellen“ Charakter und wurde von Freud selbst als künftig zugunsten selektiv<br />

wirksamer Psychopharmaka potentiell wegfallend angesehen.<br />

46


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Parallel und im Gefolge entwickelte sich die Psychiatrie weiter, mit einer Verfeinerung<br />

der Beobachtung und der pharmakologischen Möglichkeiten, allerdings noch weit<br />

entfernt von der Freudschen Projektion. Auch die Psychotherapie entwickelte sich weiter<br />

- anhaltend in der Polarisierung zwischen einer naturwissenschaftlich orientierten<br />

verhaltenstherapeutische Richtung und den sich zunehmend verstehend verstehenden<br />

psychoanalytischen Schulen. Dies blieb nicht ohne Folgen für den Gegenstand bzw. hat<br />

eben zu einer weiteren „Vergegenständlichung“ des Psychischen und damit auch zum<br />

Konzept therapeutisch-technischer Beeinflussbarkeit geführt. Gesprochen wird jetzt –<br />

ganz ohne Zungenbrecher – von „psychischen“ Schäden neben den somatischen. Hinzu<br />

kommt ungeprüft die Vorstellung einer ein-eindeutigen Ursache-Wirkungsbeziehung<br />

zwischen spezifisch psychotroper Schädigung und korrespondierendem psychogenem<br />

Schaden. Folgerichtig kam es so in den letzten Jahren zu einer regelrechten Invasion<br />

psychagogischer und pädagogischer Konzepte, speziell natürlich in der Sozialmedizin,<br />

wo beispielsweise ein ganzes Heft der Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“ dem<br />

„Empowerment“ gewidmet ist, welches quantifizierend und bewertend nach allen<br />

denkbaren Facetten ausgeleuchtet wird.<br />

So erlangen auch klassische Themen der Personalführung „Medizinreife“, so dass selbst<br />

in einem - ausdrücklich für Betriebsärzte und Personalverantwortliche herausgegebenen<br />

– Leitfaden des VDBW nicht nur fundierte psychosomatische Kenntnisse bei<br />

Betriebsärzten angemahnt werden, sondern man sich auch anbietet, gemeinsam – in<br />

verteilten, aus meiner Sicht aber gefährlich unscharf bleibenden Rollen – diese neuen<br />

Herausforderungen zu bewältigen. Zu dieser Diktion passen auch Ausführungen in dem<br />

Büchlein „Arbeitsmedizin – Mut zum Wandel“ von Szadkowski und von Lutterotti, wo<br />

unter anderem steht: „Medizinische Fachkenntnisse allein reichen nicht“. Der<br />

Betriebsarzt brauche insbesondere soziale Kompetenz und „betriebsspezifische<br />

Sachkenntnisse“. Was aber soll dies sein, wenn damit nicht die immer schon<br />

unverzichtbare Vertrautheit mit den vorkommenden Arbeitsprozessen gemeint ist. Es<br />

gehe um eine Öffnung in Richtung Mitverantwortung im Management. Zitiert werden<br />

Befragte, die den Betriebsarzt in leitender Verantwortung für sämtliche Fragen des<br />

Gesundheitsschutzes und des Gesundheitsmanagementes sehen.<br />

Die neue Rolle des Betriebsarztes<br />

Wenn sich gemäß DAK-Gesundheitsreport <strong>2009</strong>, gestützt durch Mitteilungen der<br />

Bundesärztekammer, 800.000 Erwerbspersonen in Deutschland regelmäßig für den Job<br />

„dopen“, sogar ca. dreimal so viel dies des Öfteren schon gemacht haben und<br />

bekanntermaßen Arzneimittelmissbrauch und Abhängigkeit ständig zunehmen, dann<br />

sind das die Menschen, die nicht nur einen misslingenden Selbstheilungsversuch<br />

47


Einführung zu den Hauptthemen<br />

unternehmen, sondern dringendst der Prävention bedürfen, zu der sie aber keinen<br />

Zugang finden, so attraktiv diese sich auch darstellt. Genau diese Menschen werden<br />

beim Qi-Gong, mit dem Apfel aus der Eingangshalle, im Ruheraum und im zwingend<br />

ambivalenten Krankenrückkehrergespräch leider nur im Ausnahmefall den Ansatz finden,<br />

der ihnen zurück hilft auf einen Weg der Bewältigung. Wenn aber psychische<br />

Belastungen zugenommen haben, so heißt das nichts anderes, als dass noch viel mehr<br />

Menschen, als wir es wissen, mit solchen Krisen unerkannt am Arbeitsplatz präsent sind,<br />

die sich niemals im BGM „outen“ werden, an denen das BGM in der Regel also immer<br />

vorbei geht.<br />

Das spricht nicht gegen das BGM. In einer Arbeitsgesellschaft aber – auf dem in<br />

Deutschland erreichten Niveau – bleibt es gerade deshalb unabdingbar, einen von<br />

betriebswirtschaftlichen Handlungstakten unabhängigen, für diese existenziellen Krisen<br />

professionell zuständigen, gut ausgebildeten Ansprechpartner zu haben – also das in der<br />

Menschheitsgeschichte herausgearbeitete Gegenüber kranker Menschen, den Arzt und<br />

die Ärztin! Dies gilt auch für den nicht vorrangig kurativen Betriebsarzt, denn er ist vor Ort<br />

und keineswegs nur der „Vertrauensarzt“ seines Dienstherrn. Nur so hat er nämlich<br />

Zugang zu den im Betrieb Arbeitenden. Ohne diese Grundlage kann auch kein BGM<br />

funktionieren und dies ist sein Hauptbeitrag dazu. Nur der unabhängige Arzt kann im<br />

Betrieb Menschen im Dialog empfänglich machen für vorhandene Angebote und Hilfe.<br />

Nur hieraus ergeben sich auch Hinweise für betriebsspezifische Bedarfe!<br />

Wir sollten deshalb keiner modernistischen „Ergebnisorientierung“ verfallen. Die banale<br />

Logik einer „Win-Win-Situation“ – dass eben gesunde Mitarbeiter auch gut arbeiten und<br />

ein dadurch erfolgreicher Betrieb deshalb auch seine Mitarbeiter gesund erhalten will und<br />

kann – lässt mitnichten die Interessen der Beteiligten zusammenfallen. Effiziente<br />

Prävention ist ja gerade wegen der Verwerfungen und Chronifizierung nötig, die sich nun<br />

einmal auch im Zuge abhängiger Positionen ergeben. Zusammengehörigkeit im Betrieb<br />

ist möglich und wichtig, sie wird aber immer wieder nur durch den bestmöglichen, nie<br />

aber kompletten Interessensausgleich erworben. Gesundheit, Leistungsfähigkeit und<br />

Zufriedenheit der Mitarbeiter ist selbstverständlich ein Ziel betriebsärztlicher Tätigkeit,<br />

nicht aber ein mit allen geeigneten Mitteln zu verfolgender „Management-Benchmark“.<br />

Geringere Fehlzeiten sind vorrangig in qualitativer Hinsicht Ergebnis auch guter<br />

betriebsärztlicher Versorgung. Dies lässt sich aber nicht umstandslos quantifizieren,<br />

sondern nur durch nachhaltige Beobachtung bestätigen.<br />

48


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Schlussfolgerungen<br />

1. Die Frage im Thema ist rhetorisch. Chronisch kranke Menschen werden in Zukunft<br />

immer länger arbeiten. Dies wird möglich durch Prävention und eine<br />

gesundheitsgerechtere Arbeitswelt, die sich nach Maßgabe der Möglichkeiten im<br />

gesellschaftlichen Konsens weiterentwickelt. Dies passiert nicht automatisch, sondern<br />

benötigt – neben einem guten betrieblichen Gesundheitsmanagement – vor allem auch<br />

ein insgesamt präventiver ausgerichtetes Gesundheitswesen. „Völlig neue Antworten“<br />

auf „völlig neue Herausforderungen“ sind nicht erforderlich!<br />

2. Die Arbeitsmedizin und die Betriebsmedizin haben die Aufgabe, diesen Prozess zu<br />

unterstützen, indem sie – dem Wandel der Arbeitswelt entsprechend – insbesondere<br />

mehr psychosomatische „Früherkennungskompetenz“ entwickeln. Sie benötigt aber<br />

keinen „Methodenwechsel“ und keinen grundlegend anderen „Aufgabenzuschnitt“.<br />

Zusätzliches Engagement im betrieblichen Gesundheitsmanagement ist unabdingbar,<br />

darf sich aber weder zeitlich noch fachlich zu Lasten der klassischen<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge etablieren.<br />

3. Die zunehmende Aufgabe, als Arzt gegenüber Patienten/Probanden/Ratsuchenden<br />

einen Zuwachs an Gesundheitskompetenz zu fördern, verlangt eine neue Qualität<br />

interkollegialer Kooperation – speziell zwischen Kuration, betriebsärztlicher Tätigkeit und<br />

praktischer Sozialmedizin bei den Sozialleistungsträgern. Die Sozialversicherungszweige<br />

dürfen nicht mehr nur auf die veränderten Anforderungen einer älter werdenden<br />

Bevölkerung reagieren, sondern müssen aufsuchend ihren Service im<br />

trägerübergreifenden Netzwerk erbringen, wie dies auch dem Paradigmenwechsel des<br />

Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe) entspricht.<br />

Ausblick<br />

Es geht um einen neuen ärztlichen „Instrumentenkoffer“. Integration in Arbeit und<br />

Gesellschaft sowie Integrationserhalt bedeuten nie nur Protektion, sondern auch<br />

Fordern. Pflichten kann aber nur der Mensch in Not nachkommen, der hierfür Wege sieht<br />

und Hilfe zur Selbsthilfe bekommt. Bei nicht mehr üppigen Transfers sind viele<br />

Menschen kooperationsbereiter, als die Öffentlichkeit dies wahrnimmt. Den dann<br />

dennoch erforderlichen „Druck“ bauen im Betrieb Personalverantwortliche und im<br />

Jobcenter die Vermittler auf, nie aber der Arzt! Der muss Potentiale aufzeigen und den<br />

Betroffenen vertraulich auch mit unbequemen Zumutbarkeiten konfrontieren. Gerade<br />

ärztliche Gutachter wünschen sich aber oft mehr Durchgriff über Trägergrenzen hinweg,<br />

übersehen dabei allerdings, dass im gelegentlich schwerfälligen gegliederten System seit<br />

49


Einführung zu den Hauptthemen<br />

über 100 Jahren ein kontinuierlicher Ausgleich zwischen Anpassungsdruck und den<br />

Interessen der Versichertengemeinschaft und der Versicherten stattfindet. Dies ist auch<br />

ein Schutz vor Fehlentwicklungen und politischer Instrumentalisierung auch der<br />

Fachleute! Dies lässt außerdem durchaus eine souveräne und nicht nur kraftlose<br />

Betreuung im Einzelfall zu, wobei gerade die neue (?) Soziotechnik des „Case-<br />

Management“ ihre Legitimation eigentlich nur der immer noch ärgerlich schlechten<br />

Durchlässigkeit der Hilfesysteme infolge mangelnder trägerübergreifender Kooperation<br />

verdankt.<br />

Die zielführende, personenzentrierte, interkollegiale Kooperation der Ärzte – mit<br />

Zustimmung und unter Beteiligung des Betroffenen, der in der Regel durch eine Person<br />

seines Vertrauens gut zu motivieren ist – und die konsequente ärztliche Systemberatung<br />

unserer Institutionen und der Politik, aus einer Position der Unabhängigkeit heraus, kann<br />

hier weiterhelfen. Dadurch festigen wir auch unsere Rolle als Ärzte und befähigen uns für<br />

die beschriebenen Herausforderungen der Zukunft.<br />

Abb.1<br />

50


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Abb.2<br />

Abb. 3<br />

51


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Abb. 4<br />

52


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Unfallprävention und arbeitsmedizinische Vorsorge<br />

Dr. med. Michael Nasterlack<br />

Aus der Abteilung Occupational Medicine & Health Protection der BASF SE, Ludwigshafen, (Direktor: Dr.<br />

Stefan Lang)<br />

Arbeitsunfallstatistiken enthalten vielfältige Angaben über die Tätigkeit, die zum<br />

Unfallzeitpunkt ausgeübt wurde, die betroffenen Körperteile, die Verletzungsschwere, die<br />

resultierende Dauer von Arbeitsunfähigkeit u.v.m. Als externe begünstigende Faktoren<br />

werden beispielsweise rutschige Oberflächen, defekte Maschinen, Werkzeuge oder<br />

Hilfsmittel, organisatorische Mängel wie Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen,<br />

verstellte Verkehrswege oder behinderte Sicht untersucht und genannt. Um die<br />

vorliegende Fragestellung bearbeiten zu können, sind jedoch andere, überwiegend in<br />

der Person der Verunfallten liegende Risikofaktoren zu betrachten. „Alle Krankheiten, die<br />

zur Reduktion der psychophysischen Leistungsfähigkeit führen können, kommen als<br />

Unfallursache in Betracht“ (Karger et al. 2003).<br />

Hierbei sollen folgende Fragen gestellt werden:<br />

Was wissen wir über intrapersonale Risikofaktoren für Arbeitsunfälle?<br />

Welche davon sind durch Vorsorgeuntersuchungen erkennbar?<br />

Sind diese der Intervention („Vorsorge“) zugänglich?<br />

Sind positive Einflüsse solcher Interventionen auf die Unfallzahlen aus der<br />

Literatur belegbar?<br />

Es ist nicht einfach, quantitative Informationen über intrapersonale Faktoren zu erhalten,<br />

welche die Entstehung von Arbeitsunfällen begünstigt haben. Diese werden durch die<br />

Versicherungsträger in der Regel nicht retrospektiv analysiert, nicht zuletzt, um den<br />

Eindruck von Schuldzuweisungen post factum gar nicht erst aufkommen zu lassen.<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen zur Bedeutung dieser intrapersonalen Risikofaktoren<br />

liegen überwiegend in Bezug auf häusliche und Verkehrsunfälle vor; ihre Ergebnisse sind<br />

nicht ohne weiteres auf die Situation an Arbeitsplätzen übertragbar. Dennoch kennen wir<br />

aus einigen Studien, zumeist im Fall-Kontrolldesign, eine Reihe von solchen<br />

Risikofaktoren.<br />

Visus<br />

Die meisten Studien zur Bedeutung einer eingeschränkten Sehfähigkeit für das<br />

Unfallrisiko liegen aus dem häuslichen Bereich und bei älteren Personen vor. Die<br />

53


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Datenlage aus der Arbeitswelt ist hingegen bemerkenswert übersichtlich und nicht sehr<br />

beeindruckend.<br />

In einer Übersicht berichteten Palmer et al. (2008) von 4 Fall-Kontrollstudien, 4<br />

Querschnittsstudien und 2 Kohortenstudien, in denen überwiegend nicht signifikante<br />

relative Risiken bzw. OR zwischen ca. 0.5 und 1.5 im Zusammenhang mit „Brille tragen“,<br />

„selbstberichtetes schlechtes Sehen“ oder „medizinische Diagnose einer Augenkrankheit<br />

(ICD 360-379)“ gefunden wurden.<br />

Dem gegenüber stehen Einschätzungen zur Bedeutung einer verminderten Sehfähigkeit<br />

für allgemeine Verkehrsunfälle. Nach Erhebungen des SOV (Schweizer Optikverband)<br />

und Studien des Instituts für Demoskopie in Allensbach sollen gut 20-30% aller<br />

Verkehrsteilnehmer „zu schlecht sehen“ und keine oder nur unzureichende Sehhilfen<br />

tragen. Der ADAC und das Kuratorium Gutes Sehen, Deutschland, zitieren den<br />

Bundesverband der Deutschen Augenärzte, nach dem 300.000 Verkehrsunfälle (ca. 7<br />

%) pro Jahr auf schlechtes Sehen zurückzuführen sein sollen.<br />

Hörfähigkeit<br />

Palmer et al. (2008) fanden 5 Fall-Kontrollstudien, 7 Querschnittsstudien und 3<br />

Kohortenstudien, die „selbstberichtetes schlechtes Hören“ (mit oder ohne Hörgerät),<br />

„audiometrisch gemessenen Hörverlust“ oder „ärztlich festgestellte Schwerhörigkeit“<br />

beurteilen. Die assoziierten Risikoerhöhungen lagen zumeist zwischen 1.5 bis 2.0, bei<br />

Subgruppenanalysen bis ca. 4.0. Insbesondere in einer lauten Umgebung könnten<br />

Risiken noch beträchtlicher erhöht sein (Viljoen et al. 2006, zit. n. Palmer et al. 2008).<br />

Adipositas<br />

Bei Arbeitern in acht Aluminium-produzierenden Betrieben in den USA zwischen 2002<br />

und 2004 korrelierte ein erhöhter BMI, adjustiert auf eine Vielzahl von Kovariablen, mit<br />

der Unfallhäufigkeit (Pollack et al. 2007). Leichtes Übergewicht (BMI 25 - 29.9) war mit<br />

einem OR von 1.26, ein BMI von 30 - 39.9 mit OR 1.54 und erhebliches Übergewicht<br />

(BMI > 40) mit einem OR von 2.21 assoziiert. Demgegenüber korrelierte bei Craig et al.<br />

(2006) der BMI negativ mit dem Unfallrisiko („desirable BMI range“: OR 10.05, und<br />

„grade one obesity range“: OR 6.67) gegenüber den Fettleibigen als Referenzkategorie.<br />

Allerdings war auch in dieser Studie der Körperfettanteil (niedrig = Referenz, mittel OR<br />

1.4, hoch OR 2.7) ein Prädiktor der Unfallhäufigkeit.<br />

„Andere Krankheiten“<br />

Palmer et al. (2008) fanden für ihre Übersicht nur wenige Studien zu Epilepsie, Allergie,<br />

Depression, Neurosen und Psychosen. Sie folgerten: „On balance, we assessed the<br />

54


Einführung zu den Hauptthemen<br />

evidence as favouring a higher risk of injury in those with emotional problems, while not<br />

firmly establishing this to be so”. Für Diabetes und Epilepsie fanden sie “although<br />

consistent with a small increase in risk, … limited evidence base on which to draw<br />

conclusions”. Letzteres erscheint nicht sehr verwunderlich, da die Diagnose Epilepsie in<br />

der Regel bekannt ist und (außer vor einer Erstmanifestation) bereits zu<br />

Vorsorgemaßnahmen am Arbeitsplatz geführt hat. In einer neuen Studie fanden Sprince<br />

et al. (2008) das Risiko für einen Arbeitsunfall bei „Vorliegen der Diagnose Diabetes“ auf<br />

1.18 (0.86 - 1.61) und bei „Behandlung mit Insulin“ auf 1.61 (1.00 - 2.60) erhöht. Bei<br />

„Behandlung mit Tabletten“ war es tendenziell mit 0.75 (0.46 - 1.21) vermindert. „Keine<br />

Behandlung“ eines Diabetes war jedoch mit einem signifikant erhöhten Risiko von 1.87<br />

(1.01 - 3.47) assoziiert.<br />

Alkohol<br />

Die generelle Geeignetheit von akutem und chronischem Alkoholkonsum, das<br />

Unfallrisiko zu erhöhen, muss wohl kaum hinterfragt werden. Die relative<br />

Wahrscheinlichkeit eines Sturzes oder Verkehrsunfalls ist bei einem Blut-Alkoholspiegel<br />

von 0,5 bis 1,0 ‰ verdreifacht, zwischen 1,0 und 1,5 ‰ verzehnfacht und erhöht sich<br />

darüber auf das ca. 40 - 60-fache (Borkenstein et al., The Grand Rapids Study, 1974;<br />

Honkanen et al., J. Stud. Alcohol, 1983; zit. nach Hein et al. 1989). Da auch die<br />

Unfallschwere unter Alkoholeinfluss (wegen beeinträchtigter Schutzreflexe) erhöht ist, ist<br />

der Effekt in der Praxis noch relevanter (Hein et al. 1989). Nach Angaben der<br />

Haftpflichtversicherer in Deutschland soll ca. jeder vierte schwere Verkehrsunfall auf<br />

Alkohol zurückzuführen sein. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland 603 Personen bei<br />

alkoholbedingten Verkehrsunfällen getötet, das waren 11 % aller Verkehrstoten.<br />

Im Gegensatz zu den relativ gut belegten Zahlen aus dem Straßenverkehr liegen aus der<br />

Arbeitswelt keine belastbaren Angaben zur Rolle von Alkoholkonsum bei der Entstehung<br />

von Arbeitsunfällen vor.<br />

Rauchen:<br />

Ein in Studien vergleichsweise häufig gefundener Risikofaktor ist der Zigarettenkonsum.<br />

Craig et al. (2006) finden bei Rauchern und Ex-Rauchern eine signifikante OR von 1.8 im<br />

Vergleich zu Nie- Rauchern und zitieren eine Reihe von weiteren Studien mit ähnlichen<br />

Ergebnissen (Cady et al., 1985; Tsai et al., 1992; Lahad et al., 1994; Reynolds et al.,<br />

1994; Sacks and Nelson, 1994; McSweeney et al., 1999; zit. n. Craig et al. 2006). Auch<br />

bei der Analyse der „BASF Schichtkohorte“ finden wir einen solchen signifikanten, wenn<br />

auch geringer ausgeprägten Zusammenhang mit einer OR von 1.23 (Ott et al. <strong>2009</strong>).<br />

Abgesehen vom Risiko, welches mit der Handhabung eines brennenden Gegenstandes<br />

55


Einführung zu den Hauptthemen<br />

ohnehin verbunden ist, ist es auch plausibel und aus zahlreichen Unfallberichten<br />

belegbar, dass allein das Halten einer Zigarette in bestimmten Situationen die<br />

Handnutzung zur Vermeidung eines drohenden Unfalls einschränkt oder verzögert.<br />

Zusätzlich zu diesen „mechanistischen“ Erklärungen ist aber eine Verbindung zwischen<br />

Rauchverhalten und einer anderen, unfallträchtigen Persönlichkeitseigenschaft zu<br />

nennen: die Risikobereitschaft („risk taking behaviour“).<br />

Risikobereitschaft<br />

In der Studie von Craig et al. (2006) war „häufiges Überschreiten der<br />

Geschwindigkeitsbegrenzung“ um 6 - 10 mph mit einer OR von 2.4, um > 11 mph sogar<br />

mit einer OR von 4.0 assoziiert. Eine weitere Assoziation, „Jagen oder Fischen in der<br />

Freizeit“, wurde von den Autoren mangels besserer Erklärung auch als Ausdruck von<br />

Risikobereitschaft interpretiert. In einer anderen Studie war im gleichen Sinne<br />

„Risikobereitschaft in der Freizeit“, beispielsweise beurteilt anhand „Nutzung des<br />

Sicherheitsgurtes bei weniger als 90 % der Fahrten“ oder „Motorradfahren in der<br />

Freizeit“, ein signifikanter Prädiktor des Arbeitsunfallrisikos (Forrester et al. 1996).<br />

Andere Faktoren<br />

Eine angstgeprägte Betriebskultur und empfundene fehlende Fürsorge der Mitarbeiter<br />

wirken sich ungünstig auf die Unfallzahlen aus. Arbeiterinnen auf Geflügelfarmen, die<br />

über Schikanen („retaliatory supervision“) durch Vorgesetzte berichten, hatten ein<br />

erhöhtes Risiko (OR 1.31, 1.13 - 1.53) für Arbeitsunfälle (Marin et al. <strong>2009</strong>).<br />

Auf der anderen Seite kann eine Betriebskultur der Aufmerksamkeit („near misses“ und<br />

„minor injuries“ werden gemeldet und dokumentiert) instrumental für das<br />

Bewusstmachen von unfallgeneigten Situationen werden. Alamgir et al. (<strong>2009</strong>) zeigten,<br />

dass die zugrunde liegenden Ursachen und Verhaltensweisen bei „near misses“ und<br />

schweren Unfällen ähnlich sind und liefern damit eine empirische Rechtfertigung der<br />

„Unfallpyramide“ und der daraus abgeleiteten präventiven Maßnahmen des<br />

Arbeitsschutzes.<br />

Gehen diese Erkenntnisse gezielt in die arbeitsmedizinische Vorsorge ein?<br />

Fast alle genannten Faktoren sind grundsätzlich medizinisch diagnostizierbar. Sie sind<br />

zumindest theoretisch einer Intervention und damit der arbeitsmedizinischen Vorsorge<br />

zugänglich. Voraussetzung ist allerdings, dass sich diese Vorsorge nicht in einem<br />

Abarbeiten gesetzlicher Vorschriften erschöpft, sondern Teil einer präventiv orientierten,<br />

sicherheits- und gesundheitsbewussten Firmenkultur ist. Hierzu zählt auch, dass aus<br />

56


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Untersuchungsergebnissen sowohl im Einzelfall als auch auf Gruppenbasis<br />

Konsequenzen gezogen werden.<br />

Am Beispiel des immer wieder kontrovers diskutierten berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsatzes G25 lässt sich dieses drastisch illustrieren. Aus dem Umstand, dass diese<br />

Untersuchung keine gesetzliche Grundlage habe, wird häufig gefolgert, dass eine ggf.<br />

resultierende Nicht-Eignung auch nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des betroffenen<br />

Arbeitnehmers an das zuständige Management kommuniziert werden dürfe. Ohne diese<br />

Diskussion an dieser Stelle juristisch kompetent führen zu können, halte ich doch diese<br />

Argumentation vor dem Hintergrund einer eventuellen Fremdgefährdung nicht für<br />

überzeugend. Die Entscheidung eines Arztes, ob er beispielsweise einen Arbeitnehmer<br />

mit erheblich eingeschränktem Visus in einem Hochregallager einen Gabelstapler fahren<br />

lässt, muss sich immer an der „Gretchenfrage des Arbeitsschutzes“ messen lassen:<br />

„Würde ich an diesem Arbeitsplatz meinen Sohn oder meine Tochter arbeiten lassen?“ In<br />

einer vernünftigen Betriebskultur kann es hier kein Dilemma geben, und in einer<br />

unvernünftigen greifen Fürsorgepflicht und Schutz von Leben und Gesundheit Dritter.<br />

In der neuen Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) kommt der<br />

Begriff „Unfall“ oder gar „Unfallprävention“ jedoch nicht einmal vor. Sie beschränkt sich in<br />

ihrem Vorsorgebegriff (§ 2 Abs. 2) allerdings auch ausdrücklich auf „Früherkennung<br />

arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie … Feststellung, ob bei Ausübung einer<br />

bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht.“ Diese<br />

gesundheitliche Gefährdung bezieht sich ausschließlich auf den Arbeitenden, seine<br />

Kollegen finden in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung. Folglich bezieht sich<br />

auch die Maßgabe in § 6 Abs. 3: „Nur im Falle einer Pflichtuntersuchung erhält der<br />

Arbeitgeber eine Kopie der Bescheinigung [des Untersuchungsergebnisses]“ nur auf<br />

dieses Schutzgut der Gesundheit des Mitarbeiters selbst. Da Eignungsuntersuchungen<br />

nach verschiedenen Kommentaren nicht Gegenstand dieser Verordnung sind, kann auch<br />

ein Übermittlungsverbot an den Arbeitgeber für die Beurteilung „gesundheitliche<br />

Bedenken“ nach diesen Grundsätzen nicht aus der ArbMedVV abgeleitet werden.<br />

Angesichts der bestehenden erheblichen Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der<br />

Durchführung und Weitergabe von Ergebnissen von Eignungsuntersuchungen wäre es<br />

aber zu begrüßen, wenn der Verordnungsgeber diese Lücke, sei es durch eine Änderung<br />

der ArbMedVV oder durch eine andere Verordnung, baldmöglichst schließen würde.<br />

Ist nun eine Reduktion von Unfallzahlen durch arbeitsmedizinische Vorsorge belegbar?<br />

Schichtarbeiter werden in der BASF häufiger untersucht als Tagarbeiter. In einer großen<br />

retrospektiven Analyse von Unfallzahlen und Akutkrankheiten in der „BASF<br />

Schichtkohorte“ war als Nebenbefund aufgefallen, dass Schichtarbeiter weniger Unfälle<br />

57


Einführung zu den Hauptthemen<br />

hatten als Tagarbeiter (adjustiert für Alter, Berufsdauer, Art der Tätigkeit und<br />

Sozialstatus) (Ott et al. <strong>2009</strong>). In einem erweiterten Modell, welches das Ergebnis der<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen einschloss, war die arbeitsmedizinisch<br />

beurteilte Einsatzfähigkeit in den bekannten Kategorien „keine gesundheitliche<br />

Bedenken“, „bestimmte Voraussetzungen“, „befristete gesundheitliche Bedenken“ ein<br />

unabhängiger Risikofaktor für die Unfallhäufigkeit mit einem Hazard Ratio von 1.13 (1.03<br />

- 1.23) je Stufe.<br />

Wir halten dies explizit nicht für einen belastbaren Beweis für die Reduktion von<br />

Unfallzahlen durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen! Wir glauben aber,<br />

dass in einer Betriebskultur, in der eine von der Verantwortung für die Mitarbeiter<br />

bestimmte präventivmedizinische und sicherheitsbewusste Sichtweise von allen<br />

Beteiligten getragen wird, die konsequente Umsetzung von Erkenntnissen aus<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen zur Unfallvermeidung beiträgt.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Ein monokausaler Zusammenhang zwischen dem Faktum „arbeitsmedizinische<br />

Vorsorge wird durchgeführt“ einerseits sowie Unfallhäufigkeit und -schwere<br />

andererseits ist weder aus der Literatur belegbar noch plausibel.<br />

Dass arbeitsmedizinische Vorsorge zur frühzeitigen Aufdeckung von<br />

Risikofaktoren für Unfälle führen kann, ist plausibel.<br />

Wenn als Ausdruck eines hohen betrieblichen Sicherheits- und<br />

Gesundheitsbewusstseins hieraus Konsequenzen durch Prävention und<br />

Intervention gezogen werden, wird dies wahrscheinlich zur Vermeidung von<br />

Unfällen beitragen.<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen werden bisher vom Gesetzgeber<br />

nicht als Instrument der Unfallprävention aufgefasst. Dies sollte im Interesse einer<br />

verbesserten Rechtssicherheit und zur Verbesserung der Arbeitssicherheit<br />

geändert werden.<br />

Literatur<br />

Alamgir H, Yu S, Gorman E, Ngan K, Guzman J (<strong>2009</strong>) Near miss and minor<br />

occupational injury: does it share a common causal pathway with major injury? Am J Ind<br />

Med 52:69-75<br />

Craig BN, Congleton JJ, Kerk CJ, Amendola AA, Gaines WG (2006) Personal and nonoccupational<br />

risk factors and occupational injury/illness. Am J Ind Med 49:249-260<br />

Forrester BG, Weaver MT, Brown KC, Phillips JA, Hilyer JC (1996) Personal health-risk<br />

predictors of occupational injury among 3415 municipal employees. J Occup Environ<br />

Med 38:515-521<br />

58


Einführung zu den Hauptthemen<br />

Hein PM, Schulz E (1989) Sturz und Alkoholbeeinflussung. Med Sach 85:39-41<br />

Karger B, Brinkmann B, Madea B (2003) Handbuch gerichtliche Medizin, Springer<br />

Lehtola MM, Rautiainen RH, Day LM, Schonstein E, Suutarinen J, Salminen S, Verbeek<br />

JH (2008) Effectiveness of interventions in preventing injuries in agriculture - a<br />

systematic review and meta-analysis. Scand J Work Environ Health 34:327-336<br />

Marin AJ, Grzywacz JG, Arcury TA, Carrillo L, Coates ML, Quandt SA (<strong>2009</strong>) Evidence<br />

of organizational injustice in poultry processing plants: possible effects on occupational<br />

health and safety among latino workers in North Carolina. Am J Ind Med 52:37-48<br />

Ott MG, Oberlinner C, Lang S, Hoffmann G, Nasterlack M, Pluto R-P, Trauth B, Messerer<br />

P, Zober A (<strong>2009</strong>) Health and safety protection for chemical industry employees in a<br />

rotating shift system: program design and acute injury and illness experience at work. J<br />

Occup Environ Med 51:221-231<br />

Palmer KT, Harris EC, Coggon D (2008) Chronic health problems and risk of accidental<br />

injury in the workplace: a systematic literature review. Occup Environ Med 65:757-764<br />

Pollack KM, Sorock GS, Slade MD, Cantley L, Sircar K, Taiwo O, Cullen MR (2007)<br />

Association between body mass index and acute traumatic workplace injury in hourly<br />

manufacturing employees. Am J Epidemiol 166:204-211<br />

Sprince NL, Pospisil S, Peek-Asa C, Whitten PS, Zwerling C (2008) Occupational injuries<br />

among workers with diabetes: the national health interview survey, 1997-2005. J Occup<br />

Environ Med 50:804-808<br />

59


V01<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Diabetes mellitus und Fahrtüchtigkeit<br />

Kurt Rinnert<br />

AMD, Arbeitsmedizinischer Dienst der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft<br />

Diabetes mellitus und Fahreignung<br />

Die Gewährleistung der Mobilität hat in unserer Gesellschaft, in der Freizeit und vor<br />

allem im Berufsleben einen hohen Stellenwert. Für viele Berufstätige mit Diabetes<br />

mellitus ist Mobilität bedeutsam, um einen Arbeitsplatz zu erlangen oder zu erhalten.<br />

Ebenso ist der Erhalt der Fahrerlaubnis für alle Berufskraftfahrer mit Diabetes mellitus<br />

von existenzieller Bedeutung.<br />

Der Diabetes mellitus kann aufgrund krankheitsbedingter Komplikationen oder<br />

therapiebedingter Nebenwirkungen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in<br />

unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigen sowie aus arbeitsmedizinischer Sicht zu<br />

Einschränkungen der Berufstauglichkeit bei Fahr- und Steuertätigkeiten führen.<br />

Die Rechtsgrundlagen zur Beurteilung der Kraftfahrereignung finden sich in der<br />

Fahrerlaubnisverordnung und den zugehörigen Begutachtungsleitlinien, die<br />

rechtlichen Grundlagen für arbeitsmedizinische Beratung, Untersuchung und<br />

Beurteilung finden sich im Arbeitssicherheitsgesetz, im Arbeitsschutzgesetz, in den<br />

Unfallverhütungsvorschriften sowie u. a. in dem berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsatz G 25 für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bei Fahr-, Steuerund<br />

Überwachungstätigkeiten und in weiteren betriebsspezifischen Richtlinien.<br />

Die Fahrerlaubnisverordnung und die genannten Vorschriften und Empfehlungen<br />

schließen das Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 und auch 2 für Menschen<br />

mit Diabetes, auch unter Insulinbehandlung, nicht grundsätzlich aus. Dabei sind<br />

jedoch die in den verschiedenen Regelungen genannten Eignungsvoraussetzungen<br />

zu erfüllen, wie z. B. in der Anlage 4 der FEV ausgeführt.<br />

Die individuelle Beurteilung arbeitsplatzbezogener Risiken und Ressourcen bei der<br />

arbeitsmedizinischen Bewertung von Menschen mit Diabetes mellitus schafft die<br />

Möglichkeit einer differenzierten Beratung im Einzelfall. Das individuelle Risiko für das<br />

Auftreten von Akutkomplikationen – insbesondere Hypoglykämien verschiedener<br />

Schwere - am Arbeitsplatz oder bei der Fahrt wird u. a. beeinflusst durch:<br />

60


V01<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Bedingungen des Arbeitsplatzes und der Fahrtätigkeit,<br />

Art und Dauer des Diabetes mellitus,<br />

Therapiekonzept,<br />

Suffizienz der Behandlung,<br />

Selbstbehandlungskompetenz,<br />

Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle.<br />

Zu beachten ist, dass alle genannten Punkte durch geeignete Intervention modifiziert<br />

werden können, also keineswegs statisch sind. Beurteilungsrelevant sind daher auch<br />

Kompensationsmöglichkeiten (Berufserfahrung, reflektierter vorausschauender<br />

Umgang mit gesundheitlichen Risiken am Arbeitsplatz, Hypoglykämiewahrnehmungstraining,<br />

Therapieumstellung, Dosisanpassung, Schulung, qualifizierte<br />

diabetologische Betreuung) bei den vorliegenden individuellen Risiken<br />

(Hypoglykämiegefährdung, Folgeerkrankungen, Qualität der Stoffwechseleinstellung).<br />

Eine vom Ausschuss Soziales der DDG entwickelte Checkliste „Diabetes und<br />

Arbeitsplatz“ kann zur Risikobewertung und -minderung auch hinsichtlich der<br />

Fahreignung eingesetzt werden (modifiziert nach: Empfehlungen zur Beurteilung<br />

beruflicher Möglichkeiten bei Personen mit Diabetes mellitus, Deutsche Diabetes-<br />

Gesellschaft 2007).<br />

61


V01<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

D I A B E T E S U N D A R B E I T S P L A T Z<br />

Checkliste für Betriebsärzte und Diabetologen<br />

So können Betriebsärzte und Diabetologen prüfen, ob ein Diabetiker<br />

für einen risikoreichen Arbeitsplatz geeignet ist:<br />

1. Nachweisbare Zusammenarbeit von Patient, Hausarzt/Diabetologen und<br />

Betriebsarzt?<br />

• Who is who?<br />

• Betreuung durch oder mit Diabetologen DDG?<br />

2. Gute Stoffwechseleinstellung (Blutzucker- und HbA1c)?<br />

• entsprechend den vereinbarten Zielwerten (Diabetologe/Diabetespaß)<br />

• ggf. Sonderuntersuchung Ergo + CGMS (in besonderen Fällen)<br />

3. Blutzuckerselbstmessung und Dokumentation?<br />

• plausible Messprotokolle im Blutzuckertagebuch<br />

4. Gibt es die Möglichkeit, am Arbeitsplatz den Blutzucker zu messen und<br />

Insulin zu spritzen?<br />

5. Arbeitet der Patient bei der Behandlung gut und zuverlässig mit?<br />

• belastungsadaptiertes Therapiekonzept<br />

6. Hat der Patient eine geeignete Schulung besucht?<br />

• Schulung gemäß DDG-Leitlinie<br />

• Hypowahrnehmungstraining (HYPOS®)<br />

7. Bestätigen die beteiligten Ärzte, dass keine relevanten Folgeschäden<br />

vorliegen und es bislang zu keinen schweren Unterzuckerungen gekommen ist?<br />

Stellungnahme Facharzt (Diabetologe/Internist, Augenarzt, Neurologe):<br />

• Diabetesdauer<br />

• Dauer und Art der Behandlung<br />

• Qualität der Einstellungen<br />

• Folgeerkrankungen (Status und Prognose)<br />

• ab 10 J. Diabetesdauer: Untersuchung auf autonome Neuropathie,<br />

Herzfrequenzvariabilität<br />

8. Wissen Arbeitgeber und Kollegen im Notfall, was zu tun ist?<br />

9. Besteht bei leichten Unterzuckerungen Gefahr für Dritte?<br />

• Dauer der Berufstätigkeit<br />

• Berufserfahrung<br />

• Konkretisierung beruflicher Einsatz (Differenzierung!)<br />

• ggf. Arbeitsplatztraining mit Awareness-Protokoll<br />

10. Kann die Arbeit unterbrochen werden, falls die Therapie angepasst werden<br />

muss, zum Beispiel bei Unterzuckerung?<br />

11. Wird der Patient alle 6 bis 12 Monate von einem Arbeitsmediziner und<br />

Diabetologen untersucht?<br />

62


V01<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

12. Wird das Unternehmen sorgfältig mit arbeitsmedizinischen Informationen<br />

durch den Betriebsarzt versorgt?<br />

63


V02<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Musik beim Autofahren - Unfallrisiko erhöht oder Fahrleistung<br />

verbessert?<br />

Britta Husemann, Isabel Löffler, Alexander Mentel, Katharina Fella, Bernd Rossbach, Stephan<br />

Letzel<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Einleitung<br />

1,5 Mrd. Personenkilometer werden in Deutschland täglich mit einem PKW zurück<br />

gelegt. 29% davon stehen in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung (21%<br />

Arbeitswege 8% Dienstreisen u. ä.) [1]. Im Jahr 2007 starben 4970 Personen im<br />

Straßenverkehr 431.500 wurden verletzt [2].<br />

90% aller Autofahrer hören beim Autofahren Musik [3]. Die Wirkung der Musik wird<br />

kontrovers diskutiert: Einerseits wird ihr ein leistungssteigernder [4] und<br />

stressreduzierender Effekt nachgesagt [5], andererseits wird angenommen, dass Musik<br />

Aufmerksamkeitsressourcen in Anspruch nimmt und daher zu Leistungseinbußen im<br />

kognitiven Bereich führen kann. Kognitive Beeinträchtigungen durch Stress wurden<br />

beschrieben [6]. Dabei hat Stress einen negativen Einfluss auf<br />

Aufmerksamkeitsprozesse (Tunnel-Hypothese) [7, 8], auf die Gedächtnisleistung [9],<br />

Entscheidungsfindung und Beurteilung [10] und psychomotorische Leistungen<br />

(Autofahren) [11].<br />

Beim Autofahren ist eine Abnahme der Leistung kritisch, da sie zu verminderter<br />

Verkehrssicherheit führen kann. Dabei können sowohl die Unterforderung in monotonen<br />

Fahrsituationen wie die Überbeanspruchung durch anspruchsvolle Fahrsituationen<br />

negative Auswirkungen auf die Fahrleistung haben.<br />

Die Wirkung von Musik in dieser sicherheitsrelevanten Situation ist von großer<br />

praktischer Bedeutung, da ein potentieller Musikeffekt sowohl Fahrleistung steigern oder<br />

auch beeinträchtigen könnte. Beides wäre von allgemeinem und insbesondere auch<br />

arbeitsmedizinischem Interesse.<br />

Das Ziel der hier vorgestellten experimentellen Untersuchung ist, die Ermittlung des<br />

Effektes von Musik auf Fahrleistung und Beanspruchung während einer simulierten<br />

Autofahrt in einer beanspruchenden Situation.<br />

Fragestellung<br />

Beeinflusst Musik die kognitive Leistungsfähigkeit und das subjektive<br />

Beanspruchungserleben während einer beanspruchenden Fahrsituation?<br />

Methode<br />

60 Probanden (Studenten, Alter: 18 - 35) fuhren für eine Stunde eine simulierte<br />

Überlandfahrt in einem Fahrsimulator (Foerst, F10PF). 30 Probanden fuhren mit Musik<br />

(„Musik zum Autofahren, Entspannend Volumne I vom deutschen<br />

64


V02<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Verkehrssicherheitsrat), die anderen fuhren als randomisierte Kontrollgruppe ohne<br />

Musik. Die Fahrleistung wurde aus den Protokolldateien des Fahrsimulators berechnet.<br />

Dabei wurde eine Tauglichkeitskennzahl ermittelt. Diese ist eine Gesamtmesszahl für die<br />

Fahrleistung und setzt sich folgendermaßen zusammen: 100 / (1+Spurabweichung +<br />

(t1/Gefahrene Strecke in Kilometern) Dabei entspricht t1einem Gewichtungsfaktor in den<br />

die Reaktionsgeschwindigkeit und die Anzahl der Unfälle eingeht. Der Kurzfragebogen<br />

zur aktuellen Beanspruchung (KAB) diente dazu die subjektive Beanspruchung in kurzen<br />

Retestintervallen zu erfassen. Die aktuelle Beanspruchung wird dabei als Teilaspekt des<br />

momentanen Befindens definiert. Eine Person kann sich dabei zwischen minimal und<br />

maximal beansprucht erleben [12]. Die Durchführung erfolgte vor und nach der<br />

Stressinduktion sowie nach der Simulatorfahrt. Während der Simulatorfahrt wurden die<br />

Probanden gebeten, ihre Befindlichkeit subjektiv zu bewerten und diesen Wert auf einer<br />

Skala von 0 bis 20 einzuordnen. 20 bedeutete dabei, sehr gutes Befinden und 0<br />

bedeutete extrem schlechtes Befinden. Zusätzlich wurden Teilaspekte der<br />

Beanspruchung mit Hilfe von weiteren Testparametern objektiviert: Herzfrequenz,<br />

Muskelanspannung und Cortisol im Speichel. Für die statistische Auswertung wurde<br />

SPSS 14.0 für Windows verwendet. Zunächst erfolgte eine explorative Datenanalyse.<br />

Aufgrund der Datenstruktur (Kategorien) und teilweise nicht normaler Verteilung wurden<br />

Gruppenunterschiede zu Beginn der Untersuchung und nach Intervention mit Hilfe des<br />

Mann-Whitney-U Test berechnet. Unterschiede im Zeitverlauf wurden mit Hilfe des<br />

Wilcoxon-Matched-Pair-Test berechnet. Um eventuelle Hinweise auf kleine<br />

Gruppenunterschiede zu erhalten, wurde bei den kategorialen Parametern zusätzlich<br />

eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholungsdesign durchgeführt. Diese wurde<br />

ebenso bei den intervalskalierten Parametern angewendet. Das Signifikanzniveau wurde<br />

auf α=0,05 festgesetzt.<br />

Ergebnisse<br />

Die angewendete Musik zeigte keinen Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit<br />

(Tauglichkeitskennzahl). Die Fahrleistung ist bei Beginn der Simulatorfahrt am geringsten<br />

und nimmt in beiden Gruppen kontinuierlich zu [siehe Abbildung 1]). Das<br />

Beanspruchungserleben [siehe Abbildung 2] sowie die physiologische oder humorale<br />

Reaktionen zeigen keine Gruppenunterschiede durch die Anwendung der Musik.<br />

Insbesondere unterschieden sich Experimental- und Kontrollgruppe nicht in ihrer<br />

aktuellen Befindlichkeit vor (16,9±1,5 mit Musik vs. 16,0±2,6 ohne Musik), während und<br />

nach (13,8±3,3 mit Musik vs. 13,9±3,2 ohne Musik) der Simulatorfahrt (jeweils<br />

Punktescore: Mittelwert ± SD). Die Befindlichkeit ist vor der Simulatorfahrt am höchsten<br />

und nimmt in beiden Gruppen kontinuierlich ab.<br />

65


V02<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Diskussion<br />

In der vorliegenden Studie wurde die Wirkung von Musik bei einer simulierten Autofahrt<br />

untersucht. Es handelt sich um eine praxisorientierte experimentelle randomisierte<br />

kontrollierte, Studie. Die vorliegende Versuchsanordnung ist geeignet einen Beitrag dazu<br />

zu leisten, die gestellte Fragestellung zu beantworten. Dabei sind jedoch einige<br />

Einschränkungen zu beachten: 1. die Übertragbarkeit von der experimentellen<br />

Umgebung auf die reale Umwelt ist nur eingeschränkt möglich. Weitere Untersuchungen<br />

in realen Umgebungen wären wünschenswert. 2. Das Ausmaß des experimentell<br />

induzierten Stresses reicht möglicherweise nicht aus, um auf die Fahrleistung negativ zu<br />

wirken. 3. Des Weiteren ist es möglich, dass die Wirkung des induzierten Stresses vor<br />

der Fahrt im Fahrsimulator schnell wieder reversibel ist und die folgen der<br />

Beanspruchung nicht lang genug dauerten und 4. handelte es sich ausschließlich um<br />

junge gesunde Probanden, die Ergebnisse können bei älteren Menschen oder bei<br />

Kranken anders aussehen.<br />

Da die betrachtete Probandengruppe von besonderem Interesse ist, (junge gesunde<br />

Erwachsene sind besonders gefährdet sind im Straßenverkehr Unfälle zu verursachen)<br />

und da beim Autofahren im allgemeinen ein mittleres Beanspruchungsniveau<br />

vorherrscht, kann trotz dieser Einschränkungen eine sinnvolle und interessante<br />

Schlussfolgerung aus den vorhandenen Daten abgeleitet werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

In der vorliegenden Studie wurde anhand eines komplexen Versuchs die Wirkung von<br />

Musik auf die Beanspruchung und die kognitive Leistungsfähigkeit bei einer simulierten<br />

Autofahrt untersucht. Unter den gegebenen Bedingungen (junge Probanden, moderate<br />

Stresssituation, vorgegebene Musik) zeigte die Musik keinen Effekt auf die Zielgrößen.<br />

Förderung<br />

Das Forschungsprojekt wurde finanziell von der KSB-Stiftung Frankenthal unterstützt.<br />

1. Follmer, R., Mobilität in Deutschland. 2004, Bundesministerium für Verkehr-Bauund<br />

Wohnungswesen.<br />

2. Mikrozensus 2007 2008, Statistisches Bundesamt.<br />

3. Brodsky, W., The effects of music tempo on simulated driving performance and<br />

vehicular control. Transportation Research, 2002. 4(4): p. 219-241.<br />

4. Rauscher, F.H., G.L. Shaw, and K.N. Ky, Listening to Mozart enhances spatialtemporal<br />

reasoning: Towards a neurophysiological basis. Neuroscience Letter,<br />

1995. 1985(44-47).<br />

5. Pelletier, C.L., The Effects of Musik on Decreasing Arousal Due to Stress - A<br />

Meta-Analysis. Journal of Music Therapy, 2004. 41(3): p. 192-214.<br />

6. Staal, M.A., Stress, Cognition, and Human Performance: A Literature Review and<br />

Conceptual Framework, M.F. Ames Research Center, California, Editor. 2004,<br />

National Aeronautics and Space Administration.<br />

66


V02<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

7. Baranski, J.V., et al., Effects of modafinil on cognitive and meta-cognitive<br />

performance. Human Psychopharmacology: Clinical and Experimental, 2004.<br />

19(5): p. 323-332.<br />

8. Braunstein-Bercovitz, H., I. Dimentman-Ashkenazi, and R.E. Lubow, Stress<br />

affects the selection of relevant from irrelevant stimuli. Emotion, 2001. 1(2): p.<br />

182-92.<br />

9. Ashcraft, M.H. and E.P. Kirk, The Relationships Among Working Memory, Math<br />

Anxiety, and Performance. Journal of Experimental Psychology, 2001. 130(2): p.<br />

224-237.<br />

10. Baradell, J.G. and K. Klein, Relationship of life stress and body consciousness to<br />

hypervigilant decision making. Journal of Personality and Social Psychology,<br />

1993. 64: p. 267-73.<br />

11. Matthews, G., Towards a transactional ergonomics for driver stress and fatigue.<br />

Theoretical Issues in Ergonomic Science, 2002. 3: p. 1-17.<br />

12. Müller, B. and H.D. Basler, KAB Kurzfragebogen zur aktuellen Beanspruchung.<br />

Beltz Test Manual. 1993, Weinheim: Beltz Test GmbH.<br />

Abbildung 1: Fahrleistung anhand der Tauglichkeitskennzahl [Prozent] während der<br />

Simulatorfahrt. Kein signifikanter Gruppenunterschied. Statistisch signifikante Zunahme der<br />

Fahrleistung im Verlauf der Fahrt (Copyright Ergomed 05/2008)<br />

67


V02<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Abbildung 2: Subjektive Bewertung der aktuellen Beanspruchung [Boxplots] vor und nach<br />

Stressinduktion sowie nach der Simulatorfahrt. Kein signifikanter Gruppenunterschied. Statistisch<br />

signifikante Zunahme der Beanspruchung nach Stressinduktion im Vergleich zu beiden anderen<br />

Messzeitpunkten. (Copyright Ergomed 05/2008)<br />

68


V03<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Fernpendeln und Gesundheit. Gibt es Hinweise auf einen<br />

„healthy commuter effect“?<br />

Heiko Rüger, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Zusammenfassung<br />

In Deutschland legen viele Erwerbstätige regelmäßig lange Strecken zwischen dem<br />

Wohnort und dem Arbeitsort zurück. Inwieweit für diese zusätzlichen Belastungen<br />

Effekte auf den Gesundheitszustand und die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu<br />

beobachten sind, wird in der vorliegenden Arbeit anhand von Daten des Soziooekonomischen<br />

Panels (SOEP) untersucht. Daneben werden Hinweise auf mögliche<br />

Selektionsprozesse erörtert, die diesen Effekten entgegenstehen könnten. Die<br />

vorliegenden Befunde verweisen auf eher geringe Unterschiede und sprechen insgesamt<br />

für einen möglichen „healthy commuter effect“. Weitere Untersuchungen sowie spezielle<br />

Erhebungen zur Thematik „Arbeitsmobilität und Gesundheit“ sind jedoch erforderlich.<br />

Ziel der Studie<br />

Das tägliche Pendeln zur Arbeit stellt eine von vielen weiteren Formen arbeitsbedingter<br />

räumlicher Mobilität, wie z.B. Umzugsmobilität oder Dienstreisen, dar (Schneider et al.<br />

2008). In Deutschland sind insgesamt rund 30 Millionen Erwerbstätige als Berufspendler<br />

unterwegs, darunter etwa 5 %, die als Fernpendler entweder mindestens 50 Kilometer<br />

für den einfachen Weg zur Arbeit zurücklegen oder länger als eine Stunde für ihren<br />

einfachen Arbeitsweg benötigen (Statistisches Bundesamt 2005). In verschiedenen<br />

Studien wurden für (Fern-) Pendler vermehrt negative Beanspruchungsfolgen (Häfner et<br />

al. 2001; Häfner et al. 2007), erhöhte Stressbelastungen (Koslowsky et al. 1995;<br />

Schneider et al. 2002) sowie häufiger gesundheitliche Beschwerden (Costa et al. 1988)<br />

beschrieben. Ein erstes Ziel vorliegender Studie besteht darin, den Gesundheitszustand<br />

und die Fehlzeiten von Fernpendlern im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern zu<br />

untersuchen. Dabei kann angenommen werden, dass sich – wegen erhöhter<br />

Mobilitätsbelastungen – für Fernpendler im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern häufiger ein<br />

negativer Gesundheitszustand und höhere Fehlzeiten nachweisen lassen (Hypothese 1).<br />

Dieser These könnte ein möglicher Selektionsprozess, ähnlich dem bekannten „healthy<br />

worker effect“, gegenüberstehen. Demnach könnten besonders gesunde und robuste<br />

Personen – wegen der antizipierten Belastungen – vermehrt Fernpendler werden und<br />

auch häufiger langfristig Fernpendler bleiben, während die übrigen Personen, die hohe<br />

Belastungen erfahren, frühzeitig ausscheiden (Hypothese 2). Unter der Annahme von<br />

Hypothese 2 dürften die in Zusammenhang mit Hypothese 1 erwarteten Effekte lediglich<br />

69


V03<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

abgeschwächt auftreten. Ein zweites Ziel der Studie besteht darin, Hinweise auf einen<br />

solchen „healthy commuter effect“ zu erörtern.<br />

Methode<br />

Auf Basis der Wellen 21-23 (2003-2005) des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP),<br />

einer repräsentativen Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, wurde<br />

eine Sekundärdatensatzanalyse durchgeführt. Als Fernpendler wurden 1) nach dem<br />

„Zeitkonzept“ Personen definiert, die für den einfachen Arbeitsweg eine Stunde oder<br />

länger benötigten (Welle 21, 2003) bzw. 2) nach dem „Wegstreckenkonzept“ Personen<br />

bestimmt, die mindestens 50 km für den einfachen Arbeitsweg zurücklegten (Wellen 22<br />

und 23, 2004/2005). Vollzeiterwerbstätige Fernpendler von 2003 (n=708) wurden<br />

hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes untersucht und mit Vollzeiterwerbstätigen, die<br />

nicht fernpendelten (n=8297), verglichen. Verwendet wurde dabei der Indikator: „Wie<br />

würden Sie Ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand beschreiben? Sehr gut, gut,<br />

zufrieden stellend, weniger gut, schlecht?“. Personen, die im Jahr 2004 Fernpendler<br />

waren, im Jahr 2005 jedoch nicht mehr (n=113), wurden auf Fehlzeiten im Jahr 2004 hin<br />

untersucht. Vergleichsgruppe waren hier Fernpendler im Jahr 2004, die auch 2005 noch<br />

pendelten (n=346). Herangezogen wurden folgende Indikatoren: „Wie viele Tage haben<br />

Sie im Jahr 2004 wegen Krankheit nicht gearbeitet?“ sowie „Kam es im letzten Jahr vor,<br />

dass Sie länger als 6 Wochen krankgemeldet waren?“. Die Analysen erfolgten mit<br />

ungewichteten Daten. Bivariate Gruppenunterschiede wurden mittels Chi²-Test bzw. T-<br />

Test geprüft. Kontrolliert wurde in der multiplen OLS-Regressionsanalyse<br />

(Einschlussverfahren) nach Geschlecht, Alter und formaler Schulbildung. Alle<br />

statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt, wobei das Signifikanzniveau<br />

mit α=0,05 definiert wurde.<br />

Ergebnisse<br />

Einen „weniger guten“ bzw. „schlechten“ Gesundheitszustand berichteten im Jahr 2003<br />

11,2 % der Fernpendler und im Vergleich dazu 9,4 % der Nicht-Fernpendler (p=0,116)<br />

(vgl. Tabelle 1). Adjustiert nach den oben genannten Merkmalen nimmt der Effekt leicht<br />

zu (aOR=1,30, 95%-KI=1,01-1,70; p=0,045).<br />

70


V03<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Tabelle 1: Selbstberichteter Gesundheitszustand bei vollzeiterwerbstätigen Fernpendlern<br />

und Nicht-Fernpendlern<br />

N<br />

„weniger gut“ bzw. „schlecht“<br />

(in %)<br />

Fernpendler 708 11,2<br />

Nicht-Fernpendler 8297 9,4<br />

Signifikanz<br />

p=0,166<br />

Anmerkungen: SOEP, Welle 21 (2003), eigene Berechnungen<br />

Personen, die im Jahr 2004 Fernpendler waren, im Jahr 2005 jedoch nicht mehr, wiesen<br />

mit durchschnittlich 10,8 mehr krankheitsbedingte Fehltage auf als Personen, die im Jahr<br />

2004 und auch noch im Jahr 2005 Fernpendler waren (6,6 Fehltage; p=0,065). Zudem<br />

wiesen diejenigen Fernpendler, die im Jahr 2004 kurz vor Beendigung ihrer Mobilität<br />

standen („Fernpendelaussteiger“), häufiger lange Krankmeldungen von über 6 Wochen<br />

auf (6,2 %) im Vergleich zu denjenigen Fernpendlern, die auch 2005 noch mobil waren<br />

(3,2 %; p=0,152). (vgl. Tabelle 2)<br />

Tabelle 2: Fehlzeiten bei Fernpendelaussteigern im Jahr 2004 und Fernpendlern im Jahr<br />

2004, die auch 2005 mobil waren<br />

N<br />

lange<br />

Fehltage<br />

Krankmeldungen (in<br />

(Durchschnitt)<br />

%)<br />

Fernpendler bis 2004 113 10,8 6,2<br />

Fernpendler 2004 und<br />

2005<br />

346 6,6 3,2<br />

Signifikanz p=0,065 p=0,152<br />

Anmerkungen: SOEP, Wellen 22-23 (2004/2005), eigene Berechnungen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Unterschiede hinsichtlich des selbst berichteten Gesundheitszustandes zwischen<br />

vollzeiterwerbstätigen Fernpendlern und vollzeiterwerbstätigen Nicht-Fernpendlern sind<br />

nachweisbar, fallen angesichts der zusätzlichen Mobilitätsbelastungen bei Fernpendlern<br />

jedoch eher gering aus. Dieser Befund war vor dem Hintergrund eines möglichen<br />

„healthy commuter effect“ zu erwarten. Wird berücksichtigt, dass die Fernpendler<br />

insgesamt eine bessere formale Bildung aufweisen und häufiger männlich sind, nimmt<br />

der berichtete Gesundheitseffekt leicht zu. Daneben lässt sich zeigen, dass diejenigen<br />

Fernpendler, die mehr krankheitsbedingte Fehltage sowie häufiger lange<br />

71


V03<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Krankmeldungen von über 6 Wochen aufweisen, eher dazu neigen, ihre Arbeitsmobilität<br />

innerhalb des nächsten Jahres zu beenden. Diese punktuellen Befunde sprechen für<br />

einen möglichen Selektionseffekt, der bei der arbeitsmedizinischen Gesamtbilanz des<br />

Fernpendelns zu berücksichtigen wäre. Die Befunde verweisen jedoch auf bestehende<br />

methodische Schwierigkeiten und sind zukünftig durch weitere Untersuchungen und<br />

spezielle Erhebungen zur Thematik „Arbeitsmobilität und Gesundheit“ zu ergänzen.<br />

Dabei ist die mögliche Risikogruppe der „Mobilitätsaussteiger“ näher zu bestimmen, um<br />

bei diesen Personen Beratungs- und Präventionsprogramme implementieren zu können.<br />

Die nähere Bestimmung der Gruppe der langfristig mobilen Personen und deren Coping-<br />

Strategien könnten Hinweise auf daraus ableitbare Präventionsmaßnahmen liefern.<br />

Danksagung<br />

Die in diesem Beitrag verwendeten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)<br />

wurden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) bereitgestellt.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Costa G, Pickup L, Di Martino V. Commuting – a further stress factor for working people:<br />

evidence from the European Community. Int Arch Occup Environ Health 1988; 60:<br />

371-376, 377-385.<br />

Häfner S, Kächele H, Zipfel S. Immer auf Achse – der gesundheitliche Preis der Mobilität<br />

in einer 24-h- Gesellschaft. Psychother Psych Med 2007; 57:307-8.<br />

Häfner S, Kordy H, Kächele H. Psychosozialer Versorgungsbedarf bei Berufspendlern.<br />

Psychother Psychosom med Psychol 2001; 51: T55-T61.<br />

Koslowsky M, Avraham NK, Reich M. Commuting Stress: Causes, Effects and Methods<br />

of Coping. New York: Plenum Press, 1995<br />

Schneider NF, Limmer R, Ruckdeschel K. Berufsmobilität und Lebensform.<br />

Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (8-<br />

2001). Berlin, 2002.<br />

Schneider NF, Ruppenthal S, Lück D, Rüger H, Dauber A. Germany – A Country of<br />

Locally Attached but Highly Mobile People. In: Schneider NF, Meil G (eds.). Mobile<br />

Living Across Europe I. Relevance and Diversity of Job-Related Spatial Mobility in Six<br />

European Countries. Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich Publishers, 2008:<br />

105-149.<br />

Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Leben und Arbeiten in Deutschland – Ergebnisse des<br />

Mikrozensus 2004. Wiesbaden, 2005.<br />

72


V04<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Beurteilung von Fahrerschläfrigkeit von Berufskraftfahrern<br />

mittels Videoanalyse<br />

Axel Muttray 1 , Oliver Weirich 1* , Jean-Baptist du Prel 2 , Katrin Meinken 3 , Britta Geißler 1 , Lorenz<br />

Hagenmeyer 3<br />

1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz;<br />

2<br />

Zentrum Präventive Pädiatrie und Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Johannes Gutenberg-<br />

Universität, Mainz;<br />

3<br />

Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart<br />

*Daten aus der medizinischen Dissertation von O.W., in Vorbereitung<br />

1. Ziel der Studie<br />

Müdigkeit und Schläfrigkeit werden oft synonym verwendet, genau genommen handelt<br />

es sich jedoch um unterschiedliche Zustände. Erstere bezeichnet eine<br />

Erschöpfungsform, letztere die Unfähigkeit wach zu bleiben und somit einen Schlafdruck.<br />

Fahrerschläfrigkeit ist die Ursache von etwa einem Viertel aller tödlichen<br />

Autobahnunfälle. Unseres Wissens gibt es bisher keine Systeme, die den Fahrer<br />

rechtzeitig und nachgewiesenermaßen zuverlässig vor Schläfrigkeit warnen.<br />

Nachträglich kann Fahrerschläfrigkeit mittels Videoanalyse nach Wierwille und Ellsworth<br />

bewertet werden. Diese Methode befindet sich noch in Erforschung. In einer Pilotstudie<br />

hatten wir mit einem gering modifizierten Verfahren eine gute Intrarater-Reliabilität bei<br />

einem Bewerter gefunden (Muttray et al. 2007). Mit einer darauf aufbauenden Studie<br />

wollten wir herausfinden, wie hoch die Intrarater- und Interrater-Reliabilität der Methode<br />

sind.<br />

2. Methoden<br />

2.1 Videomaterial<br />

Das hier analysierte Videomaterial stammt von 28 Busfahrern, die im regulären<br />

Reisefernverkehr gefilmt worden waren, sowie von 14 Simulatorfahrern nach<br />

Schlafentzug. Von jedem Probanden wurden einminütige Videosequenzen mit einem<br />

möglichst unterschiedlichen Grad an Fahrerschläfrigkeit selektiert. Aus insgesamt 300<br />

Sequenzen wurden zwei Filme erstellt, welche sich nur in der Reihenfolge der<br />

Sequenzen unterschieden. Das schriftliche Einverständnis der Probanden sowie die<br />

Zustimmung der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz waren vor<br />

den Experimenten eingeholt worden.<br />

73


V04<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

2.2 Ermittlung der Fahrerschläfrigkeit<br />

Drei trainierte Bewerter ermittelten unabhängig von einander je zweimal im Abstand von<br />

einem Monat das Ausmaß an Fahrerschläfrigkeit. Verwendet wurde eine 17-stufige<br />

Ordinalskala mit fünf Ankerpunkten, die durch Deskriptoren detailliert erläutert waren<br />

(Muttray et al. 2007). Zusammengefasst bedeuten die ganzzahligen Ankerpunkte auf der<br />

Skala: „0“ gar nicht schläfrig, „1“ etwas schläfrig, „2“ mäßig schläfrig, „3“ sehr schläfrig<br />

und „4“ extrem schläfrig. Im Zustand 1 zeigt der Fahrer erste Erscheinungen von<br />

Schläfrigkeit, die im Zustand 2 deutlicher ausgeprägt sind. Dazu gehören so genannte<br />

Manierismen wie Reiben des Gesichts oder der Augen und Rutschen auf dem Sitz, die<br />

als aktive Maßnahmen zur Schläfrigkeitsbekämpfung angesehen werden. Im Zustand 3<br />

sind die Augenlider bereits mehr als zur Hälfte geschlossen und Lidschlüsse von mehr<br />

als 2 Sekunden Dauer mit Aufwachreaktionen kommen vor. Der Zustand 4 ist u. a. durch<br />

Einschlafen und verlängerte Aufwachreaktionen mit Desorientiertheit gekennzeichnet.<br />

2.3 Statistische Analysen<br />

Cohen’s Kappa diente als Maß der Übereinstimmung zwischen je zwei Messungen<br />

(Altman 1999). Für die Berechnung wurden die Schläfrigkeitsscores in vier Klassen<br />

zusammengefasst. Der Übereinstimmungsgrad wurde mit Hilfe von Bland-Altman-<br />

Diagrammen (Bland und Altman 1986) visualisiert.<br />

3. Ergebnisse<br />

Das (ungewichtete) Kappa-Maß betrug bei allen Ratern sowohl bei der Intra- als auch bei<br />

der Interrater-Reliabilität mehr als 0,6 (Tabelle 1). Ein Wert größer als 0,6 wird als eine<br />

gute Übereinstimmung zwischen zwei Messergebnissen betrachtet (Altman 1999).<br />

Tabelle 1:<br />

Kappa-Maße bei der Bewertung von Fahrerschläfrigkeit<br />

Bewerter 1 Bewerter 2 Bewerter 3<br />

Bewerter 1 0,622 0,620 0,696<br />

Bewerter 2 - 0,687 0,694<br />

Bewerter 3 - - 0,688<br />

Dieses Ergebnis wurde durch die Bland-Altman-Diagramme bestätigt. Abbildung 1 zeigt<br />

beispielhaft den Vergleich zwischen den beiden Messungen mit dem (relativ) niedrigsten<br />

Kappa-Wert von 0,620.<br />

74


V04<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

1<br />

MW+2<br />

*<br />

SD<br />

0,5<br />

Differenz der Scores (Bewerter 1 – Bewerter 2)<br />

0<br />

-0,5<br />

MW<br />

MW-2<br />

*<br />

SD<br />

n = 300<br />

0 1 2 3 4<br />

Mittelwert der Scores von Bewerter 1 und 2<br />

Abbildung 1: Vergleich der von den Bewertern 1 und 2 vergebenen Scores für Fahrerschläfrigkeit<br />

mittels Bland-Altman-Diagramm. Um mehrere identische Wertepaare<br />

visualisieren zu können, wurde ein so genanntes Blümchen-Diagramm verwendet. Dabei<br />

ist jeder Wert durch ein „Blütenblatt“ repräsentiert (MW: Mittelwert, SD:<br />

Standardabweichung).<br />

4. Schlussfolgerungen<br />

Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die eine gute Reliabilität eines Verfahrens der<br />

Videoanalyse von Fahrerschläfrigkeit belegt. Demgegenüber war in früheren<br />

Publikationen (Vöhringer-Kuhnt et al. 2004; Wierwille und Ellsworth 1994) der<br />

Pearson’sche Korrelationskoeffizient als ein Maß für die Übereinstimmung verwendet<br />

worden. Dies ist jedoch aus methodischer Sicht problematisch (Bland und Altman 1986).<br />

Eine gute Reliabilität ist aber eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des<br />

Verfahrens.<br />

In der „100-Car Naturalistic Driving Study“ (Klauer et al. 2006) trug Fahrerschläfrigkeit zu<br />

über 20 % der Unfälle und Beinahe-Unfälle bei. Das Kriterium für Schläfrigkeit war ein<br />

Score von ≥ 60 auf der originalen Wierwille-Skala. Dies würde auf unserer Skala einem<br />

75


V04<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Wert von 2,4 entsprechen, wenn die Skala stetig wäre. Die Autoren machten jedoch<br />

keine hinreichenden Angaben zur Validierung ihres Auswertungsverfahrens. Bereits die<br />

bloße Betrachtung von Probanden mit einem Schläfrigkeitsscore von 2,25 sowie die<br />

Deskriptoren dafür sprechen eindeutig für eine Schläfrigkeit in einem Ausmaß, das mit<br />

einer deutlichen Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens und somit mit einem<br />

erhöhten Unfallrisiko verbunden ist. Zur Validierung der Methode sind weitere Studien<br />

erforderlich. Nach erfolgreicher Validierung könnte das Verfahren „Videoanalyse von<br />

Fahrerschläfrigkeit“ helfen, Schläfrigkeitswarnsysteme in ihrer Wirkung zu überprüfen,<br />

und so zur Unfallprävention beitragen.<br />

5. Danksagung<br />

Die Studie wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

unterstützt.<br />

6. Literatur<br />

1. Altman DG (Hrsg.). Practical statistics for medical research. CRC Press, Boca Raton;<br />

1999<br />

2. Bland JM, Altman DG. Statistical methods for assessing agreement between two<br />

methods of clinical measurement. Lancet 1986, 327, 307-310<br />

3. Klauer SG, Dingus TA, Neale VL, Sudweeks JD, Ramsey DJ, 2006. The impact of<br />

driver inattention on near-crash/crash risk: an analysis using the 100-car naturalistic<br />

driving study data. U.S. Department of Transportation. National Highway Traffic Safety<br />

Administration.<br />

http://www-nrd.nhtsa.dot.gov/departments/nrd-13/driverdistraction/PDF/DriverInatten<br />

tion.pdf<br />

4. Muttray A, Hagenmeyer L, Unold B, du Prel J-B, Geißler B. Videoanalyse der<br />

Schläfrigkeit von Fahrern. Z Arb Wiss 2007, 61, 245-254<br />

5. Vöhringer-Kuhnt T, Baumgarten T, Karrer K, Briest S, 2004. Wierwille’s method of<br />

driver drowsiness evaluation revisited. In: 3rd International Conference on Traffic &<br />

Transport Psychology, International Association of Applied Psychology (Hrsg.).<br />

http://www.psychology.nottingham.ac.uk/IAAPdiv13/ICTTP2004papers2002/Impairment/<br />

Vohringer.pdf: Nottingham<br />

6. Wierwille WW, Ellsworth LA. Evaluation of driver drowsiness by trained raters. Accid<br />

Anal Prev 1994, 26, 571-581<br />

76


V05<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Kälteexposition bei alpinen Luftrettungseinsätzen -<br />

Konsequenzen für die Sicherheit von Retter und Patient<br />

Thomas Küpper 1, 2 , Jürgen Steffgen 3<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

2<br />

Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />

3 Institut für Nephrologie, Universität Göttingen<br />

Studienziel: Es wird die Kälteexposition der Personen, die in 1082 alpine<br />

Luftrettungseinsätze im Bereich Oberwallis (Schweizer Alpen) involviert sind, untersucht.<br />

Material und Methode: Die Rettungseinsätze werden im Hinblick auf die lokal<br />

herrschenden Wetterbedingungen, die Höhe und die Expositionszeit analysiert. Mittels<br />

zweier unabhängiger Modelle wird die äquivalente Chilltemperatur berechnet und<br />

klassifiziert, wobei eine mittlere Exposition und eine „Worst case-Situation“ angenommen<br />

werden. Die Ergebnisse werden nach dem „klassischen“ Siple-Passel-Modell nach dem<br />

neueren Modell nach Danielsson, sowie nach ISO 11079, ISO 9920, DIN 33403.5 und<br />

„G21“ bewertet.<br />

Ergebnisse: Die beiden Berechnungsmopdelle zeigen weitgehende Übereinstimmung in<br />

der Chilltemperatur. Bei „Worst Case Bedingungen“ liegen im Siple-Passel-Modell 87,1%<br />

der Rettungseinsätze im Bereich > -30°C, 12,1% zwischen -30° und -45°C und 0,8%<br />

unterhalb von -45°C. Die niedrigste Chilltemperatur betrug -54,6°C. Das Danielsson-<br />

Modell ergab, daß in 77,6% der Einsätze kein akutes Erfrierungsrisiko bestand, während<br />

in 20,1% ein Risiko von >5%, in 6% eines von >50% und in 1,8% eines von >95%<br />

bestand. Nach DIN 33403.5 wurden nur 1,5% der Einsätze bei Chilltemperaturen<br />

oberhalb der Kälteklasse 1, dagegen 2,3% in Klasse 1, 13,3% gemäß Klasse 2, 34,7% in<br />

Klasse 3, 34,6% in Klasse 4 und 13,7% in Kälteklasse 5 durchgeführt. Die maximale<br />

Expositionszeit wurde in mindestens 0,5% der Einsätze überschritten. Nach ISO 11079<br />

ist bei Sommereinsätzen eine Bekleidung mit 2,0 clo in nur 40,2% bei<br />

Durchschnittsexposition und 23,9% bei Worst case-Szenario ausreichend. Im Winter<br />

liegen die entsprechenden Werte bei 0,3% und 0,0%. Die Duration of limited Exposure<br />

wird in 9,1% der Sommereinsätze (IREQ min.) bzw. 19,8% (IREQ neutr.) überschritten<br />

(Winter: 10,3% bzw. 19,8%). Nach ISO 9920 wird ICL min. und ICL neutr. bei allen<br />

Einsätzen, sowohl im Sommer als auch im Winter, überschritten.<br />

Schlußfolgerungen: Alpine Rettungseinsätze sind ein typisches Beispiel für einen<br />

Kältearbeitsplatz. Dadurch, daß bei den meisten Einsätzen die Expositionszeit begrenzt<br />

ist, tritt die Gefahr der Hypothermie in den Hintergrund, wobei jedoch ein z.T. erhebliches<br />

Gefährdungspotential für lokale Erfrierungen besteht. Die Crews müssen spezifisch<br />

unterwiesen und arbeitsmedizinisch gemäß G21 „Kältearbeitsplätze“ überwacht werden.<br />

77


V05<br />

Vorträge – Unfallprävention<br />

Neben solider Ausrüstung zum Kälteschutz ist für Verunglückte im alpinen Gelände ein<br />

Mobiltelefon ein besonders wesentlicher Sicherheitsfaktor, um durch kurze<br />

Alarmierungszeiten schwere Unterkühlung zu vermeiden.<br />

Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />

Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />

Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />

78


V06<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Geschlechtsspezifische Risikofaktoren akuter Rückenschmerzen<br />

– Ansatzpunkte für eine zielgruppen-spezifische Prävention<br />

Elke Ochsmann 1, 2 , Heiko Rüger 3 , Thomas Kraus 1 , Hans Drexler 2 , Stephan Letzel 3 , Eva Münster 3<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Erlangen-Nürnberg;<br />

3 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Mainz<br />

Einleitung<br />

Rückenschmerzen stellen in der betrieblichen Gesundheitsförderung und in der<br />

Arbeitsmedizin ein relevantes Problem dar, das immer mehr Beschäftigte betrifft. In etwa<br />

85% der Fälle mit chronischen und/oder akuten Rückenschmerzen können jedoch keine<br />

präzisen und spezifischen patho-anatomischen Diagnosen gestellt werden. Man spricht<br />

in diesen Fällen von unspezifischen Rückenschmerzen.<br />

Bekannte Risikofaktoren für Rückenschmerzen sind:<br />

– individuelle Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen),<br />

– psychosoziale Faktoren (z. B. Schmerzverhalten, Depression, soziale Schicht)<br />

– arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren (Ganzkörpervibration,<br />

Arbeitsplatzunzufriedenheit, monotone Arbeit, geringe<br />

Einflussnahmemöglichkeiten)<br />

Frauen klagen generell häufiger als Männer über Rückenschmerzen, wobei die Gründe<br />

für diesen geschlechtsspezifischen Unterschied bislang unklar geblieben sind. Das Ziel<br />

dieser Studie war es daher, geschlechtsspezifische Risikofaktoren für akute<br />

Rückenschmerzen in der deutschen Allgemeinbevölkerung zu identifizieren, um somit<br />

die Erarbeitung und Implementierung von sinnvollen betrieblichen Präventivmaßnahmen<br />

zu unterstützen.<br />

Methodik:<br />

Es wurde eine Sekundärdatenanalyse des telefonischen Gesundheitssurveys 2003<br />

(Robert-Koch-Institut) durchgeführt. Hier wurde eine repräsentative Stichprobe der<br />

bundesdeutschen Bevölkerung (N=8318) mittels eines computerassistierten<br />

Telefoninterviews (CATI) nach verschiedenen Aspekten des Lebens, wie Berufstätigkeit,<br />

Einkommen, soziale Kontakte, Familie und Gesundheit (darunter auch<br />

Rückenschmerzen) befragt.<br />

79


V06<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Operationalisierung „akuter Rückenschmerzen“ (vgl. Abb.1):<br />

Personen mit chronischen Rückenschmerzen (n=465) und Probanden ohne Angaben zur<br />

Rückenschmerzsymptomatik (n=18) wurden von der Analyse ausgeschlossen. Sofern<br />

ein Proband angab, in den letzten 12 Monaten Rückenschmerzen gehabt zu haben, die<br />

jedoch nicht als chronisch definiert wurden, folgte die Frage „Hatten Sie gestern<br />

Rückenschmerzen“. Wenn diese Frage bejaht wurde, so wurde der Proband als Fall<br />

„akuter Rückenschmerz“ definiert. Als Kontrollen wurden in der Analyse Probanden<br />

definiert, die weder chronischen Rückenschmerz hatten noch als Fall definiert waren (in<br />

Abb. 1 grün dargestellt).<br />

Statistische Auswertung:<br />

Mit dem statistischen Programmpaket SPSS, Version 17.0, wurden bi- und multivariate<br />

Analysen durchgeführt, wobei das Signifikanzniveau mit alpha=0,05 festgelegt wurde.<br />

Das adjustierte Endmodell wurde geschlechtsstratifiziert mittels binär logistischer<br />

Regression durch Rückwärtsselektion erstellt. Folgende Faktoren wurden (anfänglich) in<br />

das multivariable Modell aufgenommen: Alter, Arthrose, Arthritis, Osteoporose,<br />

Depression, BMI, Sport, Rauchen, Lebenspartner, soziale Schicht, Arbeitszeit, berufliche<br />

Stellung, tägliche Arbeit durch körperliche Beschwerden gestört. Adjustierte Odds Ratios<br />

(aOR) mit dazugehörigen 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) wurden berechnet.<br />

Methodik: Operationalisierung „akuter Rückenschmerz“<br />

Hatten Sie in den letzten 12 Monaten Rückenschmerzen?<br />

k.A.<br />

N=18<br />

nein ja ja, chronische RS<br />

N=3103<br />

N=4732<br />

N=465<br />

Nein<br />

N=5980<br />

Hatten Sie gestern RS?<br />

nein<br />

N=2877<br />

ja<br />

N=1849<br />

k.A.<br />

N=9<br />

Abb. 1: Operationalisierung von „akuten Rückenschmerzen (RS)“ in der<br />

Sekundärdatenanalyse (grün markiert: Kontrolle; rot markiert: Fall)<br />

80


V06<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Ergebnisse:<br />

Insgesamt konnten die Daten von 7829 Personen ausgewertet werden (53,1 % Frauen).<br />

Das Alter lag im Median bei 45 Jahren (Range: 18-96 Jahre). 33,7 % der Teilnehmer<br />

sind Raucher. Bei den Vorerkrankungen, die evtl. Einfluss auf die Angabe von akuten<br />

Rückenschmerzen haben könnten, berichteten 17,3% der Teilnehmer, an einer Arthrose<br />

zu leiden, 3,9 % an einer Arthritis. 3,3 % der Teilnehmer litten unter einer Osteoporose<br />

und 4,2 % unter einer Depression. Das Gesamtkollektiv setzt sich aus 46,2 % Vollzeit-<br />

Beschäftigten, 20,3 % Rentnern oder (Vor)Ruheständlern und 3,9 % Arbeitslosen<br />

zusammen. 61 % berichteten, als Angestellte oder Beamte tätig zu sein, 18,6 % als<br />

Arbeiter.<br />

Insgesamt gaben 28,5 % der Frauen und nur 18,1 % der Männer an, unter akuten<br />

Rückenschmerzen zu leiden.<br />

In der geschlechtsstratifizierten multivariablen Analyse (vgl. Tab. 1) sind die adjustierten<br />

Odds Ratios für Männer und Frauen zum Teil unterschiedlich ausgeprägt. Während z.B.<br />

bei Männern keine signifikante Assoziation zwischen akuten Rückenschmerzen und dem<br />

Rauchstatus nachgewiesen werden konnte, hatten Raucherinnen im Vergleich zu „Nie-<br />

Raucherinnen“ ein erhöhtes Risiko (aOR 1,37; 95%-KI 1,14-1,65), an akuten<br />

Rückenschmerzen zu leiden.<br />

Diskussion und Schlussfolgerungen:<br />

Die zwischen den beiden Geschlechtern unterschiedlich verteilten bzw. ausgeprägten<br />

Risikofaktoren hinsichtlich der Prävalenz von akuten Rückenschmerzen lassen den<br />

Schluss zu, dass auch bei der Prävention von akuten Rückenschmerzen der Einfluss des<br />

Geschlechts als Moderator berücksichtigt werden sollte. Besonders rauchende Frauen<br />

aus der unteren sozialen Schicht mit relevanten Vorerkrankungen könnten von<br />

primärpräventiven Maßnahmen profitieren. Der deutliche Zusammenhang zwischen<br />

akuten Rückenschmerzen und Beschwerden bei der täglichen Arbeit könnte zu der<br />

Schlussfolgerung führen, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht gerade<br />

Präventivmaßnahmen am Arbeitsplatz erfolgversprechend sein könnten.<br />

81


V06<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Tab. 1: Akute Rückenschmerzen: geschlechtsstratifizierte multivariate Analyse*<br />

Risikofaktor Männer Frauen<br />

aOR 95%KI aOR 95%KI<br />

Alter 50-59 Jahre vs. 19-291,81 1,28-2,56<br />

Jahre<br />

Arthrose Ja vs. nein 2,82 2,25-3,52 2,10 1,72-2,56<br />

Osteoporose Ja vs. nein 2,10 1,53-2,87<br />

Depression Ja vs. nein 2,01 1,30-3,09 2,01 1,46-2,78<br />

Raucher Raucher vs. Nie-<br />

1,37 1,14-1,65<br />

Raucher<br />

Tägliche Arbeit durch Ein bisschen vs. 2,62 2,08-3,29 3,46 2,88-4,15<br />

körperliche<br />

überhaupt nicht<br />

Beschwerden gestört<br />

Mäßig vs. überhaupt4,61 3,53-6,03 5,41 4,35-6,73<br />

nicht<br />

Ziemlich bis stark vs. 7,16 5,17-9,93 7,27 5,42-9,77<br />

überhaupt nicht<br />

Erwerbsstatus Rente vs. Vollzeit 0,63 0,49-0,80<br />

Soziale Schicht Mittelschicht vs. 0,79 0,63-0,98<br />

Unterschicht<br />

Oberschicht vs. 0,60 0,47-0,78 0,71 0,56-0,90<br />

Unterschicht<br />

* Folgende Faktoren wurden in das multivariate Modell aufgenommen: Alter, Arthrose,<br />

Arthritis, Osteoporose, Depression, BMI, Sport, Rauchen, Lebenspartner, soziale<br />

Schicht, Arbeitszeit, berufliche Stellung, tägliche Arbeit durch körperliche Beschwerden<br />

gestört; dargestellt sind Befunde nach Rückwärtsselektion<br />

82


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Zeitanteile kniebelastender Tätigkeiten in ausgesuchten Berufen<br />

der Bauwirtschaft<br />

Dirk Ditchen 1 , Rolf Ellegast 1 , Bernd Hartmann 2 , Monika A. Rieger 3, 4<br />

1<br />

BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin,<br />

2<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hamburg,<br />

3<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />

Universität Witten/Herdecke,<br />

4<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />

Einleitung<br />

Ende 2005 empfahl der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für<br />

Gesundheit und Soziale Sicherung in einer wissenschaftlichen Begründung, die<br />

„Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer<br />

kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000<br />

Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht“ [1]<br />

als neue Berufskrankheit in die Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufzunehmen.<br />

Zu den relevanten Kniebelastungen wurden Tätigkeiten im Knien (mit und ohne<br />

Abstützung des Oberkörpers), Hocken, Fersensitz und Kriechen gezählt. Die Angaben<br />

zur Einwirkungsdauer wurden aus Studien abgeleitet, in denen Fragebögen zur<br />

Erfassung der Exposition eingesetzt wurden.<br />

Diese Legaldefinition einer neuen Berufskrankheit stellt die gesetzlichen<br />

Unfallversicherungsträger vor die Frage, in welchem Beruf wie lange typischerweise in<br />

den genannten Körperhaltungen gearbeitet wird. Da über Vorkommen und Zeitdauer<br />

kniebelastender Tätigkeiten in den verschiedenen Berufen keine gesicherten<br />

Erkenntnisse vorlagen, wurde 2006 im BGIA die Studie „GonKatast“ in Kooperation mit<br />

verschiedenen Berufsgenossenschaften (BG BAU, HBG, BGM, BGETF, LiBG, BGF)<br />

gestartet. Ziel der Studie ist die Erstellung eines Belastungskatasters auf Grundlage<br />

valider Messdaten für relevante Berufsgruppen wie Fliesenleger, Estrichleger,<br />

Installateur und Maler.<br />

Methodik<br />

Zur Erfassung der Körperhaltungen wurden Feldmessungen mit dem im BGIA<br />

entwickelten Messsystem CUELA durchgeführt [2]. Dieses Messsystem erlaubt die<br />

Untersuchung der relevanten Tätigkeiten direkt am Arbeitsplatz, ohne die Probanden<br />

einzuschränken. Die Auswertesoftware wurde dahingehend modifiziert, dass die<br />

relevanten Körperhaltungen (Knien mit und ohne Abstützung des Oberkörpers,<br />

Fersensitz, Hocken und Kriechen) automatisch erkannt und quantifiziert werden konnten<br />

(Abbildung 1). Durch eine parallel durchgeführte Dokumentation der gesamten<br />

Schichtinhalte durch einen Beobachter konnten die Einzelmessungen später so<br />

83


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

zusammengefügt werden, dass die Abbildung eines vollständigen Arbeitsschichtprofils<br />

mit den verschiedenen Tätigkeiten, Pausen, Fahrzeiten u. ä. möglich war. Um der<br />

Heterogenität und Komplexität der Berufe gerecht zu werden, wurden die Arbeitsinhalte<br />

in jeweils typische Tätigkeitsmodule gegliedert, wobei angestrebt wurde, pro<br />

Tätigkeitsmodul mindestens drei Probanden zu messen.<br />

Abbildung 1: a) Fliesenleger mit CUELA-Messsystem, b) Rekonstruktion der<br />

Körperhaltungen, c) Übersicht zu den Zeitanteilen kniebelastender Haltungen an der<br />

Arbeitsschicht<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt konnten 234 h Arbeitszeit messtechnisch erfasst werden, aus denen sich<br />

102 vollständige Arbeitsschichtprofile erstellen ließen (Tabelle 1). Die Zeitangaben der<br />

Kniebelastung in Minuten setzen sich dabei aus den Tätigkeiten Knien, Hocken,<br />

Fersensitz und Kriechen zusammen – jeweils bezogen auf eine „Standard-<br />

Arbeitsschicht“ von 8 h Dauer und angegeben als gerundeter Mittelwert aus den<br />

Einzelmessungen eines Moduls.<br />

Bei den Fliesenlegern konnten 20 Arbeitsschichten gemessen werden, die sich auf<br />

fünf Tätigkeitsmodule und drei „Sonderfälle“ verteilten. Die „Sonderfälle“ beinhalteten<br />

Tätigkeiten, die (heute) eher selten anzutreffen sind bzw. die keine typischen Tätigkeiten<br />

des Berufsbildes widerspiegeln. Alle untersuchten Fliesenleger-Arbeitsschichten wiesen<br />

eine Kniebelastung i. S. der wissenschaftlichen Begründung von über einer Stunde pro<br />

Standard-Arbeitsschicht auf. Spitzenwerte von über fünf Stunden lagen z. B. bei den<br />

Modulen „Bodenfliesen ausfugen“ (320 min) und „Bodenfliesen verlegen (Dünnbett)“<br />

(305 min) vor.<br />

84


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Tabelle 1: Dauer der Kniebelastung in verschiedenen Tätigkeitsmodulen von Fliesenlegern,<br />

Estrichlegern, Installateuren und Malern (S = „Sonderfall“)<br />

Tätigkeitsmodule<br />

Kniebelastung Kniebelastung gesamt<br />

Anzahl gesamt [min pro 8h-Schicht]<br />

Probanden<br />

[%] Mittelwert Median Min Max<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Fliesenleger<br />

Bodenfliesen verlegen,<br />

Dünnbett<br />

Wand- und Bodenfliesen<br />

verlegen, Dünnbett<br />

Wandfliesen verlegen,<br />

Dünnbett<br />

5<br />

1<br />

3<br />

64<br />

48<br />

29<br />

305 310<br />

230 230<br />

140 100<br />

250 375<br />

- -<br />

85 230<br />

4 Bodenfliesen ausfugen 2 67 320 320 310 330<br />

5 Wandfliesen ausfugen 5 29 140 150 95 160<br />

S1 Vorbereitungsarbeiten, Boden 2 27 130 130 110 155<br />

S2 Bodenfliesen verlegen, Dickbett 1 62 295 295 - -<br />

S3 Silikon-Ausfugarbeiten 1 33 160 160 - -<br />

Estrichleger<br />

1<br />

Fließestrich: Vorarbeiten<br />

(Dämmen)<br />

4 49 235 240 200 265<br />

2 Fließestrich: Einbauen 5 7 35 35 0 70<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Zementestrich: Einbauer 3-<br />

Mann-Kolonne<br />

Zementestrich: Glätter 3-Mann-<br />

Kolonne<br />

Zementestrich: Maschinist 3-<br />

Mann-Kolonne<br />

Zementestrich: Einbauer 2-<br />

S1 Mann-Kolonne<br />

Zementestrich: Maschinist 2-<br />

S2 Mann-Kolonne<br />

Installateur<br />

3 52 250 245 215 290<br />

3 33 160 155 95 230<br />

2 0 0 0 0 0<br />

1 55 265 265 - -<br />

2 18 85 85 75 95<br />

1 Fußbodenheizung-Vorbereitung 3 66 315 350 200 400<br />

2 Fußbodenheizungsmontage 5 40 195 175 120 290<br />

3 Heizkesselmontage 3 8 40 35 15 60<br />

4 Heizkörpermontage 3 51 245 235 225 275<br />

5 Rohrleitungsmontage 6 38 180 195 100 255<br />

6 Abwasserleitungsmontage 2 52 250 250 230 275<br />

7 Unterputzkastenmontage 2 35 165 165 80 255<br />

8 Sanitär-Feinmontage 4 42 200 205 185 205<br />

9 Dach-Anschlussarbeiten 4 20 95 65 35 220<br />

10 Dachrinnenmontage 3 6 30 15 0 70<br />

11 Photovoltaik-Montage,<br />

3 5 25 10 10 55<br />

85


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

12<br />

Flachdach<br />

Photovoltaik-Montage,<br />

Steildach<br />

2<br />

26 125 125 110 135<br />

S1 Leitungsmontage unter Decke 1 0 0 0 0 0<br />

Maler/Lackierer<br />

1 Fassadenvorbereitung 3 35 170 140 80 280<br />

2 Fassadenanstrich 3 9 45 35 25 70<br />

3 Fassade Vollwärmeschutz 5 9 45 5 0 130<br />

4 Tapezieren 3 24 115 95 95 155<br />

5 Lackierarbeiten, innen 2 35 170 170 140 200<br />

S1 Anstrich Treppenhaus 2 14 65 65 45 90<br />

S2 Decke tapezieren 2 0 0 0 0 0<br />

S3 Innenanstrich 1 3 15 15 15 15<br />

Bei den 20 untersuchten Arbeitsschichten der Estrichleger zeigte sich die Bedeutung<br />

der Einteilung nach Tätigkeitsmodulen: Während bei drei der fünf Tätigkeitsmodulen<br />

Kniebelastungen von deutlich mehr als einer Stunde auftraten (Spitzenwert: 265 min),<br />

konnte bei den Modulen „Fließestrich: Einbauen“ und „Zementestrich: Maschinist 3-<br />

Mann-Kolonne“ keine i. S. der wissenschaftlichen Begründung relevante Kniebelastung<br />

von über einer Stunde pro Arbeitsschicht gemessen werden.<br />

Das Berufsbild des Installateurs stellte sich deutlich komplexer dar als die beiden<br />

zuerst genannten. Dies wird deutlich durch die Gesamtzahl von zwölf untersuchten<br />

Tätigkeitsmodulen und einem „Sonderfall“, die in den 41 gemessenen Arbeitsschichten<br />

abgebildet werden konnten. Spitzenwerte der Kniebelastung wurden hier im Bereich der<br />

„Fußbodenheizung-Vorbereitung“ (315 min) und „Abwasserleitungsmontage“ (250 min)<br />

gemessen. Dagegen ließ sich bei drei Tätigkeitsmodulen keine relevante<br />

Kniebelastungsdauer im oben genannten Sinne feststellen. Insgesamt wurden bei ca.<br />

75% der Installateur-Arbeitsschichten Kniebelastungen von mehr als einer Stunde<br />

gemessen.<br />

Die Tätigkeit des Malers und Lackierers wurde in dieser Studie in fünf<br />

Tätigkeitsmodule und drei Sonderfälle unterteilt. Von den 21 untersuchten<br />

Arbeitsschichten wiesen ca. 60% eine Kniebelastung von mehr als einer Stunde auf. Die<br />

Spitzenwerte finden sich bei den Tätigkeitsmodulen „Lackierarbeiten, innen“ und<br />

„Fassadenvorbereitung“ mit jeweils 170 min. Diesen stehen Tätigkeitsmodule wie<br />

„Fassadenanstrich“ und „Vollwärmeschutz Fassade“ gegenüber, bei denen keine<br />

86


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

relevanten Kniebelastungszeiten i. S. der wissenschaftlichen Begründung nachgewiesen<br />

werden konnten.<br />

Diskussion<br />

Frühere Untersuchungen zu beruflichen Kniebelastungen setzten hinsichtlich der<br />

Expositionserhebung lediglich qualitative bis semiquantitative Methoden ein: In der Regel<br />

beruht die Erhebung der beruflichen Kniebelastungen auf standardisierten<br />

Probandenbefragungen (z. B. [3]) mit relativ großen Expositionsklassen wie „Knien > 1h<br />

am Tag“ [4]. In einer neueren Untersuchung [5] wurde die Dauer von Kniebelastungen<br />

zwar mittels Stoppuhr direkt am Arbeitsplatz gemessen, allerdings wurden die<br />

untersuchten Tätigkeiten nicht nach Modulen o. ä. unterteilt, sondern als Ergebnis jeweils<br />

ein Mittelwert der Kniebelastungsdauer für ein gesamtes Berufsbild angegeben.<br />

Die hier vorliegende Studie zeichnet sich nun durch einen hohen messtechnischen<br />

Aufwand zur systematischen Quantifizierung der Kniebelastungen am Arbeitsplatz in<br />

verschiedenen Berufen aus. Die Untersuchungen zeigen, dass das Ausmaß<br />

kniebelastender Tätigkeiten in den untersuchten Berufen je nach ausgeübter Tätigkeit<br />

und auch zwischen Probanden, die dieselbe Tätigkeit ausüben, stark variiert, so dass die<br />

reine Angabe des Berufes zur quantitativen Beurteilung der Kniebelastung als nicht<br />

ausreichend erscheint.<br />

Im Hinblick auf die in der wissenschaftlichen Begründung zitierten epidemiologischen<br />

Studien zum Gonarthroserisiko von Bauarbeitern kann aus dieser Untersuchung u.a.<br />

abgeleitet werden, dass die Berufsgruppe „Maler“ als Kontrollkollektiv [6, 7] ungeeignet<br />

erscheint aufgrund der z. T. auch hier vorliegenden hohen Kniebelastungszeiten.<br />

Die Ergebnisse der Studie können der Entwicklung gezielter Präventionsmaßnahmen zur<br />

Reduzierung beruflicher Kniebelastungen dienen und stellen zugleich eine hilfreiche<br />

Datengrundlage für die Anamnese in zukünftigen Berufskrankheiten-<br />

Feststellungsverfahren dar. Die Frage nach der Vergleichbarkeit von Mess- und<br />

Befragungsdaten ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.<br />

Literatur<br />

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wissenschaftliche<br />

Begründung für die Berufskrankheit „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder<br />

vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des<br />

Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von<br />

insgesamt einer Stunde pro Schicht“. Bundesarbeitsblatt 2005; (10): 46-54.<br />

87


V07<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Ellegast R, Hermanns I. Einsatz des Messsystems CUELA zur Erfassung und Bewertung<br />

physischer Arbeitsbelastungen. Information des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für<br />

Arbeitsschutz – BGIA, Sankt Augustin. 2006, März. Erhältlich unter:<br />

http://www.dguv.de/bgia/de/fac/ergonomie/pdf/cuela.pdf.<br />

Coggon D, Croft P, Kellingray S, Barrett D, McLaren M, Copper C. Occupational physical<br />

activities and osteoarthritis of the knee. Arthr. Rheum. 2000; 43: 1443-1449.<br />

Sandmark H, Hogstedt C, Vingard E. Primary osteoarthritis of the knee in men and<br />

women as a result of lifelong physical load from work. Scand. J. Work Environ Health.<br />

2000; 26: 20-25.<br />

Bolm-Audorff U, Kronen A, Hoffmann M, Riedel W. Dauer der Kniegelenksbelastung in<br />

ausgewählten Berufsgruppen. Symposium Medical. Arbeits- und Umweltmedizin. 2007;<br />

4: 8 -10.<br />

Wickström G, Hänninen K, Mattson T, Niskanen T, Riihimäki H, Zitting A. Knee<br />

degeneration in concrete reinforement workers. British J Ind Med. 1983; 40: 216-219.<br />

Kivimäki J, Riihimäki H, Hänninen K. Knee disorders in carpet floor layers and painters.<br />

Scand J Work Environ Health. 1992; 18: 310-316.<br />

88


V08<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Wirbelsäulenbelastung von Pflegepersonen beim Transfer<br />

schwergewichtiger Patienten<br />

Claus Jordan 1 , Andreas Theilmeier 1 , Norbert Wortmann 2 , Stefan Kuhn 3 , Alwin Luttmann 1 ,<br />

Matthias Jäger 1<br />

1 IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund,<br />

2 BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hauptverwaltung, Hamburg<br />

3 BGW – Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Präventionsdienst Mainz,<br />

Ziel der Studie – In vorhergehenden Kooperationen der Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und des Leibniz-Instituts für<br />

Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) wurde für einen großen Teil von<br />

Pflegetätigkeiten mit Patiententransfer, die von der BGW als „sicher gefährdend“<br />

hinsichtlich der Überlastung der Lendenwirbelsäule eingestuft werden, eine<br />

biomechanische Bewertung der Wirbelsäulenbelastung durchgeführt. Dabei wurden<br />

Kennwerte für die Druckkraft auf die Lendenwirbelsäule abgeleitet, die seither von der<br />

BGW in Feststellungsverfahren zur Berufskrankheit Nr. 2108 (BMA 1992) genutzt<br />

werden und die vormals verwendete Werte aus Expertenschätzungen (Kuhn et al. 2001)<br />

ersetzen (Jäger et al. 2003, 2005; Theilmeier et al. 2006a). Zusätzlich wurden mit dem<br />

Ziel der Ableitung biomechanisch begründeter Präventionsmaßnahmen verschiedene<br />

Arbeitsweisen („optimiert“, „optimiert mit Kleinen Hilfsmitteln“) identifiziert, mit denen die<br />

Wirbelsäulenbelastung der Pflegepersonen erheblich reduziert werden kann (Jäger et al.<br />

2008, Jordan et al. 2008, Theilmeier et al. 2008). Diese Forschungsvorhaben, wie auch<br />

die von der BGW in BK-Verfahren genutzte Vorgehensweise zur Berechnung der<br />

Belastungsdosis der Lendenwirbelsäule, fokussierten auf Pflegetätigkeiten mit<br />

normalgewichtigen Patienten. Die demographische Entwicklung in Deutschland mit<br />

deutlicher „Akzeleration” legt nahe, dass mit dem Körperlängenwachstum auch das<br />

durchschnittliche Gewicht von Patienten, die vom Pflegepersonal bewegt werden,<br />

ansteigt. Zur Zeit fehlen wissenschaftlich abgesicherte Werte sowohl zur<br />

Wirbelsäulenbelastung beim Bewegen von schwergewichtigen Patienten für die<br />

praktische Anwendung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren als auch für weitere<br />

Präventionsmaßnahmen. Bleibt dieser Sachverhalt der Gewichtszunahme<br />

unberücksichtigt, kann es bei der Verwendung der bisher ermittelten Kennwerte in BK-<br />

Feststellungsverfahren zu einer Unterschätzung der Belastung und des<br />

Überlastungsrisikos des Pflegepersonals kommen. Ziel des hier beschriebenen<br />

Forschungsvorhabens ist es daher, die Wirbelsäulenbelastung des Pflegepersonals beim<br />

Bewegen schwer- und übergewichtiger Patienten für ausgewählte Tätigkeiten zu<br />

quantifizieren und insbesondere das Ausmaß der Belastungserhöhung aufgrund des<br />

erhöhten Körpergewichts zu ermitteln. Zusätzlich soll exemplarisch der Einfluss des<br />

„Körperbautyps“ erhoben werden.<br />

89


V08<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Methode – Die Wirbelsäulenbelastung wurde „indirekt“ durch die Verwendung eines<br />

sogenannten biomechanischen Modells, des Simulationswerkzeugs Der Dortmunder<br />

(Jäger et al. 2000), ermittelt. Die Quantifizierung der Wirbelsäulenbelastung erfordert<br />

Informationen zum einen hinsichtlich der von der Pflegeperson ausgeübten Kräfte und<br />

zum anderen hinsichtlich ihrer Körperhaltung. Die Körperhaltungserfassung wurde durch<br />

Videodokumentationen aus unterschiedlichen Perspektiven in Kombination mit einem<br />

optoelektronischen Körperhaltungs- und -bewegungsmesssystem, bei dem Infrarot-<br />

Leuchtdioden an mehreren Körpersegmenten der Pflegeperson angebracht und deren<br />

räumliche Position bei der Tätigkeitsausführung messtechnisch „verfolgt“ wird, erfasst<br />

(Jordan 2003a,b). Für die Analyse der durch die Pflegeperson aufgebrachten Kräfte<br />

wurde hier das aus den früheren Untersuchungen bewährte System „Messbett“ – bei<br />

dem an den Eckpunkten eines Bettrahmens 3-achsige Kraftaufnehmer eingebaut wurden<br />

– weiterentwickelt und eingesetzt (Theilmeier 2006, Theilmeier et al. 2006b). Unter<br />

Verwendung der erhobenen Körperhaltungs- und Kraftdaten wurden mit Hilfe des<br />

Dortmunder verschiedene Kenngrößen der Wirbelsäulenbelastung (Kräfte und Momente<br />

an der lumbosakralen Bandscheibe) bestimmt.<br />

Für die aktuelle Studie wurden aus den 16 Pflegetätigkeiten, die bislang für Patienten mit<br />

einem Gewicht von 65 kg bzw. 80 kg hinsichtlich der Wirbelsäulenbelastung untersucht<br />

worden sind, Tätigkeiten ausgewählt, bei denen zwar einerseits eine außergewöhnliche<br />

Belastung des Pflegepersonals erwartet wird, die jedoch andererseits auch von einer<br />

Pflegeperson noch allein ausgeführt werden können, ohne offensichtlich oder fahrlässig<br />

biomechanische Überlastungen zu provozieren. Unter Einhaltung dieser Kriterien wurden<br />

die Tätigkeiten „Drehen des Patienten auf die Seite“, „Bewegen des Patienten in<br />

Richtung Kopfende“ und „Bewegen des Patienten vom Liegen an die Bettkante “ für die<br />

Messungen ausgewählt. Dem Patientenkollektiv gehörten Personen mit einem<br />

Körpergewicht von 90 kg bis zu 150 kg (in Stufen von 20 kg) an. Darüber hinaus wurden<br />

für das Patientengewicht 110 kg exemplarisch zwischen einem eher kurzen,<br />

„gedrungenen“ und einem eher langen Körperbautyp unterschieden. Weitere<br />

Untersuchungsvarianten ergaben sich aus den drei verschiedenen Arbeitsweisen<br />

(konventionell, optimiert und optimiert mit Kleinen Hilfsmitteln) und zwei Aktivitätsgraden<br />

des Patienten (eher aktiv sowie eher passiv).<br />

Ergebnisse – Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen teilweise einen eindeutigen<br />

Zusammenhang zwischen dem Patientengewicht und der Wirbelsäulenbelastung der<br />

Pflegepersonen. Das in Abbildung 1 dargestellte Diagramm verdeutlicht am Beispiel der<br />

untersuchten Tätigkeit „Bewegen des Patienten vom Liegen an die Bettkante“, dass sich<br />

die Belastungen der Wirbelsäule in Abhängigkeit des Patientengewichts für 80 und 110<br />

kg erhöhen. Das Druckkraftmaximum während der jeweiligen Aktion steigt von 3,3 kN für<br />

90


V08<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

einen Patienten mit einem Körpergewicht von 80 kg über 3,7 kN bei 90 kg auf 5,4 kN<br />

bzw. 6,5 bei 110 kg an. Das Beispiel dieser Messung an einem 110 kg schweren<br />

Patienten verdeutlicht die zusätzlich zum Patientengewicht existierende Abhängigkeit der<br />

Wirbelsäulenbelastung der Pflegeperson zum Körperbautyp des Patienten. Ein<br />

gedrungener Körperbau mit vergleichsweise kurzen Beinen und einem schweren<br />

Oberkörper verursacht – speziell bei der hier untersuchten Tätigkeit – eine höhere<br />

Wirbelsäulenbelastung als ein langer Körperbau, bei dem die Gewichtsanteile der<br />

Körpersegmente bezüglich des Beckens, das bei dieser Bewegung als Dreh- bzw.<br />

Auflagerpunkt fungiert, gleichmäßiger verteilt sind. Eine Abweichung der Abhängigkeit<br />

der Wirbelsäulenbelastung vom Patientengewicht wurde beim Bewegen eines Patienten<br />

mit 65 kg gefunden. Entsprechende Analysen der zugehörigen Videoaufnahmen lassen<br />

Abbildung 1: Wirbelsäulenbelastung der Pflegeperson beim Bewegen des Patienten vom Liegen<br />

an die Bettkante unter Einbeziehung von Patienten mit einem Körpergewicht von 65 bis 110 kg<br />

mit kurzem bzw. langen Körperbau. (Details zu dem mit einem roten Kreis markierten Wert siehe<br />

Text)<br />

vermuten, dass die vergleichsweise hohe Belastung der Lendenwirbelsäule auf eine sehr<br />

ruckhafte Ausführung des Patiententransfers zurückzuführen ist.<br />

Schlussfolgerungen – Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen, dass bei der<br />

Durchführung von Patiententransfertätigkeiten mit schwergewichtigen Patienten ein<br />

erhöhtes Patientengewicht mit einer erhöhten Wirbelsäulenbelastung einhergeht. In<br />

einigen Fällen wurden jedoch auch Ausführungsvarianten der Tätigkeit festgestellt, bei<br />

denen ein eher geringes Patientengewicht zu einer hohen Wirbelsäulenbelastung führte.<br />

Nach weiterer Auswertung der Erhebungen sind wissenschaftlich abgesicherte Werte zu<br />

91


V08<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

vermeintlich belastenden Tätigkeiten in Abhängigkeit vom Patientengewicht für die<br />

Verwendung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren zu erwarten. Mit Hilfe der<br />

erhobenen Daten wird es weiter möglich sein, präventive Interventionsmaßnahmen zur<br />

Verringerung der Belastung bei entsprechenden Pflegetätigkeiten zu entwickeln und zu<br />

beurteilen.<br />

Literatur<br />

BMA: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Zweite Verordnung zur Änderung<br />

der Berufskrankheitenverordnung. Bundesgesetzblatt I, Nr. 59, 1992, S. 2343-2344.<br />

Jäger M, Luttmann A, Göllner R, Laurig W: Der Dortmunder: Biomechanische<br />

Modellbildung zur Bestimmung und Beurteilung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei<br />

Lastenhandhabungen. In: Radandt, S, Grieshaber, R, Schneider, W (Hrsg.) Prävention<br />

von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und Erkrankungen. Monade, Leipzig 2000, S.<br />

105-124.<br />

Jäger M, Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A: Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 3:<br />

Ermittlung der Belastung der Lendenwirbelsäule bei ausgewählte Pflegetätigkeiten mit<br />

Patiententransfer. Teil 1: Entwicklung und exemplarische Anwendung der Methodik.<br />

Shaker, Aachen 2003.<br />

Jäger M, Theilmeier A, Jordan C, Luttmann A: wie zuvor, Teil 2: Belastungskennwerte<br />

von sicher gefährdenden Tätigkeiten im Sinne der Berufskrankheit 2108. Shaker,<br />

Aachen 2005.<br />

Jäger M., Theilmeier A, Jordan C. Luttmann A: wie zuvor, Teil 3: Biomechanische<br />

Beurteilung von Tätigkeiten im Gesundheitsdienst hinsichtlich der Möglichkeit zur<br />

Prävention von Gefährdungen der Wirbelsäule. Shaker, Aachen 2008.<br />

Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A, Jäger M: Opto-electronic posture recording during<br />

patient transfer for determining lumbar load. In: Strasser H, Kluth K, Rausch H, Bubb H<br />

(Eds.): Quality of work and products in enterprises of the future. Qualität von Arbeit und<br />

Produkt in Unternehmen der Zukunft Stuttgart: ergonomia Verlag, 2003 pp. 1010-1013<br />

Jordan C, Theilmeier A, Luttmann A, Jäger M: Lumbar load during care-activities with<br />

patient transfer. Part 1: Determination of postures and movements. In: de Waard D,<br />

Brookhuis KA, Sommer SM, Verwey WB. (Eds.) Human Factors in the Age of Virtual<br />

Reality, Shaker, Maastricht 2003b, pp. 235-238.<br />

Jordan C, Theilmeier A, Wortmann N, Kuhn S, Luttmann A, Jäger M: Beurteilung der<br />

Wirbelsäulenbelastung bei Patiententransfers im Hinblick auf die Anwendung präventiver<br />

Maßnahmen. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 43 (2008)178.<br />

Kuhn S, Baumann W, Lang R, Wortmann N: MDD-Pflege - Vorläufige Dosisberechnung<br />

(Gesundheitsdienst). In: BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.). BGW,<br />

Hamburg 2001.<br />

Theilmeier A: Erfassung von zeitvarianten Aktionskräften zur Erhebung der<br />

mechanischen Wirbelsäulenbelastung bei ausgewählten beruflichen Tätigkeiten.<br />

Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 1106. VDI-Verlag, Düsseldorf 2006.<br />

Theilmeier A, Jordan C, Wortmann N, Kuhn S, Nienhaus A, Luttmann A, Jäger M:<br />

Belastung der Lendenwirbelsäule von Pflegepersonen bei Patiententransfers –<br />

Kennwerte zur Nutzung in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren. Zbl Arbeitsmed 56<br />

(2006a) 228-251.<br />

92


V08<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Theilmeier A, Jordan, C Luttmann A, Jäger M. & DOLLY Group: Measurement of exerted<br />

forces for determining nurses' lumbar load during patient transfers. In: Pikaar RN,<br />

Koningsveld EAP, Settels PJM. (Eds.) Meeting Diversity in Ergonomics. CD-ROM paper,<br />

Elsevier, Amsterdam 2006b.<br />

Theilmeier A, Jordan C, Wortmann N, Kuhn St, Luttmann A, Jäger M: Risk prevention for<br />

health-care workers by reduction of lumbar load during patient-transfer activities. In:<br />

Mondelo P, Mattila M, Karwowski W, Hale A (Eds.), Proceedings of the Sixth<br />

International Confer-ence on Occupational Risk Prevention. ORP, La Coruña, Spain,<br />

2008.<br />

Danksagung: Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Barbara-Beate Beck und Frau Beate<br />

Wiedmann (Forum fBB Hamburg) sowie Herrn Dietmar Frenk (Herdecke) für die<br />

kompetente und konstruktive Zusammenarbeit.<br />

93


V09<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Verteilung von Knorpelschäden in Beziehung zur beruflichen<br />

Belastung. Ergebnisse einer arthroskopischen Studie<br />

Gunter Spahn 1 , Reinhard Bartsch 2 , Gunther Hofmann 3 , Marcel Peter 2 , Rainer Schiele 2<br />

1 Unfallchirurgie und Orthopädie, Praxisklinik Eisenach<br />

2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

3 Klinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

Zielstellung:<br />

Arthroskopische Studie zum altersadjustierten Vergleich von Schweregrad und<br />

Verteilung der Knorpelschäden des Kniegelenks bei leichter und schwerer beruflicher<br />

Belastung sowie bei Tätigkeiten mit hockender oder kniender (BK-relevanter)<br />

Arbeitsposition.<br />

Material und Methode<br />

Patienten:<br />

75 männliche Patienten, davon je 25 Büroarbeiter, 25 Bauarbeiter ohne besondere<br />

kniende Tätigkeit und 25 Bauarbeiter mit zusätzlicher Kniebelastung (Fliesenleger,<br />

Installateure) wurden nach einer mindestens 3-monatigen Knieschmerzanamnese<br />

arthroskopiert.<br />

Durch das Computerprogramm SPSS wurden insgesamt 4 Alterscluster ermittelt: 25<br />

Jahre (n=15), 42 Jahre (n=25), 59 Jahre (n=17) und 71 Jahre (n=18).<br />

Es wurde für alle Gelenkkompartimente getrennt die Knorpelschädigung der Belastungsund<br />

Nichtbelastungs-zone bestimmt.<br />

Ergebnisse:<br />

Signifikante Unterschiede fanden sich bezüglich der Schweregrade der<br />

Knorpelschädigung bei Vergleich der Alterscluster. Mit zunehmendem Alter nahm sowohl<br />

Häufigkeit als auch Schweregrad der Schäden zu.<br />

In den Hauptbelastungszonen der Kondylen und Tibiaplateaus sowie im Bereich der<br />

zentralen Fläche der Patella zu fanden sich signifikant schwerere Chondropathien als im<br />

Bereich der weniger belasteten Ränder.<br />

Die gravierendsten Knorpelschäden fanden sich im Bereich des medialen Femurkondyls,<br />

gefolgt von der Patellarückfläche.<br />

Innerhalb der Altersklassen fanden sich keine Unterschiede bezüglich des<br />

Schweregrades oder der Lokalisation der Knorpelschäden in Abhängigkeit von den von<br />

den Patienten angegebenen Tätigkeiten.<br />

94


V09<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die Annahme, dass kniende Tätigkeiten oder schwere berufliche Belastung zu einer<br />

höheren Frequenz von Knorpelschäden innerhalb des Kniegelenkes führen, konnte<br />

durch die Untersuchung nicht bestätigt werden. Es fand sich ein erwartungsgemäßer<br />

Anstieg der Frequenz der Knorpelschäden mit zunehmendem Lebensalter. Hinweise<br />

darauf, dass Patienten mit schwerer körperlicher Tätigkeit oder gar knienden Berufen ein<br />

anderes Verteilungsmuster von Knorpelschäden aufweisen, konnte durch unsere<br />

Untersuchungen nicht bestätigt werden. Insofern können Knien und schwere körperliche<br />

Tätigkeit nicht als ursächlich für druck- und schwerbelastungsbedingte Knorpelschäden<br />

des Kniegelenkes angesehen werden.<br />

95


V10<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Multiple Gesundheitsbeschwerden bei Beschäftigten mit<br />

Befunden am Muskel-Skelett-System<br />

Bernd Hartmann, Dirk Seidel<br />

BG der Bauwirtschaft – Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg<br />

1. Zielsetzung<br />

Muskel-Skelett-Erkrankungen haben neben körperlichen auch psychosomatische<br />

Ursachen, die zur Klagsamkeit führen können. Ihre Berücksichtigung in der Diagnostik<br />

kann umfassender als allein auf somatischer Grundlage die Entstehung von<br />

Beschwerden und Befunden erklären. In dieser Untersuchung wird geprüft, wie stark<br />

gehäufte körperliche Beschwerden außerhalb des Muskel-Skelett-Systems verbunden<br />

sind mit Rücken- oder Gelenkbeschwerden sowie mit Befunden am Muskel-Skelett-<br />

System.<br />

2. Material und Methoden<br />

Es werden die Daten von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen an 99.000<br />

männlichen Beschäftigten der Bauwirtschaft und des Reinigungsgewerbes aus<br />

Norddeutschland ausgewertet. Die Untersuchungen fanden zwischen 1994 und 2003<br />

beim AMD der BG BAU – Region Hamburg statt. Als Kriterium der Unterscheidung<br />

zwischen Beschäftigten ohne oder mit multiplen, jedoch für das Muskel-Skelett-System<br />

unspezifischen Beschwerden - sog. „Vielfachbeschwerden“ = VFB galt die Angabe von<br />

≥4 Beschwerden an anderen Organen.<br />

3. Ergebnisse<br />

Für das Muskel-Skelett-System unspezifische Beschwerden betreffen insbesondere<br />

„häufigen Schnupfen“ (20,9%), „Hauterkrankungen“ (11,3%) und „Kopfschmerzen“<br />

(11,0%) sowie „Halsentzündungen“ (9,3%) – Bild 1.<br />

Die Häufigkeiten der Beschwerden im Rücken und in den Gelenken – auf Grund der<br />

Struktur des Routineinstruments für die Vorsorge nicht nach Körperregionen differenziert<br />

erfasst – zeigt in allen Altersgruppen erhebliche Steigerungen der Beschwerden für VFB-<br />

Personen gegenüber jenen, die keine oder nur 1 bis 3 Beschwerden angaben - Bild 2.<br />

Dabei nehmen die Unterschiede mit steigendem Alter ab.<br />

96


V10<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Bild 1: Häufigkeiten der Angaben subjektiver Beschwerden am Muskel-Skelett-System (MSS)<br />

sowie bei 10 weiteren für das MSS unspezifischen Angaben bei Männern<br />

Rückenbeschwerden<br />

41,6<br />

Gelenkbeschwerden<br />

30,0<br />

Schnupfen<br />

20,9<br />

Hauterkrankungen<br />

11,3<br />

Kopfschmerzen<br />

11,0<br />

Halsentzündungen<br />

9,3<br />

Allergien<br />

9,2<br />

Magen-/Darmbeschwerden<br />

8,7<br />

Bronchitis<br />

7,3<br />

Herz-/Kreislaufbeschwerden<br />

6,9<br />

Schwindel- / Gleichgewst.<br />

6,9<br />

Erkältungskrankheiten<br />

5,2<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45<br />

Anteil mit Beschwerden in %<br />

Bild 2: Häufigkeitsunterschiede der Angabe von Rückenschmerzen bzw. Gelenkbeschwerden bei<br />

Männern ohne / mit Vielfachbeschwerden.<br />

Rückenschmerzen 0 - 3<br />

100<br />

80<br />

Rückenschmerzen 4 und mehr<br />

Gelenbeschwerden 0 - 3<br />

Gelenbeschwerden 4 und mehr<br />

76,1<br />

80,3<br />

89,7<br />

81,5<br />

92,0<br />

86,3<br />

mit Beschwerden in %<br />

60<br />

40<br />

58,1<br />

38,4<br />

31,7<br />

58,3<br />

38,6<br />

63,5<br />

25,3<br />

47,9<br />

34,4<br />

59,5<br />

47,5<br />

20<br />

17,8<br />

20,0<br />

6,6<br />

0<br />

bis 24 25 - 34 35 - 44 45 - 54 55 und älter<br />

Altersgruppe<br />

Die Häufigkeiten der Angabe von unspezifischen Beschwerden wirken sich auch auf die<br />

Feststellung klinischer Befunde am Muskel-Skelett-System durch die Betriebsärzte aus.<br />

Eine schmerzhafte Verhärtung der paravertebralen Muskulatur<br />

der LWS-Region findet sich bei Vielfachbeschwerden etwa doppelt so häufig (OR =<br />

2,2 / 1,9 – 2,5), in<br />

der HWS-Region ähnlich stark gehäuft (OR = 2,3 / 2,1 – 2,6).<br />

97


V10<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

In den Gelenkregionen sind<br />

an den oberen Extremitäten die Schultergelenke am stärksten betroffen (OR = 2,0 /<br />

1,7 – 2,5), gefolgt von den Ellenbogengelenken (OR = 1,8 / 1,4 – 2,4).<br />

an den unteren Extremitäten sind Hüft- und Kniegelenke etwa gleich stark betroffen<br />

(OR = 1,8 / 1,4 – 2,5 bzw. OR = 1,8 / 1,5 – 2,1).<br />

4. Diskussion und Schlussfolgerungen<br />

Vielfach (≥4x) auftretende und weitgehend für das Muskel-Skelett-System unspezifische<br />

allgemeine Gesundheitsbeschwerden haben bei jüngeren Beschäftigten die stärkste<br />

Beziehung sowohl zu Rückenbefunden als auch zu Gelenkbeschwerden. Mit steigendem<br />

Alter wird dieser Unterschied zwar relativ geringer. Das dürfte insbesondere auf die<br />

steigende Zahl weiterer körperlicher Beeinträchtigungen zurückzuführen sein. Damit<br />

bekommen zunehmend gesundheitlich beeinträchtigte Personen vielfache Beschwerden.<br />

Andererseits ist zu beachten, dass unter den älteren Beschäftigten nahezu alle Personen<br />

mit Vielfachbeschwerden sowohl Rückenschmerzen (ab 55 Jahre 92,0%)als auch<br />

Gelenkbeschwerden (ab 55 Jahre 86,3%) angeben.<br />

Die Berücksichtigung nichtskelettaler Vielfachbeschwerden gibt Hinweise auf eine<br />

mögliche Klagsamkeit bei jüngeren Beschäftigten, im fortgeschrittenen Alter jedoch auch<br />

auf die zunehmende Multimorbidität. Die orientierende Abschätzung von<br />

Vielfachbeschwerden außerhalb des Muskel-Skelett-Systems kann vergleichbar mit einer<br />

Beschwerdenskala vorgenommen werden. Sie ist bei klinischer Wertung der Art der<br />

Klagen geeignet, ohne den Einsatz eines besonderen Werkzeugs wie Fragebogen zur<br />

Erkennung psychosomatischer Beeinträchtigungen bei Krankheitsbildern am Muskel-<br />

Skelett-System in Betriebsarzt-Untersuchungen beizutragen.<br />

98


V11<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Messtechnische Analyse von ungünstigen Körperhaltungen bei<br />

Pflegekräften: Kranken- und Altenpflege im Vergleich<br />

Sonja Freitag 1 , Isabell Fincke 1 , Rolf Ellegast 2 , Albert Nienhaus 1<br />

1 Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />

Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />

2 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

Beschäftigte in Pflegeberufen weisen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von<br />

muskuloskelettalen Beschwerden im Bereich des Rückens auf. Bislang wurden vor allem<br />

Hebe- und Tragevorgänge als Hauptursachen verantwortlich gemacht. Allerdings ließ<br />

sich in entsprechenden Studien, die überwiegend auf das Erlernen von<br />

Transfertechniken und den Einsatz von Hilfsmitteln fokussierten, kein ausreichender<br />

Effekt im Hinblick auf die Reduktion von Rückenbeschwerden bei Pflegekräften<br />

nachweisen. Daher liegt es nahe, dass zusätzliche Faktoren, wie statische<br />

Körperhaltungen oder häufiges Beugen des Oberkörpers, an der Entstehung von<br />

Rückenbeschwerden beteiligt sind 1,2 . Ziel der vorliegenden Studie ist die messtechnische<br />

Analyse, wie häufig und in welchem Ausmaß Pflegekräfte in Krankenhäusern und<br />

Altenpflegeeinrichtungen ungünstige Körperhaltungen einnehmen und bei welchen<br />

Tätigkeiten es besonders häufig zu solchen Körperhaltungen kommt. Durch die<br />

Identifizierung entsprechender Arbeitssituationen soll ein Schulungskonzept entwickelt<br />

werden, das Pflegekräfte in die Lage versetzt, die Anzahl ungünstiger Körperhaltungen in<br />

ihrem Arbeitsalltag zu verringern.<br />

In der vorliegenden Untersuchung trugen 31 Pflegekräfte aus 7 Krankenhäusern und 4<br />

Altenpflegeeinrichtungen in jeweils drei aufeinander folgenden Frühdienstschichten das<br />

CUELA-Messsystem (Abb 1). Mit Hilfe von Sensoren<br />

erfasst dieses Messsystem sowohl Oberkörper- als auch<br />

Beinhaltungen. Die an den Gelenken und am Oberkörper<br />

angebrachten Sensoren liefern die erforderlichen Lagebzw.<br />

Winkelinformationen und ermöglichen so die<br />

kinematische Rekonstruktion der Bewegungen des<br />

Probanden. Während der Messung wurden die<br />

Probanden zusätzlich mit einer Videokamera gefilmt.<br />

Nach der Synchronisation der Mess- und Videodaten<br />

konnten auf diese Weise nicht nur Anzahl und Ausmaß<br />

der ungünstigen Körperhaltungen bestimmt werden,<br />

sondern es ließen sich auch diejenigen Tätigkeiten<br />

„sichtbar“ machen, die diese Körperhaltungen überwiegend hervorgerufen haben.<br />

99


V11<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Für die ergonomische Bewertung werden die Oberkörperbewegungen in<br />

unterschiedliche Winkelklassen eingeteilt (DIN EN 1005-4, DIN EN-1005-1, ISO 11226).<br />

Darunter fallen z. B. Oberkörpervorneigungen in einem Winkel von mehr als 20 oder<br />

mehr als 60 Grad. Aber auch unsymmetrische Bewegungen durch Oberkörper-<br />

Seitneigungen oder Verdrehungen zwischen der Brust- und Lendenwirbelsäule zählen<br />

dazu. Als ungünstig bewertet werden ebenfalls so genannte statische Körperhaltungen.<br />

Darunter sind Körperhaltungen außerhalb des Neutralbereichs zu verstehen, die länger<br />

als 4 Sekunden eingenommen werden. Im Anschluss an die Messungen wurden anhand<br />

der Videoaufnahmen diejenigen Tätigkeiten ermittelt, bei denen die Probanden starke<br />

Oberkörperneigungen über 60 Grad bzw. statische Körperhaltungen über 20 Grad<br />

eingenommen haben. Diese Tätigkeiten wurden zu Tätigkeitsgruppen zusammen<br />

gefasst, wie z. B.: "Grundpflege im Bett", "Betten machen", "Mobilisation",<br />

"Behandlungspflege", "Umgang mit Materialien", "Dekubitusprophylaxe" oder<br />

"Aufräumen, Putzen, Entsorgen".<br />

Zusätzlich wurden die Häufigkeit und die Gesamtdauer aller Tätigkeiten mit<br />

Lastentransfer ermittelt, bei denen eine hohe Druckbelastung der Bandscheibe L5/S1<br />

nachgewiesen wurde. Dazu gehören Tätigkeiten, bei denen Gegenstände<br />

(Wäschesäcke, Bettgitter, Geräte etc.) bewegt werden und auch der Transfer von<br />

Patienten, wie z. B. das Umsetzen von der Bettkante in den Rollstuhl oder das Aufrichten<br />

des Oberkörpers im Bett. Vor- und Nachbereitungen, die bei den meisten<br />

Patiententransfers erforderlich sind, werden zeitlich nicht berücksichtigt, sondern<br />

lediglich die Dauer des eigentlichen Hebe- bzw. Tragevorgangs.<br />

Da die Pflegekräfte einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit Tätigkeiten am Patienten- bzw.<br />

Bewohnerbett verbringen, sollte ein Laborversuch darüber hinaus Aufschluss bringen, ob<br />

und in welchem Ausmaß die Optimierung der Betthöhe einen Einfluss auf die Anzahl von<br />

ungünstigen Körperhaltungen hat. Dazu absolvierten drei Probanden nach einem<br />

standardisierten Ablauf typische Pflegetätigkeiten (Aufnehmen der Vitalparameter,<br />

Waschen und Umlagern eines Patienten, Laken wechseln etc.). Die Probanden führten<br />

den standardisierten Ablauf der genannten Pflegetätigkeiten je zwei Mal an drei<br />

unterschiedlichen Betthöhen durch (Kniehöhe, Mitte Oberschenkel, Leistengegend).<br />

Bei Altenpflegekräften wurden pro Arbeitsschicht im Mittel 1529 Oberkörperneigungen<br />

über 20 Grad und 307 Neigungen über 60 Grad erfasst. Insgesamt waren die<br />

Altenpflegekräfte durchschnittlich 2 Stunden ihrer Arbeitszeit in vorgeneigter Haltung von<br />

mehr als 20 Grad tätig. Überwiegend hervorgerufen wurden die starken Neigungen über<br />

100


V11<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

60 Grad durch die Tätigkeiten „Grundpflege“, „Betten machen“ und „Mobilisation der<br />

Bewohner“. Die Anzahl der statischen Neigungen über 20 Grad°, die länger als 4<br />

Sekunden eingenommen wurden, beträgt durchschnittlich 443-mal. Im Mittel wurden 30<br />

Lastentransfers durchgeführt. Alle Transfervorgänge nahmen zusammen etwa eine<br />

Zeitdauer von fünf Minuten pro Arbeitsschicht ein.<br />

In der Krankenpflege (chirurgische und internistische Stationen) hingegen wurden<br />

Neigungen über 20 Grad im Mittel 1214-mal und über 60 Grad 121-mal eingenommen.<br />

Insgesamt waren die Krankenpflegekräfte durchschnittlich 1 Stunde und 17 Minuten ihrer<br />

Arbeitszeit in vorgeneigter Haltung von mehr als 20 Grad tätig. Die starken Neigungen<br />

wurden hier überwiegend durch die Tätigkeiten „Betten machen“, Ein-/Ausräumen von<br />

Materialien“ und „Aufräumen, Putzen“ verursacht. Statische Neigungen wurden 245-mal<br />

eingenommen. Im Mittel wurden 13 Lastentransfers durchgeführt. Alle Transfervorgänge<br />

nahmen zusammen etwa eine Zeitdauer von drei Minuten pro Arbeitsschicht ein.<br />

Die Auswertung des Laborversuchs ergab, dass die Probanden bei der Betthöhe in<br />

Kniehöhe ein Drittel der Messzeit in aufrechter Körperhaltung und über zehn Prozent der<br />

Zeit in starker Oberkörpervorneigung verbrachten. Bei der Justierung des Bettes auf<br />

Leistenhöhe hingegen verbrachten die Probanden zwei Drittel der Messzeit in aufrechter<br />

Haltung. Starke Rumpfneigungen über 60 Grad traten nicht mehr auf.<br />

Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Stationen waren an allen drei Messtagen<br />

vollständig belegt und alle Probanden hatten bettlägerige und pflegebedürftige Patienten<br />

zu versorgen. Dennoch wurden im Mittel nicht mehr als 30 Transfervorgänge (Altenheim)<br />

bzw. 13 Transfervorgänge (Krankenhaus) pro Arbeitsschicht durchgeführt. Die Zeit, die<br />

für diese Transfervorgänge benötigt wurde, betrug im Mittel weniger als drei bis fünf<br />

Minuten pro Arbeitsschicht. Würde man lediglich die reinen Hebevorgänge für eine<br />

Belastungsanalyse bei den an der Studie beteiligten Pflegekräften heranziehen, so<br />

blieben 98% der hier gemessenen Arbeitszeit unbewertet. Die Auswertung der<br />

gemessenen Körperhaltungen hingegen zeigt, dass die Altenpflegekräfte im Laufe einer<br />

Arbeitsschicht eine Vielzahl von ungünstigen Körperhaltungen eingenommen haben und<br />

im Mittel zwei Stunden in einer vorgeneigten Oberkörperhaltung gearbeitet haben. Der<br />

Laborversuch macht im Hinblick auf die Betthöhe deutlich, dass die Optimierung der<br />

Arbeitshöhe einen hohen Einfluss auf die Anzahl der ungünstigen Körperhaltungen hat.<br />

Pflegekräfte können durch eine optimierte Arbeitshöhe am Bett nicht nur die starken<br />

Rumpfneigungen fast vollständig vermeiden, sondern erhöhen dadurch auch den<br />

Zeitanteil, den sie in aufrechter Haltung verbringen, maßgeblich.<br />

101


V11<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen I<br />

Nächstes Etappenziel dieser Studie ist die Entwicklung und Evaluation einer<br />

Schulungsmaßnahme, mit der sich die Anzahl der ungünstigen Körperhaltungen bei<br />

Pflegekräften nachhaltig reduzieren lässt.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1 Freitag S, Ellegast R, Dulon M, Nienhaus A. Quantitative Measurement of Stressful<br />

Trunk Postures in Nursing Professions. Ann Occup Hyg 2007; 51:385–395<br />

2 Freitag S, Ellegast R, Dulon M, Nienhaus A. Messtechnische Analyse von ungünstigen<br />

Körperhaltungen bei Pflegekräften – eine geriatrische Station im Vergleich mit anderen<br />

Krankenhausstationen. Ergo Med 2007; 31:130-150<br />

102


V12<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten:<br />

Nikotin und seine Metabolite als Marker der inneren Belastung<br />

Tobias Weiß 1 , Michael Castillo 1 , Wolfgang Schneider 2 , Dietmar Breuer 2 , Holger M. Koch 1 ,<br />

Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum,<br />

2 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

Nikotin und sein Metabolit Cotinin werden im Ambient bzw. Biological Monitoring zur<br />

Abschätzung von Tabakrauchexpositionen eingesetzt. Zu Personen, die beruflich bedingt<br />

in besonderem Umfang Passivrauch ausgesetzt sind, zählen Beschäftigte in Teilen der<br />

Gastronomiebranche. Zwar bestehen mittlerweile in allen Bundesländern<br />

Nichtraucherschutzgesetze, die das Rauchen einschränken, durch unterschiedliche<br />

Ausnahmeregelungen werden Gastronomiebeschäftigte jedoch auch weiterhin<br />

Passivrauch ausgesetzt sein. Allerdings liegen kaum Daten zur Belastung von<br />

Gastronomiebeschäftigten in Deutschland vor. Die einzige international publizierte<br />

Studie, die in Deutschland die Passivrauchexposition in der Raumluft von<br />

Gastronomiebetrieben untersucht hat, wurde 2007 von Bolte und Mitarbeitern publiziert<br />

(1).<br />

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Geeignetheit entsprechender Parameter für das<br />

Biological Monitoring zu prüfen und darüber hinaus die Bandbreite von<br />

Passivrauchbelastungen von Gastronomiebeschäftigten zu objektivieren.<br />

Die Belastung gegenüber Nikotin bzw. Cotinin und 3-Hydroxycotinin wurde bei 37<br />

nichtrauchenden Gastronomieangestellten (Cafe, getränkegeprägte Gastronomie,<br />

Diskothek) über personengetragene Luftmessungen sowie über ein Biological Monitoring<br />

zu Beginn und Ende der Messzeit (5h) ermittelt. Als Vergleich für die innere Belastung<br />

dienten nicht passivrauchexponierte Nichtraucher (N=37), passivrauchexponierte<br />

Nichtraucher (N=110) und aktive Raucher (N=67).<br />

Die in der Luft gemessenen Nikotin-Konzentrationen der Gastronomiebeschäftigten<br />

lagen zwischen 1,6 und 145 µg/m3 (MW=24). Die höchsten Belastungen fanden sich in<br />

der Diskothek (MW=63 µg/m3; N=6). Für Nikotin, Cotinin und 3-Hydroxycotinin im Urin<br />

bestanden auf Gruppenbasis signifikante Unterschiede (p< 0,001) zwischen Rauchern<br />

(Mediane in µg/L: 1582; 2714; 3943), Gastronomieangestellten (Vorschicht: 5,3; 9,5;<br />

19,3; Nachschicht: 34,8; 14,6; 18,4), Passivrauchexponierten (1,5; 2,5; 4,8) und nicht<br />

Passivrauchexponierten (0,3; 1,0; 1,6). Allerdings überschnitten sich die Bereiche der<br />

inneren Belastung der Gastronomiebeschäftigten und der Nichtraucher, wie auch der<br />

Nichtraucher und der nicht Passivrauchexponierten zu großem Teil (Abb. 1). Zwischen<br />

den Nikotin-Luftkonzentrationen und den Nachschichtnikotinwerten im Urin fand sich<br />

103


V12<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

eine enge Korrelation (Abb. 2; R 2 =0,83). Cotinin und 3-Hydroxycotinin hingegen<br />

unterschieden sich nicht.<br />

Die Bandbreite der die Passivrauchbelastung von Gastronomieangestellten<br />

beeinflussenden Parameter ist vergleichsweise komplex. So hatten neben den<br />

räumlichen Gegebenheiten auch die Art des Gastronomiebetriebs, die spezielle Tätigkeit<br />

wie auch die Tageszeit der beruflichen Tätigkeit Einfluss auf die individuelle Höhe der<br />

Belastung. Durch den kombinierten Einsatz von biologischem Monitoring und Ambient<br />

Monitoring war es möglich, die Aussagekraft der im Rahmen dieser Studie eingesetzten<br />

Parameter im Vergleich zu prüfen:<br />

Dabei stellte sich heraus, dass es nur über einen Biomonitoring-Parameter mit einer<br />

Eliminationshalbwertszeit im Bereich weniger Stunden (hier Nikotin im Urin) möglich ist,<br />

berufsbedingte Passivrauchexpositionen (von Nichtrauchern) auf individueller Basis<br />

abzuschätzen. Die Nikotin-Metaboliten Cotinin und 3-Hydroxycotinin (in Urin oder<br />

Speichel) konnten dies aufgrund ihrer Verstoffwechselungskinetik<br />

(Eliminationshalbwertszeit > 17 Stunden) nicht leisten. Cotinin und 3-Hydroxycotinin<br />

waren offenbar deutlich von der vorangegangenen (auch privaten) Passivrauchbelastung<br />

beeinflusst. Diese beiden Nikotin-Metaboliten stellen somit ein kumulatives Maß für die<br />

Summe der vorangegangenen privaten und beruflichen Passivrauchexposition dar. Nur<br />

durch die Kombination mehrerer Parameter war es möglich, zwischen privater und<br />

beruflicher Belastung zu differenzieren und die Höhe der beruflichen Belastung adäquat<br />

abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass insbesondere in der untersuchten Diskothek die<br />

dort beschäftigten Nichtraucher Nikotinmengen aufnehmen können, wie man sie<br />

ansonsten bei Rauchern mit einem geringen Zigarettenkonsum findet.<br />

104


V12<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

100000<br />

Cut-Off NR/R<br />

3OH-Cotinin [µg/L Urin]<br />

10000<br />

1000<br />

100<br />

10<br />

0,01 0,10 10 100 1000 10000<br />

0,10<br />

0,01<br />

Cotinin [µg/L Urin]<br />

Raucher (N=71)<br />

Nicht Passivrauch-Exp. (N=37)<br />

Nichtraucher (N=110)<br />

NR Gastronomie (N=37)<br />

Abbildung 1: ETS-Belastung der Gastronomiebeschäftigten im Vergleich zu aktiven Rauchern,<br />

nicht Passivrauch-Exponierten und Nichtrauchern anhand der Nikotinmetabolite Cotinin und 3-<br />

Hydroxycotinin (logarithmische Achsen).<br />

Nikotin in der Luft [µg/m 3 ; 5h-Messung]<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Nikotin in der Luft [µg/m 3 ; 5h-Messung]<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

y = 0,2522x + 5,2004<br />

R² = 0,8331<br />

y = 0,2522x + 5,2004<br />

R² = 0,8331<br />

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />

Nikotin im Urin [µg/ L; Nachschicht]<br />

Diskothek<br />

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />

Nikotin im Urin [µg/L; Nachschicht]<br />

Abbildung 2: Assoziation Nikotin in der Arbeitsplatzluft (personengebundenen Messung) und<br />

Nikotin im Urin (Nachschicht-Probe).<br />

105


V12<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Literatur:<br />

Bolte G, Heitmann D, Kiranoglu M, Schierl R, Diemer J, Koerner W, Fromme H.<br />

Exposure to environmental tobacco smoke in German restaurants, pubs and<br />

discotheques. J Expo Sci Environ Epidemiol. 18(3):262-71 (2008)<br />

106


V13<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Passivrauchbelastung von Gastronomiebeschäftigten:<br />

Luftmessungen von Nikotin und Acrylnitril zur Unterstützung<br />

des Biomonitoring<br />

Wolfgang Schneider 1 , Dietmar Breuer 1 , Helmut Blome 1 , Tobias Weiß 2 , Michael Castillo 2 , Holger<br />

M. Koch 2 , Thomas Brüning 2<br />

1 BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

2 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Nach Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze werden in Deutschland auch weiterhin<br />

Gastronomiebeschäftigte durch die Einrichtung von Raucherbereichen in den<br />

Gasträumen gegen Tabakrauch exponiert sein. Im Passivrauch wurden durch das<br />

Ambient Air Monitoring bisher über 4000 Substanzen gefunden, darunter ca. 70<br />

krebserzeugende Stoffe. Als Leitkomponente wird seit vielen Jahren das Hauptalkaloid<br />

des Tabaks Nikotin verwendet. Für Acrylnitril als Vertreter der Kanzerogene sollte die<br />

Eignung als weitere Leitkomponente nachgewiesen werden.<br />

Da es zu der Passivrauchexposition von nichtrauchenden Gastronomiebeschäftigten in<br />

Deutschland kaum veröffentlichte Daten gab, war das Ziel der Studie, deren Belastung in<br />

der Bandbreite zu ermitteln und die Eignung der Parameter des Ambient Air Monitoring<br />

für die Abschätzung von Passivrauchbelastungen im Zusammenspiel mit dem Biological<br />

Monitoring zu prüfen. Zur Abschätzung von Tabakrauchexpositionen mittels Biological<br />

Monitoring werden Nikotin, sein Metabolit Cotinin und das Hb-Addukt des Acrylnitril<br />

Cyanoethylvalin genutzt, letzteres gilt als ein Maß für die längerfristige Exposition.<br />

Um die zu erwartenden Konzentrationen in der Luft in ihrer Bandbreite zuverlässig<br />

erfassen zu können, wurden zunächst geeignete Messmethoden für Nikotin und<br />

Acrylnitril entwickelt und validiert. Nikotin wird auf XAD4-Harz und Acrylnitril auf<br />

Aktivkohle gesammelt. Beide Probenträger werden mit Methanol/Ethylacetat (1:9)<br />

extrahiert und die Extrakte über Gaschromatographie und stickstoffselektivem Detektor<br />

analysiert. Die angestrebte Bestimmungsgrenze von 0,1 µg/m 3 wird für Nikotin mit 4 h<br />

Probenahme (1 L/min, 240 L) und für Acrylnitril mit 5 h Probenahme (0,66 L/min, 200 L)<br />

erreicht.<br />

Im Zeitraum vom 31. Mai bis 28. Juni 2008 wurden insgesamt 134 Proben in der<br />

Gastronomie genommen. Stationäre Messungen wurden im Tresenbereich als<br />

permanent besetztem Arbeitsplatz durchgeführt. Parallel dazu wurden bei 37<br />

nichtrauchenden Gastronomiebeschäftigten Proben personengetragen gezogen; diese<br />

107


V13<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Personen wurden auch für das Biological Monitoring ausgewählt. Messbeginn war<br />

jeweils der Arbeitsbeginn des Personals.<br />

Die an der Messreihe beteiligten Gastronomiebetriebe lassen sich in folgende Gruppen<br />

einteilen: Café / Bistro (44 Proben), Gaststätte / Bar (68 Proben) und Diskothek (22<br />

Proben). Die überwiegende Zahl der Proben wurde in den Abendstunden bis in den<br />

frühen Morgen genommen. In den Cafés / Bistros fanden zusätzliche Messungen am<br />

Vormittag statt.<br />

An allen Messorten wurden Nikotin und Acrylnitril gefunden. Die Nikotinkonzentrationen<br />

lagen zwischen 1,2 und 152 µg/m 3 und die Acrylnitrilkonzentrationen zwischen 0,1 und<br />

8,2 µg/m 3 , bei einer hervorragenden Korrelation (R² = 0,83) untereinander.<br />

160,0<br />

140,0<br />

Nikotin [µg/m 3 ]<br />

120,0<br />

100,0<br />

80,0<br />

60,0<br />

40,0<br />

20,0<br />

y = 16,271x<br />

R 2 = 0,83<br />

0,0<br />

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0<br />

Acrylnitril [µg/m 3 ]<br />

Abbildung 1: Korrelation zwischen Nikotin und Acrylnitril im Passivrauch<br />

Die Bandbreite der Passivrauchexposition lässt sich sehr gut an den Werten für die<br />

einzelnen Lokalgruppen erkennen. Die höchsten Belastungen fanden sich in einer<br />

Diskothek (Nikotin 19,5 – 152,4 µg/m³, Mittelwert 74,6 µg/m³, Median 55,5 µg/m³;<br />

Acrylnitril 1,9 – 8,2 µg/m³, Mittelwert 5,0 µg/m³, Median 4,9 µg/m³) während die<br />

niedrigsten Konzentrationen in Cafés / Bistros (Nikotin 1,2 – 43,2 µg/m³, Mittelwert<br />

13,8 µg/m³, Median 9,8 µg/m³; Acrylnitril 0,1 – 2,5 µg/m³, Mittelwert 0,8 µg/m³, Median<br />

0,7 µg/m³) bestimmt wurden, wobei sich die einzelnen Wertebereiche überschneiden.<br />

Die ermittelten Nikotinkonzentrationen von 3,1 – 96,8 µg/m³ (Mittelwert 21,3 µg/m³,<br />

Median 15 µg/m³) bzw. Acrylnitrilkonzentrationen von 0,6 – 3,1 µg/m³ (Mittelwert<br />

1,2 µg/m³, Median 0,9 µg/m³) für Gaststätten / Bars belegen diesen Übergang.<br />

108


V13<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Für das Gastronomiepersonal konnten unterschiedliche Belastungen in Abhängigkeit<br />

vom Tätigkeitsprofil festgestellt werden. Personen, die räumlich begrenzt z. B. nur im<br />

Tresenbereich tätig waren, hatten zum Teil deutlich höhere Belastungen als das<br />

Bedienpersonal.<br />

60,0<br />

50,0<br />

Nikotin [µg/m 3 ]<br />

40,0<br />

30,0<br />

20,0<br />

10,0<br />

0,0<br />

Lokal 1, Sa. 31.05. Lokal 2 Lokal 1, Mi. 11.06. Lokal 3<br />

Lokal<br />

Thekenpersonal stationär Bedienung<br />

Abbildung 2: Vergleich der Nikotinbelastung in Abhängigkeit vom Arbeitsplatz bei paralleler<br />

Probennahme<br />

Neben einem tageszeitlichen Trend, wobei die höchsten Belastungen am späten Abend<br />

festgestellt wurden, zeigen die Resultate höhere Nikotin- und Acrylnitrilkonzentrationen<br />

an den Wochenenden im Vergleich zu Werktagen.<br />

Die Ergebnisse der Messungen zeigen deutlich die Bandbreite der Passivrauchbelastung<br />

des nichtrauchenden Personals in der Gastronomie. Einen typischen Arbeitsplatz mit<br />

einer charakteristischen Exposition gegen Passivrauch gibt es nicht. Die Belastung hängt<br />

neben der Zahl der rauchenden Gäste von verschiedenen Einflüssen ab, die sowohl<br />

durch räumliche (z.B. Lokaltyp, Arbeitsplatz im Lokal, Lüftung) als auch zeitliche<br />

Faktoren (unterschiedliche Belastungen im Laufe eines Tages, einer Woche und eines<br />

Jahres) bestimmt werden. Weiterhin hat sich gezeigt, dass mit Acrylnitril eine weitere<br />

geeignete Leitkomponente für das Ambient Air Monitoring neben Nikotin zur Verfügung<br />

steht.<br />

109


V14<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Simultane Bestimmung der Mercaptursäuren von Acrylnitril<br />

(CEMA) und 1,3-Butadien (DHBMA, MHBMA) im Urin der<br />

Allgemeinbevölkerung – ein neuer Biomarker zur Evaluierung<br />

einer Passivrauchbelastung?<br />

Thomas Schettgen, Elke Ochsmann, Anita Musiol, Anne Alt, Thomas Kraus<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Passivrauchen wurde sowohl von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als auch von<br />

zahlreichen internationalen Agenturen als eindeutig krebserregend für den Menschen<br />

eingestuft [1,2]. Als spezifischer Biomarker einer Exposition gegenüber Passivrauch hat<br />

sich die Ausscheidung des Nikotin-Metaboliten Cotinin im Urin in den letzten<br />

Jahrzehnten bewährt. Da Nikotin als Tabakrauch-Bestandteil bisher nicht als<br />

krebserzeugend eingestuft wurde, kommt dem Nachweis von Biomarkern, die dem<br />

kanzerogenen Potential einer Passivrauch-Exposition näher stehen, eine große<br />

Bedeutung in der Arbeits- und Umweltmedizin zu.<br />

Sowohl Acrylnitril als auch 1,3-Butadien wurden in der Literatur als Bestandteile von<br />

Tabakrauch (bzw. Nebenstromrauch) beschrieben. Die im Tabakrauch<br />

(Hauptstromrauch) nachgewiesenen Konzentrationen reichen für Acrylnitril von 3 – 15<br />

µg/Zigarette, für 1,3-Butadien werden im Mittel Konzentrationen von 30-40 µg/Zigarette<br />

angegeben [3,4].<br />

Beide Stoffe wurden von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher<br />

Arbeitsstoffe als krebserzeugend (Acrylnitril K2; 1,3-Butadien K1) gekennzeichnet [2].<br />

Acrylnitril wird nach den Ergebnissen von Tierversuchen nach der Aufnahme im Körper<br />

unter anderem durch direkte Reaktion mit Glutathion und anschließendem Abbau zur<br />

Mercaptursäure N-acetyl-S-2-cyanoethyl-cystein (Cyanoethylmercaptursäure, CEMA)<br />

verstoffwechselt [5]. Als Mercaptursäuren des 1,3-Butadiens wurde N-acetyl-S-3,4-<br />

dihydroxybutyl-cystein (Dihydroxybutylmercaptursäure, DHBMA) sowie ein Gemisch<br />

zweier isomerer Monohydroxybutenylmercaptursäuren (MHBMA) in der Literatur<br />

beschrieben und bereits als Biomarker in arbeits- und umweltmedizinischen Studien<br />

angewandt [6].<br />

Die genannten Mercaptursäuren können sich als spezifische Biomarker beider<br />

Kanzerogene also auch zur Beurteilung des krebserzeugenden Potentials einer<br />

Passivrauch-Exposition eignen.<br />

Ziel der Studie<br />

Es war deshalb das Ziel unserer Arbeiten, zunächst eine Methode zur simultanen<br />

Bestimmung der Mercaptursäuren des Acrylnitrils und des 1,3-Butadiens im Urin zu<br />

110


V14<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

entwickeln und zu validieren. Die Methode sollte dann auf Spontanurinproben von<br />

Personen der Allgemeinbevölkerung ohne bekannte Arbeitsplatz-Exposition gegenüber<br />

beiden Stoffen angewandt werden. Durch die genaue Anamnese des Rauchverhaltens<br />

der Studienteilnehmer lässt sich so eine Aussage über die durch Tabakrauch-Exposition<br />

aufgenommene Dosis beider Kanzerogene treffen.<br />

Material und Methoden<br />

An unserem Institut in Aachen wurde eine moderne HPLC/MS/MS-Methode mit<br />

Säulenschaltung zur Quantifizierung der CEMA, DHBMA sowie MHBMA in Urin<br />

entwickelt, die eine schnelle, hochspezifische und sehr sensitive Analytik erlaubt [7].<br />

Ausgehend von 0,5 ml Urin erfolgt die Probenvorbereitung automatisch durch online-<br />

Anreicherung der Analyten an einer RAM-Phase. Nach dem Transfer der Analyten auf<br />

die analytische Säule werden die Analyten weiter von Störsubstanzen abgetrennt und<br />

tandem-massenspektrometrisch nachgewiesen. Die Bestimmungsgrenzen für CEMA,<br />

DHBMA und MHBMA betragen 1, 10 und 2 µg/L Urin. Als Interner Standard wurden<br />

jeweils deuterium-markierte Analoga der Mercaptursäuren eingesetzt, um die Richtigkeit<br />

der Messung sicherzustellen.<br />

Die anamnestisch ermittelten Rauchgewohnheiten aller untersuchten Probanden wurden<br />

durch die spezifische Analyse von Cotinin im Urin mittels GC/MS objektiviert<br />

(Nachweisgrenze: 1 µg/L Urin).<br />

Kollektive<br />

Die Methode wurde auf Spontanurinproben von 210 Personen (12 w, 198 m; Alter: 19 –<br />

80 Jahre, Altersmedian: 57,5 Jahre) der Allgemeinbevölkerung angewandt, die an ihrem<br />

Arbeitsplatz nicht gegenüber Acrylnitril oder 1,3-Butadien exponiert sind.<br />

Diese Personen wurden anhand der anamnestischen Angaben sowie der Analyse von<br />

Cotinin im Urin in insgesamt 4 Gruppen mit steigender Exposition gegenüber<br />

Tabakrauch unterteilt:<br />

- Gruppe 1: Nichtraucher ohne Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten < 5 µg/L<br />

Urin (n=73, 2 w, 71 m; Altersmedian 60 Jahre)<br />

- Gruppe 2: Nichtraucher mit leichter Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten von 5<br />

– 10 µg/L Urin (n=38, 1 w, 37 m; Altersmedian 60 Jahre)<br />

- Gruppe 3: Nichtraucher mit hoher Passivrauch-Exposition mit Cotinin-Gehalten von 10<br />

– 60 µg/L Urin (n=18, 18 m; Altersmedian 59 Jahre)<br />

- Gruppe 4: aktive Raucher mit Cotinin-Gehalten von 77 – 4300 µg/L Urin (n=81, 9 w, 72<br />

m; Altersmedian 48 Jahre)<br />

111


V14<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Ergebnisse<br />

Die Ergebnisse der Untersuchungen zur Ausscheidung der Mercaptursäuren in den 4<br />

genannten Gruppen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />

Tabelle 1: Ergebnisse der Untersuchungen zur Mercaptursäurenausscheidung bei 4 Gruppen der<br />

Allgemeinbevölkerung mit steigender Exposition gegenüber Tabakrauch (Passivrauch).<br />

DHBMA<br />

(µg/L Urin)<br />

MHBMA<br />

(µg/L Urin)<br />

CEMA<br />

(µg/L Urin)<br />

Gruppe 1<br />

Nichtraucher<br />

(n=73)<br />

Gruppe 2<br />

Leicht Passivrauchexponiert<br />

(n=38)<br />

Gruppe 3<br />

Hoch Passivrauchexponiert<br />

(n=18)<br />

Gruppe 4<br />

Aktive Raucher<br />

(n=81)<br />

Median 289 384 250 398<br />

95. Perz. 760 1113 759 1079<br />

Bereich 19 – 2500 56 – 2008 70 - 771 15 - 1959<br />

Median < 2 < 2 < 2 < 2<br />

95. Perz. < 2 2,4 < 2 8,6<br />

Bereich < 2 – 2,5 < 2 – 3,5 < 2 < 2 – 17,5<br />

Median 2,0 3,2 6,6 240<br />

95. Perz. 5,9 12,6 37,7 870<br />

Bereich < 1 – 21,3 < 1 – 19,9 < 1 – 71,1 2 – 1382<br />

Während DHBMA in allen untersuchten Urinproben quantifiziert werden konnte, gelang<br />

dies für den Butadien-Metaboliten MHBMA nur in ca. 20 % aller Proben, hier fast<br />

ausschließlich in der Gruppe der aktiven Raucher (Gruppe 4). Die DHBMA-<br />

Ausscheidung der 4 Gruppen zeigte keine signifikanten Unterschiede. Obwohl die<br />

aktiven Raucher (Gruppe 4) im Median mit 398µg/L eine deutlich höhere Ausscheidung<br />

aufwiesen als die Nichtraucher (Gruppe 1) mit einem Median von 289 µg/L, war dieser<br />

Unterschied statistisch jedoch nicht signifikant (Mann-Whitney-U, p = 0.14). Die DHBMA-<br />

Ausscheidung ist offensichtlich kein ausreichend spezifischer Parameter, um die<br />

Tabakrauch-bedingte, individuelle Butadien-Belastung anzuzeigen. Die Gründe hierfür<br />

liegen in einer physiologisch bedingten, stark variierenden Ausscheidung dieser<br />

Mercaptursäure auch bei unbelasteten Personen, die spezifische Aussagen im<br />

Niedrigdosisbereich nicht zulässt.<br />

Im Gegensatz dazu schieden Raucher statistisch signifikant höhere Mengen der<br />

Butadien-Mercaptursäure MHBMA aus (Mann-Whitney-U, p < 0.01). Es muss<br />

einschränkend jedoch betont werden, dass auch bei aktiven Rauchern (Gruppe 4)<br />

lediglich 47 % aller Urinproben über der Bestimmungsgrenze von 2 µg/L Urin für diesen<br />

Parameter lagen. MHBMA ist augenscheinlich ein deutlich spezifischerer Biomonitoring-<br />

Parameter zur Erfassung arbeits- und umweltmedizinischer Expositionen gegenüber 1,3-<br />

Butadien.<br />

Die Acrylnitril-Mercaptursäure CEMA war in mehr als 90 % aller Urinproben<br />

quantifizierbar. Somit belegen unsere Ergebnisse erstmals eine ubiquitäre<br />

112


V14<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung gegenüber Acrylnitril, wobei sich die<br />

Exposition gegenüber Tabakrauch (Passivrauch) als maßgeblicher Einflussfaktor für die<br />

Ausscheidung der Acrylnitril-Mercaptursäure herausstellte. Verglichen mit den<br />

Nichtrauchern der Gruppe 1 zeigten Personen mit leichter bzw. hoher Passivrauch-<br />

Exposition (Gruppe 2 und 3) im Median mit 3,2 und 6,6 µg/L Urin eine statistisch<br />

signifikant erhöhte CEMA-Ausscheidung (Mann-Whitney-U, p=0.009 bzw. p


V14<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Es wurde anhand der Acrylnitril-Metaboliten CEMA erstmals eine ubiquitäre<br />

Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung gegenüber Acrylnitril erfasst<br />

Die CEMA-Ausscheidung steigt parallel mit der Exposition gegenüber<br />

Passivrauch bzw. Tabakrauch an<br />

Schlussfolgerungen<br />

‣ Passivrauchen führt zu einer quanitifizierbaren, erhöhten inneren Exposition mit<br />

dem K-2-Stoff Acrylnitril<br />

‣ Demnach trägt Passivrauchen zum individuellen Krebsrisiko bei<br />

‣ Die Ausscheidung der Acrylnitril-Mercaptursäure CEMA ist ein wichtiger<br />

zusätzlicher Parameter zur individuellen Risikobewertung einer Passivrauch-<br />

Exposition<br />

Literatur<br />

[1] International Agency for Research on Cancer (IARC). Tobacco smoke and Involuntary<br />

smoking. IARC Monograph Eval Carcinog Risks Hum 83: 1191 – 1413 (2004).<br />

[2] Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). MAK- und BAT-Werte Liste 2008.<br />

[3] Hoffmann D, Hoffmann I, El-Bayoumy K. The less harmful cigarette: a controversial<br />

issue. A tribute to Ernst L. Wynder. Chem Res Toxicol 14: 767-790 (2001).<br />

[4] Adam T, Mitschke S, Streibel T, Baker RR, Zimmermann R. Quantitative puff-by-puff<br />

resolved characterisation of selected toxic compounds in cigarette mainstream<br />

smoke. Chem Res Toxicol 19: 511-520 (2006).<br />

[5] Sumner SCJ, Selvaraj L, Nauhaus SK, Fennell TR. Urinary metabolites from F344<br />

rats and B6C3F1 mice coadministered acrylamide and acrylonitrile for 1 or 5 days.<br />

Chem Res Toxicol 10: 1152-1160 (1997).<br />

[6] Sapkota A, Halden RU, Dominici F, Groopman JD, Buckley TJ. Urinary biomarkers of<br />

1,3-butadiene in environmental settings using liquid chromatography isotope dilution<br />

tandem mass spectrometry. Chem Biol Interact 160: 70-79 (2006).<br />

[7] Schettgen T, Musiol A, Alt A, Ochsmann E, Kraus T. A method for the quantification of<br />

biomarkers of exposure to acrylonitrile and 1,3-butadiene in human urine by columnswitching<br />

liquid chromatography-tandem mass spectrometry. Anal Bioanal Chem 393:<br />

969-981 (<strong>2009</strong>).<br />

114


V15<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Untersuchungen zum Metabolismus von Ethyltoluol als<br />

Grundlage der Evaluierung eines BAT-Wertes<br />

Eva-Maria Coester, Maryam Dashti Ardakani, Dirk Walter, Udo Knecht<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen/Marburg<br />

Die Datenlage zur Toxikokinetik von Ethyltoluol, insbesondere zum Metabolismus, ist<br />

derzeit defizitär. Sie soll durch human-experimentelle Untersuchungen aufgeklärt<br />

werden, um ein praxisorientiertes Biomonitoring etablieren zu können.<br />

Insgesamt nahmen 21 Versuchspersonen, die keinen beruflichen und außerberuflichen<br />

Umgang mit Ethyltoluol hatten, an der Studie teil. Davon wurden jeweils 7 Probanden<br />

gegenüber einer der drei isomeren Verbindungen in Anlehnung an einen Arbeitstag über<br />

8 Stunden exponiert. Die Expositionen erfolgten bei Konzentrationen von jeweils 35 mg<br />

der entsprechenden Ethyltoluol-Komponente/m³ Luft, wobei der Proband halbstündlich<br />

praxisorientiert eine 10-minütige körperliche Belastung von 75 Watt auf einem Fahrrad-<br />

Ergometer erbringen musste. Unterbrochen wurden die Versuche nach jeweils 4 h durch<br />

eine 45-minütige Pause außerhalb der Kammer.<br />

Die Luftkonzentrationen wurden kontinuierlich gemessen. Blut- und Harnkonzentrationen<br />

konnten vor, während und nach der Exposition asserviert werden.<br />

Als relevante Ausscheidungsprodukte ließen sich in den Harnproben die isomeren<br />

Metabolite 1-Hydroxyethyl-benzoesäure, Ethylhippursäure, Acetyl- und Ethylbenzoesäure<br />

sowie die Methylmandelsäure nachweisen. Gaschromatographischmassenspektros-kopisch<br />

wurden ebenfalls die Vinylbenzoesäuren identifiziert, die bei<br />

der Probenaufbereitung zur instrumentellen Analyse als Artefakt aus den 1-Hydroxyethylbenzoesäuren<br />

zu gleichen Anteilen entstehen.<br />

Exemplarisch resultieren im Fall des 4-Ethyltoluols am Expositionsende durchschnittliche<br />

Konzentrationen von 104 ± 21 µg unverstoffwechselte Komponente/L Blut mit einem 95-<br />

Perzentil von 130 µg/L und einer biologischen Halbwertszeit (HWZ) von etwa 40 min. Die<br />

renale Konzentrationen o. g. Metabolite rangieren von ca. 2 mg/L (4-Methylmandelsäure)<br />

bis 110 mg/L (4-(1-Hydroxyethl)benzoesäure). Die resultierenden HWZ betragen 3,8 ±<br />

0,3 h.<br />

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen eine quantitative Beziehung<br />

zwischen äußerer und innerer Belastung auf, wobei die Daten auch qualitativ für die<br />

anderen beiden Isomere zutreffen. Im Fall für 4-Ethyltoluol können zum einen für ein zu<br />

evaluierendes Biomonitoring die Bestimmung des 4-Ethyltoluols im Blut und andererseits<br />

dessen Abbauprodukte im Urin herangezogen werden. Vorzuschlagen sind die<br />

Metabolite 4-(1-Hydroxyethyl)benzoesäure bzw. 4-Vinylbenzoesäure, da sie in den<br />

115


V15<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Urinproben mit den höchsten Konzentrationen ausgeschieden werden und insbesondere,<br />

da experimentell abgeklärt werden konnte, dass das Verhältnis beider Substanzen<br />

zueinander wegen der Beständigkeit der Probenvorbereitung stets in der gleichen<br />

Größenordnung auftritt.<br />

116


V16<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Die Bedeutung des Biomonitoring im Rahmen eines<br />

Chemieunfalles<br />

Gabriele Leng<br />

Currenta GmbH & Co.OHG, Sicherheit-Gesundheitsschutz-Institut für Biomonitoring, Leverkusen<br />

Einleitung und Ziel:<br />

Am 17. März 2008 wurde im Chempark Dormagen aufgrund eines Unfalles Acrylnitril<br />

(ACN) und Ethylen freigesetzt. Mehr als 1000 Personen (z.B. Feuerwehrleute, Polizisten,<br />

Chempark-Bedienstete, Allgemeinbevölkerung) waren potentiell gegenüber ACN<br />

(Kanzerogenitätsklasse 2) und Ethylen (Kanzerogenitätsklasse 3 B) exponiert. Die Folge<br />

hiervon war, dass viele Menschen wissen wollten, ob sie durch den Chemieunfall<br />

belastet wurden und falls ja, wie hoch ihre Belastung ist. Luftmessungen wurden in der<br />

Umgebung des Chemparks durchgeführt. ACN wurde in Konzentrationen bis maximal 20<br />

ppm gemessen, im Durchschnitt 7 ppm (8 Std.) bzw. 1,6 ppm (120 Std.). Der frühere<br />

TRK-Wert für ACN betrug 3 ppm.<br />

Um Erkenntnisse über die individuelle Gefahrstoffaufnahme zu bekommen, wurde allen<br />

betroffenen Personen die Teilnahme an einer Biomonitoring-Untersuchung angeboten.<br />

Kollektiv und Methoden:<br />

Bei 863 Personen wurde ein Biomonitoring durchgeführt.<br />

Als Kurzzeitmarker einer ACN-Belastung wurde ACN und Blausäure im Blut analysiert.<br />

Weil ACN schnell verstoffwechselt wird, macht dies nur innerhalb von 6 Std. nach der<br />

potentiellen Exposition Sinn. Daher wurden diese Kurzzeitmarker nur bei 55 Personen<br />

bestimmt.<br />

Als Langzeitmarker einer ACN und Ethylen-Belastung wurden die entsprechenden<br />

Globin-Addukte bestimmt – so ist es möglich, die individuelle Belastungssituation der<br />

letzten 3 Monate zu ermitteln. Zum Nachweis einer ACN-Belastung wurde<br />

Cyanoethylvalin und zum Nachweis einer Ethylen-Belastung Hydroxyethylvalin bestimmt.<br />

Zur Bewertung der Belastungshöhe dienen die Referenzwerte (Hintergrundbelastung der<br />

Allgemeinbevölkerung). Für Raucher beträgt der Referenzwert für beide Addukte 15 µg/l<br />

Blut, für Nichtraucher kleiner Nachweisgrenze. Eine Belastung oberhalb dieser<br />

Referenzwerte wurde auf den Chemieunfall zurückgeführt und es wurden Kontroll-<br />

Untersuchungen nach ca. 2 Monaten angeboten, um den weiteren Konzentrationsverlauf<br />

zu beobachten.<br />

117


V16<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Ergebnisse:<br />

Bei 50 Personen waren die Konzentrationen unterhalb der Nachweisgrenze von 50 µg/l.<br />

Bei 5 Personen wurde ACN/Blausäure gefunden in Konzentrationen bis zu 137 µg/l.<br />

Bei 863 Personen wurden die Addukte nachgewiesen. Wie Abbildung 1 zeigt war das für<br />

eine ACN-Belastung spezifische Addukt Cyanoethylvalin in 60 % der Fälle unterhalb der<br />

Nachweisgrenze von 1 µg/l Blut, in 39 % zwischen 1 und 15 µg/l und in 1 % oberhalb von<br />

15 µg/l (Mittelwert: 2,4 µg/l, 95th Perzentil: 9,7 µg/l und Maximalwert: 47,1 µg/l).<br />

Die Hydroxyethylvalin-Konzentration (Ethylen-Belastung) war in 77 % der Fälle unterhalb<br />

der Nachweisgrenze von 2 µg/l Blut, in 22 % zwischen 2 und 15 µg/l und in 1 % oberhalb<br />

von 15 µg/l (Mittelwert: 2,3 µg/l, 95th Perzentil: 8,8 µg/l und Maximalwert: 22 µg/l) wie<br />

Abbildung 2 zeigt. Personen, bei denen mehr als 15 µg/l des entsprechenden Adduktes<br />

nachgewiesen wurde, sind Kontrolluntersuchungen nach ca. 3 Monaten angeboten<br />

worden. Bei sämtlichen durchgeführten Kontrollen waren die Werte dann wieder im<br />

Referenzbereich.<br />

Abbildung 1: Verteilung der Acrylnitril-Addukt-Konzentrationen bei 863 untersuchten Personen<br />

Verteilung von N-Cyanoethylvalin (ACN-Belastung)<br />

in 863 Proben (Anzahl; Prozent)<br />

< 1 µg/l<br />

12; 1%<br />

1 - 15 µg/l<br />

336; 39%<br />

> 15 µg/l<br />

Referenzbereich Nichtraucher<br />

Referenzbereich Raucher<br />

515; 60%<br />

Mittelwert:<br />

Median:<br />

95th Perz.:<br />

Max:<br />

2.4 µg/l Blut<br />

< 1 µg/l Blut<br />

9.7 µg/l Blut<br />

47.1 µg/l Blut<br />

118


V16<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Abbildung 2: Verteilung der Ethylen-Addukt-Konzentrationen bei 863 untersuchten Personen<br />

Verteilung von Hydroxyethylvalin (Ethylen-Belastung)<br />

in 863 Proben (Anzahl; Prozent)<br />

193; 22%<br />

8; 1%<br />

< 2 µg/l<br />

2 - 15 µg/l<br />

> 15 µg/l<br />

Referenzbereich Nichtraucher<br />

Referenzbereich Raucher<br />

662, 77%<br />

Mittelwert: 2.3 µg/l Blut<br />

Median: < 2 µg/l Blut<br />

95th Perz.: 8.8 µg/l Blut<br />

Max: 22.0 µg/l Blut<br />

Diskussion und Schlußfolgerungen:<br />

Die Belastung durch Acrylnitril und Ethylen lag bei 99 % der Betroffenen im Bereich der<br />

Referenzwerte und war nur bei 1 % höher als 15 µg/l (gemessener Höchstwert war 47,1<br />

µg/l Cyanoethylvalin). Anhand der in der Luft gemessenen Werte wären rein<br />

kalkulatorisch wesentlich höhere Adduktkonzentrationen zu erwarten gewesen. Hieraus<br />

ist ersichtlich, dass die wahre individuelle Belastung nur mittels Biomonitoring erfassbar<br />

ist.<br />

Es sollte daher diskutiert werden, routinemäßig nach Chemieunfällen betroffenen<br />

Personen Biomonitoring anzubieten.<br />

119


V17<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl<br />

Wolfgang Will, Rolf-Peter Pluto, Bernd Trauth<br />

Occupational Medicine and Health Protection, BASFSE, Ludwigshafen<br />

Ziel der Studie<br />

Aus Biomonitoring-Ergebnissen nach Intoxikationen mit Nickeltetracarbonyl sollen<br />

Aussagen zur Toxikokinetik und der aufgenommenen Dosis abgeleitet werden.<br />

Fallbeschreibung<br />

Am 03.03.2008 erlitten drei Schlosser bei der Demontage eines Hochdruckreaktors im<br />

Zuge der jährlichen Revision einer Propionsäureanlage Intoxikationen mit<br />

Nickeltetracarbonyl, die durch die Bestimmung von Nickel im Urin erstmals objektiviert<br />

werden konnte, als sich einer der betroffenen Personen am 05.03. in der<br />

Werksambulanz vorstellte. Die gering ausgeprägten gesundheitlichen Beschwerden, die<br />

zunächst das Bild eines „grippalen Infektes“ bzw. einer „beginnenden<br />

Lungenentzündung“ boten, wurden wegen des hohen akut-toxischen Potenzials anfangs<br />

täglich ärztlich kontrolliert und symptomatisch behandelt. Sie waren bei allen drei<br />

Mitarbeitern nach einer Woche vollständig abgeklungen. Spätere Untersuchungen gaben<br />

keinerlei Hinweis auf bleibende Gesundheitsschäden.<br />

Bestimmungen von Nickel in Urinproben eines vierten Schlossers belegten, dass dieser<br />

bei der Öffnung des Reaktors in einer zentralen Werkstatt am 04.03.2008 ebenfalls<br />

gegenüber Nickeltetracarbonyl exponiert wurde. Die Stoffaufnahme zog jedoch keine<br />

gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach sich.<br />

Toxikokinetik<br />

Da der Schlosser aus der zentralen Werkstatt bereits vor Aufnahme der Tätigkeiten am<br />

Hochdruckreaktor Urinproben abgegeben hatte, konnte festgestellt werden, dass dessen<br />

Ausscheidungsmaximum von 217 µg Ni / g Kreatinin mehr als 24 h verzögert eintrat. Die<br />

Nickelausscheidung in den folgenden 24 h lässt sich unter Annahme einer Kinetik erster<br />

Ordnung mit einer Halbwertszeit von 13 h beschreiben. Anschließend nehmen die Nickel<br />

konzentrationen in den Urinproben deutlich langsamer ab. So liegen die Halbwertszeiten<br />

drei Wochen nach dem Expositionsereignis bei etwa 6,5 Tagen. Die Biomonitoring-<br />

Bestimmungen über mehrere Wochen zeigen, dass die Nickelausscheidung einer<br />

komplizierten Kinetik unterliegt, die nur mit Hilfe eines Mehrkompartmentmodells<br />

beschrieben werden kann. Zwischen den Probanden bestehen nur geringe<br />

interindividuelle Unterschiede (Abb. 1).<br />

120


V17<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

1000<br />

Nickel im Urin [µg/g Kreatinin] .<br />

100<br />

10<br />

0 2 4 6 8 10 12<br />

Tage nach Exposition<br />

Abb. 1:<br />

Semilogarithmische Darstellung der Ausscheidung von Nickel im Urin nach<br />

inhalativer Aufnahme von Nickeltetracarbonyl von vier Personen<br />

Dosisabschätzung<br />

Die höchste Nickelausscheidung der vorliegenden Untersuchungen beträgt 597 µg/g<br />

Kreatinin. Weil bei diesem Mitarbeiter die erste Probennahme zum Biomonitoring aber<br />

erst 2 Tage nach dem Expositionsereignis erfolgte, wurde der tatsächliche Spitzenwert<br />

analytisch mit Sicherheit nicht erfasst. Unterstellt man eine identische Biokinetik zu dem<br />

Schlosser aus der zentralen Werkstatt, lässt sich ein Ausscheidungsmaximum von etwa<br />

2000 µg Ni / g Kreatinin berechnen.<br />

Aus dem Integral der gemessenen und abgeschätzten Ausscheidungskurve für Nickel im<br />

Urin und unter Annahme einer Ausscheidung von 1,8 g Kreatinin pro Tag errechnet sich<br />

für den Mitarbeiter, der wegen gesundheitlicher Beschwerden am 05.03. die<br />

Werksambulanz aufgesucht hat, eine Gesamtausscheidung von etwa 7 mg Nickel im<br />

Zeitraum vom 03.03.-03.04., was stöchiometrisch einer Dosis von 20 mg<br />

Nickeltetracarbonyl entspricht. Da Nickeltetracarbonyl kaum quantitativ in Form von<br />

Nickel-II-Ionen über die Nieren ausgeschieden sondern zum Teil direkt wieder abgeatmet<br />

wird, dürfte die tatsächlich aufgenommene Menge noch deutlich höher gelegen haben.<br />

Überträgt man die Ergebnisse aus Tierversuchen an Ratten, errechnet sich eine<br />

Gesamtdosis von 32 mg Nickeltetracarbonyl.<br />

121


V17<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring I<br />

Bei Annahme einer vollständigen Aufnahme über die Lunge und einen Atemvolumen von<br />

20 m³ / 8 h (mittelschwere körperliche Arbeit) wäre bei einer Exposition von 8 h eine<br />

Luftkonzentration von 1,5 mg/m³ notwendig, um diese Menge an Nickeltetracarbonyl zu<br />

erreichen. Unterstellt man eine nur kurzzeitige Exposition von ~½ h, beträgt die<br />

erforderliche Luftkonzentration ~25 mg/m³, also über der Geruchsschwelle von 7 - 21<br />

mg/m³ und im Bereich einer Belastung, die eine schwere Intoxikation mit Todesfolge<br />

hätte auslösen können.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Erst ein gezieltes Biomonitoring führte in unseren Fällen zur Diagnosesicherung<br />

„Nickeltetracarbonyl-Intoxikation“. Die auftretenden gesundheitlichen Beschwerden sind<br />

in der Regel so unspezifisch, dass schon bei ersten Hinweisen auf eine<br />

Nickeltetracarbonyl-Exposition Biomonitoring-Untersuchungen durchgeführt werden<br />

sollten.<br />

Literatur<br />

‣ BGIA Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung:<br />

GESTIS-Stoffdatenbank. http://www.dguv.de/bgia/de/gestis/stoffdb/index.jsp<br />

‣ Ludewigs H-J, Thiess AM (1970) Arbeitsmedizinische Erkenntnisse bei der Nickelcarbonyl-Vergiftung.<br />

Zentralblatt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz 20: 329-339.<br />

‣ Pluto R-P, Trauth B, Will W, Nasterlack M, Lang S (<strong>2009</strong>) Drei Intoxikationen mit<br />

Nickeltetracarbonyl. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 44: 81-86.<br />

122


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Beschäftigten eines<br />

Industrieunternehmens<br />

Mekail-Cem Keskin 1 , Anja Kühnlein 2 , Katja Radon 2 , Joachim Stork 1<br />

1 Gesundheitswesen, AUDI AG, Ingolstadt<br />

2 Arbeitsgruppe Arbeits- und Umweltepidemiologie & Net Teaching, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozialund<br />

Umweltmedizin des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Zielstellung<br />

Die Individualprävention wird zukünftig in der Arbeitsmedizin neben der Prävention<br />

arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen eine immer größere Rolle spielen. Hierzu<br />

führte die AUDI AG 2006 im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements den<br />

Audi Checkup ein, bei der es die Integration des allgemeinen Präventionsscreenings in<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ermöglichte, ca. 90% einer<br />

Industriebelegschaft individuell gesundheitlich zu beraten (Haller 2008). Zur zukünftigen<br />

Schwerpunktbildung der betrieblichen Prävention sollten die Prävalenzen häufiger<br />

chronischer Erkrankungen in einem großen Teilkollektiv ermittelt werden.<br />

Methoden<br />

Der Audi Checkup beinhaltet die Anamnese mit Angaben zur persönlichen Befindlichkeit<br />

(SF-12), den klinischen Untersuchungsbefund, klinisch-chemische Parameter (Blutbild,<br />

Blutzucker, Triglyceride, Cholesterin, Leberparameter, Bilirubin, Harnsäure, Harnstoff,<br />

Kreatinin) sowie physikalische Routineuntersuchungen (Ruhe-EKG ab dem 45.<br />

Lebensjahr, Biometrie, Körperfettanalyse, Spirometrie, Seh- und Hörtest), zusätzlich den<br />

aus diesen Werten errechneten PROCAM-Score. Es konnten im Rahmen des<br />

Präventionsscreenings Daten von 13.832 Beschäftigten (10,7% weiblich, 89,3%<br />

männlich, mittleres Alter 40,6 10,3 Jahre, Raucheranteil 32%) der inländischen Audi-<br />

Standorte gewonnen werden, dies entspricht über 29% der Mitarbeiter des<br />

Unternehmens. Als chronische Erkrankungen wurden neben den ICD-10-<br />

Diagnosegruppen E (Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten), I<br />

(Krankheiten des Kreislaufsystems) und M (Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems<br />

und des Bindegewebes) die Einzeldiagnosen Diabetes mellitus Typ 2, arterielle<br />

Hypertonie und Erkrankungen der Wirbelsäule ausgewertet. Die Daten wurden mit Hilfe<br />

des statistischen Programms SPSS univariat und multivariat unter Einbeziehung<br />

bekannter Risikofaktoren analysiert.<br />

123


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Ergebnisse<br />

Die gewonnenen Daten wurden zunächst bezüglich ihrer unterschiedlichen Verteilung in<br />

den verschiedenen Geschäftsbereichen analysiert. Hierzu wurden im ersten Schritt die<br />

demographischen Daten der Geschäftsbereiche verglichen, die sich zum Teil beträchtlich<br />

unterscheiden. Die mittlere Altersstruktur (36,6 – 41,9 Jahre) zeigt hierbei die geringste<br />

Streuung; die Geschlechtsverteilung hingegen war von beinahe ausgewogen (weiblich :<br />

männlich 40,9 : 59,1) bis eindeutig männlich dominiert (weiblich : männlich 6,6 : 93,4)<br />

sehr variabel. Sämtliche vorkommende Berufsgruppen wurden entweder als manuellhandwerklich<br />

(„blue collar“) oder organisatorisch-koordinierend („white collar“)<br />

klassifiziert; auch hier zeigten sich große Differenzen in den Geschäftsbereichen;<br />

naturgemäß war der Anteil der eher manuell-handwerklichen Mitarbeiter in den<br />

produktionsnahen Geschäftsbereichen mit bis zu 77,1% deutlich höher als in eher<br />

administrativen Geschäftsbereichen, bei denen dieser Anteil auf bis zu 0% absinken<br />

konnte. Ähnlich variabel waren die unterschiedlichen Arbeitsschichtmodelle (siehe<br />

3.1. Demographie, Beschäftigungsstruktur und Schichtsysteme, bezogen auf Geschäftsbereiche, n = 13.832<br />

Abbildung 1).<br />

Geschlecht [%] Tätigkeitsgruppe [%] Schicht [%]<br />

Gesamt<br />

Geschlecht<br />

Gesamt<br />

89,3<br />

10,7<br />

T ätigkeit Gesamt<br />

54,8<br />

45,2<br />

Schi cht Gesamt<br />

8,6<br />

44,7<br />

7,8<br />

34,9<br />

4<br />

n = 13.832<br />

Geschäftsbereich 1<br />

Geschlecht 1<br />

74,9<br />

25,1<br />

Tätigkeit 1<br />

0<br />

100<br />

Sc hi c ht 1<br />

12 , 6<br />

85<br />

2,4<br />

0<br />

n = 207<br />

Geschäftsbereich 2<br />

Geschlecht 2<br />

93,4<br />

6,6<br />

Tätigkeit 2<br />

36,9<br />

63,1<br />

Sc hi c ht 2<br />

12 , 3<br />

81,4<br />

0,4 3,5 2,4<br />

n = 2.903<br />

Geschäftsbereich 3<br />

Geschlecht 3<br />

75,7<br />

24,3<br />

Tätigkeit 3<br />

0<br />

100<br />

Sc hi c ht 3<br />

13 , 8<br />

80,5<br />

0,2 05,4<br />

n = 514<br />

Geschäftsbereich 4<br />

Geschlecht 4<br />

86,9<br />

13,1<br />

Tätigkeit 4<br />

2<br />

98<br />

Sc hi c ht 4<br />

13 , 5<br />

62,7<br />

5<br />

16 , 6<br />

2,2<br />

n = 957<br />

Geschäftsbereich 5<br />

Geschlecht 5<br />

92,9<br />

7,1<br />

Tätigkeit 5<br />

77,1<br />

22,9<br />

Sc hi c ht 5<br />

5,5<br />

21,4<br />

13 , 2<br />

56<br />

4<br />

n = 7.693<br />

Geschäftsbereich 6<br />

Geschlecht 6<br />

59,1<br />

40,9<br />

Tätigkeit 6<br />

34,4<br />

65,3<br />

Sc hi c ht 6<br />

19 , 1<br />

56,8<br />

0,8 3,1<br />

20,1<br />

n = 518<br />

Geschäftsbereich 7<br />

Geschlecht 7<br />

78,9<br />

21,1<br />

Tätigkeit 7<br />

37,7<br />

62,3<br />

Sc hi c ht 7<br />

7,2<br />

67,6<br />

0,3<br />

23,4<br />

1, 5<br />

n = 1.011<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

männlich<br />

weiblich<br />

manuell-handwerklich<br />

organisat.-koordinierend<br />

Tagschicht<br />

Gleitzeit<br />

Dauernachtschicht<br />

2-Schicht<br />

Andere<br />

Abb.1: Einige demographische Daten der verschiedenen Geschäftsbereiche.<br />

Entsprechend zeigen sich hinsichtlich gesundheitlicher Risikofaktoren und chronischer<br />

Erkrankungen auffällige Unterschiede. In produktionsnahen Bereichen waren der<br />

höchste Raucheranteil [Vergleich mit Geschäftsbereich mit der geringgradigsten<br />

Ausprägung] (bis zu 38,9%[19,7%]) sowie der höchste Anteil an Mitarbeitern mit<br />

erhöhten Cholesterinwerten (23,7%[13,7%]) und erhöhten Harnsäurewerten<br />

(5,5%[2,9%]) zu finden. Auch der Anteil an chronischen Stoffwechselerkrankungen<br />

124


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

(34,3% der Mitarbeiter [17,4]), chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (13,1% der<br />

Mitarbeiter [4,8%]) und chronischen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (16,9%<br />

der Mitarbeiter [6,8%]) war in den produktionsnahen Geschäftsbereichen mit einem<br />

hohen Anteil an „blue collar workers“ am höchsten.<br />

Bei der weiteren deskriptiven Analyse der Prävalenzen wurden nur die männlichen<br />

Beschäftigten weiter betrachtet, da sie 89,3% der Mitarbeiter stellen. Analysiert man die<br />

Prävalenzen chronischer Stoffwechselerkrankungen, chronischer Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen und chronischer Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems im Altersgang<br />

bei Unterscheidung des Tätigkeitsprofils („blue collar workers“ versus „white collar<br />

workers“), so zeigt sich erwartungsgemäß bei allen drei Krankheitsgruppen ein<br />

gleichartiges Muster: Zum einem steigt die Prävalenz chronischer Erkrankungen mit<br />

zunehmendem Alter an, zum anderen ist die Prävalenz dieser Erkrankungen bei<br />

Mitarbeitern aus dem manuell-handwerklichen Bereich („blue collar“) höher als bei<br />

Mitarbeitern aus dem organisatorisch-koordinierenden Bereich („white collar“). So nimmt<br />

z.B. der Anteil der an chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Betroffenen im manuellhandwerklichen<br />

Bereich von 1,6% bei den unter 20jährigen bis auf 28,6% bei den über<br />

50jährigen stetig zu; während der Anteil bei Mitarbeitern aus dem organisatorischkoordinierenden<br />

Bereich unter stetiger Zunahme mit dem Alter unter den<br />

entsprechenden Referenzwerten der ersten Gruppe bleibt und bei den über 50jährigen<br />

maximal 23% erreicht.<br />

In einem weiteren Schritt wurden – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass<br />

gegenwärtig nur Daten aus einer Querschnittsstudie vorliegen – multivariat<br />

Assoziationen ausgewählter Einzeldiagnosen ermittelt. Hierzu wurden u.a. die<br />

Einzeldiagnose Diabetes mellitus Typ 2 (insgesamt 276 Erkrankte, entspricht 2% des<br />

Untersuchungskollektivs) und arterielle Hypertonie (insgesamt 1.494 Erkrankte,<br />

entspricht 10,8% des Kollektivs) näher betrachtet. Als Assoziationsgrößen wurden u.a.<br />

Alter, Geschlecht, Familienstand, Schichtmodell (Gleitzeit, Dauernachtschicht, 2-Schicht-<br />

Modell), Tätigkeitsprofil („white collar“, „blue collar“), Übergewicht, Hypercholesterinämie<br />

und Hyperurikämie ausgewählt. Hierbei zeigte sich folgendes Bild (siehe Abbildung 2):<br />

125


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

5.1. Assoziationen für Diabetes mellitus Typ 2 [logistische Regression], AUDI gesamt n = 13.231<br />

Prävalenz Diabetes mellitus Typ 2 im Gesamtbetrieb 2,0% (n = 276)<br />

Odds Ratio<br />

17<br />

16<br />

15<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Alter<br />

1,15<br />

weibl. Geschlecht<br />

0,36<br />

Fam.stand verheiratet<br />

1,21 1,3<br />

Gleitzeit<br />

Dauernachtschicht<br />

10,3<br />

4,84<br />

1,7<br />

1,62<br />

1,25<br />

1,29 1,07<br />

2-Schicht<br />

Tätigkeit org.-koord,<br />

0,45<br />

Übergewicht<br />

Adipositas<br />

Adipositas per magna<br />

Hypercholesterinämie<br />

Hyperurikämie<br />

Assoziationen für Diabetes mellitus.<br />

Darstellung der Odds ratio und der<br />

95%-Konfidenzintervalle bei den<br />

statistisch signifikanten<br />

Assoziationen.<br />

Schwarze Datenpunkte bedeuten:<br />

keine statistische Signifikanz.<br />

Grüne Datenpunkte bedeuten:<br />

statistisch signifikant, Ausprägung<br />

verhindert eher Diabetes mellitus.<br />

Rote Datenpunkte bedeuten:<br />

statistisch signifikant, Ausprägung<br />

begünstigt eher Diabetes mellitus.<br />

95%-Konfidenzintervalle<br />

Abb. 2.: Assoziationen für Diabetes mellitus Typ 2<br />

Bei allen untersuchten Diagnosen war das Tätigkeitsprofil relevant; bei organisatorischkoordinierenden<br />

Tätigkeiten („white collar“) war das Erkrankungsrisiko sowohl für<br />

Diabetes mellitus Typ 2 (Odds Ratio OR 0,45; 95%-Konfidenzintervall 0,31-0,65) als<br />

auch für arterielle Hypertonie (OR 0,77; 0,66-0,91) gegenüber einem manuellhandwerklichen<br />

Tätigkeitsprofil („blue collar“) reduziert. Demgegenüber stieg<br />

erwartungsgemäß die Odds Ratio sowohl für Diabetes mellitus als auch für die arterielle<br />

Hypertonie mit zunehmenden Übergewicht an. Bei Diabetes mellitus Typ 2 betrugen die<br />

Werte für Übergewicht (BMI >25-29) OR 1,62; 1,05-2,52 ; für Adipositas (BMI 30-34) OR<br />

4,84; 3,10-7,57 ; für Adipositas per magna (BMI > 34) OR 10,3; 6,33-16,9. Bei der<br />

arteriellen Hypertonie ergaben sich ebenfalls gleichsinnige Zusammenhänge: Bei<br />

Übergewicht (BMI >25-29) betrug die OR 2,30; 1,92-2,76 ; bei Adipositas (BMI 30-34)<br />

betrug die OR 6,00; 4,92-7,33 ; bei Adipositas per magna schließlich lauten die Werte für<br />

die OR 14,4; 11,2-18,5. Schließlich zeigte sich bei beiden Einzeldiagnosen eine<br />

zunehmende Odds Ratio mit steigendem Lebensalter; bei Diabetes mellitus Typ 2 betrug<br />

die OR 1,15; 1,13-1,18 ; die entsprechenden Werte für arterielle Hypertonie lauten OR<br />

1,10; 1,09-1,11.<br />

Ausschließlich bei der arteriellen Hypertonie waren signifikante Assoziationen mit dem<br />

Vorhandensein einer Hypercholesterinämie und einer Hyperurikämie vorhanden. Eine<br />

126


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

vorhandene Hypercholesterinämie bedingte eine OR von 1,58; 1,39-1,80 ; bei der<br />

Hyperurikämie lauten die entsprechenden Werte für die OR 2,09; 1,71-2,55.<br />

Diskussion und Schlussfolgerungen<br />

Die Etablierung eines der Individualprävention dienenden Vorsorgeangebots in die<br />

betrieblich etablierten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen bietet den Vorteil,<br />

einen hohen Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung zu erreichen und wird künftig an<br />

Bedeutung zunehmen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde der Audi Checkup<br />

konzipiert und Juli 2006 im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

eingeführt. Durch die Kopplung an arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen konnte<br />

eine hohe Teilnahmequote von über 90% erreicht und seitdem auch gehalten werden 3 .<br />

Neben der Individualprävention, deren langfristige Erfolge im Längsschnitt beobachtet<br />

und verifiziert werden müssen, ermöglichen die im Checkup gewonnenen Daten, die<br />

Prävalenzen häufiger chronischer Erkrankungen zu ermitteln, die sich in den einzelnen<br />

Bereichen eines Unternehmens zum Teil beträchtlich unterscheiden können und zur<br />

Entwicklung bereichsbezogener, adaptierter Präventionsprogramme bekannt sein<br />

sollten.<br />

In der vorliegenden Analyse zeigten sich zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen<br />

erhebliche Unterschiede hinsichtlich Demografie sowie Prävalenz gesundheitlicher<br />

Risikofaktoren und chronischer Erkrankungen. Auffällig war in den produktionsrelevanten<br />

und produktionsnahen Bereichen mit einem deutlichen Überwiegen von handwerklichmanuellen<br />

Tätigkeiten („blue collar workers“) eine erhöhte Prävalenz kardiovaskulärer<br />

Risikofaktoren wie Rauchen, Hypercholesterinämie und Hyperurikämie.<br />

Erwartungsgemäß war in diesen Bereichen auch die Prävalenz chronischer<br />

Erkrankungen, die durch kardiovaskuläre Risikofaktoren begünstigt werden, wie Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen oder die über das metabolische Syndrom assoziierten<br />

Stoffwechselerkrankungen, höher als in den anderen Bereichen. In unseren multivariaten<br />

Analysen, die wir unter anderem exemplarisch für die Einzeldiagnosen Diabetes mellitus<br />

Typ 2 und arterielle Hypertonie durchführten, war entsprechend reziprok eine Tätigkeit im<br />

produktionsfernen Geschäftsbereich (organisatorisch-koordinierend, „white collar“)<br />

signifikant mit einer Odds Ratio unter 1 assoziiert.<br />

Um Prädiktoren für das Auftreten chronischer Erkrankungen zu ermitteln, also auch den<br />

kausalen Zusammenhang zwischen individuellen Risikofaktoren und arbeitsbedingten<br />

Risikofaktoren einerseits und dem tatsächlichen Auftreten dieser Erkrankungen<br />

andererseits festzustellen, sind Daten einer Längsschnittstudie unerlässlich. Diese<br />

127


V18<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

werden frühestens in 3-5 Jahren vorliegen, wenn die Beschäftigten die Gelegenheit zu<br />

einer zweiten Teilnahme am Audi Checkup haben. Daher müssen die multivariaten<br />

Analysen, die wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgeführt haben, unter dem Aspekt<br />

einer Querschnittsstudie gesehen werden, weswegen wir hier eher von Assoziationen<br />

sprechen.<br />

Die vorliegenden Daten zeigen bereits jetzt zum Zeitpunkt der Querschnittsanalyse<br />

bekannte Assoziationen wie eine Zunahme von Diabetes mellitus Typ 2 und arterieller<br />

Hypertonie mit steigendem Alter und zunehmenden Übergewicht. Schwieriger wird die<br />

Interpretation solcher Assoziationen bei Erkrankungen wie solche des<br />

Bewegungsapparates, hier sind die Analysen der Querschnittstudie wenig ergiebig,<br />

weswegen hier in diesem Zusammenhang die angelaufene Längsschnittanalyse<br />

abgewartet werden muss.<br />

Bereits jetzt gestatten es die gewonnenen Daten aber, für die einzelnen<br />

Geschäftsbereiche aufgrund der ermittelten, selektiven Prävalenzen chronischer<br />

Erkrankungen adaptierte, bereichsbezogene Präventionsprogramme zu entwickeln, die<br />

derzeit bereits teilweise umgesetzt werden und über deren nachhaltige Wirksamkeit<br />

ebenso im Verlaufe der Längsschnittstudie berichtet werden wird.<br />

3 Keskin, M.-C.; Haller, A.; Heinrich, U.; Nachbar, L.B.; Stork, J.:<br />

Integration von arbeitsmedizinischer Vorsorge und allgemeiner Prävention – Ergebnisse<br />

des „Audi Checkup“. 48. Jahrestagung der <strong>DGAUM</strong><br />

128


V19<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Prävention von Herzkreislauferkrankungen - Deutschlands<br />

größtes Gesundheitsscreening am Arbeitsplatz und<br />

Folgeaktivitäten<br />

Andreas Tautz 1 , Helmut Schulte 2 , Gerd Assmann 2<br />

1 Deutsche Post World Net, Bonn<br />

2 Assmann-Stiftung für Prävention, Münster<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) machen jährlich 24 % aller Todesfälle in der<br />

Erwerbsbevölkerung der EU25 aus. Der Arbeitsplatz ist das ideale Setting, um<br />

Risikofaktoren erkennen und ihnen begegnen zu können. In 2006 und 2007 wurde daher<br />

von der Deutschen Post in Zusammenarbeit mit deren Betriebskrankenkasse (Deutsche<br />

BKK) und wissenschaftlicher Begleitung (Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung /<br />

Universität Münster) die für Deutschland bisher größte betriebliche<br />

Präventionssmaßnahme „HerzCheck im Betrieb“ durchgeführt.<br />

Methode: 245.000 Beschäftigten der Deutschen Post wurde über die Mitarbeitermedien<br />

ein Herz-Kreislauf-Risiko-Schnelltest zur Verfügung gestellt. Beschäftigte mit im<br />

Schnelltest identifizierten, erhöhten Risiken, erhielten das Angebot einer weitergehenden<br />

betriebsärztlichen Untersuchung und angepassten Interventionen. In der Folge wurden<br />

5.528 Männer und 5.814 Frauen im Rahmen des „Herz Check im Betrieb“ von den<br />

Betriebsärzten der Deutschen Post untersucht und beraten.<br />

Ergebnisse: Im Vergleich zu gleichaltrigen Teilnehmern der PROCAM Studie wiesen die<br />

Teilnehmer am „HerzCheck im Betrieb“ ein ungünstigeres Risikoprofil auf. 16,9% der<br />

Männer hatten ein mittelgradiges bis hohes Risiko in 10 Jahren einen Herzinfarkt zu<br />

erleiden. Jeder zweite Mann und jede dritte Frau wurde von den Betriebsärzten an einen<br />

Facharzt zur weiteren Diagnostik und Therapie überwiesen. Bei über einem Drittel der<br />

Teilnehmer wurden direkt arbeitsmedizinische Interventionsmaßnahmen, z.B. in Form<br />

von Raucherentwöhnung, Ernährungsberatung und Bewegungstraining eingeleitet. Im<br />

Anschluss an den „HerzCheck im Betrieb“ werden weitere Programme zur<br />

Gesundheitsförderung aufgelegt und Daten zur Arbeitszufriedenheit und empfundenen<br />

Wertschätzung z.B. aus der Mitarbeiterbefragung und der Gefährdungsbeurteilung<br />

analysiert.<br />

Diskussion: Die Ergebnisse belegen die hohe Bedeutung des Präventionssetting<br />

„Betrieb“, ebenso, wie die Bedeutung der Arbeitsmedizin als koordinierendes<br />

Element in der Gesundheitsförderung. Im Hinblick auf weitere Einflussfaktoren<br />

129


V19<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

auf die Entstehung von HKE, z.B. der Bedeutung des sozialen Status für<br />

Gesundheit, bestehen weitere Analysebedarfe. Hinzugezogen werden dazu u.a.<br />

Erkenntnisse aus der Mitarbeiterbefragung.<br />

130


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Arbeitsplatzorientierte Rehabilitation bei Mitarbeitern mit Muskel-<br />

Skelett-Erkrankungen: Konsequenzen für die Wiedereingliederung<br />

und präventive Interventionen im Betrieb<br />

Monika Schwarze 1 , Nina Ristel 1 , Thomas Schröder 1 , Ingra-A. Manecke 2 , Frank Teumer 3 , Michael<br />

Spallek 4 , Renate Wrbitzky 5 , Christoph Gutenbrunner 1 , Thomas Rebe 5<br />

1 Koordinierungsstelle Angewandte Rehabilitationsforschung, Klinik für Rehabilitationsmedizin Medizinische<br />

Hochschule Hannover<br />

2 Arbeitsmedizin, SNL Personalservice Halle, Braunschweig<br />

3<br />

Gesundheitswesen, Volkswagen Nutzfahrzeuge Hannover<br />

4<br />

Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor e.V., Berlin<br />

5<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />

Einleitung und Ziel der Studie<br />

Eine wesentliche Zielsetzung medizinsicher Rehabilitation ist der Erhalt bzw. die<br />

Wiederherstellung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit. Es besteht heute weitgehende<br />

Einigkeit, dass sich Rehabilitationsmaßnahmen stärker an den Rehabilitationszielen<br />

„Verbleib am Arbeitsplatz“ oder „return to work“ orientieren müssen. Im Zentrum steht<br />

dabei eine möglichst nahtlose Wiedereingliederung und/oder Rückkehr an den<br />

bestehenden Arbeitsplatz nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme.<br />

Erkrankungen des Bewegungsapparates (z.B. chronische Rückenschmerzen) haben<br />

eine hohe epidemiologische, ökonomische und subjektive Relevanz (Raspe et al., 1998;<br />

Göbel, 2001). Laut BKK Gesundheitsreport 2005 entfielen z.B. knapp 27% aller<br />

Arbeitsunfähigkeitstage bei ihren erwerbstätigen Pflichtmitgliedern auf die<br />

Erkrankungsgruppe der Bewegungsorgane, wobei der Erkrankungsschwerpunkt in<br />

Produktion und im verarbeitenden Gewerbe sowie in körperlich belastenden<br />

Dienstleistungsbranchen liegt. Besonders betroffen sind Beschäftigten der Post- und<br />

Kurierdienste sowie im KFZ-Bau (BKK, 2005).<br />

Studien zu evidenzbasierten Effektivität berufsbezogener Maßnahmen führen den Erfolg<br />

auf eine bedarfsbezogene Durchführung der berufsbezogenen Maßnahmen in<br />

strukturierten Behandlungspfaden, eine kognitiv-verhaltenstheoretische Basierung der<br />

Maßnahmen, eine bedarfsorientierte Kombination verschiedener Bausteine (nicht auf<br />

einzelne Behandlungsbausteine) und eine Kooperation der beteiligten Akteure zurück<br />

(Wadell & Burton, 2001; Müller-Fahrnow et al., 2005).<br />

Die Ergebnisse einer Metanalyse von Bethge und Müller-Fahrnow (2008) erbringen eine<br />

konsistente Evidenz, dass eine intensivierte orthopädische Rehabilitation gegenüber der<br />

herkömmlichen Rehabilitation mittelfristig als auch langfristig positive Effekte auf den<br />

subjektiven Gesundheitszustand zeigt.<br />

131


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

In einer Studie der Klinikgruppe Enzenberg in Kooperation mit der Audi AG<br />

Gesundheitsschutz, der Audi BKK und der LVA Oberbayern kommen Haase et al. (2002)<br />

zu dem Schluss, dass die betriebliche Wiedereingliederung durch eine systematische<br />

Kooperation zwischen Reha-Arzt und Betriebsarzt verbessert werden kann. Die<br />

Ergebnisse zeigen für AU-Tage und Dauer bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz<br />

signifikante Effekte zu Gunsten der Interventionsgruppe.<br />

Medizinische Rehabilitation sind aus der Sicht der Betriebsmedizin zu stark auf die<br />

allgemeine Funktionsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der Rehabilitanden nur auf dem<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet und meistens liegen den Rehabilitationskliniken<br />

in der Regel nur unzureichende Informationen über den konkreten Arbeitsplatz und die<br />

Leistungsanforderungen im Betrieb vor. Generell ist die sozialmedizinische Beurteilung<br />

im Entlassungsbericht für die Betriebsärzte oft wenig hilfreich für die konkrete<br />

Einschätzung der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz, meistens erreicht sie den Betriebs-<br />

/Werksarzt gar nicht (Manecke et al., 2008; Schwarze et al., 2008a).<br />

Aus diesem Grund wurde das Modellprojekt JobReha initiiert, vorerst mit einer<br />

Fokussierung auf Erkrankungen des Bewegungsapparates. Kernelemente sind eine<br />

stärkere Fokussierung von Rehabilitationsmaßnahmen auf einen vorhandenen<br />

Arbeitsplatz, ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Betrieb und<br />

Rehabilitationseinrichtung sowie eine bessere Abstufung der Rehabilitationsleistungen<br />

auf die individuelle Bedürfnisse von Betroffenen im Sinne eines so-viel-wie-nötig–und-sowenig-wie-möglich<br />

(Schwarze et al., 2008b).<br />

Ziel der begleitenden Gesamtevaluation war es, die Durchführbarkeit und den Nutzen<br />

dieser JobReha-Maßnahme zu überprüfen. Als Teilfragestellung werden in der<br />

vorliegenden Untersuchung der Einsatz des projektspezifischen JobReha-<br />

Entlassungsberichtes (Kurzentlassungsbericht) und Konsequenzen für nachgehende<br />

arbeitsplatzspezifische präventive und rehabilitative Maßnahmen bei der<br />

Wiedereingliederung am Arbeitsplatz im Betrieb analysiert.<br />

Methoden:<br />

Studiendesign<br />

Die Pilotstudie ist als deskriptive Studie angelegt. Die Begleitforschung umfasst die<br />

Modellentwicklung, eine Vollerfassung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer inklusive<br />

Befragung zur Zufriedenheit sowie Veränderungen des Gesundheitsstatus mit<br />

132


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

standardisierten Assessments im Verlauf, eine Befragung von Betriebs- und<br />

Rehabilitationsärzten zum Schnittstellenmanagement und Machbarkeit des Konzeptes.<br />

Die unten beschriebene JobReha Intervention wurde Mitarbeiter/innen von Volkswagen<br />

Nutzfahrzeuge und der Deutschen Post AG im Rahmen eines zweijährigen Modellphase<br />

abgeboten. Die Mitarbeiter/innen wurden nach schriftlicher Information und Einwilligung<br />

in die Studie vor der Reha, nach der Reha, sechs Monaten und 12 Monate nach der<br />

Rehabilitation befragt. Die Analysen erfolgten mittels deskriptiver statistischer Verfahren<br />

(SPSS 16).<br />

JobReha Durchführung<br />

Im Konsensprozess wurde mit allen beteiligten Akteuren ein arbeitsplatzorientiertes<br />

Rehabilitationsmodell entwickelt, welches folgende Elemente beinhaltet:<br />

Bekanntgabe im Betrieb und Freiwilligkeit der Maßnahme (Teilnehmer willigen<br />

auch in Kommunikation zwischen Betriebs- und Rehabilitationsärzten ein)<br />

o JobReha-Flyer<br />

o Einwilligungserklärungen<br />

Veranlassung durch den Betriebsarzt und rasche Genehmigung der Maßnahme<br />

durch Kostenträger (mit quasi 100-prozentiger Genehmigungsrate)<br />

o Formalisierter rascher Genehmigungsprozess<br />

Bedarfgerechte Staffelung der Interventionen (angelehnt an vorhandenes System<br />

der Rentenversicherung)<br />

o Stufe I (Ambulante Intensivintervention)<br />

o Stufe IIa (Ambulante dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme)<br />

o Stufe IIs (Stationäre dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme)<br />

Direkte, rasche und standardisierte Kommunikation an den Schnittstellen<br />

Betriebsmedizin - Rehabilitationsmedizin und vice versa)<br />

o JobReha-Arbeitsplatzbeschreibung<br />

o JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />

Inhaltliche Orientierung der Rehabilitationsmaßnahmen auf das bestehende<br />

Arbeitsplatzproblem<br />

o arbeitspatzorientierte Diagnostik<br />

o arbeitsplatz- und problemorientiertes Training<br />

Fortsetzung trainierender Maßnahmen im Betrieb<br />

o Betriebseigenes Trainingszentrum<br />

Gemeinsame Fortbildungen aller Beteiligten<br />

o Fallbesprechungen, Arbeitsplatzbesichtigungen<br />

133


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Datenerhebung anhand des JobReha-Entlassungsberichtes<br />

Der am Ende der Intervention durch den Rehabilitationsmediziner erstellte<br />

arbeitsplatzspezifische JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht) besteht<br />

aus drei Elementen.<br />

1. Einseitige Empfehlungen bezüglich eines fähigkeitsgerechten Einsatzes im<br />

Betrieb und ein weitergehendes Trainingsprogramm.<br />

2. Abgleich des Fähigkeits- und Anforderungsprofils anhand der<br />

Arbeitsplatzbeschreibung<br />

3. Befund zur funktionellen Leistungsfähigkeit<br />

Die einseitige Empfehlung enthält neben den relevanten Diagnosen Aussagen zu<br />

folgenden Fragen:<br />

• Ist ein Einsatz des Mitarbeiters am bisherigen Arbeitplatz möglich? (ja/nein)<br />

• Bestehen Einschränkungen bei Wiedereinsatz? (ja/nein)<br />

• Wenn ja, welche Einschränkungen gibt es bei der Wiedereingliederung bzw. -<br />

einsatz? (Freitext)<br />

• Gibt es Empfehlungen zum Wiedereinsatz bzw. Veränderungen am bestehenden<br />

Ar beitsplatz? (ja/nein)<br />

• Wenn ja, welche Empfehlungen zur Veränderungen am bestehenden Arbeitsplatz<br />

werden ausgesprochen? (Freitext)<br />

• Gibt es Empfehlungen für arbeitsplatzspezifische und berufsbegleitende Rehaund<br />

Trainingsmaßnahmen? (ja/nein)<br />

• Wenn ja, welche Empfehlungen für weitere allgemeine und<br />

arbeitsplatzspezifische und be rufsbegleitende Reha- und Trainingsmaßnahmen<br />

werden gegeben? (Freitext)<br />

Der Kurzentlassungsbericht wurde dem Rehabilitanden bei Entlassung mitgegeben oder<br />

per Fax an den behandelnden Betriebs-/Werksarzt geschickt. Am Tag der<br />

Wiederaufnahme stellt sich der Mitarbeiter beim Betriebs-Werksarzt vor und bespricht<br />

das Ergebnis der JobReha und die Umsetzung der nachgehenden Trainingsmaßnahme<br />

bzw. Wiedereingliederungsempfehlungen.<br />

Ergebnisse:<br />

Stichprobenbeschreibung<br />

In zwei Betrieben meldeten sich im Zeitraum von Januar 2007 bis Januar <strong>2009</strong><br />

insgesamt 273 Mitarbeiter/-innen zur Teilnahme an der JobReha. Die Maßnahme wurde<br />

in fünf Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt und von der Deutschen BKK, der<br />

134


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover oder der Postbeamtenkrankenkasse<br />

finanziert.<br />

Zur Auswertungen gingen in die Studie 250 Patienten ein. Davon entfallen 111<br />

Mitarbeiter/-innen auf VW Nutzfahrzeuge und 139 Mitarbeiter/-innen auf die Deutsche<br />

Post AG. Eine ambulante Intensivintervention (Stufe I) wurde in 64 Fällen, eine<br />

ambulante dreiwöchige Rehabilitation in 67 und die stationäre Rehabilitation in 119<br />

Fällen durchgeführt.<br />

Die Mitarbeiter/innen waren bei Einschluss in die Studie zwischen 23 und 61 Jahre alt<br />

(Mittelwert: 45,3 Jahre, Standardabweichung 7,4 Jahre). 70,8 % der Teilnehmer waren<br />

männlich und 29,2% weiblichen Geschlechts. Als berufliche Position gaben 28,9%<br />

ungelernte/r Arbeiter/-in, 23,2% gelernte Arbeiter/in und 40,7% Beamter/Beamtin im<br />

einfachen Dienst an.<br />

Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer/-innen gibt als Erstdiagnose chronische<br />

Rückenschmerzen (Lumbalsyndrom) (52,4%), gefolgt von Halswirbelsäulenbeschwerden<br />

(Zervikalsyndrom) (18,5%) und Kniegelenkserkrankungen (12,0%) an.<br />

JobReha Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />

In 247 Fällen lag der Kurzentlassungsbericht zur Auswertung vor. In Tabelle 1 sind die<br />

absoluten Zahlen zur Auswertung der vier Fragen in der Übersicht dargestellt.<br />

Bei 92,3% (228 von 247 Fällen) der Rehabilitanden beider Betriebe wurde von den<br />

behandelnden Rehabilitationsärzten ein Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz empfohlen<br />

(Stufe I: 98,4%; Stufe IIa: 81,8 % und Stufe IIs: 95,0%). Bei 17,4% (43 von 247 Fällen)<br />

der Mitarbeiter/-innen ist dies nur mit Einschränkungen möglich, wobei in Stufe I nur in<br />

2% der Fälle Einschränkungen angegeben werden und für die Stufe IIa und IIs jeweils in<br />

7,6% der Fälle ein Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz mit Einschränkungen als möglich<br />

eingeschätzt wird. Als Begründung für die Einschränkungen bei insgesamt 43<br />

Mitarbeitern werden am Häufigsten „Heben, Tragen, Schieben, Lenken, Über-Kopf-<br />

Arbeiten nicht/eingeschränkt möglich“ (22x), „Laufen, Treppensteigen<br />

nicht/eingeschränkt möglich“ (9x) und „Trainingsdefizit“ (3x) genannt.<br />

Empfehlungen zum Wiedereinsatz bzw. Veränderungen am Arbeitsplatz wurden<br />

insgesamt bei 78 (31,6%) der Mitarbeiter/-innen vom Rehabilitationsmediziner<br />

ausgesprochen. Für Stufe I ist dies bei 25,8%, für Stufe IIa bei 47% und für Stufe IIs bei<br />

26% der Mitarbeiter der Fall.<br />

135


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Am häufigsten genannt werden „Stufenweise Wiedereingliederung“ (23x), „Reduzieren/<br />

Vermeiden spezieller Haltungen“ (z.B. kein Heben oder Tragen (22x) und<br />

„Arbeitsplatzumsetzung/innerbetriebliche Umsetzung“ (14x) genannt.<br />

Empfehlungen für weitere Trainingsmaßnahmen werden insgesamt für 90,3% der<br />

Mitarbeiter ausgesprochen. 47% der Rehabilitanden in Stufe I, 87,9 % der<br />

Rehabilitanden in Stufe IIa und 93,3% der Rehabilitanden in Stufe IIs erhalten<br />

Empfehlungen für weitere Trainingsmaßnahmen. Betrachtet man die Art der<br />

Empfehlung, so werden 75% aller Mitarbeiter/-innen eine Medizinische<br />

Trainingstherapie/ Muskelaufbautraining im Anschluss an die JobReha empfohlen. 12%<br />

erhalten als Empfehlung die Weiterführung der Selbstübung bzw. Heimtraining und 4.9%<br />

Rehasport bzw. Sporttherapie.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die bei 17,4 % der Rehabilitanden genannten Einschränkungen bei Wiederaufnahme der<br />

der Arbeit und für 31,8% der Mitarbeiter ausgesprochenen Veränderungen am<br />

bisherigen Arbeitsplatz verdeutlichen die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit<br />

zwischen Betriebs- und Rehabilitationsärzten. Einsatzeinschränkungen führen<br />

innerbetrieblich aus organisatorischen Gründen oft doch zu Arbeitsplatzumsetzungen,<br />

obwohl medizinisch-gesundheitlicher Sicht ein Verbleib am ursprünglichen Platz möglich<br />

wäre. Die Zahl und Art der Veränderungen und Einschränkungen beim Einsatz am<br />

bisherigen Arbeitsplatz macht deutlich, dass dem Arbeitsplatz ein gewichtiger Faktor für<br />

die Genese und Aufrechterhaltung von Beschwerden des Bewegungsapparates zu<br />

kommt. Dies ist bei Prävention und Therapie zu berücksichtigen.<br />

Die Empfehlung für weitere Therapien in über 90 % der Fälle weist darauf hin, dass die<br />

Effektivität einer arbeitsplatzorientierten Rehabilitation nicht nur in ihrer singulären<br />

Diagnostik und Therapie zu sehen ist, sondern auch in der Fortführung ihrer<br />

Maßnahmen.<br />

Als nächster Schritt folgt die Analyse der weiteren Bestandteile des JobReha-<br />

Entlassungsberichtes. Das Formular „Abgleich des Anforderungs- und Fähigkeitsprofils“<br />

und die „Ergebnisse der funktionellen Leistungsfähigkeit“ können als Instrument bei der<br />

Wiedereingliederung unterstützende Hinweise liefern.<br />

136


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Tabelle 1: Anzahl der Empfehlungen im JobReha-Entlassungsbericht (Kurzentlassungsbericht)<br />

nach Interventionsstufen (absolute Zahlen)<br />

Ist der Einsatz am alten<br />

Arbeitsplatz möglich?<br />

Stufe I - ambulante<br />

Intensivintervention<br />

Stufe IIa -<br />

ambulante<br />

Rehabilitation<br />

Stufe IIs -<br />

stationäre<br />

Rehabilitation<br />

Gesamt<br />

ja 61 54 113 228<br />

nein 1 12 6 19<br />

gesamt 62 66 119 247<br />

Bestehen<br />

Einschränkungen beim<br />

Wiedereinsatz?<br />

ja 5 19 19 43<br />

Nein 57 47 100 204<br />

gesamt 62 66 119 247<br />

Gibt es Empfehlungen<br />

zum Wiedereinsatz bzw.<br />

veränderungen am<br />

Arbeitsplatz?<br />

Ja 16 31 31 78<br />

nein 46 35 88 169<br />

gesamt 62 66 119 247<br />

Gibt es Empfehlungen<br />

für weitere<br />

ja 54 58 111 223<br />

berufsbegleitende nein 8 8 8 24<br />

Rehabilitations- und<br />

Trainingsmaßnahmen? Gesamt 62 66 119 247<br />

Literatur:<br />

Bethge M. & Müller-Fahrnow, W. (2008). Wirksamkeit einer intensivierten stationären<br />

Rehabilitation bei muskuloskelettalen Erkrankungen: systematischer Review und<br />

Meta-Analyse. Die Rehabilitation, 47, 200 - 209.<br />

BKK Bundesverband (2005). BKK Gesundheitsreport. Krankheitsentwicklungen –<br />

Blickpunkt: Psychische Gesundheit. Essen: Dobler.<br />

Göbel, H. (2001). Epidemiologie und Kosten chronischer Schmerzen. Spezifische und<br />

unspezifische Rückenschmerzen. Der Schmerz, 15, (2), 92-98.<br />

Haase, I, Riedl, G, Birkholz, l.B. & Zellner, M. (2002). Verzahnung von medizinischer<br />

Rehabilitation und beruflicher Reintegration. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,<br />

Umweltmedizin, 37, 7.<br />

Manecke, I.-A., Spallek, M., Rebe, T., Wrbitzky, R., Gutenbrunner, C., Ristel, N. &<br />

Schwarze, M. (2008). Das Modellprojekt „JobReha“-Hintergrund und<br />

Praxisbericht., Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, 8, 36-40.<br />

Müller-Fahrnow, W., Greitemann, B., Radoschewski, F. M., Gerwinn, H. & Hansmeier, T.<br />

(2005). Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und<br />

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Rehabilitation, 44, 32-45.<br />

Raspe, H. & Kohlmann, T. (1998). Die aktuelle Rückenschmerz-Epidemie. In: Pfingsten,<br />

M. & Hildebrandt, J. (Hrsg.). Chronischer Rückenschmerz. Wege aus dem<br />

Dilemma. Bern u.a.: Huber, 20-33.<br />

Schwarze, M., Rebe, T., Spallek, M., Manecke, I.-A., Wrbitzky, R. & Gutenbrunner, C.<br />

(2008a). Betriebs- und Werksärzte als Schnittstellen-Manager in der<br />

medizinischen Rehabilitation: JobReha., Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,<br />

Umweltmedizin, 43, 187.<br />

137


V20<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Schwarze, M., Ristel, N., Rebe, T., Wrbitzky, R., Gutenbrunner, C., Manecke, I. &<br />

Spallek, M. (2008b). Schnittstellenmanagement in der "JobReha"- Notwendigkeit<br />

einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Betriebs- und<br />

Rehabilitationsärzten, Zentralblatt für Arbeitsmedizin, 58, 216-218.<br />

Waddell, G. & Burton, A.K. (2000). Occupational health guidelines for the management<br />

of back pain at work - evidence review. London: Faculty of Occupational<br />

Medicine.<br />

Danksagung<br />

Folgenden am Projekt JobReha beteiligten Personen und Einrichtungen sind wir zu<br />

besonderem Dank verpflichtet:<br />

Rehazentrum Bad Eilsen (Dr. Daalmann), Rehazentrum Bad Pyrmont (Dr. Kasprowski),<br />

Gesundheitszentrum Kestnerstrasse Hannover (Dr. Busche), Ambulantes Reha Centrum<br />

Braunschweig (Herr Jacobs, Herr Wehe), Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-<br />

Hannover (Dr. Moesch, Herr Rodewald, Frau Eisenhauer), Deutsche BKK (Herr Cordes,<br />

Frau Noll), Postbeamtenkrankenkasse (Herr Jähnke).<br />

138


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Gesundheitsindikatoren und Arbeitsbedingungen bei über<br />

55jährigen Personen in der bayerischen Land- und<br />

Forstwirtschaft - eine repräsentativer Querschnitt<br />

Christian Hetzel 1 , Fritz Allinger², Reinhold Watzele³, Andreas Weber 1<br />

1 Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH, Deutsche Sporthochschule Köln<br />

2 Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben<br />

3 Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Franken und Oberbayern<br />

Ausgangslage<br />

Arbeiten bis ins hohe Alter ist in der Land- und Forstwirtschaft die Regel, sei es wegen<br />

der eigenen Existenzsicherung, wegen des Erhalts des Familienbetriebs oder aus<br />

Gründen der Arbeitsfreude. Einerseits kann Arbeit eine Quelle von Gesundheit sein.<br />

Andererseits können belastende Arbeitsbedingungen insbesondere mit zunehmendem<br />

Alter aber auch zu Beeinträchtigungen in Gesundheit und Lebenszufriedenheit sowie zu<br />

erhöhtem Unfallrisiko führen. Die Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung<br />

Niederbayern/Oberpfalz und Schwaben sowie die Land- und forstwirtschaftliche<br />

Sozialversicherung Franken und Oberbayern (beide im Folgenden kurz LSVen) stehen<br />

u.a. vor folgenden Herausforderungen: 75% der Neu-Rentenfälle (Unfallrente) sind älter<br />

als 60 Jahre, 60-80 % der tödlich Verunglückten sind 60 Jahre und älter, auf einen<br />

Beitragszahler kommen mehr als zwei Rentner, circa 75% der Versicherten in der<br />

Landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse sind Rentner. Daher haben die LSVen in<br />

Bayern die Aktion 55plus ins Leben gerufen, die mit einer Ermittlung des Kundenprofils<br />

im Sinne einer Bestandsaufnahme beginnt. Thema des Vortrags sind Teilergebnisse<br />

zum Zusammenhang zwischen subjektiven Gesundheitsindikatoren und<br />

Arbeitsbedingungen.<br />

Stichprobe und Datenerhebung<br />

Grundgesamtheit sind alle Personen älter als 55 Jahre, die in land- oder<br />

forstwirtschaftlichen Betrieben in Bayern erwerbstätig sind oder mithelfen. Aus dieser<br />

Grundgesamtheit wurde eine dreistufige, zum regionalen Populationsumfang<br />

proportionale Zufallsstichprobe gezogen. Die Generalisierbarkeit der<br />

Stichprobenergebnisse ist aufgrund des Auswahlverfahrens gewährleistet,<br />

Transformationsgewichtungen sind nicht notwendig.<br />

Insgesamt gehen von 8122 ausgegebenen Fragebögen 3176 in die Auswertung ein<br />

(39,1% Rücklauf). 64 Bögen wurden aus der Auswertung gestrichen, weil die Befragten<br />

unter 55 Jahre alt waren oder grob unvollständig ausgefüllt wurden. Die Rücklaufquote<br />

ist als sehr gut zu bewerten, insbesondere vor dem Hintergrund der Länge des<br />

139


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Fragebogens, der Abfrage durchaus sensibler Daten und der Zielgruppe der Älteren.<br />

Erfolgsvoraussetzung war das hohe Engagement der LSV-Beteiligten und der<br />

persönlichen Ansprache durch die Landfrauen. In der Auswertung sind<br />

- 59,8% Männer<br />

- Altersklassen: 55-59 Jahre 21,8%, 60-64 Jahre 17,4%, 65- 69 Jahre 23,1% und<br />

70 Jahre und älter 37,7%.<br />

- Betriebswirtschaftliche Hauptausrichtung: Ackerbau 26,7%, Sonderkulturen ohne<br />

Schwerpunkt Ackerbau 4,8%, Milcherzeugung 32,2%, Viehhaltung ohne<br />

Schwerpunkt Milcherzeugung 19,0% und Pflanzenbau-Viehhaltung 17,3%.<br />

Die Stichprobe kommt den Referenzdaten aus der amtlichen Statistik und den LSV-<br />

Daten relativ nahe. Auch ohne Strukturgewichtung ist von einer Verallgemeinerbarkeit<br />

der Stichprobenergebnisse auf die Grundgesamtheit auszugehen. Aufgrund der üblichen<br />

wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen beträgt die Fehlertoleranz bei 3.000<br />

Befragten bei einem Gruppenanteil von 50% +/-1,7 Prozentpunkte und bei einem<br />

Gruppenanteil von 10% +/-1,1 Prozentpunkte.<br />

Positivindikatoren der Gesundheit<br />

Die allgemeine Lebenszufriedenheit wurde mit fünf Fragen erfasst (vgl. Diener 1985). In<br />

Abb. 1 ist die mittlere Lebenszufriedenheit für jeden Jahrgang bis 85 Jahre dargestellt,<br />

getrennt nach Geschlecht.<br />

140


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Lebenszufriedenheit nach Alter und Geschlecht<br />

7<br />

6<br />

Geschlecht<br />

männlich<br />

weiblich<br />

Punkte/Linien zeigen Mittelwerte<br />

Lebenszufriedenheit<br />

5<br />

Fehlerbalken: 95% Konfidenzintervalle<br />

Lezu: 1=extrem unzufrieden, 7=extrem zufrieden<br />

4<br />

3<br />

2<br />

82% aller Befragten sind mit ihrem Leben zufrieden;<br />

im Mittel etwas zufriedener als dt. Vergleichsstichprobe<br />

40-85 Jahre (vgl. Tesch-Römer et al. 2006)<br />

1<br />

55 60 65 70 75 80 85<br />

Alter<br />

Abb. 1: Lebenszufriedenheit nach Alter und Geschlecht.<br />

Die Darstellung zeigt 1 :<br />

die mittlere Lebenszufriedenheit liegt durchgängig deutlich über der neutralen<br />

Mitte (insgesamt sind 82% der Befragten mit ihrem Leben zufrieden)<br />

<br />

Frauen und Männer unterscheiden sich insgesamt nur minimal.<br />

Auffällig ist, dass bei Männern ab 65 ein sprunghafter Anstieg der mittleren<br />

Lebenszufriedenheit zu beobachten ist. Dies könnte mit der Hofübergabe mit dem<br />

65. Lebensjahr zusammenhängen.<br />

<br />

Jenseits der 75 wird die Schwankung der Werte immer größer, was einerseits mit<br />

den abnehmenden Fallzahlen und andererseits mit Krankheit, Pflege, Tod und<br />

Trauer zusammenhängen dürfte.<br />

<br />

Statistisch signifikant aber praktisch nur gering bedeutsam (Eta>.1) haben höhere<br />

Werte: 65-jährige und älter, Personen in Großbetrieben mit mindestens 100 EGE,<br />

in Betrieben die künftig den Stand halten oder ausbauen sowie in Betrieben mit<br />

geregelter Hofübergabe.<br />

Sind aktive Bäuerinnen und Landwirte zufriedener als andere Personen? In der<br />

Repräsentativbefragung von 40-85-jährigen Personen „Altwerden in Deutschland“ von<br />

1 Ähnliches zeigt sich auch bei der Skala Arbeitsfreude/-stolz, die im Vergleich zur Industrie sehr deutlich<br />

höher (Cohens d 1,32) ist, hier nicht dargstellt.<br />

141


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

2002 (vgl. Tesch-Römer et al. 2006) wurden dieselben Fragen gestellt, allerdings mit 5-<br />

stufiger Antwortmöglichkeit. Dort haben Männer bzw. Frauen im Jahr 2002 im Vergleich<br />

zur neutralen Skalenmitte um 15,6% bzw. 17,0% höhere Werte. Hier sind die Werte<br />

etwas höher: Männer bzw. Frauen haben 18,8% bzw. 18,0% höhere Werte als die<br />

neutrale Mitte. Aktive ältere Bäuerinnen und Landwirte sind also etwas zufriedener als<br />

die älteren Erwachsenen in Deutschland.<br />

Negativindikatoren der Gesundheit<br />

Auf der körperlichen Ebene dominieren Beschwerden des Muskel-Skelett-Apparats. Das<br />

deckt sich u.a. mit der Krankheitsursachenstatistik der LSV. Hautbeschwerden werden<br />

nur von wenigen Befragten berichtet, was vor dem Hintergrund der aktuellen<br />

Hautschutzkampagnen beachtenswert erscheint. Faktorenanalytisch können die<br />

einzelnen Beschwerden zu 2 Gruppen aggregiert werden: orthopädische und nichtorthopädische<br />

Beschwerden. Praktisch bedeutsame Unterschiede (Eta>.1) zeigen sich<br />

nur bei den nicht-orthopädischen Beschwerden: hier dominieren Personen älter als 75<br />

Jahre leicht. Im Vergleich zu Beschäftigten aus dem gewerblich-technischen Bereich<br />

werden insgesamt etwas weniger körperliche Beschwerden berichtet (vgl. Ducki 2000).<br />

Psychischen Beeinträchtigungen sind auch in der Landwirtschaft von zunehmender<br />

Bedeutung, z.B. ersichtlich bei den Zugängen zu Erwerbsminderungsrenten. Personen<br />

zwischen 55 und 64 Jahren fühlen sich etwas stärker psychisch beeinträchtigt als die<br />

älteren (Eta>.1). Dies könnte mit der Phase der Hofübergabe zusammenhängen. Im<br />

Vergleich zu Beschäftigten aus dem gewerblich-technischen Bereich werden insgesamt<br />

etwas weniger Beeinträchtigungen berichtet (vgl. Ducki 2000).<br />

Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheitsindikatoren<br />

Die Befragten haben überdurchschnittlich Freude an der Arbeit und sind<br />

überdurchschnittlich lebenszufrieden. Gleichzeitig arbeiten sie im Wochenmittel 27,5<br />

Stunden auf Hof, Feld und im Wald und sind nicht kränker als andere. Liegt das an den<br />

Arbeitsbedingungen?<br />

Bei den Arbeitsbedingungen wurden Themen abgefragt, denen in der Literatur eine<br />

gesundheitsförderliche Wirkung zugesprochen wird: interessante und<br />

abwechslungsreiche Arbeitsinhalte, hohe Entscheidungsspielräume, Sinnbezug bei der<br />

Arbeit (z.B. unser Hof hat Zukunft), soziale Unterstützung (z.B. wir helfen uns bei der<br />

Arbeit gegenseitig).<br />

Außerdem wurden belastende Arbeitsbedingungen thematisiert: Arbeitsintensität und<br />

finanzieller Druck (z.B. ich habe fürs Alter ausreichend vorgesorgt, meine finanzielle<br />

142


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Gesamtsituation belastet mich). Im Vergleich zu gewerblich-technischen Betrieben<br />

werden Entscheidungsspielräume und Arbeitsinhalte sehr viel positiver bewertet, der<br />

Sinnbezug dagegen geringer.<br />

Nachfolgend (siehe<br />

Tab. 1) ist der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und<br />

Gesundheitsindikatoren dargestellt. Die Einflüsse von Alter und Geschlecht sind<br />

herauspartialisiert (bleibt stabil wenn zusätzlich die Variable „Zukunftsbetrieb“ partialisiert<br />

wird).<br />

Kontrollvariablen<br />

Alter &<br />

Geschlecht<br />

Körperlich<br />

e<br />

Beschwer<br />

den<br />

Psych.<br />

Befindensbeeinträch<br />

tigungen<br />

Lebenszufriedenheit<br />

Arbeitsfreu<br />

de / -stolz<br />

Arbeitsinhalt<br />

-,115 -,126 ,351 ,674<br />

Entscheidungsspielraum -,099 -,160 ,270 ,522<br />

Sinnbezug -,075 -,039 ,270 ,223<br />

Soziale Unterstützung -,109 -,091 ,256 ,278<br />

Arbeitsintensität ,254 ,402 -,201 ,029<br />

Finanzieller Druck ,238 ,243 -,431 -,206<br />

Tab. 1: Partialkorrelation: Gesundheit und Arbeitsbedingungen (grau hinterlegt sind praktisch<br />

bedeutsame Zusammenhänge r>0,2)<br />

Es zeigt sich<br />

Höhere belastende Arbeitsbedingungen (Arbeitsintensität, finanzieller Druck)<br />

gehen mit höheren Beschwerden und mit geringeren Positivindikatoren der<br />

Gesundheit einher.<br />

Höhere gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen (Arbeitsinhalt,<br />

Entscheidungsspielraum, Sinnbezug, Soziale Unterstützung) gehen mit<br />

geringeren Beschwerden und höheren Positivindikatoren einher. Die Pufferung<br />

von Beschwerden ist tendenziell ersichtlich, aber nur sehr gering ausgeprägt.<br />

<br />

Die Zusammenhänge sind zum Teil sehr deutlich.<br />

Zwar sind derartige Zusammenhänge durchaus bekannt. Neu ist hier jedoch die deutlich<br />

ältere Befragtengruppe. Was bedeuten diese Zusammenhänge für einen<br />

Sozialversicherungsträger?<br />

Auch wenn Korrelationen in Querschnittsuntersuchung statistisch nicht kausal<br />

interpretiert werden können, so zeigt sich: Alle genannten Arbeitsbedingungen hängen<br />

eng mit Gesundheit zusammen. Gleichzeitig sind sie aber nicht das Kerngeschäft eines<br />

Sozialversicherungsträgers. Es stellt sich die Frage, ob diese Themen<br />

143


V21<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

a) in das Beratungs- und Betreuungsangebot eines Sozialversicherungsträgers<br />

aufgenommen werden sollen, was intern vernetztes Arbeiten nötig macht;<br />

b) ob entsprechende externe Netzwerke – hier z.B. mit dem Bauernverband –<br />

intensiviert werden können.<br />

Schlussfolgerungen<br />

• Körperliche Arbeit bis ins hohe Alter ist möglich<br />

• Unter salutogenetischer Perspektive ist Arbeit eine Quelle von Vitalität, die es zu<br />

fördern gilt<br />

• Gleichzeitig darf die Präventionsarbeit nicht vernachlässigt werden, die<br />

Unfallzahlen in der Landwirtschaft belegen dies<br />

• Wirtschaftliche Perspektive des Betriebes und Regelungen zur Hofübergabe<br />

hängen mit Gesundheit zusammen<br />

• Transferpotenzial:<br />

– Setting Familienbetrieb insbesondere im gewerblichen / handwerklichen<br />

Bereich (z.B. Betriebsübergabe)<br />

– Arbeit und Alter<br />

– die demografische Versichertenstruktur in der Landwirtschaft ist<br />

derjenigen der allg. Sozialversicherung vorweggenommen ist.<br />

Literatur<br />

Diener, E., Emmons, R. A., Larsen, R. J. & Griffin, S. (1985). The Satisfaction With Life<br />

Scale. Journal of Personality Assessment, 49, 71-75.<br />

Ducki, A. (2000). Diagnose gesundheitsförderlicher Arbeit. Zürich: vdf Hochschulverl.<br />

Tesch-Römer, C., Engstler, H. & Wurm, S. (2006). Altwerden in Deutschland.<br />

Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.<br />

144


V22<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung bei Auszubildenden – das<br />

Fit4you Projekt: Ergebnisse nach einjähriger Intervention<br />

Heike Niedermeier 1 , Harald Gündel², Thomas Graf³, Anke Manthey 4 , Wolfgang Hilla 5 , Peter<br />

Angerer 1<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits -, Sozial – und Umweltmedizin der LMU München<br />

² Psychosomatik und Psychotherapie der MHH Hannover<br />

³ Adipositas Rehazentrum Insula Bischofswiesen<br />

4<br />

Gesundheitsförderung AUDI AG Ingolstadt<br />

5<br />

Gesundheitsschutz I/SW-1 AUDI AG Ingolstadt<br />

1. Einleitung<br />

Übergewicht und Adipositas zählen zu den schwerwiegendsten Gesundheitsrisiken<br />

unserer Zeit. Eine im Jugendalter auftretende Fettleibigkeit muss als prädiktiv für eine<br />

Adipositas im Erwachsenenalter angesehen werden; auch erhöht sie das Risiko für<br />

kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen sowie für Erkrankungen des muskulo–<br />

skelettalen Systems (Jansen et al 2002, Felson 1991). Das Projekt richtet sich daher an<br />

Auszubildende, die sich aufgrund ihres jugendlichen Alters in einer Phase der Ablösung<br />

aus dem Elternhaus befinden und in der sich eigene Gewohnheiten hinsichtlich<br />

Ernährung und Bewegung ausbilden. Ziele der Studie sind: Primärprävention von<br />

Gewichtszunahme bei normalgewichtigen Auszubildenden (Einstellungsjahrgang 2006<br />

bei AUDI Ingolstadt); Primärprävention von Folgeerkrankungen bei übergewichtigen<br />

Auszubildenden durch gezielte Gesundheitsförderung (übergewichtige und adipöse<br />

Auszubildende der Einstellungsjahrgänge 2006 und 2007 bei AUDI Ingolstadt)<br />

2. Methode<br />

Das Präventionsprojekt hat eine Laufzeit von 3 Jahren und wird seit dem Frühjahr 2007<br />

für die Einstellungsjahrgänge 2006 und 2007 in Kooperation zwischen der AUDI AG<br />

Ingolstadt (IN), dem Institut und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial– und Umweltmedizin<br />

der LMU München, der Medizinischen Hochschule Hannover sowie der Katholischen<br />

Universität Eichstätt durchgeführt. Allen Auszubildenden der o. g. Jahrgänge, die bei der<br />

Untersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz einen BMI >= 25 kg/m² aufwiesen,<br />

wurde eine Teilnahme am Projekt angeboten. Die Untersuchung erfolgte mit Zustimmung<br />

der Ethikkommission des Universitätsklinikums der Ludwig–Maximillians–Universität<br />

München. Der Ablauf der Studie ist in Abb. 1 veranschaulicht.<br />

145


V22<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Im Rahmen der Studie soll die Wirksamkeit von verhältnis- (z. B. Gesundheitsunterricht<br />

an der Berufsschule, Sportangebot, temporäre Umstellung des Speisenangebotes in der<br />

Firmenkantine) – und verhaltenspräventiven Maßnahmen (z. B. Ernährungsberatung in<br />

der Gruppe, Fitnessprogramm, soziales Kompetenztraining) untersucht werden. Je nach<br />

Fragestellung wird als Kontrollgruppe (KG) der entsprechende Ausbildungsjahrgang der<br />

AUDI AG (übergewichtige Auszubildende, kein Interventionsangebot) in Neckarsulm<br />

(NSU) herangezogen. Nachdem zu Studienbeginn die Baselinedaten der Teilnehmer<br />

erhoben wurden, wird der Effekt der präventiven Maßnahmen z. B. mittels<br />

Spiroergometrie, Bioimpedanzanalyse, Laboruntersuchungen und psychometrischen<br />

Testungen nach einem und nach zwei Jahren (Followup) untersucht. Zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt befinden wir uns in der Vorbereitungsphase zum zweiten Followup. Die<br />

Ergebnisse des ersten Followups sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.<br />

3. Fragestellungen<br />

Wirkt sich das Interventionsprogramm auf das Essverhalten, Freizeitverhalten und auf<br />

Indikatoren des kardiovaskulären Risikos aus? Wirkt sich eine Änderung des<br />

Essverhaltens auf Indikatoren des kardiovaskulären und metabolischen Risikos aus?<br />

Hypothesen: Das Interventionsprogramm wirkt sich sowohl positiv auf das Ess – und<br />

Freizeitverhalten als auch auf die Indikatoren des kardiovaskulären Risikos aus. Eine<br />

146


V22<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Änderung des Essverhaltens zeigt einen positiven Effekt auf die Indikatoren des<br />

kardiovaskulären und metabolischen Risikos.<br />

4. Ergebnisse<br />

Zur Erfassung des Essverhaltens, wurde der Fragebogen FEV II verwendet, der auch<br />

häufig in der Evaluation von Gesundheitsförderung, Adipositasprävention und – therapie<br />

Einsatz findet. Er weist drei Dimensionen / Konstrukte auf: Kognitive Kontrolle<br />

(Beispielsatz: „Wenn ich in letzter Zeit zugenommen habe, esse ich weniger als sonst“.);<br />

Störbarkeit (Beispielsatz: „Wenn ich andere essen sehe, möchte ich auch gerne etwas<br />

essen.“); Emotionalität (Beispielsatz: „Ich würde am liebsten etwas essen, wenn ich<br />

enttäuscht bin.“) (30 Items, 5 – stufige Likert – Skala: 1 = stimmt gar nicht; 5 = stimmt<br />

total).<br />

Essverhalten: Nur in der Dimension „Kognitive Kontrolle des Essverhaltens“ unterschied<br />

sich die Veränderung (IG vs. KG; p = 0,016): In der Interventionsgruppe (IN) zeigt sich<br />

eine verbesserte Kontrolle des Essverhaltens. (Abbildung 2)<br />

In den Dimensionen „Emotionalität“ und „Störbarkeit“ zeigt sich dagegen kein Einfluss<br />

des Interventionsprogramms. Freizeitverhalten: Sowohl bei den Stunden, die pro Tag am<br />

TV als auch am PC zugebracht werden, gab es keine signifikanten Unterschiede<br />

zwischen den Messzeitpunkten in der IG und der KG. Die Zeit in Stunden / Woche, die<br />

147


V22<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

die Probanden mit sportlichen Aktivitäten verbrachten, nahm zwar bei der IG und bei der<br />

KG im Mittel signifikant zu (p = 0,023); allerdings lag kein signifikanter Unterschied (p =<br />

0,526) in der Veränderung zwischen den beiden Gruppen vor. Indikatoren des<br />

kardiovaskulären Risikos: Es fand eine signifikante Zunahme des Gewichtes (p = 0,015)<br />

und des BMI (p = 0,001) sowohl in der IG als auch in der KG statt, doch ließ sich kein<br />

Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Veränderung des Gewichts<br />

(p = 0,531) und des BMI (p = 0,611) feststellen. Keine signifikanten Veränderungen<br />

waren beim systolischen und diastolischen Blutdruck nachweisbar. Die<br />

Ernährungsberatung stellte einen wesentlichen Bestandteil des Interventionsprogramms<br />

dar. In Abhängigkeit von der Teilnahmehäufigkeit wurden die Probanden in 3 Gruppen<br />

eingeteilt (Gruppe 0: keine Teilnahme, Gruppe 1: geringe Teilnahme, Gruppe 2: häufige<br />

Teilnahme). Es zeigte sich, dass die Teilnahmehäufigkeit lediglich auf die Subskala<br />

„Emotionalität“ einen signifikanten Einfluss (p = 0,015) hatte: Die Gruppen, in denen die<br />

Teilnahmehäufigkeit „fehlend“ bzw. „hoch“ war, verzeichneten eine Abnahme an<br />

Scorepunkten, welches eine Verbesserung darstellt. Die Gruppe mit der „mittleren“<br />

Teilnahmefrequenz zeigte eine Zunahme der Scorepunkte; dieses stellt eine<br />

Verschlechterung dar. Signifikant unterschied sich aber nur die Gruppe „fehlend“ von der<br />

Gruppe „mittel“. Verbessertes Essverhalten (Emotionalität) ging einher mit einer<br />

Abnahme von Adiponektin und Leptin (p = 0.050) sowie einer Zunahme des CRP. Um<br />

eine Änderung des kardiovaskulären Risikos in Abhängigkeit von der Änderung des<br />

salutogenen Verhaltens zu untersuchen, wurde der „FEV salut“ (Dimension „Umsetzung<br />

von Ernährungswissen in Verhalten“; Beispielsatz: Ich versuche so oft wie möglich, Obst<br />

und Gemüse zu essen.) eingesetzt. Bei den Probanden, die ein verbessertes<br />

salutogenes Verhalten zeigten, kam es zu einer Zunahme des LDL – Cholesterin (p =<br />

0.039) und zu einer Abnahme des TNF – Alpha.<br />

5. Zusammenfassung / Diskussion<br />

Das Interventionsprogramm zeigte bislang einen positiven Effekt auf die kognitive<br />

Kontrolle des Essverhaltens. Unsere Annahmen hinsichtlich einer positiven<br />

Einflussnahme auf Freizeitverhalten und auf Indikatoren des kardiovaskulären /<br />

metabolischen Risikos werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigt. Ab März 09<br />

findet die Folgeerhebung statt. Erstmalig werden dabei auch narrative Interviews<br />

durchgeführt werden, um Motivation und Gesundheitsverhalten der Probanden näher<br />

untersuchen zu können. Ziel dieser zusätzlichen qualitativen Analyse (sequentielle<br />

Textanalyse, Vornahme von Typisierungen) soll sein, erfolgreiche Studienaspekte in<br />

Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung bei der AUDI AG zu<br />

implementieren.<br />

148


V22<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Anhang / Literatur:<br />

Janssen, I. et al, Body mass Index, waist cirumference and health risk: evidence in<br />

support of current National Institutes of Health guidelines, Archives of International<br />

medicine, 162 (18): 2074 - 2079<br />

Felson, D. T et al; Occupational physical demands, knee bending and knee<br />

osteoarthritis; results from the Framingham study, The Journal of Rheumatology, 18 (10):<br />

1587 – 92.<br />

149


V23<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement I<br />

Wiedereingliederungsmanagement als Grundlage für betriebliche<br />

Präventionsstrategie? - Ein Widerspruch?<br />

Stephan F. Schlosser<br />

Betriebsärztlicher Dienst, Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

150


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Bestimmung von Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin mittels<br />

einer LC-MS/MS-Multi-Methode zum Biomonitoring von<br />

kanzerogenen Arbeitsstoffen<br />

Elisabeth Eckert, Thomas Göen, Hans Drexler<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />

Nürnberg, Erlangen<br />

Einleitung und Ziel<br />

An vielen Arbeitsplätzen der modernen gewerblichen Industrie werden Arbeitsstoffe<br />

eingesetzt, die alkylierend wirken bzw. die zu solchen Alkylantien abgebaut werden<br />

können. Hierzu zählt der Einsatz von Ethylenoxid als Sterilisationsmittel, die Verwendung<br />

von Propylenoxid, Acrolein und 1,3-Butadien als Grundbaustein für chemische<br />

Synthesen (z. B. für die Herstellung von Synthesekautschuk), sowie der Einsatz von<br />

Glycidol für die Herstellung und Modifizierung von Epoxidharzen. Nach Aufnahme in den<br />

Körper können diese Substanzen in vivo durch Alkylierung von Proteinen und DNA<br />

genotoxisch wirken. Die o. g. alkylierenden Arbeitsstoffe wurden von der DFG in die<br />

Kanzerogenitätskategorien 1, 2 oder 3 eingestuft. Durch eine Reaktion dieser<br />

Substanzen oder ihrer reaktiven Metabolite mit körpereigenem Glutathion werden<br />

substratspezifische Hydroxyalkylmerkaptursäuren gebildet, die im Urin ausgeschieden<br />

werden und die für ein biologisches Belastungs-monitoring zur Verfügung stehen.<br />

Alkylierende Substanzen finden sich jedoch nicht nur an bestimmten Arbeitsplätzen,<br />

sondern kommen auch in der Umwelt vor. Hauptquellen für einige dieser Substanzen<br />

sind Zigarettenrauch sowie Auto- und Industrieabgase. Acrolein wird außerdem auch in<br />

geringen Konzentrationen endogen gebildet. Aus diesen Gründen findet sich auch bei<br />

Personen ohne berufliche Exposition mit alkylierenden Substanzen eine<br />

Hintergrundbelastung an Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin.<br />

Ziel der Arbeit war es, ein sensitives und spezifisches Analysenverfahren zur<br />

Bestimmung eines breiten Spektrums von Hydroxyalkylmerkaptursäuren zu entwickeln,<br />

um anhand der im Urin ermittelten Merkaptursäure-Gehalte Aussagen über die innere<br />

Belastung von Personen mit beruflicher Exposition mit alkylierenden Substanzen zu<br />

ermöglichen und diese von der allgemeinen Hintergrundbelastung zu differenzieren.<br />

Methoden<br />

Als analytische Parameter wurden sechs Hydroxyalkylmerkaptursäuren in das<br />

Analysenverfahren aufgenommen: 2,3-Dihydroxypropylmerkaptursäure (Parameter für<br />

Glycidol), Hydroxyethylmerkaptursäure (für Ethylenoxid), 2-Hydroxypropylmerkaptursäure<br />

(für Propylenoxid), 3-Hydroxypropylmerkaptursäure (für Acrolein), 3,4-<br />

Dihydroxybutyl- und Monohydroxybutenylmerkaptursäure (für Butadien).<br />

151


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Zur Bestimmung der Hydroxyalkylmerkaptursäuren wurden jeweils 2 ml Urin angesäuert<br />

und zur internen Standardisierung mit isotopenmarkierten Referenzsubstanzen versetzt.<br />

Die Anreicherung der Analyten erfolgte mittels selektiver Festphasenextraktion. Das<br />

resultierende Eluat wurde anschließend durch Hochleistungsflüssigchromatographie<br />

getrennt und tandem-massenspektrometrisch detektiert (LC-MS/MS). Die Kalibrierung<br />

erfolgte in externen Standardlösungen in Nichtraucherpoolurin, die wie die Proben<br />

aufgearbeitet wurden. Die Zuverlässigkeit der Methode wurde im Rahmen der<br />

Methodenvalidierung geprüft. Für die Nachweisgrenzenbestimmung wurde die DIN<br />

32645 herangezogen.<br />

Zur Bestimmung der Hintergrundbelastung mit Hydroxyalkylmerkaptursäuren wurde ein<br />

Kollektiv von 44 Beschäftigten der Universität Erlangen-Nürnberg untersucht (21<br />

männlich, 23 weiblich, 15 Raucher, 29 Nichtraucher, Alter: 20 – 61 Jahre), die keine<br />

berufliche Exposition zu alkylierenden Substanzen aufwiesen (Kontrollkollektiv).<br />

Weiterhin wurde ein Kollektiv von 37 Beschäftigten einer Raffinierie untersucht (36<br />

männlich, 1 weiblich, 18 Raucher, 19 Nichtraucher, Alter: 20 – 67 Jahre), die dort<br />

beruflich mit 1,3-Butadien Umgang hatten (Raffinierie-Kollektiv). Alle Probanden der<br />

Studie haben ihr schriftliches Einverständnis für die Durchführung der Untersuchungen<br />

erteilt.<br />

Ergebnisse<br />

Im Rahmen der Validierung der Methode wurden für die verschiedenen Hydroxyalkylmerkaptursäuren<br />

Nachweisgrenzen im unteren µg/l-Bereich ermittelt: 2,3-<br />

Dihydroxypropyl-merkaptursäure 5,5 µg/L, 2-Hydroxyethylmerkaptursäure 4,0 µg/L, 2-<br />

Hydroxypropyl-merkaptursäure 7,0 µg/L, 3-Hydroxypropylmerkaptursäure 3,0 µg/L, 3,4-<br />

Dihydroxybutyl-merkaptursäure 4,5 µg/l und die Isomere der<br />

Monohydroxybutenylmerkaptursäure 5,0 µg/L. Bei der Untersuchung von Urinproben des<br />

Kontrollkollektives konnte für alle untersuchten Merkaptursäuren eine<br />

Hintergrundbelastung nachgewiesen werden. Die HEMA wurde allerdings nur in etwa der<br />

Hälfte der untersuchten Proben in Konzentrationen oberhalb der Nachweisgrenze<br />

detektiert.<br />

Bei der Differenzierung der Ergebnisse des Kontrollkollektives zwischen Rauchern und<br />

Nichtrauchern zeigt sich, dass die Urine von Rauchern signifikant höhere Gehalte an den<br />

untersuchten Merkaptursäuren aufwiesen als die der Nichtraucher. Für die<br />

Merkaptursäure des Acroleins, 3-Hydroxypropyl-Merkaptursäure (3-HPMA), und für eine<br />

Merkaptursäure des Butadiens, der Monohydroxybutenylmerkaptursäure (MHBMA), war<br />

der Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern besonders ausgeprägt (siehe<br />

Abb. 1). Bezogen auf Kreatinin enthielten die Nichtraucherurine im Median (Range)<br />

152


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Konzentrationen von 82 (29-761) µg/g Kreatinin an 3-HPMA bzw. von 6 (2-24) µg/g<br />

Kreatinin an MHBMA, während in den Raucherurinen signifikant höhere Median-<br />

Konzentrationen (Range) von 645 (99-2050) µg/g Kreatinin an 3-HPMA bzw. 61 (10-225)<br />

µg/g Kreatinin an MHBMA gefunden wurden. Der Gehalt dieser beiden Merkaptursäuren<br />

korreliert zudem deutlich mit dem Cotiningehalt des Urins (3-HPMA r = 0,76; MHBMA r =<br />

0,80) (siehe Abb. 1).<br />

1750<br />

1500<br />

Kontrollkollektiv<br />

3-HPMA<br />

Nichtraucher<br />

Raucher<br />

350<br />

300<br />

Kontrollkollektiv<br />

MHBMA<br />

Nichtraucher<br />

Raucher<br />

3-HPMA [µg/g Kreatinin]<br />

1250<br />

1000<br />

750<br />

500<br />

250<br />

MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0<br />

Nichtraucher<br />

Raucher<br />

Nichtraucher<br />

Raucher<br />

2000<br />

1600<br />

R 2 = 0,58<br />

250<br />

200<br />

R 2 = 0,64<br />

3-HPMA [µg/l]<br />

1200<br />

800<br />

400<br />

MHBMA [µg/l]<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0<br />

-500 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000<br />

Cotinin [µg/l]<br />

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500<br />

Cotinin [µg/l]<br />

Abb. 2: oben: 3-HPMA (links) bzw. MHBMA-Gehalte (rechts) in µg/g Kreatinin bei Nichtrauchern<br />

und Rauchern des Kontrollkollektives, unten: Korrelation von Cotinin im Urin in µg/l mit<br />

den Gehalten an 3-HPMA (links) und MHBMA (rechts) in µg/l im Urin.<br />

153


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

800<br />

700<br />

DHBMA bei Nichtrauchern<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffineriekollektiv<br />

40<br />

MHBMA bei Nichtrauchern<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffineriekollektiv<br />

DHBMA [µg/g Kreatinin]<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffinerie-Kollektiv<br />

0<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffinerie-Kollektiv<br />

600<br />

500<br />

DHBMA bei Rauchern<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffineriekollektiv<br />

300<br />

250<br />

MHBMA bei Rauchern<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffineriekollektiv<br />

DHBMA [µg/g Kreatinin]<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

MHBMA [µg/g Kreatinin]<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffinerie-Kollektiv<br />

0<br />

Kontrollkollektiv<br />

Raffinerie-Kollektiv<br />

Abb. 3: oben: DHBMA- (links) und MHBMA- (rechts) Gehalte in µg/g Kreatinin bei Nicht-Rauchern<br />

im Kontrollkollektiv und im Raffineriekollektiv, unten: DHBMA- (links) und MHBMA-<br />

(rechts) Gehalte in µg/g Kreatinin bei Rauchern im Kontrollkollektiv und im<br />

Raffineriekollektiv<br />

Für die 95%-Perzentile ergeben sich aus den Kontrollkollektiv-Daten folgende Werte:<br />

Hydroxyethylmerkaptursäure: Nichtraucher 4,7 µg/g Kreatinin, Raucher 11,4 µg/g<br />

Kreatinin; 2-Hydroxypropylmerkaptursäure: Nichtraucher 25,3 µg/g Kreatinin, Raucher<br />

162,2 µg/g Kreatinin; 3-Hydroxypropylmerkaptursäure: Nichtraucher 284,2 µg/g<br />

Kreatinin, Raucher 1389,7 µg/g Kreatinin; 2,3-Dihydroxypropylmerkaptursäure:<br />

Nichtraucher: 265,3 µg/g Kreatinin, Raucher 284,7 µg/g Kreatinin; 3,4-<br />

Dihydroxybutylmerkaptursäure: Nichtraucher 465,6 µg/g Kreatinin, Raucher 420,7 µg/g<br />

Kreatinin, Monohydroxybutenylmerkaptursäure: Nichtraucher: 18,6 µg/g Kreatinin,<br />

Raucher 165,7 µg/g Kreatinin.<br />

Zum Vergleich des Kontrollkollektives (KK) und des Raffinerie-Kollektives (RK) wurden<br />

die Gehalte der beiden Butadien-Merkaptursäuren 3,4-Dihydroxybutylmerkaptursäure<br />

(DHBMA) und Monohydroxybutenylmerkaptursäure (MHBMA) herangezogen. In<br />

Abbildung 2 ist dieser Vergleich für die Gruppe der Raucher und Nichtraucher graphisch<br />

dargestellt. Für die DHBMA wurden folgende Median- (Range-)Gehalte bestimmt:<br />

154


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Nichtraucher: KK – 193 (75-748) µg/g Kreatinin, RK – 222 (113-349) µg/g Kreatinin;<br />

Raucher: KK – 277 (158-451) µg/g Kreatinin, RK – 271 (136-481) µg/g Kreatinin. Die<br />

Untersuchung auf MHBMA lieferte folgende Median- (Range-)Gehalte: Nichtraucher: KK<br />

– 6 (2-24) µg/g Kreatinin, RK – 9 (5-34) µg/g Kreatinin; Raucher: KK – 61 (10-225) µg/g<br />

Kreatinin, RK – 57 (9-138) µg/g Kreatinin.<br />

Diskussion<br />

Durch die mit der entwickelten Analysenmethode erzielten Nachweisgrenzen war es<br />

möglich für die verschiedenen Hydroxyalkylmerkaptursäuren die Hintergrundbelastung<br />

von beruflich unbelasteten Personen zu bestimmen. Dass die HEMA mit einer<br />

Nachweisgrenze von 4 µg/L nur in etwa der Hälfte der untersuchten Urinproben<br />

nachweisbar war, liegt dabei in guter Übereinstimmung mit den Untersuchungen von<br />

Calafat et al. (1999) und Schettgen et al. (2008), in denen die HEMA-<br />

Hintergrundbelastung im Bereich von 1 – 10 µg/L angegeben wird. Erstmals war es mit<br />

dieser Methode auch möglich die Merkaptursäure des Glycidols (2,3-<br />

Dihydroxypropylmerkaptursäure) im menschlichen Urin zu bestimmen und deren<br />

Hintergrundbelastung in der Allgemeinbevölkerung zu ermitteln. Ebenfalls in<br />

Übereinstimmung mit der bisherigen Literatur sind die Ergebnisse, die generell höhere<br />

Hydroxyalkylmerkaptursäure-Ausscheidungen von Rauchern im Vergleich zu<br />

Nichtrauchern zeigen. Die Ergebnisse sind überdies plausibel, da viele der alkylierenden<br />

Substanzen im Tabakrauch enthalten sind. In den aktuellen Untersuchungen wird dabei<br />

deutlich, dass die Monohydroxyalkylmerkaptursäuren besonders stark vom<br />

Rauchverhalten beeinflusst werden. Weiterhin ließ sich zeigen, dass in der Gruppe der<br />

Nichtraucher die Probanden des Raffineriekollektives geringfügig höhere Gehalte an den<br />

beiden Butadien-Merkaptursäuren im Urin aufweisen als beruflich unbelastete Personen.<br />

Für MHBMA ist dieser Unterschied statistisch signifikant (Mann-Whitney, P = 0,015).<br />

Diese Beobachtung deckt sich mit den Aussagen anderer Studien, wonach MHBMA im<br />

Vergleich zu DHBMA der spezifischere Biomarker für eine 1,3-Butadien-Exposition ist<br />

(Boogaard et al., 2001). In der Gruppe der Raucher ist zwischen den Kollektiven kein<br />

signifikanter Unterschied feststellbar, was dadurch erklärt werden kann, dass Raucher 5-<br />

10fach höhere MHBMA-Gehalte im Urin ausscheiden als Nichtraucher. Der geringe<br />

Unterschied zwischen dem Kontroll- und dem Butadien-exponierten Raffinieriekollektiv<br />

ist vermutlich auf gut greifende Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz zurückzuführen,<br />

d.h. die berufliche Exposition führt nur zu einer geringen Erhöhung der nachweisbaren<br />

inneren Belastung mit 1,3-Butadien.<br />

155


V24<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Schlussfolgerung<br />

• Das entwickelte Analysenverfahren ermöglicht die simultane Bestimmung von sechs<br />

Hydroxyalkylmerkaptursäuren im Urin zur Durchführung eines Biomonitorings auf<br />

alkylierende Arbeitsstoffe, wie 1,3-Butadien, Acrolein, Ethylenoxid, Propylenoxid und<br />

Glycidol.<br />

• Das Verfahren ist ausreichend sensitiv, um auch die Hintergrundbelastung der<br />

Hydroxyalkylmerkaptursäuren in der Allgemeinbevölkerung zu erfassen.<br />

• Erstmals ist es mit der entwickelten Methode möglich auch ein Biomonitoring auf<br />

Glycidol anhand der 2,3-Dihydroxypropyl-Merkaptursäure im menschlichen Urin<br />

durchzuführen.<br />

• Die Ergebnisse bestätigen andere Untersuchungen über den Einfluss des Rauchens<br />

auf die Ausscheidung von Merkaptursäuren mit dem Urin. Dabei konnte der größte<br />

Einfluss bei den Monohydroxyalkylmerkaptursäuren des Acroleins und Butadiens, der<br />

3-HPMA und den MHBMA-Isomeren, festgestellt werden. Bei diesen Parametern<br />

liegen die Werte von Rauchern bis zu 10fach höher als bei den Nichtrauchern.<br />

Literatur<br />

Boogaard PJ, van Sittert NJ, Megens HJJJ: Urinary metabolites and haemoglobin<br />

adducts as biomarkers of exposure to 1,3-butadiene: a basis for 1,3-butadiene cancer<br />

risk assessment. Chemico-Biological Interactions. 135 – 136. 2001. 695 – 701.<br />

Calafat AM, Barr DB, Pirkle JL, Ashley DL: Reference range concentrations of N-acetyl-<br />

S-(2-hydroxyethyl)-L-cysteine, a common metabolite of several volatile organic<br />

compounds, in the urine of adults in the United States. J Expo Anal Environ Epidemiol. 9.<br />

1999. 336 – 342.<br />

Schettgen T, Musiol A, Kraus T: Simultaneous determination of mercapturic acids<br />

derived from ethylene oxide (HEMA), propylene oxide (2-HPMA), acrolein (3-HPMA),<br />

acrylamide (AAMA) and N,N-dimethylformamide (AMCC) in human urine using liquid<br />

chromatography / tandem mass spectrometry. Rapid Commun Mass Spectrom. 22.<br />

2008. 2629 – 2638.<br />

156


V25<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Innere Belastung mit aromatischen Diaminen bei Friseuren<br />

durch die berufliche Anwendung von Oxidations-Haarfarben<br />

Monika Gube, Katharina Heinrich, Thomas Schettgen, Peter Brand, Thomas Kraus<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

Ziel der Studie<br />

Nachdem Herr Dr. Schettgen bereits bei der Jahrestagung 2008 einen Vortrag zur<br />

inneren Belastung mit aromatischen Diaminen der Anwenderinnen von Oxidations-<br />

Haarfarben gehalten hat, sollte in dieser weiteren Studie der Frage nachgegangen<br />

werden, wie hoch die innere Belastung mit aromatischen Diaminen der professionellen<br />

Anwender – sprich: der Friseure – wohl sei.<br />

Hintergrund<br />

Nach wie vor stehen Haarfärbemittel im Verdacht Krebserkrankungen, und hierunter<br />

insbesondere Harnblasenkrebs, zu erregen bzw. mit zu verursachen. Dieser Verdacht<br />

wird durch einige epidemiologische Studien unterstützt (wie zum Beispiel Gago-<br />

Dominguez 2001) während andere Arbeiten dies nicht bestätigen können (Kogevinas et<br />

al. 2003, Czene et al. 2003).<br />

Bisher wurden vornehmlich die privaten Endverbraucher betrachtet. Jedoch sind auch<br />

die Friseure durch die berufliche Anwendung potentiell gegenüber Oxidationshaarfarben<br />

und deren Inhaltsstoffe exponiert.<br />

Die aktiven Bestandteile der Haarfärbemittel sind meist 2,5-Toluylendiamin und deutlich<br />

seltener p-Phenylendiamin (im Folgenden mit TDA und p-PDA benannt), welche als<br />

sogenannte „Kuppler“ fungieren. Sie reagieren mit anderen Bestandteilen zu<br />

höhermolekularen Farbstoffen, die die dauerhafte Färbung des Haares hervorrufen.<br />

Von der DFG wurden die Stoffe als hautsensibilisierend und hautresorptiv eingestuft. P-<br />

phenylendiamin wurde darüber hinaus sogar in die Kategorie 3B der krebserzeugenden<br />

Arbeitsstoffe eingestuft – das heißt: es liegen aus Tier- oder In-Vitro-Versuchen<br />

wenigstens Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung vor.<br />

Nachdem Herr Schettgen im letzen Jahr also gezeigt hatte, wie hoch die innere<br />

Belastung der Anwenderinnen war, beschäftigte hier die Frage nach der Höhe der<br />

inneren Belastung der Friseure.<br />

Methoden<br />

Aus insgesamt 16 Friseursalons in der Region Aachen wurden 51 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter rekrutiert, die angehalten wurden diejenigen Tätigkeiten zu dokumentieren,<br />

die mit einer potentiellen Exposition einhergehen:<br />

157


V25<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Also Anrühren von Haarfarben, Auftragen der Farbe, Auswaschen und Schneiden von<br />

frisch gefärbtem Haar.<br />

Hierbei wurde neben der Anzahl der einzelnen Vorgänge auch dokumentiert, ob dabei<br />

Handschuhe getragen wurden oder nicht.<br />

Zur Bestimmung der internen Belastung mit TDA und p-PDA gaben die Probanden<br />

Urinproben am Morgen vor Beginn der Arbeitswoche, nach 3 Arbeitstagen vor und nach<br />

Arbeitsschicht sowie am Ende der Arbeitswoche vor und nach Schicht ab.<br />

Die im Folgenden angegebenen Konzentrationen sind immer auf Kreatinin im Urin<br />

bezogen.<br />

Die Kontrollgruppe bestand aus 19 alters- und geschlechtsgematchten Personen.<br />

Zur Analyse werden 5ml Urin mit konzentrierter Salzsäure hydrolysiert, um die<br />

Aromatischen Amine aus den entsprechenden Konjugaten freiszustezen.<br />

Unter Kühlen wird dann mit Natronlauge ein alkalischer pH-Wert eingestellt, der<br />

entsprechende Interne Standard zugesetzt und die Aromatischen Amine 2x in Toluol<br />

extrahiert.<br />

Schließlich wird mit PFPA (Pentafluorpropionsäureanhydrid) derivatisiert und die<br />

Diamine spezifisch mittels GC/MS quantifiziert.<br />

Mit dieser Methode können TDA und p-PDA parallel bestimmt werden; die<br />

Nachweisgrenzen liegen bei < 0,2 bzw. < 1 µg pro Liter Urin.<br />

Ergebnisse<br />

Es fand sich eine deutlich höhere innere Belastung mit TDA der Friseure im Vergleich mit<br />

den Probanden der Kontrollgruppe – nämlich ein Median von 0,91 µg pro g Kreatinin und<br />

ein maximaler Wert von 155,8 µg pro g Kreatinin (siehe Tabelle 1).<br />

Der Nachweis geringer Mengen TDA auch innerhalb der Kontrollgruppe rührt daher,<br />

dass sich hierunter auch Probanden befanden, die intermittierend ihr Haar färben und<br />

offenbar der zeitliche Abstand der letzten Färbung zu kurz gewählt war, um einen Wert<br />

unterhalb der Nachweisgrenze zu ergeben (Vorgabe waren mind. 4 Tage).<br />

Gleichzeitig war p-PDA nur in Einzelfällen in der Gruppe der Friseure, nicht jedoch in der<br />

Kontrollgruppe nachweisbar.<br />

Insgesamt konnten wir weder einen Intra-Shift-Effekt (eine Kumulation über den<br />

Arbeitstag hinweg) noch über die gesamte Arbeitswoche nachweisen.<br />

158


V25<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Ebenso zeigte sich kein Effekt in Abhängigkeit der Benutzung von Schutzhandschuhen<br />

gegenüber dem Arbeiten mit bloßen Händen.<br />

Bei Betrachtung der einzelnen Tätigkeiten fand sich, dass das Anrühren sowie das<br />

Auftragen der Farbe offensichtlich am meisten zur inneren Belastung beitragen.<br />

Wie oben schon erwähnt, konnten nur in Einzelfällen geringe Mengen p-PDA in den<br />

Urinproben der Friseure nachgewiesen werden.<br />

Die Mittelwerte der nachgewiesenen Ausscheidung für die einzelnen Salons zeigten,<br />

dass nur in den beiden ausländischen Salons (1 niederländischer (Mittelwert 3,11 µg/g<br />

Kreatinin), 1 belgischer (Mittelwert 4,7 µg/g Kreatinin)) und bei nur einer Person in einem<br />

deutschen Salon (Mittelwert 1,92 µg/g Kreatinin) p-PDA nachweisbar war.<br />

Die ist so zu erklären, dass in den ausländischen Salons Haarfarben angewandt werden,<br />

die in Deutschland nicht zum Einsatz kommen. Die Person aus dem deutschen Salon<br />

hatte nach eigenen Angaben solche Farben privat verarbeitet.<br />

Die angefügte Grafik 1 gibt den Vergleich der nachgewiesenen Konzentration von TDA in<br />

den Einzel-Urinproben von der Kontrollgruppe (in der Darstellung ganz links mit Werten <<br />

0,2 µg pro g Kreatinin) mit der Gruppe der Friseure (hier in blau gehalten mit Werten bis<br />

maximal 155,8 µg pro g Kreatinin) und den Anwenderinnen in der Studie von Herrn Dr.<br />

Schettgen (mit Werten bis ca. 3000 µg pro g Kreatinin in der Zeitspanne von 5-10<br />

Stunden nach Anwendung der Oxidationshaarfarbe) wider.<br />

Zusammenfassung<br />

Bei den professionellen Anwendern von Oxidationshaarfarben konnten deutlich<br />

geringere Mengen von 2,5-TDA im Urin nachgewiesen werden im Vergleich zur inneren<br />

Belastung der Anwenderinnen.<br />

Hier stehen Konzentrationen von < 0,2 bis maximal 155,8 µg pro g Kreatinin bei den<br />

Friseuren maximalen Konzentrationen von bis zu 300µg pro g Kreatinin bei den<br />

Anwenderinnen gegenüber.<br />

p-PDA hingegen konnte auch bei den Friseuren nur in Einzelfällen und hier bei den im<br />

Ausland tätigen Personen bzw. einer Person, die nicht in Deutschland vertriebene<br />

Produkte angewandt hatte, nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich aber um sehr<br />

geringe Mengen von < 0,5 bis maximal 36,6 µg pro g Kreatinin.<br />

159


V25<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Schlussfolgerungen<br />

Aus den Ergebnissen dieser Studie lassen sich folgende Schlüsse ziehen:<br />

Die innere Belastung bei Friseuren ist mittels Biomonitoring nachweisbar<br />

Sie liegt bezogen auf 2,5-TDA bei den beruflich Exponierten um etwa den Faktor 200<br />

niedriger als bei den Anwenderinnen<br />

In dem hier vorgestellten Studiendesign konnte weder ein Intra-Shift-Effekt noch ein<br />

Kumulationseffekt über die Arbeitswoche hinweg nachgewiesen werden.<br />

Ein signifikanter Anstieg der inneren Belastung zeigte sich bei keiner Tätigkeit, wobei<br />

dies auch unabhängig vom Tragen von Schutzhandschuhen war<br />

Die tendenziell höhere Belastung durch Anrühren und Auftragen von Farbe rührt am<br />

ehesten daher, dass Farbspritzer während dieser Vorgänge auf die Unterarme der<br />

Person gelangt sind, die dort verblieben bis der Vorgang komplett abgeschlossen<br />

war.<br />

Das Auswaschen von Farbe stellt wahrscheinlich deshalb keine besondere<br />

Exposition dar, weil hier die Reaktion bereits abgelaufen ist und außerdem ein<br />

sofortiger extremer Verdünnungseffekt unterm fließenden Wasser eintritt<br />

Die also ohnehin geringe innere Belastung könnte durch Tragen langärmeliger<br />

Arbeitskleidung gegebenenfalls weiter gesenkt werden.<br />

Tabelle 1<br />

Ergebnisse<br />

Friseure<br />

Kontrolle<br />

Median<br />

0,91<br />

< 0,2<br />

2,5-TDA<br />

(µg/g Krea)<br />

95. Perz.<br />

Max.<br />

14,39<br />

155,8<br />

0,9<br />

3,33<br />

p-PDA<br />

(µg/g Krea)<br />

Median<br />

95. Perz.<br />

Max.<br />

< 1<br />

< 1<br />

36,6<br />

< 1<br />

< 1<br />

< 1<br />

• Kein Intra-Shift-Effekt, kein Effekt über die Arbeitswoche<br />

nachweisbar<br />

• Kein Effekt in Abhängigkeit von Handschuh-Nutzung<br />

nachweisbar<br />

• Anrühren und Auftragen der Farbe trägt am meisten zur<br />

inneren Belastung bei (Multiple Regressionsanalyse; 2,5-TDA u.<br />

p-PDA als AV und Expositionsparameter als UV).<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

6<br />

160


V25<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Grafik 1<br />

Vergleich Friseure vs. Anwenderinnen<br />

1000<br />

Kontrollen (n=19)<br />

Friseure (n=255)<br />

Anwender bis zu 48 h nach Färben (n=43)<br />

2,5-TDA [µg/g Kreatinin]<br />

100<br />

10<br />

1<br />

0,1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

10<br />

161


V26<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Äußere und innere Belastungen von Beschäftigten einer<br />

europäischen Kokerei mit humankanzerogenen aromatischen<br />

Aminen<br />

Tobias Weiß 1 , Holger M. Koch 1 , Jana Henry 1 , Volker Harth 1 , Heiko U. Käfferlein 1 , Kai<br />

Süsselbeck 2 , Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2 IGF – Institut für Gefahrstoff-Forschung der Bergbau-Berufsgenossenschaft an der Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

Expositionen in Kokereien sind seitens der IARC als humankanzerogen eingestuft.<br />

Grundlage für diese Einstufung waren vornehmlich epidemiologische Studien, die ein<br />

erhöhtes Lungenkrebsrisiko aufzeigten. Neben einer wissenschaftlich bereits gut<br />

dokumentierten Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen<br />

ist in Kokereien auch von Expositionen gegenüber humankanzerogenen aromatischen<br />

Aminen (AA) auszugehen. AA wurden einerseits in Kokereirohgasen gefunden, treten<br />

aber auch in Steinkohlenteerpechen auf, die als Nebenprodukt bei der Koksherstellung<br />

anfallen (1,2). Es sollte daher überprüft werden, inwieweit Beschäftigte in Kokereien<br />

gegenüber AA exponiert sind und ob sich daraus ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko ableiten<br />

lässt.<br />

Insgesamt wurden 47 männliche Kokereiarbeiter (26 Raucher) auf ihre Belastung<br />

gegenüber 2-Naphthylamin (2NA), 4-Aminodiphenyl (4ADP), Benzidin (Bz) und o-<br />

Toluidin (oT) untersucht. Das Untersuchungskollektiv setzte sich aus Mitarbeitern des<br />

Koksofenbetriebs (N=34) sowie der Chemischen Fabrik (N=13) zusammen. Die äußere<br />

Belastung (personengetragen) wurde mittels Gaschromatographie (GC) und<br />

hochauflösender Massenspektrometrie (HRMS) erfasst, während die innere Dosis im<br />

Urin (Biological Monitoring) über GC und Tandem-Massenspektrometrie gemessen<br />

wurde.<br />

Die in der Luft gemessenen Konzentrationen lagen unterhalb von 10 ng/m 3 und somit<br />

deutlich unterhalb von Konzentrationen, wie sie in älteren Kokereien vereinzelt<br />

gemessen wurden (2). Die ermittelten inneren Belastungen lagen im Bereich der<br />

Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung (3). Ein Unterschied zwischen Vor- und<br />

Nachschichtproben bestand ebenso wenig wie zwischen Beschäftigten an ofennahen<br />

und ofenfernen Arbeitsplätzen. Die innere Belastung war durch das individuelle<br />

Rauchverhalten bestimmt, wie am Beispiel der engen Korrelation des 4ADP mit dem<br />

Tabakrauchparameter 3OHC in Abb. 1 illustriert. Es bestanden signifikante Unterschiede<br />

(p


V26<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Belastungen der Beschäftigten dieser<br />

modernen Kokerei gegenüber den untersuchten AA im Wesentlichen vom individuellen<br />

Rauchverhalten beeinflusst sind. Eine zusätzliche, arbeitsplatzbedingte Belastung war<br />

nicht ersichtlich. Dies zeigt sich beispielhaft für o-Toluidin anhand von Abb. 3.<br />

ng/L Urin<br />

600<br />

550<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

NH 2<br />

H 2 N<br />

NH 2<br />

C NH 2<br />

NH 2<br />

o-T<br />

NR<br />

H 3<br />

o-T<br />

Raucher<br />

2-NA<br />

NR<br />

21 Nichtraucher<br />

26 Raucher<br />

2-NA 4-ABP<br />

Raucher NR<br />

4-ABP<br />

Raucher<br />

Benzidin Benzidin<br />

NR Raucher<br />

Abb. 1: Messergebnisse des Biomonitorings aromatischer Amine im Urin: Vergleich Nichtraucher /<br />

Raucher<br />

4-Aminodiphenyl im Urin [ng/L]<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

y = 0,006x + 5,0578<br />

r= 0,83<br />

0,0<br />

0,0 2000 4000 6000 8000 10000 12000<br />

3OH-Cotinin im Urin [µg/L]<br />

Abb. 2: Einfluss des Tabakrauchens auf die innere Belastung: Assoziation zwischen 4-<br />

Aminobiphenyl im Urin und dem Nikotinmetaboliten 3-Hydroxycotinin im Urin<br />

163


V26<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

o-Toluidin im Urin [ng/L]<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Nichtraucher<br />

Allgemein-<br />

Bevölkerung<br />

N=145<br />

(Weiß 2005)<br />

Raucher<br />

Allgemein-<br />

Bevölkerung<br />

N=45<br />

(Weiß 2005)<br />

Nichtraucher<br />

Kokerei<br />

N=21<br />

Raucher<br />

Kokerei<br />

N=26<br />

Abb. 3: Vergleich der Messwerte der inneren Belastung zwischen Kokereibeschäftigten und der<br />

Allgemeinbevölkerung (3) am Beispiel des o-Toluidins (differenziert nach Nichtrauchern und<br />

Rauchern)<br />

Literatur:<br />

1) Blome H, Lichtenstein N, Kredel P, Goergens U: 2-Naphthylamin. Gefahrstoffe<br />

Reinhaltung der Luft 59 Nr. 11/12, 445-446 (1999)<br />

2) Grimmer G, Naujack KW, Dettbarn G: Beitrag zur Ursachenforschung exogen<br />

bedingter Blasenkarzinome – Profilanalyse aromatischer Amine am Arbeitsplatz.<br />

Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bonn (1987)<br />

3) Weiss T: Entwicklung & Anwendung analytischer Methoden zum Biologischen<br />

Monitoring & Biochemischen Effektmonitoring von aromatischen Aminen im<br />

Rahmen arbeits- & umweltmedizinischer Fragestellungen. Erlangen (2005).<br />

http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=977680002<br />

164


V27<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-<br />

Arbeitsplätzen<br />

Rudolf Schierl, Antje Böhlandt, Dennis Nowak<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Einleitung<br />

Zytostatika werden in großen Mengen verabreicht, sind aber häufig als CMR-Arzneimittel<br />

eingestuft. Da es bisher keine Grenzwerte für ein Umgebungsmonitoring gibt, ist eine<br />

adäquate Gefährdungsbeurteilung in den zubereitenden Apotheken schwierig.<br />

Wischproben eignen sich optimal zur Aufdeckung von Flächenkontaminationen und<br />

wurden bereits in mehreren Studien erfolgreich eingesetzt (Turci et al. 2003, Hedmer et<br />

al. 2005, Mason et al. 2005, Brouwers et al. 2007).<br />

Ziel unserer Studie war es, auf der Grundlage einer seit dem Jahr 2000 angelegten<br />

Datenbasis, Kontaminationslevel mit den Zytostatika Platin (PT, als Marker für Cis-,<br />

Carbo- und Oxaliplatin) und 5-Fluorouracil (FU) in deutschen Krankenhausapotheken<br />

und öffentlichen Apotheken zusammenzufassen und auf deren Basis Empfehlungswerte<br />

für optimale Arbeitspraktiken abzuleiten.<br />

Methodik<br />

Im Jahr 2000 haben wir ein Wischprobenverfahren entwickelt und validiert (Schmaus<br />

2002, Funck 2004), mit dem inzwischen 1237 Proben auf Kontaminationen von 5-<br />

Fluorouracil (FU) sowie 1008 auf Platin (PT als Marker für Cis-, Cabo-, Oxaliplatin)<br />

untersucht wurden. Die Proben stammen von 64 Krankenhausapotheken und 38<br />

öffentlichen Apotheken aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Proben wurden nach<br />

exakter Anleitung vom Personal vor Ort genommen und über Nacht im Kühlpaket in<br />

unser Labor gesandt. Dort wurde FU nach Extraktion mittels GCMS (NWG 0,7 pg/cm²)<br />

und Platin durch Voltammetrie (NWG 0,2 pg/cm²) analysiert.<br />

Ergebnis<br />

Je nach Probenahmeort lagen 97-100 % der PT-Proben sowie 69-85 % der Fluorouracil-<br />

Proben über der Nachweisgrenze, wobei die Maximalwerte 23.100 pg/cm² für PT (vgl<br />

Tab. 1) und 253.000 pg/cm² für FU (vgl. Tab. 2) betrugen. Die mittleren Mediane aller<br />

Wischorte lagen bei 0,6 pg/cm² für Platin bzw. 5,0 pg/cm² bei FU und die 75. Perzentile<br />

bei 4,0 pg/cm² (PT) bzw. 30.0 pg/cm² (FU). Es zeigte sich, dass die Höhe der<br />

Kontaminationen unabhängig von der zubereiteten Menge und offensichtlich im<br />

Wesentlichen durch die jeweiligen Arbeitsweisen verursacht war. Deshalb können,<br />

unabhängig von der Anzahl der Zubereitungen, durch optimierte Arbeitsweisen<br />

vorhandene Kontaminationen reduziert werden.<br />

165


V27<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Tabelle 1: Wischprobenergebnisse für Platin (PT)<br />

PT (pg/cm²)<br />

Probenahmestelle n Median 75.Perz Max<br />

Boden direkt vor LAF 132 0,43 1,50 950<br />

Boden, sonstige Flächen 123 0,33 0,88 170<br />

Lager (Regale und Schübe) 145 0,80 4,30 23100<br />

Ablage Vorbereitung 154 0,36 1,60 216<br />

Arbeitsfläche im LAF 96 1,70 8,70 5500<br />

Ablage Nachbereitung 113 0,50 1,80 34<br />

Abfallbehälter 55 0,94 17,00 2700<br />

Transportbehälter 66 0,25 1,10 27<br />

Materialschleuse 49 0,23 1,70 152<br />

Sonstige Flächen (Türklinken, Telefon, Tastatur) 75 0,20 0,43 16<br />

Tabelle 2: Wischprobenergebnisse für 5-Fluorouracil (FU)<br />

FU (pg/cm²)<br />

Probenahmestelle n Median 75.Perz Max<br />

Boden direkt vor LAF 162 5,1 20 1300<br />

Boden, sonstige Flächen 136 4,9 17 2160<br />

Lager (Regale und Schübe) 126 8,3 80 72000<br />

Ablage Vorbereitung 200 4,5 13 19300<br />

Arbeitsfläche im LAF 123 10,0 78 20600<br />

Ablage Nachbereitung 177 2,5 10 5500<br />

Abfallbehälter 58 3,9 15 1680<br />

Transportbehälter 82 5,0 19 3800<br />

Materialschleuse 55 6,3 23 253000<br />

Sonstige Flächen (Türklinken, Telefon, Tastatur) 118 2,9 16 1570<br />

Um diese Ergebnisse für die Praxis zu verwenden, schlagen wir die Einführung eines<br />

„Ampelsystems“ für PT und FU vor, bei dem die mittleren Mediane aller Wischorte den<br />

„grünen“ Bereich und die mittleren 75. Perzentile den „roten“ Bereich abgrenzen; Werte<br />

dazwischen sind demzufolge „gelb“ markiert. Durch dieses anschauliche System können<br />

die Apotheken ihre Messergebnisse nicht nur intern beurteilen, sondern sehen, wie sie<br />

im Vergleich zu allen anderen Apotheken liegen („Benchmarking“).<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Einführung dieser Empfehlungswerte<br />

eine objektive Beurteilung von Kontaminationen ermöglicht und somit die<br />

vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung erleichtert. Zudem können durch wiederholte<br />

Messungen Verbesserungen in der Arbeitsweise dokumentiert werden. Inwieweit dieses<br />

System auch auf den Patientenbereich (Station, Tagesklinik etc.) übertragbar ist, muss<br />

noch überprüft werden.<br />

166


V27<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Dank<br />

Wir danken allen Teilnehmern der Studie für die gute Kooperation sowie Frau Fischer,<br />

Frau Dietrich-Gümperlein, Herrn Gröbmair und Herrn Pfaller für die sorgfältige Analytik.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Brouwers EEM, Huitema AD, Bakker EN, Douma JW, Schimmel KJM, van Weringh G, et<br />

al. Monitoring of platinum surface contamination in seven Dutch hospital<br />

pharmacies using inductively coupled plasma mass spectrometry. Int Arch Occup<br />

Environ Health 80 (2007): 689-699.<br />

Funck S, Schierl R. Sicherheit bei der Zytostatikaherstellung. Deutsche Apotheker<br />

Zeitung;144 (2004): 55-60.<br />

Hedmer M, Georgiadi A, Bremberg ER, Jonsson BA, Eksborg S. Surface contamination<br />

of cyclophosphamide packaging and surface contamination with antineoplastic<br />

drugs in a hospital pharmacy in Sweden. Ann Occup Hyg;49 (2005): 629-637.<br />

Mason HJ, Blair S, Sams C, Jones K, Garfitt SJ, Cuschieri MJ, et al. Exposure to<br />

antineoplastic drugs in two UK hospital pharmacy units. Ann Occup<br />

Hyg;49(2005):603-610.<br />

Schmaus G, Schierl R, Funck S. Monitoring surface contamination by antineoplastic<br />

drugs using gas chromatography-mass spectrometry and voltammetry. Am J<br />

Health Syst Pharm;59 (2002):956-961<br />

Turci R, Sottani C, Spagnoli G, Minoia C. Biological and environmental monitoring of<br />

hospital personnel exposed to antineoplastic agents: a review of analytical<br />

methods. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci;789 (2003):169-209.<br />

.<br />

167


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Untersuchungen zur Freisetzung von Ethylenoxid aus<br />

gassterilisierten neurochirurgischen Implantaten<br />

Wolfgang Rosenberger 1 , Götz Graubner 2 , Renate Wrbitzky 1 , Michael Bader 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />

2<br />

Abteilung Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover<br />

Einleitung<br />

Neurochirurgische Implantate werden u. a. aus Metall (z. B. Titan), Keramik (z. B.<br />

Hydroxyl-apatit) und Polymeren (so genannten Knochenzementen) als individuell<br />

angepasste Produkte seit Jahrzehnten hergestellt. An der Medizinischen Hochschule<br />

Hannover (MHH) ist der Einsatz von Polymethylmethacrylat (PMMA) als<br />

Implantatmaterial für Schädelersatz-plastiken in der Rekonstruktionschirurgie seit 1991<br />

fest etabliert. Neben der Möglichkeit, derartige Produkte unmittelbar während der<br />

Operation herzustellen, was insbesondere in Notfallsituationen angezeigt ist, werden die<br />

Implantate üblicherweise vor dem eigentlichen Eingriff auf der Basis eines Modells<br />

gefertigt. Grundlage hierfür sind computertomo-graphische Aufnahmen der relevanten<br />

Areale des Patienten sowie die anschließende Herstellung einer Abdruckform, die zur<br />

Modellierung des Implantates dient. Diese Vorgehensweise reduziert die<br />

Operationsdauer z. T. erheblich [1], allerdings muss das End-produkt vor der Operation<br />

sterilisiert werden. Da Produkte aus PMMA thermisch nicht behandelt werden können,<br />

kommen nur Niedertemperatursterilisationsverfahren in Frage. Eine hohe Sicherheit im<br />

Sinne der Vermeidung mikrobieller Belastungen bietet hier der Einsatz von Ethylenoxid<br />

(EO) als Sterilisationsmittel. Das PMMA resorbiert, wie auch andere Kunststoffe, das<br />

eingebrachte EO sehr gut. Bei der Lagerung unter typischen Raumluft-bedingungen<br />

kann es zu langen EO-Desorptionsphasen kommen. Aus Gründen der<br />

Patientensicherheit ist es im Rahmen der Prozessvalidierung erforderlich, die<br />

Restmengen an Ethylenoxid (EO) und Folgeprodukten (Ethylenglykol und 2-<br />

Chlorethanol) quantitativ zu bestimmen und gemäß den Forderungen der DIN EN ISO<br />

10993-7 [2] zu bewerten. Da es sich bei den hier beschriebenen<br />

Schädelknochenersatzplastiken jeweils um aufwändig hergestellte Einzelstücke handelt,<br />

ist die Entnahme repräsentativer Proben nicht möglich.<br />

Ethylenoxid<br />

Ethylenoxid (EO, 1,2-Epoxyethan, CAS-Nummer: 75-21-8) ist ein farbloses,<br />

hochentzünd-liches Gas (bp: 10,45 °C bei 1013 hPa) mit süßlichem Geruch. Das Epoxid<br />

ist ein wichtiges Zwischenprodukt bei der Herstellung von Ethylenglykol und anderen<br />

Chemikalien. Ethylenoxid wird u. a. als Desinfektionsmittel für medizinische Geräte<br />

168


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

verwendet [3]. EO ist eine krebserzeugende Substanz. Ein rechtsverbindlicher<br />

Grenzwert für diesen Stoff in der Luft am Arbeitsplatz liegt in der Bundesrepublik<br />

gegenwärtig nicht vor [4]. In der MAK- und BAT-Wert-Liste der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) ist EO als krebserzeugender Gefahrstoff der Kategorie 2<br />

sowie als Keimzellmutagen der Kategorie 2 eingestuft und als hautresorptiv „H“ markiert<br />

[5]. Da EO als alkylierende Substanz u. a. an Hämoglobin anbindet, ist das<br />

Hydroxyethylvalin (HEV) ein Untersuchungsparameter für das Biomonitoring. Im Rahmen<br />

einer Pilotstudie im Klinikum Augsburg konnte durch Untersuchungen an 30 Personen<br />

gezeigt werden, dass bei den dort vorliegenden Arbeitsbedingungen keine zusätzliche<br />

Aufnahme von EO beim Umgang mit EO-sterilisierten Produkten vorlag [6].<br />

Grenzwerte in Medizinprodukten<br />

Eine durch Implantate hervorgerufene Exposition gegenüber EO, ECH und Ethylenglykol<br />

ist unerwünscht und nach Möglichkeit zu vermeiden. Als Bewertungsmaßstab dienen die<br />

in der DIN EN ISO 10993-7 festgelegten Grenzwerte für EO-sterilisierte Materialien.<br />

Dabei wird insbesondere die Anwendungsdauer eines Produkts am Patienten<br />

berücksichtigt. Bei implantierten Schädelknochenersatzplastiken ist i. d. R. von<br />

Produktgruppe „c“ auszugehen. Hierbei handelt es sich um Produkte mit Dauerkontakt,<br />

deren einmalige, mehrfache oder Langzeitanwendung mehr als 30 Tage dauert. Die an<br />

den Patienten abgegebene durchschnittliche Tagesdosis an EO darf 0,1 mg/d nicht<br />

überschreiten. Außerdem darf die maximale EO-Dosis nicht überschreiten: 4 mg in den<br />

ersten 24 h, 60 mg in den ersten 30 d und 2,5 g auf Lebenszeit. Neben einer denkbaren<br />

EO-Emission besteht die Möglichkeit, dass auch 2-Chlorethanol und Ethylenglykol<br />

freigesetzt werden. Weiterhin werden flächen-bezogene Grenzwerte genannt: Das<br />

Produkt darf bei den Mengen an EO und ECH, die für das Produkt bei der Freigabe<br />

zulässig sind, keine Reizungen hervorrufen. Das bedeutet, dass die tolerierbare<br />

Kontaktdosis (TCL) für EO und ECH 10 µg/cm² bzw. 5 mg/cm² nicht überschreiten darf.<br />

Ziele der Arbeit<br />

Im Rahmen einer experimentellen Untersuchung sollte das Desorptionsverhalten von<br />

Ethylenoxid anhand von implantatähnlichen Prüfkörpern charakterisiert werden. Auf der<br />

Basis der Untersuchungsergebnisse sollten Maßnahmenempfehlungen für die praktische<br />

Durchführung der Gassterilisation von PMMA-Produkten vor dem Hintergrund des<br />

Medizinproduktegesetzes (MPG) abgeleitet werden. Dazu wurden geeignete Prüfkörper<br />

hergestellt, einer Gassterilisation unterzogen und anschließend in einem Wärmeschrank<br />

gelagert. Der Restgehalt des Ethylenoxids wurde nach erschöpfender Extraktion mittels<br />

Gaschromatographie-Massenspektrometrie quantitativ bestimmt.<br />

169


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Methoden<br />

Herstellung geeigneter Prüfkörper<br />

Die Untersuchung des Rest-Ethylenoxidgehalts in Prüfkörpern [7] soll das Emissionsverhalten<br />

„echter“ Implantate widerspiegeln, um den Anforderungen der DIN EN ISO 10993-<br />

7 gerecht zu werden. Das bedeutet, dass die Materialeigenschaften identisch sein<br />

müssen. Hinsichtlich der Rohstoffe des Knochenzements sind diese Bedingungen<br />

gegeben. Das Anmischen des Zweikomponentensystems erfolgt immer in denselben<br />

Mengenverhältnissen, so dass die Zusammensetzung, folglich auch die<br />

Materialeigenschaften als weitestgehend konstant anzusehen sind. Die Abmessungen<br />

der Prüfkörper orientieren sich einerseits an der analytischen Handhabbarkeit<br />

(Prüfkörper 1), andererseits sollte die Geometrie typischer Implantate (Prüfkörper 2)<br />

berücksichtigt werden. Diese Kriterien erfüllen die in Abbildung 1 dargestellten<br />

Prüfkörper aus PMMA. Die Zylinder wurden im Gießverfahren aus Palacos ® LV und die<br />

Scheiben aus Refobacin ® R+G durch Ausstechen aus gepresstem Knochenzement<br />

gewonnen. Auf diese Weise lassen sich beliebig viele Prüfkörper anfertigen, die<br />

zerstörungs-frei analysiert werden können.<br />

Abb. 1: Prüfkörper<br />

Gassterilisation<br />

Prüfkörper 1: Zylinder,<br />

gegossen aus Palacos ® LV<br />

Prüfkörper 2: Scheiben,<br />

gepresst aus Refobacin ® R+G<br />

d = 9,6 mm<br />

l = 44 mm<br />

d = 68 mm<br />

h = 8,2 mm<br />

Volumen = 3,2 cm³<br />

Volumen = 30 cm³<br />

Oberfläche = 15 cm²<br />

Oberfläche = 90 cm²<br />

V/A = 0,21<br />

V/A = 0,33<br />

Die Prüfkörper werden zunächst in gegenüber EO diffusionsoffenen Umverpackungen<br />

(Kunststoff/Papierbeutel) doppelt eingeschweißt. Es folgt eine<br />

Niedertemperatursterilisation bei ca. 40 °C und anfänglich ca. 1,7 bar über einen<br />

Zeitraum von insgesamt ca. 10,5 Stunden. Die in diesem Programm integrierte<br />

Desorptionsphase umfasst ca. 6 Stunden. Die Begasung erfolgt unter Beachtung der<br />

gerätespezifischen Technischen Regelungen der EO-Anlage sowie unter Einhaltung<br />

170


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

sicherheitstechnischer Regelungen in der Zentralsterilisation der MHH [8]. Das<br />

Sterilisationsgas (6 % Ethylenoxid in 94 % Kohlendioxid) wird aus einer zentralen<br />

Gasversorgung über zwei Vorverdampfer in die Sterilisationskammern eingeleitet. Im<br />

Anschluss an die geräteinterne Desorptionsphase werden die sterilen Implantate in<br />

einem speziell zur Ausgasung von Ethylenoxid hergerichteten Wärmeschrank bei einer<br />

Temperatur von 40 °C ± 2 °C und einem Luftwechsel von 80 h -1 gelagert. Diese<br />

Vorgehensweise soll ein beschleunigtes Ausgasen von möglicherweise vorhandenem<br />

Rest-EO bewirken. Die Behandlung von Implantaten erfolgt unter identischen<br />

Bedingungen. Innerhalb der Untersuchungsserien wurden nach dem Öffnen des<br />

Sterilisationsgerätes Prüfkörper beider Typen direkt zur Untersuchung auf den Gehalt an<br />

Ethylenoxid entnommen und wie nachfolgend beschrieben analysiert. Die hierbei<br />

ermittelten Konzentrationen an EO dienen als Basiswert für die sich aus der<br />

Wärmeschranklagerung ergebende Desorptions-charakteristik. Die restlichen Prüfkörper<br />

wurden zeitgleich in den Wärmeschrank gelegt. In äquidistanten Schritten von 24 h<br />

wurden je zwei Muster entnommen und analysiert.<br />

Analytische Bestimmung<br />

Die Prüfkörper werden direkt in ein Probengefäß eingewogen, mit 15 mL (Prüfkörper 1)<br />

bzw. 100 mL (Prüfkörper 2) Lösungsmittel überschichtet und verschlossen. Im<br />

vorliegenden Fall wurde tert.-Butylmethylether (MTBE) eingesetzt. In Vorversuchen<br />

zeigte sich, dass das Implantatmaterial aus PMMA gegenüber diesem Lösungsmittel<br />

inert ist. Die Extraktion er-folgte durch wiederholtes 24-stündiges Ausschütteln auf einem<br />

Laborschüttler mit 120 min -1 bei Raumtemperatur (t = 21 °C ± 2 °C). Gemäß der<br />

zugrunde liegenden Norm gilt ein Prüfkörper als erschöpfend extrahiert, wenn der letzte<br />

Extraktionsschritt weniger als 10 % der EO-Menge des ersten Schrittes aufweist oder der<br />

Bereich der Bestimmungsgrenze des Verfahrens erreicht ist. Zur Kalibrierung wurden<br />

aus einer zertifizierten Ethylenoxid-Lösung (50 mg/ml in Methanol, Fa. Supelco,<br />

Bellefonte, USA) durch Verdünnung mit MTBE (p. A., Fa. Merck, Darmstadt)<br />

Kalibrierstandards von 0,1 bis 100 µg/mL hergestellt. Die Ethylenglykol- und 2-<br />

Chlorethanol-Standards wurden entsprechend durch Verdünnen von Originalsubstanzen<br />

(p. A., Fa. Merck, Darmstadt) hergestellt. Die Kalibrierungen erfolgten arbeitstäglich mit<br />

jeder Probenserie. Hierzu wurde je 1 µL Messlösung mit einem Split-verhältnis von 1:10<br />

in einen programmierbaren Injektor (PTV, KAS 4, Fa. Gerstel) injiziert (100 °C bis 250<br />

°C). Die Trennsäule (60 m DB-624, innerer Durchmesser: 0,32 mm, Filmdicke: 1,8 µm,<br />

J&W Scientific) wurde von 33 °C auf 250 °C in einem Gaschromato-graphen (Agilent<br />

6890A) aufgeheizt. Die Detektion erfolgte per Massenspektrometer (Agilent 5973) im<br />

171


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

SIM-Modus, wobei für EO 44 m/z und für 2-Chlorethanol und Ethylenglykol 31 m/z mit<br />

einer Messzeit pro Ion von 50 ms gewählt wurden.<br />

Ergebnisse<br />

Die hier beschriebene GC-MS-Methode ermöglicht eine sensitive und selektive Analyse<br />

der Zielsubstanzen. Die analytische Nachweisgrenze für Ethylenoxid beträgt 0,13 mg/mL<br />

Messlösung bzw. 0,05 mg/100 g Prüfkörper, die Bestimmungsgrenze nach DIN 32 645<br />

beträgt 0,44 mg/mL bzw. 0,15 mg/100 g. Damit kann die Einhaltung des Grenzwertes<br />

von 4 mg EO für diese Produktgruppe mit ausreichender Empfindlichkeit überprüft<br />

werden. Die Präzision in der Serie wurde durch die Untersuchung von 10 sterilisierten<br />

Prüfkörpern ermittelt (Mittelwert: 6,28 mg/100 g ± 0,83 mg/100 g, relative<br />

Standardabweichung 13,2 %). Die Wiederfindung nach Dotierung unsteriler Prüfkörper<br />

liegt bei 95 – 110 %. Weiterhin wurde die Anzahl der erforderlichen Extraktionsschritte an<br />

10 Prüfkörpern ermittelt. Nach fünf Extraktionen wurden ca. 4 % des Ausgangswertes<br />

gemessen. Im sechsten Extraktionsschritt wurde die Bestimmungsgrenze des<br />

Verfahrens erreicht. Zur Untersuchung des Restethylen-oxidgehaltes wurde jeder<br />

Prüfkörper somit fünf Extraktionszyklen unterzogen, deren Mess-ergebnisse aufsummiert<br />

wurden. Direkt nach Sterilisationsende entnommene Prüfkörper wiesen Belastungen<br />

oberhalb des in der DIN EN ISO 10993-7 genannten Grenzwertes von 4 mg auf. Auch<br />

der flächenbezogene Grenzwert von 10 µg/cm² wurde bei diesen Proben überschritten<br />

(16 bis 34 µg/cm²). In der Abbildung 2 ist die massenabhängige Desorption des<br />

Ethylenoxids aus den Prüfkörpern dargestellt. Das flächenbezogene<br />

Desorptionsverhalten der Prüfkörper ist nahezu identisch. Bereits zwei Tage nach der<br />

Lagerung im Wärmeschrank werden die Grenzwerte unterschritten. Am vierten Tag<br />

beträgt der EO-Gehalt bereits < 10 % der zulässigen Grenzwerte. 2-Chlorethanol und<br />

Ethylenglykol wurden nur in Spuren nachge-wiesen. Die entsprechenden Grenzwerte<br />

wurden damit jederzeit sicher eingehalten.<br />

172


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

12<br />

10<br />

8<br />

10,1<br />

7,73<br />

Scheiben, einfach verpackt<br />

Scheiben, doppelt verpackt<br />

Zylinder, einfach verpackt<br />

6<br />

6,28<br />

4<br />

2<br />

0<br />

3,51<br />

2,99<br />

2,28<br />

2,16 2,10<br />

1,34 1,21<br />

0,85 0,87<br />

0,32 0,43<br />

0,22 0,43<br />

0,16 0,09 0,13 0,24 0,22 0,10 0,11 0,02 0,04 0,10<br />

0,11<br />

0,06 0,05<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Tage<br />

Abb. 2:<br />

Desorption nach Lagerung im Wärmeschrank (mg EO/100 g Implantat)<br />

Zusammenfassung<br />

Durch die Untersuchung von speziell hergestellten Prüfkörpern anhand einer hierfür<br />

entwickelten Analysenmethode wurde der Gehalt an Ethylenoxid in Knochenzement aus<br />

PMMA bestimmt. Unmittelbar nach einer EO-Sterilisation können Produkte aus PMMA<br />

über den zulässigen Grenzwerten für Medizinprodukte mit Ethylenoxid belastet sein. Auf<br />

der Basis der Untersuchung des Desorptionsverhaltens ist eine Lagerung von<br />

Schädelknochenersatz-plastiken aus PMMA über einen Zeitraum von mindestens vier<br />

Tagen unter den gewählten Bedingungen in einem Wärmeschrank zu empfehlen. Eine<br />

unzulässige Exposition von Patienten gegenüber dem Gefahrstoff Ethylenoxid kann bei<br />

Einhaltung dieser Empfehlung praktisch ausgeschlossen werden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] Jatzwauk L, Schültke E, Hecht R, Hampel JA (1999) Untersuchungen zur Herstellung<br />

und Sterilisation von Schädelknochenersatzplastiken im Krankenhaus. Hyg Med 24:<br />

304-308<br />

[2] DIN EN ISO 10993-7 [Entwurf] November 2006, Biologische Beurteilung von<br />

Medizinprodukten – Teil 7: Ethylenoxid-Sterilisationsrückstände, Beuth-Verlag, Berlin<br />

[3] GESTIS (Gefahrstoffinformationssystem), Berufsgenossenschaftliches Institut für<br />

Arbeitsschutz, www. dguv.de/bgia/de/gestis/stoffdb/index.jsp, Stand: März 2008<br />

[4] Gefahrstoffe 2007, Universum Verlag, Wiesbaden<br />

[5] DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) (2008) MAK- und BAT-Werte-Liste 2008,<br />

Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, Mitteilung 44;<br />

Wiley-VCH, Weinheim<br />

[4] Hardt J, Schrömer ML, Angerer J (2006) Untersuchung zur Exposition bei der<br />

Verwendung Ethylenoxid-sterilisierter Medizinprodukte im Krankenhaus. Arbeitsmed<br />

Sozialmed Umweltmed 41: 244-247<br />

[7) Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (2001)<br />

Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim<br />

173


V28<br />

Vorträge – Gefahrstoffe / Biomonitoring II<br />

Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und<br />

Medizinprodukte<br />

(BfArM), Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 44: 1115-<br />

1126<br />

[8] Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 513 (2008) Begasungen mit Ethylenoxid<br />

und Formaldehyd in Sterilisations- und Desinfektionsanlagen. www.baua.de<br />

174


V29<br />

Vorträge – Malignome<br />

Männliche Keimzelltumoren in der Metallindustrie - erste<br />

Ergebnisse einer eingebetteten Fall-Kontrollstudie<br />

Wolfgang Ahrens, Birte Mester, Nils Schmeisser, Ingo Langner, Thomas Behrens<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin,<br />

Bremen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

175


V30<br />

Vorträge – Malignome<br />

Krebsinzidenz von beruflich gegenüber Dinitrotoluol exponierten<br />

Arbeitern des Mansfelder Kupferschieferbergbaus<br />

Volker Harth 1 , Andreas Seidler 2 , Dirk Taeger 1 , Matthias Möhner 2 , Annekatrin Bergmann 3 ,<br />

Johannes Haerting 3 , Kurt Straif 4 , Hermann M. Bolt 5 , Thomas Brüning 1<br />

1<br />

BGFA-Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />

3<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik<br />

4<br />

International Agency for Research on Cancer, World Health Organization, Lyon<br />

5<br />

Institut für Arbeitsphysiologie an der Technischen Universität Dortmund (IfADo)<br />

Technisch hergestelltes Dinitrotoluol (DNT) - ein inhalativ und dermal resorbierbares<br />

Gemisch insbesondere von 2,4- und 2,6-DNT-Isomeren - wird als energetischer<br />

Weichmacher in Sprengstoffen, als Inhaltsstoff von Treib- und Farbstoffen und<br />

Polyurethan-Schäumen (Toluol-Diisocyanaten) und als Intermediat bei der Nitrierung von<br />

o- und p-Nitrotoluolen zu Trinitrotoluol (TNT) verwendet.<br />

Im Jahre 1985 stufte die MAK-Kommission DNT auf der Basis von Langzeit-<br />

Tierversuchen und Mutagenitätsstudien in die Kanzerogenitätsklasse A2 ein (DFG 1985).<br />

Bei Menschen wurden darüber hinaus hämato- und hepatotoxische Effekte beobachtet.<br />

Auf der Basis von zwei Kohortenstudien ergaben sich jedoch keine einheitlichen<br />

Ergebnisse bezüglich der Humankanzerogenität von DNT (Levine et al. 1986, Stayner et<br />

al. 1993). Das Ziel dieser Studie ist es daher, das Krebsrisiko von ehemals DNT-<br />

Exponierten des Kupferschieferbergbaus in Mansfeld zu untersuchen.<br />

Die historische Kohortenstudie umfasst untertägig tätige männliche Arbeiter, die in den<br />

Jahren 1920 bis 1974 geboren wurden (n=16.441). Im Rahmen des case-cohort-Designs<br />

wurde eine Subkohorte als Zufallsstichprobe aus der Gesamtkohorte gezogen (n=999<br />

nach Ausschluss einer Frau). Für diese Subkohorte wurden die berufliche Tätigkeit und<br />

der Arbeitsort für jede Arbeitsphase im Mansfelder Kupferschieferbergbau erhoben.<br />

Anschließend konnte der Vitalstatus für 88% der Subkohortenmitglieder mittels Abfrage<br />

an die Einwohnermeldeämter und die Bundesknappschaft ermittelt werden. Das Follow-<br />

Up begann am 1. Januar 1961 und endete mit dem 31. Dezember 2005 bzw. dem<br />

Todestag des Kohortenmitgliedes. Personen, die den Kupferschieferbergbau vor dem 1.<br />

Januar 1961 verließen (n=139) oder verstarben (n=1), wurden von der Auswertung<br />

ausgeschlossen. Personen mit einem unbekannten Vitalstatus wurden ausgeschlossen.<br />

Dahingegen wurden Personen mit einem unbekannten Datum der Tätigkeitsaufgabe im<br />

Kupferschiefer-bergbau, die aber zum Studienende als lebend bekannt waren (n=2), in<br />

der Studie belassen.<br />

Um die Personenjahre für die Gesamtkohorte zu berechnen, wurden die Personenjahre<br />

der Subkohorte auf die Gesamtkohorte hochgerechnet. Da 69% der Mitglieder der<br />

176


V30<br />

Vorträge – Malignome<br />

Subkohorte ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt hatten, wurden die erwarteten Fälle auf<br />

Grundlage der Krebsinzidenzen in Sachsen-Anhalt berechnet. Die beobachteten und<br />

erwarteten Fälle wurden in 5-Jahresgruppen (1961 bis 2005) und 5-Jahres-Altersklassen<br />

berechnet (15 bis 85 Jahre). Standardized incidence ratios (SIR) wurden für<br />

Krebserkrankungen (nach ICD-10) als Verhältnis zwischen der Anzahl der beobachteten<br />

und erwarteten Fälle berechnet. Die entsprechenden 95% Konfidenz-Intervalle (95 % KI)<br />

wurden nach der Methode von Suissa et al. (1998) berechnet, um zu berücksichtigen,<br />

dass die Personenjahre aus der Subkohorte hochrechnet wurden.<br />

Bei Vergleich der beobachteten Kohorte mit der Allgemeinbevölkerung von Sachsen-<br />

Anhalt zeigte sich das SIR aller Krebserkrankungen leicht erhöht (SIR=1,26; 95% KI<br />

1,14-1,38). Diese Erhöhung wurde hauptsächlich durch einen Anstieg an<br />

respiratorischen Malignomen verursacht (SIR=1,51; 95% KI 1,36-1,68). Es wurden keine<br />

statistisch signifikant erhöhten SIRs für maligne Nierenzell- oder Urothel-karzinome<br />

beobachtet (SIR= 1,24; 95% KI 0,98-1,57 bzw. SIR 1,12; 95% KI 0,88-1,44). Für<br />

Carcinomata in situ und Papillome der Harnblase zeigte sich jedoch ein erhöhtes SIR<br />

(1,28; 95% KI 1,03-1,59).<br />

Die SIR-Analyse der Arbeiter im Mansfelder Kupferschieferbergbau zeigte im Vergleich<br />

zur Allgemeinbevölkerung von Sachsen-Anhalt keine statistisch signifikant erhöhten<br />

Risiken für Nierenzell- oder Urotheltumoren. Die Aussagekraft dieser Analyse ist jedoch<br />

dahingegen limitiert, dass nur etwa 64% der Subkohorte inhalativ bzw. nur 8% der<br />

Subkohorte dermal gegenüber DNT exponiert war. Das Krebsregister der Neuen<br />

Bundesländer zeigte darüber hinaus in den frühen 1990er Jahren eine unvollständige<br />

Registrierung.<br />

Die Fall-Kohorten-Analyse, die auf einer Bewertung der DNT-Exposition durch einen<br />

Experten basiert und die die zusätzlich in einem klinischen Netzwerk von Pathologien<br />

erfassten Tumoren beinhaltet, soll daher Aufschluss über die potenzielle Kausalität<br />

(Dosis-Wirkungsbeziehung) von DNT auf die Entstehung von Nierenzell- und<br />

Urothelkarzinomen geben.<br />

Literatur<br />

Deutsche Forschungsgemeinschaft. Dinitrotoluole (alle Isomere in technischen<br />

Gemischen). In: Greim H, Henschler D (Hrsg): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe.<br />

Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Weinheim, VCH<br />

Verlagsgesellschaft Chemie, 1985.<br />

Levine RJ, Andjelkovich DA, Kersteter SL, Arp EW, Balogh SA, Blunden PB, Stanley JM:<br />

Heart disease in workers exposed to dinitrotoluene. J Occup Environ Med 1986, 28: 811-<br />

816.<br />

177


V30<br />

Vorträge – Malignome<br />

Stayner L, Dannenberg AL, Bloom T, Thun M: Excess hepatobiliary cancer mortality<br />

among munitions workers exposed to dinitrotoluene. J Occup Environ Med 1993, 35:<br />

291-296.<br />

Suissa S, Edwardes MD, Boivin JF. External comparisons from nested case-control<br />

designs. Epidemiology 1998,9:72-78.<br />

178


V31<br />

Vorträge – Malignome<br />

Korrektur einer potentiell verzerrten SMR: Industrieruß und<br />

Lungenkrebs<br />

Peter Morfeld 1,2 , Robert J. McCunney 3<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Universität zu Köln<br />

2<br />

Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt, Evonik Services GmbH, Essen<br />

3<br />

Massachusetts Institute of Technology, Department of Biological Engineering, Cambridge, USA<br />

Ziel der Studie Zur Bewertung des kanzerogenen Potentials einer beruflichen Exposition<br />

wird häufig auf die SMR (standardisierte Mortalitätsrate) abgehoben. Diese Größe<br />

vergleicht das Sterberisiko der beruflich exponierten Kohorte mit der Normalbevölkerung,<br />

wobei die Einflüsse von Alter, Geschlecht und Kalenderzeit durch Standardisierung<br />

kontrolliert werden. Weitere mögliche Confounder (Rauchen, andere Expositionen)<br />

bleiben aber unberücksichtigt. In einer Studie zu 1528 Arbeitern eines<br />

Industrierusswerkes wurde eine signifikant erhöhte Lungenkrebs-SMR von 2.18 (0.95-<br />

Konfidenzintervall: 1.61, 2.87) gefunden, aber kein Zusammenhang mit der kumulierten<br />

Exposition gegenüber Industrieruß. Eine in die Kohorte eingebettete Fall/Kontroll-Studie<br />

identifizierte Rauchen und Vorexpositionen gegenüber bekannten Karzinogenen als<br />

zusätzliche Risikofaktoren. Wie groß ist der Einfluss dieser potentiellen Confounder auf<br />

die SMR?<br />

Methoden Wir haben den Einfluss dieser zusätzlichen Größen auf die SMR durch sog.<br />

Bayes-Verfahren quantifiziert. Zur Berechnung werden Monte Carlo-Techniken<br />

eingesetzt. Als Statistikpaket haben wir R benutzt.<br />

Ergebnisse Für die korrigierte SMR ergab sich im Median 1.32 (zentraler 0.95-Bereich:<br />

0.7, 2.1) bzw. 1.00 (zentraler 0.95-Bereich: 0.2, 3.3). Das Ergebnis variiert mit der Art,<br />

wie vorgängige Expositionen gegenüber Karzinogenen bestimmt wurden.<br />

Schlussfolgerungen Quantitative Verfahren zur Ermittlung der Größe einer Verzerrung<br />

z.B. der SMR-Statistik sollten nach Möglichkeit in epidemiologischen Studien eingesetzt<br />

werden, um die allein narrative Diskussion von systematischen Fehlern zu ergänzen<br />

oder gar zu ersetzen. In diesem Fall (Industrieruß und Lungenkrebssterblichkeit) wurden<br />

das relative Risiko und seine Präzision durch die Angabe einer nicht zusätzlich<br />

adjustierten SMR deutlich überschätzt. Die Grenzen der Aussagekraft einer auffälligen,<br />

aber lediglich nach Alter, Geschlecht und Kalenderzeit adjustierten SMR sollten auch in<br />

Entscheidungsgremien angemessen berücksichtigt werden.<br />

179


V32<br />

Vorträge – Malignome<br />

Asbestexposition und maligne Lymphome: eine gepoolte<br />

Auswertung der deutschen und italienischen EPILYMPH-Studie<br />

Andreas Seidler 1 , Nikolaus Becker 2 , Alexandra Nieters 2 , Rolf Arhelger 3 , Birte Mester ,4,5 , K.<br />

Rossnagel 6 , Evelin Deeg 2 , Gine Elsner 4 , Massimo Melis 7 , Simonetta Sesler 7 , Guiseppe<br />

Avataneo 7 , Michele Meloni 7 , Pierluigi Cocco 7<br />

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />

2 Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg<br />

3 Universität Gießen, Institut für Arbeits- und Sozialmedizin<br />

4 Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Arbeitsmedizin, Frankfurt am Main<br />

5 Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen<br />

6 Berlin School for Public Health an der Charité, Berlin<br />

7 Universität Cagliari, Abteilung für Public Health, Sektion Arbeitsmedizin, Cagliari, Italien<br />

Ziel der Studie<br />

Pathophysiologische Überlegungen lassen eine Lymphomgenese durch<br />

Asbestexposition als biologisch plausibel erscheinen: Bekannt sind<br />

immunpathogene Effekte von Asbestfasern im Sinne einer immunologischen<br />

Dysbalance. Weiterhin werden Asbestfasern insbesondere durch<br />

Alveolarmakrophagen phagozytiert, es erfolgt ein lymphogener Abtransport mit<br />

Akkumulation der Fasern in Lymphknoten. Experimentell ließen sich Mutationen und<br />

chromosomale Aberrationen nachweisen. Den drei bisher durchgeführten Reviews<br />

zufolge lässt die bisherige Datenlage keinen Rückschluss auf eine Kausalbeziehung<br />

zwischen Asbestexposition und der Lymphomentstehung zu (Goodman et al. 1999,<br />

Weisenburger et al. 2002, Becker et al. 2001). In einer gepoolten Auswertung der in<br />

Deutschland und Italien nach dem gleichen Studienprotokoll durchgeführten<br />

multizentrischen Fallkontrollstudie „EPILYMPH“ wird daher der Zusammenhang<br />

zwischen Asbestexposition und malignen Lymphomen untersucht.<br />

Methoden<br />

Männliche und weibliche Patienten mit einem malignen Lymphom (n=1.034) im Alter<br />

zwischen 18 und 80 Jahren wurden in sieben Studienregionen in Deutschland<br />

(Ludwigshafen, Heidelberg, Würzburg, Hamburg, Bielefeld, München) und zwei<br />

Studienregionen in Italien (Cagliari, Nuoro-Provinz) gewonnen. Die<br />

Kontrollpersonen (n=1.173) wurden als Zufallsstichprobe der regionalen<br />

Einwohnermeldeämter gewonnen. In einem strukturierten Interview wurde die<br />

komplette Arbeitsanamnese erhoben. Zwei erfahrene Experten schätzten auf der<br />

Grundlage tätigkeitsbezogener Zusatzfragebögen für jede Berufsphase die<br />

Intensität und die Häufigkeit einer etwaigen Asbestexposition; aus diesen<br />

Expertenangaben wurde die kumulative Asbestexposition (Faserjahre) berechnet.<br />

180


V32<br />

Vorträge – Malignome<br />

Weiterhin wurde der Sicherheitsgrad der Einstufung angegeben. Als Effektschätzer<br />

für die Erkrankungsrisiken wurden mittels unkonditionaler logistischer<br />

Regressionsanalyse Odds Ratios mit 95%-Konfidenzintervallen berechnet,<br />

adjustiert für Alter, Geschlecht und Studienregion. Rauchen (Packungsjahre) und<br />

Alkoholkonsum stellten keine Confounder dar. Zusätzlich wurde eine Subanalyse<br />

einzelner Lymphom-Subentitäten durchgeführt.<br />

Ergebnisse<br />

Es konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der kumulativen<br />

Asbestexposition und dem Lymphomrisiko gefunden werden (siehe Tabelle 1); die<br />

Odds Ratio für Lymphome insgesamt lag bei Begrenzung auf Probanden mit<br />

wahrscheinlicher oder sicherer Lymphomexposition in der höchsten<br />

Expositionskategorie (>2,6 Faserjahre) bei 1,0 (95% CI 0,4-2,5). In der höchsten<br />

Expositionskategorie ergab sich bei niedriger Felderbelegung (n=3 Fälle, n=12<br />

Kontrollpersonen) ein signifikant erhöhtes Plasmozytom-Risiko (Odds Ratio=4,6;<br />

95%-Konfidenzintervall 1,2-18,0); für die übrigen Lymphom-Subentitäten ließ sich in<br />

der höchsten Expositionskategorie keine signifikante Risikoerhöhung aufzeigen.<br />

Diskussion und Schlussfolgerungen<br />

Als Stärken der Studie ist auf die Studiengröße, die Anwendung der WHO-<br />

Klassifikation und auf die Expertenabschätzung der kumulativen Dosis hinzuweisen.<br />

Die in der vorliegenden Studie ermittelten Faserkonzentrationen liegen - bei<br />

gleicher Asbestexposition - deutlich niedriger als die in Berufskrankheiten-Verfahren<br />

ermittelten Faserkonzentrationen, da die 50%-Perzentile und nicht die 90%-<br />

Perzentile der Verteilung zugrunde gelegt wurde. Einschränkend ist auf einen<br />

möglichen Selektions-Bias durch die relativ niedrige Teilnahmerate und auf eine<br />

mögliche nichtdifferenzielle Fehlklassifikation der Exposition hinzuweisen. Weiter ist<br />

die Aussagekraft (Power) der Studie durch das relativ geringe Erkrankungsalter der<br />

Lymphompatienten und die damit verbundene geringe Zahl jemals<br />

asbestexponierter Studienprobanden limitiert. In der Zusammenschau spricht<br />

unsere Studie gegen einen Zusammenhang zwischen einer Asbestexposition und<br />

der Diagnose eines malignen Lymphoms.<br />

181


V32<br />

Vorträge – Malignome<br />

Literatur<br />

Becker N, Berger J, Bolm-Audorff U. Asbestos exposure and malignant lymphomas – a<br />

review of the epidemiological literature. Int Arch Occup Environ Health 2001;74:459-69.<br />

Goodman M, Morgan RW, Ray R, Malloy CD, Zhao, K. Cancer in asbestos-exposed<br />

occupational cohorts: a meta-analysis. Cancer Causes Control 1999;10:453-465.<br />

Weisenburger DD, Chiu BC. Does asbestos exposure cause non-Hodgkin's lymphoma or<br />

related hematolymphoid cancers? A review of the epidemiologic literature. Clin<br />

Lymphoma 2002;3,1:36-40.<br />

Tabelle 1: Berufsbezogene kumulative Asbest-Exposition und maligne Lymphome<br />

Fälle Kontrollen Adj. OR a 95% CI<br />

N (%) N (%)<br />

Asbest [Faserjahre]<br />

0 Faserjahre 926 (89,6) 1.056 (90,0) 1,0 -<br />

>0-0,3 Faserjahre 56 (5,4) 63 (5,4) 1,0 0,7-1,4<br />

>0,3-2,6 Faserjahre 33 (3,2) 42 (3,6) 0,9 0,6-1,5<br />

>2,6 Faserjahre 12 (1,2) 12 (1,0) 1,3 0,6-2,9<br />

Asbest [Faserjahre], nur Probanden mit wahrscheinlicher oder sicherer Asbestexposition werden<br />

als exponiert angesehen<br />

0 Faserjahre 926 (89,6) 1.056 (90,0) 1,0 -<br />

>0-0,3 Faserjahre 55 (5,3) 61 (5,2) 1,0 0,7-1,4<br />

>0,3-2,6 Faserjahre 32 (3,1) 38 (3,2) 1,0 0,6-1,6<br />

>2,6 Faserjahre 8 (0,8) 11 (0,9) 1,0 0,4-2,5<br />

a adjustiert für Alter, Region und Geschlecht; berechnet mit unkonditionaler logistischer Regression<br />

182


V33<br />

Vorträge – Malignome<br />

Einfluss einer c-myc nahen Mutation auf das<br />

Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko<br />

Klaus Golka 1 , Matthias Hermes 1 , Silvia Selinski 1 , Meinolf Blaszkewicz 1 , Thilo Seidel 2 , Gerhard<br />

Roth 2 , Holger Dietrich 2 , Hans-Martin Prager 3 , Jan G. Hengstler 1<br />

1 Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

2 Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul Gerhardt Diakonie Krankenhaus und Pflege GmbH, Lutherstadt<br />

Wittenberg<br />

3 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Castrop-Rauxel<br />

Im Laufe der Jahre wurde eine Reihe von Enzympolymorphismen identifiziert, die jeweils<br />

mit einem erhöhten Risiko verbunden sind, an bestimmten bösartigen Tumoren zu<br />

erkranken (Hengstler et al. 1998). In dieser Hinsicht wurde das Harnblasenkarzinom<br />

besonders intensiv erforscht. Obwohl Polymorphismen mehrerer Enzyme, insbesondere<br />

die NAT2 (Vineis et al. 2001, Golka et al. 2002), mit dem Harnblasenkarzinom-<br />

Erkrankungsrisiko assoziiert sind, können die bislang beobachteten Polymorphismen<br />

dennoch nur einen kleinen Teil des Erkrankungsrisikos erklären. Da Harnblasentumore<br />

erwiesener Maßen durch Fremdstoffe ausgelöst werden können, die auch durch<br />

polymorphe Enzyme verstoffwechselt werden, stellt sich die Frage, welche anderen<br />

genetisch bedingten Faktoren möglicherweise ebenfalls das Erkrankungsrisiko für einen<br />

Harnblasentumor modulieren können. Kürzlich wurde unter Beteiligung der eigenen<br />

Arbeitsgruppe eine Arbeit publiziert, in der der Einfluss einer c-myc nahen Mutation<br />

(single nucleotide polymorphism, SNP) auf das Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko<br />

erstmals beschrieben wurde (Kiemeney et al. 2008). In der vorliegenden Studie war der<br />

Einfluss dieser Mutation sowohl bei unausgewählten Klinikpatienten mit<br />

Harnblasenkarzinom als auch bei Patienten mit einer angezeigten BK 1301 zu<br />

untersuchen.<br />

c-myc<br />

c-myc ist ein Transkriptionsfaktor. Das bedeutet, dass c-myc an sich keine eigenständige<br />

Wirkung hinsichtlich eines bestimmten Fremdstoffes hat. Vielmehr beeinflusst c-myc<br />

nach Expertenschätzungen die Expression von ca. 15% aller Gene. Darunter sind Gene,<br />

die an so wesentlichen zellulären Prozessen wie Zellteilung, Zellwachstum und Apoptose<br />

beteiligt sind (Gearhart et al. 2007). Zudem ist c-myc ein Protoonkogen. Das bedeutet,<br />

dass es nur in seiner mutierten Form als Onkogen wirksam ist.<br />

Über die Bedeutung dieser c-myc nahen Mutation rs9642880 ist bisher lediglich bekannt,<br />

dass sie nur 30 kb upstream des Protoonkogens c-myc liegt, 20 % der Mitteleuropäer<br />

bezüglich dieser Mutation homozygot sind, keine Wechselwirkung mit dem<br />

Rauchverhalten bei Harnblasenkarzinompatienten vorliegt und sie bei<br />

183


V33<br />

Vorträge – Malignome<br />

Krebserkrankungen von Prostata, Brust, Kolorektum und Lunge keine Bedeutung hat<br />

(Kiemeney et al. 2008).<br />

Untersuchte Kollektive und Methoden<br />

Von 212 Patienten mit Harnblasenkarzinom und 194 Patienten der gleichen Klinik ohne<br />

Malignom in der Anamnese, 216 Harnblasenkarzinompatienten mit angezeigter BK 1301<br />

sowie 699 Kontrollpersonen aus Nordrhein-Westfalen wurde die DNA mittels<br />

Standardmethoden isoliert und bei -20° gelagert. Die c-myc nahe Mutation rs9642880<br />

wurde mittels TaqMan ® -Technik bestimmt. Das Einverständnis der Patienten zur<br />

Untersuchung der Blutproben sowie die Zustimmung der Ethikkommission zur<br />

Sammlung der Proben lag vor.<br />

Ergebnisse<br />

Das Kollektiv von unausgesuchten Harnblasenkarzinompatienten aus der Lutherstadt<br />

Wittenberg wies einen geringen Anteil an Patienten mit Exposition gegen aromatische<br />

Amine (6 %) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (8 %) sowie einen<br />

doppelt so hohen Anteil mit Exposition gegen Azofarbstoffe (17 %) auf. Das<br />

Gutachtenpatientenkollektiv hingegen zeigte erwartungsgemäß einen hohen Anteil an<br />

Patienten mit Exposition gegen aromatische Amine (61 %) und/oder Azofarbstoffe (62 %)<br />

sowie einen deutlich geringeren Anteil an Patienten mit Exposition gegen polyzyklische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe (27 %).<br />

Die beobachtete Mutation wies in den 3 untersuchten Patientenkollektiven die folgende<br />

Häufigkeit auf: 56% in dem Harnblasenkarzinompatientenkollektiv der Klinik, 48% im<br />

Kollektiv der Klinikpatienten ohne Malignom, 51% im Kollektiv der Gutachtenpatienten<br />

mit angezeigter BK 1301 und 49% im Kollektiv der NRW-weiten Kontrollpersonen (Tab.<br />

1).<br />

Tab.1: Häufigkeit des c-myc nahen SNP rs9642880[T]<br />

Kollektiv<br />

(Fälle/Kontr.)<br />

Wittenberg<br />

(212/194)<br />

BK 1301 Anzeige<br />

(216/699)<br />

Kiemeney et al.<br />

Bandbreite<br />

Kiemeney et al.<br />

(3.855/37.985)<br />

Fälle<br />

56%<br />

51%<br />

44 -<br />

53%<br />

50%<br />

Kontroll.<br />

48%<br />

49%<br />

41 -<br />

48%<br />

45%<br />

OR<br />

1,36<br />

1,22<br />

95% KI<br />

1,15-<br />

1,29<br />

1,02-<br />

1,82<br />

1,11<br />

1,11-<br />

1,43<br />

0,89-<br />

1,39<br />

P-<br />

Wert<br />

0,029<br />

0,350<br />

9,34 x<br />

10 -12<br />

184


V33<br />

Vorträge – Malignome<br />

Der Anteil der c-myc nahen Mutation im Kollektiv der Harnblasenkarzinompatienten der<br />

urologischen Klinik war im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöht und steht somit<br />

in Einklang mit der bei der Erstbeschreibung berichteten Verteilung. Der Anteil bei den<br />

untersuchten Harnblasenkarzinompatienten mit angezeigter BK 1301 zeigte hingegen<br />

keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe.<br />

Tab. 2: SNP-Chip Studien und Harnblasenkrebs (Kiemeney et al. (2008)<br />

verwendeten Illumina SNP-Chips)<br />

Enzympolymorphismus<br />

NAT2 (7 relevante SNPs)<br />

GSTM1 Wildtyp, Deletion<br />

GSTT1 Wildtyp, Deletion<br />

GSTP1 A1578G (Ile105Val)<br />

UGT2B7 C802T (His268Tyr)<br />

C-myc nahe Mutation<br />

Illumina<br />

hap300duo<br />

1 von 7*<br />

entfällt<br />

entfällt<br />

ja<br />

nein<br />

ja<br />

Affymetrix<br />

genomewide_5<br />

2 von 7**<br />

entfällt<br />

entfällt<br />

nein<br />

nein<br />

nein<br />

*rs1208 („803“) **rs1799929 („481“), rs1799930 („491“)<br />

Diskussion<br />

Was bedeuten die Erkenntnisse der SNP-Chip-Studie von Kiemeney et al. (2008) für die<br />

bisherigen Untersuchungsergebnisse bei Harnblasenkarzinomkollektiven hinsichtlich des<br />

Einflusses von Polymorphismen? Man könnte zunächst versucht sein daraus abzuleiten,<br />

dass die bislang untersuchten SNPs bei größeren Patientenzahlen keinen relevanten<br />

Einfluss zeigen. Eine derartige Schlussfolgerung ist jedoch keinesfalls zulässig, da mit<br />

dem verwendeten SNP-Chip, wie mit allen derzeit kommerziell verfügbaren SNP-Chips,<br />

nur ein Teil der SNPs im menschlichen Genom untersucht werden kann. So werden 6<br />

der 7 für Mitteleuropäer relevanten SNPs der NAT2 von dem verwendeten Chip nicht<br />

erfasst und damit auch nicht die daraus üblicherweise abgeleiteten Haplotypen.<br />

Deletionen des gesamten für das Enzym kodierenden Bereiches, wie sie für GSTM1 und<br />

GSTT1 charakteristisch sind, können ebenfalls von dem Chip derzeit nicht erfasst<br />

werden. Hinsichtlich des bei PAH-Exposition möglicherweise relevanten SNPs von<br />

GSTP1 zeigte sich in der Studie von Kiemeney et al. (2008) kein signifikanter<br />

Unterschied zur Kontrollgruppe. Der interessierende Basenaustausch an Stelle 820 des<br />

polymorphen Enzyms UGT2B7 kann mit dem verwendeten SNP-Chip nicht detektiert<br />

werden. Schließlich sei erwähnt, dass nur einer von 300.000 untersuchten SNPs eine<br />

Assoziation mit dem Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko zeigte. Diese Mutation kann<br />

mit dem SNP-Chip der Firma Illumina, aber nicht mit dem der Firma Affymetrix bestimmt<br />

werden (Tab. 2).<br />

185


V33<br />

Vorträge – Malignome<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Ergebnisse der Studie weisen auf einen unterschiedlich starken Einfluss der<br />

beobachteten Mutation auf das Harnblasenkarzinom-Erkrankungsrisiko bei Patienten mit<br />

und ohne berufliche Exposition gegen Harnblasenkarzinogene hin.<br />

Literatur<br />

Gearhart J., Pashos E.E., Prasad M.K. Pluripotency redux -- advances in stem-cell<br />

research. N. Engl. J. Med. 357(2007) 1469-1472<br />

Golka K., Prior V., Blaszkewicz M., Bolt H.M. The enhanced bladder cancer susceptibility<br />

of NAT2 slow acetylators towards aromatic amines: a review considering ethnic<br />

differences. Toxicol. Lett. 128 (2002) 229-241<br />

Hengstler J.G., Arand M., Herrero M.E., Oesch F. Polymorphisms of N-<br />

acetyltransferases, glutathione S-transferases, microsomal epoxide hydrolase and<br />

sulfotransferases: influence on cancer susceptibility. Recent Results Cancer Res. 154<br />

(1998) 47-85<br />

Kiemeney L.A., Thorlacius S., Sulem P., Geller F. et al. Sequence variant on 8q24<br />

confers susceptibility to urinary bladder cancer. Nat. Genet. 40 (2008) 1307-1312<br />

Vineis P., Marinelli D., Autrup H., Brockmöller J. et al. Smoking, occupation, N-<br />

acetyltransferase-2 and bladder cancer: a pooled analysis of genotyped studies. Cancer<br />

Epidemiol. Biomarkers Prev. 10 (2001) 1249-1252<br />

186


V34<br />

Vorträge – Malignome<br />

Untersuchung der chromosomalen Instabilität bei<br />

Harnblasenkarzinomen mittels urinbasiertem Tumormarkertest<br />

UroVysion TM in der Früherkennungsstudie UroScreen<br />

Beate Pesch 1 , Gerhard Feil 2 , Carolin Sturtz 1 , Dirk Taeger 1 , Michael Nasterlack 3 , Bernd<br />

Scheuermann 3 , Gabriele Leng 4 H. Stockmann 1 , Harald Wellhäußer 5 , Matthias Kluckert 5 ,<br />

Friedhelm Eberle 1 , Georg Johnen 1 , Martin Pelster 1 , Marcus Horstmann 2 , Arnulf Stenzl 2 , Thomas<br />

Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />

Universität Bochum<br />

2<br />

Klinik für Urologie, Eberhard Karls Universität, Tübingen<br />

3 BASF, Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz, Ludwigshafen<br />

4 Currenta, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, Leverkusen<br />

5<br />

BG Chemie, Fachreferat Arbeitsmedizin, Heidelberg<br />

Einführung und Ziel der Studie<br />

Bei der Entstehung von Harnblasenkarzinomen kommt es zu ausgeprägten<br />

chromosomalen Veränderungen. Der urinbasierte Test UroVysion TM weist<br />

Amplifikationen und Deletionen in ausgewählten Regionen der Chromosomen 3, 7, 17<br />

und 9p21 mit Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung nach. Er wurde von der U.S.-Behörde<br />

FDA für Personen mit Hämaturie als Diagnosemarker zugelassen. In der<br />

Längsschnittstudie UroScreen soll der Vorhersagewert von UroVysion TM -Ergebnissen<br />

und weiteren neuen Tumormarken zur Früherkennung des Harnblasenkarzinoms<br />

ermittelt werden. Eine Entscheidung für einen positiven Befund basiert bisher auf dem<br />

Nachweis einer bestimmten Zahl von morphologisch abnormen Zellen mit<br />

Amplifikationen der Chromosomen 3, 7 und 17 oder dem Allelverlust im Locus 9p21.<br />

Vom Hersteller und von Experten werden unterschiedliche Entscheidungsregeln<br />

vorgeschlagen. In dieser statistischen Analyse werden die Verteilungen der Allelverluste<br />

oder Amplifikationen als copy number variations (CNV) der einzelnen chromosomalen<br />

Bereiche mit Daten aus mehr als 100.000 Zellen genauer untersucht, um den<br />

Entscheidungsalgorithmus gegebenenfalls optimieren zu können.<br />

Material und Methoden<br />

Die prospektive Studie UroScreen (Laufzeit: 01.09.2003 – 31.08.2010) wird im Rahmen<br />

arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen gemäß BG-Grundsatz G33 durchgeführt.<br />

Insgesamt 1.772 ehemalige Chemiearbeiter, die gegenüber krebserzeugenden<br />

aromatischen Aminen exponiert waren, werden jährlich zu einer Untersuchung bei BASF<br />

oder BAYER eingeladen. Von dort werden geeignet aufbereitete Urinproben an die Klinik<br />

für Urologie der Universität Tübingen zur Bestimmung von Zytologie, UroVysion TM und<br />

NMP22 und an das BGFA zur Bestimmung von Survivin gesendet. Bei positiven<br />

Befunden für Zytologie, UroVysion TM und NMP22 wird eine Zystoskopie der Harnblase<br />

187


V34<br />

Vorträge – Malignome<br />

empfohlen. Die Untersuchungsergebnisse werden am BGFA in einer Datenbank erfasst<br />

und statistisch ausgewertet.<br />

Chromosomale Aberrationen werden mit dem UroVysion TM Bladder Cancer Kit<br />

(Vysis/Abbott, IL/USA) nach dem Protokoll des Herstellers bestimmt. In morphologisch<br />

auffälligen Zellen wurden CNV mit Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung in den<br />

chromosomalen Bereichen 3, 7, 17 und 9p21 ermittelt. Als normal gelten diploide Zellen<br />

(CNV=2). Positive Befunde wurden nach den Angaben des Herstellers ermittelt und<br />

liegen dann vor, wenn eine bestimmte Zahl von Zellen Amplifikationen (CNV>2) der<br />

Chromosomen 3, 7 oder 17 bzw. Deletionen (CNV


V34<br />

Vorträge – Malignome<br />

Veränderungen (hier als CNV angegeben) wurde für die 25 untersuchten Zellen<br />

dokumentiert.<br />

Tabelle 1: Verteilung der Zellen anhand der Ergebnisse des UroVysion TM -Tests aus 4409<br />

Urinproben bezüglich der CNV in den chromosomalen Bereichen 3, 7, 17 und 9p21<br />

Bereich<br />

Diploid<br />

(in allen<br />

Bereichen)<br />

Diploid<br />

(nicht in allen<br />

Bereichen)<br />

Tetraploid<br />

(in allen<br />

Bereichen)<br />

Allelverlust<br />

Amplifikation<br />

CNV=2 CNV=2 CNV=4 CNV < 2 CNV > 2<br />

3 113.835 2.250 346 382 645<br />

7 113.835 2.205 346 351 721<br />

17 113.835 1.718 346 1.022 537<br />

9p21 113.835 1.692 346 1.230 355<br />

Tabelle 2: CNV-Verteilung für 25 untersuchte Zellen eines Fallbeispiels mit Blasenkrebs<br />

Zahl der Zellen Chrom. 3 Chrom. 7 Chrom. 17 Locus 9p21<br />

17 2 2 2 2<br />

1 2 2 2 1<br />

1 4 4 9 1<br />

1 4 4 4 2<br />

1 3 4 3 0<br />

1 3 4 4 4<br />

1 4 4 4 0<br />

1 4 4 3 1<br />

1 3 3 2 1<br />

In einer vorausgegangenen Untersuchung von 3.296 Urinproben wurde festgestellt, dass<br />

das Risiko für einen positiven Befund mit aktuellem Rauchen (OR 3,7, 95% KI 1,4-9,7)<br />

und vorherigem Krebs im Urogenitalbereich (OR 4,2, 95% KI 1,4-12,4) assoziiert war.<br />

Ebenfalls fiel auf, dass in Urinproben mit einem hohen Kreatiningehalt (>2,5 g/L) kein<br />

positives Testergebnis gefunden wurde. Dagegen waren Proben mit einer geringen<br />

Kreatininkonzentration (< 0.5 g/L) relativ häufiger positiv. Diese Befunde konnten mit den<br />

CNV-Ergebnissen auf der Basis von mehr als 100.000 einzelnen Zellen bestätigt werden.<br />

Zwei bekannte Risikofaktoren, Rauchen und früherer Krebs um Urogenitalbereich, waren<br />

mit einer erhöhten chromosomalen Instabilität verbunden.<br />

189


V34<br />

Vorträge – Malignome<br />

Diskussion und vorläufige Schlussfolgerungen<br />

Die Diagnose des Harnblasenkarzinoms ist infolge des Fehlens von eindeutigen<br />

Frühsymptomen schwierig. Leitsymptom ist eine schmerzlose Hämaturie ohne<br />

Harnwegsinfekt, jedoch ist der prädiktive Wert einer Hämaturie nicht ausreichend<br />

begründet (1). Die Urinzytologie gilt derzeit als geeignete nicht-invasive Methode, mit<br />

hoher Spezifität Harnblasenkrebs nachzuweisen (2). Nachteil ist jedoch die relativ<br />

geringe Nachweisrate von gut behandelbaren oberflächlich wachsenden,<br />

hochdifferenzierten Tumoren mit Weißlicht-UC (3). Im Rahmen der rasch sich<br />

entwickelnden molekularen Medizin wurden verschiedene urinbasierte Testsysteme für<br />

diagnostische Marker entwickelt, von denen der quantitative und qualitative NMP22-<br />

Nachweis und der UroVysion TM -Test bereits von der U.S. Behörde FDA zugelassen<br />

wurden. Ein International Consensus Panel on Bladder Cancer Tumor Markers hat im<br />

Jahr 2005 den Kenntnisstand und Forschungsbedarf zu urinbasierten Tumormarkern<br />

zusammengefasst (2). Das Expertengremium kommt zu dem Schluss, dass die<br />

Geeignetheit dieser Marker in prospektiven Längsschnitt-Studien mit Gesunden näher<br />

überprüft werden muss. UroScreen ist eine solche prospektive Längsschnittstudie zur<br />

Früherkennung von Harnblasenkrebs.<br />

Insgesamt waren etwa 1% der 4.409 untersuchten Urinproben positiv mit UroVysion TM<br />

getestet worden. Dies waren mehr positive Befunde als zytologisch als positiv eingestuft<br />

wurden. Dabei wurde das gleiche Zellpellet ausgewertet. UroVysion TM war als<br />

chromosomaler Test weniger empfindlich gegenüber Entzündungen als proteinbasierte<br />

Marker wie NMP22. Rauchen und früherer Blasenkrebs waren mit einer erhöhten<br />

chromosomalen Instabilität assoziiert. Es bleibt abzuwarten, ob die als positiv befundeten<br />

Probanden im weiteren Verlauf Blasenkrebs entwickeln, der möglicherweise durch<br />

Zystoskopie noch nicht nachgewiesen werden konnte.<br />

Der Entscheidungsalgorithmus für einen positiven Befund war weniger wichtig als das<br />

Auffinden von geschädigten Zellen im Urin. Wenn geschädigte Zellen zu finden waren,<br />

dann waren diese relativ stark verändert, so dass die Entscheidung ‚positiv’ relativ<br />

einfach zu treffen war. Allerdings traten Veränderungen in 9p21 seltener auf als zu<br />

erwarten war. Die Veränderungen in den chromosomalen Bereichen 3, 7 und 17 waren<br />

jedoch nicht nur Amplifikationen, sondern es lagen auch Allelverluste vor.<br />

Von 15 bislang in UroScreen gefundenen Blasenkrebsfällen hatten sieben Personen<br />

jemals einen positiven UroVysion TM -Befund. Da eine auffällige Abhängigkeit von der<br />

Urinqualität gefunden wurde (keine positiven Befunde in Urinen mit hohem<br />

190


V34<br />

Vorträge – Malignome<br />

Kreatiningehalt, vermehrt positive Befunden in Urinen mit niedrigem Kreatiningehalt),<br />

muss – auch vor dem Hintergrund der geringen Zahl von Zellen in einer Urinprobe - ein<br />

sogenannter ‚sampling error’ diskutiert werden. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit<br />

sich in einem frischern Belastungsurin vermehrt geschädigte Zellen finden lassen.<br />

Der UroVysion TM -Test ist relativ aufwändig bezüglich Durchführung und Auswertung. Hier<br />

bleibt abzuwarten, ob die Ergebnisse erfolgversprechender als die Befunde der<br />

Urinzyotologie sind. Alle positiven Zytologiebefunde waren bisher auch mit einem<br />

positiven UroVysion TM -Test verbunden, jedoch fanden sich mehr positive UroVysion TM -<br />

Ergebnisse. Die umfangreichen Informationen des UroVysion TM -Tests zur Zahl und Art<br />

der veränderten Zellen unter Feldbedingungen geben jedoch gute Hinweise auf die<br />

Entwicklung von chromosomaler Instabilität bei Blasenkrebs. Mit derzeit 15 beobachten<br />

Fällen ist die Aussagekraft des Tests für eine spätere Krebsentstehung noch gering. Mit<br />

einer größeren Zahl von Fällen kann auch der Tumortyp (invasive oder oberflächliche<br />

Veränderungen) berücksichtigt werden.<br />

Die Studie wird durch DGUV, Abbott GmbH & Co. KG und FDI gefördert.<br />

Literatur<br />

1. Rodgers M, Nixon J, Hempel S et al.: Diagnostic tests and algorithms used<br />

in the investigation of haematuria: systematic reviews and economic<br />

evaluation. Health Technol Assess 2006; 10(18):iii-259.<br />

2. Habuchi T, Marberger M, Droller MJ et al.: Prognostic markers for bladder<br />

cancer: International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology<br />

2005; 66(6 Suppl 1):64-74.<br />

3. Rathert P: [Urinary cytology in cases of bladder cancer: a critical evaluation].<br />

Urologe A 2003; 42(7):908-911.<br />

4. Rodgers M, Nixon J, Hempel S et al.: Diagnostic tests and algorithms used<br />

in the investigation of haematuria: systematic reviews and economic<br />

evaluation. Health Technol Assess 2006; 10(18):iii-259.<br />

191


V35<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Styrol und Sehvermögen - Eine Längsschnittstudie bei<br />

Laminierern im Schiffsbau<br />

Gerhard Triebig 1 , Thomas Bruckner 2 , Andreas Seeber 3<br />

1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg<br />

2 Medizinische Biometrie und Informatik, Universität Heidelberg<br />

3 Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund<br />

1. Ziele der Studie<br />

1. Lassen sich die im Schrifttum publizierten Sehstörungen<br />

(Farbensehen/Kontrastsensitivität) reproduzieren?<br />

2. Sind die möglichen Sehstörungen Folge einer akuten oder chronischen<br />

Styrol-Exposition und lässt sich NOEL ableiten?<br />

3. Sind die Effekte - sofern nachweisbar – nach einer 4-wöchigen<br />

Expositionskarenz reversibel?<br />

2. Kollektiv und Methode<br />

In die Studie wurden insgesamt 255 Beschäftigte einer großen Schiffswerft, davon 128<br />

Laminierer und 127 Nicht-Laminierer (Monteure, Schreiner, Elektriker), ein-bezogen.<br />

Unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien (Rot-Grün-Schwäche, schwere<br />

Sehschwäche, Diabetes mellitus) konnten die Ergebnisse von insgesamt 221 Männern<br />

ausgewertet werden.<br />

Das Untersuchungsprogramm umfasste: Anamnese, körperliche Untersuchung, Ishihara-<br />

Test zur Ausschlußdiagnostik von Farbsehstörungen, Farbsehprüfung mittels D-15d-<br />

Test, Bestimmung der Kontrast-sensitivität (Prüftafel VCTS 6500) und Biomonitoring<br />

(Styrol im Blut sowie MA/PGA im Urin).<br />

Die erste Untersuchung fand während einer normalen Arbeitswoche statt, wobei die<br />

Laminierer nach zwei Arbeitstagen (am Mittwoch bis Freitag), die Nicht-Laminierer ohne<br />

Tagespräferenz untersucht wurden.<br />

Die Zweiterhebung fand während der Betriebsferien statt, etwa 6 – 8 Wochen nach der<br />

Erstuntersuchung. Das arbeits- bzw. expositionsfreie Intervall betrug vor der<br />

Zweituntersuchung etwa 14 Tage.<br />

192


V35<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Die Sehprüfungen erfolgten in einem separaten Raum unter Beachtung der empfohlenen<br />

Lichtverhältnisse, d. h. Tageslicht-Fluoreszenzlampe und Beleuchtungsstärke von 1.000<br />

Lux (D-15d-Test) bzw. der beleuchteten Tafel des VCTS 6500 mit einer Leuchtdichte von<br />

100 cd/m 2 .<br />

Der Lanthony Desaturated Panel D-15d-Test besteht aus einer Referenzkappe und 15<br />

Pastell-Farbstufen in Reihenfolge der chromatischen Ähnlichkeit. Die Probanden haben<br />

die Farbstufen gemäß der nächstpassenden Farbstufe zu ordnen. Das Testergebnis<br />

wurde mittels Colour-Confusion-Index (CCI) nach Bowman (1982) ausgewertet. Je<br />

größer die Zahl der Abweichungen von der optimalen Farbenabfolge ist, desto größer ist<br />

der CCI (Minimum 1,0). Zwei Untersuchungen mit dem rechten Auge wurden<br />

durchgeführt bei Ausschluss farbiger Gläser oder Kontaktlinsen.<br />

Zur Prüfung der Kontrastempfindlichkeit diente die Prüftafel VCTS 6500 der Firma<br />

Vistech. Aufgabe der Probanden ist, mit einem Sehabstand von 3 m Streifenmuster mit<br />

Liniendichten von 1,5, 3, 6, 12 und 18 Linienpaaren pro Sehwinkel zu erkennen. 5<br />

Frequenzen und 8 Kontraststufen ergeben 40 zu identifizierende Muster. Die Auswertung<br />

wurde frequenzbezogen sowie als Gesamtindex der Kontrastempfindlichkeit (VCTS-<br />

Score) vorgenommen. Die Prüfung erfolgte getrennt für beide Augen.<br />

Auf der Basis von individuellen historischen Expositionsdaten wurden chronische<br />

Expositionsindizes ermittelt. Ein kumulativer Index (CEI) sowie die durchschnittliche<br />

Langzeitexposition (LWAE) wurden statistisch in Regressionsanalysen genutzt neben<br />

den Daten der akuten Exposition (Styrol/Blut, MA + PGA). Für Ko-Varianzanalysen<br />

wurden die Laminierer und Nicht-Laminierer (mit geringer Styrol-Belastung) in drei<br />

Gruppen gemäß MA + PGA als Bewertung der aktuellen Exposition am Arbeitstag<br />

eingeteilt. Daneben wurden zwei Untergruppen mit „hoher und langer“ bzw. „niedriger<br />

und kurzer“ Exposition gebildet (s. Tabelle 1) zur gesonderten Analyse von<br />

Langzeiteffekten.<br />

193


V35<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Tabelle 1: Gruppeneinteilung und Kenndaten der individuellen Styrol-Exposition<br />

Niedrig<br />

N = 97<br />

Mittel<br />

115<br />

Hoch<br />

31<br />

Niedrig/Kurz<br />

34<br />

Hoch/Lang<br />

17<br />

Styrol / Blut<br />

[mg/L]<br />

MA + PGA/Urin<br />

[mg/gKr. ]<br />

55 ± 69 61 ± 54 112 ± 109 61 ± 87 91 ±127<br />

51 ± 27 229 ± 102 977 ± 414 196 ± 282 319 ± 423<br />

CEI<br />

21 ± 38 21 ± 31 51 ± 104 14 ± 13 125 ± 146<br />

Monate] x 10 3<br />

[(MA + PGA) x<br />

LWAE<br />

[CEI/Monate]<br />

Alter<br />

[Jahre]<br />

251 ± 201 292 ± 264 571 ± 448 200 ± 171 660 ± 613<br />

38 ± 9 38 ± 9 39 ± 11 43 ± 8 44 ± 11<br />

Der CDT-Wert (Alkoholkonsum), Alter, Beschäftigungsdauer, Ausbildung sowie Deutsch<br />

als Muttersprache (ja/nein) wurden in alle statistischen Analysen als Kovariate<br />

einbezogen.<br />

3. Ergebnisse<br />

Farbensehen:<br />

Die Roh-Mittelwerte für den CCI liegen in einem Bereich von 1,15 bis 1,26 und somit in<br />

einem leicht erhöhten Niveau. Die statistischen Auswertungen zeigen in den<br />

Varianzanalysen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Gruppen akuter<br />

Exposition (Tabelle 1 „niedrig versus mittel versus hoch“) bzw. langzeitig<br />

unterschiedlicher Exposition (Tabelle 1 niedrig/kurz versus hoch / lang). Die CCI-Werte<br />

während der zweiten Untersuchung im Urlaub zeigen eine signifikante Verbesserung des<br />

Farbensehens an (CCI 1. Unters. = 1,23; CCI 2. Unters. = 1,17). Diese ist aber nicht<br />

expositionsabhängig.<br />

Die Regressionsanalysen zwischen den Expositionsvariablen einerseits (Styrol im Blut,<br />

MA + PGA, CEI, LWAE) und dem CCI andererseits ergeben keine statistisch<br />

bedeutsamen Zusammenhänge. Diese Auswertungen zeigen vielmehr bestätigend zu<br />

den Varianzanalysen, dass ein jüngeres Lebensalter sowie das Sprachverständnis<br />

(Faktor: Muttersprache Deutsch „ja“) mit günstigeren CCI-Werten verbunden sind.<br />

194


V35<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Kontrastsehen:<br />

Die Roh-Mittelwerte für den VCTS-Score liegen zwischen 55,9 bis 61,5 und entsprechen<br />

somit den Vergleichswerten. Die statistischen Auswertungen der Gruppenvergleiche<br />

(siehe Farbensehen) ergeben wiederum keine statistisch bedeutsamen<br />

Gruppenunterschiede bei beiden Gruppierungen der Untersuchten.<br />

Regressionsanalytisch ergeben sich im Wesentlichen ebenfalls keine statistisch<br />

signifikanten Assoziationen der VCTS-Scores zu den Expositionsparametern. Jedoch<br />

gibt es eine signifikante Assoziation zwischen Styrol im Blut als Parameter der akuten<br />

Exposition und dem VCTS-Score (t = -2.05, p < 0.05, Nachlassen der<br />

Kontrastempfindlichkeit mit zunehmender Styrolkonzentration im Blut). Diese Signifikanz<br />

beruht auf geminderten Erkennungsleistungen bei zwei Frequenzen (6 und 18 cpd, nur<br />

am rechten Auge). In Anbetracht von insgesamt 60 Regressionen, bei denen die<br />

maximale aufgeklärte Varianz nur gering war (maximal 12%, meist < 10%), wurde dieses<br />

Ergebnis nicht als belastbarer Beleg für eine Styrolwirkung bewertet. Das Alter ist<br />

wiederum die stärkste Einflussgröße für eine verminderte Kontrastempfindlichkeit.<br />

4. Schlussfolgerungen<br />

Ein vermehrtes Auftreten von subklinischen Sehstörungen läßt sich unter den<br />

Expositionsverhältnissen (Styrol akut ca. 40 ppm, chronisch ca. 30 ppm über 15 Jahre)<br />

nicht nachweisen.<br />

In Beantwortung der eingangs gestellten Ziele der Untersuchung ist festzustellen:<br />

1. Replizieren der publizierten Sehstörungen (Farben- / Kontrastsehen)?<br />

Für Farben- und Kontrastsehen kann mit den eingesetzten Methoden keine Bestätigung<br />

von Styrolwirkungen in dem beschriebenen Expositionsbereich gegeben werden.<br />

2. Folgen akuter oder chronischer Styrolexposition?<br />

Für das Farbensehen sind weder akute noch chronische Effekte zu belegen. Für das<br />

Kontrastsehen gilt diese Aussage ebenfalls, jedoch mit einer Einschränkung. Es gibt<br />

einen schwachen Hinweis auf mögliche Zusammenhang zwischen Styrol im Blut<br />

(nicht jedoch zu MA + PGA, CEI oder LWAE) und der Kontrastwahrnehmung in zwei<br />

Frequenzbereichen. Diese Zusammenhänge wurden nur an einem Auge, nicht an beiden<br />

Augen, gezeigt. Außerdem beruhen sie auf Modellen mit einer geringen<br />

Varianzaufklärung.<br />

195


V35<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

3. Reversibilität nach Expositionskarenz?<br />

Da keine expositionsbezogenen Effekte oder Gruppendifferenzen (nur eine allgemeine<br />

Verbesserung) bei den Messungen im Urlaub festzustellen waren, kann keine<br />

„Reversibilität von Effekten“ festzustellen sein.<br />

5. Literatur<br />

Seeber, A., Th. Bruckner, G. Triebig:<br />

Occupational styrene exposure, colour vision and contrast sensitivity: A cohort<br />

study with repeated measurements.<br />

Int. Arch. Occup. Environ. Health (<strong>2009</strong>) in press<br />

Bowman, K.J.:<br />

A method for quantitative scoring of the Farnsworth Panel D-15.<br />

Acta Ophthalmol. (1982) 60, 907-916<br />

6. Danksagung<br />

Wir danken den Mitarbeitern und der Geschäftsführung des Unternehmens für<br />

ihre Bereitschaft, an der Studie teilzunehmen bzw. diese zu unterstützen.<br />

Weiterhin möchten wir den ehemaligen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern für ihre<br />

Unterstützung bei den Untersuchungen danken.<br />

Das Projekt wurde finanzielle gefördert durch das Styrenics Steering Committee<br />

(SSC) Belgien und das Steering Information and Research Center (SIRC) USA.<br />

196


V36<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Einfluss von Schwefelkohlenstoff-Exposition auf die Blutgefäße<br />

des Augenfundus<br />

Gintautas Korinth 1 , Andreas Remky 2 , Thomas Göen 1 , Niklas Plange 2 , Oliver Arend 2 , Hans<br />

Drexler 1<br />

1<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg<br />

2<br />

Universitäts-Augenklinik der RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Schwefelkohlenstoff (CS 2 ) ist trotz bekannter Toxizität, insbesondere auf das Nervenund<br />

Herz-Kreislauf-System, in der Viskoseindustrie nach wie vor nicht ersetzbar. Eine<br />

hohe, langjährige Exposition gegenüber CS 2 kann auch zu pathologischen Blutgefäß-<br />

Veränderungen im Bereich des Augenfundus führen. Diese Veränderungen sind in der<br />

Literatur als Mikroaneurysmen der Retina beschrieben. Bei gegenüber CS 2 exponierten<br />

Arbeitern in der Viskoseindustrie wurden im Vergleich zum nichtexponierten<br />

Kontrollkollektiv häufiger Mikroaneurysmen der Retina beobachtet. Auch nach einer<br />

Adjustierung um potentielle Confounder blieben diese Unterschiede statistisch signifikant<br />

(Takebayashi et al. 2004).<br />

Beim CS 2 handelt es sich auch um einen Blutgefäß-aktiven Stoff, der u.a. in die<br />

Blutdruckregulation eingreift. Bei exponierten Arbeitern in der Viskoseindustrie wurden im<br />

Vergleich zum nichtexponierten Kontrollkollektiv signifikant höhere Blutdruckwerte<br />

beschrieben (Chang et al. 2007). Dabei wurden insbesondere auch eine Dosis-Effekt-<br />

Beziehung und ein Einfluss der Expositionsdauer beobachtet.<br />

Ziel der Studie<br />

Das Ziel unserer Studie war es zu prüfen, ob es Unterschiede der Blutgefäßdurchmesser<br />

im Bereich des Augenfundus bei beruflich gegenüber CS 2 exponierten im Vergleich zu<br />

nichtexponierten Arbeitern existieren.<br />

Methoden<br />

Im Rahmen einer Querschnittstudie in einem Betrieb der Viskoseindustrie wurden 187<br />

gegenüber CS 2 exponierte und 146 nichtexponierte Arbeiter (Kontrollkollektiv)<br />

untersucht. Ein Fragebogen wurde für die Erhebung von persönlichen Daten, Angaben<br />

zur beruflichen Expositionssituation und persönlichen Risiken eingesetzt. Die Exposition<br />

wurde mittels eines personenbezogenen Luftmonitorings von CS 2 und der Bestimmung<br />

des Metaboliten von CS 2 2-Thio-1,3-thiazolidin-4-carboxylsäure (TTCA) im Nachschicht-<br />

Urin quantifiziert.<br />

Der Augenfundus beider Augen wurde mittels nicht-mydriatischer Photographie (Nidek<br />

Kamera) erfasst. Die Dias des Augenhintergrundes wurden digitalisiert und augenärztlich<br />

ausgewertet. Die venösen und arteriellen Blutgefäße des Augenfundus wurden mit einer<br />

197


V36<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Software (Matrox inspector®) einheitlich im Grauskala-Profil im Abstand des doppelten<br />

Radius vom Diskus entfernt senkrecht zum Gefäß ausgemessen und die Gefäß-<br />

Durchmesser zwischen beiden Kollektiven miteinander verglichen. Darüber hinaus<br />

wurden die Bilder des Augenhintergrundes hinsichtlich von pathologischen Auffälligkeiten<br />

ausgewertet.<br />

Ergebnisse und Diskussion<br />

Der Vergleich des exponierten und des Kontroll-Kollektivs (Tabelle 1) zeigt, dass<br />

statistisch signifikante Unterschiede zwischen beiden Kollektiven nur für die Variablen<br />

Exposition, Alter, Konstitution und körperliche Leistungsfähigkeit bestanden. Bei<br />

potentiellen Einflussfaktoren auf den Augenhintergrund (vor allem bei Bier-Konsum,<br />

Rauchen und Blutdruck), die gleichzeitig als Confounder wirken können, waren keine<br />

signifikanten Unterschiede festzustellen. Die Exposition gegenüber CS 2 war in unserem<br />

exponierten Kollektiv relativ hoch. Bei 20% der Arbeiter lag die TTCA-Konzentration im<br />

Urin über dem aktuellen BAT-Wert von 2 mg TTCA/g Kreatinin. Die innere Belastung des<br />

Kontrollkollektivs lag beim Vergleich der Median-Werte von TTCA um ca. Faktor 31<br />

niedriger als im exponierten Kollektiv.<br />

Tabelle 1: Vergleich der Kollektive (Median-Werte)<br />

Variable Exponierte Kontrollen p-Wert*<br />

TTCA (mg/g Kreatinin) 1,167 0,038


V36<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Auswertung wurde jedoch nur das rechte Auge der Arbeiter eingeschlossen, da die<br />

Bilder des linken Auges durch das vom Blitz ausgelöste Blinzeln der Augenlider oft<br />

unscharf waren. In der Abbildung 1 sind die Durchmesser der Augenfundusgefäße<br />

dargestellt.<br />

240<br />

210<br />

Exponierte<br />

Kontrollen<br />

Durchmesser (µm)<br />

180<br />

150<br />

120<br />

90<br />

60<br />

30<br />

0<br />

Obere Arterie Untere Arterie Obere Vene Untere Vene<br />

Abb. 1: Durchmesser der Augenfundusgefäße (Mittelwerte ± StAbw)<br />

Bei univariater Betrachtung zeigten gegenüber CS 2 exponierte Arbeiter höhere<br />

Durchmesser der venösen (p0,05) Blutgefäße als das<br />

Kontrollkollektiv. Zur differenzierten Betrachtung des Einflusses der Exposition von CS 2<br />

und potentiellen Confoundern auf die Augenfundusgefäßdurchmesser wurde eine<br />

multiple lineare Regressionsrechnung durchgeführt. Hierbei fand sich bis auf die untere<br />

Augenfundusvene (p0,3). Für die Variable „CS 2 -Konzentration in der Luft“ fand sich für kein<br />

Augenfundusgefäß beim Durchmesser eine signifikante Assoziation. Bei der multiplen<br />

linearen Regressionsrechnung zeigte sich jedoch in Abhängigkeit des jeweiligen<br />

Augenfundusgefäßes variierende, zum Teil statistisch signifikante Assoziationen des<br />

Durchmessers mit potentiellen Confoundern wie dem Alter, Body Mass Index,<br />

körperlicher Leistungsfähigkeit (PWC130), diastolischem Ruhe-Blutdruck oder mit der<br />

täglich gerauchten Zigarettenzahl.<br />

Bei keinem der Arbeiter unseres Kollektivs fanden sich Mikroaneurysmen. In einer<br />

früheren Studie in der Viskoseindustrie wurden bei gegenüber CS 2 exponierten Arbeitern<br />

häufiger „Kreuzungszeichen“ als im Kontroll-Kollektiv beobachtet (unveröffentlichte<br />

199


V36<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Ergebnisse, Drexler 1996). In unserer aktuellen Studie waren die Unterschiede bei der<br />

Variable „Kreuzungszeichen“ zwischen den Kollektiven nicht signifikant (p>0,05).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Ein Effekt von CS 2 auf die Blutgefäße des Augenfundus lässt sich in unserer Studie nicht<br />

nachweisen. Die nicht signifikant größeren Durchmesser der arteriellen und venösen<br />

Augenfundusgefäße bei den Exponierten lassen sich bei der multivariaten Betrachtung<br />

auf Lifestyle-Faktoren zurückführen, die somit als Confounder zu berücksichtigen sind.<br />

Danksagung<br />

Für die finanzielle Förderung dieser Studie danken wir der Industrievereinigung<br />

Chemiefaser e.V.<br />

Literatur<br />

1. Chang SJ, Chen CJ, Shih TS, Chou TC, Sung FC. Risk for hypertension in workers<br />

exposed to carbon disulfide in the viscose rayon industry. Am J Ind Med. 2007; 50,<br />

22-27.<br />

2. Drexler H, Ulm K, Hardt R, Hubmann M, Göen T, Lang E, Angerer J, Lehnert G.<br />

Carbon disulphide. IV. Cardiovascular function in workers in the viscose industry. Int<br />

Arch Occup Environ Health. 1996; 69, 27-32.<br />

3. Korinth G, Göen T, Ulm K, Hardt R, Hubmann M, Drexler H. Cardiovascular function<br />

of workers exposed to carbon disulphide. Int Arch Occup Environ Health. 2003; 76,<br />

81-85.<br />

4. Takebayashi T, Nishiwaki Y, Uemura T, Nakashima H, Nomiyama T, Sakurai H,<br />

Omae K. A six year follow up study of the subclinical effects of carbon disulphide<br />

exposure on the cardiovascular system. Occup Environ Med. 2004; 61, 127-134.<br />

200


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Einfluss des Bildschirmarbeitsplatzes auf die hypovolämische<br />

Form des „Trockenen Auges“ *<br />

Thomas Rebe 1 , Susanne Genth 3 , Cornelia Franke 2 , Renate Wrbitzky 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover<br />

2<br />

Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover<br />

3<br />

Betriebsärztlicher Dienst der Medizinischen Hochschule Hannover,<br />

*gefördert durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Hamburg<br />

Einleitung<br />

Die weit verbreitete Tätigkeit an Bildschirmarbeitsplätzen wird häufig mit<br />

Augenbeschwerden (2, 11) in Verbindung gebracht. Bisherige Studien konnten keine<br />

Gesundheitsgefahr des Bildschirmarbeitsplatzes für das „Trockene Auge“ nachweisen (8,<br />

9).<br />

Pathophysiologisch kann das „Trockene Auge“ in zwei Formen eingeteilt werden,<br />

einerseits die hypovolämische- und andererseits die hyperevaporative Form. Die<br />

hypovolämische Form beruht auf einem primären Tränenmangel durch eine verminderte<br />

Tränenproduktion. Unter anderem tritt dieses wässrig-muzinöse Defizit bei einem<br />

Funktionsverlust der Tränendrüse, durch Entzündungen oder im Rahmen eines<br />

klassischen Sjögren-Syndroms auf. Die hyperevaporative Form hat zwar eine<br />

ausreichende Tränenmenge, aber vor allem aufgrund von Störungen der<br />

Lipidkomponente des Tränenfilms verdunstet die Tränenflüssigkeit zu schnell oder wird<br />

nicht ausreichend aufgebaut.<br />

Wie häufig die hypovolämische- und die hyperevaporative Form des „Trockenen Auges“<br />

am Bildschirmarbeitsplatz vorkommt und welchen Einfluss die Arbeitplatzhygiene<br />

(Arbeitsplatz- und Umgebungsbedingungen) auf diese beiden unterschiedlichen<br />

Benetzungsstörungen haben, war Gegenstand der Untersuchung.<br />

Hierzu wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover eine interdisziplinäre<br />

Querschnittsstudie mit Beteiligung der Abteilung Arbeitsmedizin, der Augenklinik, des<br />

Betriebsärztlichen Dienstes, des Bereiches Arbeitssicherheit und der Abteilung<br />

Epidemiologie durchgeführt.<br />

Material und Methode<br />

Es wurden auf freiwilliger Basis zu einer ergänzenden augenärztlichen Untersuchung<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingeladen, die im Rahmen einer Untersuchung nach<br />

dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G37 (1, 6) im Betriebsärztlichen Dienst der<br />

MHH untersucht wurden. Diese Untersuchung erfolgte in der Augenklinik der MHH,<br />

insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines „trockenen Auges“. Die<br />

augenfachärztliche Untersuchung beinhaltete neben einer Anamneseerhebung eine<br />

201


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Überprüfung der Sehschärfe, Spaltlampenuntersuchung, Erhebung von<br />

lidkantenparallelen konjunktivalen Falten (LIPCOF), Fluoreszein-Vitalfärbung der<br />

Hornhaut, Messung der Tränenfilmstabilität (Break-Up-Time BUT), Messung der<br />

Tränenmenge (Schirmer-Test) und Messung des Augeninnendruckes.<br />

Unter Zuhilfenahme dieser Untersuchungen konnte zwischen den beiden Formen des<br />

„Trockenen Auges“, der hypovolämischen- und der hyperevaporativen Form<br />

unterschieden werden. Die Diagnosestellung dieser beiden Formen wurde jeweils bei<br />

einer reduzierten BUT gestellt. Wenn der Schirmer Test bei reduzierter BUT positiv war,<br />

liegt eine hypovolämische Form vor (Tränenmenge weniger als 10 mm in 5 Minuten), die<br />

hyperevaporative Form lag vor, wenn der Schirmer Test (bei reduzierter BUT) negativ<br />

war (Tränenmenge mehr als 10 mm in 5 Minuten oder Reizsekretion mit kompletter<br />

Durchfeuchtung der Teststreifen).<br />

Für die einzelnen Bildschirmarbeitsplätze erfolgte eine arbeitsmedizinische und<br />

sicherheitstechnische Beurteilung unter Einbeziehung der Umgebungsfaktoren wie<br />

Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Beleuchtungsstärke, Bildschirmfrequenz, maximale<br />

Bildschirmhelligkeit, Kontrast zwischen Monitor und Umgebung sowie eine Messung der<br />

Luftgeschwindigkeit. Diese Arbeitsplatzanalyse erfolgte einschließlich der Erfassung des<br />

Lärmpegels mit einem Mulitmessgerät (BAPPU Multimessgerät der Firma ELK in<br />

Krefeld) in Augenhöhe. Der Zeitraum der Untersuchung war von November 2002 bis<br />

Februar 2005.<br />

Das Untersuchungskollektiv wurde mit einem Kontrollkollektiv verglichen. Hierzu wurden<br />

ebenfalls auf freiwilliger Basis Mitarbeiter der MHH, die nicht an einem<br />

Bildschirmarbeitsplatz tätig waren, zu einer augenärztlichen Untersuchung eingeladen.<br />

Diese augenärztliche Untersuchung hatte den gleichen Untersuchungsinhalt und –<br />

umfang wie bei dem Untersuchungskollektiv.<br />

Ergebnisse<br />

Es konnten 226 MHH-Beschäftigte im Alter zwischen 23 bis 68 Jahren, (Mittelwert 48,38<br />

Jahre) auf freiwilliger Basis augenfachärztlich untersucht werden. Von diesen 226<br />

Beschäftigten arbeiteten 161 an einem Bildschirmarbeitsplatz und 65 nicht an einem<br />

Bildschirmarbeitsplatz.<br />

Gemäß der ZH 1/ 535 Büroarbeitsplätze wurden Raumklimaparameter, die außerhalb<br />

des Empfehlungsbereiches lagen, als „roter Bereich“ definiert. Für die Temperatur ergab<br />

dies Werte oberhalb 26° C, für die relative Luftfeuchtigkeit Werte unter 29%, für die<br />

allgemeine Beleuchtungsstärke Werte unter 300 Lux, für die Bildfrequenz Werte unter 73<br />

202


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Hz, für die maximale Bildhelligkeit Werte oberhalb von 80 cd/m², für den Monitor-<br />

Umgebungskontrast Werte unterhalb von 3:1 und für die Luftgeschwindigkeit Werte<br />

oberhalb von 0,2 m/s.<br />

Bildschirmarbeitsplätze, bei denen einer der Raumklimaparameter im „roten Bereich<br />

lagen“ wurden statistisch mittels logistischer Regression mit dem gesicherten Auftreten<br />

der hypovolämischen- und der hyperevaporativen Form des „Trockenen Auges“<br />

verglichen.<br />

Ergebnisse der augenfachärztlichen Untersuchung<br />

Mit der differenzierten Betrachtung der beiden unterschiedlichen Formen des „Trockenen<br />

Auges“ ließen sich die hypovolämische- und die hyperevaporative Form unterscheiden.<br />

Die Diagnosestellung dieser beiden Formen wird jeweils bei einer reduzierten BUT<br />

gestellt. Eine hypovolämische Form liegt vor, wenn der Schirmer Test bei reduzierter<br />

BUT positiv war (Tränenmenge weniger als 10mm in 5 Minuten), die hyperevaporative<br />

Form, wenn der Schirmer Test (bei reduzierter BUT) negativ war (Tränenmenge mehr als<br />

10mm in 5 Minuten). Tabelle 1 zeigt die Häufigkeit der beiden Formen des „Trockenen<br />

Auges“ für beide Augen an.<br />

Hypovolämische Form Hyperevaporative Form<br />

Rechtes Auge n=13 8,1% 46 28,8%<br />

Linkes Auge n=10 6,3% 53 33,1%<br />

Tabelle 1: Häufigkeit der unterschiedlichen Formen des „Trockenen Auges“ am<br />

Bildschirmarbeitsplatz<br />

Eine Analyse mittels logistischer Regression zur Untersuchung eines möglichen<br />

Zusammenhangs zwischen der Diagnose des hypovolämischen „Trockenen Auges“ und<br />

den Arbeitsplatzbedingungen ergab für das rechte Auge eine Signifikanz hinsichtlich der<br />

Luftgeschwindigkeit und für das linke Auge eine Signifikanz hinsichtlich der relativen<br />

Luftfeuchte, wenn diese zu niedrig war.<br />

Für die hyperevaporative Form des „Trockenen Auges“ ergab sich kein signifikanter<br />

Zusammenhang mit den Arbeitsplatzbedingungen für beide Augen.<br />

203


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Temperatur<br />

Rel. Feuchte in %<br />

Lärm<br />

Beleuchtungsstärke<br />

Bildfrequenz<br />

max. Bildhelligkeit<br />

Luftgeschwindigkeit<br />

nicht signifikant<br />

signifikant für das linke Auge,<br />

p=0,009<br />

nicht signifikant<br />

nicht signifikant<br />

nicht signifikant<br />

nicht signifikant<br />

signifikant für das rechte Auge,<br />

p=0,43<br />

Tabelle 2: Ermittelung des Zusammenhangs zwischen<br />

Arbeitsplatzbedingungen und dem hypovolämischen „Trockenem Auge“ mittels<br />

logistischer Regression<br />

Diskussion<br />

Die Prävalenz des „Trockenen Auges“ variiert je nach zugrunde liegender Definition. In<br />

der Bundesrepublik Deutschland liegt sie zwischen 5,2 und 63% (12), große<br />

epidemiologische Studien ergaben eine Häufigkeit zwischen 10 bis 28,4% (7,10, 13).<br />

Die Diagnose des „Trockenen Auges“ variiert allein durch die unterschiedlichen<br />

Diagnosekriterien und der kumulativen Anwendung von Diagnosekriterien. Legt man bei<br />

der Diagnosestellung nicht nur ein Diagnosekriterium sondern mehrere Diagnosekriterien<br />

zu Grunde, erhöht sich die Häufigkeit der Diagnosestellung. Insofern wird die Häufigkeit<br />

des „Trockenen Auges“ in den unterschiedlichen Studien mit einem großen Streubereich<br />

angegeben. Dies ist bei einem Vergleich von Zahlen zur Häufigkeit bzw. der<br />

Diagnosestellung des „Trockenen Auges“ zu berücksichtigen. Die Häufigkeit des<br />

„Trockenen Auges“ bei augenfachärztlicher Untersuchung liegt bei ca. 20%. Die<br />

Häufigkeit der unterschiedlichen Formen des „Trockenen Auges“ am<br />

Bildschirmarbeitsplatz und nicht am Bildschirmarbeitsplatz in dieser Studie wird von einer<br />

positiven Selektion beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass sich Mitarbeiter<br />

insbesondere dann zu einer freiwilligen augenfachärztlichen Untersuchung meldeten,<br />

wenn bereits Beschwerden im Sinne eines „Trockenen Auges“ vorliegen. Es bestand<br />

kein Unterschied im Auftreten der beiden unterschiedlichen Formen des „Trockenen<br />

Auges“ zwischen Personen, die am Bildschirmarbeitsplatz arbeiteten oder nicht am<br />

Bildschirmarbeitsplatz arbeiten.<br />

Berufliche Risikofaktoren für das Auftreten eines „Trockenen Auges“ ohne<br />

Unterscheidung zwischen der hypovolämischen und hyperevaporativen Form konnten<br />

204


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

anhand dieser Studie nicht identifiziert werden, d.h. dass der Bildschirmarbeitsplatz<br />

dieser Untersuchung nach kein Risiko für das „Trockene Auge“ darstellt. Dieses Ergebnis<br />

stimmt mit anderen Studien überein, die in dem Bildschirmarbeitsplatz ebenfalls keinen<br />

Risikofaktor für das „Trockene Auge“ feststellen konnten (8). Hanne und Brewitt konnten<br />

in einer Studie keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Tränenfilminsuffizienz<br />

(TFI) zwischen der Studiengruppe mit Datensichtgerät und der Kontrollgruppe ohne<br />

Datensichtgerät feststellen.<br />

Jedoch zeigte sich bei der Gegenüberstellung und statistischen Auswertung der beiden<br />

Unterformen des „Trockenen Auges“, der hypovolämischen- und der hyperevaporativen<br />

Form, dass die hypovolämische Form statistisch gesehen in der logistischen Regression<br />

für das rechte Auge mit einer erhöhten Luftgeschwindigkeit und für das linke Auge mit<br />

einer geringen Luftfeuchtigkeit korrelierte.<br />

Somit ergeben sich Hinweise darauf, dass sich bei einem primären Tränenmangel im<br />

Sinne der hypovolämischen Form des „Trockenen Auges“ eine hohe Luftgeschwindigkeit<br />

und eine niedrige Luftfeuchtigkeit ungünstig auswirken können. Dies erscheint<br />

pathophysiologisch plausibel. Jedoch ergaben sich diese Zusammenhänge jeweils nicht<br />

für beide Augen, so dass dieses Ergebnis nur als Hinweis gewertet werden kann und<br />

weitere Untersuchungen in dieser Richtung notwendig erscheinen.<br />

Bei zukünftigen Untersuchungen sollte zudem die Blinzelfrequenz mit berücksichtigt<br />

werden. Aus der Literatur ergeben sich Hinweise, dass Naharbeit insgesamt zu einer<br />

Verringerung der Blinzelfrequenz führt (14). Es muss daher unterschieden werden, ob<br />

eine am Bildschirmarbeitsplatz vorliegende Sicca-Symptomatik auf eine verminderte<br />

Lidschlagaktivität mit einer zeitlich verlängerten Luft-Exposition der Augenoberfläche<br />

oder aber auf eine zu hohe Luftgeschwindigkeit bzw. zu niedrige Luftfeuchtigkeit<br />

zurückzuführen ist, so dass es zu einem Aufreißen des Tränenfilms kommt. Darüber<br />

hinaus ergibt sich die Frage, ob eine präexistente Erkrankung im Sinne des „Trockenen<br />

Auges“ durch Bildschirmarbeit verschlechtert werden kann. Als weiterer Faktor für die<br />

Entwicklung von Sicca-Beschwerden wird die Lidspaltenbreite diskutiert, die sich durch<br />

den bei der Bildschirmarbeit nach oben gerichteten Blickwinkel vergrößern kann und<br />

dadurch eine vergrößerte Verdunstungsoberfläche entsteht, die zu einer vermehrten<br />

Instabilität des Tränenfilms führen kann.<br />

Die Studienergebnisse zeigen, dass weiterer Forschungsbedarf zur Untersuchung des<br />

Einflusses des Bildschirmarbeitsplatzes auf das „Trockene Auge“ bei Unterscheidung<br />

zwischen der hypovolämischen und der hyperevaporativen Form unter Berücksichtigung<br />

205


V37<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

der Blinzelfrequenz, der Luftgeschwindigkeit und der Luftfeuchtigkeit sowie des<br />

Blickwinkels notwendig sind.<br />

Die Einhaltung der Arbeitsstättenverordnung mit Berücksichtigung der empfohlenen<br />

Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit stellt für den Bildschirmarbeitsplatz eine<br />

besondere Präventionsmaßnahme dar. Aus präventivmedizinischen Gründen sollten bei<br />

klinischen Beschwerden im Sinne eines „Trockenen Auges“ rechtzeitig medizinische<br />

Maßnahmen wie Benetzungsmittel ergriffen werden, um dem „Trockenen Auge“ wirksam<br />

entgegentreten zu können und Folgeschäden zu vermeiden. In der Regel kann mit<br />

diesen Benetzungsmitteln eine Beschwerdefreiheit erzielt werden (3-5).<br />

Literatur:<br />

1. Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz für arbeitsmedizinische<br />

Vorsorgeuntersuchungen „Bildschirmarbeitsplätze“ G 37 (mit Kommentar), SP 5.3<br />

(BGI 785).<br />

2. Bildschirm- und Büroarbeitsplätze. Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. SP 2.1<br />

(BGI 650) Dezember 2004.<br />

3. Brewitt H (2000) Das Trockene Auge. Z. prakt. Augenheilkd. 21, 52-58<br />

4. Brewitt H (1995) Diagnostik und Therapie des „trockenen Auges“ Z. prakt.<br />

Augenheilkd 16, 349- 354, 425-431<br />

5. Brewitt H, Kaercher T, Rüfer F (2008) Trockenes Auge und Blepharitis. Klin Mbl<br />

Augenheilkd 225, R 15 – R 30)<br />

6. G 37 Bildschirmarbeitsplätze. Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. HVBG 2004<br />

7. Caffrey B et al. (1998) The Canadian Dry Eye Epidemiology Study. Adv. Exp. Med.<br />

Biol. 438, 805-806<br />

8. Hanne H, Brewitt H: Changes in visual function caused by work at a data display<br />

terminal. Ophthalmologie 91 (1994) Nr. 1, S. 107-112.<br />

9. Horwath J, Schmut O (2000) Der Einfluß von Umweltfaktoren auf die Entstehung des<br />

trockenen Auges Contactologgia 22, 21-29<br />

10. Mc Carty et al. (1998) The epidemiology of dry eyes in Melbourne, Australia.<br />

Ophthalmology 105, 1114-1119<br />

11. Petersen J (2006) Bildschirmarbeitsplätze-eine arbeitsmedizinische Bewertung.<br />

Dtsch Ärzteblatt, 103 (30), 2047-52.<br />

12. Schirra F, Ruprecht K (2004) Das trockene Auge: Ein Update über Epidemiologie,<br />

Diagnose, Therapie und neue Konzepte. Der Ophthalmologe, 101 (1), 10-18<br />

13. Schein OD et al. (1997) Prevalence of dry eye among elderly. Am J. Ophthalmol.<br />

124, 723-728<br />

14. Ziemssen F et al (2005) Liedschlagaktivität während der Bildschirmarbeit. Der<br />

Ophthalmologe, 102, 805-11<br />

206


V38<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

Expositions-Wirkungsuntersuchung von Geruchsimmissionen<br />

und subjektiver Gesundheit und der Einfluss von Belästigung<br />

und Krankheit<br />

Kirsten Sucker 1 , Rolf Both 2 , Gerhard Winneke 3<br />

1<br />

BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />

Universität Bochum<br />

2<br />

Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NRW), Essen<br />

3<br />

vormals Medizinisches Institut für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine-Universität (MIU), Düsseldorf<br />

Ziel der Studie<br />

Geruchsimmissionen aus industriellen oder landwirtschaftlichen Anlagen geben häufig<br />

Anlass zu Beschwerden über Belästigungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen.<br />

Für Geruchsbelästigungen konnten Expositions-Wirkungsbeziehungen in Bezug auf<br />

Geruchshäufigkeit, Intensität und die angenehm-unangenehm Qualität (Hedonik) aus<br />

Rasterbegehungen in zwei Feldstudien (N = 2509) nachgewiesen werden [1, 2].<br />

Hinweise auf eine gesundheitsschädliche Wirkung von Geruchsstoffimmissionen wurden<br />

bis jetzt nur unter extremen, „Ekel und Übelkeit erregenden“<br />

Geruchsexpositionsbedingungen gefunden [3]. Unter moderaten<br />

Expositionsbedingungen scheint für die Angabe von gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen die Bewertung der wahrgenommenen Gerüche entscheidend zu sein<br />

[4, 5]. Daher wurde untersucht, welchen Einfluss die Belästigungsreaktion und das<br />

Vorliegen einer bestehenden Erkrankung (z.B. Asthma) auf den Zusammenhang von<br />

Geruchsexposition und der Häufigkeit von Symptomnennungen haben.<br />

Methoden<br />

An elf Standorten mit landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetrieben (Geflügel, Schwein,<br />

Rind) wurden Rasterbegehungen [6] zur Erhebung der Geruchsexposition durchgeführt.<br />

Mit einem standardisierten Fragebogen [7] wurden Anwohner zu Belästigungswirkungen,<br />

gesundheitlichen Beschwerden und relevanten Einflussgrößen befragt. Expositions-<br />

Wirkungszusammenhänge wurden mittels multipler logistischer Regressionsanalysen<br />

analysiert.<br />

Ergebnisse<br />

Der Zusammenhang zwischen Geruchsimmission und Symptomnennungen ist<br />

signifikant, allerdings verschwindet er, wenn die Geruchsbelästigung als Einflussgröße<br />

im Regressionsmodell berücksichtigt wird. Obwohl die Häufigkeit der<br />

Symptomnennungen stark vom Vorliegen einer Erkrankung abhängig wird, bleibt die<br />

Belästigungsreaktion ein signifikanter Einflussfaktor (siehe Abbildung 1).<br />

207


V38<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

OR mit 95% KI<br />

P < 0.05<br />

P < 0.10<br />

Geruchbelastung Belästigung Erkrankung<br />

Abbildung 1: Ergebnisdarstellung der multiplen logistischen Regressionsanalysen zum<br />

Einfluss der Geruchsbelastung (Geruchshäufigkeit, logarithmiert (ld)), der Geruchsbelästigung<br />

(Thermometerskala mit Werten von 0-10) und dem Vorliegen einer<br />

Erkrankung (z.B. Asthma, Allergie, Migräne etc.) auf die Häufigkeit gesundheitlicher<br />

Beschwerden (Häufigkeit: 3-oft oder 4-dauernd) unter Berücksichtigung der Störgrößen<br />

Alter, Geschlecht, Schulbildung, Gesundheitsunzufriedenheit, schlechte<br />

Wohnqualität, Lärmbelästigung und Engagement in der Nachbarschaft<br />

Diskussion<br />

Unter moderaten Geruchsexpositionsbedingungen ist die Geruchsbelästigung die<br />

zentrale Wirkungskategorie. Auch für die Nennung gesundheitlicher Beschwerden zeigt<br />

sich ein Zusammenhang mit der Geruchsexposition. Dieser Zusammenhang wird jedoch<br />

im Wesentlichen durch die Geruchsbelästigung vermittelt und ist auch abhängig vom<br />

Vorliegen einer Erkrankung. Somit kann die Angabe gesundheitlicher Beschwerden als<br />

weiterer Parameter für die Erfassung einer vorliegenden Geruchsbelästigung genutzt<br />

werden. Ob mit Hilfe der Angaben zu gesundheitlichen Beschwerden auch eine<br />

differenzierende Erfassung einer unangemessenen Belästigung (z.B. durch<br />

ekelerregende Gerüche) möglich ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen.<br />

Literatur<br />

1. Sucker K, Both R, Bischoff M, Guski R, Winneke G. Odor frequency and odor<br />

annoyance. Part II: dose-response associations and their modification by hedonic<br />

tone. International Ant Arch Occup Enrion Health (2008); 81(6): 683-94<br />

2. Sucker K, Müller F, Both R. Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft, Bericht zu<br />

Expositions-Wirkungsbeziehungen, Geruchshäufigkeiten, Intensität, Hedonik und<br />

Polaritätenprofilen. Materialien Band 73 (2006); Essen: Landesumweltamt LUA<br />

3. Steinheider B, Winneke G, Schlipköter H-W. Somatische und psychische<br />

Wirkungen intensiver Geruchsimmissionen. Eine Fallstudie aus der<br />

Substratherstellung für die Champignonzucht. Staub – Reinh Luft (1993); 53:<br />

425-31<br />

208


V38<br />

Vorträge – Sinnesphysiologie<br />

4. Cavalini PM, Koeter-Kemmerling LG, Pulles MPJ. Coping with odor annoyance<br />

and odor concentration: three field studies. J Environ Psychol (1991); 11: 123-142<br />

5. Steinheider B, Both R, Winneke G. Field studies on environmental odours<br />

inducing annoyance as well as gastric and general health-related symptoms<br />

(1998); Psychophysiology (1998); Supplement 1: 64-79<br />

6. VDI 3940 Blatt 1 (2006) Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch<br />

Begehungen – Bestimmung der Immissionshäufigkeit von erkennbaren Gerüchen<br />

– Rastermessung. Berlin: Beuth-Verlag<br />

7. VDI 3883 Blatt 1. Wirkung und Bewertung von Gerüchen – Psychometrische<br />

Erfassung der Geruchsbelästigung – Fragebogentechnik. (1997). Berlin: Beuth-<br />

Verlag (wird zurzeit überarbeitet, Gründruck voraussichtlich Ende <strong>2009</strong>)<br />

209


V39<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Bereits bei jungen Männern führt Übergewicht zu negativen<br />

Auswirkungen auf das Herz- Kreislaufsystem - Betriebliche<br />

Gesundheitsförderung muss frühzeitig beginnen<br />

Klaus Schmid 1 , Jana Schönlebe 1 , Hans Drexler 1 , Michael Mück-Weymann 2<br />

1 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen/Nürnberg<br />

2<br />

Institut für Verhaltensmedizin und Prävention, Private Universität für Gesundheitswissenschaften,<br />

Medizinische Informatik und Technik, Hall, Österreich<br />

Ziel:<br />

Steigendes Körpergewicht durch den Rückgang körperlicher Aktivität in Kombination mit<br />

hyperkalorischer Ernährung kann gegenwärtig als wesentliches gesundheitliches Risiko<br />

für Kinder und Jugendliche in westlichen Industrienationen angesehen werden.<br />

Eine verminderte Herzfrequenzvariabilität als Ausdruck einer gestörten neurokardialen<br />

Balance scheint ein unabhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit in verschiedenen<br />

Patientengruppen zu sein, zum Beispiel bei Patienten mit Zustand nach Myokardinfarkt<br />

oder bei älteren Patienten [1]. Mehrere Untersucher konnten eine verminderte<br />

Herzfrequenzvariabilität bei übergewichtigen Personen feststellen. Eine gestörte<br />

neurokardiale Balance könnte deshalb an den Mechanismen beteiligt sein, die bei<br />

übergewichtigen Personen zu Bluthochdruck, Arrhythmien und plötzlichem Herztod<br />

führen [2-6]. Im Gegensatz dazu konnten Antelmi et al. bei Personen ohne<br />

Herzerkrankung keine Korrelation zwischen der Herzfrequenzvariabilität und dem BMI<br />

finden [7]. Während bisherige Studien überwiegend bei älteren Personen bzw. bei<br />

Patienten mit Herzerkrankungen durchgeführt wurden [2], liegen nur einige<br />

Untersuchungen bei übergewichtigen Jugendlichen vor, meist handelt es sich jedoch um<br />

Studien mit einer kleinen Fallzahl [5,6].<br />

Wir konnten den Zusammenhang zwischen Übergewicht, Herzfrequenzvariabilität und<br />

Wohlbefinden in einer großen Kohorte junger wehrpflichtiger Männer untersuchen.<br />

Methoden:<br />

Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden im Zeitraum von April 2005 bis Januar 2006<br />

von 1000 wehrpflichtigen jungen Männern Alter, body-mass Index (BMI), Herzfrequenz,<br />

Blutdruck, sportliche Aktivität, Schlafdauer und psychische Gestimmtheit (WHO-5-<br />

Fragebogen [8]) erfasst. Autonome kardiale Steuerungsprozesse wurden mittels Polar®<br />

Sender-Set T31 und Polar® Advantage TM als Empfänger online als RR-Zeitreihe<br />

aufgezeichnet. Dieses System zeichnet sich durch einfache Handhabbarkeit und<br />

ausreichende Messgenauigkeit aus [9]. Zur Beurteilung herangezogen wurden der<br />

210


V39<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Zeitbereichsparameter RMSSD und der Frequenzbereichsparameter LF/HF während<br />

einer 3minütigen Messung der Herzfrequenzvariabilität in Ruhe.<br />

Ergebnisse:<br />

In die Auswertung wurden nur Personen einbezogen, die keine Medikamente oder<br />

Drogen einnahmen (n= 786; mittleres Alter: 19,4 1,4 Jahre).<br />

Die Klassifikation von Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht und Adipositas<br />

entsprechend dem BMI erfolgte nach den WHO Kriterien [10]. 71,6% der Untersuchten<br />

hatten Normalgewicht, 6,6% Untergewicht, 17,3% Übergewicht und 4,5% waren adipös.<br />

Erhöhte Blutdruckwerte (RR sys. ≥ 140mmHg und/oder RR diast. ≥ 90 mmHg) wiesen 33,6%<br />

der Untersuchten auf. Sportlich aktiv waren 70,2%, 14% klagten über Schlafstörungen.<br />

Bei der Messung der Herzfrequenzvariabilität lag in der Gesamtgruppe der Parameter<br />

RMSSD bei 50,7 ms (Median, 25. und 75. Perzentile: 33,3 ms - 73,5 ms), das Verhältnis<br />

LF/HF bei 1,99 (Median, 25. und 75. Perzentile: 1,31 – 3,20).<br />

Signifikante Unterschiede zwischen Untergewichtigen, Normalgewichtigen,<br />

Übergewichtigen und Adipösen zeigten sich bei den Parametern Alter, Sportliche<br />

Aktivität (h/Woche), systolischer und diastolischer Blutdruck, Herzfrequenz, RMSSD und<br />

LF/HF Quotienten (Abbildung 1).<br />

Personen mit einem verminderten Wohlbefinden (WHO-5


V39<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

nachweisbar sind. Eine ausreichend früh begonnene Primärprävention, vorzugsweise<br />

mittels Lebensstilintervention, könnte wesentlich zur Reduktion des Risikos kardiovaskulärer<br />

Erkrankungen beitragen. Für die betriebliche Gesundheitsförderung stellen<br />

daher auch junge Arbeitnehmer eine wichtige Zielgruppe dar.<br />

Die Aussagefähigkeit der Ergebnisse ist insoweit begrenzt als nur Männer untersucht<br />

wurden. Da die Messungen als Kurzzeitmessungen im Rahmen einer<br />

Reihenuntersuchung während der Stresssituation „Musterung“ durchgeführt wurden, sind<br />

mögliche Störeinflüsse bei der Messung der Herzfrequenzvariabilität zu bedenken. Diese<br />

Störeinflüsse dürften jedoch bei allen Gruppen gleichermaßen vorhanden gewesen sein.<br />

Literatur:<br />

1. Kristal-Boneh E, Raifel M, Froom P, Ribak J. Heart rate variability in health and<br />

disease. Scand J Work Environ Health 1995; 21:85-95.<br />

2. Piestrzeniewicz K, Luczak K, Lelonek M et al. Obesity and heart rate variability in<br />

men with myocardial infarction. Cardiol J 2008;15:43-9.<br />

3. Karason KK, Mølgaard H, Wikstrand J et al. Heart rate variability in obesity and<br />

the effect of weight loss. Am J Cardiol 1999;83:1242-1247.<br />

4. Guizar JM, Ahuatzin R, Amador N et al. Hart autonomic function in overweight<br />

adolescents. Indian Pediatrics 2005;42:464-469.<br />

5. Rabbia F, Silke B, Conterno A et al. Assessment of cardiac autonomic modulation<br />

during adolescent obesity. Obes Res 2003;11:541-548.<br />

6. Gutin B, Barbeau P, Litaker MS et al. Heart rate variability in obese children:<br />

Relations to total body and visceral adiposity, and changes with physical training<br />

and detraining. Obesity Research 2000;8:12-19.<br />

7. Antelmi I, De Paula RS, Shinzato AR et al. Influence of age, gender, body mass<br />

index, and functional capacity on heart rate variability in a cohort of subjects<br />

without heart disease. Am J Cardiol 2004;93:381-385.<br />

8. Psychiatric Research Unit, WHO Collaborating Centre in Mental Health. WHO-<br />

Five Well-being Index (WHO-5) (Version 1998), http://www.who-5.org/ Accessed<br />

October 9, 2008.<br />

9. Radespiel-Tröger M, Rauh R, Mahlke C, Gottschalk T, Mueck-Weymann M.<br />

Agreement of two different methods for measurement of heart rate variability. Clin<br />

Auton Res 2003;13:99-102.<br />

10. World Health Organization. The International Classification of adult underweight,<br />

overweight and obesity according to BMI.<br />

http://www.who.int/bmi/index.jsp?introPage=intro_3.html Accessed October 9,<br />

2008<br />

212


V39<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Tabelle 1: Median, 25. und 75. Perzentile bei Männern mit Untergewicht, Normalgewicht,<br />

Übergewicht und Adipositas.<br />

Untergewicht<br />

Normalgewicht<br />

Übergewicht<br />

Adipositas<br />

n=52<br />

n=563<br />

n=136<br />

n=35<br />

Alter (Jahre)* 18.8<br />

18.8<br />

20.5<br />

19.2<br />

(18.1 – 20.9)<br />

(18.1 – 20.8)<br />

(18.3 – 20.9)<br />

(18.1 –20.8)<br />

Sport (h/Woche)* 1.5<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.5<br />

(0-3.9)<br />

(0-5.6)<br />

(0-5.0)<br />

(0-4.6)<br />

Schlaf<br />

7.0<br />

7.5<br />

7.5<br />

7.5<br />

(h/Nacht)<br />

(6.5-8.0)<br />

(6.5 -8.0)<br />

(6.5-8.0)<br />

(7.0-8.0)<br />

Wohlbefinden<br />

16<br />

17<br />

16<br />

16<br />

(WHO-5-Sore)<br />

(13-19)<br />

(14-19)<br />

(14-18)<br />

(12-19)<br />

RR sys<br />

120<br />

130<br />

140<br />

145<br />

(mmHg)*<br />

(115-130)<br />

(125-140)<br />

(130-140)<br />

(135-155)<br />

RR diast<br />

68<br />

70<br />

75<br />

85<br />

(mm Hg)*<br />

(60-70)<br />

(60-70)<br />

(70-80)<br />

(80-90)<br />

Herzfrequenz<br />

77<br />

75<br />

77<br />

80<br />

(1/min)*<br />

(69-88)<br />

(66-86)<br />

(71-87)<br />

(74-97)<br />

RMSSD<br />

55.4<br />

53.8<br />

43.2<br />

38.2<br />

(ms)*<br />

(39.0 – 80.2)<br />

(34.6 – 75.9)<br />

(26.6 – 59.0)<br />

(19.4 – 55.3)<br />

LF/HF* 1.96<br />

1.98<br />

2.70<br />

2.75<br />

(1.31 – 3.38)<br />

(1.30 – 3.34)<br />

(1.52 – 4.48)<br />

(1.53 – 5.57)<br />

*Die Gruppen unterscheiden sich signifikant (Kruskal Wallis Test)<br />

213


V39<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Tabelle 2: Median, 25. und 75. Perzentile bei Männern mit normalem und vermindertem<br />

Wohlbefinden<br />

Wohlbefinden<br />

“normal”<br />

WHO-5 ≥ 13<br />

n=642<br />

Vermindertes<br />

Wohlbefinden<br />

WHO-5 < 13<br />

n=144<br />

Alter (Jahre)* 18.9 (18.1 – 20.8) 19.7 (18.1 – 20.9)<br />

Sport (h/Woche)* 3.0 (0-6.0) 1.5 (0-3.5)<br />

Schlaf<br />

7.5 (7.0-8.0) 7.0 (6.0 -7.9)<br />

(h/Nacht)*<br />

BMI<br />

22.1(20.3-24.4) 22.7(20.5-24.7)<br />

(kg/m 2 )<br />

RR sys<br />

130(125-140) 135 (125-140)<br />

(mmHg)*<br />

RR diast<br />

70(60-75) 70 (65-79)<br />

(mm Hg)<br />

Herzfrequenz<br />

76 (68-86) 77 (67-87)<br />

(1/min)<br />

RMSSD<br />

50.8 (33.4 – 73.7) 50.5 (32.6 – 72.2)<br />

(ms)<br />

LF/HF 2.06 (1.31 – 3.61) 2.30 (1.42 – 3.48)<br />

* Die Gruppen unterscheiden sich signifikant (Mann-Whitney-U test)<br />

214


V40<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit kann über eine gute<br />

Arbeitsfähigkeit verfügen.*<br />

Hans Martin Hasselhorn, Sascha Schmidt, Jian Li, Bernd H. Müller<br />

Arbeitsgruppe >Empirische Arbeitsforschung


V40<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Fokus der Analysen lag auf den 512 Pflegenden, die eine schlechte Gesundheit berichtet<br />

hatten.<br />

Gesundheit wurde gemessen mit der general health scale aus dem SF 36 [4], die<br />

Spanne reichte von 0 (schlechte Gesundheit) bis 100 (maximale Gesundheit). Werte<br />

unter 41 wurden als „schlechte Gesundheit“ gewertet. Arbeitsfähigkeit wurde mit der<br />

ersten Frage des Work Ability Index (WAI) [3] erfasst: „Wie schätzen Sie Ihre derzeitige<br />

Arbeitsfähigkeit in Bezug zur jemals besten AF ein?“ (visuelle Analogskala von 0 [keine<br />

AF] bis 10 [gegenwärtig beste Arbeitsfähigkeit], 7-10 wurde als „hohe Arbeitsfähigkeit“<br />

gewertet). Auf die Verwendung des gesamten WAI wurde verzichtet, da drei der sieben<br />

Dimensionen stark gesundheitsbezogen sind.<br />

Verschiedene Aspekte der Arbeitsexposition sowie Affektivität wurden mit diversen<br />

Skalen untersucht, die von Kümmerling et al im Detail beschrieben worden sind [6].<br />

T-Tests und Chi 2 Tests wurden zum Gruppenvergleich, bivariate und multiple Logistische<br />

Regressionsanalysen (forcierte Eingabe) zur inferenzstatistischen Analyse sowie twostep<br />

Clusteranalysen wurden verwendet.<br />

Ergebnisse<br />

Von den 3463 Teilnehmern, hatten 512 (14,8%) eine schlechte Gesundheit. Diese<br />

Gruppe unterschied sich von der mit „guter Gesundheit“ signifikant durch ihr etwas<br />

höheres Alter (39,2 vs. 38,0, p


V40<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

niedrige Arbeitsfähigkeit<br />

N=321<br />

63%<br />

46<br />

50<br />

97<br />

80 82<br />

hohe Arbeitsfähigkeit<br />

81<br />

N=191<br />

37%<br />

20<br />

0<br />

21 4 23<br />

19<br />

9<br />

Abbildung 1. Verteilung von 512 Pflegenden mit schlechter Gesundheit in Bezug auf<br />

Arbeitsfähigkeit. Y-Achse zeigt Anzahl der Teilnehmer an.<br />

Im letzten Analyseschritt wurde die Gruppe der Pflegenden mit schlechter Gesundheit<br />

mittels two step Clusteranalyse aufgrund der drei im multivariaten Modell ermittelten<br />

Variablen sowie Arbeitsfähigkeit charakterisiert. 3 Gruppen wurden im signifikanten<br />

Modell identifiziert, denen 87 % aller Teilnehmer zugeordnet werden konnten (Tabelle 1).<br />

Während Gruppe A weitgehend günstige und Gruppe C zumeist ungünstige Belastungsund<br />

Beanspruchungsindikatoren aufweist, ist Gruppe B die interessante: Trotz hoher<br />

körperlicher Exposition, sehr schlechter Gesundheit und hoher negativer Affektivität<br />

verfügt sie mit einem WAI1 Wert von 6,0 über eine passable Arbeitsfähigkeit. Von der<br />

ungünstigen Gruppe C, die mit 4,3 im Mittel eine schlechte Arbeitsfähigkeit aufweist,<br />

unterscheidet sie sich vor allem durch ein geringeres Alter und vor allem durch gute<br />

soziale Beziehungen (sowie höhere Arbeitszufriedenheit).<br />

Gruppe A<br />

(N=146, 29%)<br />

Gruppe B<br />

(N=121, 24%)<br />

Gruppe C<br />

(N=176, 34%)<br />

Clustervariablen:<br />

Arbeitsfähigkeit 6,7 6,0 4,3<br />

Körperliche Exposition geringer hoch mittel<br />

Arbeitsplatzunsicherheit niedrig mittel hoch<br />

Soziale Beziehungen mittel gut schlecht<br />

Weitere Variablen:<br />

Negative Affektivität gering hoch hoch<br />

Arbeitszufriedenheit hoch hoch gering<br />

Gesundheit schlecht sehr schlecht sehr schlecht<br />

Alter jünger (Ǿ 37 Jahre) mittel (Ǿ 38 J.) älter (Ǿ 41 J.)<br />

Tabelle 1. Zuordnung von 443 Pflegenden mit schlechter Gesundheit mittels Clusteranalyse zu<br />

drei Gruppen A bis C, sowie deren Charakterisierung mittels weiterer Variablen. Grün = günstige<br />

Werte, Rot = ungünstige Werte.<br />

217


V40<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Diskussion<br />

Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch Pflegepersonal mit schlechter Gesundheit eine<br />

hohe Arbeitsfähigkeit aufweisen kann. Damit bestätigen unsere Ergebnisse recht deutlich<br />

das eingangs diskutierte interaktionistische Verständnis von Arbeitsfähigkeit.<br />

Die multivariate und Clusteranalyse weist darauf hin, dass es möglicherweise vor allem<br />

gute Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sind, die es Pflegenden ermöglichen, trotz<br />

schlechter Gesundheit eine hohe Arbeitsfähigkeit beizubehalten. Dies erscheint logisch,<br />

denn gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz legen kollegiale Entlastung nahe und<br />

könnten so die Auswirkungen schlechter Gesundheit auf die Arbeitsfähigkeit deutlich<br />

abpuffern. So erlaubt möglicherweise ein positives und kooperatives Arbeitsmilieu es<br />

Pflegepersonal mit Gesundheitseinschränkungen, die erlebten Defizite zu kompensieren<br />

und sich als einen gut arbeitsfähigen Teil der Arbeitsgemeinschaft zu erleben. In diesem<br />

Punkte wurde<br />

Überraschend ist allerdings, dass bei den Analysen keine weiteren Arbeitfaktoren mit<br />

ähnlicher Wirkung identifiziert werden konnten.<br />

Literatur<br />

1. Berufe im Spiegel der Statistik 1999 – 2007,<br />

http://www.pallas.iab.de/bisds/Data/seite_853_BO_a.htm<br />

2. Ilmarinen J, TuomiK. Past present and future of work ability. In: Ilmarinen, J.;<br />

Lehtinen, S. (Hrsg.): Past present and Future of Work Ability – People and Work<br />

Research Report 65, Finnish Institute of Occupational Health, Helsinki, 2004, S. 1-<br />

25<br />

3. Hasselhorn HM, Freude G. Der Work Ability Index – ein Leitfaden. Schriftenreihe<br />

der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, NW Verlag Bremerhaven,<br />

2007, ISBN 978-3-86509-6, 2007. 56 Seiten<br />

4. Ware JE, Sherboune CD. The MOS 36-item short-form health survey (SF-36). I.<br />

Conceptual framework and item selection. Med Care. 1992;30:473-83<br />

5. Hasselhorn HM, Müller BH, Tackenberg P, Kümmerling A, Simon M (Hrsg.).<br />

Berufsausstieg bei Pflegepersonal – Arbeitsbedingungen und beabsichtigter<br />

Berufsausstieg bei Pflegpersonal in Deutschland und Europa. Schriftenreihe der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Ü 15. NW Verlag<br />

Bremerhaven, 2005, ISBN 3-86509-247-0, 166 Seiten<br />

6. Kümmerling A, Hasselhorn HM, Tackenberg P. Psychometric properties of the<br />

scales used in the NEXT-Study. In: Hasselhorn HM, Tackenberg P, Müller B (Hrsg.)<br />

Working conditions and intent to leave the profession among nursing staff in<br />

Europe. Working Life Research Report 7:2003 National Institute for Working Life<br />

Stockholm 2003 ISSN 1404-790X pp 237-258<br />

7. Vaupel JW, von Kistowski KG. Die Plastizität menschlicher Lebenserwartung und<br />

iher Konsequenzen. In Gruss P: Die Zukunft des Alterns. CH Beck oHG, München,<br />

2007, S. 51-78<br />

218


V41<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Selbsteinschätzung des körperlichen und psychischen<br />

Gesundheitszustandes der Mitarbeiter eines Industriebetriebes<br />

(AUDI AG) im Vergleich zu einer Bevölkerungsstichprobe<br />

(Deutsche Normstichprobe)<br />

Mekail-Cem Keskin 1 , Anja Kühnlein 2 , Katja Radon 2 , Joachim Stork 1<br />

1 Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG Ingolstadt<br />

2<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximillians-Univesität München<br />

Der Beitrag wurde zurückgezogen.<br />

219


V42<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Gesunde Arbeit in kleinen und mittleren Unternehmen -<br />

Ergebnisse einer Befragung zum Stand und Bedarf bei kleinen<br />

und mittleren Unternehmen<br />

Rudolf C. Zelfel 1 , Torsten Alles 1 , Andreas Weber 2<br />

1 IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation, Deutsche Sporthochschule Köln<br />

2 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) (Essen)<br />

Ziel der Studie<br />

Das Institut führt im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das<br />

bundesweite Projekt „Gesunde Arbeit“ durch. In diesem Projekt werden durch<br />

Regionalstellen „Gesunde Arbeit“ Beratungs- und Vermittlungsleistungen für kleine und<br />

mittlere Unternehmen zum Betriebliches Gesundheitsmanagement, zur altersgerechten<br />

Personalentwicklung und zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen erbracht.<br />

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurde eine Befragung von kleinen und<br />

mittleren Unternehmen (KMU) vom iqpr mit einem beauftragten sozialwissenschaftlichen<br />

Institut TARGET GROUP GmbH, Nürnberg, durchgeführt. Es wurden 1.441 KMU<br />

interviewt. Ziel der Befragung war es, eine Bestandsaufnahme in KMU durchzuführen<br />

und Beratungsbedarfe zum Themengebiet „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ mit<br />

all seinen Facetten exakter abzuleiten.<br />

Die Themenliste der Befragung ergibt sich aus den fünf Handlungsfeldern des Projektes<br />

„Gesunde Arbeit“:<br />

a) Betriebsstruktur: Gewerbezweig, Branche, Mitarbeiter<br />

b) Beschäftigungsstruktur: Altersverteilung, Geschlechtsverteilung, Anteil<br />

Schwerbehinderter und Gleichgestellter, Anteil von Beschäftigten mit schwerer<br />

körperlicher Arbeit, mit Schichtarbeit, Anteil Leiharbeit<br />

c) Gesundheitsstatus im Betrieb: Krankheitsbedingte Fehlzeiten, Dauer, Häufigkeit<br />

und Terminierung, Existenz einer systematischen Auswertung von<br />

krankheitsbedingten Fehlzeiten<br />

d) Betriebliche Unterstützungssysteme: Mitarbeitervertretung/Betriebsrat,<br />

Schwerbehindertenvertretung, arbeits- und betriebsärztliche Versorgung,<br />

betrieblicher Ansprechpartner für erkrankte Mitarbeiter<br />

e) Arbeits- und Gesundheitsschutz: Umsetzung, Unterstützung des Betriebes durch<br />

Dritte<br />

f) Betriebliches Eingliederungsmanagement: Bekanntheit, Umsetzung,<br />

Unterstützung des Betriebes durch Dritte<br />

220


V42<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

g) Betriebliche Gesundheitsförderung: Umsetzung, Integration in<br />

Unternehmenspolitik, Bestehen einer Integrationsvereinbarung, Unterstützung<br />

durch Dritte<br />

h) Demografischer Wandel: Einschätzung der Situation, Zukunftserwartung,<br />

Konsequenzen für den eigenen Betrieb<br />

i) Beratungsbedarf der Unternehmen in Bezug auf die Handlungsfelder des<br />

Projektes „Gesunde Arbeit“.<br />

Methodisches Vorgehen<br />

Die Befragung führte das beauftragte Institut mit Hilfe des CATI (Computer Assisted<br />

Telephone Interview) Verfahrens im Juni/Juli 2008 durch. Insgesamt wurden 1.441<br />

Betriebe in den sieben Regionen in der Bundesrepublik befragt. Es wurden vier<br />

Betriebsgrößenklassen gebildet: I: 0


V42<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

(31% bzw. 43%). Fast zwei Drittel in den beiden größeren Klassen konnten die Fehltage<br />

nicht benennen. Bei Dauer und Häufung der Erkrankungen gab es keine nennenswerten<br />

Unterschiede in den Klassen. Etwa 27% der Betriebe ergreifen keine Maßnahmen bei<br />

der Rückkehr in den Betrieb. Als häufigste Maßnahmen werden Rückkehrgespräch<br />

(35,8%) bzw. Arbeitszeitreduzierung (32,5%) genannt. Im Durchschnitt haben 3,3% der<br />

Betriebe in den letzten beiden Jahren einmalig krankheitsbedingte Kündigungen<br />

ausgesprochen. Mehrfache krankheitsbedingte Kündigungen gab es bei 0,7% der<br />

Betriebe.<br />

Nur gut ein Drittel der Befragten (34,2%) gibt an, den Begriff „Betriebliches<br />

Eingliederungsmanagement“ (BEM) zu kennen. Die Antworten variieren nach<br />

Betriebsgröße. Von den Betrieben, denen der Begriff BEM bekannt ist, ist wiederum<br />

einem Drittel (32,5%) nicht bekannt, dass dies seit dem 1.7.2004 einer gesetzlichen<br />

Regelung unterliegt. Regionale Unterschiede konnten nicht festgestellt werden.<br />

Drei Viertel der Betriebe (75,6%) geben an, dass in ihren Betrieben Maßnahmen zum<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz umgesetzt werden, davon über 50% bei<br />

Kleinstbetrieben und über 90% in der Größenklasse IV. Der Anteil der Betriebe mit<br />

mindestens einem Arbeitsunfall in den letzten 12 Monaten beträgt 40,2%. Der Anteil ist<br />

bei größeren Betrieben mit 77,4% deutlich höher als bei Kleinstunternehmen (9,1%). Die<br />

Betriebe wurden auch nach der betriebsärztlichen Versorgung befragt. Kleine und<br />

mittlere Unternehmen haben oft keinen eigenen betriebsärztlichen Dienst, sondern<br />

nehmen diesen entweder in Kooperation (z. B. Arbeitsmedizinische Zentren) oder durch<br />

externe Dienstleister wahr. Bei Unternehmen der Klasse III (50 bis 150 Beschäftigte)<br />

geben 7,4% an, einen eigenen Betriebsarzt/-ärztin zu haben, bei über 150 Beschäftigten<br />

sind es 13,4%. 50% bzw. 55% der Unternehmen der beiden größeren Betriebsklassen<br />

erhalten die betriebsärztliche Versorgung über Kooperation, weitere 15% bzw. 17% über<br />

private Dienstleister.<br />

In 32,8% der befragten Betriebe werden Hilfen zum Erhalt oder zur Verbesserung der<br />

Gesundheit angeboten. Die Unterschiede in den Klassen sind groß: I: 20,1%, II: 27,2%,<br />

III: 37,8%, IV: 59,5%. Als Maßnahmen werden genannt: Ergonomische Gestaltung von<br />

Arbeitsplätzen (über 90%) und Arbeitszeitgestaltung (ca. 90%). Weniger genannt werden<br />

Gesundheitsworkshops oder -veranstaltungen zu Stressbewältigung, Rückenschule,<br />

Bewegung, Ernährung oder Sucht w und zwar in den Betrieben bis 150 Mitarbeitern<br />

zwischen 32,4% und 47,8%, in der größten Klasse 71,4%. Die meisten Arbeitsplätze sind<br />

rauchfrei und zwar in Kleinstbetrieben 91,2%, in den größten Betrieben 82,9%. Es gibt<br />

nur in 11,9% der Betriebe Betriebsvereinbarungen zur Gesundheitsförderung,<br />

222


V42<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

andererseits werden Mitarbeiter/innen dagegen in hohem Maß an der Gestaltung ihres<br />

Arbeitsplatzes beteiligt und zwar umso mehr, je kleiner der Betrieb ist: I 95,6%, II 90,5%,<br />

III 87,7%, IV 84,3%.<br />

Demografischer Wandel: Etwa die Hälfte aller Befragten (47,8%) glaubt, dass der<br />

demografische Wandel auch Auswirkungen auf das eigene Unternehmen hat. Der<br />

prozentuale Anteil steigt mit der Betriebsgröße. Als Auswirkungen werden genannt: Mehr<br />

ältere Mitarbeiter/innen (53,8%), fehlende jüngere Fachkräfte (20,6%), nachlassende<br />

Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit (14,9%) sowie ein höherer Krankenstand (12,8%).<br />

Nur 19,3% aller Unternehmen geben an, den demografischen Wandel in der<br />

Personalpolitik zu berücksichtigen. In der größten Klasse IV sind es 29,7%, bei<br />

Kleinstunternehmen nur 6,2%. Als Maßnahmen werden genannt: Nachwuchsförderung<br />

durch Ausbildung (40,6%) und vermehrte Einstellung von jungem Fachpersonal (24,1%).<br />

Über ein Drittel der Betriebe (36,3%, Kleinstbetriebe 26,9%) gibt an, bei<br />

Personalentscheidungen die Alterszusammensetzung zu berücksichtigen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Fehlzeiten werden in den Unternehmen nur zum Teil systematisch erfasst. Deshalb<br />

ist anzunehmen, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement nicht oder zu spät<br />

eingeleitet wird. Betriebliches Eingliederungsmanagement sowie die gesetzliche<br />

Verpflichtung ist bei 83% der Kleinstbetriebe und 72% der Betriebe unter 50<br />

Beschäftigten nicht bekannt. Der Präventionsgedanke, den der Gesetzgeber in<br />

§ 84 SGB IX formuliert hat, ist in den Betrieben noch nicht umgesetzt.<br />

Prävention und Gesundheitsförderung werden in der Breite möglicher Maßnahmen noch<br />

nicht genutzt. Sie beschränkt sich dies auf Arbeitsplatz- sowie die Arbeitszeitgestaltung.<br />

75% der Unternehmen haben noch keine Anstrengungen unternommen, ihre<br />

Personalpolitik dem demografischen Wandel anzupassen. Hier besteht offensichtlich ein<br />

Bedarf, Unternehmen im betrieblichen Alternsmanagement aufzuklären, zu unterstützten<br />

und ggf. mit geeigneten Dienstleistern für das Unternehmen angepasste Lösungen zu<br />

finden.<br />

Die Befragung der 1.441 KMU ergibt eine gute Bestandsaufnahme zum Stand des<br />

Betrieblichen Gesundheitsmanagement, die durchaus auf andere Regionen in der<br />

Bundesrepublik übertragbar ist. Der Bekanntheitsgrad von BEM aus anderen Studien<br />

Marfels/Niehaus [2008] (66,6%), Köpke [2008] (66,6%) konnte nicht bestätigt werden<br />

(34,8%). Auch die Ergebnisse für betriebliche Gesundheitsförderung lagen mit 32,8%<br />

deutlich niedriger als in anderen Studien DRV [2008] 41%, Meyer [2008] 45%.<br />

223


V42<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Literatur<br />

DRV Bund (Hrsg.). Regionale Initiative Betriebliches Eingliederungsmanagement.<br />

Abschlussbericht über das Modellprojekt. Berlin: DRV Bund, o. J. (2008).<br />

Köpke, K.H. Praxisprobleme des BEM in der betrieblichen Prävention, Vortrag in der<br />

Tagung des Sozialrechtsverbunds Norddeutschland 6./7.11.2008<br />

Meyer, J. Hrsg. von der Techniker-Krankenkasse. Gesundheit in KMU: Widerstände<br />

gegen betriebliches Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen.<br />

Hamburg: Techniker Krankenkasse, 2008<br />

Niehaus, M., Magin, J., Marfels, B., Vater, E.G. & Werkstetter, E. Betriebliches<br />

Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen<br />

Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Köln. Bonn: Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales, Referat Information, 2008.<br />

224


V43<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Älter, kränker, verbrauchter - Und doch lieber keine Reha?<br />

Rehabilitationsbedürftigkeit und Reha-Antragsverhalten bei<br />

Versicherten der DRV Westfalen aus kleinen und mittleren<br />

Unternehmen - Ergebnisse aus der KoRB-Studie<br />

Jochen Heuer 1 , Bettina Hesse 1 , Erika Gebauer 2<br />

1<br />

Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Münster<br />

2<br />

Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Münster<br />

Hintergrund und Ziele<br />

Die demographische Entwicklung in Deutschland stellt den Arbeitsmarkt vor große<br />

Herausforderungen: Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und wird immer älter. Mit<br />

zunehmendem Alter wiederum steigt das Risiko für chronische Erkrankungen. Gerade<br />

jetzt kommen auch die geburtenstarken Jahrgänge in ein Alter, in dem sich physische<br />

und psychische Belastungen zu gesundheitlichen Störungen aufsummieren können.<br />

Alles in allem wird daher der Rehabilitationsbedarf steigen. Gleichzeitig werden sich die<br />

Arbeitgeber auf eine Verknappung der Ressource Arbeitskraft einstellen müssen. Aus<br />

diesen Gründen muss dafür Sorge getragen werden, dass immer mehr Erwerbstätige<br />

länger gesund und fit bleiben. Wie kann das gewährleistet werden? Die Rehabilitation<br />

der Rentenversicherung ist hier ein wichtiges Instrument, um die berufliche<br />

Leistungsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. In vielen Fällen stellen aber<br />

Arbeitnehmer, die subjektiv eine (durchaus hohe) Rehabilitationsbedürftigkeit verspüren,<br />

dennoch keinen Antrag auf Rehabilitation. Welche Gründe sie dabei bewegen, ob diese<br />

subjektiven Gründe auch objektiv belegbar sind und welche Möglichkeiten es gibt, auf<br />

ein bedarfsgerechteres Antragsverhalten hinzuwirken, waren einige der Themen der<br />

KoRB-Studie (Kooperation Rehabilitation und Betrieb). Hierzu wurden im Jahr 2007 u. a.<br />

3.509 Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und 697 kleine und<br />

mittlere Betriebe (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitern in Westfalen Lippe befragt.<br />

Ergebnisse<br />

Nur etwa 40% der Befragten fühlten sich nicht in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit<br />

eingeschränkt. Dagegen gab fast die Hälfte der Versicherten an, eine Rehabilitation zu<br />

benötigen. Die Befragten wurden gebeten, auf einer Skala von 0 bis 10 das Ausmaß<br />

ihrer subjektiven Rehabilitationsbedürftigkeit anzugeben, wobei „0“ für keine Bedürftigkeit<br />

und „10“ für höchste Bedürftigkeit stand. Es fiel auf, dass von den Versicherten, die ihre<br />

Rehabilitationsbedürftigkeit sehr hoch (7 - 10) einschätzten, fast 40 % dennoch nicht<br />

225


V43<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

beabsichtigten, innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Antrag auf Rehabilitation zu<br />

stellen. Es konnten vor allem drei Aspekte identifiziert werden, die einer Antragstellung<br />

entgegenstehen:<br />

1. Die Wahrnehmung einer ablehnenden Haltung des Vorgesetzten und die Sorge<br />

um den Arbeitsplatz: „Mein Vorgesetzter sieht es nicht gern, wenn ich in Reha<br />

gehe“ oder „ Die Teilnahme an einer Reha gefährdet meinen Arbeitsplatz“ waren<br />

die Aussagen, denen die Gruppe der stark reha-bedürftigen Versicherten<br />

besonders zustimmte.<br />

2. Die zu leistende Zuzahlung: „Ich kann mir die Zuzahlung für eine Reha nicht<br />

leisten.“<br />

3. Die Wahrnehmung einer nur geringen Bewilligungschance für eine Reha. Nur 14<br />

% der Versicherten beurteilten die allgemeine Bewilligungschance als sehr gut<br />

bis gut bis gut, 44 % als gering bis sehr gering.<br />

Ad 1.: Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes<br />

Ein erhöhtes Risiko für den Verlust des Arbeitsplatzes im Falle einer Reha-Maßnahme<br />

konnte durch die KoRB-Studie nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Die 697 für<br />

Westfalen-Lippe repräsentativ befragten Arbeitgeber aus kleinen und mittleren<br />

Unternehmen, die in dieser Region über 99% aller Betriebe mit etwa zwei Dritteln der<br />

Beschäftigten stellen, stehen einer notwendigen Rehabilitation in der Regel positiv<br />

gegenüber. Dies liegt einerseits daran, dass viele Unternehmen bereits gute Erfahrungen<br />

mit der Rehabilitation gemacht haben und zwar besonders mit Blick auf die<br />

Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit, hinsichtlich der Verringerung der<br />

Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch der Nachhaltigkeit der Reha-Maßnahmen. Darüber<br />

hinaus ist aber auch die große Bedeutung des Themas „betriebliche Gesundheit“ in den<br />

Unternehmen realisiert worden. So sagen 91% der befragten Arbeitgeber, dass der<br />

Betrieb mitverantwortlich für die Gesundheit seiner Mitarbeiter ist und gar 99% sind der<br />

Ansicht, dass die Gesundheit der Mitarbeiter eine wichtige Voraussetzung für den<br />

geschäftlichen Erfolg ist. Wiederum 87% meinen, dass Mitarbeiter mit längeren<br />

Fehlzeiten im Betrieb auf die Möglichkeit einer Rehabilitation angesprochen werden<br />

sollten. Von allen im Rahmen der KoRB-Studie untersuchten Gruppen (u. a.<br />

Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Betriebsärzte, Betriebsräte) waren es die Arbeitgeber, die die<br />

226


V43<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Rehabilitation am positivsten bewerteten. Diese Zustimmung macht sich auch an ganz<br />

persönlichen Einstellungen fest: bei Bedarf und Möglichkeit würden 93% der Arbeitgeber<br />

selbst eine Rehabilitation machen und von denjenigen, die bereits eine solche<br />

Maßnahme absolviert haben, würden 91% noch einmal eine Reha in Anspruch nehmen.<br />

Die Befürchtungen der Arbeitnehmer und die Einstellungen der Arbeitgeber sind konträr<br />

und resultieren aus einem Kommunikations- und Informationsdefizit zwischen den<br />

beteiligten Gruppen. Die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes im Falle einer Reha-<br />

Antragstellung wird daher in den meisten Fällen unbegründet sein.<br />

Ad 2.: Kosten für die Zuzahlung<br />

Nach der Sorge um den Arbeitsplatz waren die zu leistenden Zuzahlungen der am<br />

häufigsten genannte Grund, bei subjektivem Bedarf keinen Reha-Antrag zu stellen. Es<br />

stellte sich aber heraus, dass nur 14 % der Versicherten die Höhe der Zuzahlungen<br />

kannten. Zudem war kaum einer der Arbeitnehmer darüber informiert, unter welchen<br />

Bedingungen eine Befreiung von der Zuzahlung möglich ist. Zwar sind es nicht<br />

ausschließlich die Zuzahlungen, die den Patienten finanziell belasten - gelegentlich<br />

müssen ein neuer Bademantel oder Sportzeug erstanden werden - dennoch gilt in vielen<br />

Fällen, dass der oft genannte Hinderungsgrund „Zuzahlung“ eher auf einen<br />

Informationsmangel denn auf die tatsächliche finanzielle Belastung zurückzuführen ist.<br />

Ein solches Informationsdefizit besteht auch ganz allgemein, wenn es um das Thema<br />

Rehabilitation geht: Nur gut die Hälfte der Versicherten wusste, welchen Nutzen ihnen<br />

eine Rehabilitationsmaßnahme bringen kann, und nur jeweils einem Viertel war bekannt,<br />

welche Arten von Reha-Leistungen es gibt, wer diese finanziert und wie und wo sie zu<br />

beantragen sind.<br />

Ad 3. Geringe Bewilligungschance für Anträge auf Rehabilitation<br />

Der Gedanke einer nur geringen Bewilligungschance war bei den Arbeitnehmern weit<br />

verbreitet und hielt ebenfalls viele von einer Antragstellung ab. 44% der befragten<br />

Versicherten meinten, dass die generelle Chance einen Reha-Antrag bewilligt zu<br />

bekommen gering oder sehr gering sei; dagegen hielten nur 13% diese für hoch oder<br />

sehr hoch. Diese Einschätzungen gehen weit an der Wirklichkeit vorbei: Die reale<br />

Bewilligungsquote liegt in der (ehemaligen) Arbeiterrentenversicherung, der die<br />

befragten Versicherten angehören, etwa bei 70 Prozent.<br />

227


V43<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Schlussfolgerungen<br />

Arbeitgeber sehen notwendige Rehabilitationen ihrer Mitarbeiter durchaus positiv, teils<br />

weil sie bereits gute Erfahrungen damit gemacht haben, teils weil sie wissen, dass die<br />

Gesundheit ihrer Mitarbeiter (die durch eine Reha-Maßnahme ggf. gesichert oder<br />

wiederhergestellt werden kann) unverzichtbar für den Geschäftserfolg ist. Es ist heute<br />

die seltene Ausnahme, dass der Unternehmer den Reha-Wunsch eines Beschäftigten<br />

als „Drückebergertum“ interpretiert. Die positive Einstellung der Arbeitgeber zur<br />

Rehabilitation wird seitens der Arbeitnehmer oft nicht nachvollzogen. Aus Sorge um den<br />

Arbeitsplatz schrecken viele vor einer Rea-Antragstellung zurück. Diese Zurückhaltung,<br />

die besonders bei starker subjektiver Reha-Bedürftigkeit zu beobachten ist, beruht also<br />

häufig auf falschen Annahmen. Gleichzeitig erhöht sie die Gefahr einer Chronifizierung<br />

des Krankheitsbildes und einer dauerhaften Beeinträchtigung der beruflichen<br />

Leistungsfähigkeit. Hier gilt es gegenzusteuern und den Beschäftigten zu vermitteln,<br />

dass bei notwendigen Reha-Maßnahmen eine weitgehende Interessenskongruenz<br />

zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern besteht. Information und Unterstützung sind<br />

daher notwendig, um bei bestehender Reha-Bedürftigkeit eine Antragstellung zu<br />

erleichtern oder erst zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit der Rentenversicherung<br />

können dabei die Werks- und Betriebsärzte eine Schlüsselrolle übernehmen.<br />

Die Themen „Zuzahlung“ und „Information zur Rehabilitation“ können aufgearbeitet<br />

werden indem die Rentenversicherung in ihren routinemäßigen Anschreiben (bspw.<br />

Versicherteninfo zur Rente) allgemein zur Reha informiert sowie Zuzahlungshöhe und<br />

Möglichkeiten der Befreiung ebenso kommuniziert wie die Tatsache, dass die<br />

Bewilligungsquote der Arbeiterrentenversicherung bei knapp 70% liegt.<br />

Es erscheint darüber hinaus empfehlenswert, den Arbeitnehmern bei „gefühltem“ Reha-<br />

Bedarf kompetente Ansprechpartner zu benennen; dies können Haus- und Betriebsärzte<br />

und die Auskunfts- und Beratungsstellen der Rentenversicherung sein.<br />

Literatur<br />

Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Rentenversicherung in Zeitreihen 2005.<br />

DRV Schriften Band 22. Berlin 2005<br />

Hesse, Bettina; Heuer, J., Gebauer, E. (2008): Rehabilitation aus Sicht kleiner und<br />

mittlerer Unternehmen: Wissen, Wertschätzung und Kooperationsmöglichkeiten –<br />

Ergebnisse aus der KoRB-Studie. In: Rehabilitation 2008; 47: 324-333.<br />

Maier-Riehle B & Schliehe F.: Rehabilitationsbedarf und Antragsverhalten. Rehabilitation<br />

1999; S100 - S115.<br />

228


V43<br />

Vorträge – Der chronisch Kranke im Erwerbsleben / Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement II<br />

Zimmermann, M., Glaser-Möller, N., Deck, R. & Raspe, H.: Subjektive<br />

Rehabilitationsbedürftigkeit, Antragsverhalten und Antragstellung auf medizinische<br />

Rehabilitation - Ergebnisse einer Befragung von LVA-Versicherten. Rehabilitation 1999;<br />

38: S122 - S127.<br />

Wenn Sie an das Wort Rehabilitation denken, verbinden Sie damit etwas Positives,<br />

etwas Negatives oder würden Sie sagen weder noch?<br />

229


V44<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Arbeitsmedizin trifft Proteomics – Perspektiven einer neuen<br />

Technologie<br />

Simone Schmitz-Spanke, Albert W. Rettenmeier<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />

Die einzelnen omics-Disziplinen, die sich mit den Auswirkungen von Gefahrstoffen auf<br />

die Struktur und Aktivität des Genoms und der nachgeschalteten biologischen Systeme<br />

wie etwa das Transkriptom, das Proteom und das Metabolom, beschäftigen, werden<br />

unter dem Oberbegriff Toxicogenomics zusammengefasst (Abb. 1). Der Schwerpunkt<br />

des Vortrages liegt auf dem Teilbereich der Toxicoproteomics. Ziel des Vortrages ist, das<br />

Potenzial, das diese Disziplin für die Arbeitsmedizin bereithält, darzulegen.<br />

Toxicogenomics<br />

Gefahrstoffe<br />

DNA<br />

Gene<br />

mRNA<br />

Proteine<br />

Metaboliten<br />

Genomics<br />

Transcriptomics<br />

Proteomics<br />

Metabolomics<br />

Abb.1: Analyse von biologischen Effekten von Gefahrstoffen mittels verschiedener omics-<br />

Disziplinen<br />

Unter Proteomics versteht man die Darstellung des gesamten<br />

Proteinexpressionsmusters einer Zelle, eines Organismus oder einer Körperflüssigkeit<br />

unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt. Die Proteine einer<br />

Zelle (oder eines Organismus bzw. Körperflüssigkeiten) stellen ein hochdynamisches<br />

System da, dessen Analyse hohe Anforderungen an die Methode und die<br />

Standardisierung stellt, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Die am häufigsten<br />

verwendete Methode der Proteintrennung ist die zweidimensionale Gelelektrophorese<br />

(2D-Elektrophorese). Ihre Trennkapazität liegt bei > 1000 Proteinen. Die 2D-<br />

230


V44<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Elektrophorese nützt physikalische Eigenschaften der Proteine zur Trennung. In der<br />

ersten Dimension (= isolelektrische Fokussierung) wandern die Proteine entsprechend<br />

ihrer Nettoladung in einem elektrischen Feld entlang eines pH-Gradienten, bis sie ihren<br />

isolelektischen Punkt erreicht haben, d. h. ihre Nettoladung gleich 0 ist. In der zweiten<br />

Dimension werden die Proteine nach ihrer Molekülmasse in einer Natriumdodecylsulfat-<br />

Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) getrennt (Abb. 2). Die Gele werden<br />

anschließend digitalisiert und analysiert, um unterschiedlich exprimierte Spots<br />

detektieren zu können.<br />

Abb.2: Gel einer 2D-Elektrophorese; RT4-Zellen (humane Harnblasenkarzinom-Zelllinie) wurden<br />

gegen BaP (0,5 µmol/l, 24 h) exponiert (eigene Untersuchungen).<br />

Die Spots werden aus dem Gel ausgeschnitten, die Proteine trypsiniert und von den<br />

erhaltenen Peptiden werden massenspektrometrisch Peptidmassen Fingerabdrücke<br />

erstellt. Über die erhaltenen Peptidmassen Fingerabdrücke werden die Proteine mittels<br />

Datenbanken identifiziert.<br />

Weitere proteomische Techniken sind Flüssigkeitschromatographien, gekoppelt mit<br />

Massenspektrometrie (nano-HPLC MS), oder Proteinchip-Technologien (Surfaceenhanced<br />

laser desorption ionization (SELDI)).<br />

231


V44<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Welche Erwartungen stellt die Arbeitsmedizin an die Proteomics? Die Technik eröffnet<br />

die Möglichkeit, hunderte von Proteinen zu einem definierten Zeitpunkt unter definierten<br />

Bedingungen zu erfassen. Dadurch erhält man eine Momentaufnahme der Zelle,<br />

wodurch gleichzeitig Komponenten metabolischer Signalwege, Abwehrmechanismen,<br />

DNA-Kontroll- bzw. Reparatursysteme als auch Komponenten der späteren Phase der<br />

Kanzerogenese erfasst werden können. Durch diesen holistischen Zugang kann unser<br />

Verständnis von Wirkmechanismen erheblich erweitert werden. Ein zweiter großer<br />

Bereich ist die Biomarker-Forschung,<br />

Anhand einiger Beispiele aus der Literatur soll das Potential dieser Technologie erläutert<br />

werden.<br />

Benzol schädigt über seine Metaboliten intrazelluläre Makromoleküle durch kovalente<br />

Bindungen. Zusätzlich wirkt Benzol immunotoxisch. Der letztere Aspekt wurde von einer<br />

koreanischen Arbeitsgruppe (1) untersucht, die Plasma von Arbeitern, die gegen Benzol<br />

exponiert wurden, mittels 2D-Elektrophorese proteomisch analysierten. Sie fanden u.a.<br />

vier Proteine aus dem immunologischen Wirkkreis (T cell receptor β chain, FK506-<br />

binding protein, Interleukin-4 receptor α chain, T cell surface glycoprotein CD1b), deren<br />

Expression nach Benzolexposition erhöht war.<br />

Charakteristische Proteinmuster wurden auch in Studien über Dieselrußpartikel gefunden<br />

werden. Die Auswirkung einer steigenden Konzentration an Dieselrußpartikeln wurde in<br />

Makrophagen untersucht. Wurden zunächst Proteine protektiver Systeme – wie der<br />

antioxidativen Abwehr – exprimiert, markierte die vermehrte Expression<br />

inflammatorischer Proteine bei höheren Konzentrationen das Versagen der zellulären<br />

Abwehr.<br />

Wenn die Kinetik ein dynamisches System wie das Proteom untersucht werden soll,<br />

haben Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten eine größere Aussagekraft.<br />

Diesen Ansatz wählte die Arbeitsgruppe von Lau. Sie exponierten epitheliale<br />

Lungenzelle der Ratte gegen Arsen für 24 h und 12 Wochen (2, 3). Neben<br />

Veränderungen des Energiestoffwechsels fanden sie eine geringere Expression der<br />

Cytokeratine nach längerer Exposition, was sie im Sinne einer beginnenden<br />

Zelldedifferenzierung interpretierten.<br />

Der letzte Ansatz leitet über zum zweiten großen Bereich der Proteomics, der Biomarker-<br />

Forschung. Mit Hilfe proteomischer Methoden können zu verschiedenen Zeitpunkten des<br />

exposure-disease-continuum Momentaufnahmen erstellt werden. Dadurch können<br />

prinzipiell Proteinensets gefunden werden, die charakteristisch für einen bestimmten<br />

Zeitpunkt sind. Von großem Interesse ist dabei, den Zeitpunkt zu ermitteln, an dem eine<br />

geschädigte Zelle ihre Ruhephase verlässt und ihren Selektionsvorteil nutzt<br />

232


V44<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

(Progression). Ein Proteinset, das diesen Zeitpunkt markieren würde, wäre ein<br />

hervorragender Effektbiomarker im Hinblick auf die Entstehung eines Tumors.<br />

Die Perspektiven der Proteomics, oder genauer der Toxicoproteomics, für die<br />

Arbeitsmedizin bestehen in der Möglichkeit Momentaufnahmen von einem<br />

hochdynamischen System zu erhalten. Diese Proteinmuster ermöglichen unerwartete<br />

neue Einblicke in Mechanismen. Aus der Proteomics resultiert aber nur dann ein<br />

Zugewinn an Wissen, wenn sie in andere omics-Disziplinen – wie etwa Genomics oder<br />

Metabolomics – integriert wird.<br />

(1) Joo, W. A., Kang, M. J., Son, W. K., Lee, H. J., Lee, D. Y., Lee, E. and Kim, C. W.<br />

Monitoring protein expression by proteomics: human plasma exposed to<br />

benzene. Proteomics. 3, (2003) 2402-2411.<br />

(2) Lau, A. T. and Chiu, J. F. Proteomic and biochemical analyses of in vitro<br />

carcinogen-induced lung cell transformation: synergism between arsenic and<br />

benzo[a]pyrene. Proteomics. 6, 1(2006) 619-1630.<br />

(3) Lau, A. T., He, Q. Y. and Chiu, J. F. A proteome analysis of the arsenite response<br />

in cultured lung cells: evidence for in vitro oxidative stress-induced apoptosis.<br />

Biochem.J. 382, (2004) 641-650.<br />

233


V45<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Proteomische Analyse humaner Harnblasenkarzinomzellen (RT4)<br />

nach Benzo(a)pyren-Exposition<br />

Mario Pink, Albert W. Rettenmeier und Simone Schmitz-Spanke<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />

Einleitung<br />

In der vorliegenden Studie wurde mit Hilfe der 2D Gelelektrophorese Änderungen im<br />

Gesamtprotein gegen Benzo(a)pyren (BaP) exponierter Zellen untersucht. Da<br />

epidemiologische Studien einen Zusammenhang zwischen einer Exposition gegen<br />

polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Leitsubstanz BaP) und der Entstehung<br />

von Blasenkarzinomen vermuten lassen, wurden die Studien an einer humanen<br />

Harnblasenkarzinomzelllinie (RT 4) durchgeführt.<br />

In Voruntersuchungen wurde das zytotoxische Potential von BaP durch die Messung der<br />

Laktat-Dehydrogenase- und der MTT (3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid)-Freisetzung<br />

abgeschätzt. Zusätzlich wurde die Fähigkeit, DNA-<br />

Doppelstrangbrüche auszulösen, anhand des TUNEL-Assay (Terminal Deoxynucleotidyl<br />

Transferase-mediated dUTP Nick End-Labeling) verifiziert. Aufgrund dieser<br />

Untersuchungen wurde eine BaP-Konzentration und Expositionsdauer gewählt, die noch<br />

nicht zytotoxisch oder DNA-schädigend wirkt.<br />

Methode<br />

Die Zellen wurden 24 h gegen 0,5 µM BaP exponiert und anschließend lysiert (n=5). Um<br />

statistisch verwertbare Daten zu erhalten, wurden von den 5 Ansätzen jeweils 4<br />

2D Gelelektrophoresen durchgeführt. Die Proteine exponierter und unexponierten Zellen<br />

wurden nach ihrer elektrischen Ladung (= erste Dimension) und ihrer Molekularmasse (=<br />

zweite Dimension) getrennt. Dieser Stock an Expressionsmustern wurde digital analsiert<br />

(Delta2D, Decodon ® ). Für weitere Analysen wurden nur Proteine ausgewählt, deren<br />

Expression sich zwischen der Kontroll und BaP exponierten Gruppe mindestens um<br />

Faktor ± 2 änderte.<br />

Die Proteine dieser Spots wurden mit Trypsin verdaut und mit Hilfe der Matrixunterstützten<br />

Laser-Desorption/Ionisation (MALDI) massenspektrometrisch untersucht.<br />

Die Identifizierung der Proteine anhand der erhalten Peptide Mass Fingerprint-Spektren<br />

(PMF-Spektren) erfolgte mit der Software Mascot unter Verwendung der Datenbank<br />

MSDB.<br />

234


V45<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Resultate<br />

Mittels digitaler Bildanalyse konnten 24 Spots bestimmt werden, deren Expression sich<br />

um ± 2 unterschied. Von diesen 24 Proteinen zeigten 17 eine signifikante Änderung der<br />

Expression. Anhand der erhaltenen PMF-Spektren konnten 23 dieser Proteine signifikant<br />

identifiziert werden.<br />

Tab. 1: Resultat der Proteinidentifizierung. Die Tabelle umfasst den englische Bezeichnung des<br />

Proteins sowie die Kurzform (Gene name)<br />

Gene name Protein name (Englisch) Gene name Protein name (Englisch)<br />

NPM1 Nucleophosmin HNRPA2B1<br />

heterogeneous nuclear<br />

ribonucleoprotein A2/B1<br />

isoform 2<br />

EIF4B<br />

Eukaryotic translation<br />

initiation factor 4B<br />

TUBB Tubulin, beta polypeptide<br />

STRAP<br />

Serine-threonine kinase<br />

receptor-associated protein<br />

PFDN5 Prefoldin subunit 5<br />

RPS12<br />

Ribosomal protein S12,<br />

cytosolic<br />

GSS Glutathione synthetase<br />

HNRPL<br />

Heterogeneous Nuclear<br />

Ribonucleoprotein L<br />

CASK<br />

Calcium/calmodulindependent<br />

serine protein<br />

kinase<br />

HNRPA3<br />

Heterogeneous Nuclear<br />

Splicing factor, arginine /<br />

SFRS3<br />

Ribonucleoprotein A3<br />

serine-rich 3<br />

PPIA<br />

Peptidyl-prolyl cis-trans<br />

isomerase<br />

Cathepsin d, precursor<br />

NUCB1 Nucleobindin Tubulin beta-7 chain<br />

CTSD Cathepsin d, chain B ARHGDIA<br />

Rho GDP-dissociation<br />

inhibitor 1 (alpha)<br />

ETFA<br />

Electron transfer flavoprotein,<br />

Heat shock 70kDa protein 4<br />

HSPA4<br />

chain A<br />

isoform<br />

HNRPA1<br />

Heterogeneous Nuclear<br />

Proteasome activator PA28<br />

PSME1<br />

Ribonucleoprotein A<br />

alpha chain<br />

SSBP3<br />

Single-stranded DNA-binding<br />

Eukaryotic Translation<br />

EIF3S4<br />

protein 3<br />

Initiation Factor 3, Subunit 4<br />

SSBP3 konnte nicht signifikant identifiziert werden, Sequenzdeckung 43 %<br />

Die identifizierten Proteine wurden von der Software Ingenuity Pathway Analysis (IPA,<br />

Ingenuity Systems ® ) folgenden allgemeinen Funktionen zugeordnet: Tumoröses<br />

Geschehen (34 %), Zellproliferation/-wachstum (24 %), Molekulartransport (16 %),<br />

Proteinsynthese (13 %), Zelltod (13 %). Betrachtet man die biologischen Funktionen der<br />

identifizierten Proteine, so ist ein großer Teil in Splicing und Translations Porzesse<br />

involviert. Anhand dieser Ergebnisse ist es wahrscheinlich, dass BAP eine Veränderung<br />

des mRNA-Processings und der Proteinsynthese in Urothelzellen induziert.<br />

BaP soll über direkte (DNA-Addukte) und indirekte Mechanismen (reaktive<br />

Sauerstoffspezies, Arylhydrocarbon-Rezeptor Weg) Zellen schädigen. Welche Rolle die<br />

identifizierten Proteine in diesen Mechanismen spielen, wurde durch Signalweganalyse<br />

235


V45<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

überprüft. Basierend auf Literaturdaten generierte die Software (Ingenuity Pathway<br />

Analysis) das in Abbildung 1 dargestellte Netzwerk, in dem 21 identifizierten Proteine<br />

Abb. 1:<br />

Ergebnis der Signalweganalyse mittels der IPA Software. Dieses Netzwerk zeigt möglichen Interaktionen zwischen den identifizierten Proteinen<br />

(rot). Als Knotenpunkte (grün) wurde das myc-Onkogen, der Tumorsuppressor p53 und der Splicingfaktor 1 von der Software eingefügt.<br />

miteinander vernetzt wurden (Tubulin beta 7 chain und der Cathepsin d precursor<br />

wurden als Doppeleintrag angesehen).<br />

Ausgehend von einer indirekten Schädigung, die über den Arylhydrocarbon-Rezeptor<br />

(AhR) Signalweg stattfindet, zeigt das erstellte Netzwerk vier Proteine die in Interaktion<br />

mit dem AhR-Weg stehen (gestrichelte Linie). Drei dieser Proteine bilden Knotenpunkte,<br />

die teilweise die identifizierten Proteine regulieren oder von ihnen reguliert werden. Bei<br />

diesen drei Proteinen handelt es sich um das myc-Onkogen, den Tumorsuppressor p53<br />

und den Splicing Faktor 1 (SP1). Das von uns identifizierte Nucleophosmin (NPM1) steht<br />

mit allen drei Knotenpunkten in Interaktion. Das Besondere an Nucleophosmin ist, dass<br />

es die Caspasen 8 und 9 sowie NF-B reguliert, und somit einen direkten Einfluss auf<br />

Transkription und Apoptose hat.<br />

236


V45<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Zusammenfassung<br />

In dieser Studie konnten 24 Proteine detektiert werden, die nach der Exposition gegen<br />

0,5 µmol eine Veränderung der Expression um Faktor ± 2 zeigen. Diese Proteine<br />

interagieren zum einen direkt (Cathepsin d) oder indirekt via myc-Onkogen, Splicing<br />

Faktor 1 und p53 mit AhR. Zum anderen sind die identifizierten Proteine an zahlreichen<br />

Signalwegen beteiligt, die diese drei Proteine als Knotenpunkte besitzen. Die erhaltenen<br />

Informationen geben neue und unerwartete Einblicke in intrazelluläre Reaktionen auf<br />

eine BaP–Exposition. So wurde beispielsweise in der Literatur bisher kein<br />

Zusammenhang zwischen BaP und der Prozessierung der mRNA beschrieben.<br />

237


V46<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Ein neues und schnelles Verfahren zum Direktnachweis von<br />

Umweltkeinen mittels MALDI-TOF-MS<br />

Frank Mosel, Susanne Standar, Albert W. Rettenmeier<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Essen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

238


V47<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Modulation von oxidativen DNA-Schädigungen durch die<br />

Reparaturenzyme XRCC1 und OGG1<br />

Hans-Peter Rihs 1 , Boleslaw Marczynski 1 , Anne Spickenheuer 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 ,Thomas<br />

Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Die Untersuchung dient der Erfassung von Zusammenhängen zwischen den Varianten<br />

bestimmter Reparaturenzyme (APE1, OGG1, XRCC1) und oxidativen DNA-<br />

Schädigungen. Zu diesem Zweck wurden 198 deutsche Beschäftigte mit und 55 ohne<br />

berufliche Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen in diese Studie,<br />

nach ihrer Zustimmung, einbezogen. Die Bestimmung der oxidativen DNA-Schädigung<br />

erfolgte mittels 8-Oxo-7,8-dihydro-2’-desoxyguanosin(8-OxodGuo)-Adduktmessungen.<br />

Methoden<br />

Das mediane Alter der Exponierten betrug 40 Jahre, das der Beschäftigten ohne<br />

Exposition 37 Jahre. Unter den exponierten Beschäftigten waren 60,1% Raucher,<br />

während die Nichtexponierten eine Raucherfrequenz von 45,5% aufwiesen. Das aktuelle<br />

Rauchverhalten erfassten wir mittels Fragebogen. Die gemessene berufliche Exposition<br />

der exponierten Beschäftigten lag bei 2,9 mg/m³ (Medianwert) Dämpfen und Aerosolen<br />

aus Bitumen, während die Nichtexponierten eine Hintergrundbelastung von 0,3 mg/m³<br />

aufwiesen.<br />

Die Bestimmung von fünf polymorphen Genotypen (SNP 500 Cancer ID: APE1 rs<br />

1130409, OGG1 rs 1052133, XRCC1 rs1799782, rs 25487, rs 254489) von<br />

Reparaturenzymen erfolgte auf DNA-Ebene mittels Real-time PCR, analog wie für OGG1<br />

kürzlich beschrieben [1]. Die oxidative DNA-Schädigung weißer Blutzellen wurde in Form<br />

von 8-OxodGuo DNA-Addukten/10^6 dGuo vor und nach der Schicht mit Hilfe einer<br />

HPLC-Methode gemessen [2]. und anschließend die Differenz zwischen Nach- und<br />

Vorschichtwert (Δ8-OxodGuo Addukte/10^6 dGuo) berechnet. Die statistische Analyse<br />

erfolgte mit dem nicht-parametrischen Jonckheere-Terpstra(JT)-Test.<br />

Ergebnisse<br />

Die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse beruhen auf einer im Oktober 2006<br />

vorgenommenen Zwischenauswertung in der Humanstudie Bitumen mit den o.g.<br />

Fallzahlen. Bezogen auf die ganze Studiengruppe (n=253) wurden in weißen Blutzellen<br />

von Personen mit XRCC1 399Gln-Doppelmutation signifikant (p=0.017) höhere mediane<br />

Werte von Δ8-OxodGuo-Addukten/10^6 dGuo im Vergleich zu homozygoten XRCC1<br />

Arg399-Trägern festgestellt (Abb.1).<br />

239


V47<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

8-OxodGuo-Addukte/10 6 dGuo<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

JT: p=0.017<br />

-5<br />

GG<br />

N=103<br />

GA<br />

N=115<br />

XRCC1 rs25487 G>A Arg399Gln<br />

AA<br />

N=35<br />

Abb.1: Verteilung der XRCC1 Arg399Gln-Varianten in weißen Blutzellen in der gesamten<br />

Studiengruppe (N=253) bezogen auf die DNA-Adduktbildung während einer Schicht. JT=<br />

Jonckheere-Terpstra-Test.<br />

Insbesondere galt dies für die Untergruppe der Nichtraucher (n=109; JT: p=0.031).<br />

Im Gegensatz dazu zeigten die weißen Blutzellen von Bitumen exponierten<br />

Beschäftigten (n=198; JT: p=0.015) und die Untergruppe der exponierten Raucher<br />

(n=119; JT: p=0.041) signifikant niedrigere mediane Werte für Δ8-OxodGuo-<br />

Addukte/10^6 dGuo an, wenn die XRCC1 280His-Mutation vorlag.<br />

In der Referenzgruppe (n=55; JT: p=0.017) und in deren Rauchern (n=25; JT: p=0.049),<br />

zeigte nur die Blutzellen von Trägern der OGG1 326Cys-Variante signifikant höhere<br />

mediane Werte für Δ8-OxodGuo Addukte/10^6 dGuo. (Abb. 2)<br />

8-OxodGuo-Addukte/10 6 dGuo<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

JT: p=0.017 JT: p=0.049 JT: p=0.20<br />

Referenz<br />

aktuelle<br />

Raucher<br />

Nichtraucher<br />

JT= Jonckheere-<br />

Terpstra Test<br />

-5<br />

CC<br />

N=30<br />

CG<br />

N=19<br />

GG<br />

N=6<br />

CC<br />

N=12<br />

CG<br />

N=12<br />

GG<br />

N=1<br />

CC<br />

N=18<br />

hOGG1 rs1052133 C>G Ser326Cys<br />

CG<br />

N=7<br />

GG<br />

N=5<br />

Abb.2: Verteilung der OGG1 Ser326Cys-Varianten in weißen Blutzellen der Referenz (N=55),<br />

deren aktuellen Rauchern (N=25) und Nichtrauchern (N=30) bezogen auf die DNA-Adduktbildung<br />

während einer Schicht.<br />

Für Personen mit XRCC1 Arg194Trp- oder APE1 Asp148Glu-Varianten konnten keine<br />

Assoziationen mit den ermittelten Δ8-OxodGuo-Adduktwerten festgestellt werden.<br />

240


V47<br />

Vorträge – Molekulare Arbeitsmedizin<br />

Schlussfolgerung<br />

Die vorliegenden Daten der Zwischenauswertung deuten daraufhin, dass die<br />

Kombination verschiedener Varianten von Reparaturenzymen und ihre Interaktion mit<br />

körperfremden Stoffen (hier: Rauchverhalten und Exposition gegenüber Dämpfen und<br />

Aerosolen aus Bitumen) die Produktion von 8-OxodGuo-Addukten in weißen Blutzellen<br />

während einer Arbeitsschicht modulieren können. Vor dem Hintergrund des geplanten<br />

Gendiagnostikgesetz-GenDG, in dem die Verwendung genetischer Marker u.a. im<br />

Arbeitsschutz geregelt werden sollen, kommt der Erforschung des Zusammenwirkens<br />

zwischen anlagebedingten Faktoren, Lebensstil und beruflichen Faktoren zukünftig eine<br />

besondere Rolle zu.<br />

Literatur<br />

[1] Rihs HP, Marczynski B, Rabstein S, Scherenberg M, Landt O, Brüning T. Rapid<br />

detection of the hOGG1 Ser326Cys polymorphism using LightCycler technology. J<br />

Toxicol Environ Health, Part A 2008; 71:877-880.<br />

[2] Marczynski B, Rihs HP, Rossbach B, Hölzer J, Angerer J, Scherenberg M, Hoffmann<br />

G, Brüning T, Wilhelm M. Analysis of 8-oxo-7,8-dihydro-2'-deoxyguanosine and DNA<br />

strand breaks in white blood cells of occupationally exposed workers: comparison with<br />

ambient monitoring, urinary metabolites and enzyme polymorphisms. Carcinogenesis 23,<br />

2002:273-281.<br />

241


V47a<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

IARC 2007: Schichtarbeit, Chronodisruption und Krebs?<br />

10 Thesen zur Forschung und zur Prävention als Ergebnisse des<br />

Kölner Kolloquiums 2008*<br />

Thomas C. Erren 1 , Peter Morfeld 2 , Joachim Stork 3 , Peter Knauth 4 , Matthias von Mülmann 5 , Rolf<br />

Breitstadt 6 , Uta Müller 7 , Michael Emmerich 8 , Claus Piekarski 1<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu Köln<br />

2 Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA), Evonik Services GmbH,<br />

Essen<br />

3<br />

Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ingolstadt<br />

4<br />

Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP), Universität Karlsruhe (TH)<br />

5<br />

Medizinischer. Dienst, Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt<br />

6<br />

Degussa-Hüls AG Werksärztlicher Dienst, Frankfurt<br />

7<br />

Evonik Industries AG, Essen<br />

8<br />

Arbeitsmedizinisches Zentrum Hirschbach, RAG Deutsche Steinkohle, Sulzbach-Saar<br />

*Shift work, chronodisruption and cancer? - The IARC 2007 challenge for research and<br />

prevention and 10 theses from the Cologne Colloquium 2008. Scand J Work Environ<br />

Health. <strong>2009</strong><br />

Die International Agency for Research on Cancer [IARC] hat im Oktober 2007<br />

Schichtarbeit mit zirkadianer oder Chronodisruption [CD] als wahrscheinliches<br />

Humankarzinogen eingestuft [Gruppe 2A Karzinogen; Straif et al., 2007]. Vor dem<br />

Hintergrund der möglichen Tragweite dieser Klassifizierung – Schichtarbeit ist weit<br />

verbreitet und unverzichtbar; denkbar kausalassoziierte Brust- und<br />

Prostatakrebserkrankungen sind weltweit epidemisch – sollten die IARC-Kategorisierung<br />

und ihre Begründung [soweit publiziert; die ausführliche Monographie Volume 98 ist in<br />

Vorbereitung] systematisch beurteilt werden.<br />

Arbeitsmediziner, Arbeitswissenschaftler, Epidemiologen und Industrievertreter kamen<br />

daher im September des vergangenen Jahres im Rahmen des Kölner Kolloquiums 2008<br />

zusammen, um Grundlagen, Ergebnisse und Implikationen der Klassifizierung durch die<br />

Expertenkommission in Lyon zu diskutieren.<br />

Experimentell gibt es in der Gesamtschau hochaktuelle und biologisch plausible<br />

Einsichten in Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit, Photorezeption,<br />

Phototransduktion, in die Aufgaben und Koordination biologischer Rhythmen, CD und<br />

Krebsentwicklungen. Zentraler Hintergrund für die postulierten Kausalzusammenhänge<br />

ist, dass es während der so genannten „biologischen“ Nacht – genetisch fixiert – zu einer<br />

Vielzahl von Reparatur- und Regenerationsprozessen kommt. Derzeit sind zum Beispiel<br />

neun zirkadiane Uhrgene bekannt, die mit den von ihnen kodierten Proteinen zirkadiane<br />

Rhythmuswechsel von An- zu Entspannung, von Aktivitäts- zu Ruhephasen kontrollieren.<br />

Störungen bzw. Unterbrechungen [„Disruptions“] von gekoppelten und damit zeitlich<br />

geordneten biologischen Rhythmen können zu vielfältigen<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen führen.<br />

242


V47a<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Aufgrund der Qualität und Vielzahl von experimentellen Studien in die postulierten<br />

Zusammenhänge wird neben gesicherten kurz- und mittelfristigen Jet- und Shift-Lag-<br />

Beschwerden die langfristige Entwicklung von Krebserkrankungen im Gefolge von<br />

Chronodisruption bei Schicht- und Flugpersonal diskutiert [Erren et al. 2003; Erren und<br />

Reiter <strong>2009</strong>].<br />

Epidemiologische Auswertungen von Krebsstudien bei Schichtpersonal [vornehmlich im<br />

Gesundheitssektor] und Flugpersonal durch die IARC-Expertengruppe [Straif et al. 2007]<br />

und an der Universität zu Köln darauf hin, dass Störungen des inneren Zeitgefüges der<br />

Physiologie durch Nacht- und rotierende Schichtarbeit sowie durch Transmeridianflüge<br />

mit erhöhten Brust- und Prostatakrebsrisiken assoziiert sein können [Erren et al. 2008].<br />

Als Ergebnis der Kolloquiumsbeiträge und –diskussionen wurden die folgenden 10<br />

Thesen formuliert, um zielführende Studien zu den biologisch plausiblen<br />

Kausalbeziehungen durchzuführen und Möglichkeiten der Prävention zu entwickeln.<br />

These 1 Die Beantwortung der Frage, ob Schichtarbeit über Chronodisruption<br />

Krebsentwicklungen fördern kann, stellt eine globale Herausforderung<br />

dar.<br />

These 2 Als Grundlagen für Forschung und Prävention brauchen wir<br />

Erkenntnisse, welche Aspekte von Schichtarbeit, Chronodisruption und<br />

individueller Empfindlichkeit wichtig sein können.<br />

These 3 Wir brauchen weitere epidemiologische Studien in weiteren<br />

Berufsgruppen und für weitere Krebsendpunkte.<br />

These 4 Populationsbasierte Studien sind geeignet, Industriebasierte Studien zu<br />

ergänzen, um Hypothesen zu generieren oder um diese zu schärfen.<br />

Die Abschätzung von tatsächlichen Krebsrisiken muss durch<br />

epidemiologische Studien an Arbeitsplätzen erfolgen, unabhängig<br />

davon, ob Krebsrisiken dort erhöht, unauffällig oder erniedrigt sind.<br />

These 5 Für Studien und für die Prävention brauchen wir interpretierbare<br />

Biomarker.<br />

These 6 Für Studien sollten experimentelle und epidemiologische<br />

Wissenschaftler mit Schichtarbeitsforschern und Chronobiologen a<br />

priori festlegen, welche Schichtarbeitsbelastungen geeignet sind,<br />

Chronodisruption zu generieren.<br />

These 7 Für die Prävention sollten sich Arbeitsmediziner mit<br />

Schichtarbeitsforschern abstimmen, welche Schichtplangestaltung<br />

geeignet ist, CD zu vermindern und dieses Wissen nutzen,<br />

243


V47a<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Arbeitnehmer von Gesundheitsvorteilen möglicher Änderungen zu<br />

überzeugen.<br />

These 8 Präventivmaßnahmen gegen Chronodisruption könnten<br />

Schichtpersonal<br />

über denkbare Krebsrisiken hinaus vor weiteren, kurz- und<br />

mittelfristigen Gesundheitsstörungen wie Schlaf- und gastrointestinalen<br />

Störungen schützen.<br />

These 9 Arbeitsmediziner und Vertreter weiterer Facharztgebiete der Medizin<br />

sollten sorgfältig über diese IARC Klassifikation, derzeitige<br />

Unsicherheiten und zukünftige Implikationen informiert werden.<br />

These 10 Die <strong>DGAUM</strong> sollte die Option prüfen, eine Arbeitsgruppe zu schaffen,<br />

die allfällige Forschungsmaßnahmen und die Entwicklung von<br />

präventiven Ansätzen koordiniert.<br />

Medizinische Vorsorgeuntersuchungen werden in der näheren Zukunft<br />

keine Optionen für die Prävention bieten.<br />

Darüber hinaus besteht Konsens, dass eine sorgfältige Risikoabschätzung [Samet et al.<br />

1998] die entscheidende Grundlage für eine angemessene Risikokommunikation ist.<br />

Es ist zu betonen, dass von den vier relevanten Evidenzsäulen, die bei einer<br />

angemessenen Risikoabschätzung [„Risikoidentifikation“, „Dosis-Wirkungs-<br />

Abschätzung“, „Expositionsabschätzung“, „Risikocharakterisierung“] zu beachten sind,<br />

derzeit allein die Frage, „ob Schichtarbeit mit Chronodisruption Krebsrisiken erhöht“<br />

seitens der 24 IARC-Experten mit „wahrscheinlich“ beantwortet worden ist<br />

[„Risikoidentifikation“: „wahrscheinlich“; Straif et al. 2007].<br />

Es ist zu erwarten, dass die IARC-Klassifizierung in Deutschland und anderswo<br />

Unsicherheit bei Versicherten und auch Besorgnis erzeugen wird; tatsächlich leisten fast<br />

20 Prozent der Beschäftigten in entwickelten Ländern Nacht- und Schichtarbeit.<br />

Das Positionspapier zum Kölner Kolloquium 2008 durch Vertreter der universitären<br />

Arbeitsmedizin und der betrieblichen Arbeitsmedizin, durch Epidemiologen und<br />

Arbeitswissenschaftler soll daher auch dazu beitragen, über den derzeitigen<br />

wissenschaftlichen Kenntnisstand angemessen zu informieren und zu orientieren [Erren<br />

et al. <strong>2009</strong>]. Dies erscheint umso wichtiger als Dänemark erste Entschädigungen für<br />

Schichtarbeiterinnen mit Brustkrebs gewährt und offensichtlich eine Aufnahme in die<br />

dortige Liste der Berufskrankheiten prüfen wird [Internet Quellen <strong>2009</strong>]. Diese<br />

Anerkennungs- und Entschädigungspraxis hat im unmittelbaren Nachgang an die<br />

244


V47a<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

diesjährige <strong>DGAUM</strong>-Jahrestagung in Aachen zu intensiven Diskussionen in Australien,<br />

Neuseeland, Asien, Nordamerika und besonders auch in England, den Niederlanden und<br />

in Belgien geführt.<br />

Literatur:<br />

Erren TC, Reiter RJ. Defining chronodisruption. J Pineal Res. <strong>2009</strong> Feb 9.<br />

Erren TC, Reiter RJ, Piekarski C. Light, timing of biological rhythms, and<br />

chronodisruption in man. Naturwissenschaften. 2003;90:485-94.<br />

Erren TC, Pape HG, Reiter RJ, Piekarski C. Chronodisruption and cancer.<br />

Naturwissenschaften. 2008;95:367–82.<br />

Erren TC, Morfeld P, Stork J, Knauth P, von Mülmann MJ, Breitstadt R, Müller U,<br />

Emmerich M, Piekarski C. Shift work, chronodisruption and cancer?-the IARC 2007<br />

challenge for research and prevention and 10 theses from the Cologne Colloquium<br />

2008. Scand J Work Environ Health. <strong>2009</strong> 35:74-9.<br />

Internet Quellen <strong>2009</strong>: http://www.dailymail.co.uk/health/article-1162342/Denmarkcompensates-women-developed-breast-cancer-working-nights--Britain-deniestheres-risk.html?ITO=1490;<br />

http://news.bbc.co.uk/1/hi/scotland/7945145.stm<br />

Samet JM, Schnatter R, Gibb H. Epidemiology and risk assessment. Am J Epidemiol.<br />

1998 148:929-36.<br />

Straif K, Baan R, Grosse Y, Secretan B, Ghissassi FEL, Bouvard V, et al. Carcinogenicity<br />

of shift-work, painting, and fire-fighting. Lancet Oncol. 2007;8:1065–6.<br />

245


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Zusammenhang von Nachtarbeitsanteil und Komponenten der<br />

Gesundheit und des Schlafes bei Beschäftigten im Hotel- und<br />

Gaststättengewerbe sowie in Bäckereien<br />

Reingard Seibt 1 , Stefan Ulbricht 1 , Annelore Seibt 2 , Bettina Hunger 3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />

THUMEDI-Präventionsmanagement GmbH<br />

Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ASD*BGN, Koordinationsstelle Potsdam<br />

Problem- und Zielstellung<br />

Schichtarbeit existiert in der Gastronomie- (GA) und in Bäckereibranche (BÄ) in<br />

verschiedenen Formen, von denen sich Schichtformen mit hohem Nachtarbeitsanteil<br />

ungünstig auf Schlaf und Gesundheit auswirken können. So postulieren bisherige<br />

Studien vor allem einen Zusammenhang zwischen Nachtarbeit und einem vermehrten<br />

Auftreten von Schlafstörungen (Conway et al. 2008; Takahashi et al. 2008), erhöhten<br />

Ausprägungen von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bøggild & Knutsson,<br />

1999; Tenkanen 1997), einem vermehrten Auftreten von Magen-Darm-Beschwerden<br />

(Caruso et al. 2004; Costa et al. 2001) und psychischen Problemen (Amelsvoort et al.<br />

2005). Daher verdienen Schichtsysteme mit Nachtarbeitsanteil aus arbeitsmedizinischer<br />

Sicht besondere Beachtung.<br />

Tatsächlich wurden aber - trotz Arbeitsschutzgesetz - in arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen<br />

für die Beschäftigten aus der Gastronomie- und Bäckereibranche Nachtund<br />

Schichtarbeit und damit verbundene arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren nicht<br />

beachtet. Die bisherige arbeitsmedizinische Betreuung und Beratung dieser<br />

Beschäftigten war vor allem auf Haut- und Atemwegserkrankungen konzentriert.<br />

Ziel vorliegender Studie war es deshalb, eine Methodik zur arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge und individuellen medizinischen Beratung von Nacht- und Schichtarbeitern in<br />

Gastronomie- und Bäckereibranche zu entwickeln und zu erproben. Dazu wurden<br />

ausgewählte arbeits-, schlaf- und gesundheitsbezogene Faktoren von GA- und BÄ-<br />

Beschäftigten analysiert sowie Zusammenhänge zwischen Arbeitszeitgruppen mit<br />

unterschiedlichem Nachtarbeitsanteil (Nachtarbeits-Index) und Komponenten der<br />

Gesundheit und des Schlafes untersucht.<br />

Methodik<br />

Stichprobe: An den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nahmen von 2006<br />

bis 2008 122 (65%) GA- und 65 (35%) BÄ-Beschäftigte aus fünf GA- und sechs BÄ-<br />

Betrieben teil. Die Teilnahme erfolgte freiwillig (Teilnehmerquote: 30 bis 100%). Diese<br />

Stichprobe wurde anhand eines Nachtarbeits-Indexes folgenden drei Arbeitszeitgruppen<br />

(AZG) zugeordnet (ermittelt auf der Basis eines vierwöchigem Arbeitszeitprotokolls):<br />

- AZG 1 (20%): Normalschicht, keine Nachtarbeit (0h)<br />

246


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

- AZG 2 (43%): Wechselschicht, ≤0-2h Nachtarbeit - geringer Nachtarbeitsanteil<br />

- AZG 3 (37%): Nachtarbeit, >2-7h Nachtarbeit - hoher Nachtarbeitsanteil.<br />

Die Besonderheiten der Stichprobe sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Das<br />

Durchschnittsalter der Stichprobe betrug 34±11 Jahre und unterschied sich zwischen<br />

den AZG signifikant (p


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Untersuchungsmethoden: Zur Erhebung der Arbeits- und Schlafzeiten war von den<br />

Beschäftigten über 28 Tage ein Arbeitszeit- und Schlafprotokoll zu führen, das zugleich<br />

auch für die Erstellung des Nachtarbeits-Indexes und zur Ermittlung von<br />

schlafbezogenen Faktoren (Schlafqualität und -quantität, geteilter Schlaf) diente.<br />

Arbeitsbezogene Faktoren (Schichtzeiten) und -bedingungen sowie weitere<br />

Charakteristika des Schlafverhaltens (Schlafstörungen, Chronotypen) wurden mittels<br />

schichtarbeitsspezifischer Berufsanamnese (SAB - in Anlehnung an den Standard<br />

Shiftwork Index (SSI: Barton et al. 1995) erhoben.<br />

Als Gesundheitskomponenten wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren (u.a. Procam-<br />

Score nach Assmann et al. (2002): Blutdruck, Fettstoffwechselparameter, Sport,<br />

Rauchen, Diabetes, Herzinfarkt in der Familie, Alter) sowie schicht- bzw.<br />

branchentypische Beschwerden (u.a. Magen- und Verdauungsbeschwerden, psychische<br />

und psychovegetative Beschwerden) erfasst. Dazu erfolgte eine spezielle klinische eine<br />

Anamnese, eine körperliche Untersuchung, eine standardisierte Blutdruckmessung und<br />

eine Blutentnahme, die insbesondere zur Bestimmung der Fettstoffwechselparameter<br />

diente. Beschwerden bzw. Erkrankungen, Gesundheitsverhalten und<br />

Genussmittelkonsum wurden zunächst mit einem Selbstbeobachtungsbogen erfragt und<br />

zusätzlich im Rahmen der Anamnese kontrolliert.<br />

Auswertung und Statistik 2 : Zur Prüfung der Unterschiedsfragestellungen zum<br />

Vergleich der AZG wurden die one-way ANOVA (Überprüfung der Normalverteilung:<br />

Kolmogorov-Smirnoff-Test; post-hoc Tests: bei Varianzgleichheit Bonferroni-Korrektur, -<br />

bei Varianzungleichheit Tamhane T2) sowie die Kruskal-Wallis-Rangvarianzanalyse<br />

(verteilungfreie Alternative zur one-way ANOVA; post-hoc Test: Mann-Whitney-U-Test)<br />

herangezogen (Bortz & Lienert 2008). Als Effektgröße der Varianzanalyse dient das<br />

partielle Eta-Quadrat (η 2 ). Häufigkeitsanalysen erfolgten mit 2*2-Felder-Chi-Quadrat-<br />

Tests sowie dem Fisher-Freeman-Halton exact Test. Für die Analyse der<br />

Zusammenhangsfragestellungen mit dem Nacht-arbeitsanteil wurden bivariate (Kendalls-<br />

Tau-b) und partielle Korrelationen verwendet, um Störvariablen Alter, Branche und<br />

Geschlecht zu eliminieren (Bortz et al. 2008).<br />

Ergebnisse<br />

Schichtzeitenanalyse und schlafbezogene Faktoren: Die GA-Beschäftigten arbeiten<br />

im Durchschnitt 1,1 Stunde pro Arbeitstag zwischen 23 und 6 Uhr, die BÄ-Beschäftigten<br />

2,8 Stunden in Nachtarbeit (22 - 5 Uhr), wobei die Nachtarbeit in der GA-Branche<br />

vorrangig am späten Abend, in der BÄ-Branche in der Nacht oder am frühen Morgen<br />

geleistet wird. Beschäftigte der AZG 3 schlafen durchschnittlich 0,8 Stunden weniger pro<br />

2 Bei der Interpretation korrelativer Zusammenhänge sind die Besonderheiten der Stichprobe, die durch eine ungleiche Ver- teilung von Branche, Alter und Geschlecht in den<br />

drei AZG gekennzeichnet sind, zu beachten, d.h. diese Variablen müssen<br />

als Störvariablen (Kovariate) eliminiert werden.<br />

248


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Arbeitstag als Beschäftigte der AZG 2 mit geringerem Nachtarbeitsanteil (p


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

- HDL-Cholesterin (1) 64,2 ± 22,7 58,2 ± 17,6 52,0 ± 23,3 F = 3,6 .032*<br />

- Triglyceride (1) 103,4 ± 59,2 124,0 ± 72,9 138,6 ± 74,3 F = 3,8 .024*<br />

Anmerkungen: MW: Mittelwerte; SD: Standardabweichungen; Häufigkeiten [%]<br />

Arbeitszeit: Ø Arbeitszeit pro Arbeitstag inkl. Wegezeit; Schlafzeit: Ø Schlafzeit an Arbeitstagen sowie freien Tagen (ohne<br />

Urlaub); Freizeit: Ø Freizeit – Differenz von Arbeitszeit (inkl. Wegezeit) und Schlafzeit zu 24 Stunden<br />

Globalvergleich: one-way ANOVA, (1) Welch-Prüfgröße; (2) Kruskal-Wallis-Rangvarianzanalyse; (3) k*2-Felder-Chi-Quadrat-<br />

Test;<br />

(4)<br />

Fisher-Freeman-Halton exact Test; Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />

Zwischen den schichtbezogenen Zeitanteilen und dem Nachtarbeitsanteil bestehen<br />

signifikante mittlere (bivariate) Zusammenhänge (r=-.29; r=-.27), wonach die Arbeitszeit<br />

und Schlafzeit mit zunehmendem Nachtarbeitsanteil abnehmen, der Freizeitanteil aber<br />

zunimmt (r=.35). Nach Ausparialisierung der Störvariablen sind die Zusammenhänge der<br />

Zeitanteile zum Nachtarbeitsanteil nicht mehr signifikant (aufgrund der<br />

Branchenzugehörigkeit). Die signifikanten Korrelationen zwischen Branche und<br />

Arbeitszeit (r=-.45), Schlafzeit (r=-.29) und Freizeit (r=.50) zeigen, dass die Beschäftigten<br />

in der BÄ-Branche im Durchschnitt weniger arbeiten und schlafen als die in der GA-<br />

Branche.<br />

Gesundheitskomponenten: Für das Gesundheitsverhalten ist zu erkennen, dass sich<br />

die Beschäftigten mit zunehmendem Nachtarbeitsanteil häufiger regelmäßig sportlich<br />

betätigen (Tab. 2). Allerdings spiegelt sich dieser Effekt nicht in signifikanten<br />

Unterschieden oder Korrelationen wider. Der höchste Anteil an Nichtrauchern ist in AZG 3<br />

(72%) vertreten, die meisten Raucher befinden sich AZG 2 (53%; p=.002), d.h. in der GA-<br />

Branche wird mehr geraucht als in der BÄ-Branche (r=-.19). Tendenziell ist für AZG 3 mit<br />

hohem Nachtarbeitsanteil und damit für die älteren Bäcker das positivste<br />

Gesundheitsverhalten zu verzeichnen.<br />

Die durchschnittliche Ausprägung der Fettstoffwechselparameter unterscheidet sich<br />

zwischen den AZG nicht signifikant (Tab. 2). Nur die durchschnittliche Konzentration des<br />

HDL-Cholesterins ist zwischen den AZG unterschiedlich verteilt (p=.032). Jedoch besteht<br />

für HDL-Cholesterin und Triglyceride eher ein Zusammenhang zum Alter (r=-.22; r=-.16)<br />

als zum Nachtarbeitsanteil (r=-.13; r=.09 bereinigt). Der Blutdruck steigt ebenfalls vor<br />

allem mit zunehmendem Alter (SBD: r=.20; DBD: r=.19) und nicht mit dem<br />

Nachtarbeitsanteil an (SBD: r=.21; DBD: r=.18). Beschäftigte der AZG 3 haben im<br />

Durchschnitt einen Blutdruck von 124/76 mmHg, während bei Normalschichtlern ein<br />

Durchschnittsblutdruck von 113/70 mmHg vorliegt (Tab. 2), wobei sich die Mittelwerte im<br />

Normbereich befinden. Die Standardabweichungen weisen jedoch darauf hin, dass bei<br />

einem Teil der Beschäftigten Hypertonie (13%) vorliegt (AZG 1 : 6%, AZG 2 :13%; AZG 3<br />

16%). Resultierend aus diesen Ergebnissen steigt das kardiovaskuläre Risiko mit dem<br />

Nachtschichtanteil leicht an (Tab. 2), wobei im individuellen Fall erhebliche<br />

Schwankungen auftreten (SD: 1,4-3,5). Konsequenterweise ergibt sich daher für den<br />

PROCAM-Score ein ähnlicher Effet (r=.18; r=.02 bereinigt) wie für<br />

250


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Fettstoffwechselparameter und Blutdruck, wonach sich die scheinbaren Korrelationen<br />

zum Nachtarbeitsanteil nach Auspartialisierung der Störvariablen nicht mehr nachweisen<br />

lassen; in AZG 3 sind mehr ältere Männer, die bezüglich Herzinfarktrisiko eine größere<br />

Gefährdung erwartet.<br />

Die Anzahl und Art der Beschwerden unterscheiden sich zwischen den AZG ebenfalls<br />

nicht. In beiden Branchen berichten 34% keine, 59% gelegentlich und 7% häufig<br />

Schlafstörungen. Über gelegentliche Magenbeschwerden klagen 19% aller<br />

Beschäftigten, über gelegentliche Kopfschmerzen 36% der Männer und 62% der Frauen<br />

und über Depressionen 5% der Männer und 10% der Frauen. Ein Zusammenhang<br />

zwischen dem Nachtarbeitsanteil und den untersuchten schichttypischen Beschwerden<br />

besteht nicht (r=-.11 bis r=.08).<br />

Schlussfolgerung<br />

Die in der Literatur postulierten Befunde zum Zusammenhang von Nachtarbeit und<br />

„Gesundheit“ konnten weitgehend nicht bestätigt werden. Es scheinen keine<br />

Zusammenhänge zwischen Gesundheitsvariablen (Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen, schicht-typische Beschwerden und Erkrankungen) und Nachtarbeitsanteil<br />

vorzuliegen. Nach Eliminierung der Störvariablen sind keine Zusammenhänge zwischen<br />

den untersuchten Schlaf- und Gesundheitsvariablen und dem Nachtarbeitsanteil<br />

nachweisbar. Vielmehr verdeutlichen die Korrelationskoeffizienten einen Zusammenhang<br />

zu den Hauptmerkmalen der Stichprobe, d.h. die untersuchten Variablen werden vor<br />

allem durch Branche (Art der Tätigkeit), Alter und Geschlecht beeinflusst. Dies gilt unter<br />

Beachtung der relativ jungen Stichprobe, weshalb sich Gesundheitsgefahren der Nachtund<br />

Schichtarbeit bisher noch nicht manifestiert haben könnten; denn die medizinischen<br />

Befunde (z.B. Schlafstörungen, Hypertonie) weisen durchaus auf Präventionsbedarf hin.<br />

Andererseits sind Schichtarbeiter über eine gesunde Lebensweise aufgeklärt, so dass<br />

Unterschiede im Gruppenvergleich maskiert sein können. Die Bedeutung sonstiger<br />

beruflicher, räumlicher und sozialer Einflussfaktoren bleibt ungeklärt.<br />

Literatur<br />

Amelsvoort, L. G. P. M. van; Jansen, N.; Kant, I. J. (2005). Mental illness and depression among<br />

shift and day workers. In: Jansen, B.; Kerkhof, G.; Koopman, M.; Witmond, A. (Eds.): 17 th<br />

International Symposium on Shiftwork and Working Time – Program and Abstracts, Shiftwork<br />

International Newsletter 22 (2), 24.<br />

Assmann, G.; Cullen, P.; Schulte, H. (2002). Simple scoring scheme for calculating the risk of<br />

acute coronary events based on the 10-year follow-up of the Prospective Cardiovascular Münster<br />

(PROCAM) Study. Circulation 105 (7), 310-315.<br />

Barton, J.; Costa, G.; Smith, E.; Spelten, E.; Totterdell, P.; Folkard, S. (1995). The Standard<br />

Shiftwork Index: A battery of questionnaires for assessing shiftwork-related problems. Work &<br />

Stress 9 (1), 3-30.<br />

Bøggild, H.; Knutsson, A. (2000). Meta-Analyse epidemiologischer Literatur über Schichtarbeit<br />

und Herzerkrankungen. Z Arbeitswiss 54, 330-334.<br />

251


V48<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Bortz, J.; Lienert, G. A. (2008). Kurzgefasste Statistik für die Klinische Forschung - Leitfaden für<br />

die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben. (3. Aufl.). Heidelberg: Springer.<br />

Caruso, C. C.; Lusk, S. L.; Gillespie, B. W. (2004). Relationship of workers schedules to<br />

gastrontestinal diagnoses, symptoms, and medication use in auto factory workers. Am J Indust<br />

Med 46 (6), 586-598.<br />

Conway, P.; Campanini, P.; Sartori, S.; Dotti, R.; Costa, G. (2008). Main and interactive effects of<br />

shiftwork, age and work stress on health in an Italian sample of healthcare workers. Appl<br />

Ergonomics 39 (5), 630-639.<br />

Costa, G.; Sartori, S.; Facco, P.; Apostoli, P. (2001). Health conditions of bus drivers in a 6 year<br />

follow up study. J Hum Ergol (Tokyo) 30 (1-2), 405-410.<br />

Takahashi, M.; Iwakiri, K.; Sotoyama, M.; Higuchi, S.; Kiguchi, M.; Hirata, M.; Hisanaga, T.;<br />

Taoda, K.; Nishiyama, K. (2008). Work schedule differences in sleep problems of nursing home<br />

caregivers. Applied Ergonomics 39 (5), 597-604.<br />

Tenkanen, L.; Sjöblom, T.; Kalimo, R.; Alikoski, T.; Härmä, M. (1997). Shift work, occupation and<br />

coronary heart disease over 6 years of follow-up in the Helsinki Heart Study. Scand J Work<br />

Environ Health 23 (4), 257-265.<br />

252


V49<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Der Einfluss von Wechsel- und Nachtschichtarbeit auf die<br />

Entstehung des Mammakarzinoms (GENICA-Studie)<br />

Volker Harth 1 , Sylvia Rabstein 1 , E. Heinze 1 , Markus Schiffermann 2 , Anne Spickenheuer 1 ,<br />

Christian Baisch 2 , Yon Ko 2 , Beate Pesch 1 , Thomas Brüning 1<br />

1<br />

BGFA-Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2<br />

Evangelische Kliniken Bonn gGmbH<br />

Laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes arbeiten aktuell in Deutschland etwa<br />

17 Mill. Erwerbstätige in einer Form von Wechselschichtsystem, allein 2,5 Millionen in<br />

Nachtschicht, darunter 600.000 Frauen und 1,9 Mill. Männer (Breiholz et al., 2005). Die<br />

Anzahl der erwerbstätigen Frauen in Nachtschicht stieg seit der Wiedervereinigung um<br />

35% an, wobei Arbeitsmarktforscher mit einer weiteren Zunahme rechnen.<br />

Die International Agency for Research on Cancer (IARC) stufte im Jahre 2007<br />

Schichtarbeit, die eine Störung der Zirkadianik verursacht, in die Kategorie 2A<br />

(„wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen“) ein. Als wichtigstes Zielorgan wurde<br />

die weibliche Brust angesehen, wobei die Evidenz anhand der epidemiologischen<br />

Studien zu Schichtarbeit und Krebs bisher nur als beschränkt bewertet wird. Grundlage<br />

für die Einstufung waren u. a. Ergebnisse der Nurses’ Health Study, die ein leicht<br />

erhöhtes Brustkrebsrisiko von Langzeit-Angestellten im Nachtdienst gegenüber<br />

Krankenschwestern im Tagdienst zeigten (Schernhammer et al. 2005). Eine Limitation<br />

vieler Studien zu dieser Fragestellung stellt jedoch die bislang uneinheitlich und generell<br />

nicht sehr detaillierte Expositionserhebung der Schichtsysteme dar.<br />

Die interdisziplinäre Studiengruppe 'Gene-Environment Interaction and Breast Cancer in<br />

Germany' (GENICA) führte von 2000 bis 2004 eine bevölkerungs-bezogene molekularepidemiologische<br />

Fall-Kontroll-Studie zu Risikofaktoren des Mammakarzinoms in der<br />

Region Bonn durch. Dabei wurden alle mindestens ein Jahr lang ausgeübten Berufe<br />

erfasst und nach der Internationalen Standardklassifikation (ISCO 1988) kodiert. Im<br />

Rahmen einer ersten Nachbefragung konnten 857 Patientinnen und 892<br />

Bevölkerungskontrollen zu einer möglichen Tätigkeit im Schichtdienst befragt werden.<br />

Zur Ermittlung der Art, Dauer und Länge der Schichtarbeit bzw. des Schichtsystems<br />

wurde ein Zusatzfragebogen entwickelt, der die noch offenen Fragen im Hinblick auf die<br />

Expositionserhebung berücksichtigt und eine weitergehende Analyse ermöglicht. Von<br />

den 1749 Teilnehmerinnen der 1. Nacherhebung machten 1724 Teilnehmerinnen (841<br />

Fälle/883 Kontrollen) Angaben zur Schichtarbeit (ja/nein), wobei 211 Teilnehmerinnen<br />

mit validierter, positiver Schichtarbeitsanamnese im Rahmen der 2. Nacherhebung<br />

kontaktiert wurden. Von diesen wurde telefonisch eine detaillierte<br />

253


V49<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Schichtarbeitsanamnese zu Schichtphasen, Berufen (Zeitraum), typischen Tätigkeiten,<br />

Rotationssystemen (rückwärts, vorwärts) und Beginn bzw. Ende der Schichten<br />

(Uhrzeiten) erhoben. Für die Analysen wurden Beschäftigte in Schichtarbeit mit<br />

Teilnehmerinnen, die jemals beschäftigt, aber nie in Schichtarbeit tätig waren, verglichen,<br />

da die Gruppe der “Niemals-Beschäftigten” Unterschiede in der Verteilung von Lifestyle-<br />

Faktoren wie Geburtenanzahl, Hormoneinnahme und Raucherstatus zeigte. Als<br />

Schichtarbeiterinnen wurden Frauen definiert, die mindestens 1 Jahr in Schichtarbeit vor<br />

dem Zeitpunkt der Ersterhebung beschäftigt waren. “Nachtschichtarbeiterinnen” mussten<br />

definitionsgemäß mindestens 1 Jahr in Schichtarbeit vor dem Zeitpunkt der Ersterhebung<br />

tätig gewesen sein und zwischen 1.00 h und 5.00 h gearbeitet haben.<br />

In Fällen und Kontrollen wurde ein ähnlich hoher Anteil von Teilnehmerinnen, die in<br />

Schichtarbeit (12,2% der Fälle und 13,2% der Kontrollen) bzw. in Nachtschichtarbeit<br />

(6,1% der Fälle und 6,3% der Kontrollen) tätig waren, ermittelt. Diese Teilnehmerinnen<br />

gehörten den verschiedensten Branchen an, insbesondere dem Gesundheitswesen.<br />

Weitere Beschäftigte waren in dem produzierenden Gewerbe tätig oder stammten aus<br />

dem Hotel- und Gastgewerbe oder waren Flugbegleiterinnen und Verkäuferinnen. Die<br />

Schätzung der Risiken durch Schichtarbeit erfolgte anhand einer logistischen Regression<br />

bedingt nach Alter in 5-Jahresgruppen. Der Datensatz wurde nach den potenziellen<br />

Confoundern Hormonersatz-Therapie, familiärer Brustkrebs und Anzahl der<br />

Mammographien adjustiert. Die Ergebnisse zeigten eine statistisch nicht-signifikante<br />

Risikoerhöhung bei substantieller Belastung durch Nachtschichten (≥ 3. Quartil der<br />

Kontrollen bzw. mehr als 20 Jahren in Nachtschicht). Die Power der Studie ist aufgrund<br />

der kleinen Fallzahlen von Frauen in langjähriger Nachtschichtarbeit beschränkt. Die<br />

detaillierte Befragung zur Schichtarbeit ermöglicht eine weitergehende Auswertung des<br />

Datensatzes. Insbesondere soll in den nächsten Auswerteschritten ein möglicher<br />

Selection Bias durch die wiederholten Nacherhebungen mit Bootstrapping adjustiert<br />

werden.<br />

Mit der IARC-Einstufung von Schichtarbeit bzw. Chronodisruption in die Kategorie 2A<br />

besteht ein dringender Bedarf an weiterführenden Studien. Von Bedeutung ist die<br />

Ermittlung von Chronodisruption, um verträgliche Schichtsysteme zu konzipieren. Die<br />

differenzierte Erhebung und Analyse der Schichtsysteme unter Berücksichtigung<br />

mechanistischer Aspekte ist dabei von entscheidender Bedeutung. Um die<br />

Vergleichbarkeit epidemiologischer Studien zu gewährleisten, muss die Definition von<br />

Schichtarbeit international standardisiert werden. Dazu wurde im April <strong>2009</strong> ein<br />

254


V49<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Workshop der IARC durchgeführt, der durch die DGUV gefördert wurde und an dem<br />

Vertreter der DGUV beteiligt waren.<br />

Literatur<br />

Breiholz H, Duschek K-J, Hansch E, Nöthen, M. 2005. „Leben und Arbeiten in<br />

Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2004“ Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.<br />

Schernhammer ES, Kroenke CH, Laden F, Hankinson SE. 2006. Night work and risk of<br />

breast cancer. Epidemiology 17:108-111.<br />

Straif K, Baan R, Grosse Y, Secretan B, El Ghissassi F, Bouvard V, Altieri A, Benbrahim-<br />

Tallaa L, Cogliano V. 2007. Carcinogenicity of shift-work, painting, and fire-fighting.<br />

Lancet Oncol 8:1065-1066.<br />

255


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Ist der Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen ein geeigneter<br />

Indikator der physiologischen Anpassung an Nachtarbeit?<br />

Barbara Griefahn, Sibylle Robens und Anke Marks<br />

IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

Einleitung<br />

Psychophysiologische Funktionen zeigen in der Regel eine mehr oder weniger<br />

ausgeprägte zirkadiane Rhythmik. Deren Parameter (Periode, Phasenlage, Amplitude)<br />

variieren interindividuell erheblich, sind intraindividuell aber stabil. Phasenlage und<br />

Amplitude ändern sich aber mit der zeitlichen Variation äußerer Zeitgeber, wie etwa bei<br />

Transmeridianflügen und bei Nachtarbeit. Der Organismus versucht sich dem um acht<br />

bis zehn Stunden verschobenen Schlaf-Wach-Wechsel durch allmähliche Verschiebung<br />

der Phasenlage anzupassen. Bei realer Nachtarbeit verläuft diese Anpassung mit meist<br />

weniger als einer Stunde pro Nachtschicht sehr langsam. Deshalb ist es sinnvoll, dass<br />

die EU-Richtlinie 93/104 eine Begrenzung auf maximal drei aufeinander folgenden<br />

Nachtschichten fordert, was die Wiederanpassung an die Tagschicht erleichtert.<br />

An einigen Arbeitsplätzen sind jedoch länger dauernde Einsätze erforderlich, wobei eine<br />

schnelle Anpassung sinnvoll ist. Letztere lässt sich durch die Applikation von Licht<br />

und/oder Melatonin erzielen. In wissenschaftlichen Untersuchungen, in denen die Anzahl<br />

der Probanden naturgemäß beschränkt ist, wird die Anpassung, d.h. das Ausmaß der<br />

Phasenverschiebung durch Constant Routines oder durch Phase Assessment<br />

Procedures vor und nach mehreren Nachtschichten, ermittelt [Burgess und Eastman<br />

2004, Duffy und Dijk 2002]. In der Realsituation ist dies nur schwer möglich, da solche<br />

Prozeduren den Schichtplan unterbrechen. Um dies zu vermeiden, sind andere<br />

Indikatoren der Anpassung notwendig. Hennig et al. [1998] zeigten als Nebenbefund,<br />

dass die zu Beginn und am Ende der Schichtarbeit gemessenen Cortisolkonzentrationen<br />

im Laufe mehrerer aufeinander folgender Nachtschichten kontinuierlich anstiegen bzw.<br />

abfielen. Griefahn und Robens [2008] beobachteten die Cortisol-Aufwachreaktion bei<br />

Morgen- und bei Abendtypen und fanden nur bei Letzteren einen allmählichen Anstieg<br />

während dreier aufeinander folgender Nachtschichten. Gegenstand der nachfolgend<br />

präsentierten Untersuchung ist daher die Frage, ob die Cortisol-Aufwachreaktion (CAR)<br />

und/oder die Differenz der zu Beginn und am Ende einer Schicht gemessenen<br />

Cortisolkonzentrationen sich als Indikatoren der Anpassung an Nachtarbeit eignen.<br />

Methoden<br />

18 gesunde Studierende (8 Frauen, 10 Männer, 19-29 Jahre) beteiligten sich an der<br />

Untersuchung. Sie gaben ihr schriftliches Einverständnis zu der von der Ethikkommission<br />

genehmigten Untersuchung. Interessenten mit chronischen Erkrankungen, Alkohol- und<br />

256


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Drogenkonsum oder hohen Neurotizismus-Werten sowie Personen, die täglich mehr als<br />

fünf Zigaretten rauchten; solche, die üblicherweise vor 22 bzw. nach 24 Uhr ins Bett<br />

gingen oder üblicherweise mehr als zehn bzw. weniger als sechs Stunden schliefen,<br />

waren von der Teilnahme ausgeschlossen.<br />

Experimentelles Design. Die Probanden arbeiteten zunächst vier aufeinander folgende<br />

8-stündige Frühschichten (8-16 Uhr), danach vier aufeinander folgende 8-stündige<br />

Nachtschichten (23-7 Uhr). Jeder Arbeitsschicht ging eine 8-stündige Bettruhe voraus<br />

(23-7 Uhr vor der Frühschicht, 14-22 Uhr vor der Nachtschicht). Während der<br />

Arbeitsschicht betrug die Raumbeleuchtung 150-200 lux. Sie wurde zur beschleunigten<br />

Voreilung des zirkadianen Systems in den letzten beiden Stunden der Nachtschicht auf<br />

1500-2000 lux erhöht.<br />

Datenerhebung. Zur Bestimmung der CAR wurden unmittelbar nach dem Aufwachen<br />

und in 15-minütigen Abständen weitere vier Speichelproben genommen. Während dieser<br />

Zeit durften weder die Zähne geputzt noch gegessen oder geraucht werden. Alle Fälle, in<br />

denen die Probanden mehr als zehn Minuten vor der ersten Speichelprobe aufgewacht<br />

waren, gingen nicht in die weiteren Berechnungen ein. Zur Bestimmung der<br />

Schichtprofile und der CSD wurden während jeder der vier Tag- und der vier<br />

Nachtschichten stündlich Speichelproben genommen. Die Probennahmen erfolgten mit<br />

Salivetten ® (Sarstedt), die im Mund bewegt und so eingespeichelt wurden. Die Salivetten<br />

wurden unmittelbar danach zentrifugiert und der Speichel bis zur Analyse bei -20°C<br />

eingefroren. Die Analyse erfolgte mit einem Lumineszenz-Immunoassay (LIA, IBL) mit<br />

einer Nachweisgrenze bei 0.16 ng/ml.<br />

Während der Bettruhe wurde das Polysomnogramm bestehend aus zwei<br />

Elektroenzephalogrammen (EEG), zwei Elektrookulogrammen (EOG) und einem<br />

Elektromyogramm (EMG) nach Rechtschaffen und Kales [1968] abgeleitet.<br />

Auswertung und Statistik. Die Analyse konzentrierte sich auf folgende Parameter:<br />

– C 0 : Cortisolkonzentration unmittelbar nach dem Aufwachen.<br />

– CAR (Cortisol-Aufwachreaktion): Die fünf nach dem Aufwachen genommenen<br />

Speichelproben wurden abzüglich des ersten Wertes (C 0 ) zu einem einzigen Wert, der<br />

Fläche unter der Kurve, integriert (AUC I ).<br />

– CSD (Cortisolschichtdifferenz): Die Differenz der Cortisolkonzentrationen zu Beginn<br />

und am Ende der Schicht.<br />

Das Polysomnogramm wurde nach den Regeln von Rechtschaffen und Kales [1968]<br />

ausgewertet.<br />

257


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Ergebnisse<br />

Nachtschlaf/Tagschicht. Während der Cortisolwert nach dem Aufwachen (C 0 ) vom<br />

ersten bis zum vierten Nachtschlaf anstieg, fielen die CAR und die CSD ab. Mittels<br />

ANOVA ergab sich ein signifikanter Effekt der Reihenfolge (Tabelle 1). Der jeweils erste<br />

Messwert aller drei Cortisol-Parameter unterschied sich signifikant vom vierten, bei CAR<br />

und CSD auch vom dritten Messwert. Der jeweils zweite bis vierte Messwert wurde<br />

daher zu einem Mittelwert M(2-4) zusammengefasst, mit dem die nach dem Tagschlaf<br />

und während der Nachtschicht erhobenen Werte verglichen wurden.<br />

Tagschlaf/Nachtschicht. C 0 , CAR und CSD waren nach dem Tagschlaf bzw. während<br />

der Nachtschicht zunächst hochsignifikant niedriger als nach dem Nachtschlaf bzw.<br />

während der Tagschicht. Bei allen drei Parametern lässt sich aber ein Anstieg<br />

beobachten. Letzterer ist bei C 0 nicht bedeutsam. Die in Abbildung 1 erkennbaren<br />

Anstiege der CAR und der CSD fielen hingegen hochsignifikant aus (Anmerkung: da 13<br />

von 18 Probanden nach dem ersten Tagschlaf vorzeitig (> 10 Minuten vor der ersten<br />

Speichelprobe) aufgewacht waren, wurde dieser Messwert bei der CAR in der<br />

nachfolgenden Statistik nicht berücksichtigt). Der Vergleich mit dem Mittelwert der<br />

vorhergehenden Tagschichtperiode (M(2-4)) war bis zum dritten Tagschlaf bzw. bis zur<br />

dritten Nachtschicht hochsignifikant, während sich die jeweils letzten Werte der CAR und<br />

der CSD nicht mehr von M(2-4) unterschieden.<br />

Schließlich wurden die nach dem zweiten bis vierten Tagschlaf ermittelten CARs mit den<br />

CSDs der zweiten bis vierten Tagschicht korreliert. Der Zusammenhang ist mit r = 0.90<br />

hochsignifikant (p


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Dies überrascht insofern, als dass die unmittelbar nach dem Aufwachen registrierte<br />

Cortisolkonzentration (C 0 ) kaum angestiegen war. Ganz offensichtlich war die<br />

Anpassung an die Nachtschicht nicht mit einer entsprechenden vollständigen Voreilung<br />

des zirkadianen Systems verknüpft.<br />

Die sehr hohe Korrelation zwischen der CAR und der CSD lässt vermuten, dass beide<br />

Parameter gleichwertige Indikatoren der Anpassung an Nachtarbeit sind. Dabei ist aber<br />

zu berücksichtigen, dass die hier vorgestellten Ergebnisse zunächst für eine<br />

experimentelle mit einer Voreilung des zirkadianen Systems verbundenen Rückwärts-<br />

Rotation gelten. Ob die CAR und die CSD die weit häufigere durch eine Vorwärtsrotation<br />

verursachte Verzögerung des Systems ebenso gut indizieren, ist zwar zu vermuten,<br />

muss aber noch nachgewiesen werden. Schließlich bleibt auch offen, wie sich diese<br />

Parameter in der Realsituation verhalten. Bestätigen sich diese Ergebnisse, dann kann<br />

sich die Wahl der zu erhebenden Parameter (CAR oder CSD) an den Bedingungen am<br />

Arbeitsplatz und an den häuslichen Gegebenheiten orientieren.<br />

Literatur<br />

Burgess HJ, Eastman CI, 2004: Early versus late bedtimes phase shift the human dim<br />

light melatonin rhythm despite a fixed morning lights on time. Neuroscience Letters<br />

356(2):115-118.<br />

Duffy JE, Dijk DJ, 2002: Getting through to circadian oscillators: Why use constant<br />

routines? J Biol Rhythms 17:4-13.<br />

EU-Richtline 93/104<br />

Federenko I, Wüst S, Hellhammer DH, Dechoux R, Kumsta R, Kirschbaum C, 2004: Free<br />

cortisol awakening responses are influenced by awakening time.<br />

Psychoneuroendocrinology 29:174-184.<br />

Griefahn B, Robens S, 2008: The cortisol awakening response. A pilot study on the<br />

effects of shift work, morningness and sleep duration. Psychoneuroendocrinology<br />

33:981-988.<br />

Hennig J, Kieferdorf P, Moritz C, Huwe S, Netter P, 1998: Changes in cortisol secretion<br />

during shiftwork: implications for tolerance to shiftwork? Ergonomics 41:610-621.<br />

Kudielka BM, Buchtal J, Uhde A, Wüst S, 2007: Circadian cortisol profiles and<br />

psychological self-reports in shift workers with and without recent change in shift rotation<br />

system. Biological Psychology 74:92-103.<br />

Rechtschaffen A, Kales A, 1968: A manual of standardized terminology, techniques and<br />

scoring system for sleep stages in human subjects. US Dept. of Health, Education and<br />

Welfare, Public Health Service – National Institutes of Health, National Institute of<br />

Neurological Diseases and Blindness, Neurological Information Network, Bethesda,<br />

Maryland 20014.<br />

259


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Cortisol-Aufwachreaktion (CAR)<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Nachtschlaf<br />

M(2-4)<br />

*<br />

1.<br />

Tagschlaf<br />

* *<br />

2. 3. 4.<br />

n = 18 n = 5 n = 14 n = 17 n = 17<br />

Cortisol-Schichtdifferenz (CSD)<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

Tagschicht<br />

M(2-4)<br />

Nachtschicht<br />

* * *<br />

3. 4.<br />

1. 2.<br />

*<br />

Signifikanter Unterschied (p < 0.01) zum Mittelwert<br />

M(2-4) nach dem Nachtschlaf / während der Tagschicht<br />

Abbildung 1: Mittelwerte und Standardfehler der Cortisol-Aufwachreaktion nach 4<br />

Tagschlafperioden und der Cortisol-Schichtdifferenz errechnet für 4 aufeinander folgende<br />

Nachtschichten im Vergleich zum Mittelwert der letzten drei Beobachtungen (M(2-4)) der<br />

vorausgegangenen Nachtschlafperioden bzw. Tagschichten.<br />

260


V50<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Tagschicht/<br />

Nachtschlaf<br />

1<br />

n=17<br />

2<br />

n=16<br />

2<br />

n=18<br />

4<br />

n=17<br />

Mittelwert<br />

M(2-4)<br />

AM ± SD AM ± SD AM ± SD AM ± SD AM ± SD<br />

C 0 2.59 ±1.21 3.07 ±1.12 3.14 ±1.05 3.50 ±1.00 3.27 ±0.90<br />

CAR 15.15 ±9.51 12.71 ±7.65 10.59 ±6.03 11.76 ±6.10 11.53 ±5.98<br />

CSD (n=18) 8.72 ±4.83 7.70 ±4.56 6.21 ±3.91 6.15 ±3.36 6.69 ±3.60<br />

ANOVA (Paarvergleiche mit Tukey-Adjustierung)<br />

ANOVA 1 : 2 1 : 3 1 : 4 2 : 3 2 : 4 3 : 4<br />

F p p p p p p p<br />

C 0 4.56


V51<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Erfassung ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus mittels<br />

teilnehmender Ganzschichtbeobachtungen<br />

Matthias Weigl, Andrea Zupanc, Peter Angerer<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München<br />

Problemlage<br />

Arbeitszeit von Krankenhausärzten ist eine knappe Ressource. Daher ist es<br />

entscheidend zu wissen, für welche Aktivitäten Mediziner im Krankenhaus ihre Zeit<br />

verwenden. Sobald Arbeitsaktivitäten von Krankenhausärzten untersucht werden, sind<br />

es hauptsächlich quantitative (bspw. per Fragebogen) oder qualitative Selbstangaben<br />

(bspw. per narrativer Einzelinterviews), die zum Einsatz kommen. Systematische<br />

Erhebungen in Form von Fremdbeobachtungen, die objektivierte, empirisch belastbare<br />

Ergebnisse über typische Arbeitsinhalte und -abläufe ärztlicher Arbeit im Krankenhaus<br />

generieren, fehlen bislang weitgehend.<br />

Ziel der Studie<br />

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Entwicklung, Güteprüfung sowie Anwendung eines<br />

systematischen Beobachtungsverfahrens für ärztliche Aktivitäten im Krankenhaus. Ziel<br />

ist, anhand eines reliablen Verfahrens, objektivierte Aussagen zu typischen<br />

Arbeitsabläufen und –inhalten von Ärzten in einem Krankenhaus aufzuzeigen.<br />

Methoden<br />

Entwicklung und Einsatz des Beobachtungsverfahrens zur Erfassung ärztlicher<br />

Aktivitäten im Krankenhaus vollzogen sich in folgenden Schritten: Im ersten Schritt<br />

erfolgte eine literaturbasierte Erarbeitung und expertenbasierte Zusammenstellung eines<br />

Kategoriensystems ärztlicher Tätigkeiten im Krankenhaus. Dieses wurde mit<br />

Krankenhausärzten und Experten diskutiert, um die Struktur und Inhalte zu reflektieren.<br />

Im zweiten Schritt folgte eine Phase der praktischen Erprobung. Hierzu wurden in einer<br />

Universitätskinderklinik Ärzte begleitet. Es folgte eine Diskussion und die Behebung<br />

aufgetretener Probleme (bspw. Häufigkeit nichtkodierter Tätigkeiten, Überschneidungen).<br />

Im dritten Schritt wurden das Beobachtungsverfahren endgültig definiert und beschrieben<br />

(siehe Abbildung 1). Für das Kategoriensystem ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus<br />

wurde ein Katalog 36 ärztlicher Aktivitäten festgelegt.<br />

Um die Güte des Klassifikationssystems ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus zu<br />

überprüfen, wurden vorab Testbeobachtungen durchgeführt. Hierfür wurden sechs Ärzte<br />

(3 Chirurgen, 3 Internisten) durch zwei trainierte, unabhängige Beurteiler simultan<br />

beobachtet. Die Testbeobachtungen erfolgten insgesamt über eine Zeit von 291,5<br />

262


V51<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Minuten (Range der Beobachtungseinheiten: 34,5 bis 69 Minuten). Der Kappa-<br />

Koeffizient als Indikator der Beobachterübereinstimmung betrug 0,71 (T= 41,6; p=,00).<br />

Dies kann als substantielle Übereinstimmung gesehen werden, was für eine gute<br />

Reliabilität des Verfahrens spricht (Landis and Koch 1977).<br />

Abbildung 1: Beobachtungsinstrument ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus<br />

Kategorie Bereiche Ärztliche Teiltätigkeiten<br />

Direkter Patientenkommunikation 1 Gespräch mit Patient (regulär)<br />

Patientenkontakt<br />

Indirekter<br />

Patientenkontakt<br />

Diagnostik<br />

Therapie<br />

Begutachtung<br />

Dokumentation<br />

Konversation mit<br />

Kollegium<br />

Konversation mit<br />

Anderen<br />

Organisation<br />

Meetings<br />

Andere professionelle Aktivitäten<br />

2 Gespräch mit Patient (irregulär)<br />

3 Körperliche Untersuchung des Patienten<br />

4 Blutentnahme<br />

5 Apparative Untersuchung<br />

6 Medikamentöse Behandlungen<br />

7 Körperliche – nicht-invasive Behandlung<br />

8 Invasive Behandlungen<br />

9 Notfallbehandlungen<br />

10 Überwachung in kritischen Situationen<br />

11 Konsiliartätigkeiten<br />

12 Gutachtertätigkeiten<br />

13 „Schriftarbeit/ Dokumentation“<br />

14 Leistungserfassung (DRG Kodierung)<br />

15 Gespräch mit ärztlichen Kollegen<br />

16 Gespräch mit Pflegekräften<br />

17 Gespräch mit Hilfskräften<br />

19 Gespräch am Telefon<br />

18 Gespräch mit Angehörigen<br />

20 Gespräch mit Anderen<br />

21 Organisation/ Arbeitsablauf“<br />

22 Transfer (Laufen / Wege)<br />

23 Ordnung schaffen<br />

24 Besprechungsrunden mit Pflegekräften<br />

25 Besprechungsrunden mit Ober- oder<br />

Chefarzt<br />

26 Klinikkonferenz<br />

27 Interdisziplinäre Konferenzen<br />

28 Befundbesprechungen in der Abteilung<br />

29 Bereitschaft<br />

30 Lehre/ Unterweisung (PJ’ler, Studenten etc.)<br />

31 Supervision von Kollegen<br />

32 Forschung<br />

33 Fort- und Weiterbildung<br />

34 Fort- und Weiterbildung Lektüre<br />

Persönliche Aktivitäten<br />

35 Persönliche Zeit / Pausen<br />

36 Warten / Schlafen<br />

Anmerkung: Detaillierte Beschreibungen der ärztlichen Teiltätigkeiten sind bei den Autoren<br />

verfügbar.<br />

263


V51<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Untersuchungsbereich und –population<br />

Die Untersuchung fand in einem städtischen Krankenhaus der Allgemeinversorgung statt<br />

(freigemeinnützige Trägerschaft; 11 Fach- und Funktionsabteilungen; ca. 350 Betten;<br />

südbayerischer Raum; 15.000 stationäre, 16.000 ambulante Patienten jährlich). Die<br />

Einrichtung beschäftigt ca. 100 Ärzte (bei einer Gesamtzahl von ca. 550 Beschäftigten).<br />

Es ist ähnlich in Größe, Fächer- und Angebotsstruktur zu einem typischen deutschen<br />

Krankenhaus.<br />

In folgenden vier Fachabteilungen wurden durch zwei geschulte Beobachter die<br />

Aktivitäten aufgezeichnet: Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie, Kardiologie,<br />

Gastroenterologie. Alle vier Fachabteilungen haben jeweils zwei Stationen. Zudem sind<br />

Ärzte der interdisziplinären Notfallambulanz zugeteilt. Chirurgisch tätige Ärzte wurden<br />

auch im OP beobachtet. Ein Arzt der Kardiologie ist immer auf der Intensivstation tätig.<br />

Es wurden nur Assistenz- oder Fachärzte begleitet. Die Zeitpunkte der Schichten wurden<br />

zufällig ausgewählt; wenn jedoch die Ärzte den Wunsch äußerten, an festgesetzten<br />

Terminen nicht begleitet zu werden, wurde dem entsprochen. Es wurden nur<br />

Tagschichten unter der Woche begleitet, da dann die Ärzte eindeutig einer Abteilung und<br />

einem klinischen Bereich zugeordnet sind. Außerhalb dieser Zeit bestehen zumeist<br />

hausweite Dienste oder abteilungsübergreifende Verantwortlichkeiten. Die<br />

Regeldienstzeit ist 8,5 Stunden, bis auf die Intensivstation (12 Stunden Schichten).<br />

Alle 32 Ärzte der vier Zielabteilungen wurden vorab informiert. Es beteiligten sich<br />

insgesamt 23 Ärzte (Chirurgie: N=10; Innere: N=13). 12 Ärzte davon wurden an zwei<br />

Terminen beobachtet. Der Anteil weiblicher Ärzte variierte zwischen den Fächern<br />

(Chirurgie 40%, Innere 61.5%). Als durchschnittliche bisherige Dauer im Haus weisen die<br />

Internisten 7.0 Jahre (SD=4.6) und die Chirurgen 7.4 Jahre (SD=6.1) auf. Der<br />

Facharztanteil lag bei 20% (Chirurgie) und 38.5% (Internisten).<br />

Die Untersuchung erfolgte unter Zustimmung der Ethikkommission des<br />

Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />

Ergebnisse<br />

Es wurden 35 Ganzschichtbeobachtungen mit einer Gesamtdauer von 303.1 Stunden<br />

(18184.8 Minuten) durchgeführt. Die durchschnittliche Dauer der begleiteten Tagschicht<br />

war 8 Stunden und 39 Minuten (SD: 1h 42min; Range: 4h 54 min – 14h 05 min).<br />

Insgesamt wurden bei den Chirurgen 1.757 Aktivitäten beobachtet (in 143h 34min 50s);<br />

bei den Internisten 2.493 Aktivitäten (in 158h 48min 06s).<br />

Wegen des explorativen Charakters der Studie sowie der unterschiedlichen<br />

Beobachtungshäufigkeiten in den einzelnen klinischen Bereichen wurde auf eine<br />

Unterschieds- und Signifikanztestung verzichtet. Tabelle 1 zeigt die beobachteten<br />

264


V51<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

kategorisierten Zeitanteile ärztlicher Aktivitäten, welche recht unterschiedlich für die<br />

einzelnen klinischen Bereiche ausfallen:<br />

Tabelle 1: Zeitanteil ärztlicher Aktivitäten in den klinischen Bereichen (in %)<br />

Station Notfallambulanz Intensivstation OP<br />

(N=20) (N=9) (N=3) (N=3)<br />

Direkter Patientenkontakt 19,5 33,1 18,7 74,6<br />

Patientenkommunikation 9,7 12,9 2,5 2,8<br />

Diagnostik 4,9 13,7 6,9 0,4<br />

Therapie 4,9 6,5 9,2 71,5<br />

Indirekter Patientenkontakt 70,8 56,4 72,8 18,1<br />

Dokumentation 35,0 29,2 27,8 3,1<br />

Konversation mit Kollegen 19,0 18,2 30,0 7,1<br />

Konversation mit Anderen 2,4 1,4 3,6 0,1<br />

Organisation 2,6 1,6 1,6 3,3<br />

Meetings 11,8 6,1 9,8 4,6<br />

Andere professionelle Aktivitäten 1,3 0,6 - -<br />

Persönliche Aktivitäten 8,4 9,9 8,5 7,2<br />

Anmerkung: N Anzahl der Ganzschichtbeobachtungen.<br />

Stationsärzte verbringen über ein Drittel ihrer Zeit mit Dokumentations- und<br />

Schriftarbeiten. Dies liegt deutlich über dem Niveau ihrer Kollegen in den anderen<br />

klinischen Bereichen. Für die Intensivstation ist der hohe Zeitanteil kollegialer<br />

Kommunikation bedeutsam; insbesondere bedingt durch die häufige Konversation mit<br />

Pflegekräften und ärztlichen Kollegen. Direkte Arbeit mit und am Patienten wurde am<br />

häufigsten bei den Chirurgen im OP beobachtetet (Operieren). Insgesamt ist<br />

festzuhalten, in allen vier klinischen Bereichen wird die Mehrzahl der Zeit für Arbeiten<br />

aufgewendet, die nicht im direkten Kontakt zum Patienten vollzogen werden.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Entwicklung, Güteprüfung und den ersten Einsatz<br />

eines Beobachtungsverfahrens ärztlicher Aktivitäten im Krankenhaus. Mit Hilfe des<br />

vorliegenden Instrumentes lassen sich reliable Aussagen zur Allokation zeitlicher<br />

Ressourcen von Krankenhausärzten in ihrer Arbeit treffen. Erste Teilergebnisse<br />

verdeutlichen die verschiedenen Aktivitätsmuster für einzelne klinische Bereiche.<br />

Für das vorliegende Verfahren eröffnen sich unterschiedliche Einsatzbereiche: es kann<br />

ebenso in der Analyse ärztlicher Arbeitsabläufe im Krankenhaus wie auch zur Evaluation<br />

von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen eingesetzt werden. Auch in der Beurteilung<br />

patientennaher und –ferner ärztlicher Tätigkeit oder der Analyse vermehrten<br />

Technologieeinsatzes (bspw. durch elektronische Patientenakten) ergeben sich<br />

Verwendungsmöglichkeiten.<br />

265


V51<br />

Vorträge – Schichtarbeit<br />

Literatur<br />

Landis, J. R. and G. G. Koch (1977). "Measurement of Observer Agreement for<br />

Categorical Data." Biometrics 33(1): 159-174.<br />

266


V52<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Exposition gegenüber aluminiumhaltigen Schweißrauchen –<br />

Zusammenhänge zwischen Markern der äußeren und der inneren<br />

Belastung<br />

Bernd Roßbach 1 , Ernst Kiesswetter 2 , Karl-Heinz Schaller 3 , Wolfgang Zschiesche 4 , Stephan<br />

Letzel 1<br />

1<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

2<br />

Institut für Arbeitsphysiologie der Universität Dortmund<br />

3<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen<br />

4<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Köln<br />

Einleitung und Ziel der Studie<br />

Aufgrund günstiger Materialeigenschaften wie hohe Korrosionsbeständigkeit und<br />

geringes Gewicht finden Materialien aus Aluminium (Al) zunehmend im Fahrzeugbau<br />

Verwendung. Als Fügeverfahren kommen häufig Schweißverfahren wie z.B. Metall-<br />

Inertgas-Schweißen (MIG) zum Einsatz, wobei in größerem Umfang Al-haltige<br />

Schweißrauche freigesetzt werden. Für den Schweißer besteht damit die Gefahr einer<br />

inhalativen Exposition gegenüber alveolengängigen Al-haltigen Partikeln, die<br />

insbesondere als chronische Exposition zu adversen Effekten im Bereich der Atemwege<br />

führen kann. (Letzel 2003)<br />

Die Prävention möglicher berufsbedingter adverser Effekte erfordert eine kontinuierliche<br />

Überwachung und Begrenzung der auftretenden Expositionen mittels Ambient und<br />

Biological Monitoring (Biomonitoring). Zur Begrenzung der Luftbelastung mit<br />

alveolengängigen Al-haltigen Stäuben gilt derzeit eine Maximale<br />

Arbeitsplatzkonzentration (MAK) von 1,5 mg/m³. Der für die Beurteilung der inneren<br />

Belastung maßgebliche Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwert (BAT) bezieht sich auf die<br />

Ausscheidung von Al im Urin. Er wurde kürzlich durch die DFG reevaluiert und beträgt<br />

aktuell 60 µg/g Kreatinin (DFG 2008). Da bisher keine belastbaren Daten zum<br />

Zusammenhang zwischen der inneren Al-Belastung und dem Auftreten von<br />

gesundheitlichen Effekten im Bereich der Atemwege zur Verfügung stehen, orientierte<br />

man sich zur Festlegung des BAT an Zusammenhängen zwischen der äußeren und der<br />

inneren Al-Belastung.<br />

In diesem Kontext war es das Ziel unserer Studie, anhand eines Schweißerkollektives zu<br />

untersuchen, inwieweit sich im biologischen Material Korrelate zur derzeit gültigen MAK<br />

in Höhe von 1,5 µg/m³ ableiten lassen.<br />

Methoden<br />

In einem longitudinalen Ansatz wurde die äußere und innere Exposition von 147<br />

Aluminiumschweißern (Alter 23-67, Mittelwert 31,7 Jahre) aus den Bereichen<br />

Spezialfahrzeugbau (Bau von Schienenfahrzeugen und Tankaufliegern) bzw.<br />

Automobilbau (PKW-Karosseriebau) innerhalb von vier Jahren dreifach untersucht. Zur<br />

267


V52<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Charakterisierung der äußeren Belastung wurden personenbezogene<br />

Gesamtstaubmessungen im Atembereich der Schweißer durchgeführt. Nach der<br />

Probensammlung mittels Schweißrauchsammelkopf wurde die erfasste Staubmenge<br />

durch gravimetrische Analyse ermittelt. Im Sinne einer „worst-case“-Betrachtung wurde<br />

dabei die Gesamtstaubkonzentration mit der Aluminiumkonzentration am Arbeitsplatz<br />

gleichgesetzt.<br />

Zur Charakterisierung der inneren Al-Belastung wurden von den Probanden am<br />

Schichtende Plasma und Urinproben gewonnen, in denen mittels Graphitrohr-<br />

Atomabsorptionsspektrometrie (GF-AAS) die Aluminiumkonzentration bestimmt wurde.<br />

Im Falle der Urinproben erfolgte zur Verringerung diuresebedingter Verfälschungen<br />

zusätzlich eine Bestimmung von Kreatinin. Diese ermöglichte eine Angabe der<br />

Aluminiumkonzentration in Bezug auf die Kreatininausscheidung.<br />

Zur Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Exposition<br />

wurden parametrische Regressionsanalysen durchgeführt. Als Belastungsmarker wurden<br />

hierbei - sofern bei einem Probanden Messwerte aus mehreren Jahren vorlagen - die<br />

personenbezogen gemittelten Gesamtstaubkonzentrationen bzw. Al-Konzentrationen im<br />

biologischen Material verwendet. Die äußere und innere Belastung in den beiden<br />

Teilkollektiven wurde mit Hilfe von Mann-Whitney-Tests miteinander verglichen. Bei allen<br />

Testungen wurde ein Signifikanzniveau von p


V52<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Bereich Automobilbau untersuchten Schweißer nur zu einem leichten Anstieg der Al-<br />

Konzentration im Plasma (Median 5,8 µg/l vs. 3,5 ohne berufliche Exposition), während<br />

durch die Al-Ausscheidung im Urin deutlich eine zusätzliche innere Al-Belastung anzeigt<br />

wird (Median 33,1 µg/g Kreatinin vs. 5,0 ohne berufliche Exposition).<br />

Tabelle 1: Gesamtstaubexposition und innere Al-Belastung in den untersuchten Teilkollektiven.<br />

Teilkollektiv<br />

Gesamtstaub / Luft<br />

Median [µg/m³]<br />

Al / Plasma<br />

Median [µg/l]<br />

Al / Urin<br />

Median [µg/g Kreatinin]<br />

(Bereich)<br />

(Bereich)<br />

(Bereich)<br />

Spezialfahrzeugbau<br />

4,2<br />

14,7<br />

86,2<br />

(n= 19)<br />

(1,2 – 18,2)<br />

(6,0 – 44,9)<br />

(17,9 – 407,5)<br />

Automobilbau<br />

0,5<br />

5,8<br />

33,1<br />

(n= 54)<br />

(0,1 – 6,2)<br />

(2,6 – 16,7)<br />

(9,9 – 121,2)<br />

p (Mann-Whitney) < 0,01 < 0,01 < 0,01<br />

Mittels Regressionsanalysen wurden mögliche Zusammenhänge zwischen der äußeren<br />

und inneren Belastung getrennt für beide Teilkollektive untersucht (Tabelle 2). Mit<br />

Korrelationskoeffizienten von 0,58 und 0,34 fanden sich bei insgesamt starker Streuung<br />

der Messwerte um jeweilige Regressionsgerade für das Parameterpaar Gesamtstaub/Al<br />

im Plasma in beiden Teilkollektive signifikante Zusammenhänge. Die resultierenden<br />

Regressionsgeraden unterschieden sich deutlich in Bezug auf ihre Steigung (1,6<br />

Spezialfahrzeugbau vs. 1,1 Automobilbau). Der etwas höhere Korrelationskoeffizient für<br />

das Teilkollektiv Spezialfahrzeugbau dürfte sich durch den deutlich weiteren<br />

Wertebereich in diesem Teilkollektiv erklären.<br />

Ein Grund für die relativ starke Streuung der Wertepaare könnte in der Verwendung der<br />

Gesamtstaubkonzentration anstelle der Konzentration von Aluminium zur<br />

Charakterisierung der äußeren Belastung liegen. Als Folge einer Akkumulation von Al in<br />

der Lunge und im Skelett hängt insbesondere bei langjährig Exponierten die messbare<br />

innere Belastung zudem zunehmend von der kumulativen Vorexposition des<br />

Untersuchten ab. Unterschiedliche Vorexposition können daher dazu führen, dass bei<br />

ansonsten gleicher (aktueller) äußerer Belastung in verschiedenen Individuen deutlich<br />

unterschiedliche innere Belastungen messbar sind.<br />

Die genannten Einflussfaktoren dürften ebenfalls ungünstig auf die Zusammenhänge<br />

Gesamtstaub/Al im Urin auswirken. Auch für dieses Parameterpaar fanden sich<br />

signifikante Assoziationen, die mit Korrelationskoeffizienten von 0,61<br />

269


V52<br />

Vorträge – Atemwege<br />

(Spezialfahrzeugbau) und 0,58 (Automobilbau) jedoch tendenziell etwas straffer<br />

ausfielen als für Gesamtstaub/Al im Plasma. Anhand der Steigungen der<br />

Regressionsgeraden (17,4 bzw. 15,6) zeigt sich erneut die höhere Empfindlichkeit des<br />

Parameters Al im Urin gegenüber Al im Plasma, die zudem für beide Teilkollektive<br />

vergleichbar zu sein scheint.<br />

Deutlichere Unterschiede ergaben sich dagegen in Bezug auf die Achsenabschnitte der<br />

beiden Regressionsgeraden. Diese könnten Ausdruck einer unterschiedlichen<br />

kumulativen Vorbelastung in den beiden Teilkollektiven sein. Als Hinweis auf eine<br />

entsprechend höhere Vorbelastung der Teilnehmer aus dem Bereich<br />

Spezialfahrzeugbau, könnte u.a. die deutlich größere Schweißerfahrung dieser<br />

Probanden gewertet werden (Mittelwert am Ende der Studie 14,8 Jahre vs. 8,8 Jahre im<br />

Automobilbau).<br />

Tabelle 2: Korrelationskoeffizienten (r), Signifikanzniveaus (p) und Geradengleichungen für die<br />

Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Belastung in den beiden Teilkollektiven.<br />

Teilkollektiv<br />

Zusammenhang<br />

Gesamtstaub/Al im Plasma<br />

Zusammenhang<br />

Gesamtstaub/Al im Urin<br />

Spezialfahrzeugbau<br />

(n= 19)<br />

r= 0,58 p< 0,01<br />

y= 1,6x + 8,8<br />

r= 0,61 p< 0,01<br />

y= 17,4x + 40,6<br />

Automobilbau<br />

(n= 54)<br />

r= 0,34 p< 0,01<br />

y= 1,1x + 5,6<br />

r= 0,58 p< 0,01<br />

y= 15,6x + 27,1<br />

Aufgrund der höheren Korrelationskoeffizienten und ähnlicher Steigungen der<br />

Regressionsgeraden erscheinen die Zusammenhänge des Parameters Al im Urin zur<br />

äußeren Belastung insgesamt verlässlicher als die des Parameters Al im Plasma. Zudem<br />

zeigt sich eine relativ gute Übereinstimmung mit Daten aus der Literatur. So fanden<br />

Sjögren et al. (1988) in einer Untersuchung mit Schweißern für den Zusammenhang<br />

zwischen der äußeren Belastung und der kreatininbezogenen Ausscheidung von Al im<br />

Urin vergleichbare Regressionsparameter (y= 13,5x + 30,2).<br />

Verwendet man die, für die beiden Teilkollektive erhaltenen Regressionsgleichungen zur<br />

Berechnung von Korrelaten zur Maximalen Arbeitsplatzkonzentration (1,5 mg/m³) im<br />

biologischen Material, so ergeben sich Al-Ausscheidungen im Urin von 66<br />

(Spezialfahrzeugbau) bzw. 51 µg/g Kreatinin (Automobilbau).<br />

270


V52<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Schlussfolgerungen<br />

In den untersuchten Kollektiven führte die Exposition gegenüber Al-haltigen<br />

Schweißrauchen dosisabhängig zu einem Anstieg der inneren Al-Belastung. Signifikante<br />

Zusammenhänge zur äußeren Belastung fanden sich sowohl für den Parameter Al im<br />

Plasma als auch für den Parameter Al im Urin. In beiden Fällen unterliegen die<br />

Zusammenhänge zahlreichen zusätzlichen Einflussfaktoren, die für eine relativ große<br />

Streuung der Werte sorgen. Die für den Parameter Al im Urin ermittelten<br />

Zusammenhänge zur äußeren Belastung erscheinen insgesamt straffer und<br />

verlässlicher. Auch zeichnet sich dieser Parameter gegenüber Al im Plasma durch eine<br />

höhere - und in beiden Teilkollektiven vergleichbare - Empfindlichkeit aus. Anhand der<br />

gefundenen Zusammenhänge lassen sich Korrelate zur Maximalen<br />

Arbeitsplatzkonzentration von 1,5 mg/m³ errechnen. Demnach ergeben sich je nach<br />

Kollektiv Al-Ausscheidungen im Urin von 66 bzw. 51 µg/g Kreatinin, wodurch unter<br />

anderem der kürzlich durch die DFG reevaluierte BAT-Wert in Höhe von 60 µg/g<br />

Kreatinin gestützt wird.<br />

Literatur<br />

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). MAK- und BAT-Werteliste 2008.<br />

Senatskommisssion zur Prüfung Gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 44.<br />

Wiley-VCH Verlag Weinheim 2008.<br />

Letzel S.: BK 4106: Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch<br />

Aluminium oder seine Verbindungen. In: Arbeitsmedizin. Handbuch für Theorie und<br />

Praxis (Hrsg.: Triebig G, Kenntner M, Schiele R) Gentner Verlag Stuttgart 2003: 415-421.<br />

Rossbach B, Buchta M, Csanády GA, Filser JG, Hilla W, Windorfer K, Stork J,<br />

Zschiesche W, Gefeller O, Pfahlberg A, Schaller KH, Egerer E, Pinzón LC, Letzel S.<br />

Biological monitoring of welders exposed to aluminium. Toxicol Lett. 162 (2006): 239-45.<br />

Sjögren B, Elinder CG, Lidums V, Chang G. Uptake and urinary excretion of aluminum<br />

among welders. Int Arch Occup Environ Health. 60 (1988): 77-79.<br />

271


V53<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Nanopartikel im Schweißrauch an verschiedenen Arbeitsplätzen<br />

Peter Brand 1 , Karl Holzinger 2 , Elke Ochsmann 1 , Thomas Kraus 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

2<br />

Institut für Schweiß- und Fügetechnik der RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Von Nanopartikeln (ultrafeine Partikel) in der menschlichen Umgebung geht, vermutlich<br />

aufgrund ihrer großen Oberfläche, eine nachweisbare Gesundheitsgefährdung aus (1-3).<br />

Dabei scheint mittlerweile klar zu sein, dass bei gleicher Massenkonzentration, die<br />

biologische Wirkung der Teilchen umso größer ist, je kleiner die Teilchen sind (4).<br />

Derartige Partikel spielen nicht nur in der urbanen Atmosphäre eine große Rolle sondern<br />

auch an Arbeitsplätzen, insbesondere solchen, an denen Schweißverfahren eingesetzt<br />

werden (5-7). Ultrafeine Partikel werden allerdings von den am Arbeitsplatz üblichen,<br />

zumeist gravimetrischen Messverfahren kaum erfasst. Zu ihrer Charakterisierung ist es<br />

notwendig, entweder die gesamte Aerosol-Größenverteilung zu messen oder spezielle<br />

Teilchen-Zählverfahren einzusetzen, da die Partikelanzahl ein gutes Maß für die Menge<br />

an ultrafeinen Partikeln im Aerosol darstellt. In der vorliegenden Studie wurde die<br />

Anzahlkonzentration der ultrafeinen Partikel in der Luft verschiedener<br />

Schweißarbeitsplätze bestimmt.<br />

Methoden<br />

Die Messung erfolgte mit dem WRAS (wide range aerosol spectrometer) der Firma<br />

Grimm (Ainring) mit einem Meßbereich von 5.5 nm bis 32 µm. Als Messgröße wurde die<br />

Partikelanzahlkonzentration über den gesamten Größenbereich bzw. die<br />

Partikelvolumenkonzentration herangezogen. Die Partikelvolumenkonzentration ist in der<br />

Regel proportional zur Partikelmassenkonzentration. Eine vollständige Messung der<br />

Aerosolteilchen-Größenverteilung dauerte ca. 3-4 Minuten.<br />

Ergebnisse<br />

Es zeigten sich deutliche Unterschiede in der Zahl ultrafeiner Partikel an verschiedenen<br />

Schweißarbeitsplätzen, die in erheblichem Maße von den Lüftungsverhältnissen an den<br />

verschiedenen Messorten abhingen. Während nach längeren arbeitsfreien Episoden<br />

(z.B. nach dem Wochenende) Partikelanzahlkonzentration gefunden wurden, die unter<br />

den Werten der üblichen Außenluftkonzentration lagen (ca. 2-3 10 4 cm -3 ) kam es bei<br />

Schweißaktivitäten zu einem schnellen Anstieg der Zahl ultrafeiner Partikel, die jedoch in<br />

gut gelüfteten Räumen schnell (innerhalb von 15-30 min) wieder abfiel. Das Maximum<br />

(Mode) der Anzahlgrößenverteilung lag zumeist bei 100 – 200 nm allerdings wurden<br />

auch kurzzeitig Maxima bei kleineren Durchmessern (ca. 10 nm) beobachtet, die<br />

272


V53<br />

Vorträge – Atemwege<br />

vermutlich auf frisch entstandene, noch nicht gealterte Partikel zurückzuführen sind. Die<br />

höchsten Partikelkonzentrationen wurden bei Laser-Hybridschweißvorgängen<br />

beobachtet. Bei diesem Verfahren, das im vorliegenden Falle in einer vollständig<br />

geschlossenen gut belüfteten Kammer durchgeführt wurde, wurden kurzzeitig<br />

Partikelanzahlkonzentrationen von bis zu 4 10 6 cm -3 beobachtet (Abbildung 1). Allerdings<br />

fiel die Anzahlkonzentration aufgrund der guten Entlüftung nach den Schweißungen<br />

schnell wieder ab. Andere Schweiß- und Trennverfahren führten zu keiner relevanten<br />

Zunahme der Partikelkonzentration im Raum (MIG-Schweißen, Plasma-Schneiden unter<br />

Wasser).<br />

Anzahlkonzentration (cm 3 )<br />

3.5e+6<br />

3.0e+6<br />

2.5e+6<br />

2.0e+6<br />

1.5e+6<br />

1.0e+6<br />

5.0e+5<br />

Heftung<br />

Schweißung<br />

Heftung<br />

0.0<br />

Volumenkonzentration (µm 3 /cm 3 )<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

10.00 10.20 10.40 11.00 11.20 11.40 12.00<br />

Zeit (Stunden)<br />

Abbildung 1: Partikelanzahl- und Volumenkonzentration als Funktion der Zeit in einer Laser-<br />

Hybrid-Schweißkammer.<br />

An vielen Arbeitsplätzen werden verschiedene Arbeitsschritte gleichzeitig ausgeführt, so<br />

dass es zu Emissionen aus vielen Quellen (Schweißen, Schleifen, Bohren etc.) kommen<br />

kann, die sich in der Regel nicht trennen lassen. Ein Beispiel für den Verlauf der<br />

Partikelkonzentration in einer Werkshalle mit gemischten Emissionen ist in Abbildung 2<br />

dargestellt. Auch hier zeigte sich, dass die Belüftung der Halle die Partikelkonzentration<br />

entscheidend beeinflusst. So zeigte sich z.B. nach dem Schließen des Hallentores (9:55)<br />

ein Anstieg der Partikelkonzentration von ca. 7010 3 cm -3 auf 20010 3 cm -3 . Tätigkeiten<br />

273


V53<br />

Vorträge – Atemwege<br />

wie das Kehren des Hallenbodens (10:10) führten erwartungsgemäß zu keinem Anstieg<br />

der Partikelanzahlkonzentration jedoch zu einem erheblichen Anstieg der<br />

Partikelvolumenkonzentration. Eine genaue Analyse der Partikelgrößenverteilung zeigte<br />

jedoch, dass die beim Kehren emittierten Teilchen zu einem großen Teil größer als 10<br />

µm und damit nicht respirabel sind.<br />

Anzahlkonzentration (cm 3 )<br />

250000<br />

200000<br />

150000<br />

100000<br />

50000<br />

0<br />

Hallentor zu<br />

Volumenkonzentration (µm 3 /cm 3 )<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

Kehren<br />

0<br />

9.50 10.00 10.10 10.20 10.30 10.40<br />

Zeit (Stunden)<br />

Abbildung 2: Partikelanzahl- und Volumenkonzentration in einer Werkshalle mit Emmissionen aus<br />

gemischten Quellen (Schweißen, Flexen, Schleifen, Bohren, Kehren)<br />

Schlußfolgerung<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Pilot-Untersuchungen machen deutlich, dass an realen<br />

Arbeitsplätzen im Hinblick auf die Dynamik der nanoskaligen Aerosolpartikel komplexe<br />

Verhältnisse vorliegen, die unter anderem in entscheidendem Maße von den<br />

Lüftungsverhältnissen vor Ort abhängen. Grundlage einer validen<br />

Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf die Exposition gegenüber nanoskaligen Partikel<br />

ist daher eine sehr differenzierte Bewertung der verschiedenen Schweißverfahren und –<br />

prozesse, unter Berücksichtigung anderer Arbeitsprozesse und der örtlichen<br />

Gegebenheiten. Dazu sind geeignete Meßverfahren und standardisierte Meßprozesse<br />

sowie erfahrende Beurteiler erforderlich, um reproduzierbare Daten zu generieren. Die<br />

vorliegende Studie lieferte erste Hinweise auf Risikobereiche.<br />

274


V53<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Literatur<br />

1. Donaldson K, Brown D, Clouter A, Duffin R, MacNee W, Renwick L, et al. The<br />

pulmonary toxicology of ultrafine particles. J Aerosol Med. 2002 Summer;15(2):213-20.<br />

2. Kreyling WG, Semmler M, Müller W. Health effects of ultrafine particles. Journal<br />

of Aerosol Science. 2004;35:1155-6.<br />

3. Oberdorster G. Pulmonary effects of inhaled ultrafine particles. Int Arch Occup<br />

Environ Health. 2001 Jan;74(1):1-8.<br />

4. Brown DM, Wilson MR, MacNee W, Stone V, Donaldson K. Size-Dependent<br />

Proinflammatory Effects of Ultrafine Polystyrene Particles: A Role for Surface Area.<br />

Toxicology and Applied Pharmacology 2001;175:191-9.<br />

5. Dasch J, D'Arcy J. Physical and chemical characterization of airborne particles<br />

from welding operations in automotive plants. J Occup Environ Hyg. 2008 Jul;5(7):444-<br />

54.<br />

6. Isaxon C, Pagels J, Gudmundsson A, Asbach C, John AC, Kuhlbusch TAJ, et al.<br />

Characteristics of Welding Fume Aerosol Investigated in Three Swedish Workshops.<br />

Inhaled Particles X. <strong>2009</strong>.<br />

7. Stephenson D, Seshadri G, Veranth J. Workplace exposure to submicron particle<br />

mass and number concentrations from manual arc welding of carbon steel. AIHA J<br />

2003;64:516-21.<br />

275


V54<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Einsatz nicht-invasiver Methoden zur Abschätzung von Effekten<br />

durch niedrig dosierte akute Schwefeldioxid-Exposition auf die<br />

Atemwege<br />

Monika Raulf-Heimsoth 1 , Christoph van Thriel 2 , Frank Hoffmeyer 1 , Jürgen Bünger 1 , Thomas<br />

Brüning 1<br />

1<br />

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr Universität Bochum<br />

2<br />

IfADo- Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

Ziel der Studie<br />

Schwefeldioxid (SO 2 ) ist ein umwelt- und arbeitsplatzrelevantes Gas. SO 2 gehört zu den<br />

Substanzen, die sowohl irritierend (trigeminale Stimulation) als auch belästigend<br />

(olfaktorische Stimulation) wirken können. Die durch SO 2 induzierte sensorische Irritation<br />

betrifft hauptsächlich die Augen und die oberen Atemwege. Studien mit Freiwilligen<br />

belegten das Auftreten von Irritationen an den oberen Atemwegen und an den Augen bei<br />

SO 2 Expositionen von 1 ppm und höher insbesondere in Kombination mit körperlicher<br />

Anstrengung [1, 2]. Bei Asthmatikern konnten die gleichen Effekte (u.a. Veränderung der<br />

Lungenfunktion) beobachtet werden wie bei Gesunden, allerdings schon bei einer<br />

geringeren SO 2 –Konzentration [3]. Der SO 2 -Grenzwert beruht auf der Vermeidung<br />

sensorischer Irritationen (d.h. Reizerscheinungen an den oberen Atemwegen und den<br />

Augen). Der MAK-Wert wurde 1998 von 2 ppm auf 0,5 ppm abgesenkt, allerdings sind<br />

aufgrund der unklaren Effekte im Bereich zwischen 0,5 und 2 ppm international gesehen<br />

die Grenzwerte unterschiedlich (0,5 ppm bei SCOEL (Scientific Committee on<br />

Occupational Exposure Limits) 2 ppm MAC-waarde in den Niederlanden und TLV-Wert<br />

(threshold limit value) in den USA). Ziel der Untersuchung war es, irritative Effekte von<br />

SO 2 bis zu 2 ppm auf die Atemwege von Lungengesunden unter Verwendung nichtinvasiver<br />

Methoden wie Atemkondensat (EBC), Nasallavage (NALF) und exhaliertem<br />

Stickstoffmonoxid (eNO) zu erfassen.<br />

Methoden<br />

16 gesunde Freiwillige wurden 4 Stunden mit SO 2 in Konzentrationen von 0 (saubere<br />

Luft), 0,5, 1 und 2 ppm exponiert und zwar im so genannten Messwiederholungsdesign,<br />

d.h. jeder Proband absolviert jede der vier Bedingungen (permutiertes Studiendesign).<br />

Da körperliche Aktivität an vielen Arbeitsplätzen ein relevanter Faktor ist erfolgt die<br />

Exposition unter Bedingungen, die einer leichten körperlichen Arbeit (d.h. 75 W<br />

Fahrradergometerbelastung) entspricht. Als Ausschlusskriterium galten u.a. chronische<br />

Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma), kardiologische Erkrankungen, Allergien,<br />

Diabetes und Migräne. Vor und nach der Exposition wurden neben den subjektiven<br />

Ratingverfahren, Erfassung der Atem-, Herz und Lidschlussfrequenz, Spirometrie,<br />

276


V54<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Rhinomanometrie eingesetzt, eNO in der Ausatemluft gemessen sowie NALF und EBC<br />

gewonnen und darin Biomarker der Entzündung quantifiziert. Im EBC erfolgte eine pH-<br />

Wertbestimmung mittels Glas-Elektrode (Mettler Toledo, Giessen, Germany; Genauigkeit<br />

0.01±0.02) und die Bestimmung der Konzentrationen von LTB 4 , PGE 2 and 8-PGF 2 mit<br />

spezifischen Enzymimmunoassays (Assay Designs, Ann Arbor, USA). In der NALF<br />

erfolgte neben der Bestimmung der Gesamtzellzahl und der Differentialzytologie<br />

Konzentrationsbestimmung von Substance P, BDNF (brain-derived neurotrophic factor)<br />

(Assay Designs, Ann Arbor, USA) und IL-8 (OptEIA TM BD Biosciences Pharmingen,<br />

Heidelberg, Germany)) im zellfreien Überstand. Ein positives Votum der<br />

Ethikkommission lag vor.<br />

Ergebnisse<br />

Die pH-Werte im EBC, gesammelt nach der Exposition, waren alkalischer als die vor der<br />

Exposition. Allerdings waren diese Werte nur bei sauberer Luft (7,05±0,4 versus<br />

7,27±0,3, p=0,0031) und 0,5 ppm SO 2 -Exposition signifikant unterschiedlich (6,85±0,53<br />

versus 7,08±0,42, p=0,0251). Dosisabhängige Unterschiede für LTB 4 , PGE 2 , PGF 2α<br />

konnten in den EBC-Proben nicht bestimmt werden. Verglichen mit den NALF-Proben<br />

vor der Exposition waren in den Proben nachher tendenziell höhere Substanz-P-<br />

Konzentrationen messbar, signifikante Dosis-Wirkungs-Effekte zeigten sich allerdings<br />

nicht. Weitere Parameter (z.B. IL-8 oder BDNF (brain-derived neurotrophic factor)<br />

zeigten keine signifikant unterschiedlichen Konzentrationen. Expositionsbezogene<br />

Veränderungen konnten ebenso wenig für die Lungenfunktionsparameter und die eNO-<br />

Werte ermittelt werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine vierstündige SO 2 -Exposition bis zu 2 ppm keine<br />

signifikanten Änderungen in den Konzentrationen der untersuchten Biomarker in EBC<br />

und NALF, verglichen mit sauberer Luft oder mit Proben vor der Exposition des gleichen<br />

Probanden, induziert. Es liegen daher keine Hinweise vor, dass eine niedrig dosierte<br />

akute SO 2 -Exposition in nicht adaptierten, lungengesunden Probanden eine<br />

Atemwegsirritation und/oder -entzündung hervorruft.<br />

277


V54<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Literatur<br />

1. Arts JH, de Heer C, Woutersen RA: Local effects in the respiratory tract: relevance of<br />

subjectively measured irritation for setting occupational exposure limits.<br />

Int Arch Occup Environ Health 2006; 79: 283-98<br />

2. Nowak D, Jörres R, Berger J, Claussen M, Magnussen H: Airway responsiveness to<br />

sulfur dioxide in an adult population sample.<br />

Am J Respir Crit Care Med 1997; 156: 1151-6<br />

278


V55<br />

Vorträge – Atemwege<br />

Expositionsmuster, Dosis-Wirkungsbeziehung und „lifetime<br />

risk“ von Silikose - Das „extended follow-up“ der chinesischen<br />

Quarzstudie<br />

Yi Sun 1 , Frank Bochmann 2 , Weihong Chen 3<br />

1 Referat für Angewandte Epidemiologie, BGIA, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

2 Referat 1, BGIA, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

3 Department of Occupational and Environmental Health, Wuhan, China<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

279


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Evaluation gesundheitlicher Belastungen und Arbeitseinstellungen<br />

bei Studienanfängern an Musikhochschulen<br />

Horst Hildebrandt 1 , Victor Candia 2 , Matthias Nübling 3<br />

1<br />

Zürcher Hochschule der Künste und Hochschule für Musik Basel (CH)<br />

2<br />

Collegium Helveticum der Universität und ETH Zürich (CH)<br />

3<br />

GEB Gesellschaft für Empirische Beratung mbH Freiburg im Breisgau (D)<br />

Hintergrund:<br />

In den letzten ca. 25 Jahren wurden die gesundheitlichen Probleme im Musikerberuf<br />

zunehmend erkannt und diskutiert. Nach Aufsehen erregenden Studien an<br />

Orchestermusikern in den USA (Fishbein et al. 1988) zeigten Studien aus verschiedenen<br />

Ländern, dass im Durchschnitt drei Viertel der Berufsmusiker regelmäßig oder dauerhaft<br />

von berufsspezifischen Beschwerden betroffen sind. Diese liegen überwiegend im<br />

psychosomatischen Bereich und im Bereich des Bewegungsapparates (Seidel et al.<br />

1999, Roset-Llobet et al. 2000, Hildebrandt 2002). In diversen Erhebungen an<br />

Musikhochschulen wurden immer wieder Beschwerdezahlen bei Studierenden von über<br />

50 Prozent gefunden (Spahn et. al 2002, Hildebrandt 2002). Die Realisierbarkeit und<br />

Effektivität gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen an Musikhochschulen<br />

konnte für Studierende in der Mitte eines Musikstudiums gezeigt werden (Spahn et al.<br />

2001, Hildebrandt 2002). Weiterhin wurde der positive Einfluss musikphysiologischer<br />

Fortbildung auf Musikpädagogen und deren Schüler erkennbar (Hildebrandt et al. 2004,<br />

Nübling et al. 2007). Es gab jedoch Hinweise darauf, dass gerade der Studienbeginn an<br />

einer Musikhochschule mit besonderen Belastungen für die Studierenden verbunden<br />

sein könnte (Hildebrandt 2002).<br />

Fragestellung:<br />

Um bei der aktuellen Bologna-Studienreform fundiert curriculare Änderungen im Sinne<br />

der Gesundheitsförderung und Prävention bei Studienanfängern einfordern zu können,<br />

wurden im Rahmen der hier vorgestellten Studie die gesundheitlichen Belastungen und<br />

Arbeitseinstellungen bei Studienanfängern an Musikhochschulen untersucht.<br />

Methode:<br />

An drei schweizerischen Musikhochschulen nahmen die 105 Studienanfänger an einer<br />

Längsschnittstudie mittels standardisierter Befragung teil. Vor (Zeitpunkt T0) und nach<br />

dem ersten Studienjahr (Zeitpunkt T1) kamen sowohl speziell für die Situation der<br />

Musiker neu entwickelte Fragebögen als auch bereits validierte Instrumente wie z.B. der<br />

Giessener Beschwerdebogen (GBB, Brähler et al. 1995), die Hospital Anxiety and<br />

Depression Scale (HADS, Herrmann et al.. 1995) und der Fragebogen zu<br />

280


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebnismustern (AVEM, Schaarschmidt et al. 1996)<br />

zum Einsatz.<br />

Ergebnisse:<br />

Bei den 105 befragten Studienanfängern (Durchschnittsalter 21.3 Jahre,<br />

Geschlechterverhältnis 51,4% w / 48,6% m) kam es im Laufe des ersten Studienjahres<br />

zu einer signifikanten Zunahme der Erschöpfungsneigung auf der entsprechenden<br />

Subskala des Giessener Beschwerdebogens (Abbildung1). Diese wurde wesentlich<br />

durch den Anstieg der Werte bei den Frauen dominiert.<br />

Weiterhin kam es zu einer signifikanten Zunahme der Depressionsneigung im HADS-<br />

Fragebogen (p


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Tabelle 1<br />

Die Distanzierungsfähigkeit nahm auf der entsprechenden Subskala des AVEM-<br />

Fragebogens signifikant zu (p


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

„Für-sich-Behalten“ von Beschwerden einerseits und dem gefundenen stärkeren Anstieg<br />

der Depressionsneigung andererseits geben könnte.<br />

Als Versuch des Selbstschutzes könnte die Zunahme der Körperübungen vor und nach<br />

dem Üben im Sinne eines Aufwärmens, Abkühlens und körperlichen Ausgleichs gedeutet<br />

werden. Dabei könnte der in den letzten Jahren zu beobachtende Boom an Körper- und<br />

Bewegungskursen und in zahlreichen Publikationen für Musiker eine Rolle gespielt<br />

haben.<br />

Als protektiv gegenüber den Belastungen eines Bühnenberufes kann die Zunahme der<br />

Distanzierungsfähigkeit gewertet werden. In einem emotional sehr herausfordernden<br />

Beruf wie dem Musikerberuf kann eine verbesserte Distanzierungsfähigkeit ein erstes<br />

Anzeichen für eine professionelle Einstellung gegenüber dem Berufsalltag sein. Gerade<br />

das erste Studienjahr fordert im Kontrast zur vorherigen Schulzeit einen<br />

Perspektivwechsel gegenüber der Musik als neuem Hauptberuf heraus. Im Rahmen<br />

dieses Perspektivwechsels scheint sich bei den Frauen eine schnellere<br />

Anpassungsfähigkeit aber auch ein möglicher höherer Bedarf an Distanzierungsfähigkeit<br />

herauszukristallisieren.<br />

Die gefundenen Anstiege der Belastungen im ersten Studienjahr spiegeln auch den seit<br />

Jahrzehnten bestehenden Konflikt um das Curriculum im ersten Studienjahr an einer<br />

Musikhochschule wieder. Dort treffen hohe zeitliche Anforderungen am<br />

Hauptfachinstrument oder Gesang auf eine Fülle an obligatorischen Nebenfächern. Eine<br />

bessere Organisation und Straffung des ersten Studienjahres konnte auch mit Hilfe der<br />

vorliegenden Ergebnisse an den beteiligten Hochschulen bereits realisiert werden. So<br />

gelangen für die neuen Bachelor-Studiengänge die obligatorische Integration eines<br />

Semesterkurses zur Körper- und Wahrnehmungsschulung und der fakultative Zugang zu<br />

Auftrittstrainings im ersten Studienjahr (Hildebrandt 2008). Weiterhin konnte im ersten<br />

Studienjahr ein Semesterkurs zu Lernstrategien, Hirnphysiologie und Anatomie im<br />

Pflichtcurriculum verankert werden. Dieser beschäftigt sich u. a. mit Lern- und<br />

Arbeitstechniken, Gedächtnisforschung und Zeitmanagementstrategien. Dieser Kurs<br />

wurde in der Pilotphase in einem kontrollierten Studiendesign positiv evaluiert<br />

(Hildebrandt et al. 2006). Ein für die Gesundheitsförderung und Prävention interessantes<br />

Ergebnis dieser Studie war u. a. die Zunahme der Körperübungen bei der<br />

Interventionsgruppe während der Übezeit – d. h. als integraler Bestandteil des<br />

alltäglichen Arbeitens. Weiterhin kam es zu einer Abnahme der Angstgefühle und zu<br />

einer Zunahme der Verhaltens- und Entscheidungssicherheit.<br />

283


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die vorliegende Studie legt nahe, im Zuge der in den europäischen Ländern noch<br />

laufenden Bologna-Studienreformen an Musikhochschulen Lehrveranstaltungen zu<br />

gesundheitsfördernden Lern- und Arbeitstechniken, zur Körper- und<br />

Wahrnehmungsschulung und zum Stressmanagement bezüglich der Bühnensituationen<br />

zu integrieren bzw. stärker zu gewichten. Dies gilt insbesondere für den ersten<br />

Studienabschnitt der Bachelor-Studiengänge. Dazu liegen inzwischen erste Modelle und<br />

Erfahrungen vor.<br />

Literatur:<br />

Brähler E / Scheer JW (1995) Der Gießener Beschwerdebogen. 2. Auflage. Hans Huber,<br />

Bern 1995.<br />

Fishbein, M. & Middlestadt, S. & Ottati, V. & Straus, S. & Ellis, A. (1988) Medical<br />

problems among ICSOM musicians: Overview of a national survey. Medical Problems of<br />

Performing Artists 4 (1988), 1-8<br />

Herrmann CH, Buss U, Snaith RP (1995) HADS-D Hospital Anxiety and Depression<br />

Scale - Deutsche Version. Huber, Bern<br />

Hildebrandt H (2002) Musikstudium und Gesundheit. Aufbau und Wirksamkeit eines<br />

präventiven Lehrangebotes. 2. Auflage 2004. Peter Lang, Bern<br />

Hildebrandt H / Nübling M (2004) „Providing Further Training in Musico-Physiology to<br />

Instrumental Teachers: Do Their Professional and Pre-Professional Students Derive Any<br />

Benefit?”. In: Medical Problems of Performing Artists 19 (2004): 62-69<br />

Hildebrandt H / Nübling M (2006) „Üben lernen auf physiologischer Grundlage. Ein<br />

Forschungsprojekt an der Hochschule für Musik Basel“. In: Musikphysiologie und<br />

Musikermedizin 13 (2 / 2006): 56-63<br />

Hildebrandt H (2008) „Psychosomatik und Musikpädagogik - Lösungsorientierung im<br />

Ausbildungsalltag“ In: Dokumentation zum Zürcher Symposium der SMM<br />

„Psychosomatische Aspekte in der Musik-Medizin“.(2008): 25-32<br />

Nübling M / Hildebrandt H (2007) „Evaluation der Effekte musikphysiologischer<br />

Fortbildung auf Instrumentallehrkräfte und deren Schüler. In: Ergo Med 31 (3/2007): 62-<br />

67<br />

Rosset-Llobet J / Rosines-Cubells D / Salo-Orfila JM (2000) „ Identification of risk factors<br />

for musicians in Catalonia (Spain)”. In: Medical Problems of Performing Artists 15<br />

(2000): 167-174<br />

Schaarschmidt U / Fischer A (1996) Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebnismuster.<br />

Swets Test Services GmbH, Frankfurt<br />

Seidel E / Höpfner R / Lange E (1999) „Vergleichende Studie zu klinisch relevanten<br />

Belastungsfaktoren bei Musikstudenten und Berufsmusikern“. In: Musikphysiologie und<br />

Musikermedizin 6 (1999): 115-119<br />

284


V56<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Spahn C / Hildebrandt H / Seidenglanz K (2001a) “Effectiveness of a prophylactic course<br />

to prevent playing-related health problems of music students”. In: Medical Problems of<br />

Performing Artists 16 (2001): 24-31<br />

Spahn C / Richter B / Zschocke I (2002a) “Health Attitudes, Preventive Behavior, and<br />

Playing-related Health Problems among Music Students”. In: Medical Problems of<br />

Performing Artists 17 (2002): 22-28<br />

285


V57<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Burnout-Syndrom unter Seeleuten<br />

Marcus Oldenburg 1 , Ralf Wegner, Clara Schlaich 1 , Andrea Ruppert 1 , Dieter Hillmer 1 , Xaver Baur<br />

Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der Freien und Hansestadt Hamburg, Ordinariat für<br />

Arbeitsmedizin der Universität Hamburg<br />

1 Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port Health Centers<br />

Einleitung<br />

Es wird beschrieben, dass heutzutage eine erhebliche psychosoziale Stressbelastung für<br />

die Schiffsbesatzung an Bord besteht. Eigene Untersuchungsergebnisse weisen darauf<br />

hin, dass lang andauernde Familientrennungen, eine als unzureichend eingeschätzte<br />

Ausbildung der Mannschaft, lange durchschnittliche Arbeitszeiten (pro Tag) sowie<br />

Schlafmangel von Seeleuten als Hauptbelastungsfaktoren in der Schifffahrt<br />

wahrgenommen werden (Oldenburg et al. <strong>2009</strong>). Die stark hierarchischen Strukturen in<br />

einem multinationalen und multikulturellen Kontext an Bord stellen eine hohe<br />

Herausforderung insbesondere für das Führungspersonal dar.<br />

Außerdem wird das Stresserleben zusätzlich dadurch forciert, dass Seeleute auch in<br />

ihrer Freizeit permanent schiffs- und berufsbezogenen Einflüssen (z. B. Lärm und<br />

Vibrationen) ausgesetzt und folglich die notwendigen Ruhe- und Erholungsmöglichkeiten<br />

an Bord erheblich eingeschränkt sind.<br />

Ziel<br />

Es soll die aktuelle Burnout-Gefährdung von Seeleuten auf deutsch-flaggigen Schiffen<br />

abgeschätzt werden.<br />

Methodik<br />

In dem Zeitraum von August bis Oktober 2008 fanden sich 329 Seeleute zur Seedienst-<br />

Tauglichkeitsuntersuchung bei der See-Berufsgenossenschaft ein. Von diesen nahmen<br />

264 (80,2%) Seefahrer an der Studie teil.<br />

Die aktuell wesentlichen Belastungsparameter an Bord wurden auf der Basis eigener<br />

Erhebungen und durchgeführter Expertengespräche identifiziert und in einem<br />

schifffahrtspsychologischen Fragebogen zusammengefasst. Letzter wurde den<br />

Seeleuten in einem standardisierten Interview präsentiert. Aus einer Liste von 35 Items<br />

ergaben sich gemäß Faktorenanalyse die unabhängigen Faktoren Mitarbeiterfürsorge<br />

durch Schiffsleitung und Reederei, organisatorische Führungsverantwortung, soziale<br />

Problematik infolge von Familientrennung, schlechte Ausbildung der Mannschaft sowie<br />

286


V57<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Umgang mit multikulturellen Besatzungen. Zur Abschätzung der Burnout-Gefährdung<br />

kam der Faktor Emotionale Erschöpfung (EE) des international erprobten Maslach-<br />

Burnout-Inventars (MBI; Maslach und Jackson, 1986) als Beanspruchungsvariable zum<br />

Einsatz (cut off > 26).<br />

Von den 264 Seeleuten füllten 251 die MBI-Skala Emotionale Erschöpfung komplett aus.<br />

Das Untersuchungskollektiv setzte sich aus 187 Offizieren, 44 Mannschaften und 20<br />

Personen des Küchenpersonals zusammen (Frauenanteil: 4,3%, 11,4% bzw. 25,0%;<br />

Durchschnittsalter: 44,2 Jahre, 33,8 Jahre bzw. 37,3 Jahre; Europäer: 97,3%, 65,9% bzw.<br />

65,0%).<br />

Die statistische Berechnung erfolgte unter Verwendung des Statistik-Programms SPSS<br />

Version 15.0 mittels Chi 2 -Test und multipler Regressionsanalyse.<br />

Ergebnisse<br />

Die Dauer der Seediensttätigkeit lag im Mittel bei 17,6 Jahren (SD 12,9 Jahre). Die<br />

durchschnittliche EE betrug im Gesamtkollektiv 13,5 Punkte (SD 9,4 Punkte) und war<br />

unter Seeleuten ohne Kinder signifikant stärker ausgeprägt (p= 0,031). Das Geschlecht,<br />

die Herkunft (Europäer vs. Nicht-Europäer) und das Alter spielten hinsichtlich der<br />

Burnout-Gefährdung keine wesentliche Rolle.<br />

Bezüglich der beruflichen Einflussgrößen stellte sich eine erhöhte EE bei 10,7% der<br />

Offiziere, bei 4,5% der Mannschaften und bei 25,0% des Küchenpersonals heraus. Auch<br />

eine längere durchschnittliche Arbeitszeit (in Stunden pro Tag) war mit einer stärkeren<br />

Erschöpfungsgefährdung signifikant assoziiert. Weiterhin waren Seeleute mit längerer<br />

ununterbrochener Einsatzzeit an Bord (in Monaten) im Vergleich zu jenen mit kürzerer<br />

Zeit seltener Burnout-gefährdet (nicht signifikant) (s. Abb. 1).<br />

Abb. 1 Risiko einer emotionalen Erschöpfung in Abhängigkeit von beruflichen Parametern<br />

287


V57<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

An Bord werden zwei Wachsysteme (Zwei- und Drei-Wachsystem mit zwei jeweils 6<br />

bzw. 4 Stunden andauernden Wacheinheiten pro Tag) unterschieden. Von den 67<br />

Seeleuten, die beide Wachsysteme kennengelernt hatten, bewerteten 82,1% das Zwei-<br />

Wachsystem und 4,5% das Drei-Wachsystem als belastender, 13,4% der Befragten<br />

sahen keinen Unterschied. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Wachsystem<br />

während der letzten Seereise war nicht mit einer höheren Burnout-Gefährdung<br />

verbunden.<br />

Auf der letzten Seereise waren 83,3% der Seeleute im weltweiten Fahrtgebiet und 16,7%<br />

im Nord-Ostsee-Bereich im Einsatz. Die EE unterschied sich zwischen den Seefahrern<br />

unterschiedlichen Fahrtgebiets nicht signifikant. Hinsichtlich des zuletzt befahrenen<br />

Schiffstyps (in dieser Studie 62,9% Containerschiffe, 10,8% Frachtschiffe, 10,4% Tanker,<br />

10,8% Passagierschiffe, 5,2% Sonstiges) zeigte sich, dass Seeleute insbesondere auf<br />

den (in der Regel Gefahrgut-transportierenden) Tankern und auf Passagierschiffen<br />

häufiger als auf Container- und Frachtschiffen eine Burnout-Gefährdung aufwiesen<br />

(wenngleich nicht signifikant).<br />

In unserem Untersuchungskollektiv war das Risiko einer emotionalen Erschöpfung nicht<br />

mit der subjektiven physikalischen Belastung an Bord in Form von Lärm, Vibration oder<br />

Schiffsbewegungen assoziiert.<br />

Unter Berücksichtigung wesentlicher demographischer und beruflicher Parameter fand<br />

sich in der multivariaten Korrelationsanalyse ein signifikanter Zusammenhang der EE mit<br />

der Mitarbeiterfürsorge durch Schiffsleitung und Reederei, der organisatorischen<br />

Führungs-verantwortung sowie mit der Familientrennung (Abb. 2). Bei weiterer<br />

Stratifizierung zeigte sich, dass die Familientrennung nur unter Seeleuten mit Kindern<br />

signifikant mit der Erschöpfungs-Gefährdung korreliert war.<br />

Abb. 2 Multivariate Korrelationsanalyse der emotionalen Erschöpfung<br />

288


V57<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Unter Seeleuten zeigte sich im Vergleich zu anderen von uns untersuchten<br />

Berufsgruppen eine eher moderate Burnout-Gefährdung (10,8%), wobei im Einklang mit<br />

anderen Studien (Oldenburg et al. 2008) insbesondere das Küchenpersonal als<br />

besonders stressbelastete Berufsgruppe an Bord imponierte. Auf der Grundlage dieser<br />

Studienergebnisse ist zur Verminderung der emotionalen Erschöpfung zu empfehlen, die<br />

Mitarbeiterführung zu verbessern, die z. T. monatelangen Trennungen der Besatzungen<br />

von ihren Familien zu reduzieren und die Führungsaufgaben der Schiffsleitung (z. B. den<br />

Verwaltungsaufwand während der Hafenliegezeit) besser zu organisieren.<br />

Die Durchführung Studien-basierter Interventionsmaßnahmen (z. B. durch Mitarbeiterschulung<br />

mit Kommunikationstraining oder durch bessere Telekommunikations-<br />

Möglichkeiten der Besatzung nach Hause) erscheint hier erforderlich.<br />

Danksagung<br />

Die Autoren bedanken sich bei allen Seeleuten, die an dieser Studie teilgenommen<br />

haben. Außerdem gilt unser Dank Herrn Dr. P. Hose-Jäger vom Sozialmedizinischen<br />

Dienst der Knappschaft-Bahn-See für das Einverständnis, unsere Fragebogenerhebung<br />

im Rahmen der Seedienst-Tauglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Weiterhin möchten<br />

sich die Autoren bei Herrn Prof. Dr. H. J. Jensen und Herrn D.-P. Hansen bedanken, die<br />

den schifffahrtspsychologischen Fragebogen dieser Erhebung maßgeblich entwickelt<br />

haben.<br />

Literatur<br />

Oldenburg M, Jensen H-J, Latza U, Baur X. Coronary risks among seafarers aboard<br />

German-flagged ships. Int Arch Occup Environ Health 81; 2008: 735-41<br />

Oldenburg M, Jensen H-J, Latza U, Baur X. Seafaring stressors aboard merchant and<br />

passenger ships. Int J Public Health 54; <strong>2009</strong>:1-10<br />

289


V58<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Der inkrementelle Beitrag von Persönlichkeitsfaktoren in der<br />

Aufklärung arbeitsbezogener psychischer Gesundheitsprobleme<br />

Jessica Lang 1 , Jonas W.B Lang 2 , Ingo Zettler 3 , Matthias Dreger 1 , Thomas Kraus 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

2 Department of Work and Social Psychology, Universität Maastricht<br />

3 Institut für Psychologie, RWTH Aachen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

290


V59<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Effort-Reward Imbalance und der Gesundheitszustand von<br />

Schuldnerberatern in Rheinland-Pfalz<br />

Michael Unrath, Andrea Jaenicke, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Zusammenfassung<br />

Schuldberater arbeiten in engem Kontakt mit Klienten, die sich in einer krisenhaften<br />

Situation befinden. Diese emotional fordernde Tätigkeit kann für die Berater mit einem<br />

Risiko verbunden sein, selbst gesundheitliche Probleme zu entwickeln. Im Oktober 2006<br />

wurde eine Querschnittsstudie an 53 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in<br />

Rheinland-Pfalz in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt. Der Fragebogen<br />

enthielt Fragen zur psychischen Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten sowie zu<br />

Arbeitsbedingungen, soziodemographischen Variablen und arbeitsbedingtem Stress<br />

nach dem Effort-Reward Imbalance Modell (Siegrist 1996). Insgesamt war jeder vierte<br />

Schuldnerberater (25,8 %, n = 62) von hohem Arbeitsstress (Effort-Reward Ratio >1)<br />

betroffen. Arbeitsstress war zudem sowohl bivariat als auch in binär logistischen<br />

Regressionsmodellen nach Adjustierung signifikant mit verschiedenen<br />

Gesundheitsproblemen assoziiert. Ein möglicher Verbesserungsansatz besteht darin, die<br />

am Arbeitsplatz erlebte Belohnung durch systematische Erfolgsrückmeldungen im<br />

Beratungsprozess und positive Rückmeldungen von Seiten der Vorgesetzten und Träger<br />

zu steigern und die Arbeit gleichzeitig durch Optimierung der Arbeitsorganisation (z. B.<br />

Teamarbeit) effizienter zu gestalten.<br />

Ziel der Studie<br />

Überschuldung stellt in Deutschland mit 6,9 Millionen betroffenen Bürgern ein großes<br />

gesellschaftliches Problem dar (Creditreform 2008). Dabei ist Überschuldung nicht<br />

gleichbedeutend mit bloßer Verschuldung. Erst wenn bei Privatpersonen nach Abzug der<br />

notwendigen Lebenshaltungskosten das verbleibende Einkommen nicht ausreicht, um<br />

alle Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, spricht man von Überschuldung im Sinne einer<br />

dauerhaften Zahlungsunfähigkeit (Wimmer 2006). Überschuldung ist ein ökonomisches<br />

und juristisches Problem, hat daneben aber auch weit reichende negative soziale und<br />

gesundheitliche Folgen (Münster et al. 2007a; Münster et al. 2007b).<br />

Die Schuldnerberatung in Deutschland entwickelte sich in den 80er Jahren aufgrund der<br />

steigenden Anzahl ver- und überschuldeter Privathaushalte. Derzeit arbeiten in<br />

Deutschland ca. 1700 Mitarbeiter in rund 1100 Beratungsstellen (http://www.bagsb.de/index.php?id=16,<br />

Sanio et al. 2006). Inhaltlicher Schwerpunkt der Beratung ist<br />

neben finanziellen und rechtlichen Aspekten die soziale Arbeit, da die überschuldeten<br />

Klienten sich in einer krisenhaften Situation mit häufig fehlender Zukunftsperspektive<br />

291


V59<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

befinden. Oftmals bestehen soziale und gesundheitliche Schwierigkeiten auf Seiten der<br />

Klienten, zum Beispiel in Form psychischer Beschwerden (Münster et al. 2007a;<br />

Thomsen, 2008). Die Tätigkeit als Schuldnerberater kann somit eine emotional stark<br />

fordernde Arbeit sein. In den letzten Jahren ist darüber hinaus die Arbeitslast der<br />

Schuldnerberater deutlich angestiegen. Im Jahr 2000 wurden in Rheinland-Pfalz etwa<br />

6700 Klienten beraten, sieben Jahre später lag die Fallzahl bei etwa 12700 Klienten. Die<br />

Anzahl der Schuldnerberater stieg trotz der wachsenden Fallzahl nicht an. (Ministerium<br />

für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz 2008). Angesichts<br />

der genannten potentiellen Stressoren könnte die Gesundheit der Berater selbst<br />

gefährdet sein. Wissenschaftlich fundiertes Wissen über den Gesundheitszustand der<br />

Schuldnerberater fehlte bislang. Um diese Lücke zu schließen, wurde erstmalig eine<br />

arbeitsmedizinische Studie mit Schuldnerberatern in Rheinland-Pfalz durchgeführt.<br />

Methoden<br />

Im Oktober 2006 wurde eine Querschnittsstudie an Mitarbeitern von Schuldner- und<br />

Insolvenzberatungsstellen in Rheinland-Pfalz mittels eines anonym zu beantwortenden<br />

Fragebogens durchgeführt. Beteiligt waren 53 staatlich anerkannte Schuldner- und<br />

Insolvenzberatungsstellen. Im Bogen enthalten waren Fragen zur psychischen und<br />

körperlichen Gesundheit, die zum großen Teil standardisierten Instrumenten entnommen<br />

worden waren. Eingesetzt wurden beispielsweise der PHQ-2 (Kroenke et al. 2003) und<br />

eine von Glaser revidierte Fassung des MBI-D (Buessing et al. 1992). Darüber hinaus<br />

wurden Fragen zum Berufsleben gestellt und soziodemografische Variablen erhoben.<br />

Arbeitsbedingter Stress wurde mit dem ERI-Q (Siegrist 1996) erfasst. In den<br />

Regressionsmodellen wurden sowohl soziodemografische als auch berufsbezogene<br />

Kovariaten kontrolliert (z. B. Geschlecht, berufsbezogene soziale Unterstützung). Alle<br />

statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt. Das Signifikanzniveau<br />

wurde mit α = 0,05 definiert.<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt nahmen 66 Schuldnerberater (36 Frauen) zwischen 25 und 59 Jahren an der<br />

Befragung teil (Teilnahmequote 63,5 %). 44 Teilnehmer (66,7 %) gaben an, derzeit unter<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen zu leiden. Weitere häufige Gesundheitsprobleme waren<br />

emotionale Erschöpfung und Depression. Einen Überblick über die gesundheitlichen<br />

Probleme in der Stichprobe bietet Abbildung 1.<br />

292


V59<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

75,8<br />

…durch Arbeit beeinträchtigt<br />

66,7<br />

Emotionale Erschöpfung<br />

aktuelle Gesundheitsprobleme<br />

41,3 39,4 38,5<br />

BMI > 25<br />

kein regelmäßiger Sport<br />

Rauchen<br />

25,4<br />

Depression<br />

12,1<br />

krankheitsbedingte Fehltage<br />

63,6<br />

Abbildung 1: Gesundheitsprobleme der Schuldnerberater (n = 60-66)<br />

Insgesamt gaben 75,8 % der Schuldnerberater an, dass ihre Gesundheit durch die Arbeit<br />

beeinträchtigt wird. Darüber hinaus wurden spezifische gesundheitliche<br />

Beeinträchtigungen als Folge der Arbeit genannt, z.B. Rückenschmerzen (69,7 %) oder<br />

Kopfschmerzen (53,8 %). Jeder vierte Schuldnerberater (25,8 %) erlebte hohen<br />

Arbeitstress in Form eines Ungleichgewichts zwischen Anstrengung und Belohnung am<br />

Arbeitsplatz (Effort-Reward Ratio > 1). Dieses Ungleichgewicht war bivariat signifikant<br />

mit mehreren gesundheitlichen Problemen assoziiert wie beispielsweise der<br />

Anwesenheit aktueller seelischer oder körperlicher Beschwerden (OR = 10,6; 95 % KI =<br />

1,3-86,9) oder mit Übergewicht in Form eines Body-Mass-Indexes > 25 kg/m² (OR = 5,0;<br />

95 % KI = 1,5-17,2). Auch in multivariaten Modellen zur Vorhersage verschiedener<br />

Gesundheitsprobleme (z. B. Vorhandensein aktueller körperlicher oder seelischer<br />

Beschwerden, emotionale Erschöpfung) blieb Arbeitsstress ein statistisch signifikanter<br />

Risikofaktor.<br />

293


V59<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Schuldnerberater in Rheinland-Pfalz scheinen häufig von gesundheitlichen Problemen<br />

und einem Ungleichgewicht zwischen Anstrengung und Belohnung am Arbeitsplatz<br />

betroffen zu sein. Arbeitsstress kann bei Schuldnerberatern wie bei anderen<br />

Berufsgruppen auch (Siegrist 2008; Siegrist et al. 2008; Siegrist et al. 2004) einen<br />

Risikofaktor zur Herausbildung dieser gesundheitlichen Beschwerden darstellen.<br />

Einschränkend müssen der relativ geringe Stichprobenumfang sowie mögliche<br />

Selektionsverzerrungen erwähnt werden, die die Ergebnisse möglicherweise in beide<br />

Richtungen beeinflusst haben könnten.<br />

Ein möglicher Ansatz zur Verbesserung der Situation besteht darin, die am Arbeitsplatz<br />

erlebte Belohnung zu steigern und gleichzeitig die mit der Arbeit verbundenen<br />

Anstrengungen zu reduzieren. Möglichkeiten zur Steigerung der Belohnung bestehen<br />

zum Beispiel in der Einführung systematischer Erfolgsrückmeldungen im<br />

Beratungsprozess und der Erhöhung der Anzahl positiver Rückmeldungen von Seiten<br />

der Vorgesetzten und Träger. Darüber hinaus sollten die bestehenden Möglichkeiten für<br />

Supervision, Reflexion und Weiterqualifizierung geprüft und gegebenenfalls verbessert<br />

werden (Thomsen 2008). Durch eine Optimierung der Arbeitsorganisation kann<br />

außerdem die Effizienz gesteigert und Anstrengung verringert werden. Ansatzpunkte<br />

hierzu bestehen in der Förderung von Teamarbeit, der Bildung von<br />

Beratungsschwerpunkten, der Standardisierung standardisierbarer Tätigkeiten und<br />

flexiblen Arbeitszeitenregelungen (Siegrist et al. 2008; Thomsen 2008).<br />

Literatur<br />

1 Buessing A, Perrar KM. Die Messung von Burnout. Untersuchung einer<br />

deutschen Fassung des Maslach Burnout Inventory (MBI-D) Measurement of<br />

burnout. Study of a German version of the Maslach Burnout Inventory (MBI-D).<br />

Diagnostica 1992; 38<br />

(4):328-53.<br />

2 Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, http://www.bag-sb.de/index.php?<br />

id=16, 17. März <strong>2009</strong><br />

3 Creditreform. Schuldneratlas Deutschland 2008, 2008<br />

4 Kroenke K, Spitzer RL, Williams JB. The Patient Health Questionnaire-2: validity<br />

of a two-item depression screener. Med Care 2003; 41 (11):1284-92.<br />

5 Ministerium für Arbeit Soziales Gesundheit Familie und Frauen Rheinland-Pfalz<br />

LfSJuVR-P, Schuldnerfachberatungszentrum Rheinland-Pfalz,LIGA –<br />

Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz &<br />

Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung in Rheinland-Pfalz. Statistik der<br />

Schuldnerberatung Rheinland-Pfalz 2007, 2008<br />

6 Münster E, Rüger H, Ochsmann E, Alsmann C, Letzel S. Überschuldung und<br />

Gesundheit. Sozialmedizinische Erkenntnisse für die Versorgungsforschung.<br />

Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 2007a; 42 (12):628-34.<br />

7 Münster E, Rüger H, Ochsmann E, Alsmann C, Letzel S. Überschuldung und<br />

Zuzahlungen im deutschen Gesundheitssystem – Benachteiligung bei<br />

294


V59<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Ausgabenarmut. eingereicht in 'Das Gesundheitswesen' (eingereicht 2007b, im<br />

Druck März <strong>2009</strong>).<br />

8 Sanio W, Groth U, Schulz-Rackoll R. Der Schuldenreport 2006. In: Schriftenreihe<br />

des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zur Verbraucherpolitik, Bd. 7. Berlin:<br />

BWV Berliner Wissenschaftsverlag, 2006.<br />

9 Siegrist J. Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup<br />

Health Psychol 1996; 1 (1):27-41.<br />

10 Siegrist J. Chronic psychosocial stress at work and risk of depression: evidence<br />

from prospective studies. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2008; 258 Suppl<br />

5:115-9.<br />

11 Siegrist J, Dragano N. [Psychosocial stress and disease risks in occupational life.<br />

Results of international studies on the demand-control and the effort-reward<br />

imbalance models]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung<br />

Gesundheitsschutz 2008; 51 (3):305-12.<br />

12 Siegrist J, Starke D, Chandola T, Godin I, Marmot M, Niedhammer I et al. The<br />

measurement of effort-reward imbalance at work: European comparisons. Soc<br />

Sci Med 2004; 58 (8):1483-99.<br />

13 Thomsen M. Professionalität in der Schuldnerberatung. Handlungstypen im<br />

Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008.<br />

14 Wimmer K. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, Vor §§ 286<br />

ff. Rn. 3, S. 1682. München, 2006.<br />

295


V60<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Ist der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ein sensitiver<br />

Indikator unmittelbarer mentaler Beanspruchungen bei der<br />

Arbeit?<br />

Andreas Müller, Raluca Petru, Lucia Seitz, Peter Angerer<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München<br />

Zusammenfassung<br />

In einem Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest wurde geprüft, ob der relative<br />

Pupillenunruhe-Index (RPUI) ein sensitiver Indikator für kurzfristige arbeitsbedingte<br />

mentale Beanspruchungen ist. Der RPUI gilt als Maß der zentralnervösen Aktivierung. Je<br />

geringer der RPUI desto höher die zentralnervöse Aktivierung. Bisher wenig untersucht<br />

ist die Sensitivität des RPUI gegenüber unmittelbaren mentalen Beanspruchungen. Ein<br />

Kollektiv mit hoher mentaler Beanspruchung (30 Vorfeldkontrolleure eines<br />

internationalen Flughafens) wurde mit einem Kontroll-Kollektiv mit geringer mentaler<br />

Beanspruchung (63 gesunde Probanden an einem freien Tag) verglichen. Beide<br />

Kollektive wurden hinsichtlich Alter und Geschlecht adjustiert. Der RPUI wurde zu zwei<br />

Messzeitpunkten im Abstand von acht Stunden mit dem pupillografischen<br />

Schläfrigkeitstest erfasst. Die Messungen erfolgten in beiden Kollektiven zum gleichen<br />

Zeitpunkt unmittelbar vor und nach einer Spätschicht der Vorfeldkontrolleure. Es wurden<br />

keine statistisch signifikanten Zeit-Versuchsgruppeneffekte beobachtet. Damit hatte die<br />

mentale Beanspruchung keinen Einfluss auf den RPUI. Es ist zu schlussfolgern, dass<br />

der RPUI kein sensitiver Indikator zur Erfassung kurzfristiger mentaler Beanspruchung<br />

ist.<br />

(Keywords: mentale Beanspruchung, Pupillografie)<br />

Ziel der Studie<br />

In einem nicht-randomisierten Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest wurde<br />

geprüft, ob der relative Pupillenunruhe-Index (RPUI) ein sensitiver Indikator für<br />

kurzfristige arbeitsbedingte mentale Beanspruchungen ist.<br />

Fehlbeanspruchungen können zum einen Gesundheitsbeeinträchtigungen (z.B.<br />

Karasek, 1979) und zum anderen Fehlhandlungen (z.B. Reason, 1992) zur Folge haben.<br />

Es besteht daher ein Bedarf an objektiven Methoden zur Erfassung und Einschätzung<br />

mentaler Beanspruchungen.<br />

Pupillenreaktionen sind ein Beispiel für objektive Indikatoren kurzfristiger mentaler<br />

Beanspruchungen (z.B. Kahneman, 1973). Eines der pupillografischen Maße ist die<br />

spontane Änderung des Pupillendurchmessers bei Dunkelheit, der sogenannte<br />

Pupillenunruheindex. Die Pupillenunruhe gilt als Maß der zentralnervösen Aktivierung<br />

(vgl. z.B. Wees et al., 2000): Je geringer die Pupillenunruhe desto höher die<br />

296


V60<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

zentralnervöse Aktivierung. Der relative Pupillenunruheindex (RPUI) ist eine einfach zu<br />

interpretierende, weil standardisierte Variante des Pupillenunruhe-Index. Die<br />

Standardisierung erfolgt am Anfangsdurchmesser der Pupille. Eine konstante Pupille<br />

hätte damit einen RPUI = 0. Die Pupillenunruhe wurde bisher insbesondere in der<br />

Schlafforschung (z.B. Wilhelm, Wilhelm, Lüdtke, Streicher & Adler, 1998) und bei<br />

Verkehrstauglichkeitsuntersuchungen (z.B. Wilhelm, 2008) erhoben. Bisher wenig<br />

untersucht ist die Sensitivität der Pupillenunruhe gegenüber kurzfristigen mentalen<br />

Beanspruchungen.<br />

Methoden<br />

Design: Nicht-randomisiertes Kontrollgruppendesign mit Prä- und Posttest.<br />

Stichprobe: Als Untersuchungs-Kollektiv mit hoher mentaler Beanspruchung<br />

dienten 30 Vorfeldkontrolleure eines internationalen Flughafens (männlich = 22, weiblich<br />

= 8; Alter = 33.9, ± 7.6) vor und nach einer Spätschicht. Aufgabe der Vorfeldkontrolleure<br />

ist die Überwachung und aktive Regelung des Verkehrs auf den Vorfeldern eines<br />

Flughafens. Als Kontroll-Kollektiv mit geringer mentaler Beanspruchung wurden 63<br />

gesunde Probanden an einem freien Tag (männlich = 44, weiblich = 19; Alter = 32.6, ±<br />

8.4) untersucht. Beide Kollektive wurden hinsichtlich Alter und Geschlecht adjustiert.<br />

Erhebungsmethoden: Der RPUI wurde zu zwei Messzeitpunkten im Abstand von<br />

acht Stunden mit dem pupillografischen Schläfrigkeitstest (F 2 D Fit-for-Duty-Test, der<br />

Firma AMTech) erfasst. Es wurde mittels Infrarotlicht die kontinuierliche Änderung des<br />

Pupillendurchmessers aufzeichnet. Die Messdauer betrug 11 Minuten. Zur Kontrolle<br />

circadianer Effekte erfolgten die Messungen in beiden Kollektiven zum gleichen<br />

Zeitpunkt um 13:30 und um 22:00 unmittelbar vor und nach einer Spätschicht der<br />

Vorfeldkontrolleure.<br />

Die Wirksamkeit der Exposition (mentale Beanspruchung) wurde in beiden<br />

Kollektiven durch den Einsatz des NASA-Task Load Index (NASA-TLX, Hart &<br />

Staveland; 1988) kontrolliert. Der NASA-TLX erfasst die subjektive (Arbeits-) Belastung –<br />

im Sinne des Aufwands zur Erreichung einer bestimmten Leistung. Das Instrument<br />

umfasst sechs Dimensionen (z.B. Geistige Anforderungen, Körperliche Anforderungen,<br />

Anstrengung), die jeweils anhand einer zwanzigstufigen Skala (Wertebereich: 0-100)<br />

individuell eingeschätzt wurden. Das Instrument wurde viermal in zweistündigen<br />

Abständen eingesetzt. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Untersuchungs-Design.<br />

Die Studie wurde von der Ethikkommission des Klinikums der LMU München<br />

positiv beurteilt.<br />

297


V60<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Pupillografie<br />

T1<br />

Untersuchungs-Kollektiv<br />

Kontroll-Kollektiv: Freizeit<br />

Pupillografie<br />

T2<br />

13:30 Uhr 22:00 Uhr<br />

NASA-TLX NASA-TLX NASA-TLX NASA-TLX<br />

Abbildung 1: Untersuchungs-Design<br />

Ergebnisse<br />

Subjektive Arbeitsbelastung: Das Untersuchungs-Kollektiv berichtete von signifikant<br />

höheren subjektiven Belastungen während des gesamten Untersuchungszeitraums (F =<br />

117.2, df = 1, p < .001). Dieses Ergebnis bestätigt die angenommen<br />

Belastungsunterschiede zwischen den beiden Kollektiven und damit die Wirksamkeit der<br />

Exposition.<br />

Relativer Pupillenunruheindex: Zu t1 betrug der RPUI der Vorfeldkontrolleure .89<br />

(± .49), der RPUI des Kontroll-Kollektivs betrug .83 (± .48). Zu t2 betrug der RPUI der<br />

Vorfeldkontrolleure .71, (± .33), der RPUI des Kontroll-Kollektivs betrug .67 (± .43). Die<br />

kritische Obergrenze des RPUI von 1 wurde nicht überschritten. Statistisch signifikante<br />

Zeit-Versuchsgruppeneffekte wurden nicht beobachtet (F = .05, df = 1, p = .83).<br />

UK<br />

KK<br />

Abbildung 2: Der relative Pupillenunruheindex (RPUI) im Gruppenvergleich<br />

(UK = Untersuchungs-Kollektiv, KK = Kontroll-Kollektiv)<br />

Damit hatten die Unterschiede in der mentalen Beanspruchung keinen Einfluss<br />

auf den RPUI zu t2. Hingegen bestehen Haupteffekte des Messzeitpunktes auf den<br />

RPUI (F = 13.2, df = 1, p = .00), d.h. der RPUI verringert sich in beiden Kollektiven von t1<br />

zu t2 signifikant. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Ergebnisse zum RPUI.<br />

298


V60<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass der RPUI kein sensitiver Indikator zur Erfassung<br />

kurzfristiger mentaler Beanspruchung ist. Als Ursache für die Verringerung des RPUI<br />

über die Zeit können circadiane Einflüsse angenommen werden (vgl. Wilhelm, 2001). Es<br />

ist zu vermuten, dass der RPUI nur Effekte, welche die Effekte circadianer<br />

Schwankungen übersteigen, erfassen kann.<br />

Literatur<br />

Hart, S. G., & Staveland, L. E. Development of NASA-TLX (Task Load Index): Results of<br />

empirical and theoretical research. In P. A. Hancock & N. Meshkati (Hrsg.),<br />

Human mental workload, Oxford: North-Holland, 1988, 139-183.<br />

Kahneman, D. Attention and effort. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall, 1973.<br />

Karasek, R. A. Job demands, job decision latitude and mental strain: Implications for job<br />

redesign. Administrative Science Quarterly, 24, 1979, 285-306.<br />

Reason J. Human Error. Cambridge, Mass: Cambridge University Press, 1992.<br />

Weeß, H. G., Sauter, C., Geisler, P., Böhning, W., Wilhelm, B., Rotte, M., et al. Vigilanz,<br />

Einschlafneigung, Daueraufmerksamkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit - Diagnostische<br />

Instrumentarien zur Messung müdigkeits- und schläfrigkeitsbezogener Prozesse<br />

und deren Gütekriterien. Somnologie, 4, 2000, 20-38.<br />

Wilhelm, B., Wilhelm, H., Lüdtke, H., Streicher, P. & Adler, M. Pupillographic assessment<br />

of sleepiness in sleep-deprived healthy subjects. Sleep, 21,1998, 258-265.<br />

Wilhelm, B., Giedke, H., Lüdtke, H., Bittner, E., Hofmann, A. & Wilhelm, H. Daytime<br />

variations in central nervous system activation measured by a pupillographic<br />

sleepiness test. J Sleep Res, 10, 2001, 1-7.<br />

Wilhelm, B. Pupillografie zur Messung von Fahrerschläfrigkeit. Klin Monatsbl<br />

Augenheilkd, 225, 2008, 791-798.<br />

299


V61<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Psychische Belastungen in der Altenpflege im Vergleich zu<br />

anderen Berufsgruppen<br />

Matthias Nübling 1 , Martin Vomstein 1 , Sabine Gregersen 2 , Madeleine Dulon 2 , Albert Nienhaus 2<br />

1<br />

FFAS: Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg<br />

2<br />

BGW: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />

Ziel: Studien zu psychischen Belastungen und Beanspruchungen in der Altenpflege<br />

zeigen bisher meist durchschnittliche bis überhöhte Belastungen (NEXT-Studie, Simon et<br />

al. 2005; Beluga Studie, Glaser et al, 2007; u.a.). Das Ziel dieser Studie ist es, die<br />

Datenbasis speziell für die Altenpflege zu verbessern und an einer umfangreichen<br />

Stichprobe hinsichtlich vieler Belastungsaspekte sowohl Vergleiche innerhalb der Pflege<br />

als auch mit anderen Berufsgruppen zu ermöglichen.<br />

Methoden: Die deutsche Version des COPSOQ- Fragebogens (Copenhagen<br />

Psychosocial Questionnaire) ist ein inhaltlich sehr breites und umfangreich validiertes<br />

und erprobtes Fragebogeninstrument zur Erfassung psychischer Belastungen und<br />

Beanspruchungen (Nübling et al. 2005, 2006); die Standardversion beinhaltet 25 Skalen<br />

zu psychischen Faktoren am Arbeitsplatz. Im Auftrag der BGW wurde in 36<br />

Einrichtungen der ambulanten und stationären Altenpflege eine für Pflegeberufe leicht<br />

erweiterte Version des Fragebogens eingesetzt (zusätzlich: spezifische Belastungen in<br />

der Altenpflege, Schichtmodelle).<br />

Die bei den Beschäftigten in der Altenpflege gemessenen Belastungsmittelwerte wurden<br />

intern zwischen mobiler und stationärer Altenpflege verglichen sowie extern mit den<br />

Ergebnissen der COPSOQ- Datenbank insgesamt (N=11.168 Probanden aus<br />

verschiedenen Berufsgruppen), bzw. mit 1.650 Personen aus der stationären<br />

Krankenpflege.<br />

Ergebnisse: 889 Personen nahmen insgesamt an der Erhebung teil, wobei der Rücklauf<br />

zwischen den Einrichtungen sehr stark variierte (Rücklauf insgesamt 33%, Spanne 11-<br />

93%). 412 Personen kamen aus der „ambulanten Altenpflege“, 313 aus der „stationären<br />

Altenpflege“; 164 Personen hatten andere Berufe, z.B. Verwaltung (diese werden im<br />

Folgenden nicht dargestellt).<br />

Im Vergleich zum COPSOQ- Gesamtwert und den einzelnen Berufsgruppen der<br />

Datenbank ergaben sich strukturell (berufsgruppentypisch) sowohl günstige als auch<br />

ungünstige Punkte für die Altenpflege (bei gleichzeitig großer Variation innerhalb der<br />

Betriebe, was aber dann kein strukturelles Berufsmerkmal mehr ist, sondern ein<br />

organisatorisches Betriebsmerkmal).<br />

300


V61<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Skala: Einfluss bei der Arbeit<br />

100<br />

Mittelwert (95% Konfidenzintervall)<br />

90<br />

80<br />

Wert Berufsgruppe<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

58<br />

60<br />

59 61<br />

54<br />

54<br />

47<br />

51<br />

49 52<br />

20<br />

39<br />

43 41 40 41<br />

37<br />

40<br />

44<br />

43<br />

39<br />

43<br />

38<br />

38 40<br />

10<br />

0<br />

Fertigung<br />

Techn. Berufe: Ingenieure<br />

Verwaltung, Führung<br />

Techn. Berufe: Techniker etc.<br />

Verwaltung, andere<br />

Ordnung / Sicherheit<br />

Schrift. /Kunst<br />

Ärzte<br />

Betriebsärzte<br />

Anästhesisten<br />

Rettungsdienst<br />

Physiotherap.<br />

Gesundh., Rest<br />

Sozarb. / Sozpäd.<br />

Altenpflege<br />

Lehrkräfte<br />

Berufsgruppe (KdB 92)<br />

Priester<br />

Pfarrer<br />

Erziehung, Rest<br />

Entsorgung<br />

DL, Rest<br />

ambulante Pflege<br />

stat. Altenpflege<br />

stat. Krankenpflege<br />

Abbildung 3: Einfluss bei der Arbeit nach Berufsgruppen<br />

Nachteilig für die Beschäftigten in der Altenpflege (je mind. p


V61<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Diskussion und Schlussfolgerungen:<br />

Insgesamt stellt sich die berufsspezifische Situation vor allem in der ambulanten<br />

Altenpflege (außer „alleine arbeiten“) günstiger dar als in der stationären Altenpflege<br />

oder in anderen Berufen.<br />

Mehrere Begründungen für diesen Befund sind möglich, eine davon ist der hohe Anteil<br />

an Teilzeitbeschäftigten in der ambulanten Altenpflege.<br />

100<br />

Anforderungen: Skalenmittelwerte nach wöch. Arbeitszeit<br />

90<br />

Vollzeit (35h +)<br />

Skalenmittelwert (95% Konfidenzintervall)<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

53<br />

51<br />

36<br />

56<br />

53<br />

45<br />

47<br />

44<br />

Teilzeit 20-35 h)<br />

Teilzeit < 20 h<br />

40<br />

46<br />

41<br />

10<br />

25<br />

0<br />

Quantitative Anforderungen Emotionale Anforderungen Emotionen verbergen Work-Family Conflict<br />

Skala<br />

Abbildung 4: Skalen Anforderungen nach Umfang der Tätigkeit<br />

Unsere Analysemodelle bestätigen, dass Teilzeittätigkeit mit geringeren<br />

Belastungsangaben insbesondere für die quantitativen Anforderungen einhergeht, so<br />

werden z.B. die quantitativen Anforderungen von Beschäftigten in der Altenpflege<br />

(ambulant und stationär zusammen) bei unter 20 Wochenstunden deutlich geringer<br />

bewertet (38 Punkte als Durchschnittswert) als bei einer Vollzeitbeschäftigung (53<br />

Punkte). Ähnliches gilt für die anderen drei Skalen im Bereich Anforderungen;<br />

interessanterweise sind die größten Vorteile aber erst bei unter 20 Wochenstunden<br />

sichtbar; die Differenz zwischen Vollzeit und Teilzeit über 20 Stunden ist demgegenüber<br />

nur gering ausgeprägt. Insofern ist die als besonders günstig resultierende<br />

Arbeitsituation in der ambulanten Altenpflege teilweise (aber nicht völlig) nicht der<br />

geringen Belastung, sondern der häufig verringerten Expositionsdauer zu verdanken.<br />

Wichtiger als die berufsspezifischen Befunde ist für die betriebliche Intervention und<br />

Gesundheitsförderung der Punkt, dass zwischen den Betrieben auch dort große<br />

Unterschiede in den Belastungen bestehen, wo keine strukturellen Vor- oder Nachteile<br />

für die Altenpflege zu erwarten waren bzw. auszumachen sind (z.B. Führungsqualität,<br />

302


V61<br />

Vorträge – Psychomentale Belastungen<br />

Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz etc.): Hier können Betriebe aus dem Vergleich der<br />

Ergebnisse ihrer Organisation mit anderen, ähnlichen Organisationen die primären<br />

Handlungsfelder ableiten.<br />

Literatur:<br />

Glaser, J., Lampert, B. & Weigl, M. (2007). Arbeit in der stationären Altenpflege –<br />

Analyse und Förderung von Arbeitsbedingungen, Interaktion, Gesundheit und Qualität.<br />

Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben F 1977 zur Vorlage an die Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Projekt BELUGA – Belastungsanalyse und<br />

gesundheitsförderliche Arbeit in der Altenpflege, Berichte aus dem Lehrstuhl für<br />

Psychologie der TU München (Bericht Nr. 86, November 2007). München: TU.<br />

Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Methoden zur<br />

Erfassung psychischer Belastungen - Erprobung eines Messinstrumentes (COPSOQ).<br />

Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1058.<br />

Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2005<br />

Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Measuring<br />

psychological stress and strain at work: Evaluation of the COPSOQ Questionnaire in<br />

Germany. GMS Psychosoc Med. 3: 2006, Doc05. www.egms.de/en/journals/psm/2006-<br />

3/psm000025.shtml/<br />

Simon, M. et al. (2005). Auswertung der ersten Befragung der NEXT-Studie in<br />

Deutschland. Wuppertal: Universität Wuppertal.<br />

303


V62<br />

Vorträge – Haut<br />

EU-Sen-si-tiv: Entwicklung alternativer Methoden zur<br />

Risikobewertung kontaktsensibilisierender Stoffe<br />

Hans F. Merk, Hagen Ott, Claudia Skazik, Richard Brans, Jens Malte Baron<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

304


V63<br />

Vorträge – Haut<br />

Validität, Inter- und Intraobserver-Variabilität eines Hautscores<br />

zur Früherkennung des Handekzems in der arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge<br />

Wobbeke Weistenhöfer, Thomas Baumeister, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />

Einleitung:<br />

Bei den Verdachtsanzeigen auf das Vorliegen einer Berufskrankheit liegen die<br />

berufsbedingten Hauterkrankungen (BK 5101 der BKV) seit Jahren an der Spitze aller<br />

Verdachtsanzeigen, auch wenn seit 2002 ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist<br />

(HVBG 2006). 80-90% der beruflich bedingten Kontaktekzeme sind an den Händen<br />

lokalisiert (Andersen 2003). Das Handekzem hat eine hohe sozioökonomische und<br />

sozialmedizinische Bedeutung. Häufig sind junge Beschäftigte, die noch in der<br />

Ausbildung sind, betroffen. Es entstehen hohe Kosten durch medizinische Versorgung,<br />

Krankengeld, Arbeits- und Produktionsausfall, Wiedereingliederung und ggfs. Renten<br />

sowie ein erheblicher Verlust an Lebensqualität. Wichtig ist also die Vermeidung des<br />

Auftretens der Erkrankung, die Primärprävention. Um die Wirksamkeit präventiver<br />

Maßnahmen überprüfen zu können, benötigt man standardisierte, validierte Instrumente<br />

wie z.B. Scores zur Befundung des Hautzustands der Hände. Es gibt bereits validierte<br />

Handscores wie den HECSI (Held et al. 2005), den Manuscore (John 2001) und den<br />

OHSI (Skudlik et al. 2006). Diese Scores wurden zur Beurteilung manifester<br />

Handekzeme im Rahmen der Tertiärprävention und im klinischen Bereich der<br />

Sekundärprävention entwickelt. Der Erlanger Hautscore für die Prävention ist ein Score<br />

zur Befundung des Hautzustands der Hände bei arbeitsfähigen, weitgehend<br />

hautgesunden Beschäftigten also im präklinischen Bereich der Sekundärprävention.<br />

Ziel der Studie<br />

Es sollte der Erlanger Hautscore für die Prävention, ein Handscore zur Beschreibung des<br />

Hautzustands der Hände bei arbeitsfähigen, weitgehend hautgesunden Beschäftigten,<br />

validiert werden. Dazu sollten Inter- und Intraobserver-Variabilität des Scores untersucht<br />

und die Ergebnisse mit den Daten bereits validierter Handscores verglichen werden.<br />

Methoden<br />

Ein Kollektiv von 40 männlichen arbeitsfähigen Beschäftigten mit einem<br />

Feuchtarbeitsplatz (Alter: 28-56 Jahre, Median 41,0) wurde von drei Ärzten mit Hilfe des<br />

Erlanger Hautscores für die Prävention untersucht, um die Interobserver-Variabilität zu<br />

bestimmen. Dabei wurden für das Handekzem typische Morphen wie Erythem, Papeln,<br />

305


V63<br />

Vorträge – Haut<br />

Bläschen, Schuppung/Hyperkeratose, Xerosis, Lichenifikation, Rhagaden, Erosionen und<br />

Krusten/Exkoriationen sowie deren Lokalisation und Intensität erfasst.<br />

Ein Kollektiv von 30 männlichen, arbeitsfähigen Beschäftigten mit einem<br />

Feuchtarbeitsplatz (Alter: 22-57 Jahre, Median: 46,5) wurde von drei Ärzten zur<br />

Bestimmung der Intraobserver-Variabilität untersucht. Dabei wurden zehn Probanden<br />

jeweils zwei Mal verblindet von einem Arzt mit Hilfe des Erlanger Hautscores untersucht.<br />

Unsere Ergebnisse wurden dann mit den Daten der bereits validierten Handscores<br />

(HECSI, OHSI und Manuscore) verglichen.<br />

Das schriftliche Einverständnis der Probanden und das Votum der Ethikkommission der<br />

Universität Erlangen-Nürnberg lagen vor.<br />

Ergebnisse<br />

Im Kollektiv der 40 arbeitsfähigen Feuchtarbeiter ergab sich ein Score-Wert im Erlanger<br />

Hautscore von 12 Punkten (Median, Bereich: 2-87 Punkte) bei einem erreichbaren<br />

Maximum von 2260 Punkten. Dies entspricht minimalen bis mäßigen<br />

Hautveränderungen auf den Händen. Bei der Untersuchung der Interobserver-Variabilität<br />

zeigte sich ein Intra-Class-Korrelationskoeffizient von 0,933 (95% KI 0,833-0,963), was<br />

einer sehr hohen Übereinstimmung entspricht. Im Kollektiv der 30 arbeitsfähigen<br />

Feuchtarbeiter ergab sich ein Score-Wert im Erlanger Hautscore von 14 Punkten<br />

(Median, Bereich: 3-61 Punkte). Bei der Untersuchung der Intraobserver-Variabilität<br />

zeigte sich ein Intra-Class-Korrelationskoeffizient bei den einzelnen Maßen von 0,745-<br />

0,979 (95% KI 0,259-0,995) und bei den durchschnittlichen Maßen von 0,854-0,989<br />

(95% KI 0,411-0,007), was einer hohen bis sehr hohen Konsistenz entspricht. Im<br />

Vergleich unserer Daten mit den Daten bereits validierter Handscores zeigte sich, dass<br />

die Werte in einem ähnlichen Bereich lagen (Tabelle 1 und 2).<br />

Tabelle 1: Vergleich des Erlanger Hautscores mit bereits validierten Handscores (Intraobserver-<br />

Variabilität)<br />

306


V63<br />

Vorträge – Haut<br />

Tabelle 2: Vergleich des Erlanger Hautscores mit bereits validierten Handscores (Interobserver-<br />

Variabilität)<br />

Schlussfolgerungen<br />

Mit dem Erlanger Hautscore können zuverlässig und untersucherunabhängig auch<br />

minimale Hautveränderungen objektiv dokumentiert werden. Der Erlanger Hautscore ist<br />

ein geeignetes und reproduzierbares Instrument zum Einsatz in der Prävention. Sein<br />

Einsatz bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen ist empfehlenswert<br />

Literatur:<br />

Andersen KE. Occupational issues of allergic contact dermatitis. Int Arch Occup<br />

Environ Health 2003; 76:347-350.<br />

Held E, Skoet R, Johansen JD, Agner T. The hand eczema severity index (HECSI): a<br />

scoring system for clinical assessment of hand eczema. A study of inter- and<br />

intraobserver reliability. Br J Dermatol 2005; 152: 302-7.<br />

HVBG, Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften 2006; Bonifatius Druck Buch Verlag, Paderborn<br />

John SM. Diagnostik in der Begutachtung der “BK-Haut” I: Operationalisierung des<br />

klinischen Befundes (Manuscore) in Klinische und experimentelle Untersuchungen zur<br />

Diagnostik in der Berufsdermatologie. Konzeption einer wissenschaftlich begründeten<br />

Qualitätssicherung in der sozialmedizinischen Begutachtung. In: Studien zur Prävention<br />

in Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie (ABU 4) Schwanitz H J (ed.):<br />

Osnabrück, Universitätsverlag Rasch, 2001: 133-141; Persönliche Mitteilung Februar<br />

2008.<br />

Skudlik C, Dulon M, Pohrt U, Appl KC, John SM, Nienhaus A. Osnabrueck hand<br />

eczema severity index--a study of the interobserver reliability of a scoring system<br />

assessing skin diseases of the hands. Contact Dermatitis 2006; 55: 42-7.<br />

307


V64<br />

Vorträge – Haut<br />

Experimenteller Nachweis einer erhöhten Irritabilität der Haut<br />

nach Feuchtarbeit<br />

Manigé Fartasch, Dirk Taeger, Sandra Schöneweis, Beatrice Gellert, Thomas Brüning<br />

BGFA, Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-<br />

Universität Bochum<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

308


V65<br />

Vorträge – Haut<br />

Ergebnisse einer randomisierten und kontrollierten Studie zur<br />

Überprüfung der Wirksamkeit von Hautschutzpräparaten an<br />

kühlschmierstoffexponierten Beschäftigten<br />

Dirk Taeger 1 , Beate Pesch 1 , Heinrich Dickel 2 , Anke Leiste 1,2 , Sandra Schöneweis 1 , Natascha<br />

Goldscheid 1 , Michael Haufs 1 , Rolf Merget 1 , Peter Altmeyer 2 , Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum, Bochum<br />

2 Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Zur Primärprävention beruflich bedingter Hauterkrankungen zählen Hautschutz- (HS)<br />

und Hautpflegemittel (HP). In dieser randomisierten, Untersucher-verblindeten und<br />

kontrollierten Studie wird der Wirksamkeitsnachweis von Hautschutzpräparaten unter<br />

Kühlschmierstoffexposition mittels klinisch und messtechnisch objektivierbaren Kriterien<br />

unter standardisierten Bedingungen (Klimakammer) wissenschaftlich untersucht.<br />

Abbildung 1: Realisierter Studienplan<br />

Methoden<br />

Es wurde eine randomisierte, einfach verblindete und kontrollierte Interventionsstudie bei<br />

beruflich gegenüber Kühlschmierstoffen Exponierten in einem Metallbetrieb durchgeführt,<br />

die auf Grund ihrer Tätigkeit ihre Hände nicht ausreichend durch Handschuhe schützen<br />

können. Dabei wurden die Probanden zufällig vier Interventionsgruppen mit Anwendung<br />

von nur HS, nur HP, HS plus HP sowie weder HS noch HP zugeordnet. Bei der<br />

Erstuntersuchung erfolgte neben der klinischen Untersuchung (Inspektion der Haut und<br />

Beurteilung: auffällig, geringfügig auffällig und unauffällig) die Erhebung von<br />

309


V65<br />

Vorträge – Haut<br />

hautphysiologischen (transepidermalen Wasserverlust, pH-Metrie, Corneometrie) und<br />

mikrotopographischen Parametern (Hautschuppigkeit,- rauhigkeit, -kontrast) an den<br />

Handrücken. Nachuntersuchungen fanden nach 3, 6 und 12 Monaten statt.<br />

Ergebnisse<br />

Innerhalb eines Jahres wurden 96 Probanden untersucht (Abbildung 1). Im Laufe des<br />

Beobachtungszeitraumes hatte sich der der Hautzustand gebessert, allerdings ließ sich<br />

diese Veränderung des Hautzustandes keiner bestimmten Interventionsgruppe zuordnen<br />

(Tabelle 1). Die Analyse der hautphysiologischen und mikrotopographischen Parameter<br />

zeigte eine Abhängigkeit der Parameter von exogenen Faktoren wie Temperatur, relative<br />

Luftfeuchte (trotz Klimakammer) sowie Alter und Hauttyp.<br />

Tabelle 1: Hautzustand<br />

Hautzustand Erstuntersuchung Abschlussuntersuchung<br />

Unauffällig [N (%)] 120 (62,5) 131 (68,2)<br />

Geringfügig auffällig [N (%)] 68 (35,4) 61 (31,8)<br />

Auffällig [N (%)] 4 (2,1) 0<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Studie belegt einen Interventionseffekt. Eine erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich<br />

Anwendung von Hautschutz führte zu einem besseren Hautzustand. Die Anwendung von<br />

Hautmitteln unterstützt diesen Effekt. Eine Veränderung des Hautzustandes ließ sich nur<br />

klinisch nachweisen. Die Abhängigkeit der hautphysiologischen und<br />

mikrotopographischen Parameter von exogenen Faktoren und hier vor allem von<br />

klimatischen Bedingungen (trotz Einsatz einer Klimakammer) lässt den Einsatz dieser<br />

Verfahren an einer überwiegend klinisch unauffälligen Haut zur Evaluierung von<br />

Wirkungen von Hautmitteln nicht als aussagekräftig erscheinen.<br />

Das schriftliche Einverständnis der Probanden sowie die Zustimmung der<br />

Ethikkommission liegen vor.<br />

Der ausführliche Abschlussbericht steht im Internet als PDF zur Verfügung:<br />

http://www.bgfa.de<br />

Webcode: 539648<br />

310


V66<br />

Vorträge – Haut<br />

Akzeptanz des dreistufigen Hautschutzkonzepts bei 1355<br />

Beschäftigten der metallbearbeitenden Industrie<br />

Birgitta Kütting 1 , Wobbeke Weistenhöfer 1 , Thomas Baumeister 1 , Wolfgang Uter 2 , Hans Drexler 1<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />

2 Institut für Biometrie und Epidemiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />

Hintergrund: Hauterkrankungen sind nach wie vor für einen Großteil der<br />

Verdachtsmeldungen von Berufserkrankungen verantwortlich. Beruflich verursachte<br />

Hauterkrankungen machen ungefähr 40% aller Berufskrankheiten aus, differierende<br />

Angaben zwischen den Ländern hängen von Art und Ausmaß der Industrialisierung in<br />

den einzelnen Ländern ab. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Kontaktekzeme<br />

(irritativ und/oder allergisch), bei denen die Hände mit 90% die Prädilektionsstellen<br />

darstellen. Seit vielen Jahren wird der dreistufige Hautschutzplan als sinnvolles<br />

Instrument zur Prävention beruflicher Hauterkrankungen propagiert. Der Hautschutzplan<br />

besteht aus den drei Elementen Hautschutz, Hautreinigung und Hautpflege. Die<br />

Applikation einer Hautschutz-creme vor Arbeitsbeginn soll die Haut bei hautbelastenden<br />

Tätigkeiten schützen, die anschließende Hautreinigung soll - so mild wie möglich und so<br />

aggressiv wie nötig - arbeitsbedingte Verschmutzungen entfernen, und die<br />

abschließende Anwendung eines Hautpflegepräparates soll die Regeneration der<br />

epidermalen Barrierefunktion der Haut fördern.<br />

Der Erfolg einer primärpräventiven Maßnahme am Arbeitsplatz ist aber nicht nur<br />

abhängig von der Wirksamkeit der Maßnahme an sich, der Implementierung dieser<br />

Maßnahme in den Betrieb, sondern auch, sofern es sich nicht um eine technischorganisatorische<br />

Maßnahme handelt, von der Compliance der Beschäftigten bei der<br />

Umsetzung dieser Maßnahme.<br />

Ziel: Daher wurde mit der folgenden Studie die Akzeptanz des dreistufigen<br />

Hautschutzkonzepts bei 1355 Beschäftigten aus insgesamt 19 Betrieben der<br />

metallbearbeitenden Industrie untersucht. Durch regelmäßige Exposition zu<br />

Kühlschmiermitteln (Feuchtarbeit) gehört diese Branche zu einer Risikogruppe für die<br />

Entwicklung eines beruflich verursachten Handekzems.<br />

Material und Methode: 1310 Männer (96,7%) und 45 Frauen (3,3%) gaben ihr<br />

Einverständnis zur Durchführung eines standardisierten Interviews und zur Erhebung<br />

des Hautbefundes ihrer Hände mittels eines quantitativen Scores. Das standardisierte<br />

Interview wurde mittels eines Fragebogens durchgeführt und gliederte sich thematisch in<br />

vier Teile. Der erste Teil umfasste allgemeine Fragen zu Alter, Geschlecht,<br />

311


V66<br />

Vorträge – Haut<br />

Raucherstatus, der Exposition zu Kühlschmiermitteln sowie der Einnahme oder lokalen<br />

Anwendung von Immunsuppressiva. Nach der systemischen oder lokalen Anwendung<br />

von Immunsuppressiva wurde gefragt, da diese in der Lage sind, einen Hautbefund zu<br />

mitigieren. Der zweite Teil bestand aus Fragen zum Hautschutz- und<br />

Hautpflegeverhalten, zum Handschuhtrage-verhalten, zur Anwendung von abrasiven<br />

Reinigungsmitteln und zum häuslichen Hautpflegeverhalten. Der dritte Teil widmete sich<br />

der außerberuflichen Hautbelastung und der vierte Teil dermatologischen<br />

Vorerkrankungen<br />

Die männlichen Probanden waren zwischen 17 und 64 Jahren alt (Median: 42 Jahre;<br />

Mittelwert: 40,8 Jahre), die weiblichen Probanden waren zwischen 17 und 59 Jahren alt<br />

(Median: 36 Jahre; Mittelwert 37,6 Jahre).<br />

Der Raucheranteil lag bei 41,6% für die männlichen Probanden und 42,2% für die<br />

weiblichen Probanden.<br />

Ergebnisse: Jemals unter Hautproblemen an den Händen gelitten zu haben oder derzeit<br />

zu leiden, wurde von 52,4% aller Probanden berichtet. Spezifische dermatologische<br />

Diagnosen wurden von einem geringeren prozentualen Anteil angegeben. So berichteten<br />

21,9% über eine Dyshidrosis, 16% über ein Handekzem und 4,7% über eine atopische<br />

Dermatitis in der Anamnese (Abb. 1). Das Hautschutzkonzept wurde korrekt<br />

entsprechend den allgemein gültigen Empfehlungen von 28% der Probanden (n=381)<br />

umgesetzt. Ein etwa gleich großer Anteil von 29% verzichtete komplett auf die<br />

Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparaten. Von den übrigen Probanden<br />

wurde das Hautschutzkonzept inkomplett angewandt. So wendeten 14% ausschließlich<br />

Hautpflegepräparate an und 28 % benutzten nur Hautschutzpräparate. Im Vergleich zu<br />

den Frauen war die Compliance der Männer bei der Umsetzung des Hautschutzkonzepts<br />

signifikant schlechter (p=0,04). Männer wiederum gebrauchten signifikant häufiger<br />

abrasive Reinigungsprodukte um ihre Hände von arbeitsbedingten Verschmutzungen zu<br />

reinigen und wiesen insgesamt einen signifikant schlechteren Hautzustand auf. Von<br />

Probanden mit einem Handekzem in der Anamnese wurden signifikant häufiger<br />

Hautschutz- (Prävalenzratio (PR): 1,15; 95% KI: 1,03-1,28) und Hautpflegepräparate<br />

(PR: 1,15; 95% KI: 1,05-1,27) angewendet. Eine atopische Dermatitis oder ein<br />

dyshidrotisches Handekzem in der Anamnese hatte keinen Einfluss auf den Gebrauch<br />

von Hautschutzpräparaten am Arbeitsplatz. Dagegen war der Gebrauch von<br />

Hautpflegepräparaten signifikant häufiger unter den Probanden zu verzeichnen, die eine<br />

positive Anamnese bzgl. einer Hauterkrankung (atopische Dermatitis, dyshidrotisches<br />

Handekzem, Handekzem im Allgemeinen, Hautveränderungen an den Händen,<br />

Hautprobleme der Hände am derzeitigen Arbeitsplatz) aufwiesen. Das<br />

312


V66<br />

Vorträge – Haut<br />

Handschuhtrageverhalten wurde nicht beeinflusst durch aktuelle oder vorausgegangene<br />

dermatologische Vorerkrankungen. Abrasive Reinigungsmittel wurden mit Ausnahme<br />

von Personen mit einer atopischen Dermatitis in der Anamnese seltener benutzt von<br />

Probanden mit positiver dermatologischer Anamnese.<br />

Unterteilt man das Gesamtkollektiv entsprechend der jeweils durchgeführten<br />

Schutzmaßnahmen in vier Untergruppen (Schutz und /oder Pflege), so konnte beim<br />

Vergleich der Resultate des quantitativen Hautscore kein signifikanter Unterschied<br />

zwischen den vier Untergruppen aufgezeigt werden (Abb. 2).<br />

Schlussfolgerung: Obwohl die Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegepräparate<br />

als primärpräventive Maßnahme zur Senkung der Inzidenz von beruflich bedingten<br />

Handekzemen in Deutschland vehement propagiert wird, belegen unsere Ergebnisse,<br />

dass die Compliance zur Anwendung von Hautschutzmaßnahmen unter den<br />

Beschäftigten gering ist.<br />

Literatur:<br />

B. Kütting, W. Weistenhöfer, T. Baumeister, W. Uter, H. Drexler: Current<br />

acceptance and implementation of preventive strategies for occupational hand<br />

eczema in 1355 metal workers in Germany.<br />

Br J Dermatol <strong>2009</strong>. [Epub ahead of print]DOI:10.1111/j.1365-2133.<strong>2009</strong>.09085.x<br />

Abb. 1 Dermatologische Vorerkrankungen im Untersuchungskollektiv (n=1355)<br />

Atopische Dermatitis<br />

4,7%<br />

Handekzem<br />

16%<br />

Dyshidrotisches<br />

Handekzem<br />

21,9%<br />

Hautprobleme am<br />

derzeitigen Arbeitsplatz<br />

42,9%<br />

Hautprobleme an den<br />

Händen<br />

52,4%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />

313


V66<br />

Vorträge – Haut<br />

Abb. 2: Kein signifikanter Unterschied im Hautbefund in Abhängigkeit vom Hautschutzverhalten<br />

314


V67<br />

Vorträge – Haut<br />

Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen<br />

Birgit Fillies 1 , Susanne Weßeler 1 , Theo Blättler 2 , Manfred Dreier 2 , Alfred Liersch 3 , Hardy<br />

Mannheims 3 , Norbert Schmidt 3<br />

1 Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW (LIGA.NRW), Düsseldorf<br />

2 Unfallkasse NRW (UK NRW), Düsseldorf<br />

3<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Köln<br />

Ausgangslage<br />

Hauterkrankungen gehören in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Nordrhein-<br />

Westfalen nach wie vor zu den häufigsten Berufskrankheiten. Seit Mitte der achtziger<br />

Jahre stehen diese Hauterkrankungen in der Statistik der Anzeigen auf Verdacht auf eine<br />

Berufskrankheit an vorderster Stelle. In der gewerblichen Wirtschaft stellen sie –<br />

ungeachtet einer vermutlich weit höheren Dunkelziffer – bereits mehr als ein Drittel der<br />

anerkannten Berufskrankheiten. In der Kranken- und Altenpflege sind die<br />

Hauterkrankungen schon heute die zahlenmäßig bedeutendste Berufserkrankung.<br />

Einer der wesentlichsten beruflichen Belastungsfaktoren für die Haut ist die Feuchtarbeit.<br />

Eine stark hautbelastende Tätigkeit ist z. B. die Pflege und Behandlung von kranken<br />

Menschen. Häufiges Arbeiten im Feuchtmilieu, der gleichzeitige Kontakt mit Reinigungsund<br />

Desinfektionsmitteln und das lange Tragen von Schutzhandschuhen sind wichtige<br />

Ursachen für Schäden und Erkrankungen der Haut. Abnutzungsdermatosen der Hände<br />

sind die am häufigsten diagnostizierte Hauterkrankung bei Beschäftigten in der Krankenund<br />

Altenpflege. Hautschädliche Substanzen und Allergene können durch die gestörte<br />

Barrierefunktion der angegriffenen Haut sehr viel leichter in den Körper gelangen,<br />

dadurch wird die Ausbildung von Allergien begünstigt und es entsteht darüber hinaus<br />

eine erhöhte Gesundheitsgefährdung bei Kontakt mit Infektionserregern und<br />

Gefahrstoffen.<br />

Die Folgen dieser Berufskrankheit wiegen schwer - nicht nur im Hinblick auf die daraus<br />

oftmals resultierenden erheblichen Kosten. Eine Hauterkrankung bedeutet für die<br />

einzelnen Betroffenen häufig die Aufgabe der Tätigkeit bzw. den Verlust des<br />

Arbeitsplatzes. Neben dem persönlichen Schicksal ist hier auch zu bedenken, dass eine<br />

Berufsgruppe betroffen ist, deren Bedeutung in Zukunft noch erheblich steigen wird und<br />

in der auch zunehmend mehr professionelle Kräfte dringend benötigt werden. Denn in<br />

einer alternden Gesellschaft ist die Pflege eine wichtige Zukunftsaufgabe. So wird<br />

erwartet, dass der Bedarf an Pflegekräften in den nächsten Jahren und Jahrzehnten<br />

stetig zunehmen wird.<br />

Die Entwicklung zielgruppenspezifischer Präventionsstrategien für Beschäftigte im<br />

Gesundheitswesen - speziell in der Krankenpflege - ist sowohl für die<br />

315


V67<br />

Vorträge – Haut<br />

Arbeitsschutzverwaltung als auch für die zuständigen Unfallversicherungsträger von<br />

großem Interesse.<br />

Kooperationspartner<br />

Das Projekt „Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitswesen“ ist auf<br />

Kooperationsbasis durchgeführt worden: Neben dem Landesinstitut für Gesundheit und<br />

Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) waren seitens der<br />

Unfallversicherungsträger die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />

Wohlfahrtspflege (BGW) sowie die Unfallkasse NRW (UK NRW) und - als weitere<br />

Partner - 11 Krankenhäuser und 2 Krankenpflegeschulen in Nordrhein-Westfalen<br />

beteiligt.<br />

Entscheidende Voraussetzung für die Durchführung dieses Projektes war die freiwillige<br />

Teilnahme dieser 11 verschiedenen Krankenhäuser, wobei insbesondere die im<br />

Arbeitsschutz Verantwortlichen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich des<br />

Pflegedienstes sowohl bei der Datenerhebung in der ersten Projektphase als auch in der<br />

Pilotierungsphase, der dritten Projektphase, zur Mitarbeit gefordert waren. In dieser<br />

Phase wurden die Module auch in 2 Krankenpflegeschulen in verschiedenen Klassen im<br />

Rahmen des Berufsschulunterrichts vorgestellt und jeweils 3 bzw. 4 Unterrichtseinheiten<br />

durchgeführt.<br />

Ziele<br />

Als oberstes Ziel, das durch die Erstellung, Erprobung und Verbreitung eines<br />

Präventionskonzeptes umgesetzt werden sollte, ist die Vermeidung von<br />

Hauterkrankungen im Gesundheitswesen zu sehen. Erstellt wurden Handlungs- und<br />

Informationshilfen für die Berufsgruppe des Pflegepersonals.<br />

Methodisches Vorgehen<br />

Das Projekt bestand aus insgesamt 4 Phasen:<br />

In der ersten Phase wurde die Ausgangsituation durch unterschiedliche<br />

Erhebungsinstrumente erfasst und analysiert, um als Basis für spätere konzeptionelle<br />

Überlegungen zu dienen.<br />

In der zweiten Phase wurde - hierauf aufbauend - das Präventionskonzept mit seinen<br />

Handlungs- und Informationshilfen erstellt. Dazu wurde im ersten Schritt eine<br />

systematische Datenauswertung gemacht, deren Ergebnisse dann als Grundlage für die<br />

Erstellung eines zielgruppenspezifischen modularen Präventionskonzeptes für die<br />

Berufsgruppe des Pflegepersonals dienten.<br />

316


V67<br />

Vorträge – Haut<br />

In der dritten Phase, der sogenannten „Pilotierungsphase“, wurde das so erarbeitete<br />

Konzept in einem Teil der 11 Krankenhäuser sowie in 2 Krankenpflegeschulen erprobt.<br />

Evaluiert wurde diese Pilotierung durch eine Befragung der Stationsleitungen bzw. deren<br />

Stellvertreter / -innen zu den mit dem Präventionskonzept gemachten Erfahrungen, die<br />

mit in das Konzept einflossen.<br />

In der vierten und letzten Phase wurde dann das gemeinsam erarbeitete Konzept<br />

unterschiedlichen Adressaten (Verantwortliche im Arbeitsschutz, Krankenhaus- und<br />

Heimleitungen, Pflegepersonal, Lehrpersonal von Krankenpflegeschulen, etc.) in Form<br />

einer „Beta-Version“ einer CD-ROM zugänglich gemacht. Die damit gesammelten<br />

Erfahrungen wurden erneut erfasst, bewertet und bei der Erstellung der Endversion der<br />

CD-ROM berücksichtigt.<br />

Ergebnisse<br />

Bei einem Rücklauf von ca. 40 % wurden von den Mitarbeitern / -innen des<br />

Pflegedienstes insgesamt 2154 Fragebögen verwertbar ausgefüllt. Neben einer<br />

Befragung der Verantwortlichen im Arbeitsschutz in den 11 Krankenhäusern wurden<br />

außerdem die insgesamt 12 - die Krankenhäuser arbeitsmedizinisch betreuenden - Ärzte<br />

befragt. Des Weiteren wurden insgesamt 69 Bereiche bzw. Stationen innerhalb der<br />

Krankenhäuser begangen und anhand eines standardisierten Erhebungsinstrumentes<br />

beurteilt. Aus der Vielzahl der so in der ersten Phase erhobenen und anschließend<br />

ausgewerteten Daten hier einige beispielhafte Ergebnisse:<br />

Fast 2/3 aller Befragten wünschten sich mehr Informationen zum Thema<br />

„Hautschutz“.<br />

Mehr als 50 % aller Befragten schätzten ihre Hautbelastung als stark oder<br />

sogar sehr stark ein.<br />

Fast die Hälfte aller Befragten litt zum Zeitpunkt der Befragung unter aktuellen<br />

Hautveränderungen, bei knapp einem Drittel bestanden diese bereits seit mehr<br />

als 6 Monate. Betriebsärztlich wurden jedoch nur ca. 3 % aufgrund von<br />

Hauterkrankungen an den Händen betreut.<br />

Ca. 11 % der Befragten gaben an, zum Thema „Hautschutz“ unterwiesen<br />

worden zu sein, wobei es zwischen den einzelnen Krankenhäusern große<br />

Schwankungen gab.<br />

In mehr als einem Drittel aller in den Krankenhäusern begangenen Bereiche<br />

wurde keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt oder zumindest in weiten<br />

Teilen nicht abgeschlossen.<br />

317


V67<br />

Vorträge – Haut<br />

Fazit<br />

Das Präventionskonzept basiert einerseits auf den Ergebnissen der Befragung und der<br />

Begehungen, andererseits kommt es dem Wunsch der am Projekt beteiligten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Pflege über 11 Krankenhäuser und 2<br />

Krankenpflegeschulen in Nordrhein-Westfalen nach mehr Informationen zu den Themen<br />

„Hautschutz“ und „Hygiene“ nach, deckt gleichzeitig den Bedarf an einfach zu<br />

handhabenden Unterweisungs- und Handlungshilfen ab und berücksichtigt<br />

unterschiedliche Aspekte als Hilfestellung für die Durchführung von Unterweisungen rund<br />

um das Thema „Prävention von Hauterkrankungen im Gesundheitsdienst“.<br />

Ausblick<br />

Ziel ist es, eine Optimierung des betrieblichen Hautschutzes und damit seiner<br />

Organisation zu erreichen und somit nicht nur die Häufigkeit sondern auch das Risiko<br />

einer berufsbedingten Hauterkrankung wirkungsvoll zu senken.<br />

318


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Biologisches Monitoring von Glykolethern bei geringen<br />

Innenraumluftbelastungen<br />

Thomas Göen 1 , Lutz Nitschke 2 , Hermann Fromme 2 , Hans Drexler 1<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen/Nürnberg, Erlangen<br />

2<br />

Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München<br />

Einleitung und Zielsetzung<br />

Bei den Glykolethern handelt es sich um eine große Gruppe von Kohlenwasserstoffen<br />

mit Ether- und Alkoholgruppen, die aufgrund ihrer amphiphilen Eigenschaft als Lösemittel<br />

insbesondere im Zusammenhang mit wasserbasierten Systemen verwendet. Von großer<br />

technischen und wirtschaftlichen Bedeutung sind dabei die Glykolether auf Ethylen- und<br />

Propylenglykol-Basis. Ende der 1990er Jahre wurden allein in Westeuropa etwa 800.000<br />

t Ethylenglykolether produziert. Dabei weisen insbesondere die Ethylenglykolether eine<br />

bedeutsame hämatotoxische sowie reproduktionstoxische Wirkung auf. Die aus dem<br />

oxidativen Metabolismus gebildeten Alkoxyessigsäuren gelten hierbei als die toxisch<br />

wirksamen Stoffwechselprodukte. Für die arbeitsmedizinische Beurteilung solcher<br />

Expositionen wird deshalb die renale Ausscheidung dieser toxischen Metabolite<br />

herangezogen. Vor etwa 20 Jahren wurden die Propylenglykolether teilweise als<br />

Ersatzstoffe eingeführt, bei denen sich die unveretherte Hydroxylgruppe in ß-Position<br />

befindet, und die damit nicht zu der entsprechenden Säure abgebaut werden können. In<br />

arbeitsmedizinischen Studien, die bereits Anfang der 1990er Jahre durchgeführt wurden,<br />

konnte allerdings gezeigt werden, dass die technischen Propylenglykolether-Produkte in<br />

geringeren Mengen auch die Isomere mit der freien Hydroxylgruppe in α-Stellung<br />

enthalten, und dass Expositionen gegenüber Propylenglykolethern zu deutlichen<br />

Alkoxypropionsäure-Ausscheidungen führen können (Göen et al. 1993). Neben dem<br />

gezielten technischen Einsatz werden Glykolether zunehmend im häuslichen Bereich<br />

und an Büroarbeitsplätze für die Raumreinigung verwendet.<br />

Ziel der Studie war es, die Innenraumbelastung sowie die resultierende innere Belastung<br />

der Nutzer nach Anwendung von Glykolether-haltigen Raumreinigungsmitteln in<br />

Büroräumen zu erfassen.<br />

Studiendesign und Methoden<br />

In der Studie wurden die Raumluftbelastung und die Belastung der Raumnutzer nach<br />

einmaliger Raumreinigung direkt vor der Raumnutzung untersucht. Dabei wurden jeweils<br />

40 ml eines glykoletherhaltigen Reinigungsmittelkonzentrates eingesetzt. Es kamen drei<br />

verschiedene Reinigungsmittelprodukte zum Einsatz, die 7,5 % Butoxyethanol (Exp. 1),<br />

3,5 % 1-Butoxy-2-propanol (Exp. 2) und 5 % Propoxyethanol (Exp. 3) enthielten. Die<br />

319


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Anwendungen der verschiedenen Produkte erfolgten in 7, 6 bzw. 5 Büroräumen mit<br />

Raumvolumina im Bereich von 33 – 50 m 3 . Der größte Raum wurde während der<br />

Experimente von zwei Beschäftigten, die anderen Räume von jeweils einem<br />

Beschäftigten genutzt. Während der Nutzungsdauer fand keine Lüftung der Räume statt.<br />

Die Belastung der Raumluft wurde durch aktive Sammlung auf Aktivkohle während der<br />

gesamten Nutzungsphase (3 ½ - 8 h), Flüssigelution und GC-MS-Analyse bestimmt. Das<br />

verwendete Analysenverfahren basiert auf der BIA-Methode 7570 und erlaubte die<br />

Bestimmung von 18 verschiedenen Glykolethern. Für das Biomonitoring wurde von den<br />

Raumnutzern am Tag vor dem Reinigungsexperiment, am Tag des Experimentes sowie<br />

einen Tag nach dem Experiment der Urin während der gesamten Nutzungsphase<br />

gesammelt. Die Bestimmung der Glykolethermetabolite in Urin erfolgte mit einer<br />

modifizierten DFG-Methode (Göen und Bader 2006), mit der 11 verschiedene<br />

Alkoxyessigsäuren und Alkoxypropionsäuren in Urin bestimmt werden konnten. Das<br />

Verfahren beruht auf einer Flüssigextraktion der Analyten, einer silylierenden<br />

Derivatisierung und einer GC-MS-Analyse. Die Nachweisgrenze betrug jeweils 0,01 mg/l.<br />

Da der im Experiment 2 eingesetzte 1-Butoxy-2-propanol nicht zu einer<br />

Alkoxypropionsäure metabolisiert werden kann, wurde für das Biomonitoring dieses<br />

Experimentes der Metabolit der im technischen Gemisch zu erwartenden Verunreinigung<br />

(2-Butoxy-1-propanol), die 2-Butoxypropionsäure, als Expositionsmarker ausgewählt. Da<br />

die Analyse der Alkoxyalkylsäuren ohne Hydrolyse erfolgte, wurde für die<br />

Butoxyessigsäure nur der unkonjugierte Anteil bestimmt. Die Analyse der Glykolether-<br />

Metabolite in Urin erfolgt ohne Kenntnis der Probenzugehörigkeit zu Person und<br />

Untersuchungszeitpunkt.<br />

Ergebnisse<br />

Exemplarisch für die verschiedenen Experimente ist in Abbildung 1 der Verlauf der<br />

Raumluftkonzentration von 1-Butoxy-2-propanol nach einer einmaligen<br />

Reinigungsmittelanwendung über die Nutzungsdauer dargestellt. In der ersten<br />

Luftmessung nach Nutzungsbeginn wurde eine deutlich erhöhte Luftkonzentration des<br />

Glykolethers bestimmt, die im Verlauf der Nutzung stark abfällt. Nach der Anwendung<br />

der Reinigungsmittel wurden über die jeweilige Nutzungsdauer in der Raumluft mittlere<br />

Glykolether-Konzentrationen im Bereich von 4,5 bis 13,5 mg Butoxyethanol/m 3<br />

(Mittelwert: 7,5 mg/m 3 ), 1,7 bis 4,3 mg 1-Butoxy-2-propanol/m 3 (Mittelwert: 3,0 mg/m 3 )<br />

bzw. 1,6 bis 4,5 mg Propoxyethanol/m 3 (Mittelwert: 3,2 mg/m 3 ) bestimmt. Die<br />

individuellen Verläufe für die Metabolitenkonzentrationen in den Sammelurinen sind über<br />

die verschiedenen Tage in Abbildung 2 a-c dargestellt. Beim Butoxyethanol-Experiment<br />

(Exp. 1) lag die Butoxyessigsäure-Konzentration im Sammelurin am Tag vor der<br />

320


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Reinigung (T0) im Bereich von < 10 bis 934 µg/l (Mittelwert: 188 µg/l), am Tag der<br />

Reinigung (T1) im Bereich von 1084 - 5656 µg/l (Mittelwert 2434 µg/l) und am Tag nach<br />

der Reinigung (T2) im Bereich von 143 – 1,441 (Mittelwert: 417 µg/l). Aus der<br />

Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen Butoxyessigsäure-Ausscheidung<br />

von der Butoxyethanol-Konzentration in der Raumluft ergab sich eine signifikante<br />

Korrelation (R 2 = 0,7851) mit der Linearfunktion y = 0,5092 x - 0,9153 (y:<br />

Metabolitenkonzentration, x: Luftkonzentration).<br />

1500<br />

Butoxypropanol in Luft (µg/m 3 )<br />

1250<br />

1000<br />

750<br />

500<br />

250<br />

0<br />

08:30 09:30 10:30 11:30 12:30 13:30 14:30 15:30 16:30<br />

Tageszeit<br />

Abb. 1:<br />

(a)<br />

Zeitlicher Verlauf der Butoxypropanol-Konzentration in der Raumluft über die<br />

Nutzungsdauer nach vorheriger einmaliger Reiniungsmittelanwendung<br />

6<br />

Butoxyessigsäure in Urin (mg/l)<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />

321


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

(b)<br />

2-Butoxypropionsäure in Urin (mg/l)<br />

0,14<br />

0,12<br />

0,1<br />

0,08<br />

0,06<br />

0,04<br />

0,02<br />

0<br />

Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />

(c)<br />

Propoxyessigsäure in Urin (mg/l)<br />

4<br />

3,5<br />

3<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

Tag vor Exposition Expositionstag Tag nach Exposition<br />

Abb. 2:<br />

Individuelle zeitliche Verläufe der Alkoxyalkansäure-Ausscheidungen nach Anwendung<br />

von Butoxyethanol- (a), Butoxypropanol- (b) und Propoxyethanol-haltigen<br />

Reinigungsmittel (c) zur Raumreinigung<br />

Beim Butoxypropanol-Experiment (Exp. 2) lag die 2-Butoxypropionsäure-Konzentration<br />

im Sammelurin am Tag T0 bei allen Proben < 10 µg/l, am Tag T1 im Bereich von 25 -<br />

123 µg/l (Mittelwert: 57 µg/l) und am Tag T2 im Bereich von < 10 – 14 (Mittelwert: 8 µg/l).<br />

Aus der Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen Butoxypropionsäure-<br />

Ausscheidung von der Butoxypropanol-Konzentration in der Raumluft ergab sich eine<br />

signifikante Korrelation (R 2 = 0,3084) mit der Linearfunktion y = 0,0186x - 0,0008. Beim<br />

Propoxyethanol-Experiment (Exp. 3) lag die n-Propoxyessigsäure-Konzentration im<br />

Sammelurin am Tag T0 bei allen Proben < 10 µg/l, am Tag T1 im Bereich von 2030 -<br />

2440 µg/l (Mittelwert: 2302 µg/l) und am Tag T2 im Bereich von 616 – 3650 (Mittelwert:<br />

1838 µg/l). Aus der Regressionsanalyse einer Abhängigkeit der renalen<br />

322


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Propoxyessigsäure-Ausscheidung von der Propoxyethanol-Konzentration in der<br />

Raumluft ergab sich keine signifikante Korrelation.<br />

Diskussion<br />

Obwohl die Belastungssituation der Raumnutzer nur durch eine kurzzeitige Phase<br />

deutlich erhöhter Raumluftkonzentrationen geprägt war, resultieren aus diesem Szenario<br />

eine deutliche innere Belastung der Raumnutzer. Während die Ausscheidungen der<br />

Glykolether-Metabolite am Tag vor dem Experiment mit Ausnahme eines<br />

Butoxyessigsäure-Wertes im Bereich der Hintergrundbelastung lagen, wurden am<br />

Expositionstag deutliche erhöhte Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen festgestellt. Im<br />

Butoxyethanol-Experiment wurden dabei 5,6 % des für Beschäftigte gesetzlich gültigen<br />

Biologischen Grenzwertes (BGW) ausgeschöpft. Sogar bei dem Butoxypropanol-<br />

Experiment, bei dem lediglich der Metabolit der vermuteten isomeren Verunreinigung<br />

erfasst wurde, stieg die Butoxypropionsäure-Ausscheidung deutlich erkennbar an. Dabei<br />

ist zu beachten, dass nach bisherigem Kenntnisstand in den technischen Produkten der<br />

Gehalt des toxischen Isomers weniger als 10 % der Isomerensumme sein dürfte. Vor<br />

diesem Hintergrund sind die gefunden Butoxypropionsäure-Konzentrationen im Vergleich<br />

zu den Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen plausibel. Ebenfalls plausibel ist der<br />

anschließend deutliche Abfall der Butoxyessigsäure- und Butoxypropionsäure-<br />

Ausscheidungslevel, die am Folgetag nahezu den Hintergrundbelastungsbereich<br />

erreichen. Für die Kinetik der Butoxyessigsäure-Ausscheidung in Urin ist eine<br />

Halbwertzeit von 8 Stunden bekannt. Darüber hinaus ist bekannt, dass die kurzkettigen<br />

Alkoxypropionsäuren schneller ausgeschieden werden als die homologen<br />

Alkoxyessigsäuren (Göen und Bader 2006). Im Gegensatz zu der Butoxyessigsäure und<br />

der Butoxypropionsäure fällt die Konzentration der Propoxyessigsäure deutlich<br />

schwächer oder gar nicht ab oder steigt sogar am Folgetag noch an (Abbildung 2c). Für<br />

diesen Parameter ist die Geschwindigkeit des Ausscheidungsverhaltens nicht bekannt.<br />

Gleichwohl ist zu beachten, dass die Mehrzahl der Untersuchungen für die<br />

Ausscheidung der Ethoxyessigsäure und der Methoxyessigsäure in Urin Halbwertzeiten<br />

im Bereich von 1 bis 3 Tagen zeigen (Göen und Bader 2006), so dass für<br />

Propoxyessigsäure eine im Vergleich zur Butoxyessigsäure deutlich verzögertes<br />

Ausscheidungsverhalten durchaus plausibel ist. Dagegen ist eine Verschleppung vom<br />

Expositionstag in den Folgetag sehr unwahrscheinlich, da Propoxyethanol eine höhere<br />

Flüchtigkeit als Butoxyethanol aufweist. Bemerkenswert ist die im Butoxyethanol-<br />

Experiment gefundenene sehr gute Korrelation zwischen der inneren Belastung der<br />

Raumnutzer und der personengebundenen Raumluftkonzentrationen. Diese weist darauf<br />

hin, dass die erhöhten Alkoxyessigsäure-Ausscheidungen maßgeblich durch die<br />

323


V68<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

inhalative Aufnahme und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch dermalen Kontakt<br />

zum Reinigungsmittel begründet sind.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Bei der Verwendung von Glykolether-haltigen Reinigungsmitteln bei der<br />

Raumreinigung, z.B. von Büroräumen, kommt es zu kurzzeitig deutlich erhöhten<br />

Glykolether-Belastungen in der Raumluft, die bei der anschließenden Nutzung der<br />

Räume zu einer nicht unwesentlichen Belastung der Raumnutzern führt.<br />

Mit dem verwendeten sensitiven Biomonitoringverfahren lässt sich die Zusatzbelastung<br />

der unfreiwillig exponierten Raumnutzer gut von der Hintergrundbelastung<br />

unterscheiden.<br />

Die Detektion der Exposition gelingt mit dem Biomonitoring sogar auch für<br />

Propylenglykolether, bei denen das toxische Isomer (primärer Hydroxylgruppe)<br />

lediglich als Verunreinigung im Reinigungsmittelprodukt enthalten ist.<br />

Das Biomonitoring kann aufgrund dieser Ergebnisse als Instrument zur Beurteilung<br />

derartiger Innenraumluft-Expositionen empfohlen werden.<br />

Es ist davon auszugehen, dass Raumpfleger und Reinigungskräfte beim regelmäßigen<br />

Umgang mit Glykolether-haltigen Reinigungsmitteln deutlich höhere Glykolether-<br />

Belastungen aufweisen, die möglicherweise auch Grenzwertüberschreitungen<br />

beinhalten.<br />

Die Verlaufsuntersuchungen weisen auf eine stark verzögerte Halbwertszeit für die<br />

renale Elimination der n-Propoxyessigsäure hin, die vermutlich in der Größenordnung<br />

der niedrigeren Homologe liegen dürfte.<br />

Literatur<br />

Th. Göen, B. Hubner, H. Drexler et al.: Berufliche Belastungssituation bei der beruflichen<br />

Exposition durch 1-Ethoxy-2-propanol und 1-Methoxy-2-propanol - Biological Monitoring.<br />

Bericht über die 33. <strong>DGAUM</strong>-Jahrestagung, Gentner-Verlag, Stuttgart (1993), 167-172<br />

Th. Göen und M. Bader: Alkoxycarbonsäuren im Urin. In: Analytische Methoden zur<br />

Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Band 2. Analysen in biologischem<br />

Material. Hrsg. vom Vorsitzenden der Senatskommission zur Prüfung<br />

gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutsche Forschungsgemeinschaft, 17.<br />

Lieferung, WILEY-VCH, Weinheim (2006)<br />

324


V69<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Innere Belastung von Beschäftigten eines PCB-kontaminierten<br />

Gebäudes mit dioxin-ähnlichen und nicht-dioxin-ähnlichen PCB-<br />

Kongeneren<br />

Thomas Schettgen 1 , Anne Alt 1 , Doris Keller 2 , Dieter Preim 2 , Thomas Kraus 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen,<br />

2<br />

Hochschulärztliche Abteilung der RWTH Aachen,<br />

Einleitung<br />

Polychlorierte Biphenyle (PCBs) wurden bis zu Ihrem endgültigen Verbot Ende der 80er<br />

Jahre weit verbreitet in Kondensatoren, Hydraulikflüssigkeit oder als Flammschutzmittel<br />

eingesetzt. PCBs wurden von der International Agency for Research on Cancer in<br />

Kategorie 2A der krebserzeugenden Stoffe eingestuft („probably carcinogenic to<br />

humans“), aus neueren Publikationen gibt es Hinweise auf ein neurotoxisches sowie<br />

immuntoxisches Potential dieser Stoffgruppe [1-3]. Die hohe Persistenz vor allem der<br />

höherchlorierten PCB-Kongenere führte zu einer Anreicherung im Fettgewebe und einer<br />

messbaren, altersabhängigen Hintergrundbelastung im Blut der Allgemeinbevölkerung.<br />

Diese Hintergrundbelastung ist in den letzten 20 Jahren im Zuge des PCB-Verbotes<br />

stetig gesunken, was anschaulich den Erfolg regulatorischer Massnahmen verdeutlicht<br />

[4].<br />

Dennoch haben die PCBs auch heute noch große umweltmedizinische Bedeutung.<br />

Durch die frühere Verwendung in Fugendichtmassen oder Dämm-Materialien (Wilhelmi-<br />

Platten) beim Bau von Gebäuden kommt es zu deutlichen Innenraumbelastungen mit<br />

den „flüchtigeren“ niedrigchlorierten PCB-Kongeneren [5]. Für die Bewertung dieser<br />

Innenraumexpositionen stehen aufgrund der Strukturähnlichkeiten mit den chlorierten<br />

Dibenzodioxinen vor allem die sogenannten „dioxin-ähnlichen“ PCB-Kongenere im Focus<br />

des toxikologischen Interesses. Für diese Kongenere wurden von der WHO sogenannte<br />

Toxizitätsäquivalenzfaktoren festgelegt, die die unterschiedliche Wirkungsstärke der<br />

einzelnen Kongenere im Vergleich zum 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD)<br />

berücksichtigen sollen [6].<br />

Ausgangspunkt der Studie<br />

Im Rahmen von Kontrolluntersuchungen wurden in einem öffentlichen Gebäude in<br />

Aachen erhöhte Luft-Konzentrationen an (niedrig chlorierten) PCBs festgestellt. Die<br />

Luftkonzentrationen an Gesamt-PCBs lagen bei verschiedenen Messreihen zwischen ca.<br />

1000 – 4000 ng/m 3 , wobei der Interventionswert der PCB-Richtlinie des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen von 3000 ng/m 3 an vielen Mess-Stellen überschritten wurde.<br />

Versuche zur Sanierung des Gebäudes sowie der Einsatz von sogenannten<br />

„Luftwäschern“ zeigten keine befriedigende Wirkung zur Minimierung der Exposition der<br />

325


V69<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

im Gebäude beschäftigten Personen. Die Tatsache, dass ein sofortiger Umzug aller ca.<br />

600 Beschäftigten des Gebäudes nicht ohne weiteres realisiert werden kann, führte<br />

zudem zu einer gesteigerten Beunruhigung der betroffenen Personen.<br />

Ziel der Studie<br />

Dies war der Anlass für eine großangelegte Biomonitoring-Studie, in der zunächst geklärt<br />

werden sollte, wie hoch die tatsächlich aufgenommene Dosis der betroffenen Personen<br />

mit niedrigchlorierten PCBs ist. Aus den so erhaltenen Ergebnissen lassen sich<br />

besonders betroffene Personengruppen identifizieren und so gegebenenfalls punktuell<br />

Massnahmen zur Reduktion der Exposition treffen. Darüber hinaus sollte durch<br />

weitergehende Untersuchungen die Frage geklärt werden, ob es durch den Aufenthalt in<br />

einem PCB-kontaminierten Gebäude auch zu einer vermehrten Aufnahme der<br />

toxikologisch besonders bedenklichen dioxin-ähnlichen PCBs kommt.<br />

Material und Methoden<br />

Auf der Basis eines von der DFG geprüften und verabschiedeten Verfahrens wurde an<br />

unserem Institut in Aachen eine spezifische und sensitive Methode entwickelt, um neben<br />

den 6 Indikator-Kongeneren 12 weitere, dioxinähnliche Kongenere im Plasma erfassen<br />

zu können. Dabei werden 2 ml Plasma mit Hilfe von Ameisensäure enteiweißt, die PCBs<br />

mit n-Hexan extrahiert, auf einer Silica-Gel-Säule aufgereinigt, aufkonzentriert und<br />

schließlich spezifisch mittels GC/MS detektiert. Die Nachweisgrenze für die einzelnen<br />

Kongenere liegt bei 0,01 µg/l Plasma. Als Interne Standards wurden für die<br />

dioxinähnlichen PCBs 13 C-markierte Analoga der Analyten eingesetzt, um die Richtigkeit<br />

der Messung sicherzustellen. Dies wird auch durch die regelmäßige erfolgreiche<br />

Teilnahme an den Ringversuchen der <strong>DGAUM</strong> (www.g-equas.de) für die Indikator-<br />

Kongenere bestätigt.<br />

Kollektive<br />

An der noch laufenden Biomonitoring-Studie haben sich bisher 209 Beschäftigte (133 m,<br />

76 w) des PCB-belasteten Gebäudes beteiligt. Dabei handelte es sich sowohl um<br />

Personen mit Teil- als auch mit Vollzeitbeschäftigung in diesem Gebäude sowie einige<br />

Personen mit früherer, langjähriger Beschäftigung in diesem Gebäude. Der Altersmedian<br />

dieses Kollektives lag bei 35 Jahren (Bereich: 17 – 70 Jahre).<br />

Als Kontrollkollektiv dienten 98 Personen (50 m, 48 w) aus der gleichen Region, die in<br />

Gebäuden ohne PCB-Belastung beschäftigt waren. Der Altersmedian lag hier bei 42<br />

Jahren.<br />

326


V69<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Ergebnisse<br />

Tabelle 1: Ergebnisse der PCB-Untersuchungen im Blut von Personen mit Beschäftigung in<br />

einem PCB-kontaminierten Gebäude sowie im Blut von Kontrollpersonen.<br />

PCB 28<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 52<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 101<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 138<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 153<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 180<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 77<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 81<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 123<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 118<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 105<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 114<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 126<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 167<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 156<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 157<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 169<br />

(µg/L Plasma)<br />

PCB 189<br />

(µg/L Plasma)<br />

TEF<br />

(WHO 2005)<br />

---<br />

---<br />

---<br />

---<br />

---<br />

---<br />

0.0001<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.1<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.00003<br />

0.03<br />

0.00003<br />

PCB-belastetes<br />

Gebäude (n=209)<br />

Kontrollen<br />

(n=98)<br />

Median 0.087 < 0.01<br />

95. Perz. 0.352 0.021<br />

Max. Wert 0.878 0.059<br />

Median 0.024 < 0.01<br />

95. Perz. 0.091 < 0.01<br />

Max. Wert 0.426 0.029<br />

Median 0.012 < 0.01<br />

95. Perz. 0.046 < 0.01<br />

Max. Wert 0.123 0.015<br />

Median 0.253 0.263<br />

95. Perz. 0.846 0.920<br />

Max. Wert 2.226 2.437<br />

Median 0.380 0.392<br />

95. Perz. 1.256 1.492<br />

Max. Wert 3.360 3.523<br />

Median 0.279 0.301<br />

95. Perz. 1.085 1.148<br />

Max. Wert 3.179 3.186<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />

Median 0.061 0.038<br />

95. Perz. 0.187 0.131<br />

Median 0.013 < 0.01<br />

95. Perz. 0.042 0.019<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. 0.017 0.012<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. 0.018 0.018<br />

Median 0.014 0.015<br />

95. Perz. 0.046 0.046<br />

Median 0.036 0.046<br />

95. Perz. 0.150 0.182<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. 0.028 0.032<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. < 0.01 < 0.01<br />

Median < 0.01 < 0.01<br />

95. Perz. 0.027 0.032<br />

Signifikanz<br />

(Wilcoxon)<br />

p < 0.001<br />

p < 0.001<br />

p < 0.001<br />

p = 0.81<br />

p = 0.91<br />

p = 0.69<br />

---<br />

---<br />

---<br />

p = 0.013<br />

p < 0.001<br />

p = 0.12<br />

p = 0.43<br />

p = 0.67<br />

p = 0.32<br />

p = 0.27<br />

---<br />

p = 0.44<br />

Bei unseren Untersuchungen ergaben sich hochsignifikante Unterschiede zwischen<br />

beiden Kollektiven für die niedrigchlorierten PCB-Kongenere PCB 28, PCB 52 sowie<br />

PCB 101, die auf den Aufenthalt im Gebäude zurückzuführen sind. Diese erhöhten<br />

Messwerte spiegeln in etwa auch die Kongenerenverteilung in der Raumluft wieder. Die<br />

beachtlichen Maximalwerte für diese Kongenere stammen von 3 Personen, die in diesem<br />

Gebäude wohnten, sich also täglich 24 Stunden dort aufhielten. Demgegenüber ergibt<br />

327


V69<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

sich zwischen beiden Kollektiven kein signifikanter Unterschied für die hochchlorierten<br />

Kongenere PCB 138, PCB 153 und PCB 180, deren Aufnahme vor allem über die<br />

Nahrung erfolgt und die in der Raumluft des Gebäudes nur in Spuren nachweisbar<br />

waren.<br />

Für die dioxinähnlichen Kongenere ergab sich lediglich für die PCB-Kongenere PCB 118<br />

und PCB 105 ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Kollektiven. Beide<br />

Kongenere sind – ähnlich wie PCB 101 – flüchtig genug, um in die Raumluft zu<br />

gelangen. Für die weiteren dioxinähnlichen Kongenere ergaben sich keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen beiden Kollektiven, da auch diese Kongenere vorwiegend über<br />

die Nahrung aufgenommen werden.<br />

Unter Berücksichtigung der von der WHO im Jahre 2005 festgelegten<br />

Toxizitätsäquivalenzfaktoren haben wir die im Blut beider Kollektive nachgewiesenen<br />

dioxinähnlichen PCB-Kongenere in „Dioxin-Äquivalente“ umgerechnet (nur Werte > NWG<br />

wurden berücksichtigt). Dabei ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden<br />

Kollektiven (Median: 3,5 pg/L Plasma vs. 3,9 pg/L Plasma). Dies ist sowohl auf die<br />

niedrigen Toxizitätsäquivalenzfaktoren der PCB-Kongenere PCB 118 und PCB 105 als<br />

auch auf die ernährungsbedingte Hintergrundbelastung der Bevölkerung mit weiteren<br />

dioxinähnlichen PCBs zurückzuführen.<br />

99,9<br />

Kontrollen (n=98)<br />

PCB-belastetes Gebäude (n=209)<br />

99<br />

rel. kumulative Häufigkeit (%)<br />

95<br />

90<br />

75<br />

50<br />

25<br />

10<br />

5<br />

1<br />

0,1<br />

0 2 4 6 8 10 12 141000 2000 3000 4000 5000 6000 7000<br />

"Dioxin-Äquivalente" [pg/L Plasma]<br />

Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung der Dioxin-Äquivalente im Plasma beider Kollektive.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Beschäftigten des öffentlichen Gebäudes wiesen teilweise deutlich erhöhte<br />

innere Belastungen mit niedrig chlorierten PCBs (v.a. PCB 28) auf<br />

328


V69<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Es kommt durch den Aufenhalt im Gebäude auch zu signifikant erhöhten<br />

Zusatzbelastungen mit den dioxinähnlichen PCB-Kongeneren PCB 118 und PCB<br />

105<br />

Eine signifikante Erhöhung der WHO-Dioxinäquivalente im Plasma im Vergleich<br />

zum Kontrollkollektiv konnte jedoch nicht festgestellt werden<br />

Schlussfolgerungen<br />

Das Humanbiomonitoring…<br />

‣ liefert schnelle und vor allem verlässliche, individuelle Messergebnisse<br />

‣ hilft, die Belastungs-Situation der Beschäftigten zu objektivieren und bietet eine<br />

Grundlage für die individuelle Beratung durch den betreuenden Arzt<br />

‣ liefert die Basis für punktuell notwendige Interventionsmassnahmen<br />

‣ ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Risikomanagements bei<br />

Innenraumbelastungen mit PCBs<br />

Literatur<br />

[1] International Agency for Research on Cancer (IARC). Overall evaluations of<br />

carcinogenicity: an updating of IARC Monographs 1 - 42. IARC Supplement 7: 342 ff.<br />

[2] Grandjean P, Weihe P, Burse VW, Needham LL, Storr-Hansen E, Heinzow B, Debes<br />

F, Murata K, Simonsen H, Ellefsen P, Budz-Jorgensen E, Keiding N, White RF.<br />

Neurobehavioral deficits associated with PCB in 7-year-old children prenatally<br />

exposed to seafood neurotoxicants. Neurotoxicol Teratol 23: 305 – 17 (2001).<br />

[3] Harper N, Connor K, Steinberg M, Safe S. Immunosuppressive activity of<br />

polychlorinated biphenyl mixtures and congeners: nonadditive (antagonistic)<br />

interactions. Fundam Appl Toxicol 27: 131 – 139 (1995).<br />

[4] Stellungnahme der Kommission Humanbiomonitoring. Aktualisierung der<br />

Referenzwerte für PCB-138, -153, -180 im Vollblut sowie Referenzwerte für HCB, β-<br />

HCH und DDE im Vollblut. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-<br />

Gesundheitschutz 46: 161-168 (2003).<br />

[5] Liebl B, Schettgen T, Kerscher G, Broding HC, Otto A, Angerer J, Drexler H. Evidence<br />

for increased internal exposure to lower chlorinated polychlorinated biphenyls (PCB)<br />

in pupils attending a contaminated school. Int J Hyg Environ Health 207: 315-324<br />

(2004).<br />

[6] van den Berg M, Birnbaum LS, Denison M, De Vito M, Farland W, Feeley M, Fiedler<br />

H, Hakansson H, Hanberg A, Haws L, Rose M, Safe S, Schrenk D, Tohyama C,<br />

Tritscher A, Tuomisto J, Tysklind M, Walker N, Peterson RE. The 2005 World Health<br />

Organisation reevaluation of human and mammalian toxic equivalency factors for<br />

dioxins and dioxin-like compounds. Toxicol Sci 93: 223-241 (2006).<br />

329


V70<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Strategiewechsel durch Bestimmungen der PCB-Konzentration<br />

im Blut<br />

Doris Keller 1 , Dieter Preim 1 , Thomas Kraus 2 , Thomas Schettgen 2<br />

1<br />

Hochschulärztliche Einrichtung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen<br />

2 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

Im Rahmen unserer betriebsärztlichen Tätigkeit haben wir bei über 200 Mitarbeitern<br />

eines PCB-belasteten Gebäudes Blutuntersuchungen auf PCB durchgeführt.<br />

PCB-Richtlinie NRW - Grundlagen<br />

Derzeit gilt für die Bewertung und Sanierung von PCB-belasteten Gebäuden im Land<br />

Nordrhein-Westfalen die PCB-Richtlinie NRW. Raumluftwerte unter 300 ng/m³ gelten als<br />

langfristig tolerabel. Bei Raumluftwerten zwischen 300 und 3000 ng/m³ soll die Quelle<br />

der Verunreinigung aufgespürt und mittelfristig beseitigt werden. Bei Raumluftwerten<br />

über<br />

3000 ng/m³ kann eine akute Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Es<br />

müssen Sofortmaßnahmen zur Senkung der Raumluftkonzentration eingeleitet werden.<br />

Den Richtwerten der PCB-Richtlinie liegt die vom früheren Bundesgesundheitsamt und<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft abgeleitete tolerierbare tägliche Aufnahme<br />

(TDI) zugrunde. Sie beträgt 1 µg PCB pro kg Körpergewicht. Die vertretbare inhalative<br />

Aufnahme liegt bei 0,1 µg PCB pro kg Körpergewicht und Tag. Daraus ergibt sich eine<br />

tolerierbare, inhalativ aufgenommene PCB-Menge einer 60 kg schweren Person von 6<br />

µg pro Tag. Diese PCB-Menge wird bei einer Raumluftkonzentration von 300 ng/m³,<br />

einem angenommenen Atemvolumen von 20 m³ in 24 Std. und einer pulmonalen<br />

Resorptionsrate von 100 % in 24 Std. aufgenommen.<br />

Die PCB-Richtlinie weist jedoch Schwächen auf. Die PCB-Raumluftkonzentration zeigt<br />

starke Schwankungen in Abhängigkeit von Temperatur und Partikelbindung z.B. durch<br />

Staub. Eine einmalige Raumluftmessung ist somit unsicher. Die PCB-Richtlinie<br />

berücksichtigt nicht die individuelle tägliche Aufenthaltszeit und die<br />

Gesamtaufenthaltsdauer. Sie berücksichtigt keine unterschiedlichen Körpergewichte,<br />

obwohl das Körpergewicht direkt in die Berechnung des TDI-Wertes einfließt. Das<br />

angenommene Atemvolumen von 20 m³ pro Tag und eine Resorptionsquote von 100 %<br />

sind unrealistisch hoch.<br />

Raumluftbelastung<br />

In der Raumluft des PCB-belasteten Gebäudes wurden Raumluftwerte unterhalb der<br />

Nachweisgrenze und über 6000 ng/m³ festgestellt. Die Raumluft war vor allem mit den<br />

niederchlorierten Kongeneren, darunter führend PCB 52 mit 52 % kontaminiert. Die<br />

330


V70<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Belastung mit den höherchlorierten PCB 138, 152 und 180 betrug zusammen nur 7 %<br />

und war vernachlässigbar.<br />

Raumluftbelastung nach Reinigungsmaßnahmen<br />

Zur Senkung der Raumluftkonzentration wurde das Gebäude spezialgereinigt, es wurden<br />

Luftwäscher installiert, und die Mitarbeiter wurden dazu angehalten, häufiger zu lüften.<br />

Diese Maßnahmen senkten die PCB-Raumluftkonzentration im Durchschnitt um 1/3 des<br />

Ausgangswertes ab. Der Sanierungszielwert von < 300 ng/m³ wurde jedoch nur in<br />

wenigen Räumen erreicht.<br />

Innere PCB-Belastung der Beschäftigten<br />

Die durch die Raumluftmessung nachgewiesene äußere Belastung mit niederchlorierten<br />

PCB-Kongeneren spiegelte sich auch in den Blutkonzentrationen der Beschäftigten<br />

wider. Die Blutkonzentrationen von PCB 28, 52 und 101 lagen signifikant über den<br />

Konzentrationen des Vergleichskollektivs. Kein Unterschied wurde zwischen den<br />

vorwiegend mit der Nahrung aufgenommenen höherchlorierten PCB-Kongeneren 138,<br />

152 und 180 festgestellt. Die höchste Konzentration im Blut wies PCB 28 auf. Im<br />

Gegensatz dazu war die Raumluft überwiegend mit PCB 52 kontaminiert.<br />

1/5 der Beschäftigten hatten eine PCB-Blutkonzentration im Bereich der Hintergrundbelastung.<br />

Insgesamt lag bei etwas mehr als der Hälfte der Beschäftigten PCB 28 < 0,1<br />

µg/l. Die maximale PCB 28-Blutkonzentration lag knapp unterhalb von 0,9 µg/l.<br />

Hochschulärztliche Einrichtung<br />

PCB 28-Blutkonzentration der Beschäftigten (184 Personen)<br />

8%<br />

17%<br />

13%<br />

0,03/ 0,04 µg/l Hintergrundbelastung<br />

> Hintergrund < 0,1 µg/l<br />

0,1 µg/l < 0,2 µg/l<br />

0,2 µg/l < 0,3 µg/l<br />

28%<br />

34%<br />

0,3 µg/l < 0,9 µg/l<br />

331


V70<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Abhängigkeit der PCB-Blutkonzentration von Raumluftbelastung, Aufenthaltsdauer<br />

und körperlicher Belastung<br />

Obwohl sich die inhalative Belastung der Mitarbeiter des belasteten Gebäudes auf<br />

Gruppen-basis in den Blutkonzentrationen der niederchlorierten PCB-Kongeneren<br />

widerspiegelt, wurde auf individueller Basis kein Zusammenhang zwischen der<br />

Luftkonzentration in einem bestimmten Raum und der PCB 28-Konzentration eines dort<br />

Tätigen beobachtet. Die innere Belastung der Mitarbeiter mit den inhalativ<br />

aufgenommenen PCB-Kongeneren, gemessen an der Blutkonzentration von PCB 28 war<br />

unter anderem abhängig von der täglichen Aufent-haltsdauer. Während 65 % der<br />

Halbtagsbeschäftigten PCB 28-Blutkonzentrationen < 0,1 µg/l aufwies, war dies bei den<br />

Ganztagsbeschäftigten nur noch bei 45 % der Fall. Auffällig war, dass 3 Personen,<br />

welche sich täglich 24 Std. im Gebäude aufhielten, durchweg PCB 28-<br />

Blutkonzentrationen über 0,3 µg/l aufwiesen.<br />

Die PCB 28-Blutkonzentration nimmt auch mit der Beschäftigungsdauer zu. Während<br />

Personen, die über 20 Jahre vollschichtig im kontaminierten Gebäude gearbeitet haben<br />

häufiger PCB 28-Blutkonzentrationen über 0,1 µg/l aufwiesen, hatten Beschäftigte,<br />

welche zwischen 1 und 5 Jahren im Gebäude gearbeitet haben überwiegend PCB 28-<br />

Blutkon-zentrationen unter 0,1 µg/l. Berechnet man die jeweilige stattgehabte Exposition<br />

in Stunden, so zeigt sich, dass die PCB 28-Blutkonzentration bei insgesamt großer<br />

Schwankungsbreite linear zur Expositionsdauer zunimmt.<br />

Keine Unterschiede der PCB-Blutkonzentrationen wurden zwischen körperlich leicht und<br />

mittelschwer arbeitenden Beschäftigten im kontaminierten Gebäude festgestellt.<br />

PCB 28 klingt langsamer ab als bisher<br />

angenommen<br />

Hochschulärztliche Einrichtung<br />

1,20<br />

1,00<br />

Abklingverhalten von PCB 28 in Abhängigkeit von der Zeit<br />

• Langsames Abklingverhalten von PCB 28<br />

auf Basis der gemessenen Daten beobachtet<br />

0,80<br />

0,60<br />

R 2 = 0,0963<br />

• Lediglich ca. 40% - 50% Abbau von PCB 28 nach<br />

einem Jahr nach Ende der Exposition gemessen<br />

0,40<br />

0,20<br />

• Gering exponentielles Abklingen:<br />

Bestimmtheitsmaß R 2 = 0,096<br />

0,00<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

Dauer in Monaten<br />

0,40<br />

0,35<br />

0,30<br />

0,25<br />

0,20<br />

0,15<br />

0,10<br />

Abklingverhalten von PCB 52 in Abhängigkeit von der Zeit<br />

R 2 = 0,5606<br />

• Relativ zu PCB 28 rascheres Abklingverhalten<br />

bei PCB 52 auf Basis der gemessenen Daten<br />

beobachtet<br />

• ca. 80% - 90% Abbau von PCB 52 nach<br />

einem Jahr nach Ende der Exposition gemessen<br />

• Exponentielles Abklingverhalten:<br />

Bestimmtheitsmaß R 2 = 0,56<br />

0,05<br />

0,00<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

Dauer in Monaten<br />

• Diskrepanz zwischen PCB Raumluftkonzentrationsmuster<br />

und PCB Blutkonzentrationsmuster durch<br />

rascheres Abklingverhalten von PCB 52 erklärbar<br />

332


V70<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Abklingverhalten von PCB 28 und 52<br />

Im Laufe der Untersuchungen haben verschiedene Mitarbeiter das Gebäude verlassen.<br />

Sie wurden von uns in unregelmäßigen Abständen nachuntersucht, und die<br />

Abklingquoten von PCB 28 und 52 wurden auf 1 Jahr hochgerechnet. PCB 28 klingt<br />

langsamer ab als PCB 52.<br />

Nach ersten, aufgrund der geringen Fallzahl noch unsicheren Schätzungen beträgt die<br />

Ab-klingquote von PCB 28 ca. 40-50 % und die von PCB 52 ca. 80-90 % pro Jahr. Die<br />

raschere Abklingquote von PCB 52 erklärt, warum im Blut der Beschäftigten PCB 28 die<br />

höchste Konzentration aufwies, obwohl die Raumluft vorwiegend mit PCB 52<br />

kontaminiert war.<br />

Strategie des Betriebsarztes<br />

Aufgrund der vorhandenen Daten haben wir uns als betriebsärztliche Einrichtung dafür<br />

ein-gesetzt, dass Mitarbeiter in Abhängigkeit von ihrer inneren Belastung einen<br />

Arbeitsplatz außerhalb des kontaminierten Gebäudes bekamen. Grenzwert war eine<br />

PCB 28-Blutkonzentration über dem 10fachen der Hintergrundbelastung, also über 0,2<br />

µg/l. Ebenfalls nicht mehr im belasteten Gebäude eingesetzt wurden Schwangere,<br />

Beschäftigte mit schweren chronischen, das Immunsystem schwächenden Erkrankungen<br />

oder Beschäftigte unter Immunsuppression sowie Beschäftigte, die sich gesundheitlich<br />

stark gefährdet fühlten oder sehr ängstlich reagiert haben. Zusätzlich wurden Frauen im<br />

gebärfähigen Alter im Hinblick auf Kinderwunsch unter Berücksichtigung der doch relativ<br />

langen Halbwertszeit von PCB 28 besonders beraten.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die derzeitige Raumluftmessmethodik ergibt ein unzureichendes Bild der individuellen<br />

inne-ren PCB-Belastung.<br />

Die PCB-Belastung einer exponierten Person lässt sich nur durch die Bestimmung von<br />

PCB im Blut feststellen.<br />

Die Festlegung von Human-Biomonitoring-Grenzwerten wäre für die Bewertung des<br />

weiteren Verbleibs von Beschäftigten in einem PCB belasteten Gebäude eine wertvolle<br />

Hilfe.<br />

333


V71<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Hausstaubmilbenallergenkonzentrationen in Bodenstäuben und<br />

luftgetragenen Stäuben von Arbeitsplätzen und Privatwohnungen<br />

Ingrid Sander 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Gerhard Kraus 2 , Stefan Mayer 3 , Heinz-Dieter<br />

Neumann 4 , Eva Zahradnik 1 , Christina Fleischer 1 , Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum;<br />

2 Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Augsburg<br />

3<br />

Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), Mannheim<br />

4<br />

Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />

Einleitung<br />

Hausstaubmilben gehören zu den häufigsten Auslösern von Allergien und Asthma. Die<br />

Prävalenz von Sensibilisierungen gegen die Hausstaubmilbe Dermatophagoides<br />

pteronyssinus lag in der KORA-Studie mit 4175 getesteten Erwachsenen aus dem<br />

Raum Augsburg bei 15,8% (1). In Abhängigkeit von der Hausstaubmilbenbelastung<br />

nimmt die klinische Bedeutung und der Schweregrad von Asthma zu (2;3). Während die<br />

Belastung von Hausstäuben mit Milbenallergenen relativ gut untersucht ist, gibt es nur<br />

wenige Studien, in denen die Milbenbelastung am Arbeitsplatz gemessen wurde (4).<br />

Das Ziel der Studie ist es, die Hausstaubmilbenallergenexposition an Arbeitsplätzen zu<br />

erfassen und mit der Belastung in Privatwohnungen zu vergleichen. Neben der Milbenallergenkonzentration<br />

in Bodenstäuben sollte auch die Konzentration in der Atemluft<br />

erfasst werden. Da frühere Studien zeigten, dass die Nachweisempfindlichkeit der<br />

kommerziell verfügbaren Milbenallergenmessverfahren auf Basis monoklonaler<br />

Antikörper für luftgetragene Stäube nicht ausreicht (5), wurde ein neues Messverfahren<br />

für Dermatophagoides pteronyssinus Antigene auf Basis polyklonaler Antikörper<br />

entwickelt.<br />

Methoden<br />

An Arbeitsplätzen (Alttextiliensortierung, Teppichreinigung, Bettfedernreinigung,<br />

Federbettherstellung, Schneiderei, Spielwarenversand, Kraftfutterwerk, Getreidelager,<br />

Rinderställen), in Schulen und Privatwohnungen wurden bisher 129 Staubproben durch<br />

Absaugen von Bodenflächen, sowie 93 Luftstaubproben (E-Staub) gesammelt. Die<br />

Staubproben wurden gravimetrisch bestimmt und anschließend extrahiert (6). Für die<br />

sensitive Erfassung der Antigene der Hausstaubmilbe Dermatophagoides pteronyssinus<br />

(Der-p) wurde ein neuer „Enzyme-linked Immuno Sorbent Assay“ (ELISA) auf Basis<br />

polyklonaler Kaninchenantikörper entwickelt (pAK-Der-p-ELISA) und validiert. Dieser<br />

wurde parallel zu dem für das Hauptallergen „Der p 1“ spezifischen ELISA auf Basis<br />

monoklonaler Antikörper (mAK-Der-p-1-ELISA, Indoor Biotechnologies, UK) zur<br />

Allergenquantifizierung in allen Stäuben eingesetzt. Für die statistische Auswertung<br />

334


V71<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

wurden die Pearson und Spearman Korrelation und der Mann-Whitney und Kruskal-<br />

Wallis Test aus dem Programm Graphpad Prism (Graphpad Software Inc., CA, USA)<br />

eingesetzt. Als statistisch signifikant wurde p


V71<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Literatur<br />

(1) Schoefer Y, Schäfer T, Meisinger C, Wichmann HE, Heinrich J. Predictivity of<br />

allergic sensitization (RAST) for the onset of allergic diseases in adults. Allergy<br />

2008 January;63(1):81-6.<br />

(2) Custovic A, Taggart SC, Francis HC, Chapman MD, Woodcock A. Exposure to<br />

house dust mite allergens and the clinical activity of asthma. J Allergy Clin Immunol<br />

1996 July;98(1):64-72.<br />

(3) Langley SJ, Goldthorpe S, Craven M, Morris J, Woodcock A, Custovic A. Exposure<br />

and sensitization to indoor allergens: association with lung function, bronchial<br />

reactivity, and exhaled nitric oxide measures in asthma. J Allergy Clin Immunol<br />

2003 August;112(2):362-8.<br />

(4) Munir AK. Risk levels for mite allergen: are they meaningful, where should samples<br />

be collected, and how should they be analyzed? Allergy 1998;53(48 Suppl):84-7.<br />

(5) Custovic A, Green R, Taggart SC, Smith A, Pickering CA, Chapman MD,<br />

Woodcock A. Domestic allergens in public places. II: Dog (Can f1) and cockroach<br />

(Bla g 2) allergens in dust and mite, cat, dog and cockroach allergens in the air in<br />

public buildings. Clin Exp Allergy 1996 November;26(11):1246-52.<br />

(6) Sander I, Zahradnik E, Bogdanovic J, Raulf-Heimsoth M, Wouters IM, Renström A,<br />

Harris-Roberts J, Robinson E, Goldscheid N, Brüning T, Doekes G. Optimized<br />

methods for fungal alpha-amylase airborne exposure assessment in bakeries and<br />

mills. Clin Exp Allergy 2007;37(8):1229-38.<br />

336


V72<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Erhöhte Gentoxizität durch Dieselmotoremissionen bei<br />

Verbrennung von Kraftstoffmischungen mit Biodieselanteil<br />

Jürgen Bünger 1 , Jürgen Krahl 3,4 , Axel Munack 4 , Yvonne Ruschel 4 , Olaf Schröder 4 , Claudia<br />

Handrich 2 , Michael Müller 2 , Ernst Hallier 2 , Götz Westphal 1 , Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2 Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen<br />

3 Hochschule Coburg<br />

4<br />

Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, von Thünen-Institut (vTI), Braunschweig<br />

Ziel der Studie:<br />

Dieselmotoremissionen (DME) sind als krebserregend für den Menschen anzusehen<br />

(Kategorie 2; DFG 2005), da Inhalationsstudien an Ratten (Heinrich et al. 1986, Nikula et<br />

al. 1995) sowie zahlreiche arbeitsmedizinische epidemiologische Studien (Health Effects<br />

Institute 1999, Brüske-Hohlfeld et al. 1999, Säverin et al. 1999, Garshick et al. 2004) ein<br />

erhöhtes Lungenkrebsrisiko nach langjähriger Exposition durch Dieselmotoremissionen<br />

(DME) ergaben. In zahlreichen Studien wurde auch die Mutagenität von<br />

Dieselrußpartikeln und Abgaskondensaten im Salmonella/Mikrosomen-Mutagenitätstest<br />

(AMES-Test, OECD-Guideline 471) nachgewiesen.<br />

Die mutagenen Wirkungen der DME werden überwiegend auf die an den Abgaspartikeln<br />

(Ruß) adsorbierten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und deren<br />

Nitroderivate (Nitro-PAK) zurückgeführt. Diese Nitro-PAK entstehen im Abgas durch<br />

Reaktion von Stickoxiden (NO X ) mit nativen PAK (Atkinson und Arey 1994). Die Stärke<br />

des mutagenen Effekts ist ein indirektes Maß für die kanzerogene Potenz der PAK und<br />

Nitro-PAK von DME.<br />

In einer auf der Jahrestagung der <strong>DGAUM</strong> 2006 vorgestellten Studie war bei<br />

Verbrennung von Dieselkraftstoffmischungen mit Biodieselanteil (sog. Blends) in einem<br />

Lkw-Motor (Euro III) als Nebenbefund eine erhöhte Mutagenität der Emissionen<br />

aufgefallen. Die EU fördert solche Blends unter Verwendung nachwachsender Rohstoffe<br />

politisch und in Deutschland enthält der handelsübliche Dieselkraftstoff (DK) inzwischen<br />

bis zu 7% Biodiesel (Rapsölmethylester, RME). Blends mit bis zu 20% Biodieselanteil<br />

sind geplant und werden in den USA bereits seit längerer Zeit eingesetzt. In zwei Studien<br />

wurde der mutagenen Wirkung von Kraftstoffblends mit Hilfe des AMES-Tests<br />

systematisch weiter nachgegangen.<br />

Methoden:<br />

In einem 1-Zylinder-Versuchsmotor (AVL 502.019) unter Volllastbedingungen (HS<br />

Coburg) und einem modernen Lkw-Dieselmotor (MAN D08 36 LFL 51, EURO IV) im<br />

Europäischen Stationären Fahrzyklus (ESC, vTI, Braunschweig) wurde die mutagene<br />

Wirkung der DME von Blends mit einem RME-Anteil von 5% bis zu 50% mit reinem RME<br />

337


V72<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

(DIN EN 14214) und DK (DIN EN 590) verglichen. Während die Tests unter<br />

Warmstartbedingungen durchfahren wurden, erfolgten kontinuierlich Probennahmen<br />

nach der VDI-Richtlinie 3872, Blatt 1. Der Abgasstrom wurde nach Abkühlung auf unter<br />

50°C über Glasfaserfilter (T60A20, Pallflex Products Corp., Putnam, CT, U.S.A.) geleitet.<br />

Die nicht partikelgebundene Phase wurde mit zwei Intensivkühlern als Kondensat<br />

gesammelt.<br />

Das den Filtern anhaftende Partikulat jedes Testlaufes wurde im Soxhlet-Apparat mit 150<br />

ml Dichlormethan über 6 h extrahiert, die lösliche organische Fraktion im<br />

Rotationsverdampfer unter Vakuumbedingungen eingedampft und in einem für die<br />

eingesetzten Salmonella-typhimurium-Stämme nicht toxischen Lösungsmittel<br />

(Dimethylsulfoxid, DMSO) aufgenommen. Die Kondensate wurden ebenfalls im<br />

Rotationsverdampfer getrocknet und in DMSO gelöst.<br />

Aus den Extrakten und Kondensaten wurden je vier Verdünnungen hergestellt und auf<br />

ihre direkten und indirekten mutagenen Eigenschaften nach dem überarbeiteten<br />

Standardprotokoll in den AMES-Test-Stämmen TA98 und TA100 untersucht (Maron und<br />

Ames 1983). Um die indirekte Mutagenität durch enzymatische Aktivierungen von<br />

Fremdstoffen im höheren Organismus zu berücksichtigen, wurde der Test mit und ohne<br />

Zusatz fremdstoffmetabolisierender Enzyme aus Warmblütergewebe vorgenommen. Die<br />

Ergebnisse wurden als positiv bewertet, wenn die Zahl der Rückmutationen die<br />

Spontanrate der Negativkontrollen (DMSO) um das Doppelte überstieg und eine<br />

Dosisabhängigkeit bestand. Die Ergebnisdarstellung erfolgte ohne Spontanrate. Eine<br />

detaillierte Beschreibung der Methoden wurde bereits früher publiziert (Bünger et al.<br />

1998, 2000, 2007).<br />

Ergebnisse:<br />

Bei den gesetzlich limitierten Abgaskomponenten (Partikelmasse, Kohlenmonoxid,<br />

Stickoxide, Gesamtkohlenwasserstoffe) ließen sich bei der Verbrennung der Blends<br />

weder im 1-Zylinder-Versuchsmotor noch im EURO IV-Lkw-Motor gravierende<br />

Auffälligkeiten beobachten. Es fand sich lediglich der schon aus zahlreichen<br />

Voruntersuchungen bekannte Effekt, dass im reinen Biodieselbetrieb die<br />

Stickoxidemission um 10 - 15% ansteigt, während die Partikelmasse um bis zu 50%<br />

abnimmt. Im Vergleich der Partikelextrakte führten DK und RME zu einer ähnlich<br />

niedrigen Mutagenität, während die Blends in beiden Motoren eine Zunahme der<br />

Mutagenität bewirkten (Abb. 1 und 2). Mit einem Maximum im Bereich von 20%<br />

Biodieselanteil stieg die Zahl der Mutationen auf das Zwei- bis Dreifache an. Die<br />

Kondensate der Blends erzeugten nur einen geringen nicht signifikanten Anstieg der<br />

Mutagenität gegenüber den beiden Basiskraftstoffen.<br />

338


V72<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

100<br />

90<br />

80<br />

-S9<br />

Mutationen pro Platte<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

+S9<br />

10<br />

0<br />

DK<br />

B 5<br />

B 10<br />

Kraftstoff<br />

B 20<br />

B 50<br />

RME<br />

Abb. 1: Zahl der Mutationen im Teststamm TA98 mit (+S9) und ohne (-S9) Metabolisierung für<br />

Partikelextrakte von DK, RME und deren Blends nach Verbrennung im 1-Zylinder-Versuchsmotor<br />

AVL 502.019.<br />

100<br />

90<br />

80<br />

Mutationen pro Platte<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

-S9<br />

+S9<br />

10<br />

0<br />

DK<br />

B 5<br />

B 10<br />

B 20<br />

Kraftstoff<br />

B 30<br />

B 40<br />

RME<br />

Abb. 2: Zahl der Mutationen im Teststamm TA98 mit (+S9) und ohne (-S9) Metabolisierung für<br />

Partikelextrakte von DK, RME und deren Blends nach Verbrennung im 6-Zylinder-Lkw-Motor MAN<br />

D08 36 LFL 51 (Euro IV).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Der Anstieg der direkten mutagenen Wirkung der DME bei Verbrennung von<br />

Kraftstoffblends im Vergleich zu herkömmlichem DK und RME (Biodiesel) ist unter<br />

Einschluss der Vorstudie aus dem Jahr 2006 durch die übereinstimmenden Ergebnisse<br />

an 3 verschiedenen Motoren als gesichert anzusehen und sollte ursächlich weiter<br />

untersucht werden. Aus arbeits- und umweltmedizinischer Sicht kann nach der<br />

339


V72<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

derzeitigen Datenlage eine Verwendung von Blends mit RME-Anteilen über 10% nicht<br />

empfohlen werden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Atkinson R, Arey J (1994): Atmospheric chemistry of gasphase PAH: Formation<br />

of atmospheric mutagens. Environ Health Perspect 102 Suppl 4, 117-126<br />

2. Brüske-Hohlfeld I, Möhner M, Ahrens W, Pohlabeln H, Heinrich J, Kreuzer M,<br />

Jöckel KH (1999): Lung cancer risk in male workers occupational exposed to<br />

diesel motor emissions in Germany. Am J Ind Med 36, 405-414<br />

3. Bünger J, Krahl J, Franke HU, Munack A, Hallier E (1998) Mutagenic and<br />

cytotoxic effects of exhaust particulate matter of biodiesel compared to fossil<br />

diesel fuel. Mutation Research 415, 13-23<br />

4. Bünger J, Müller MM, Krahl J, Baum K, Weigel A, Hallier E, Schulz TG (2000):<br />

Mutagenicity of diesel engine particles from two fossil and two plant oil fuels.<br />

Mutagenesis 15, 391-397<br />

5. Bünger J, Krahl J, Munack A, Ruschel Y, Schröder O, Emmert B, Westphal G,<br />

Müller M, Hallier E, Brüning T (2007): Strong mutagenic effects of diesel engine<br />

emissions using vegetable oil as fuel. Arch Toxicol 81, 599-603<br />

6. DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Senatskommission zur Prüfung<br />

gesundheits-schädlicher Arbeitsstoffe, MAK- und BAT-Werte-Liste, Wiley-VCH,<br />

Weinheim, 2005<br />

7. Garshick E, Laden F, Hart JE, Rosner B, Smith TJ, Dockery DW, Speizer FE.<br />

Lung cancer in railroad workers exposed to diesel exhaust. Environ Health<br />

Perspect. 2004 Nov;112(15):1539-43<br />

8. Heinrich U, Muhle H, Takenaka S, Ernst H, Fuhst R, Mohr U, Pott F, Stöber W<br />

(1986): Chronic effects on the respiratory tract of hamsters, mice and rat after<br />

long-term inhalation of high concentrations of filtered and unfiltered diesel engine<br />

emissions. J Appl Toxicol 6, 383-395<br />

9. Health Effects Institute: Diesel exhaust and lung cancer: Epidemiology and<br />

quantitative risk assessment. A special report of the institute´s diesel<br />

epidemiology expert panel. Cambridge, USA 1999<br />

10. Maron DM, Ames BN (1983): Revised methods for the Salmonella mutagenicity<br />

test. Mutat Res 113, 173-215<br />

11. Matsushima T, Sawamura M, Hara K, Sugimura T: A safe substitute for<br />

polychlorinated biphenyls as an inducer of metabolic activation system; in: In vitro<br />

metabolic activation in mutagenesis testing; hrsg. v. Serres FJ, Fouts JR, Bend<br />

JR, Philpot RM; Elsevier/North-Holland, Amsterdam 1976, 85 - 88<br />

12. Nikula KJ, Snipes MB, Barr EB, Griffith WC, Henderson RF, Mauderly JL (1995):<br />

Comparative pulmonary toxicities and carcinogenicities of chronically inhaled<br />

diesel exhaust and carbon black in F344 rats. Fundam Appl Toxicol 25, 80-94<br />

13. Säverin R, Bräunlich A, Dahmann D, Enderlein G, Heuchert G (1999): Diesel<br />

exhaust and lung cancer mortality in potash mining. Am J Ind Med 36, 415-422<br />

340


V73<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Erfassung umwelt- oder arbeitsplatzbezogener Belastungsfaktoren<br />

bei Personen mit subjektiver Elektrosensibilität (SES) in<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Renate Kimbel 1 , Ulrich T. Egle 2 , Barbara Schmidt 3 , Christian Geber 4 , Sandra Weihert 2 , Joachim<br />

Schüz 5 , Stephan Letzel 1 , Wilfried A. Nix 4<br />

1<br />

Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und<br />

Umweltmedizin<br />

2 Psychosomatische Klinik Kinzigtal<br />

3<br />

Psychologisches Institut der Universität Mainz<br />

4 Universitätsklinik Mainz, Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />

5 Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI)<br />

Die Bedeutung elektromagnetischer Felder (EMF) für die menschliche Gesundheit wird<br />

seit vielen Jahren intensiv und kontrovers diskutiert. Elektrosensibilität ist ein Problem<br />

der umweltmedizinischen Ambulanz, das bisher nicht ausreichend wissenschaftlich<br />

erforscht werden konnte. Die vielen Einzelschicksale von Menschen, mit denen wir als<br />

Arbeits-, und Umweltmediziner konfrontiert sind, die sich als „Elektrosmog krank“<br />

bezeichnen, werfen die Frager auf, ob das Phänomen der „Elektrosensibilität“ ein<br />

individuelles oder ein gesellschaftlich relevantes Thema ist. Immerhin bezeichneten sich<br />

30 % der Bevölkerung in einer repräsentativen Umfrage (2003 – 2006) des<br />

Bundesministeriums für Strahlenschutz als besorgt in Hinblick auf eine mögliche<br />

gesundheitliche Beeinträchtigung durch hochfrequente elektromagnetische Felder des<br />

Mobilfunks. 9% der Befragten fühlten sich in Hinblick auf den Mobilfunk sogar<br />

gesundheitlich beeinträchtigt. Um das Beschwerdebild der subjektiven Elektrosensibilität<br />

(SES) beschreiben zu können, wurde erstmalig eine Systematik der<br />

Befindlichkeitsstörungen elektrosensibler Menschen erfasst. Dies geschah im Rahmen<br />

einer fachübergreifenden Studie in Zusammenarbeit mit der Klinik für psychosomatische<br />

Medizin und Neurologie von April 2004 bis April 2005. Es wurden 59 Menschen aus<br />

Rheinland-Pfalz, die sich als subjektiv elektrosensibel (SES) bezeichneten, untersucht.<br />

Die parallele Untersuchung von 93 nach Alter, Geschlecht und Wohnort gematcher<br />

Kontrollpersonen ermöglichte den Vergleich zwischen den SES und den<br />

Kontrollpersonen hinsichtlich umwelt- und arbeitsplatzbezogener Einflussfaktoren sowie<br />

der psychischen Befindlichkeit. Frauen und Männer waren innerhalb der SES-Gruppe<br />

nahezu gleich verteilt, der Altersdurchschnitt betrug 50,8 Jahre. Bei den<br />

soziodemographischen Merkmalen fiel auf, dass subjektiv elektrosensible Personen<br />

eine signifikant höhere Schulbildung und einen signifikant höheren Berufsstatus<br />

aufwiesen.<br />

An die im freien Interviewverfahren erhobenen EMF assoziierten Beschwerden und<br />

einer orientierenden körperlichen Untersuchung mit Blutentnahme schloss sich eine<br />

umfangreiche psychosomatische Exploration und neurologische Begleituntersuchung an.<br />

341


V73<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

Die 6 von den subjektiv elektrosensiblen Personen (SES) am häufigsten genannten<br />

Beschwerden waren die Schlafstörung, die Erschöpfung, der Kopfschmerz, vermehrtes<br />

nächtliches Schwitzen, eine intellektuelle Leistungsminderung sowie die Nervosität.<br />

Hinsichtlich dieser 6 Leitsymptome unterschieden sich (SES) und Kontrollgruppe<br />

signifikant. (siehe Tabelle)<br />

SES Kontrollgruppe Signifikanz<br />

Schlafstörung 66,1 % 21,5 % p< 0,001<br />

Erschöpfung 49,2 % 6,5 % p< 0,001<br />

Kopfschmerzen 40,7 % 15,1 % p< 0,001<br />

Vermehrtes<br />

nächtliches Schwitzen<br />

Intellektuelle<br />

Leistungsminderung<br />

33,9 % 2,2 % p< 0,001<br />

27,1 % 4,3 % p< 0,001<br />

Nervosität 25,4 % 5,4 % p< 0,001<br />

Als Quelle der elektromagnetischen Belastung wurde von 61,4% der Betroffenen der<br />

Mobilfunksendemast benannt. Es folgten elektrische Haushaltsgeräte, Handynutzung,<br />

Hochspannungsleitungen, Schnurlostelefone und Homecomputer.<br />

Insgesamt gaben 8 % der SES und 13 % der Kontrollen an, einer Schadstoffexposition<br />

am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein. Im häuslichen Bereich waren 8% der SES und 9%<br />

der Kontrollen nach Eigenangaben Schadstoffexpositionen ausgesetzt. Statistisch<br />

signifikante Unterschiede konnten nicht festgestellt werden (p=0,368; p=0,763)<br />

Zusammenfassende Betrachtung:<br />

Der zeitliche Aufwand strukturierter Interviews zur Erfassung des Beschwerdebildes der<br />

subjektiven Elektrosensibilität ist erforderlich, da psychometrische Testverfahren nicht<br />

die aus Betroffenensicht geschilderten EMF- assoziierten Leitsymptome enthielten. Es<br />

zeigte sich ferner, dass bei subjektiv elektrosensiblen Personen eine deutliche Neigung<br />

zur Dissimulation besteht.<br />

Auch wenn in unserer Studie hinsichtlich umwelt- und arbeitsplatzbezogener<br />

Expositionen keine Unterschiede zwischen SES und Kontrollpersonen festgestellt<br />

342


V73<br />

Vorträge – Umweltmedizin<br />

werden konnten, sollten bei subjektiv elektrosensiblen Personen physikalische,<br />

biologische, chemische Expositionen am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld als mögliche<br />

Verursacher der Beschwerden immer in Betracht gezogen werden. Für die<br />

umweltmedizinische Praxis scheinen die psychosozialen Belastungsfaktoren bei dem<br />

Beschwerdebild der subjektiven Elektrosensibilität von besonderer Bedeutung zu sein.<br />

343


V74<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung, Arbeitsbelastung<br />

und Arbeitsfähigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern<br />

Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />

1. Einleitung<br />

Lehrer gelten als psychisch hoch belastet, was durch die hohen Raten des vorzeitigen<br />

krankheitsbedingten Ausscheidens aus dem Beruf belegt ist. Bei Eintritt in die<br />

Dienstunfähigkeit dominieren mehrheitlich psychische und psychosomatische<br />

Erkrankungen und Diagnosen (32 - 50 %) als Ursachen (Bellenberg & Krauss-Hoffmann<br />

1998; Dauber & Vollstädt 2004; Weber et al. 2004). Dabei gilt Burnout in dieser<br />

Berufsgruppe als besonders weit verbreitete Fehlbeanspruchungsfolge (z.B. Barth, 1995;<br />

Körner, 2003). Die hohe psychische Belastung ist nur nicht aus der Sicht des<br />

Betroffenen, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive ein relevantes Thema. Um<br />

gezielte Interventions- und Präventionsmaßnahmen einleiten zu können, ist nicht nur die<br />

Kenntnis der wesentlichen schul- und lehrerspezifischen Belas-tungsfaktoren<br />

Voraussetzung, sondern auch die Kenntnis arbeitsbezogener Ressourcen und deren<br />

Zusammenhang zum Burnout. Dies sind die Anliegen der vorliegenden Untersuchung.<br />

Da in der Burnoutforschung für die Komponente emotionale Erschöpfung zum Teil<br />

Geschlechtsunterschiede (Frauen erleben diese stärker) gefunden wurden, erfolgen die<br />

Analysen dieser Untersuchung geschlechtsgetrennt.<br />

2. Methode<br />

2.1 Stichprobe<br />

Grundlage der Untersuchung sind Daten von 83 Lehrern und 630 Lehrerinnen<br />

(Durchschnittsalter 46 ± 7 Jahre) aus sächsischen Grundschulen, Mittelschulen und<br />

Gymnasien. Es lagen keine Geschlechtsunterschiede in den sozodemografischen Daten<br />

vor. Allerdings sind fast doppelt so viele Lehrerinnen (71 %) wie Lehrer (43 %) in Teilzeit<br />

beschäftigt.<br />

2.2 Eingesetzte Verfahren<br />

Zur Erhebung der emotionalen Erschöpfung als Kernkomponente des Burnout-Syndroms<br />

wurde das Maslach Burnout Inventory in seiner deutschen Form (MBI-D, Büssing &<br />

Perrar, 1992) verwendet. Der Work Ability Index (Tuomi et al., 1998) wurde zur<br />

Erfassung der Arbeitsfähigkeit inklusive der sieben Subskalen heran-gezogen. Als<br />

potentielle Arbeitsbelastungen wurden die fünf Bereiche Schülerverhalten, Kollegium,<br />

Schulleitung, Freiheitsgrade der Arbeit und Über-forderung, erfasst mithilfe modifizierter<br />

344


V74<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Skalen des lehrerspezifischen Belastungsfragebogens nach Rudow (GUV, 2001),<br />

berücksichtigt. Soziodemografische Angaben wurden mit dem Fragebogen zur<br />

Berufsanamnese von Seibt und Dutschke (2005) erhoben.<br />

2.3 Statistische Auswertung<br />

Zur Überprüfung von Geschlechtseffekten wurden Unterschiedstests (t-Test) für die<br />

emotionale Erschöpfung, den Work Ability Index (WAI) sowie den fünf Belastungsgruppen<br />

berechnet. Getrennt nach Geschlecht wurden außerdem Korrelations-analysen<br />

durchgeführt, um Zusammenhänge der WAI-Subskalen und Belastungs-gruppen zu<br />

emotionaler Erschöpfung aufzudecken. Abschließend wurden zur Identifizierung von<br />

Prädiktoren der emotionalen Erschöpfung Regressionsmodelle separat für WAI und die<br />

Belastungen und getrennt nach Geschlecht berechnet.<br />

3. Ergebnisse<br />

3.1 Geschlechtseffekte<br />

In keinem der drei untersuchten Konstrukte (emotionale Erschöpfung, Arbeits-fähigkeit,<br />

Belastungsfaktoren) konnten bedeutsame Geschlechtseffekte festgestellt werden.<br />

Sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen geben an, Aspekte der emotionale Erschöpfung<br />

selten zu erleben (beide Lehrergruppen: 3,2±08).<br />

Tabelle 1: Beanspruchung der Lehrkräfte getrennt nach Geschlecht<br />

Beanspruchung durch…<br />

[Range 1 … 3] (MW±SD)<br />

Lehrer (n=83)<br />

Lehrerinnen (n=630)<br />

- Überforderung 1,5 ± 0,4 1,6 ± 0,4<br />

- Schülerverhalten 1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,5<br />

- Kollegen 1,1 ± 0,2 1,1 ± 0,2<br />

- Schulleitung 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,4<br />

- Eingeschränkte Freiheitsgrade 1,4 ± 0,4 1,5 ± 0,5<br />

MW: Mittelwert; SD: Standardabweichung<br />

Auch die Arbeitsfähigkeit (Af) ist bei beiden Geschlechtern gut ausgeprägt (Lehrer: <br />

39±5; Lehrerinnen: 38±6). In Übereinstimmung mit diesen Ausprägungen stehen auch<br />

die Ergebnisse zu den erhobenen Belastungsfaktoren, bei denen die Lehrkräfte<br />

angaben, dass diese zu maximal mittelstarker Beanspruchung (Skalierung: 1 - kaum, 2 -<br />

mittel, 3 - stark) führen (Tab. 1).<br />

345


V74<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

3.2 Zusammenhänge mit emotionaler Erschöpfung<br />

Bei den Lehrern ergaben sich mittlere Korrelationen der emotionalen Erschöpfung mit<br />

den Belastungsfaktoren Überforderung, eingeschränkte Freiheitsgrade bei der Arbeit<br />

sowie dem Schülerverhalten. Für die Subskalen des WAI ließen sich ebenfalls nur<br />

mittlere Korrelationen zwischen emotionaler Erschöpfung und den Subskalen WAI 1<br />

(derzeitige Af), WAI 2 (Af in Relation zu den Arbeitsanforderungen) sowie WAI 7<br />

(psychische Leistungsreserven) feststellen (Tab .2). Bei den Lehrerinnen korrelieren die<br />

gleichen Subskalen des WAI mit der erlebten Erschöpfung, aber bei den Belastungen<br />

lediglich die Überforderung.<br />

Tabelle 2: Korrelationsanalyse zur emotionalen Erschöpfung<br />

Mit emotionaler Erschöpfung korrelierte Variable<br />

Korrelationskoeffizient (r)<br />

Lehrer (n=83) Lehrerinnen (n=630)<br />

Arbeitsbelastungen<br />

- Beanspruchung durch Überforderung .43 .48<br />

- Beanspruchung durch eingeschränkte<br />

.40 -<br />

Freiheitsgrade bei der Arbeit<br />

- Beanspruchung durch Schülerverhalten .41 -<br />

Subskalen der Arbeitsfähigkeit<br />

- derzeitige Arbeitsfähigkeit (WAI1) -.50 -.51<br />

- Arbeitsfähigkeit in Relation zu Arbeitsanforderungen<br />

(WAI2)<br />

-.55 -.61<br />

- psychische Leistungsreserven (WAI7) -.47 -.58<br />

3.3 Prädiktoren der emotionalen Erschöpfung<br />

Aus dem Bereich der erhobenen Belastungsfaktoren erwiesen sich bei den Lehrern das<br />

Schülerverhalten (Beta .24) und die Überforderung (Beta .22) als Prädiktoren der<br />

emotionalen Erschöpfung. Bei den Lehrerinnen wurde, entsprechend den Ergebnis-sen<br />

der Korrelationsanalyse, nur die Überforderung (Beta .41) als ein solcher Prädiktor<br />

identifiziert. Bei der Regressionsanalyse der WAI-Subskalen stellten sich bei beiden<br />

Geschlechtern die Af in Relation zu den Arbeitsanforderungen (WAI 2, Lehrer: Beta -.33;<br />

Lehrerinnen Beta -.32) und bei den Lehrerinnen zusätzlich die psychischen<br />

Leistungsreserven (Beta -.32) als Prädiktoren heraus.<br />

4. Diskussion und Schlussfolgerung<br />

In der untersuchten Stichprobe konnten im Durchschnitt günstige Ausprägungen der<br />

emotionalen Erschöpfung, der Arbeitsfähigkeit als auch der erlebten Beanspruchung<br />

durch die erhobenen Belastungen festgestellt werden. Dennoch weisen die Ergebnis-se<br />

darauf hin, dass gerade die qualitative und quantitative Überforderung im Lehrerberuf<br />

346


V74<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

einen Einflussfaktor auf das psychische Wohlbefinden darstellt. Die bei beiden<br />

Geschlechtern aufgezeigten Korrelationen der Arbeitsfähigkeit mit emotionaler<br />

Erschöpfung weisen auf Präventionsbedarf zur Erhaltung und Förderung der<br />

psychischen Gesundheit bei Lehrkräften hin. Dabei stellt die Fähigkeit zum Umgang mit<br />

Arbeitsanforderungen einen wichtigen Faktor dar, der zur Prävention von psychischen<br />

Fehlbelastungsfolgen aktiv bei Lehrkräften gefördert werden sollte.<br />

5. Literatur<br />

Büssing, A.; Perrar, K.-M. (1992). Die Messung von Burnout. Untersuchung einer<br />

deutschen Fassung des Maslach Burnout Inventory (MBI-D). Diagnostica 38, 4, 328-353.<br />

Seibt, R. & Dutschke, D. (2005). Fragebogen zur Berufsanamnese von Lehrkräften.<br />

Technische Universität Dresden (unveröffentlicht).<br />

Tuomi, K., Ilmarinen, J., Jahkola, A., Katajarinne, L. & Tulkki, A. (1998). Work Ability<br />

Index. (2. rev. Ed.). Helsinki: Finish Institute of Occupational Health.<br />

Körner, S. C. (2003). Das Phänomen Burnout am Arbeitsplatz Schule. Ein empirischer<br />

Beitrag zur Beschreibung des Burnout-Syndroms und seiner Verbreitung sowie zur<br />

Analyse von Zusammenhängen und potentiellen Einflussfaktoren auf das Ausbrennen<br />

von Gymnasiallehrern. Berlin. Logos.<br />

Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) (2001). Beurteilung von Gefährdungen und<br />

Belastungen an Lehrerarbeitsplätzen. (GUV-Informationen GUV-I 8760).<br />

347


V75<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Burnout bei Lehrkräften, Ergebnisse einer klinischpsychologischen<br />

Interventionsstudie<br />

Ralf Wegner 1 , Peter Berger 2 , Xaver Baur 1<br />

1 Ordinariat für Arbeitsmedizin und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Universität<br />

Hamburg, 2 Hardtwaldklinik II, Bad Zwesten<br />

Einleitung: Zum Thema Erschöpfungssyndrom bzw. Burnout liegen mittlerweile eine<br />

Vielzahl von Veröffentlichungen vor, dennoch hat sich eine aus arbeitsmedizinischer<br />

Sicht ausreichende Definition dieses Syndroms immer noch nicht durchgesetzt.<br />

Desgleichen steht eine Evaluierung der verschiedenen Therapieansätze, ob ambulant<br />

oder stationär, zumindest im deutschen Sprachraum noch weitgehend aus. Mit dem<br />

international bewährten Maslach-Burnout-Inventar (MBI) gelingt es zumindest, einen<br />

Bereich zu definieren, der im Sinne einer potentiellen gesundheitsgefährdenden<br />

Beanspruchung als Marker des Erfolgs einer Intervention am Arbeitsplatz oder auch<br />

einer durchgeführten Therapie herangezogen werden kann. So konnte dieses<br />

Instrumentarium im Rahmen einer Überprüfung der faktoriellen Gültigkeit des MBI (Auswertung<br />

von 1.937 MBI-Inventaren; Wegner und Wein 2002) als ein über mehrere<br />

Berufsgruppen hinweg stabiles Verfahren zur Erfassung von beruflichen<br />

Beanspruchungen im Rahmen der Burnout-Forschung auch für den deutschen<br />

Sprachraum belegt werden. Ziel der jetzt vorgelegten Studie sollte es sein, den<br />

Therapieerfolg einer stationären, tiefenpsychologisch fundierten Behandlung mit<br />

prädiagnostiziertem Erschöpfungssyndrom anhand des MBI zu überprüfen.<br />

Methodik: Das Untersuchungskollektiv bestand aus allen 200 beamteten Lehrkräften<br />

(Alter im Mittel 51,1±6,7 Jahre, 134 Frauen, 66 Männer), die zwischen 2001 und Anfang<br />

2007 in einer psychotherapeutisch orientierten, im ländlichen gelegenen Fachklinik<br />

wegen Erschöpfungssyndrom in der Regel 7 Wochen stationär behandelt wurden. Auf<br />

einer ärztlichen Untersuchung und tiefenpsychologisch fundierten Anamnese aufbauend<br />

wurden psychodynamische Behandlungsansätze entwickelt, die von einem Team aus<br />

Ärzten, Psychologen, Bewegungs- und Gestaltungstherapeuten sowie Pflegekräften<br />

vorwiegend im Sinne einer Milieutherapie umgesetzt wurden (Janssen 1987). Im<br />

Zentrum der Behandlung stand die Gruppenpsychotherapie nach dem Göttinger Modell<br />

(Heigl-Evers 2002). Zusätzlich nahmen Lehrer einmal pro Woche an einer „Burnout-<br />

Gruppe“ teil. In dieser Gruppe wurden lösungsorientiert konkrete Probleme aus dem<br />

Arbeitsalltag der Lehrer mit Kollegen, der Schulleitung, mit Schülern, den Eltern der<br />

Schüler oder aber der häuslichen Arbeitsorganisation thematisiert. Die Themen wurden<br />

von den Teilnehmern bestimmt. Arbeitsgrundlage für dieses verhaltenstherapeutische<br />

Gruppenangebot war das von Kretschmann erarbeitete Programm zum<br />

348


V75<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Stressmanagement für Lehrerinnen und Lehrer (Kretschmann 2001). Daneben wurden<br />

zwei 50minütige tiefenpsychologisch fundierte Einzelgespräche geführt, in denen es<br />

konfliktorientiert um die vertiefende Deutung und Bearbeitung des in der<br />

Gruppenpsychotherapie gezeigten Verhaltens und Erlebens ging. Schwerpunkte bilden<br />

hierbei Informationen zu Zeitplanungs- und Arbeitstechniken sowie die Hinterfragung<br />

subjektiver Mythen zur Rechtfertigung des malignen Arbeitsverhaltens mit dem Ziel einer<br />

Einstellungsveränderung. Zusätzlich wird lösungsorientiert an den Ressourcen des<br />

Patienten angeknüpft, ebenso an seinen gesunden Persönlichkeitsanteilen, und die<br />

Erweiterung der Verhaltenskompetenz verhaltenstherapeutisch gefördert (Berger 2006).<br />

Etwa 2 Jahre (2,0±0,7) nach der Therapie erfolgte bei den 200 Lehrkräften eine Nachbefragung<br />

per Post. Hierfür wurde ein modifizierter, im Wesentlichen aber dasselbe<br />

Instrumentarium wie bei der Erstuntersuchung enthaltender Fragebogen (Erfassung<br />

demografischer Daten, Arbeitszeit, Zeiten von Arbeitsunfähigkeit, Maslach-Burnout-<br />

Inventar (Maslach und Jackson 1986) u.a.) mit den Faktoren Emotionale Erschöpfung<br />

(Emotional exhaustion, EE, 9 Items), Distanziertheit (Depersonalization, DP, 5 Items)<br />

und persönliche Leistungseinschätzung (Personal accomplishment, PA, 8 Items) eingesetzt.<br />

Die Antwortmöglichen reichten von 0 (niemals) bis 6 (täglich). Der statistische<br />

Vergleich erfolgte mittels t-Tests mit verbundenen bzw. unverbundenen Stichproben sowie<br />

Chi 2 -Tests (Programm statistica 7.0). 150 Personen (75%; mittleres Alter 53,1±7,0 Jahre,<br />

104 Frauen, 46 Männer) sandten den Fragebogen ausgefüllt zurück.<br />

100<br />

%<br />

80<br />

60<br />

40<br />

depressive<br />

Störungen<br />

somatoforme<br />

Störungen<br />

neurotische<br />

Störungen<br />

Persönlichkeitsstörungen<br />

Herz-/Kreislauferkrankungen<br />

Stoffwechselerkrankungen<br />

andere psychiatr.<br />

Erkrankungen<br />

20<br />

0<br />

F32-34 F45 F40-44 F60-61 I E<br />

Abb. 1: Häufigkeit der bei der Erstuntersuchung gestellte Diagnosen (Mehrfachnennungen, ICD 10)<br />

Ergebnisse: Am häufigsten wurden depressive Störungen diagnostiziert (79,0%), bei<br />

40,0% ergaben sich somatoforme Störungen (zumeist als Nebendiagnose), dicht gefolgt<br />

von neurotischen und Persönlichkeitsstörungen (39,5 % bzw. 32,5%, Abb. 1). Der Anteil<br />

Burnoutgefährdeter, hier definiert als Personen mit einem EE-Score > 26 (analog Maslach<br />

und Jackson 1986) lag bei dem Gesamtkollektiv der Ersterhebung bei 79,6% (Männer<br />

93,8%, Frauen 72,3%, p < 0,001). Die MBI-Punktwerte unterschieden sich zwischen<br />

denen, die an der Nacherhebung teilnahmen nicht signifikant von denen, welche den<br />

349


V75<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Fragebogen nach zwei Jahren nicht mehr zurücksendeten. In der Tendenz fanden sich<br />

bei letzteren aber leicht schlechtere Werte. Der Anteil derjenigen, welche in den Beruf<br />

zurückkehrten, lag mit 75% hoch, diese Personen waren mit 52,2±6,9 Jahren deutlich<br />

jünger als die mittlerweile pensionierten Lehrkräfte (56,2±6,3 Jahre, p = 0,002). Letztere<br />

erwiesen sich tendenziell auch als erschöpfter, distanzierter und mit geringerer<br />

Leistungseinschätzung, der Unterschied war aber ebenfalls nicht signifikant. Die<br />

Veränderung der Werte für die Arbeitszeit in der letzten regulären Arbeitswoche, die<br />

Tage mit Arbeitsunfähigkeit im letzten Quartal sowie die Werte des MBI finden sich in<br />

Tab. 1. Für die Arbeitszeit ergab sich eine leichte Verringerung, signifikant für die<br />

Arbeitszeit zu Hause. Auffällig ist die mit 17,5 Std. deutlich höhere häusliche<br />

Arbeitszeitbelastung der Gymnasiallehrkräfte zu Beginn der Studie bei vergleichbarem<br />

zeitlichen Einsatz in der Schule. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage ging<br />

hochsignifikant von im Mittel 26,9 auf 8,7 Tage im letzten Quartal zurück. Der EE-Score<br />

besserte sich für die in den Beruf Zurückgekehrten ebenfalls hochsignifikant, der Anteil<br />

Burnout-Gefährdeter ging von 72,2% auf 44,1% zurück (p < 0,0001; Männer von 97,1%<br />

auf 56,3%, Frauen von 60,3% auf 38,6%, p = 0,0001 bzw. 0,01). Für die MBI-Faktoren<br />

PD und PA ergaben sich im Vergleich mit dem EE-Score dagegen geringere<br />

Verbesserungen.<br />

Diskussion: Als Hauptergebnisse der Studie sind eine hohe Rückkehrerquote von 75%,<br />

eine Reduzierung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeitstage um Zweidrittel von 27 auf<br />

9 Tage und eine Verringerung des Anteils Burnout-gefährdeter Personen von 72% auf<br />

44% festzustellen. Allein die Abnahme der Arbeitsunfähigkeitsdauer (eine gleich<br />

bleibende Häufigkeit während der letzten 2 Jahre unterstellt) um fast 5 Monate bei mehr<br />

als der Hälfte des ursprünglichen Gesamtkollektivs spricht - nicht zuletzt auch aus<br />

ökonomischen Gründen (Kosten der Behandlung und Arbeitsausfallszeit) - für den Erfolg<br />

der durchgeführten Therapie. Über einen positiven Kosten-Nutzen-Effekt durch<br />

stationäre Psychotherapie berichtete 2006 auch Nienhaus, das hierbei untersuchte<br />

Patientenkollektiv umfasste allerdings nur 36 Personen.<br />

In unserem Kollekitv ist der hohe Anteil Burnout-Gefährderter unter den Männern<br />

auffällig. Deren EE-Score verringerte sich zwar ebenfalls signifikant, aber nur auf den<br />

Wert, mit dem die Frauen ihre Therapie begannen. Im Gegensatz zu diesem<br />

schlechteren Ergebnis bei Männern ergaben sich in einer 1995 bei aktiven Lehrkräften in<br />

Norddeutschland durchgeführten Studie für Frauen (und nicht für Männer) signifikant<br />

höhere Werte des EE-Scores und damit für die Burnoutgefährdung (Wegner et al. 1998).<br />

Männer scheinen sich damit erst in einem fortgeschritteneren Burnout-Stadium zu einer<br />

350


V75<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

tiefenpsychologisch fundierten Therapie zu entschließen als deren Kolleginnen. Dass<br />

sich (wie auch in dieser Erhebung) unter den MBI-Faktoren der EE-Score am besten für<br />

die Beschreibung der Burnout-Gefährdung eignet, zeigen auch internationale Studien<br />

(Gold 1984, Hisashige 1993 u.a.), in denen die im Faktor EE zusammengefassten Items<br />

die höchsten Ladungszahlen aufwiesen. Im Gegensatz zu einzelnen international<br />

publizierten, kontrollierten Verlaufsstudien - u.a. internetbasiert (Brattberg 2006) oder am<br />

Arbeitsplatz bei arbeitsfähigen Berufstätigen (Gorter et al. 2001, Bittmann et al. 2004,<br />

Griffith et al. 2008) durchgeführt - waren die hier vorgelegten Ergebnisse nicht mit denen<br />

eines Kontrollkollektivs zu vergleichen. Eine schon aus ethischen Gründen<br />

problematische Wartestudie hätte unseres Erachtens in Anbetracht der Schwere der<br />

diagnostizierten Gesundheitsstörungen und den hohen vorausgegangenen Zeiten der<br />

Arbeitsunfähigkeit vermutlich keinen nennenswerten Besserungseffekt gezeigt.<br />

Vergleichbar wäre allenfalls eine zeitgleiche stationäre Behandlung in ähnlicher Umgebung<br />

im Sinne eines konventionellen, durch Physiotherapie gekennzeichneten Heilverfahrens<br />

gewesen. Für ein solches Vergleichskollektiv standen aber weder die Patienten noch die<br />

Kostenträger zur Verfügung.<br />

Unseres Wissens handelt es sich bei der vorgelegten Studie um die bisher<br />

umfangreichste stationäre Burnout-Interventionsstudie in einer definierten Berufsgruppe,<br />

hier die der Lehrkräfte. Der Erfolg der Intervention könnte bewirken, dass sich Betroffene<br />

bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bisher solch einer Behandlung unterziehen. Bei<br />

dem hier vorgestellten Kollektiv soll der weitere Verlauf demnächst erneut evaluiert<br />

werden.<br />

Literatur<br />

‣ Berger P: Was macht am Lehrerberuf krank? In: Dauber H, Zwiebel R (Hrsg.): Professionelle<br />

Selbstreflexion aus pädagogischer und psychoanalytischer Sicht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2006, 203 –<br />

229<br />

‣ Bittman BB, Snyder CS, Bruhn KT, Liebfreid F, Stevens CK, Westengard J, Umbach PO: Recreational<br />

music-making: An integrative group Intervention for reducing burnout and improving mood states in first<br />

year associate degree nursing students: Insights and economic impact. Int J Nursing Education<br />

Scholarship 1 (2004) 1-26<br />

‣ Brattberg G: Internet-based rehabilitation for individuals with chronic pain and burnout: a randomized trial.<br />

Int J Rehabil Res 29 (2006) 221-227<br />

‣ Gold Y: The factorial validity of the Maslach Burnout Inventory in a sample of califonia elementary and<br />

junior high school classroom teachers. Educational Psychological Measurement 44 (1984) 1009-1016<br />

‣ Gorter RC, Eijkman MAJ, Hoogstraten J: A career counseling program for dentists: effect on burnout.<br />

Patient Education and Counseling 43 (2001) 23-30<br />

‣ Griffith JM, Hasley JP, Liu H, Severn DG, Conner LH, Adler LE: Qigong stress reduction in hospital staff.<br />

J Alternat Complem Med<br />

‣ Heigl-Evers A: Die psychoanalytisch-interaktionelle Methode. Theorie und Praxis. Göttingen:<br />

Vandenhoeck & Ruprecht 2002<br />

‣ Hisashige A: Occupational influence relative to the burnout phenomenon among Japanese nursery<br />

school teachers. Environ Res 63 (1993) 219-228<br />

‣ Janssen PL: Psychoanalytische Therapie in der Klinik. Stuttgart: Klett-Cotta 1987<br />

‣ Kretschmann R (Hrsg): Stressmanagement für Lehrerinnen und Lehrer. Weinheim, Basel: Beltz 2001<br />

351


V75<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

‣ Maslach C Jackson SE: Maslach Burnout Inventory Manual. 2d Ed, Palo Alto: Consulting Psychologists<br />

Press 1986<br />

‣ Nienhaus K: Kosten und Nutzen von Psychotherapie beim Burn-out-Syndrom und psychosomatischen<br />

Folgeerkrankungen bei Mobbing. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 41 (2006) 425-429<br />

‣ Wegner R, Ladendorf B, Mindt-Prüfert S, Poschadel B: Psychomentale Belastung und Beanspruchung im<br />

Lehrerberuf, Ergebnisse einer Fragebogenerhebung. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 33 (1998) 248-<br />

259<br />

‣ Wegner R, Wein C : Zur Eignung des Maslach-Burnout-Inventory (MBI) bei arbeitsmedizinischen<br />

Erhebungen. <strong>DGAUM</strong> Dok-Bd. 42; 319-321; Fulda: Rindt 2002<br />

Tab. 1: Vergleich zwischen Erst- und Nachuntersuchung bei Lehrkräften, die in den Beruf<br />

zurückkehrten<br />

Erstuntersuchung Nachuntersuchung<br />

n s s p<br />

Arbeitszeit in der Schule (Std. letzte Arbeitswoche, inkl. Teilzeittätigkeit)<br />

Gesamt 94 26,1 8,7 25,2 10,1 0,477<br />

Männer 30 28,0 8,8 25,7 12,6 0,334<br />

Frauen 64 25,2 8,6 25,0 8,8 0,912<br />

p 0,142 0,763<br />

Gymnasien 21 26,1 7,2 27,0 8,9 0,626<br />

Andere Schulen 73 26,1 9,2 24,7 10,4 0,348<br />

p 0,996 0,372<br />

Arbeitszeit zu Hause (Std. letzte Arbeitswoche, inkl. Teilzeittätigkeit)<br />

Gesamt 98 12,7 7,5 10,5 6,0 0,005<br />

Männer 31 13,7 7,1 10,3 6,1 0,021<br />

Frauen 67 12,2 7,7 10,6 6,0 0,082<br />

p 0,357 0,833<br />

Gymnasien 24 17,5 8,1 12,4 6,8 0,012<br />

Andere Schulen 74 11,1 6,7 9,9 5,6 0,119<br />

p 0,0002 0,069<br />

Arbeitsunfähigkeit letztes Quartal<br />

Gesamt 104 26,9 35,2 8,7 19,2


V76<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Hypertonierisiko, Arbeitsbedingungen und personenbezogene<br />

Faktoren bei Lehrkräften<br />

Juliane Hardt 1 , Reingard Seibt 2 , Klaus Scheuch 2<br />

1 Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck<br />

2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“ der<br />

Technischen Universität Dresden<br />

Zusammenfassung<br />

Lehrkräfte weisen insgesamt ein günstiges Profil kardiovaskulärer Risikofaktoren auf.<br />

Auffällig sind jedoch eine erhöhte Prävalenz für ein Hypertonierisiko und<br />

Studienergebnisse zu erlebten psychischen Belastungen, was im Zusammenhang mit<br />

Arbeitsbedingungen und der Anforderungsbewältigung diskutiert wird. In dieser Analyse<br />

wurde die Frage untersucht, wie bedeutsam die subjektiv erlebten Arbeitsbedingungen<br />

im Lehrerberuf für das Hypertonierisiko unter Berücksichtigung stressassoziierter<br />

Persönlichkeitsfaktoren sind. Bei 787 Lehrkräften (MW: 47±7 Jahre; 87,4 % Frauen)<br />

wurden die Prävalenzen von Hypertonie und Übergewicht erhoben und Messungen des<br />

Ruheblutdrucks durchgeführt. Arbeitsbedingungen (Rudow-Skalen) und<br />

Persönlichkeitsfaktoren (Erholungsunfähigkeit/FABA; Kohärenzerleben: SOC-L9) wurden<br />

standardisiert erfragt. Lehrkräfte mit normotonen Blutdruckwerten und Lehrkräfte mit<br />

Hypertonierisiko wurden in ihrer subjektiv erlebten Arbeitsbelastung, Erholungsfähigkeit<br />

und dem Kohärenzerleben verglichen und die Effekte der potenziellen Prädiktoren mit<br />

logistischer Regression geprüft. 58,7 % der Lehrkräfte zeigten ein Hypertonierisiko<br />

(Blutdruckwerte erhöht/kontrollierte Hypertonie), 45 % waren übergewichtig (BMI<br />

≥ 25 kg/m 2 ). Im multivariaten Regressionsmodell zeigten sich Alter, Geschlecht,<br />

Übergewicht und Erholungsunfähigkeit als signifikante Prädiktoren für das<br />

Hypertonierisiko. Dabei fanden sich nur geringe Zusammenhänge der untersuchten<br />

Persönlichkeitsfaktoren und Arbeitsbedingungen zum Hypertonierisiko, insbesondere im<br />

Vergleich zu klassischen Einflussfaktoren. Künftige Analysen sollten weitere mit dem<br />

Belastungserleben assoziierte Variablen einbeziehen, die über berufsgruppenspezifische<br />

Risikofaktoren Aufschluss geben könnten<br />

Einleitung<br />

Aus der Literatur ist bekannt, dass das Gesundheitsverhalten von Lehrkräften<br />

(Bewegung, Ernährung, Nikotinkonsum) im Vergleich zur deutschen Bevölkerung als<br />

gesundheitsbewusst zu bewerten ist [1, 2]. Im Rahmen eines Forschungsprojekts für ein<br />

präventives Gesamtkonzept zur Lehrergesundheit wurden ausgewählte Einflussfaktoren<br />

auf das kardiovaskuläre Risiko untersucht und in einem Gesundheitsbericht im Vergleich<br />

zu epidemiologischen Daten der Bevölkerung dargestellt [3]. Die Ergebnisse des<br />

353


V76<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Gesundheitsberichts bestätigten das insgesamt günstige kardiovaskuläre Risikoprofil bei<br />

Lehrern, zeigten jedoch eine erhöhte Prävalenz des Hypertonierisikos bei Lehrkräften [4]<br />

im Vergleich zu den Bevölkerungsdaten des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 [5, 6]<br />

(Abb. 1).<br />

Mehrere Studien fanden Hinweise auf Besonderheiten psychischer Belastungen und<br />

spezifische Belastungsfolgen im Lehrerberuf [7-9]. In der arbeitspsychologischen<br />

Forschung wurden verschiedene Konzepte auf mögliche Zusammenhänge zwischen<br />

individueller Beanspruchung und einem höheren Risiko für arterielle Hypertonie und<br />

kardiovaskuläre Erkrankungen geprüft. In dieser Analyse wurden zwei Konzepte<br />

ausgewählt. In Validierungsstudien zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen<br />

gesunden Personen und Hypertonikern für Erholungsunfähigkeit [10, 11]. Für das<br />

salutogenetisch orientierte Konzept des Kohärenzerlebens (sense of coherence [12])<br />

werden Zusammenhänge zwischen einem stabilen Personenmerkmal und dem Erleben<br />

von Anforderungen und Belastungen vermutet. Ein Zusammenhang zu erlebtem Stress<br />

soll in weiteren Analysen geprüft werden.<br />

Methoden<br />

Im Rahmen von arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchungen wurden<br />

787 Lehrkräfte aus sächsischen Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien untersucht<br />

und befragt (87,4 % Frauen). Diese waren im Mittel 47±7 Jahre alt (MW±SD, Range: 28 -<br />

62 Jahre). Die Untersuchungen umfassten Messungen von Größe und Gewicht sowie<br />

eine zweimalige Messung des Ruheblutdrucks (BD). Es wurde standardisiert erfragt, ob<br />

eine Medikation mit Antihypertensiva vorliegt. Als Risiko-Fälle für Hypertonie wurden<br />

dabei Lehrkräfte mit erhöhten Blutdruckwerten nach der Klassifikation der WHO [13] oder<br />

mit einer medikamentös behandelten Hypertonie entsprechend der Kategorien des<br />

Bundes-Gesundheitssurveys [6] kodiert. Mit Hilfe von Prüflisten zur Belastung im<br />

Lehrerberuf [14] wurden das Vorhandensein von lehrerspezifischen Arbeitsbelastungen<br />

in sieben Bereichen (z.B. Schüler/Klassen, Lehrplan, Schulleitung/Schulkultur) sowie die<br />

subjektiv erlebte Belastung durch diese Arbeitsbedingungen erfragt. Für jeden Bereich<br />

wird dabei jeweils ein Mittelwert der beurteilten und erlebten Arbeitsbelastung berechnet,<br />

für die Gesamtbelastung wird jeweils ein Summenwert der Skalen gebildet. Als mögliche<br />

personbezogene Prädiktoren wurden Erholungsunfähigkeit (FABA-Skala [10]) und das<br />

Kohärenzerleben nach dem salutogenetischen Modell Antonovskys [12] mit dem SOC-<br />

Fragebogen [15] erhoben.<br />

354


V76<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Ergebnisse<br />

In den Vorsorge-Untersuchungen wiesen 421 Lehrkräfte (53,5 %) erhöhte<br />

Blutdruckwerte (≥ 140/90 mmHg) auf, 138 Lehrkräfte (17,5 %) gaben eine aktuelle<br />

Medikation mit Antihypertensiva an. 58,7 % der Lehrkräfte wurden als Risiko-Fälle für<br />

Hypertonie klassifiziert. 45,4 % der Lehrkräfte waren übergewichtig (BMI ≥ 25 kg/m 2 ).<br />

Lehrkräfte mit Hypertonierisiko (Risiko-Fälle) waren im Vergleich zu Lehrkräften mit<br />

normotonen Blutdruckwerten (Kontrollen) signifikant älter (49,0 vs. 44,4 Jahre, p < .001)<br />

und häufiger übergewichtig (56,3 % vs. 29,8 %, p < .001). Auch der Anteil der Männer<br />

war bei den Risiko-Fällen höher (14,3 % vs. 10,2 %). Deskriptiv zeigten Risiko-Fälle im<br />

Vergleich mit den Kontrollen keine auffälligen Werte in der Beurteilung von<br />

Arbeitsbelastungen und der berichteten subjektiven Beanspruchung durch die<br />

Arbeitsbedingungen. In der Tendenz berichteten sie sogar eine geringere Beanspruchung.<br />

Im Hinblick auf das Kohärenzerleben waren beide Gruppen vergleichbar, in<br />

der Skala Erholungsunfähigkeit zeigten Risiko-Fälle etwas günstigere Werte als die<br />

Kontrollen (nicht signifikant). Um ein Confounding durch die Zusammenhänge von<br />

Hypertonierisiko mit Alter, Geschlecht und Übergewicht zu kontrollieren, wurden bivariate<br />

und multivariate logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Tabelle 1 zeigt die<br />

Ergebnisse dieser Analysen im Vergleich. Die Selektion der in das multivariate Modell<br />

simultan eingeschlossenen Variablen erfolgte hypothesengeleitet. Das vollständige<br />

Modell mit allen in Tab. 1 gezeigten Variablen ermöglichte eine Vorhersage des<br />

Hypertonierisikos zu 69 % (Nagelkerke‘s R 2 = 0,19). Dabei zeigten erwartungsgemäß<br />

Alter und Übergewicht deutliche und signifikante Effekte in Bezug auf die Zielgröße<br />

Hypertonierisiko. Übergewichtige sowie ältere Lehrkräfte, wiesen ein 2,5- bis 6-fach<br />

erhöhtes Risiko auf. Erholungsunfähigkeit erwies sich als signifikanter Prädiktor, zeigte<br />

aber einen geringen Effekt (pro Punktwert der Skala), und ist somit nicht eindeutig zu<br />

interpretieren. Ein zweites Modell, das die bekannten Risikofaktoren (Alter, Geschlecht,<br />

Übergewicht) sowie die Erholungsunfähigkeit als signifikanten Prädiktor umfasste,<br />

ermöglichte eine Vorhersage zu 70 %.<br />

Diskussion<br />

In der Analyse möglicher Prädiktoren für die erhöhte Prävalenz eines Hypertonierisikos<br />

bei Lehrkräften bestätigten sich im verwendeten Regressionsmodell die bekannten<br />

klassischen Risikofaktoren. Bei Lehrkräften mit Hypertonierisiko wurden keine Hinweise<br />

auf ein Erleben ungünstiger Arbeitsbelastungen oder ungünstiger personbezogener<br />

Faktoren gefunden. Die analysierten Daten einer Beobachtungsstudie erlauben lediglich<br />

die Betrachtung von Koinzidenzen möglicher Risikofaktoren, jedoch keine<br />

Schlussfolgerungen im Hinblick auf Kausalität. In folgenden Analysen soll eine Trennung<br />

355


V76<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

von Personen mit ärztlich diagnostizierter und behandelter Hypertonie (Fälle) und<br />

Personen mit erhöhten Blutdruckwerten (SBD/DBD ≥ 140/90 mmHg) in standardisierten<br />

Vorsorgeuntersuchungen (Risiko-Fälle) erfolgen. Weitere bekannte kardiovaskuläre<br />

Risikofaktoren (abdominale Fettverteilung, Rauchen) werden in die Regressionsanalysen<br />

aufgenommen. Künftige Analysen sollten weitere mit dem Belastungserleben im<br />

Lehrerberuf assoziierte Variablen (Gratifikationskrisen, Anforderungs-Kontroll-Modell) als<br />

Prädiktoren einbeziehen, für die ein Zusammenhang mit einem Hypertonierisiko vermutet<br />

wird und die über neue berufsgruppenspezifische Risikofaktoren Aufschluss geben<br />

könnten. Die jüngste Erhebung von repräsentativen Referenzwerten des<br />

Hypertonierisikos für die deutsche Bevölkerung durch Messungen erfolgte im Bundes-<br />

Gesundheitssurvey 1998. Ein Vergleich der hier berichteten Daten mit jüngeren<br />

Referenzwerten ist anzustreben. Zu diskutieren ist die Frage, inwieweit der Einfluss von<br />

erlebten Arbeitsbelastungen und Stress als kurzfristige Belastungsfolge auf langfristige<br />

Beeinträchtigungen der Gesundheit geprüft werden kann und welche Markervariablen<br />

(z.B. subjektives Erleben, physiologische Kennwerte, Copingstile) langfristige<br />

Gesundheitsfolgen am besten vorhersagen können.<br />

Literatur<br />

[1] Schönwälder H-G, Berndt J, Ströver F, Tiesler G. Belastung und Beanspruchung<br />

von Lehrerinnen und Lehrern. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />

und Arbeitsmedizin: Forschung, Fb 989). Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW,<br />

2003<br />

[2] Seibt R, Thinschmidt M, Lützkendorf L, Knöpfel D. Arbeitsfähigkeit und Vitalität bei<br />

Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. (Schriftenreihe der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschung, Fb 1035).<br />

Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2004<br />

[3] Rehm U, Seibt R, Hardt J, Dizinger V, Neustadt K, Scheuch K. Gesundheitsbericht<br />

2008. Lehrerinnen und Lehrer der Sächsischen Bildungsagentur Regionalstelle<br />

Chemnitz. Dresden: Technische Universität Dresden (Selbstverlag), 2008<br />

[4] Hardt J, Rehm U, Scheuch K. Gesundheitsbericht bei Lehrern - Beispiele<br />

kardiovaskulärer Risikofaktoren. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin<br />

2008;43(3):170<br />

[5] Thamm M. Blutdruck in Deutschland - Zustandbeschreibung und Trends.<br />

Gesundheitswesen 1999;61(Sonderheft 2):S90-S93<br />

[6] Robert Koch-Institut, Statistisches Bundesamt. Gesundheit in Deutschland.<br />

Gesundheitsbericht. Berlin: Robert Koch-Institut, 2006<br />

[7] Stähling R. Beanspruchungen im Lehrerberuf : Einzelfallfeldstudie und<br />

Methodenerprobung. Münster u.a.: Waxmann, 1998<br />

[8] Schaarschmidt U, Fischer AW. Bewältigungsmuster im Beruf.<br />

Persönlichkeitsunterschiede in der Auseinandersetzung mit der Arbeitsbelastung.<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2001<br />

[9] Bauer J, Unterbrink T, Hack A, Pfeifer R, Buhl-Griesshaber V, Muller U, et al.<br />

Working conditions, adverse events and mental health problems in a sample of 949<br />

German teachers. Int Arch Occup Environ Health 2007;80(5):442-9<br />

[10] Richter P, Rudolf M, Schmidt CF. Fragebogen zur Analyse belastungsrelevanter<br />

Anforderungsbewältigung (FABA). Handanweisung. Frankfurt: Swets Test<br />

Services, 1996<br />

356


V76<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

[11] Staude M, Seibt R, Scheuch K. Erhöhtes Hypertonierisiko durch "Job-strain"? In:<br />

Scheuch K, Haufe E (Hrsg.), Dokumentationsband über die 43. Jahrestagung der<br />

Dt. Ges. für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Dresden, 26.-29. März 2003.<br />

Fulda: Rindt-Druck, 2003, 535-7<br />

[12] Antonovsky A. Health, Stress and Coping. San Francisco: Jossey-Bass, 1979<br />

[13] WHO-ISH Hypertension Guidelines Committee. World Health Organization -<br />

International Society of Hypertension Guidelines for the Management of<br />

Hypertension. Journal of Hypertension 1999;17(2):151-85<br />

[14] Rudow B. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lehrerberuf:<br />

Gefährdungsbeurteilung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Ludwigsburg:<br />

Süddeutscher Pädagogischer Verlag, 2000<br />

[15] Schumacher J, Wilz G, Gunzelmann T, Brahler E. Die Sense of Coherence Scale<br />

von Antonovsky. Teststatistische Überprüfung in einer repräsentativen<br />

Bevölkerungsstichprobe und Konstruktion einer Kurzskala. Psychother Psychosom<br />

Med Psychol 2000;50(12):472-82<br />

357


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Altersbezogener Zusammenhang von Effort-Reward-Imbalance<br />

und kardiovaskulären Risikofaktoren bei Führungskräften und<br />

Lehrern<br />

Reingard Seibt 1 , Stefanie Deckert 2 , Silvia Spitzer 1 , Klaus Scheuch 1 , Gabriele Freude 3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />

Hochschule Magdeburg-Stendal (FH)<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Berlin<br />

1 Problem- und Zielstellung<br />

Eine systematische Literaturrecherche im Web of Science® zu Belastungen und Fehlbeanspruchungsfolgen<br />

von Lehrern und Führungskräften ergab, dass für Führungskräfte<br />

der Zusammenhang von Belastung und Gesundheit wissenschaftlich nur unzureichend<br />

untersucht ist. Sie repräsentieren - im Vergleich zu Lehrern - eine inhomogene<br />

Berufsgruppe und ihre Tätigkeit stellt sich nicht als definiertes Berufsbild dar, so dass<br />

sich die Zuordnung anforderungsspezifischer Arbeitsbedingungen und -anforderungen<br />

und deren Beanspruchungsfolgen schwierig gestaltet. Außerdem wird zwischen<br />

Managementebene (obere, mittlere, untere Ebene) und Branche (u.a. Geschäftsführer,<br />

Restaurantleiter, Case Manager, Chefärzte, Projektleiter) unterschiedlich differenziert<br />

und aus einigen Studien ist nicht ersichtlich, ob die „mittleren Manager“ den Mitarbeitern<br />

und/oder Führungskräften zugeordnet sind. „Mittlere Manager“ (hier: Führungskräfte)<br />

nehmen eine "Sandwichposition" bzw. „Scharnierfunktion“ zwischen Mitarbeitern,<br />

Vorgesetzten und Kunden ein, die Entscheidungsbereitschaft, Kon-fliktfähigkeit sowie<br />

Fach- und Methodenkompetenz von ihnen erwarten (Keuchen 2007).<br />

In einigen Studien fand man Hinweise, dass aus dem Beanspruchungserleben einer<br />

beruf-lichen Gratifikationskrise sowohl bei Lehrern als auch mittleren Managern negative<br />

Gesundheitsfolgen resultierten (Peter & Siegrist 1997; Peter et al. 1991). Insbesondere<br />

wurden für Männer Zusammenhänge zwischen arbeitsbedingten Gratifikationskrisen und<br />

dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermittelt, während für kardiovaskuläre<br />

Risikofaktoren trotz zunehmendem Alters nur geringe Effektstärken beobachtet wurden<br />

(van Vegchel et al. 2005). So fand man bei Männern in zwei deutschen<br />

Längsschnittstudien einen Zusammenhang von Gratifikationskrisen (Effort-Reward-<br />

Imbalance - ERI) und Hypertonie (OR = 2,7 - 5,8; Peter et al. 1991; 1998 - Wolf-Studie).<br />

Für Übergewicht und körperliche Inaktivität sind weniger<br />

Befunde bekannt. In einer finnischen Längsschnittstudie erwies sich das ERI als<br />

Prädiktor für den Anstieg des Body-Mass-Index beim 10-Jahres-Follow-Up (Kivimäki et<br />

al. 2002), während sich in einer finnischen Querschnittstudie für Übergewicht und<br />

körperliche Inaktivität für Frauen als auch Männer nur sehr geringe Zusammenhänge zur<br />

ERI ergaben. Lagen aber drei oder mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren gleichzeitig vor,<br />

fiel der Zusammenhang etwas höher aus (Kouvonen et al. 2006).<br />

358


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Ziel dieser Studie ist die Überprüfung der Bedeutsamkeit der ERI zur Gesundheit bei<br />

männ-lichen Führungskräften (FÜ) und Lehrern (LE) unter Berücksichtigung des Alters<br />

und personenbezogener Faktoren.<br />

2 Methodik<br />

Stichprobe: An den arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchung<br />

(Querschnittstudie) nahmen 47 männliche FÜ und 99 LE teil. Diese wurden<br />

entsprechend der Fragestellung in eine jüngere (


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Ratio: Rödel et al. 2004) bestimmt (Tab. 1). Die untersuchten FÜ und LE berichten eine<br />

mittlere berufliche Verausgabung ( 13 vs. 15 Punkte) bei einer für LE mittelmäßigen (<br />

41 vs. 43 Punkte) und FÜ hohen Belohnung ( 52 bzw. 53 Punkte). Diese Anerkennung<br />

erhalten die FÜ mehrheitlich vom Vorgesetzten (86 %) und den Kollegen (96 %). Sie<br />

schätzen ein, in schwierigen Situationen angemessene Unterstützung zu erhalten (90<br />

%), bei ihrer Arbeit gerecht behandelt zu werden (92 %), und sie halten ihr Gehalt für<br />

angemessen (78 %). Daraus lässt sich für FÜ ein günstiges Ratio, d.h. eine Balance<br />

zwischen Verausgabung und Belohnung ableiten ( 0,47; p=.001), was sowohl für die<br />

jüngeren als auch älteren FÜ gilt (LE: 0,73 bzw. 0,66; p=.001). Folglich weisen FÜ kein<br />

ERI bezogenes Gesundheitsrisiko auf (jüngere LE: 16%, ältere LE: 9%) auf.<br />

Erholungsunfähigkeit: Für das Erholungsverhalten gibt es ebenfalls einen<br />

Berufsgruppeneffekt und für LE einen Alterseffekt, wonach die Erholungsunfähigkeit bei<br />

ihnen mit dem Alter leicht ansteigt, während sie sich bei FÜ sogar verbessert; ältere FÜ<br />

weisen keine auffälligen Erholungswerte (LE: 10%) und damit das günstigste<br />

Erholungsverhalten auf (Tab. 1).<br />

Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Bezüglich der Risikofaktoren für Erkrankungen des<br />

Herz-Kreislauf-Systems sind wenig Berufsgruppenunterschiede, aber die erwarteten<br />

Alterseffekte zu verzeichnen (Tab. 1). In beiden Berufsgruppen steigen Blutdruck und<br />

Body Mass Index mit dem Alter an, die Fitness nimmt ab, sportliche Betätigung verändert<br />

sich nicht. Übergewicht liegt bei zwei Drittel der jüngeren FÜ und LE vor, aber bei mehr<br />

als drei Viertel der älteren Gruppen. Hypertonie ergibt sich in den jüngeren Gruppen bei<br />

25 % der FÜ und 37 % der LE, in beiden älteren Gruppen für etwa die Hälfte. 31 % der<br />

jungen FÜ rauchen (LE: 3 %;<br />

p = .005), in den älteren Gruppen jeweils 10 bzw. 9 %. Schlechte Fitness besteht<br />

besonders für ältere LE (26 vs. 10 %). Andererseits fallen gerade die FÜ durch weniger<br />

sportliche Aktivitäten auf; 19 bzw. 13 % von ihnen treiben keinen Sport (LE: 3 bzw. 6 %).<br />

Beschwerden: Aktuelle Beschwerden bzw. Befindensstörungen, die das Wohlbefinden<br />

einer Person anhaltend beeinträchtigen können (BFB: Höck & Hess 1975), werden von<br />

FÜ jeweils weniger angegeben ( 4 vs. 3) als von LE ( 6 vs. 8; p = .001). Dieser Effekt<br />

trifft auch auf die physischen und psychischen Beschwerden zu, die FÜ durchschnittlich<br />

weniger berichten. Physische Beschwerden nehmen bei ihnen mit dem Alter ab,<br />

während sie bei LE mit dem Alter zunehmen. Für psychische Beschwerden gibt es in<br />

keiner Berufsgruppe einen Alterseffekt (Tab. 1). Hauptbeschwerden sind in beiden<br />

Berufsgruppen Nacken-, Rücken-, Kreuzschmerzen (ca. 50 %), bei jungen FÜ besonders<br />

Schlafstörungen (13 %), während mehr als der Hälfte der LE in beiden Altersgruppen<br />

über Erschöpfung und Müdigkeit klagt (Tab. 1).<br />

360


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Tab. 2: Berufsgruppenvergleich ausgewählter arbeits-, personen- und gesundheitsbezogener Faktoren<br />

Gesundheitsparameter<br />

Altersgruppe<br />

[Jahre]<br />

Berufsgruppe<br />

Führung<br />

(n = 47)<br />

Lehrer<br />

(n =99)<br />

Gruppenunterschied<br />

Prüfgröße<br />

p-Wert<br />

< 45 13,2 3,2 14,6 ± 3,2<br />

Verausgabung<br />

MW ± SD<br />

Subskalen des ERI-Fragebogens 1<br />

(Range: 6 - 30]<br />

≥ 45 13,3 3,2 15,1 ± 3,8<br />

Belohnung<br />

(Range: 11 – 55)<br />

Effort-Reward-Imbalance<br />

(Ratio)<br />

- Gesundheitsrisiko<br />

(ERI > 1)<br />

MW ± SD<br />

MW ± SD<br />

%<br />

< 45 52,3 ± 2,8 41,3 ± 9,3<br />

≥ 45 52,5 ± 3,1 43,4 ± 6,6<br />

< 45 0,47 ± 0,12 0,73 ± 0,39<br />

≥ 45 0,47 ± 0,13 0,66 ± 0,23<br />

< 45 0,0 15,6<br />

≥ 45 0,0 9,0<br />

< 45 11,0 ± 3,8 13,2 ± 3,6<br />

Erholungsunfähigkeit<br />

MW ± SD<br />

Personenbezogene Faktoren 2<br />

(Range: 6 - 24)<br />

≥ 45 9,8 ± 3,2 14,9 ± 3,4<br />

- auffällige sehr auffällig %<br />

< 45 6,2 9,3<br />

(≥ 19)<br />

≥ 45 0,0 10,5<br />

2,4 .072<br />

24,9 .001<br />

7,9 .001<br />

7,0 .071<br />

16,9 .001<br />

6,6 .355<br />

< 45 3 [1; 6] 2 [1, 6]<br />

- physisch [Anzahl]<br />

M<br />

5,6 .001<br />

Aktuelle Beschwerden (BFB) 3 [Q25; Q75] ≥ 45 1 [1, 4] 5 [3, 8]<br />

- psychisch [Anzahl]<br />

< 45 0 [0; 2] 1 [0, 2] 5,7 .001<br />

≥ 45 0 [0, 0] 1 [0, 3]<br />

- Erschöpfung, Müdigkeit %<br />

< 45 18,8 50,0<br />

27.3 .001<br />

≥ 45 3,2 53,7<br />

- Nacken-, Rücken-, Kreuz-<br />

< 45 50,0 37,5<br />

4,4 .217<br />

schmerzen ≥ 45 48,4 59,7<br />

- Vergesslichkeit, Unkon-<br />

< 45 12,5 25,0<br />

22,2 .001<br />

zentriertheit ≥ 45 3,2 46,3<br />

- Kopfschmerzen<br />

< 45 25,0 25,0<br />

6,4 .094<br />

≥ 45 3,2 20,9<br />

Kardiovaskuläre Parameter<br />

Systolischer Blutdruck [mmHg] MW ± SD < 45 130,1 ± 14,3 136,6 ± 16,7 3,0 .033<br />

≥ 45 140,9 ± 21,1 143,2 ± 16,7<br />

Diastolischer Blutdruck [mmHg]<br />

< 45 78,1 ± 8,9 89,8 ±10,2 8,3 .001<br />

≥ 45 85,8 ± 12,4 92,8 ± 11,9<br />

- Hypertonie<br />

% < 45 25,0 37,5<br />

5,5 .141<br />

(>140/90 mmHg) 4 ≥ 45 48,4 53,7<br />

Fitness Index (PPI) 5<br />

MW ± SD < 45 2,4 ± 0,7 1,9 ± 0,7 9,0 .001<br />

≥ 45 1,8 ± 0,6 1,5 ± 0,6<br />

- PPI < 1 (schlecht) % < 45 0,0 6,7<br />

19,9 .003<br />

≥ 45 10,3 25,8<br />

Body Mass Index<br />

MW ± SD < 45 25,3 ± 1,7 25,6 ± 3,0 2,8 .041<br />

(BMI; kg/m 2 )<br />

≥ 45 27,0 ± 2,9 26,8 ± 2,6<br />

- Übergewicht<br />

% < 45 62,5 59,4<br />

0,48 .788<br />

(BMI ≥25 kg/m2) 6 ≥ 45 77,4 73,2<br />

Anmerkungen: MW ± SD: Mittelwerte und Standardabweichungen: one-way ANOVA, Welch-Prüfgröße ;M [Q 25; Q 75 ]:<br />

Median und Quartile [25. und 75 Quartil]; Häufigkeiten [%]: Chi-Quadrat-Test (Pearson); Fisher-Freeman-Halton exact<br />

Test<br />

Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />

1<br />

ERI-Questionaire (Siegrist 1996); 2 FABA-Fragebogen (Richter et al. 1996);<br />

3<br />

BFB (Höck & Hess 1975; absteigend sortiert nach älteren Lehrern)<br />

4<br />

Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks e.V., Deutsche Hypertoniegesellschaft (2001)<br />

4<br />

Pulse-Performance-Index - PPI: Quotient aus Pulsfrequenzdifferenz zur Belastung und Belastungszeit<br />

5<br />

Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung.<br />

Evidenzbasierte<br />

Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas http://www.medizin.uni-koeln.de/kai/igmg/ll/adipo-sitas/adipositasleitlinie<br />

expertenversion.pdf<br />

361


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Zusammenhanganalysen (Tab. 2): Das ERI-Ratio steht weder bei FÜ noch bei LE im<br />

Zusammenhang zum Alter. Bei FÜ besteht nur für die körperliche Fitness eine<br />

signifikante Korrelation mit dem Alter, während bei LE die meisten kardiovaskulären<br />

Risikofaktoren (Blutdruck, BMI, Fitness Index) wie auch die Beschwerden und<br />

Erholungsunfähigkeit mit dem Alter korrelieren. Für das ERI-Ratio und<br />

Erholungsunfähigkeit ergibt sich bei LE ebenfalls ein Zusammenhang, was weiterführend<br />

bei Analysen zur Gesundheit beachtet werden sollte. Bei Auspartialisierung des Alters<br />

bestehen aber zwischen ERI-Ratio und kardiovaskulären Risikofaktoren (r = -.09 - .00)<br />

keine oder nur sehr geringe Korrelationen, zu Erholungsunfähigkeit (r = .50) und<br />

Beschwerden geringe Korrelationen (r =.41 - .49).<br />

Tab. 2: Zusammenhanganalysen (Korrelationskoeffizient r: Pearson-Bravais) für ausgewählte arbeits-,<br />

personen- und gesundheitsbezogener Faktoren<br />

Ausgewählte Faktoren<br />

Berufsgruppe<br />

Alter [Jahre]<br />

Führung<br />

(n = 47)<br />

Lehrer<br />

(n =99)<br />

Effort-Reward-Imbalance<br />

Führung<br />

(n = 47)<br />

Lehrer<br />

(n =99)<br />

Effort-Reward-Imbalance 1 -.07 -.06 - -<br />

Erholungsunfähigkeit 2 -.19 .30 ** .61 *** .37 **<br />

Systolischer Blutdruck [mmHg] .23 .22 * .20 -.21 *<br />

Diastolischer Blutdruck [mmHg] .19 .17 -.09 -.22 *<br />

Body Mass Index (BMI; kg/m 2 ) .12 .23 * .11 -.13<br />

Fitness Index (PPI) -.41 ** -.26 * -.01 -.06<br />

Physische Beschwerden 3 -.17 .20 * .42 ** .41 ***<br />

Psychische Beschwerden 3 -.22 .06 .48 *** .32 **<br />

Anmerkungen: Signifikanzniveaus (2-seitig): * p < .05 ** p < .01 *** p < .001<br />

1<br />

ERI-Questionaire (Siegrist 1996); 2 FABA-Fragebogen (Richter et al. 1996); 3 BFB (Höck & Hess 1975<br />

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />

Im Unterschied zu LE arbeiten FÜ nicht in Teilzeit (Lehrer: ca. 1/3), weisen ein<br />

Gleichgewicht von Verausgabung und Anerkennung auf und zeigen folglich auch keine<br />

Hinweise auf ein ERI-bezogenes gesundheitliches Risiko (LE: 13 %). FÜ erfahren ein<br />

hohes Maß an Anerkennung und sozialer Unterstützung, was als entscheidende<br />

Ressource zur Kompensation ihrer hohen Arbeitsbelastungen gesehen wird. Sie sind<br />

durch höhere körperliche Fitness, eine geringere Rate an Bluthochdruck und geringeres<br />

gesundheitsbewusstes Verhalten (mehr Raucher, sportlich weniger aktiv, höheres<br />

Übergewicht) und bessere Erholungsfähigkeit gekennzeichnet. Ihre Hauptbeschwerden<br />

sind Nacken-, Rücken-, Kreuzschmerzen (ca. 50 %), Schlafstörungen (nur bei jüngeren<br />

FÜ) und Erschöpfung (nur bei älteren FÜ).<br />

Allerdings stehen bei FÜ die objektiven Gesundheitsdaten teilweise im Widerspruch zu<br />

den Selbsteinschätzungen. Insbesondere ältere FÜ schätzen ihren Gesundheitsstatus<br />

subjektiv besser ein. Sie sind jedoch aufgrund der ausgeprägten Risikofaktoren für Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen gesundheitlich gefährdet. Diese zeigen deutlichen<br />

362


V77<br />

Vorträge – Lehrergesundheit<br />

Handlungsbedarf in Form geeigneter Präventions- und Interventionsprogramme auf. FÜ<br />

verfügen über protektive Faktoren (z.B. hohe Anerkennung, gute Fitness), die den<br />

Alternsprozess offensichtlich positiv beeinflussen. Auch das günstige ERI-Ratio scheint<br />

bei FÜ eine individuelle Ressource der Anforderungsbewältigung darzustellen, die sich<br />

auch mit zunehmendem Alter als protektiver Faktor kardiovaskulärer Risikofaktoren<br />

auswirkt. Zur Analyse eines umfassenden Gesundheitszustandes sind subjektive<br />

(Selbsteinschätzungen) und objektive Daten (u. a. Faktoren des Herz-Kreislaufsystems)<br />

heranzuziehen.<br />

Einzelmaßnahmen des Gesundheitsschutzes sind nicht ausreichend, um die Gesundheit<br />

der Beschäftigten langfristig zu erhalten. Regelmäßige arbeitsmedizinischpsychologische<br />

Vorsorgeuntersuchungen sind zur individuellen Früherkennung von<br />

Erkrankungen und Gefährdungen und zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit notwendig. Das<br />

Vorsorgeprogramm muss bei Führungs- und Lehrkräften neben den psychischen und<br />

psychosomatischen Gesundheits-gefahren auch die „Zivilisationskrankheiten“ sowie<br />

„Fehlbelastungsfaktoren“ berücksichtigen. Arbeitsschutz ist jedoch nur gut zu entwickeln,<br />

wenn die Qualität der Führung und der sozialen Beziehungen mit gestaltet werden.<br />

5 Literatur<br />

Bortz, J.; Lienert, G. A. (2008). Kurzgefasste Statistik für die Klinische Forschung - Leitfaden für<br />

die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben. (3. Aufl.). Heidelberg: Springer.<br />

Höck, K.; Hess, H. (1975). Der Beschwerdenfragebogen (BFB). Berlin: Deutscher Verlag der<br />

Wissenschaften.<br />

Keuchen, G. (2007). "Sandwicher" - Das mittlere Management unter Druck. In: Weber, A.;<br />

Hörmann, G. (Hrsg.): Psychosoziale Gesundheit im Beruf. Mensch, Arbeitswelt, Gesellschaft.<br />

Stuttgart: Gentner, 396-400.<br />

Kivimäki, M.; Leino-Arjas, P.; Luukkonen, R.; Riihimäki, H.; Vahtera, J.; Kirjonen, J. (2002). Work<br />

stress and risk of cardiovascular mortality: prospective cohort study of industrial employees. Brit<br />

Med J 325, 857-860.<br />

Kouvonen, A., Kivimäki, M., Virtanen, M., Heponiemi, T., Elovainio, M., Pentti, J., Linna, A.;<br />

Vahtera, J. (2006). Effort-reward imbalance at work and the co-occurrence of lifestyle risk factors.<br />

Cross-sectional survey in a sample of 36.127 public sector employees. BMC Public Health 6, 24-<br />

34.<br />

Peter, R., Alfredsson, L., Hammar, N., Siegrist, J., Theorell, T.; Westerholm, P. (1998). High effort,<br />

low reward, and cardiovascular risk factors in employed Swedish men and women: baseline<br />

results from the WOLF Study. J Epidemol Comm Health 52, 540-547.<br />

Peter, R.; Siegrist, J. (1997). Chronic work stress, sickness absence, and hypertension in<br />

middlemanagers - general or specific sociological explanations? Soc Sci Med 45, 1111-1120.<br />

Peter, R.; Siegrist, J.; Stork, J.; Mann. H.; Labrot, B. (1991). Zigarettenrauchen und psychosoziale<br />

Arbeitsbelastungen bei Beschäftigten des mittleren Managements. Soz Präventivmed 36, 315–<br />

321.<br />

Richter, P., Rudolf, M.; Schmidt, C. F. (1996). Fragebogen zur Analyse von belastungsrelevanter<br />

Anforderungsbewältigung (FABA). Handanweisung. Frankfurt/Main: Swets Test Services.<br />

Rödel, A.; Siegrist, J.; Hessel, A.; Brähler, E. (2004). Fragebogen zur Messung beruflicher<br />

Gratifíkationskrisen. Psychometrische Testung an einer repräsentativen deutschen Stichprobe. Z<br />

Diff Diag Psychol 25 (4), 227-238.<br />

Siegrist, J. (1996). Adverse health effects of high-effort/low-reward conditions. J Occup Health<br />

Psychol 1 (1), 27-41.<br />

van Vegchel, N., de Jonge, J., Bosma, H. & Schaufeli, W. (2005). Reviewing the effort-reward<br />

imbalance model: Drawing up the balance of 45 empirical studies. Soc Scien Med 60, 1117-1131.<br />

363


V78<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Überwachung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der sicheren<br />

Nadeltechnik in Justizvollzugsanstalten<br />

Ulrich Bolm-Audorff, B. Catrein, M. Hofmann, G. Petereit-Haack, W. Riedel<br />

Landesgewerbearzt, Wiesbaden<br />

Zusammenfassung:<br />

In einer Untersuchung in 21 hessischen Justizvollzugsanstalten fanden sich gravierende<br />

Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes. Betriebe ohne Mängel wurden<br />

nicht vorgefunden. Der Medianwert der Mängel lag bei 6 pro Betrieb. Die häufigsten<br />

Mängel betrafen die nicht rechtzeitige Einführung der sicheren Nadeltechnik (100% der<br />

Betriebe), zu niedrige Einsatzzeit des Betriebsarztes (94%), fehlende<br />

Gefährdungsbeurteilung (65%) und unzureichende Beratung des Unternehmers (53%).<br />

Während und nach der Überwachungsaktion stieg die betriebsärztliche Einsatzzeit im<br />

Durchschnitt der untersuchten Justizvollzugsanstalten deutlich von 40 auf 82% des<br />

Sollwertes an, unterschritt diesen aber weiterhin deutlich.<br />

Einleitung:<br />

Das Personal in Justizvollzugsanstalten (JVA) ist wegen der hohen Prävalenz von<br />

Infektionserkrankungen bei Gefangenen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Seit<br />

dem Jahr 2006 ist in der Technischen Regel für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250<br />

vorgeschrieben, dass in Gefängniskrankenhäusern sichere Nadeltechnik eingesetzt wird.<br />

(Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe 2006). Wir haben eine Schwerpunktaktion zur<br />

Überwachung der TRBA 250 sowie des Arbeitssicherheitsgesetzes und anderer<br />

Arbeitsschutzvorschriften in hessischen Justizvollzugsanstalten durchgeführt.<br />

Methodik:<br />

In 17 von 21 JVA in Hessen wurden im Jahr 2007 durch ärztliche Mitarbeiter des<br />

Landesgewerbearztes Betriebsbegehungen durchgeführt. Die Beschäftigtenzahl lag bei<br />

40 - 300 (Mittelwert ± Standardabweichung: 141 ± 77). Anhand einer Checkliste und bei<br />

einer Betriebsbegehung wurde die Qualität des medizinischen Arbeitsschutzes zu<br />

folgenden Themen geprüft:<br />

1. Qualität der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 6<br />

Biostoffverordnung.<br />

2. Qualität der Beratung des Unternehmers durch den Betriebsarzt im Rahmen des §<br />

3 Arbeitssicherheitsgesetz.<br />

3. Einhaltung der Mindesteinsatzzeit des Betriebsarztes nach der GUV-VA 6/7.<br />

4. Sitzungsfrequenz des Arbeitsschutzausschusses nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz.<br />

364


V78<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

5. Durchführung der arbeitsmedizinischen Pflichtuntersuchungen nach<br />

Biostoffverordnung und das Angebot der Untersuchungen nach<br />

Bildschirmarbeitsverordnung.<br />

6. Qualität der ersten Hilfe (Anzahl und letzte Schulung der Ersthelfer, Qualität des<br />

Verbandskastens, Qualität des Verbandsbuches, Handlungsregime im Falle einer<br />

Nadelstichverletzung).<br />

7. Qualität des Hautschutzplans.<br />

8. Verwendung sicherer Nadelsysteme nach TRBA 250.<br />

9. Unterweisung der Mitarbeiter in der sicheren Nadeltechnik nach TRBA 250.<br />

10. Einbeziehung der Mitarbeiter, des Betriebsarztes und der Sicherheitsfachkraft in die<br />

Auswahl der sicheren Nadelsysteme nach TRBA 250.<br />

In den übrigen 4 JVA, bei denen es sich um kleinere Außenstellen handelte, wurde nur<br />

die Einsatzzeit des Betriebsarztes kontrolliert. Nach der GUV-V A 6/7 beläuft sich in<br />

Abhängigkeit von der jeweiligen Gefährdung die jährliche Einsatzzeit des Betriebsarztes<br />

auf 0,25 oder 0,6 Stunden pro Jahr und Beschäftigten. Die zuständige Unfallkasse<br />

Hessen geht von einer erforderlichen Einsatzzeit von 0,6 Stunden pro Jahr und<br />

Beschäftigten aus.<br />

Die Häufigkeit der festgestellten Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes<br />

wurde in Abhängigkeit von der Betriebsgröße und der betriebsärztlichen Einsatzzeit in<br />

Prozent des Sollwertes nach GUV V A 6/7 untersucht. Dabei wurde die Gesamtgruppe<br />

der 17 Betriebe jeweils beim Medianwert der Betriebsgröße (120 Beschäftigte) bzw. der<br />

betriebsärztlichen Gesamteinsatzzeit in Prozent des Sollwertes (35%) getrennt. Der<br />

Mittelwert der festgestellten Arbeitsschutzmängel wurde in Betrieben mit größerer und<br />

kleinerer Beschäftigtenzahl mit Hilfe des T-Tests verglichen. Ebenso wurde beim<br />

Vergleich zwischen Betrieben mit einer höheren und niedrigeren betriebsärztlichen<br />

Einsatzzeit in Prozent des Sollwertes vorgegangen. Alle Auswertungen wurden mit dem<br />

Statistikprogramm SPSS Version 17.0 durchgeführt.<br />

Ergebnisse:<br />

Abbildung 1 zeigt den Ist/Soll-Vergleich der betriebsärztlichen Einsatzzeit. Die von dem<br />

überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst, der die 21 JVA'en betreut, geleistete<br />

innerbetriebliche Einsatzzeit im Jahr 2006 lag bei 374 Stunden. Zusätzlich wurde dem<br />

Betriebsarzt vom Auftraggeber eine Pauschale für außerbetriebliche Einsatzzeit in Höhe<br />

von 40% der Gesamteinsatzzeit für die Anreise, Dokumentation, Auswertung etc.<br />

zugebilligt, entsprechend 249 Stunden/Jahr. Die sich daraus ergebende<br />

Gesamteinsatzzeit von 623 Stunden/Jahr unterschritt die Solleinsatzzeit von 1.537<br />

365


V78<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Stunden / Jahr deutlich und lag bei nur 40% des Sollwertes. Die Gesamteinsatzzeit des<br />

überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienstes schwankte in den einzelnen JVA'en<br />

stark und lag zwischen 0 und 134% des Sollwertes im Jahr 2006. In 5 JVA'en (24%) fand<br />

gar keine betriebsärztliche Betreuung statt und in 2 JVA'en (10%) überschritt die<br />

betriebsärztliche Gesamteinsatzzeit den Sollwert. In den Jahren 2007 und 2008 stieg die<br />

von dem überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst geleistete Gesamteinsatzzeit auf<br />

903 bzw. 1.250 Stunden, entsprechend 59 bzw. 81% des Sollwertes, unterschritt die<br />

Soll-Einsatzzeit jedoch weiterhin deutlich.<br />

Abbildung 2 zeigt die Häufigkeit der beobachteten Mängel im Bereich des medizinischen<br />

Arbeitsschutzes in den 17 begangenen hessischen Justizvollzugsanstalten. Die Anzahl<br />

der beobachteten Mängel schwankte zwischen 2 und 8 mit einem Medianwert von 6<br />

beobachteten Mängeln pro Betrieb. Betriebe ohne Mängel oder mit nur einem Mangel<br />

fanden sich nicht.<br />

Die Prüfung der TRBA 250 ergab, dass sichere Nadeltechnik durch die medizinischen<br />

Einrichtungen der JVA'en vor dem Beginn der Schwerpunktaktion nicht eingeführt wurde,<br />

sondern erst im Verlaufe der Schwerpunktaktion angeschafft wurde. Auch bei den<br />

Betriebsbegehungen fand sich in 2 JVA (12%) keine sichere Nadeltechnik. In 29% der<br />

Betriebe wurde der Betriebsarzt oder die Sicherheitsfachkraft bei der Auswahl der<br />

sicheren Nadeltechnik nicht beteiligt. In 24% der Betriebe erfolgte dabei keine<br />

Beteiligung der Mitarbeiter. In 19% der Betriebe erfolgte keine Unterweisung der<br />

Mitarbeiter in der sicheren Nadeltechnik.<br />

Ferner zeigten sich folgende häufige Mängel: fehlende Gefährdungsbeurteilung in 65%<br />

der JVA, unzureichende Beratung des Unternehmers im Rahmen des § 3<br />

Arbeitssicherheitsgesetz (53%), fehlende arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen<br />

(53%), kein Arbeitsschutzausschuss (53%) und fehlende Angebotsuntersuchungen<br />

(41%).<br />

Eine Abhängigkeit der Mängelhäufigkeit von der Betriebsgröße fand sich nicht. Betriebe<br />

mit einer längeren betriebsärztlichen Einsatzzeit von über 35% des Sollwertes wiesen<br />

eine etwas niedrigere Mängelhäufigkeit auf als Betriebe mit niedrigerer Einsatzzeit (4,9<br />

versus 6,1 Mängel, nicht signifikant), im wesentlichen bedingt durch signifikant seltenere<br />

Mängel bezüglich der sicheren Nadeltechnik in Betrieben mit höherer versus niedrigerer<br />

betriebsärztlicher Einsatzzeit (14 versus 86 %, p


V78<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Betriebs- und Werksärzte getragen wird, ist der Auffassung, dass mindestens 70% der<br />

vertraglich vereinbarten Einsatzzeit durch die bestehende Dokumentation transparent<br />

belegt werden muss. Unzulässig ist es nach GUV V A 6/7, Wegezeiten des<br />

Betriebsarztes auf die Einsatzzeit anzurechnen.<br />

Die Schwerpunktaktion zeigt, dass die Umsetzung der Arbeitsschutzgesetze in JVA'en<br />

große Mängel aufweist und dass es dringend erforderlich ist, dass JVA'en Fragen des<br />

medizinischen Arbeitsschutzes ernster als bislang nehmen. Die untersuchten JVA'en<br />

sowie der diese beratende arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Dienst sind<br />

von sich aus nicht in der Lage, Neuerungen im medizinischen Arbeitsschutz, z. B. die<br />

sichere Nadeltechnik, einzuführen. Der Arbeitsschutz in den untersuchten JVAen bedarf<br />

einer stärkeren Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden (Unfallkasse und staatliche<br />

Arbeitsschutzverwaltung).<br />

Literatur:<br />

Arbeitsschutzgesetz vom 7.8.1996, http://bundesrecht.juris.de<br />

/bundesrecht/arbschg/gesamt.pdf<br />

Arbeitssicherheitsgesetz vom 12.12.1973 in der Fassung vom 31.10.2006,<br />

http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/asig/gesamt.pdf<br />

Bildschirmarbeitsverordnung vom 4.12.1996, http://bundesrecht.juris.de/<br />

bundesrecht/bildscharbv/gesamt.pdf<br />

Biostoffverordnung vom 27.1.1999,<br />

http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/biostoffv/gesamt.pdf<br />

Gesellschaft zur Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung (GQB):<br />

Güteprüfung zur Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung, Karlsruhe, 2007<br />

Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe: Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe<br />

(TRBA 250): Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der<br />

Wohlfahrtspflege, Bundesarbeitsblatt 7/2006, Seite 193ff,<br />

http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA-<br />

250.html?__nnn=true&__nnn=true<br />

Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte<br />

für Arbeitssicherheit (GUV V A 6/7) in der Fassung vom Juni 2003,<br />

http://regelwerk.unfallkassen.de/regelwerk/index.jsp<br />

367


V78<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Stunden<br />

pro Jahr<br />

1800<br />

1600<br />

1537<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

623<br />

600<br />

400<br />

374<br />

249<br />

200<br />

0<br />

Innerbetriebliche Zeit (Ist)<br />

Gesamteinsatzzeit (Ist)<br />

Pauschale (Ist)<br />

Gesamteinsatzzeit (Soll)<br />

Abbildung 1: Summe der betriebsärztlichen Einsatzzeit in 21 hessischen Justizvollzugsanstalten<br />

in Stunden pro Jahr (Ist/Soll-Vergleich) im Jahr 2006<br />

Keine sichere Nadeltechnik<br />

100<br />

Einsatzzeit des Betriebsarztes zu niedrig<br />

94<br />

Keine Gefährdungsanalyse<br />

65<br />

Unzureichende Beratung des Unternehmers<br />

Fehlende Pflichtuntersuchungen (G 42)<br />

Kein Arbeitsschutzausschuss<br />

53<br />

53<br />

53<br />

Fehlende Angebotsuntersuchung (G 37)<br />

Arbeitsschutzausschuss tagt zu selten<br />

41<br />

41<br />

Mängel in der 1.Hilfe<br />

35<br />

Keine Auswahl d.sicheren Nadeltechnik d.Arzt<br />

29<br />

Keine Auswahl d.sicheren Nadelt.d.Mitarbeiter<br />

24<br />

Keine Unterweisung d.Mitarb.i.d.sich.Nadeltechnik<br />

19<br />

Fehlender Hautschutzplan<br />

Unzureichende Gefährdungsbeurteilung<br />

12<br />

12<br />

0 20 40 60 80 100 % 120<br />

Abbildung 2: Beobachtete Mängel im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes in 17<br />

Hessischen Justizvollzugsanstalten..<br />

368


V79<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Risikofaktoren für eine latente Tuberkulose-Infektion<br />

Albert Nienhaus 1 , S. Gerdes 1 , Roland Diel 2<br />

1 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />

2 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Zusatzstudiengang Public Health<br />

Einleitung<br />

In Deutschland ist die Tuberkulose seit vielen Jahren rückläufig. Im Vergleich zum Jahr<br />

1950 ist die Anzahl der aktiven Tuberkulosen von etwa 130.000 auf nunmehr ca. 5.000<br />

Fälle pro Jahr zurück gegangen. Umso wichtiger ist es, dass im Gesundheitswesen eine<br />

rationale Tuberkulosevorsorge erfolgt, die den starken Rückgang der Tuberkulose in der<br />

Bevölkerung berücksichtigt. In Ländern mit niedriger Tuberkulose-Inzidenz ist Ziel der<br />

Vorsorge nicht mehr in erster Linie, eine aktive Tuberkuloseerkrankung frühzeitig zu<br />

erkennen, sondern Ziel der Vorsorge ist es, Tuberkuloseinfektionen zu erkennen und<br />

dann durch Chemoprävention die Entwicklung einer aktiven Tuberkulose zu verhindern.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, hat das deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der<br />

Tuberkulose im Jahr 2007 neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchung auf<br />

Tuberkulose publiziert (1). In diesen neuen Empfehlungen wird die Tuberkulosevorsorge<br />

der sich stetig verringernden Inzidenz der Tuberkulose in der Bevölkerung angepasst.<br />

Diese Anpassung besteht in erste Linie darin, dass nur noch „enge“ Kontaktpersonen zu<br />

einem Patienten mit aktiver Tuberkulose oder infektiösem Material untersucht und nach<br />

verfolgt werden sollen.<br />

Enge Kontaktpersonen sind auf vier Arten definiert:<br />

1. Intim- oder Haushaltskontakte unabhängig von der Dauer des Kontaktes.<br />

2. intensive Kontakte z.B. im Rahmen der Pflege oder der medizinischen Versorgung<br />

unabhängig von der Dauer des Kontaktes,<br />

3. eine kumulative Kontaktzeit (Aufenthalt in den gleichen Räumen) von über 8 Stunden<br />

bei mikroskopisch sputum-positiven Indexpersonen.<br />

4.eine kumulative Kontaktzeit von über 40 Std. zu kulturell oder molekular biologisch<br />

gesicherter Lungentuberkulose, die jedoch mikroskopisch negativ war.<br />

Mit unserer Studie soll geprüft werden, ob es mit diesen Auswahlkriterien gelingt,<br />

Kontaktpersonen zu identifizieren, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine frische<br />

Tuberkuloseinfektion haben.<br />

Methode<br />

Bei 812 Kontaktpersonen mit einem THT >= 5mm wurde ein Interferon-γ-Release-Assay<br />

(IGRA) (QuantiFERON Gold in Tube) durchgeführt. Die Studienpopulation entstammt<br />

369


V79<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

einer Studie zum Vergleich der beiden auf dem Markt verfügbaren IGRAs (2). Diese<br />

IGRAs messen die Interferon-Gamma-Freisetzung von sensibilisierten Lymphozyten,<br />

wenn diese mit Antigenen des Mykobakterium tuberkulosis in Kontakt kommen. Angaben<br />

zur Indexperson und der Art und Dauer des Kontaktes sowie zu Alter, Geschlecht und<br />

BCG-Impfung der Kontaktpersonen wurden standardisiert erfasst. Adjustierte Odds<br />

Ratios für die verschiedenen potentiellen Risikofaktoren wurden mittels logistischer<br />

Regression berechnet. Der attributable Anteil frischer Infektionen wurde nach der Formel<br />

Odds Ratio – 1/Odds Ratio bestimmt.<br />

Tabelle1: Beschreibung der Studienpopulation<br />

Alter N %<br />

0-9 Jahre 14 1.7<br />

10-19 Jahre 93 11.5<br />

20-29 Jahre 213 26.2<br />

30-39 Jahre 237 29.2<br />

40-49 Jahre 212 26.1<br />

>=50 Jahre 43 5.3<br />

Frauen 379 46.7<br />

BCG-Impfung 453 55.8<br />

THT<br />

6-10 mm 564 69.5<br />

11-15 mm 171 21.1<br />

>15 mm 77 9.5<br />

QFT positiv 245 30,2<br />

Sputum Index mikroskopisch<br />

positiv<br />

422 52.0<br />

Haushalt oder intim Kontakt 321 39.5<br />

Enger Kontakt zu hustendem<br />

Patienten<br />

215 26.5<br />

Kontaktzeit<br />

8-40 Std 224 27.6<br />

>40 Std 438 53.9<br />

Total 812 100.0<br />

370


V79<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Ergebnisse<br />

30,2% der Kontaktpersonen waren positiv im IGRA (Tab 1). Alter, Geschlecht hatte<br />

keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines positiven IGRA. Eine BCG-Impfung<br />

reduziert die Wahrscheinlichkeit, das ein positiver THT (>=5mm) im IGRA bestätigt wird<br />

(Zahlen nicht gezeigt). Kontakt zu einer Sputum positiven Indexperson (OR 2,1; 95%CI<br />

1.5-2.9), enger Kontakt zu hustendem Patienten (OR 4.0; 95%CI 4.0 (2.7-5.8) sowie eine<br />

kumulative Kontaktzeit >40 Stunden (OR 4,0; 95%CI 2.3-6.8) erhöhten die<br />

Wahrscheinlichkeit eines positiven IGRA (Tab 2). Der attributable Anteil frischer<br />

Sensibilisierungen betrug 55% bei Kontakt zu einer mikroskopisch positiven Indexperson<br />

und jeweils 75% bei engem Kontakt zu einem hustenden Patienten.<br />

Tabelle 2: Adjustierte Odds Ratios und Anteil frischer Infektionen in abhängigkeit von der Art und<br />

Dauer des Kontaktes zu einer Infektionsquelle<br />

QFT positive<br />

Indexfall Sputum N (%) Odds Ratio*<br />

Negativ 88 (22.6) 1<br />

Attributabler<br />

Anteil frischer<br />

Infektionen in %<br />

Positiv 154 (36.5) 2.1 (1.5-2.9) 55<br />

Haushalt oder<br />

intimater Kontakt<br />

Nein 115 (23.4) 1<br />

Ja 127 (39.6) 1.5 (1.05-2.2) 33<br />

Enger Kontakt zu<br />

hustendem Index<br />

Nein 136 (22,8) 1<br />

Ja 106 (49,3) 4.0 (2.7-5.8) 75<br />

Kontakt Zeit<br />

< 8 Std 28 (18.7) 1<br />

>=8-40 Std 33 (14.7) 0.9 (0.5-1.7) -<br />

>40 Std 181 (41.3) 4.0 (2.3-6.8) 75<br />

* Odds Ratio adjustiert für Alter, BCG-Impfung sowie jeweils für die anderen Kontaktmerkmale<br />

371


V79<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Diskussion<br />

Da vielfach keine Ausgangswerte zur Verfügung stehen, besteht beim Screening von<br />

Kontaktpersonen Unsicherheit, ob ein positiver IGRA eine frische oder eine ältere<br />

Sensibilisierung und somit eine wahrscheinlich neue oder alte Infektion anzeigt. Deshalb<br />

sollen nur Personen gescreent werden, die ein hohes Risiko haben, sich frisch infiziert zu<br />

haben. Diese Arbeit ist unseres Wissens der erste Versuch, den Anteil frischer<br />

Infektionen bei Kontaktpersonen mit positivem IGRA zu bestimmen. In unserem<br />

Rechenansatz wird die Rate frischer Infektionen bei Kontaktpersonen, die keinen<br />

„engen“ Kontakt hatten mit Null angenommen, was sicher eine Unterschätzung ist. Da<br />

aber andererseits die Odds Ratio einen Effekt überschätzt, wenn ein Outcome häufig ist,<br />

gehen wir davon aus, dass die attributablen Anteile für eine frische Infektion bei engen<br />

Kontaktpersonen mit diesem Anteil realistisch geschätzt werden. Bei Anwendung der<br />

Kriterien für enge Kontaktpersonen sind nach unseren Auswertungen 55-75% der engen<br />

Kontaktpersonen mit Mycobakterium tuberculosis infiziert. Da das Progessionsrisiko bei<br />

frischen Kontakten höher ist als alten Infektionen, profitieren Personen mit positivem<br />

IGRA nach engem Kontakt zu einer Infektionsquelle wahrscheinlich besonders von einer<br />

präventiven Chemotherapie (3). Darüber hinaus senkt die Anwendung der<br />

Auswahlkriterien den Aufwand für Umgebungsuntersuchungen bei Beschäftigten im<br />

Gesundheitswesen. Die Anwendung des IGRA reduziert ferner die Anzahl der<br />

Röntgenbilder, die nach einem positiven THT notwendig wären. In unserer Population<br />

hätte jeder zum Ausschluss einer aktiven Lungentuberkulose geröngt werden müssen,<br />

da alle Teilnehmer einen positiven TST (=>5mm) hatten. Zwei von drei Röntgenbildern<br />

sind aber nicht indiziert, da der positive THT wahrscheinlich durch eine unspezifische<br />

Reaktion ausgelöst wurde (3).<br />

Literatur:<br />

1) Diel R, Forßbohm M, Loytved G, Haas W, Hauer B, Maffei D, Magdorf K,<br />

Nienhaus A, Rieder HL, Schaberg T, Zellweger J-P, Loddenkemper R.<br />

Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose - Deutsches<br />

Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Pneumologie. 2007b; 61:440-<br />

455<br />

2) Diel R, Loddenkemper R, Meywald-Walter K, Gottschalk R, Nienhaus A.<br />

Comparative Performance of Tuberculin Skin Test, QuantiFERON-TB-Gold In<br />

Tube Assay, and T-Spot.TB Test in Contact Investigations for Tuberculosis.<br />

Chest. 2008a; doi:10.1378/chest.08-2048:First published online on November 18,<br />

2008<br />

3) Nienhaus A, Brandenburg S, Teschler H. Tuberkulose als Berufskrankheit, 2.<br />

Auflage <strong>2009</strong> ecomed, Landsberg<br />

372


V80<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Überprüfung des ASIG und der Verwendung sicherer<br />

Nadelsysteme in hessischen Psychiatrien<br />

Gabriela Petereit-Haack, B. Catrein, M. Hoffmann, W. Riedel, Ulrich Bolm-Audorff<br />

Landesgewerbearzt Wiesbaden<br />

1 Einleitung<br />

Seit 1973 stellt das Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG) die gesetzliche Grundlage der<br />

betriebsmedizinischen Betreuung dar. Demnach ist in allen Betrieben eine medizinische<br />

Betreuung vorzuhalten, auf der Basis einer fundierten Gefährdungsbeurteilung, um eine<br />

Verbesserung der Arbeitssicherheit in den Betrieben zu erreichen. Anlass im Jahr<br />

2007/2008 psychiatrische Klinken nach dem ASÌG durch den Landesgewerbearzt zu<br />

kontrollieren war eine Änderung der „Technischen Regel für biologische Arbeitsstoffe“<br />

(TRBA 250). Der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe hatte in Kooperation mit dem<br />

Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) diese TRBA 250<br />

erstellt. Sie konkretisiert die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes nach der<br />

Biostoffverordnung in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtpflege.<br />

Ausgehend von einer Entwicklung und Nutzung sicherer Instrumente in den USA (2000<br />

wurde der National Needlestick Safety and Prevention Act verabschiedet) wurde 2004 in<br />

der TRBA 250, basierend auf der Gefährdungsbeurteilung, festgelegt, dass im Umgang<br />

mit infektiösen Patienten „sichere Instrumente“ in Deutschland verwendet werden sollten.<br />

2006 wurde diese Regel verschärft. Sichere Instrumente mussten nun eingesetzt<br />

werden, u.a. bei fremdgefährdenden Patienten. Die Übergangsfrist zum Verbrauchen<br />

alter Restbestände lief im August 2007 aus. Die Konkretisierung der TRBA 250 (Februar<br />

2008) forderte schließlich die Anwendung „sicherer Systeme“ bei allen Patienten, bei<br />

denen eine Gefährdung nicht auszuschließen ist. Der enge Bezug zur<br />

Gefährdungsbeurteilung des jeweiligen Betriebes wurde in dieser Ergänzung nochmals<br />

unterstrichen. Die in der TRBA 250 als Risikogruppe ausgewiesenen fremdgefährdenden<br />

Patienten sind regelhaft in psychiatrischen Einrichtungen aufzufinden sind. Eine<br />

Infektionsgefahr des Pflege- sowie ärztlichen Personals ist teilweise beträchtlich, da viele<br />

psychiatrische Patienten zu den HBV-, HCV- und HIV-Risikogruppen zählen. Oberstes<br />

Ziel der Prävention einer berufsbedingten Infektion ist es eine Nadelstichverletzung<br />

(NSV) zu vermeiden. Nach dem Arbeitsschutzgesetz (§3 [1]), §4 [2]) sowie der<br />

Biostoffverordnung (§10 [1], [6]) ist der Arbeitgeber gefordert für jede Tätigkeit eine<br />

Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Auch in Hinblick auf die Berufskrankheiten zeigt<br />

sich die Bedeutung des Themas ASIG/Nadelstichverletzung. Nach Lärm sowie den drei<br />

asbestbedingten Berufskrankheiten nahmen die Infektionskrankheiten (BK 3101) 2007<br />

mit 748 Fällen den fünften Rang bei den anerkannten Berufskrankheiten ein. Nicht alle<br />

Berufskrankheiten der Nr. 3101 sind Infektionen durch Nadelstichverletzungen, allerdings<br />

373


V80<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

machen blutübertragene Viruserkrankungen – Hepatitis B (HBV), Hepatitis C (HCV)<br />

sowie HIV-Infektionen- einen wesentlichen Teil der BK 3101 aus (Nienhaus 2006).<br />

2 Methodik<br />

Durch den Landesgewerbearzt Hessen wurden 40 hessische Psychiatrien (2007-<strong>2009</strong>)<br />

begangen. Es waren alle hessischen psychiatrischen Kliniken der Landeswohlfahrt, alle<br />

universitären psychiatrischen Kliniken und vereinzelt Psychiatrien städtischer<br />

Krankenhäusern. Durch diese Begehung wurden ca. 85 % aller hessischen Psychiatrien<br />

erfasst. Die Begehung wurde standardisiert durch ärztliche MitarbeiterInnen des<br />

Landesgewerbearztes Hessen durchgeführt. Von Seiten der Psychiatrien waren zu<br />

diesen Terminen ein Vertreter der Geschäftsleitung, der Betriebsrat, der jeweils<br />

zuständige Betriebsarzt sowie die Sicherheitsfachkraft und, zusätzlich, Vertreter aus der<br />

Pflege, dem Hygienebereich und dem Sicherheitsbeauftragter anwesend. In den Kliniken<br />

wurden sowohl eine Besprechung, in der im Detail die Arbeitsschutzorganisation der<br />

Klinik erörtert wurde, als auch eine Begehung durchgeführt und anhand einer<br />

standardisierten Checkliste zum Arbeitsschutzgesetz bzw. der TRBA 250 erhoben. In<br />

einem rein deskriptiven Verfahren wurden die erfassten Daten in ihrer Häufigkeit<br />

dargestellt. Alle statistischen Analysen wurden mit dem Programm SPSS 15.0<br />

durchgeführt.<br />

3 Ergebnisse<br />

Die hessischen Psychiatrien werden zu 60% durch eigene Betriebsärzte und zu 40%<br />

durch überbetriebliche Dienste betreut (55% Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin; 37,5%<br />

Facharzt Arbeitsmedizin; 7,5% ohne Qualifikation). Die Beschäftigtenzahl lag zwischen 4<br />

und 4224 Personen (Mittelwert: 869, Median: 312). Die Zahl bezog sich nicht auf die<br />

Beschäftigten rein in der Psychiatrie, sondern auf alle, die in der betriebsärztlichen<br />

Betreuung standen. Die erhobenen Mängel sind summarisch in Abbildung 1 aufgeführt.<br />

Im Mittel wurden die Psychiatrien zu 67% (Median 63%) nach den gemäß §2 GUV-V<br />

A6/7 vorgesehenen Einsatzzeiten betriebsmedizinisch betreut. Die geringste Betreuung<br />

(26%) lag in einer Psychiatrie mit 580 Bediensteten vor. Der Betriebsarzt (BA) war 2006<br />

in 10% der Kliniken bei anfallenden Beratungen nicht involviert (Planung von<br />

Betriebsanlagen, Erstellung von Notfallplänen, Gefahrenberatung, Wiedereingliederung,<br />

Gesundheitsmanagement). Die Gefährdungsbeurteilungen wiesen ein sehr<br />

unterschiedliches Niveau auf. Von 13 Psychiatrien lagen keine<br />

Gefährdungsbeurteilungen zur Infektionsgefahr vor. Nur 19 Kliniken konnten eine<br />

Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Haut vorweisen und 17 Kliniken für<br />

Bildschirmarbeitsplätzen. Nur 5 Kliniken konnten eine Beurteilung zur psychosozialen<br />

374


V80<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Belastung vorlegen, obwohl der Relevanz dieses Themas in allen Kliniken eine sehr<br />

hohe Bedeutung zugesprochen wurde. In 45% der Kliniken waren die<br />

Pflichtuntersuchungen (G42) unzureichend. In 7,5% der Kliniken konnte kein<br />

Hautschutzplan vorgewiesen werden. Weitere gut 10% der Kliniken, die einen<br />

Hautschutzplan vorhielten, hatten diesen nicht sachgerecht umgesetzt. So dass 17,5%<br />

aller Psychiatrien keinen oder nur einen unsachgemäßen Hautschutzplan vorhielten. Es<br />

erfüllten nur 22,5 % (9 der 40 Kliniken) der Kliniken die gesetzlich vorgeschriebene<br />

Anzahl von mindestens vier Arbeitsschutzausschusssitzungen/Jahr. In 18,4% der<br />

Kliniken waren keine Verbandsbücher vorhanden. NSV wurden in diesen Kliniken direkt<br />

beim D-Arzt oder gar nicht erfasst. Die Problematik der Erfassung, Weiterleitung,<br />

zentralen Auswertung, und damit verbundener Umsetzung von Maßnahmen, in erster<br />

Linie zur Einleitung von Sofortmaßnahmen bei NSV, hing nicht von der Art der Erfassung<br />

(digital, manuell), sondern von der Organisation des Meldeablaufes ab. 65% der<br />

befragten Betriebe verneinten eine Dunkelziffer bei der Erfassung der NSV. In 7,5% der<br />

Kliniken wurden NSV überhaupt nicht erfasst. Die Anzahl der erfassten NSV lag<br />

zwischen 0 und 300 Meldungen/Jahr (Median: 2, Mittelwert: 34). In 85% der Psychiatrien<br />

lag die NSV-Rate bei unter 5% der Beschäftigten/Jahr. 5% der Psychiatrien hatten keine<br />

Sofortmaßnahen nach NSV festgelegt. Weitere 5% wiesen in ihrem Handlungsregime<br />

keine optimalen Sofortmaßnahmen vor. Knapp ein Drittel der Psychiatrien haben zum<br />

Zeitpunkt der Erhebung noch ausschließlich herkömmliche Systeme benutzt. In den<br />

meisten Kliniken wurden als sichere Systeme Butterflies verwendet. 32,5% der<br />

Psychiatrien haben ihre Mitarbeiter nicht in die Beschaffung der sicheren Nadelsysteme<br />

miteinbezogen. In 20% der Fälle wurden auch der Betriebsarzt oder die<br />

Sicherheitsfachkraft nicht in die Beschaffung miteinbezogen. Die Handhabung und<br />

Sicherheitsvorkehrungen der sicheren Instrumente wurden häufig kritisch diskutiert; in<br />

vielen Kliniken wurde die gesetzliche Forderung nach permanenter Überprüfung des<br />

Marktes, um adäquatere Systeme zu finden, als absolut notwendig eingestuft, da man<br />

mit den vorhandenen Systemen nicht zufrieden war. In 35% der Psychiatrien wurden die<br />

Mitarbeiter in der Handhabung der sicheren Systeme nicht geschult.<br />

4 Diskussion<br />

Die Erhebung des Landesgewerbearztes hat gezeigt, dass sowohl bei der ASIG-<br />

Kontrolle als auch bei der Überprüfung der TRBA 250 erhebliche Mängel in der<br />

betrieblichen Umsetzung aufzufinden sind. Eine betriebsärztliche Versorgung, die im<br />

Mittel bei 67% der zu erbringenden Zeit liegt, kann nicht adäquat die gesetzlichen<br />

Bestimmungen umsetzen. Bereiche wie z.B. das Gesundheitsmanagement sind nicht<br />

ausreichend in betriebsärztlicher Hand; Hautschutzpläne, Verbandsbücher und<br />

375


V80<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Handlungsregime (NSV) sind nicht oder nur unzureichend umgesetzt.<br />

Gefährdungsbeurteilungen fehlen im großen Umfang. Bestimmungen der neuen TRBA<br />

sind in sehr vielen psychiatrischen Kliniken erst durch die Ankündigung und<br />

Durchführung dieser hessenweiten Aktion umgesetzt worden. Die Gefährdung, sich<br />

durch die Tätigkeit zu verletzen (NSV), ist in vielen Kliniken noch nicht ausreichend<br />

reflektiert. Wie Hofmann et al. (2002) ausführen, so passieren in Deutschland jährlich<br />

etwa 500.000 NSV, sehr häufig durch „Recapping“ oder in der Bereichen der Entsorgung<br />

sowie der Wäscherei. In das Blickfeld der Verantwortlichen muss gerückt werden, dass<br />

alle, die mit Nadeln in Kontakt kommen, nicht nur Pflege und ärztlicher Bereich,<br />

gefährdet sind. Nach Expertenmeinung finden in Kliniken 0,3-1 Verletzung pro<br />

MitarbeiterIn pro Jahr statt (Wicker et al. 2007). Diese Zahl finden wir bei den<br />

begangenen Psychiatrien nicht. Die Gefährdungsbeurteilung sollte auf jeden Fall in das<br />

NSV-Risiko einbezogen werden. So ist das Risiko einer NSV in einer primär<br />

gesprächstherapeutisch ausgerichteten psychiatrischen Abteilung wesentlich geringer<br />

als in einer Drogenaufnahmestation. In den begangenen psychiatrischen Kliniken wurde<br />

überwiegend eine Dunkelziffer verneint. Schlechtes Meldeverhalten ist bei NSV bekannt<br />

(Mülder et al 2005), auch bei Psychiatrien nicht anders anzunehmen. Ein<br />

Meldeverhalten, dass durchschnittlich bei 10-25% der tatsächlich vorkommenden NSV-<br />

Rate liegt (Wicker et al. 2007), sollte durch einfache Dokumentation und gute<br />

organisatorische Bedingungen verbessert werden. In der Psychiatrie finden sich viele<br />

Patienten mit Infektionen (HBV, HCV, HIV). Bei entsprechenden Verletzungen an<br />

infektiösen Personen ist die Gefahr besonders in Bezug auf diese virusübertragenen<br />

Infektionen gegeben: in 300 von 1.000 Fällen treten HBV (30%), in 30 von 1000 Fällen<br />

(3%) HCV und in 3 von 1000 Fällen HIV (0,3%) Infektionen auf (Hofmann et al. 2002). Es<br />

wird diskutiert, dass ca. ein Drittel aller NSV durch den Einsatz sicherer Instrumente<br />

vermieden werden können (Wicker et al. 2007). Die Einführung sichere Systeme hat<br />

aber auch betriebswirtschaftlich Konsequenzen. Zum einen zieht ein NSV-Fall Kosten in<br />

Höhe von 50 – 500€/Fall (Laboruntersuchungen Spender/Empfänger, Verwaltung) mit<br />

sich (Wittmann 2005). Zum anderen sind sichere Systeme in der Anschaffung wesentlich<br />

teurer als herkömmliche. Sichere Systeme müssen in ihrer Anwendung geschult und<br />

geübt werden, um einen effizienten Schutz zu bieten. In vielen Kliniken wurde diskutiert,<br />

dass die sicheren Systemen keine optimalen Handhabungsbedingungen bieten. Je nach<br />

verwendeten System wurden berechtigte Klagen wie z.B. über die Führung der Nadeln,<br />

die Patientenfreundlichkeit aber auch über die Sicherheit der Systeme geäußert. Eine<br />

permanente Prüfung des Marktes muss von allen Arbeitsschutzverantwortlichen geleistet<br />

werden, außerdem ist zu fordern, dass sichere Instrumente optimiert und<br />

kostengünstiger angeboten werden sollten.<br />

376


V80<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

5 Zusammenfassung<br />

Im Rahmen einer hessenweiten Aktion des Landesgewerbearztes wurden ca. 85% aller<br />

Psychiatrien zu ASIG und der TRBA 250 überprüft. Es fanden sich Mängel in den<br />

Einsatzzeiten der Betriebsärzte, der betriebsärztlichen Tätigkeit.<br />

Gefährdungsbeurteilungen, Hautschutzpläne, Führung von Verbandsbüchern sowie<br />

arbeitsmedizinische Untersuchungen wurden zum Teil nur unzureichend oder gar nicht<br />

ausgeführt. Die Aktion des Landesgewerbearztes hat dazu geführt, dass die Neuerungen<br />

der TRBA bekannt wurden und eine gesetzesgemäße Umsetzung erreicht werden<br />

konnte.<br />

6 Literatur<br />

DGUV http://www.dguv.de/inhalt/zahlen/bk/anerkannte_Berufskrankheiten2/index.jsp<br />

(eingesehen am 13.03.<strong>2009</strong>)<br />

Nienhaus A (Hrsg.). Gefährdungsprofile- Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen im<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege. Ecomed Medizin Landsberg/Lech 2006, 14-34<br />

Hofmann F, Kralj N, Beie M. Kanülenstichverletzungen im Gesundheitsdienst.<br />

Häufigkeit, Ursachen und Präventionsstrategien. Gesundheitswesen 2002, 259-266, 64<br />

Mülder K. Nadelstichverletzungen. Der bagatellisierte „Massenunfall“. Dtsch Arztebl<br />

2005, 102, 9<br />

Wicker S, Gottschalk R, Rabenau HF. Gefährdungen durch Nadelstichverletzungen:<br />

Betrachtungen aus arbeitsmedizinsicher und virologischer Sicht. Dtsch Arztebl, 2007,<br />

104, 45, 3102-7<br />

Wittmann A. Kosten und Nutzen der Einführung sicherer Instrumente. In: Hofmann, F.<br />

Reschauer G, Stößel U (Hrsg). Arbeitsmedizin im Gesundheitswesen. Edition ffas,<br />

Freiburg, 2005, 180-184<br />

Sulsky<br />

http://www.dguv.de/bgia/de/pub/rep/pdf/rep05/nadelstich/gesamt.pdf<br />

(eingesehen am 13.03.<strong>2009</strong>)<br />

Unzureichende Beratung des Unternehmers<br />

Keine oder unzureichende Sofortmassnahmen<br />

Kein oder nicht sachgerechter Hautschutzplan<br />

Kein Verbandsbuch vorhanden<br />

Keine Arztausw ahl der sicheren Nadelsysteme<br />

Keine sichere Nadeltechnik<br />

Keine Mitarbeiterausw ahl der sicheren Nadelsysteme<br />

Keine Infektions-Gefährdungsbeurteilung<br />

Fehlende Mitarbeiterunterw eisung<br />

Fehlende Pflichtuntersuchung (G42)<br />

Unzureichende Anzahl von ASA-Sitzungen<br />

Unzureichende Einsatzzeit des Betriebsarztes<br />

Fehlende Angebotsuntersuchung (G37)<br />

0 20 40 60 80 100<br />

in %<br />

Abbildung 1: Beobachtete Mängel (in Prozent) im Bereich des medizinischen Arbeitsschutzes in<br />

40 hessischen Psychiatrien.<br />

377


V81<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Schutzwirkung unterschiedlicher Handschuhsysteme in der<br />

Chirurgie<br />

Andreas Wittmann, Jan Köver, Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />

Univesität Wuppertal<br />

Einleitung<br />

Auf Grund aktueller Forschungsergebnisse muss angenommen werden, dass chirurgisch<br />

tätiges Medizinpersonal regelmäßig von Nadelstichverletzungen betroffen ist. Seriöse<br />

Quellen gehen von durchschnittlich bis zu einer unerkannten Stichverletzung pro<br />

chirurgisch tätiger Person und Jahr aus. Durch Stich- und Schnittverletzungen bei<br />

chirurgischen Eingriffen können jedoch infektionsrelevante Blutmengen übertragen<br />

werden, die das Personal gefährden können.<br />

Seit geraumer Zeit werden daher zum Schutz der Beschäftigten unterschiedliche<br />

Handschuhsysteme angeboten. Diese sollen beispielsweise durch eine unterschiedliche<br />

Farbgebung des äußeren Handschuhs und des Innenhandschuhs die Stichverletzung<br />

sichtbar machen (Mölnlycke Biogel Indicator). Bei einem anderen System wird durch in<br />

den Handschuh integriertes Desinfektionsmittel der Versuch unternommen, übertragene<br />

Erreger zu inaktivieren (Hutchinson G-Vir). Unsere Forschungsgruppe untersuchte nun<br />

den Einfluss dieser Handschuhsysteme auf die bei Stich- und Schnittverletzungen<br />

übertragenen Blutvolumina.<br />

Material und Methoden<br />

Für die Durchführung der Versuche wurde ein ex-vivo Modell gewählt. Aus frischer<br />

Schweineschwarte (Dicke ca. 19mm) wurden mittels einer Stanzhülse kreisrunde Proben<br />

hergestellt.<br />

Anschließend wurden 2ml frisches menschliches Vollblut mittels des Abnahmesystems<br />

Sarstedt Monovette ® gewonnen, das durch Natriumcitrat für die nun folgenden Versuche<br />

flüssig gehalten wurde. Das Blut stammte jeweils von der Person, die die dann folgenden<br />

Versuche durchführte, um jegliches Infektionsrisiko auszuschließen.<br />

Von der vorhandenen Blutmenge wurden nun 1,5 ml abpipettiert und mit ca. 1 µl stark<br />

radioaktiver (ca. 15 MBq/µl) Kaliumpertechnetat-Lösung ( 99 Tc) versetzt. Die 1,5 ml<br />

radioaktives Blut wurden im Anschluss mittels eines Aktivimeters (ISOMED 2000)<br />

ausgemessen und die Aktivität dokumentiert<br />

Mittels standardisierter Methoden wurde mit unterschiedlichen Instrumenten 40 mal<br />

durch das jeweilige Handschuhsystem so wie durch einen Standardlatexhandschuh<br />

(Mölnlycke Biogel Eclipse) in Schweineschwarten gestochen.<br />

378


V81<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Die Stiche mittels Skalpellklinge (Otto Rüttgers GmbH & Co. KG Mini Blades (für die<br />

Mikrochirurgie) 0,6mm Materialstärke) wurden unter Zuhilfenahme einer selbst<br />

konstruierten automatisierten Stichmaschine ausgeführt. Die Skalpellklingen wurden<br />

hierzu für 30 Sekunden 10 mm tief in Blut getaucht, anschließend führte der<br />

automatisierte Stichapparat stets identische 3 mm tiefe Stiche durch.<br />

Um Stiche durch chirurgische Nähnadeln nachzuahmen, wurde zuerst jeweils 3 µl Blut<br />

mittels einer Dosierpipette (Brand Transferpette® 20 µl, Genauigkeit 0,02%) auf den<br />

äußeren Handschuh aufgetragen. Sodann wurde mittels vorgespannter<br />

Sicherheitslanzetten (B.Braun Solofix ® Safety Universal, 1,8mm Stichtiefe, 21 G) durch<br />

den Bluttropfen in die Probe gestochen. Die vorgespannten Sicherheitslanzetten stellten<br />

sicher, dass die Stiche alle unter identischen Bedingungen (Stichdauer, Stichtiefe)<br />

stattfanden.<br />

Jeweils im Anschluss wurden die Proben mittels eines Bohrlochmessgeräts mit<br />

angeschlossenem Messcomputer (Maestro MCB 129) ausgemessen und nach<br />

Bestimmen der Zerfalle in einer Minute unter Berücksichtigung der seit der<br />

Kontamination des Blutes vergangenen Zeit die übertragene Blutmenge berechnet.<br />

Ergebnisse<br />

Alle untersuchten Handschuhsysteme hatten im Vergleich zum Standardhandschuh<br />

Einfluss auf die übertragene Blutmenge. So reduzierte sich das durchschnittliche<br />

Volumen bei Stichen mit Skalpellklingen (Abbildung 1) von 0,21µl (Stich durch<br />

Standardhandschuh) auf 0,13µl (Indicator-Doppelhandschuhsystem) bzw. 0,15µl (G-Vir).<br />

Bei Stichen mit Standardautomatiklanzetten (Abbildung 2) reduzierte sich das<br />

durchschnittliche Volumen von 0,047µl (Stich durch Standardhandschuh) auf 0,024µl<br />

(Indicator-Doppelhandschuhsystem) bzw. 0,033µl (G-Vir).<br />

Diskussion<br />

Bei den bislang durchgeführten Studien zur frühzeitigen Entdeckung von Handschuhperforationen<br />

während operativer Engriffe haben sich Indikatorhandschuhe als sehr<br />

effektiv erwiesen. Auch wurden in einer Metaanalyse der 18 weltweit durchgeführten<br />

Studien zur Handschuhsicherheit bei doppelter Behandschuhung im Vergleich zu einfach<br />

getragenen Handschuhen dreimal weniger Blutkontakte gefunden. Dabei konnte keine<br />

Häufung von Perforationen am Außenhandschuh festgestellt werden, die etwa auf eine<br />

Beeinträchtigung von Händesensibilität und Geschicklichkeit hindeuten würde.<br />

Unsere Studie zeigt nun, dass die zur Infektionsvermeidung bei medizinischem Personal<br />

angebotenen Handschuhsysteme wie z.B. der mit Desinfektionsmittel ausgestattete G-<br />

Vir oder das Biogel Indicatorsystem bei Verletzungen an chirurgischen Instrumenten<br />

379


V81<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

auch das übertragene Blutvolumen reduzieren. Dieser Effekt wurde von den Autoren für<br />

das Biogel Eclipse Indicatorsystem bereits beschrieben.<br />

Abbildung 1: Übertragene Blutvolumina nach simulierten Skalpellstichen durch unterschiedliche<br />

Handschuhe bzw. Handschuhsysteme<br />

Abbildung 2: Übertragene Blutvolumina nach mit Automatiklanzetten simulierten<br />

Nadelstichverletzungen<br />

380


V81<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Durch das Indicatorsystem können dabei auch sonst unbemerkte (okkulte)<br />

Stichverletzungen einfach detektiert werden.<br />

Der virusabtötende Mechanismus des G-Vir konnte in unserem Versuchsaufbau jedoch<br />

nicht auf seine Wirksamkeit überprüft werden.<br />

Die beste Schutzwirkung in unserer Studie erzielte das Mölnlycke Biogel Indicator <br />

System. Neben der eindeutigen Visualisierung aller Nadelstichverletzungen hatte die<br />

Verwendung dieses Handschuhsystems auch den größten Einfluss auf die übertragene<br />

Blutmenge.<br />

Der Einsatz dieser Handschuhsysteme kann Nadelstichverletzungen in der Chirurgie<br />

zwar nicht verhindern, das Infektionsrisiko für das bei Operationen beteiligte Personal<br />

durch die signifikante Reduktion der übertragenen Blutvolumina aber reduzieren. Ihr<br />

Einsatz erscheint daher aus unserer Sicht bei allen chirurgischen Eingriffen sehr<br />

empfehlenswert und an bekanntermaßen infizierten (oder auf Infektiosität nicht<br />

untersuchten) Patienten obligatorisch.<br />

1 Kralj N, Beie M, Hofmann F. Chirurgische Handschuhe – wie gut schützen sie vor<br />

Infektionen? Gesundheitswesen 1999;61: 398-403<br />

2 Makary MA, Al-Attar A, Holzmueller Ch G, Sexton J B, Syin D, Gilson MM, Sulkowski<br />

MS,Pronovost PJ. Needlestick Injuries among Surgeons in Training, NEJM 2007:<br />

356:2693-2699<br />

3<br />

4<br />

Zimmermann CH, Junghanns K: Die Verwendung eines neuen<br />

Perforationsindikatorsystems in der chirurgischen Routine, Hyg Med 1996;21: 486-<br />

492<br />

Bricout, F, Morallion A, Sonntag P, Hoerner P, Blackwelder WQ, Plotkin S. Virus-<br />

Inhabiting Surgical Glove to Reduce the Risk of Infection by Enveloped Viruses.<br />

(2003) Journal of Medical Virology 69:538-545<br />

5<br />

Tanner J., H Parkinson: Double gloving to reduce surgical cross-infection (Cochrane<br />

Review) in: The Cochrane Library, Oxford 2003;2:1-32<br />

6 A Wittmann, J. Köver, N. Kralj, K. Gasthaus, F. Hofmann (2008).<br />

Study of blood contact in simulated surgical needlestick injuries with single or double<br />

latex gloving. Infect Control Hosp Epidemiol. <strong>2009</strong> Jan;30(1):53-6<br />

381


V82<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Übertragene Blutvolumina nach Nadelstichverletzungen an s.c.<br />

Kanülen<br />

Andreas Wittmann, Jan Köver, Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />

Univesität Wuppertal<br />

Einleitung<br />

Durch die heute gültige Fassung der TRBA 250 ist die Verwendung stichsicherer<br />

Instrumente immer dann vorgeschrieben, wenn mit der Übertragung infektionsrelevanter<br />

Blutmengen gerechnet werden muss.<br />

Während bei großlumigen, blutgefüllten Hohlnadeln unstrittig ist, dass diese<br />

infektionsrelevante Blutmengen übertragen und diese daher in jedem Fall durch sichere<br />

Instrumente zu ersetzen sind, ist die verpflichtende Verwendung sicherer Systeme als<br />

Ersatz für s.c. Nadeln bislang strittig. Verletzungen an subcutan eingesetzten Nadeln<br />

sind insbesondere bei Pflegepersonal jedoch besonders häufig; so ergab die Analyse<br />

des deutschen Epinet Datensatzes im Oktober 2008 einen Anteil von mindestens 10,2<br />

% derartiger Verletzungen.<br />

Material und Methoden<br />

Nach s.c. Injektionen treten aus dem Stichkanal regelmäßig kleine Blutungen aus.<br />

Für die Ermittlung der bei Nadelstichverletzungen an gebrauchten s.c. Nadeln<br />

übertragenen Blutvolumina wurde daher ein Versuchsmodell gebildet, bei dem die s.c.<br />

Nadeln (Becton Dickinson BD Micro Fine 0,33mm x 12,7mm) durch eine dünne<br />

Gummimembran gestochen und dann mit minimalen Blutmengen (1 µl) kontaminiert<br />

wurden. Im Anschluss wurden die Nadeln wieder durch die Membran gezogen, alle<br />

sichtbaren Blutreste an der Kanüle mithin abgestreift.<br />

Das für die Kontamination der Nadel verwendete Blut war durch radioaktives Technetium<br />

markiert worden (Verfahren siehe ausführliche Beschreibung im Beitrag V 81 in diesem<br />

<strong>Tagungsband</strong>). Mit diesen Nadeln wurden Nadelstiche in frische Schweineschwarte<br />

simuliert (Abbildung 1) und die übertragenen Blutvolumina mittels Gamma-Szintilograph<br />

und anschließender Berechnung bestimmt. Insgesamt wurden 40 Stichverletzungen<br />

simuliert.<br />

Ergebnisse:<br />

Die im Versuch übertragenen Blutvolumina lagen in einem Bereich von 0,006 Mikroliter<br />

(Mittelwert 0,00653 µl, Median 0,00349 µl) wobei die übertragenen Volumina zwischen<br />

0,03 Mikroliter und 0,001 Mikrolitern schwankten (Abbildung 2). Vier von 40<br />

Stichverletzungen übertrugen vier mehr als 0,02 µl Blut.<br />

382


V82<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Abbildung 1: Kontamination der Subcutannadel und anschließende manuelle Beprobung einer<br />

Schweineschwarte<br />

0,04 µl<br />

0,03 µl<br />

0,02 µl<br />

0,01 µl<br />

0,00 µl<br />

Abbildung 2: Übertragene Blutvolumina nach simulierten Nadelstichverletzungen an s.c. Nadeln.<br />

Nadel BD Micro Fine 0,33mm x 12,7mm, N = 40<br />

383


V82<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Diskussion<br />

Bei Patienten die mit dem HBV infiziert sind wurden schon 10 12 bzw. 10 14 Viruskopien<br />

pro ml Blut nachgewiesen. Dies würde bedeuten, dass pro Nadelstichverletzung an einer<br />

Nadel, die vorher subcutan an einem Infizierten eingesetzt wurde ca. 6 Millionen<br />

Hepatitis-B-Viren übertragen werden können - eine unstrittig infektionsrelevante Dosis.<br />

Da gegen das Hepatitis-B-Virus jedoch eine gut verträgliche Schutzimpfung existiert,<br />

kann bei erfolgreich geimpften eine Gefährdung durch dieses Virus ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Bei HCV sind bei Infizierten Viruslasten von 10 - 20 Millionen Kopien pro ml. Blut<br />

beobachtet worden.<br />

Der durchschnittliche Nadelstich an einer s.c. verwendeten Spritze würde dann 60 Viren<br />

übertragen, worst case wären ca. 600 übertragene Viren. Allerdings ist für den Erreger<br />

der Hepatitis C keine Dosis-Wirkungsbeziehung beschrieben, auch bei einer<br />

Übertragung von „nur“ ein paar Hundert Viren kann eine Infektionsrelevanz daher nicht<br />

sicher ausgeschlossen werden.<br />

Fazit:<br />

Zwar liegen die in unserem Modellversuch ermittelten übertragenen Blutvolumina nach<br />

Nadelstichverletzungen an s.c. Nadeln um den Faktor 100 unter den bei blutgefüllten<br />

Hohlnadeln übertragenen Volumina, allerdings ist auch bei diesen geringen Blutmengen<br />

eine Übertragung infektionsrelevanter Virusmengen (insbesondere bei HCV und HBV)<br />

nicht sicher auszuschließen. Da die Ergebnisse trotz bestmöglicher Standardisierung<br />

auch noch sehr stark schwankten, muss angenommen werden, dass auch subcutan<br />

verwendete Nadeln infektionsrelevante Mengen an Blut und Körperflüssigkeiten<br />

übertragen. Ein Ersatz dieser durch geeignete Instrumente mit<br />

Nadelschutzmechanismus erscheint daher notwendig.<br />

1 TRBA 250 Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege<br />

Ausgabe: November 2003, Änderung und Ergänzung Juli 2006 (Bundesarbeitsblatt 7-<br />

2006, S. 193), Ergänzung April 2007, GMBl Nr. 35 v. 27. Juli 2007, S. 720, Änderung<br />

und Ergänzung November 2007, GMBl Nr.4 v. 14.02.2008, S. 83<br />

2 Wittmann A, Kralj N, Hofmann F, (2005): Übertragene Blutvolumina nach<br />

Kanülenstichverletzungen. In: aser:info, Forum Arbeitsphysiologie, Schriftenreihe des<br />

Instituts ASER e.V. Nr. 5, Ausgabe: November 2005<br />

3 Bertisch-Möllenhof B, Meili D, Huber M. Nachweis von Hepatitis-C-Viruslast in<br />

gebrauchten Heroinspritzen, Suchttereapie Supplement 2002; 17-19<br />

384


V83<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

Infektiöse Risiken junger Freiwilliger von Non-Governmental<br />

Organizations (NGOs)<br />

Jennifer Martin 1 , Klemens Neppach 1 , Burkhard Rieke 2 , Thomas Küpper 1,3<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />

2<br />

Gelbfieberimpfstelle, Tropenmedizinische Praxis Düsseldorf<br />

3 Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />

Studienziel: Es soll die Risikoeinschätzung und das Risikoverhalten junger Mitarbeiter<br />

bei internationalen sozialen Projekten untersucht werden. Aus sozialwissenschaftlichen<br />

Studien ist zu erwarten, dass dieses erheblich vom bislang ausschließlich untersuchten<br />

Kollektiv der Altersgruppen über 30 Jahre abweicht. Der hier dargestellte Studienzweig<br />

untersucht die Infektionsrisiken, denen die Mitarbeiter ausgesetzt werden oder sich<br />

freiwillig (außerberuflich) aussetzen.<br />

Material und Methode: Die Daten wurden mittels elektronischem Fragebogen<br />

retrospektiv an Personen, die bei der Ausreise zwischen 18 und 30 Jahren alt waren und<br />

mindestens 6 Monate in einem internationalen Sozialprojekt mitarbeiteten, erhoben (n =<br />

153). Die Fragen umfassten u.a. Art und Umfang der Reisegesundheitsberatung,<br />

Aufbereitung des Trinkwassers sowie Verpflegung und eigene Einschätzung der<br />

Nahrungsmittelhygiene, Tätigkeiten und Kontakte im Projekt, Malaria- und<br />

Infektionsprophylaxe, Sexualkontakte und Umgang mit sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten sowie neu aufgetretene Erkrankungen während des Auslandaufenthaltes.<br />

Die Daten werden mittels deskriptiver Statistik analysiert. Die Ethikkommission der<br />

RWTH Aachen hat nach Prüfung dem Studiendesign vollumfänglich zugestimmt.<br />

Ergebnisse: Eine reisemedizinische Gesundheitsberatung wurde von 82,4% der<br />

Freiwilligen in Anspruch genommen (17% keine Beratung, 1 ohne Angabe). Der<br />

Hauptteil der Beratungen wurde von Hausärzten durchgeführt (57,1%). Verpflegt wurden<br />

die jungen Erwachsenen größtenteils im Projekt (66%), aber auch Straßenstände/kleine<br />

Restaurants (56,2%), selbst gekauftes und gekochtes Essen (46,4%) und Einladungen<br />

bei Einheimischen (44,4%) wurden in Anspruch genommen. Bei Mahlzeiten im Projekt<br />

fühlten sich 32% der Freiwilligen bezüglich gesundheitlicher Bedenken stets völlig sicher,<br />

bei Mahlzeiten von Straßenständen/ bei Einheimischen 15,7%. Nicht industriell<br />

abgefülltes Trinkwasser tranken 49,7% völlig unbehandelt. Im Projekt hatte ein Großteil<br />

der Freiwilligen mit Schul-/Heimkindern (64,7%) bzw. mit Jugendlichen (62,1%) zu tun.<br />

Bei 53 Personen bestand ein potentielles Malariarisiko, eine Chemoprophylaxe<br />

empfohlen wurde 30/53 Personen. 16/30 rsp. 30,2% des potentiellen Risikokollektivs<br />

führten eine Chemoprophylaxe durch. Es traten 10 Fälle von Malaria auf. 47,7%<br />

verneinten neue Sexualkontakte während der Projektdauer, 45,8% gaben 1-3 und 6,5%<br />

4 und mehr neue Sexualkontakte an. Auf sexuell übertragbare Erkrankungen ließen sich<br />

385


V83<br />

Vorträge – Infektionsgefährdung<br />

36% der jungen Erwachsenen testen, stetige Sorge vor sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten gaben 4,6% an. Bei der häufigsten, neu aufgetretenen Krankheit handelte<br />

es sich um Durchfall ohne Fieber oder Blutbeimengungen (84,3%). 69,9% litten unter<br />

unklaren Bauchschmerzen und 68% unter einem fieberhaften Infekt. Es traten 5 Fälle<br />

von Dengue Fieber sowie 16 Fälle von Parasiten/ Würmern o.ä. auf.<br />

Schlußfolgerungen: Das Risikoverhalten der betrachteten Altersgruppe weicht<br />

signifikant von dem älterer Mitarbeiter von Non-Governmental Organizations ab. Dem<br />

sollte durch ein spezifisches Aufklärungs- und Betreuungsprogramm Rechnung getragen<br />

werden. Dieses sollte vor allem darauf abzielen, dass die Teilnehmer sich auch bei<br />

längerer Aufenthaltsdauer der bestehenden Risiken bewusst bleiben und sich adäquat<br />

verhalten. Die Beratung sollte z.B. zur Vermeidung von sexuell übertragenen<br />

Erkrankungen oder Erkrankungen aufgrund schlechter Lebensmittel oder Wasserhygiene<br />

außerberufliche Aspekte mit einschließen.<br />

386


V84<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Karpaltunnelsyndrom und Berufskrankheit<br />

Michale Spallek 1 , Klaus Giersiepen 2 , Annika Friedebold 3 , Daid A. Groneberg 3<br />

1<br />

Gesundheitswesen, Volkswagen Aktiengesellschaft, Wolfsburg<br />

2<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin<br />

3<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin<br />

Bei einem Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um eine meist chronische<br />

Kompressionsneuropathie des N. medianus im Bereich des Handgelenkes. Es ist das<br />

häufigste periphere Nervenkompressionssyndrom und stellt den zweithäufigsten<br />

ambulant durchgeführten Eingriff in Deutschland dar. Die Genese wird überwiegend auf<br />

posttraumatische, stoffwechselbedingte oder idiopathische Gewebevermehrung<br />

zurückgeführt. Aufgrund der pathophysiologischen Merkmale gehört das KTS zu den<br />

sicher diagnostizierbaren Nervendruckschäden und erfüllt dem Grunde nach die<br />

Voraussetzungen einer BK 2106 „Druckschädigung der Nerven“. Das KTS wurde in<br />

dieser BK Ziffer aber vom Verordnungsgeber in 2002, analog zu bandscheibenbedingten<br />

Erkrankungen, explizit herausgenommen. In der europäischen Berufskrankheitenliste ist<br />

das Karpaltunnelsyndrom als eigenständige Berufskrankheit unter der Ziffer 506.45<br />

gelistet und wird in 9 von 12 Mitgliedsstaaten auch anerkannt. Eine Aufnahme in die<br />

bundesdeutsche Berufskrankheitenliste ist zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung zwar<br />

vorgesehen, aber noch nicht erfolgt.<br />

Die Evidenz arbeitsbedingter Ursachen für ein KTS ist in der internationalen Literatur<br />

nachgewiesen und ein kausaler Zusammenhang zwischen arbeitsbedingten manuellen<br />

Belastungen in unterschiedlichsten Berufen und dem Auftreten eines KTS ist aus<br />

pathophysiologischer und epidemiologischer Sicht hinreichend gesichert (BERNARD<br />

1997, RADON et al. 1999, VIIKARI-JUNTURA u. SILVERSTEIN 1999, PALMER et al. 2007).<br />

Feldmann weist in einer Zusammenfassung über periphere Nervenengpasssyndrome<br />

bereits 1983 auf die berufsbedingten Schädigungsmöglichkeiten für ein KTS hin<br />

(FELDMANN et al 1983). In Zusammenhang mit beruflichen Belastungen werden Beugeund<br />

Streckbewegungen des Handgelenkes, insbesondere in Kombination mit Greifen,<br />

sowie Druck gegen den Karpaltunnel beschrieben. In seiner Listung risikoreicher Berufe<br />

finden sich Tätigkeiten wie Fließbandarbeiter, Gärtner, Hausfrau, Musiker, Bauer,<br />

Mechaniker und Fabrikarbeiter. Die derzeit international vorliegende epidemiologische<br />

Literatur zeigt analog zu diesen älteren Erkenntnissen konsistent die höchsten KTS-<br />

Erkrankungsrisiken ebenfalls bei Berufen und Tätigkeiten, die einer intensiven manuellen<br />

Belastung durch kraftvolles Greifen oder repetitive Tätigkeiten ausgesetzt sind – z.B.<br />

Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, Forstarbeiter beim Umgang mit<br />

handgehaltenen vibrierenden Werkzeugen, Fleisch-, Fisch- und Geflügelverarbeiter/-<br />

387


V84<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

verpacker, Kassierer im Supermarkt mit Umsetzen von Lasten, Masseure, Polsterer etc.<br />

(BERNARD 1997, systematische Literaturübersicht bei PALMER ET al. 2007). Diese<br />

Tätigkeiten scheinen im Einzelfall geeignet, zu einer Volumenzunahme im Karpaltunnel<br />

mit Druckerhöhung auf den N. medianus zu führen. Die Literatur belegt eine<br />

Risikoerhöhung insbesondere bei einer Kombination dieser Faktoren. ANDERSEN et al.<br />

2003 und PALMER et al. 2007 weisen aber auch darauf hin, dass die vorliegenden Daten<br />

für Arbeiten am Computer und mit Tastaturen keine bedeutsame Assoziation mit einem<br />

KTS zeigen.<br />

Die für ein KTS in Frage kommenden Einwirkungen kommen in vielen Berufen vor. Die<br />

hohe Prävalenz eines KTS in der Allgemeinbevölkerung - auch ohne besondere<br />

berufliche Belastungen – wirft daher die Frage nach der arbeitsbedingten Abgrenzung<br />

der Verursachung oder Verschlimmerung auf. Das KTS ist mit Abstand das häufigste<br />

Engpasssyndrom und macht ca 45 % aller nichttraumatischen Nervenschäden aus Das<br />

Erkrankungsrisiko beträgt 8-10 %, wobei Frauen etwa doppelt so häufig erkranken wie<br />

Männern, und zeigt eine deutlichen Zusammenhang mit Alter und Übergewicht (Dt. Ges.<br />

für Handchirurgie 2007, Dt Ges. für Neurologie 2008) Aufgrund der weiten Verbreitung<br />

von KTS in der Allgemeinbevölkerung muss daher bei der Prüfung einer möglichen<br />

berufsbedingten Verursachung – neben einer sehr sorgfältigen und möglichst<br />

eindeutigen neurologischen Diagnostik für die Handnerven beider Seiten – auch eine<br />

intensive Prüfung medizinischer Differenzialdiagnosen und auch weiterer psychosozialer<br />

Einflussfaktoren wie beispielsweise Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden erfolgen.<br />

Zum zeitlichen Verlauf bis zum Auftreten eines KTS liegen in der Literatur<br />

unterschiedliche Angaben vor, ganz überwiegend reichen aber z. T. kurze<br />

Expositionszeiten aus (MASEAR et al. 1986, BARNHART et al. 1991). Ein<br />

Kausalzusammenhang ist vor allem dann plausibel, wenn der Erkrankungsbeginn in<br />

engem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition steht. (GIERSIEPEN et al. 2000).<br />

Problematisch für eine Zusammenhangsbeurteilung eines KTS mit beruflichen<br />

Belastungen ist vor allem der Umstand, dass es kein belastungskonformes<br />

Schadensbild. Die in der Literatur beschriebenen Dosis-Wirkungsbeziehungen sind<br />

aufgrund der unterschiedliche Studiendesigns nicht eindeutig und erlauben keine<br />

Ableitung eines Schwellenwertes. Die arbeitsbedingt schädigenden Einwirkungen<br />

hängen weniger von einer konkreten Berufsbezeichnung, als vielmehr von den<br />

ausgeübten Tätigkeiten ab, die Risikofaktoren für das Auftreten eines KTS beinhalten.<br />

388


V84<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Diese Risikofaktoren sind nach derzeitigem Kenntnisstand gekennzeichnet durch<br />

- repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Hände im<br />

Handgelenk oder<br />

- erhöhten Kraftaufwand der Hände (kraftvolles Greifen) oder<br />

- Einwirkung von Hand-Arm-Schwingungen, z.B. durch handgehaltene vibrierende<br />

Maschinen.<br />

Aus Untersuchungen zur präventiven Arbeitsgestaltung können Anhaltspunkte zur<br />

Belastungsermittlung erhalten werden, die aber nicht als Grenzwerte für eine<br />

Schädigung zu interpretieren sind. Es macht arbeitsmedizinisch Sinn, diese Daten zu<br />

nutzen, um Prävention zu betreiben. Beispielsweise sollten zur Vorbeugung vor<br />

Erkrankungen der oberen Extremität bei hochrepetitiven Arbeiten mit<br />

Handgelenksbewegungen in Extension und Flexion Tätigkeitsdauern von > 4<br />

Stunden/Tag vermieden werden ebenso wie Repetitionsfrequenzen von > 600/Stunde<br />

bzw. für Arbeiten mit hohem Kraftaufwand wird eine Dauer von weniger als 1 Stunde/Tag<br />

empfohlen (ACGIH 2001).<br />

Literaturverzeichnis<br />

AMERICAN CONFERENCE OF GOVERNMENTAL INDUSTRIAL HYGIENISTS : ACGIH TLV for<br />

Hand Activity. adopted and 2001, http://www.acgih.org<br />

ANDERSEN JH, THOMSEN JF, OVERGAARD E, LASSEN CF, BRANDT LP, VILSTRUP I, KRYGER<br />

AI, MIKKELSEN S. Computer use and carpal tunnel syndrome: a 1-year follow-up<br />

study.<br />

JAMA 289 (2003), 2963-2969<br />

BARNHART, S., DEMERS, P.A., MILLER, M., LONGSTRETH, W.T., ROSENSTOCK, L.: Carpal<br />

tunnel syndrome among ski manufacturing workers.<br />

Scand. J. Work Environ. Health 17 (1991) 46-52<br />

BERNARD, B.P. (ED.): Musculoskeletal disorders and workplace factors. A critical review<br />

of epidemiologic evidence for work-related musculoskeletal disorders of the neck,<br />

upper extremity, and low back. US Department of Health and Human Services,<br />

National Institute for Occupational Safety and Health, 1997<br />

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR HANDCHIRURGIE et al: Leitlinie Diagnostik und Therapie<br />

des Karpaltunnelsyndroms.http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/005-003.pdf<br />

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR NEUROLOGIE: Leitlinie Karpaltunnelsyndrom 2008.<br />

http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/ll08kap_049.pdf<br />

FELDMAN R.G., GOLDMAN W., KAYSERMAN M.: Classical syndromes in occupational<br />

medicine. Peripheral nerve entrapment syndromes and ergonomic factors<br />

Am J Ind Med 4 (1983), 661-681<br />

GIERSIEPEN, K., EBERLE, E., POHLABELN, H: Wann verdoppelt sich für berufliche manuelle<br />

Tätigkeit das Erkrankungsrisiko für ein Carpaltunnel-Syndrom?<br />

In: G.Schaecke (Hrsg.): Dokumentationsband der 40. Jahrestagung der<br />

Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (2000), 193-<br />

196<br />

MASEAR, V.R., HAYES, J.M., HYDE, A.G.: An industrial cause of carpal tunnel syndrome.<br />

J. Hand Surg. [Am]. 11(1986), 222-227<br />

389


V84<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

PALMER, K.T., HARRIS E.C., COGGON D.: Carpal tunnel syndrome and ist relation to<br />

occupation : a systematic literature review.<br />

Occupational Medicine 57 (2007),57–66<br />

RADON, K., NOWAK, D., SZADKOWSKI, D.: Berufsbezogene Beschwerden und<br />

Erkrankungen im Bereich der oberen Extremitäten durch repetitive Belastung. In:<br />

RETTENMEIER, A.,<br />

VIIKARI-JUNTURA, E., SILVERSTEIN, B.A.: Role of physical load factors in carpal tunnel<br />

syndrome.<br />

Scand. J. Work Environ. Health 25 (1999), 163-185<br />

390


V85<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei<br />

Tätigkeiten im Hocken und Knien<br />

Ulrich Glitsch, Nicole Lundershausen, Dorothee Knieps, Alexander Johannknecht, Rolf Ellegast<br />

Referat Arbeitswissenschaft, Ergonomie, Fachbereich 4 Arbeitsgestaltung – Physikalische Einwirkungen,<br />

Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz – BGIA, Sankt Augustin<br />

Ziel:<br />

In der wissenschaftlichen Begründung zur vorgeschlagenen Berufskrankheit<br />

Gonarthrose [1] werden Tätigkeiten im Hocken und Knien oder vergleichbarer<br />

Kniebelastung als Verursacher der Gonarthrose genannt. Der dort beschriebene<br />

Pathomechanismus stellt als Auslöser die erhöhte Druckkraft auf den Gelenkknorpel<br />

beim Hocken oder Knien heraus. Allerdings liegen aussagekräftige Studien zur<br />

mechanischen Belastung des Kniegelenks in genau diesen Haltungen bislang nicht vor.<br />

Da insbesondere geeignete biomechanische Modelle fehlen, die den möglichen<br />

Weichteilkontakt zwischen Ober- und Unterschenkelrückseite und eine<br />

Mehrpunktabstützung des Beines auf dem Untergrund berücksichtigen, war ein erstes<br />

Ziel dieser Studie die Entwicklung eines solchen Modells. Anschließend sollten damit<br />

einerseits verschiedene statische Haltungen im Hocken und Knien und andererseits<br />

damit verbundene berufspezifische Tätigkeiten analysiert werden.<br />

Methoden:<br />

Das biomechanische Modell der unteren Extremität wurde auf Grundlage bestehender<br />

Kniegelenkmodelle aus der Literatur [2 - 4] für den speziellen Anwendungszweck<br />

erweitert (Abbildung 1). Insbesondere waren hier die speziellen anatomischen<br />

Gegebenheiten bei großen Kniebeugewinkeln (> 120°) zu berücksichtigen. Dies betrifft<br />

die beugungsabhängige Wanderung der Gelenkdrehachse [5], die<br />

Zugrichtungsänderungen von Patellar- und Quadrizepssehne sowie die Veränderung des<br />

Hebelmechanismus der Patella [6, 7]. Die Mehrpunktabstützung des Beines – z. B. beim<br />

Knien – wurde bei der Modellrechnung berücksichtigt und durch den Einsatz zweier<br />

Kraftmessplatten (Kistler, Winterthur, Schweiz) erfasst. Der für die inneren Muskel-<br />

Skelettbelastungen wichtige Aspekt des Weichteilkontakts zwischen Ober- und<br />

Unterschenkelrückseite bei großen Beugewinkeln [8, 9] wurde mit einem Druckmesspad<br />

(Paromed, Neubeuern) an der Oberschenkelrückseite gemessen. Die Berechnung der<br />

tibiofemoralen und der patellofemoralen Gelenkkräfte erfolgte im Sinne der inversen<br />

Dynamik für die Sagittalebene des Beines, die für die zu untersuchenden Haltungen die<br />

Hauptbelastungsebene darstellt. Zur dreidimensionalen Rekonstruktion der Beinhaltung<br />

wurde das Bewegungsmesssystem VICON (Vicon Motion Systems, Oxford, England) mit<br />

12 Kameras eingesetzt, das zugleich auch alle anderen Messgrößen synchron<br />

391


V85<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

aufzeichnete. Zu Kontrollzwecken wurden die Elektomyogramme (EMG) des M.<br />

quadrizeps femoris und des M semimembranosis bzw. M. bizeps femoris abgeleitet.<br />

Bodenreaktionskräfte<br />

Weichteilkontaktkraft<br />

Muskel-/Sehnenkräfte<br />

Gelenkkräfte<br />

Abbildung 1: Schematische Darstellung des biomechanischen Modells zur Bestimmung der<br />

Kniegelenkkräfte beim Hocken und Knien<br />

In einer ersten Messreihe wurden drei männliche Probanden (Alter: 26 – 36 J.) ohne<br />

Kniebeschwerden beim Einnehmen und Verweilen in den Haltungen Hocke, beidbeiniges<br />

Knien (ohne Oberkörperabstützung) und Fersensitz sowie beim Stehen und Gehen<br />

analysiert. In der zweiten Messreihe wurden je fünf erfahrene Fliesenleger (Alter: 21 –<br />

56 J.) und Heizungsinstallateure (Alter: 28 – 52 J.) sowohl in den zuvor genannten<br />

Haltungen wie auch beim Fliesenlegen (Verlegen von 12 Fliesen) bzw. bei der<br />

Heizkörpermontage (dreimalige Heizkörpermontage) analysiert.<br />

Ergebnisse:<br />

Die ermittelten tibiofemoralen Gelenkkräfte lagen bei den statischen Haltungen im<br />

Hocken und Knien aller 13 Probanden im Mittel gleichermaßen bei rund 50 15 %BW<br />

(%body weight) (Abbildung 2). Auch bei den beruflichen Tätigkeiten des Fliesenlegens<br />

und der Heizkörpermontage lagen die Gelenkkräfte auf dem gleichen Niveau.<br />

Demgegenüber waren die Gelenkkräfte im Verlauf des Hinkniens bzw. des Aufstehens<br />

wesentlich höher und erreichten rund 250 60 %BW. Die gemessenen<br />

Weichteilkontaktkräfte zwischen Ober- und Unterschenkel betrugen beim Hocken und<br />

Fersensitz durchschnittlich etwa 80 15 % der Bodenreaktionskraft des Beines, was<br />

eine wesentliche Entlastung des Kniegelenks zur Folge hat und die relativ niedrigen<br />

Gelenkkräfte erklärt. Die EMG-Aufzeichnungen bestätigten die vom Modell<br />

vorhergesagte geringe Muskelaktivität der Kniestreck- und –beugemuskulatur.<br />

Unterstützt wird dieser Befund durch die 10-minütigen Dauertests im Hocken, Knien und<br />

Fersensitz, die alle drei Probanden erfolgreich absolvierten, ohne dabei über besondere<br />

392


V85<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Belastungsempfindungen im Kniegelenk zu berichten. Beim Stehen und Gehen betrugen<br />

die tibiofemoralen Gelenkkräfte am belasteten Bein im Mittel etwa 150 70 %BW.<br />

Kniegelenkkraft<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Hinknien<br />

tiefe Hocke<br />

aufrechtes Knien<br />

Fersensitz<br />

Fliesenlegen /<br />

Heizkörpermontage<br />

Aufstehen<br />

Kniegelenkkraft [%BW]<br />

Stehen/Gehen<br />

Tätigkeiten<br />

Anpresskraft der Patella<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Hinknien<br />

tiefe Hocke<br />

aufrechtes Knien<br />

Fersensitz<br />

Fliesenlegen /<br />

Heizkörpermontage<br />

Aufstehen<br />

Stehen/Gehen<br />

Anpresskraft [%BW]<br />

Tätigkeiten<br />

Abbildung 2: Kniegelenk- und Patella-Anpresskräfte bei verschiedenen Haltungen und beruflichen<br />

Tätigkeiten<br />

Ein ähnliches Gesamtbild zeigte auch die Anpresskraft der Patella – die Druckkräfte<br />

lagen beim Hocken und Knien gleichermaßen bei rund 100 20 %BW. Beim Hinknien<br />

und Aufstehen erreichten sie dagegen über 300 100 %BW. Aufgrund der weitgehend<br />

gestreckten Beine beim Stehen und Gehen lagen die Anpresskräfte dort bei nur rund<br />

50 40 %BW.<br />

Schlussfolgerung:<br />

Die gefundenen Ergebnisse können die in der wissenschaftlichen Begründung<br />

angeführten erhöhten Druckkräfte bei Tätigkeiten im Hocken und Knien nicht bestätigen.<br />

Eine differenzierte Bewertung der Kniegelenkkräfte beim Hocken und Knien erscheint<br />

nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht erforderlich – allenfalls sind noch niedrigere<br />

Gelenkkräfte beim Knien mit abgestütztem Oberkörper anzusetzen. Die gegenüber dem<br />

Stehen und Gehen leicht erhöhten patellofemoralen Anpresskräfte könnten als<br />

393


V85<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

schwacher Hinweis für eine erhöhte Prävalenz einer Retropatellararthose gesehen<br />

werden. Allerdings liegen die Druckkräfte noch im Rahmen typischer Belastungen des<br />

alltäglichen Lebens wie Treppensteigen, Heben oder Kniebeugen – bei freizeitsportlichen<br />

Aktivitäten muss mit weit höheren Anpresskräften gerechnet werden. Insofern scheint<br />

eine Schädigung des Kniegelenkknorpels beim Hocken und Knien allein durch die Höhe<br />

der hier ermittelten Gelenkkräfte unwahrscheinlich. Eventuell könnten das dauerhafte<br />

Hocken und Knien im Sinne einer Zwangshaltung punktuell einen Versorgungsengpass<br />

des Knorpelgewebes bedingen, wobei hierzu konkretere Hinweise bislang fehlen.<br />

Möglicherweise entstehen kleinste Verletzungen des Knorpels bei einer<br />

Ungeschicklichkeit beim Hinknien oder Aufstehen, die sich im Laufe der Zeit<br />

verschlimmern. Kleinere Knorpelschäden können auch bei Freizeitaktivitäten entstanden<br />

sein, die unentdeckt blieben und sich später im Berufsleben ausweiten.<br />

Nach dem jetzigen Kenntnisstand ist es sehr problematisch, geeignete<br />

Präventionsempfehlungen abzugeben, da unklar ist, ob die Zeitdauer des Hockens und<br />

Kniens oder das häufigere Aufstehen und Hinknien das größere Risiko für die<br />

Entwicklung einer Gonarthrose darstellen.<br />

Literatur:<br />

[1] Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Wissenschaftliche<br />

Begründung für eine Berufskrankheit „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien<br />

oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer<br />

während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und<br />

Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht“.<br />

Bundesarbeitsblatt 2005; (10): 46-54.<br />

[2] Maquet PGJ. Biomechanics of the knee. Heidelberg: Springer-Verlag; 1976.<br />

[3] Crowninshield R, Pope MH, Johnson RJ. An analytical model of the knee. J<br />

Biomech. 1976; 9: 397-405.<br />

[4] Dahlkvist NJ, Mayyo P, Seedhom BB. Forces during squatting and rising from<br />

deep squat. Eng Med. 1982; 11: 69-76.<br />

[5] Menschik A. Biometrie Das Konstruktionsprinzip des Kniegelenks, des<br />

Hüftgelenks, der Beinlänge und der Körpergröße. Berlin: Springer Verlag; 1987.<br />

[6] Van Eijden T, Kouwenhoven E, Verburg J, Weijs W. A mathematical model of the<br />

patellofemoral joint. J Biomech. 1986; 19: 219-29.<br />

[7] Hehne H. Biomechanics of the patellofemoral joint and its clinical relevance.<br />

Cinical orthopaedics and related research. 1990; 258: 73-85.<br />

[8] Caruntu DI, Hefzy MS, Goel VK, Goitz HT, Dennis MJ, Agrawal V. Modeling the<br />

knee in deep flexion: "thigh and calf" contact. Proceedings of the Summer<br />

Bioengineering Conference; 2003 June 25-29; Key Biscayne, Florida; 2003.<br />

[9] Zelle J, Barink M, Loeffen R, Malefijt MDW, Verdonschot N. Thigh-calf contact<br />

force measurements in deep knee flexion. Clin Biomech. 2007; 22: 821-6.<br />

394


V86<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die<br />

Kniegelenksarthrose – Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie<br />

Monika A. Rieger 1,2 , André Klußmann 3 , Hansjürgen Gebhardt 3 , Matthias Nübling 4 , Falk Liebers 5 ,<br />

Bertil Bouillon 6 und die ArGon-Studiengruppe<br />

1<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />

Fakultät für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />

2<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27, 72074 Tübingen<br />

3<br />

Institut ASER e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal, Corneliusstraße 31, 42329 Wuppertal<br />

4<br />

Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), Bertoldstr. 27, 79098 Freiburg<br />

5<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Gruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter<br />

Erkrankungen“, Nöldnerstraße 40/42, 10317 Berlin<br />

6<br />

Lehrstuhl für Unfallchirurgie / Orthopädie der Universität Witten / Herdecke, Klinik für Unfallchirurgie und<br />

Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Merheim, Ostmerheimer Str. 200, 51058 Köln<br />

Zusammenfassung<br />

Ziel dieser Studie war es, im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie berufliche und<br />

außerberufliche Prädiktoren für die Kniegelenksarthrose zu ermitteln und zu bewerten<br />

sowie Präventionsmaßnahmen abzuleiten.<br />

Konstitutionelle Faktoren, Freizeitverhalten und berufliche Belastungen wurden mit<br />

einem standardisierten Fragebogen erhoben. Bei den Fällen erfolgte die Dokumentation<br />

des in der Regel arthroskopisch bzw. intraoperativ erhobenen Befundes (Schwere und<br />

Lokalisation des Knorpelschadens) gemäß ICRS-Standard.<br />

Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen und 571 Kontrollen zur Verfügung.<br />

In der multivariaten Analyse mittels konditionaler logistischer Regression umfasste das<br />

schlankste Modell für Männer die folgenden Faktoren mit signifikant erhöhter Odds Ratio:<br />

genetische Prädisposition, Übergewicht bzw. Adipositas, Knien im Beruf und das<br />

Ausüben einer Sportart mit erhöhtem Risiko für inapparente Traumen. Für Frauen<br />

zeigten sich ähnliche Risikofaktoren mit z.T. anderen Schwellenwerten, dazu wurden die<br />

Faktoren „Kniebeschwerden in der Kindheit“, „Heben und Tragen“ sowie<br />

Beinachsenfehlstellung mit einer signifikant erhöhten OR identifiziert. Die Faktoren<br />

Rauchen und Ausüben einer sitzenden Tätigkeit scheinen dagegen die<br />

Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer GA bei Frauen zu reduzieren.<br />

Aufgrund der großen Vielfalt der erhobenen beruflichen, außerberuflichen sowie<br />

konstitutionellen potentiellen Risikofaktoren ermöglicht die ArGon-Studie die<br />

zusammenfassende Analyse verschiedener Prädiktoren in multivariaten Modellen.<br />

Ausgehend von den Ergebnissen sollten präventive Maßnahmen jeweils bei beruflichen<br />

und außerberuflichen Faktoren ansetzen und in erster Linie auf eine Reduktion von<br />

erhöhtem Körpergewicht und des Anteils kniebelastenden Tätigkeiten in Beruf und<br />

Freizeit zielen.<br />

395


V86<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Einleitung<br />

Als Risikofaktoren für die Kniegelenksarthrose (Gonarthrose (GA)) werden neben<br />

konstitutionellen Faktoren auch körperliche Fehlbelastungen und Zwangshaltungen<br />

diskutiert. Vor diesem Hintergrund sollte ein möglichst großes Spektrum von<br />

Risikofaktoren für die Entstehung und den Fortschritt einer Gonarthrose in der<br />

Zusammenschau bei Frauen und Männern untersucht werden mit dem Ziel,<br />

Präventionsmaßnahmen abzuleiten bzw. Zielgrößen für die Prävention der Gonarthrose<br />

zu beschreiben.<br />

Methoden<br />

Detaillierte Informationen zur Definition von Fällen und Kontrollen sowie zum<br />

eingesetzten Methodeninventar sind im Beitrag P130 in diesem <strong>Tagungsband</strong> (1)<br />

beschrieben. Die Rekrutierung erfolgte von Juli 2006 bis Juni 2008 in drei<br />

orthopädischen bzw. unfallchirurgischen Kliniken in Wuppertal und Köln. Die<br />

Repräsentativität der Kontrollen in Bezug auf Schulbildung, ausgeübte Berufe und<br />

Gesundheitszustand wurde anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit und z.B. der<br />

Dortmunder Gesundheitsstudie überprüft. Zur Auswertung wurden die stetigen Variablen<br />

(z.B. Dauer des Kniens bis zur Diagnose GA) zunächst als metrische Parameter<br />

behandelt, dann zur besseren Darstellung in kategoriale Variablen umgeformt<br />

(Mediansplit oder Bildung von Terzilen). Die Modellbildung erfolgte getrennt für Männer<br />

und Frauen, wobei – ausgehend vom Ergebnis bivariater Tests – in multivariaten<br />

Analysen mittels konditionaler logistischer Regression jeweils das schlankste Modell<br />

gebildet wurde.<br />

Ergebnisse<br />

Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen (438 Frauen, 301 Männer) und<br />

571 Kontrollen (303 Frauen, 268 Männer) zur Verfügung. Die Kontrollen zeigten z.B. bei<br />

der Verteilung der Berufe, dem Raucherstatus und der allgemeinen Krankheitsprävalenz<br />

eine gute Übereinstimmung mit den Vergleichsdaten. In der multivariaten Analyse<br />

umfasste das schlankste Modell für Männer die folgenden Faktoren mit signifikant<br />

erhöhter Odds Ratio (OR): genetische Prädisposition, Übergewicht bzw. Adipositas,<br />

Knien im Beruf (ab 2. Terzil (> 3.574 Stunden bis zur Diagnose der GA)), Ausüben einer<br />

Sportart mit erhöhtem Risiko für inapparente Traumen (Umfang größer Median (> 3.232<br />

Stunden bis zur Diagnose der GA)) (Abb.1). Für Frauen zeigten sich ähnliche<br />

Risikofaktoren mit z.T. anderen Schwellenwerten (Knien im Beruf ab 3. Terzil (> 8.934<br />

Stunden); Sport mit Risiko für inapparente Traumen in einem Umfang größer als der<br />

Median (> 1.440 Stunden)), dazu wurden die Faktoren „Kniebeschwerden in der<br />

396


V86<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Kindheit“, „Heben und Tragen“ sowie Beinachsenfehlstellung mit einer signifikant<br />

erhöhten OR identifiziert. Die Faktoren Rauchen und Ausüben einer sitzenden Tätigkeit<br />

scheinen dagegen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer GA bei Frauen zu<br />

reduzieren (Abb. 2).<br />

Abb. 1: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose bei Männern - Ergebnis der<br />

multivariaten Analyse, schlankstes Modell. Nagelkerke Pseudo R²=0,24; Hos.-Lem.=0,29<br />

Diskussion<br />

Aufgrund der großen Vielfalt der erhobenen beruflichen, außerberuflichen sowie<br />

konstitutionellen potentiellen Risikofaktoren ermöglichte die ArGon-Studie die<br />

zusammenfassende Analyse verschiedener Prädiktoren in multivariaten Modellen für<br />

Männer und erstmals auch für Frauen. Ebenso ließen sich erstmals Dosis-<br />

Wirkungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Ausprägungen der Prädiktoren (z.B.<br />

Adipositas und Knien) und dem Auftreten der Gonarthrose für Männer und Frauen<br />

aufzeigen. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass präventive Maßnahmen jeweils bei<br />

beruflichen und außerberuflichen Faktoren ansetzen und in erster Linie auf eine<br />

Reduktion von erhöhtem Körpergewicht und des Anteils kniebelastenden Tätigkeiten in<br />

Beruf und Freizeit zielen sollten. Der Faktor Rauchen, gemessen in Packungsjahren,<br />

wies eine negative Assoziation zur Kniegelenksarthrose auf. Dieses Phänomen wurde<br />

bereits mehrfach in anderen Studien in der Literatur diskutiert. Es wird vermutet, dass es<br />

sich hierbei um eine Störgröße oder um Veränderungen im Stoffwechsel in den<br />

Knorpelzellen handelt (2). Zu dieser Thematik sind weitere Untersuchungen erforderlich.<br />

Die in der Literatur diskutierten weiteren beruflichen Belastungen wie z.B. Springen und<br />

Treppen/Leitern Steigen zeigten in dieser Studie keinen signifikanten Zusammenhang<br />

397


V86<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

zur Kniegelenksarthrose. Dennoch spiegeln die Ergebnisse die Aussagen aus der<br />

Literatur recht gut wieder (3). Der Stellenwert von Freizeitsport bei der Entwicklung der<br />

GA muss weiter untersucht werden. Ebenso sollten in weitere Untersuchungen die<br />

Ergebnisse biomechanischer Untersuchungen (4) und detaillierter Tätigkeitsanalyse zur<br />

z.B. Körperhaltung und Lastenhandhabung sowie Häufigkeit des Aufstehens und<br />

Niederkniens einfließen.<br />

Danksagung<br />

Das Forschungsprojekt wurde initiiert, finanziert und fachlich begleitet von der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (Fremdforschungsprojekt<br />

F2096). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird finanziell<br />

unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V.<br />

(Südwestmetall).<br />

Literatur<br />

(1) Klußmann, A., Gebhardt, H., Nübling, M., Liebers, F., Bouillon, B., Rieger, M.A. und<br />

die ArGon-Studiengruppe: Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die<br />

Entstehung von Kniegelenksarthrose – Erste Ergebnisse der ArGon-Studie.<br />

Dokumentation der 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />

Umweltmedizin <strong>2009</strong>, P130.<br />

(2) Elloumi, M., Kallel, M.H.: Which relationship does osteoarthritis share with smoking?<br />

Osteoarthritis Cartilage. 2007 Sep;15(9):1097-8.<br />

(3) Jensen, L.K.: Knee osteoarthritis: influence of work involving heavy lifting, kneeling,<br />

climbing stairs or ladders, or kneeling/squatting combined with heavy lifting.<br />

OccupEnvironMed 2007;000:1-22; Review.<br />

(4) Glitsch, U., Lundershausen, N., Knieps, D., Johannknecht, A., Ellegast, R.:<br />

Biomechanische Analyse der Kniegelenkbelastung bei Tätigkeiten im Hocken und Knien<br />

(V85), Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. <strong>2009</strong>, 44(3), 146.<br />

398


V86<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Abb. 2: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose bei Frauen - Ergebnis der<br />

multivariaten Analyse, schlankstes Modell. Nagelkerke Pseudo R²=0,38; Hos.-Lem.=0,35<br />

399


V87<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Plantare Druckbelastung bei verschiedenen Boden-Schuh-<br />

Kombinationen - eine Untersuchung an typischen Arbeitsplätzen<br />

der Automobilindustrie<br />

Ulrike Noll 1 , Elke Ochsmann 2 , Gerhard Krahn 3 , Siegfried Leuchte 4 , Thomas Kraus 2<br />

1 Abteilung Arbeitsschutz, Umweltschutz, Ergonomie, BMW AG Leipzig<br />

2<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

3<br />

Institut für Umwelttechnik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

4<br />

Institut für Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Aufgrund von Arbeitsplatzanforderungen verrichtet ein Großteil der berufstätigen<br />

Menschen ihre Arbeit vorrangig im Stehen und Gehen. Dies betrifft neben zahlreichen<br />

Berufen im Produktionsbereich vor allem Tätigkeiten im Verkauf und<br />

Gastronomiebereich. Die arbeitsbedingte Stehhaltung kann langfristig zu einer Belastung<br />

des gesamten Muskel-Skelett-Apparates und des hydrostatischen Kreislaufes führen. Im<br />

Sinne einer Belastungsreduzierung gibt es die Möglichkeit dämpfende Bodenbeläge als<br />

auch fußgerechtes, dämpfendes Schuhwerk zu verwenden. Ziel dieser Studie war es,<br />

anhand von plantaren Druckverteilungsmessungen und subjektiven Angaben eine<br />

Bewertung verschiedener Sicherheitsschuhe und Bodenbeläge vorzunehmen.<br />

Die gesamte Studiengruppe setzte sich aus 77 Mitarbeitern (Alter: 37,6 ± 9,4; Größe<br />

179,1 ± 7,9 cm; Gewicht 86,8 ± 18,1 kg) der Automobilfertigung zusammen, welche ihre<br />

Arbeit vorwiegend stehend und gehend auf harten Arbeitsuntergrund ausüben und mit<br />

dem Gebrauch von Sicherheitsschuhen und Arbeitsplatzmatten vertraut waren. Alle<br />

Probanden wurden zu verschiedenen Boden-Schuh-Kombinationen befragt und für die<br />

Messung der plantaren Druckverteilung wurde eine Versuchsgruppe von 10 Personen<br />

ausgewählt. Diese gingen in drei verschiedenen Sicherheitsschuhen einerseits auf<br />

Industriebeton und zum anderen auf einer mit Arbeitsplatzmatten ausgelegten<br />

Gehstrecke. Der erste Sicherheitsschuh war durch ein Dämpfungselement<br />

gekennzeichnet, welches im Fersenabsatz eingeschäumt war. Die Dämpfung des<br />

zweiten Sicherheitsschuhes wurde im Fersenbereich durch auswechselbare,<br />

gewichtsabhängige Module und im Vorfuß (Ballen- und Zehenbereich) durch ein<br />

zusätzliches Dämpfungselement realisiert. Der dritte Sicherheitsschuh war durch eine<br />

halbrunde Sohlenkonstruktion gekennzeichnet, welche Belastungen auf den<br />

Bewegungsapparat sowohl beim Gehen als auch beim Stehen im Sinne eines<br />

dynamischen Gehens und Stehens verändern soll. Die Arbeitsplatzmatte bestand aus<br />

Polyurethan und die Oberfläche zeigte eine abgeflachte Noppenstruktur. Zusätzlich<br />

wurde eine Messung der Barfußbewegung erfasst, welche als Referenzmessung diente.<br />

Für die Auswertung der plantaren Druckverteilungsmessung wurden die Messgrößen<br />

Maximaldruck, Fußkontaktfläche und mittlerer Druck für einen gemittelten Schritt aus 10<br />

400


V87<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

aufgezeichneten Schritten herangezogen. Die Messparameter wurden für den gesamten<br />

Fuß sowie die Teilbereiche Vor-, Mittel- und Rückfuß erhoben.<br />

Anhand der plantaren Druckverteilungsmessungen ließen sich grundsätzlich die Effekte<br />

dämpfender Schuhbestandteile aufzeigen. So konnte beispielsweise im Rückfußbereich<br />

bei allen getesteten Sicherheitsschuhen eine Reduktion der Spitzendruckwerte und eine<br />

Vergrößerung der druckaufnehmenden Flächen gegenüber barfuß verzeichnet werden.<br />

Hierbei erwies sich der Einbau von Dämpfungselementen zum Fuß hin als vorteilhaft.<br />

Generell traten die niedrigsten Druckwerte beim zweiten Sicherheitsschuh mit Vor- und<br />

Rückfußdämpfung in der Innensohle auf und die höchsten Druckwerte im ersten<br />

Sicherheitsschuh. Die belastungsreduzierende Wirkung der Arbeitsplatzmatte konnte<br />

lediglich im Barfußgang und nicht für die drei Schuhkonditionen nachgewiesen werden.<br />

So lagen die gemessenen Druck- und Flächenwerte im gleichen Sicherheitsschuh beim<br />

Gehen auf Beton als auch auf Matte annährend gleich. Mögliche Ursache hierfür sind die<br />

Laufsohlen, die aufgrund von Sicherheitsanforderungen bestimmte Härten bzw.<br />

Steifigkeiten aufweisen müssen und dadurch der Dämpfungseffekt einer Matte stark<br />

gemindert wird. Obgleich die Druckmessungen den Einsatz von Arbeitsplatzmatten in<br />

Hinblick auf eine zusätzliche Druckreduzierung nicht notwendig erscheinen ließen,<br />

sprachen sich 63 % der Befragten für das Arbeiten auf einer Arbeitsplatzmatte aus. Dies<br />

zeigt, dass bei der Entscheidungsfindung für das optimale Boden-Schuh-System viele<br />

Faktoren eine Rolle spielen und die Dämpfung nur einen Teilaspekt darstellt. Die<br />

Präferenz für bestimmte Entscheidungskriterien im Komplexsystem Boden-Schuh liegt<br />

individuell verschieden und erfordert weitere genauere Untersuchungen.<br />

Neben den Erkenntnissen über den Einfluss verschiedener Sicherheitsschuhe auf die<br />

Druckbelastung am Fuß ist es weiterhin interessant, wie sich unterschiedlich konstruierte<br />

Sicherheitsschuhe auf den darüber liegenden Stütz- und Bewegungsapparat auswirken.<br />

Dieses Ziel verfolgt eine weiterführende Studie, wobei die Messungen, unter<br />

Zuhilfenahme des vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung entwickelten CUELA-Systems (Computer unterstützte Erfassung und<br />

Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelett-Systems), direkt am Arbeitsplatz<br />

durchgeführt werden. Neben den Parametern der Druckverteilungsmessung können<br />

hierbei auch Messvariablen der Körperhaltung untersucht werden.<br />

401


V88<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Risikoabschätzung bei Ganzkörper-Schwingungen mittels<br />

Schwingungsbewertung nach VDI 2057 und einer<br />

kraftbezogenen Bewertung - Methodenvergleich<br />

Martin Fritz, Oliver Geiss<br />

Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung, Universität Dortmund (IfADo)<br />

Ziel der Studie<br />

Die langjährige Belastung durch intensive Ganzkörper-Schwingungen kann, wie im<br />

Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2110 (2005) beschrieben, zu gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule führen. Aufgrund zahlreicher<br />

Studien zu Tätigkeiten mit Handhabung von Lasten wird auch bei Schwingungsbelastung<br />

angenommen, dass die in der Lendenwirbelsäule wirkenden Kräfte eine wichtige<br />

Teilursache für die Entstehung der degenerativen Erkrankungen darstellen. Doch werden<br />

die Wirbelsäulenkräfte bei den in den Normen bzw. Richtlinien beschriebenen Verfahren<br />

zur Bewertung von Schwingungsbelastungen in der Regel nicht berücksichtigt. Bisherige<br />

Ausnahme ist der Standard ISO 2631-5 (2004).<br />

Ziel der vorliegenden Studie, die von der Gesetzlichen Deutschen<br />

Unfallversicherung gefördert wurde, war es, die am IfADo entwickelte kraftbezogene<br />

Schwingungsbewertung mit der Bewertung gemäß VDI 2057, Blatt 1 (2002) zu<br />

vergleichen und die adäquate Abbildung des Gesundheitsrisikos anhand von<br />

epidemiologischen Daten zu prüfen.<br />

Methoden<br />

Mit dem am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung entwickelten biomechanischen<br />

Modell wurden zunächst für Testschwingungen bei aufrechter Sitzhaltung die Druckkräfte<br />

in den Bewegungssegmenten L3-L4 und L5-S1 der Wirbelsäule simuliert. Aus den<br />

Übertragungsfunktionen zwischen der vertikalen Sitzbeschleunigung und den simulierten<br />

Druckkräften wurden dann Faktoren für eine so genannte kraftbezogene<br />

Schwingungsbewertung hergeleitet werden.<br />

Für 227 im Feld gemessene Sitzbeschleunigungen wurden anhand der<br />

Frequenzspektren die frequenzbewerteten Beschleunigungen nach VDI 2057, Blatt 1<br />

(2002) berechnet. Ebenso wurde für jedes Spektrum unter Verwendung der<br />

kraftbezogenen Bewertungsfaktoren ein kraftbezogener Schwingungskennwert ermittelt.<br />

In Abbildung 1 sind beispielhaft für das Bewegungssegment L3-L4 die Verhältnisse<br />

zwischen einander entsprechenden Kennwerten in Abhängigkeit von der<br />

Medianfrequenz dargestellt. Der Zusammenhang zwischen diesen Verhältnissen und der<br />

Medianfrequenz wurde durch Regressionsfunktionen angenähert. Die Medianfrequenz<br />

402


V88<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

dient zur Charakterisierung der Frequenzgehalte der Sitzschwingungen auf den<br />

untersuchten Fahrzeugen und Maschinen.<br />

Abbildung 1: Verhältnisse zwischen dem kraftbezogenen Schwingungskennwert und der<br />

frequenzbewerteten Beschleunigung sowie die Regressionsfunktion (Fritz et al. 2007).<br />

Mit den Regressionsfunktionen wurden die im Rahmen der epidemiologischen<br />

Studie, welche von der Heinrich-Heine-Universität in den Jahren 1990 bis 1995<br />

durchführt wurde (Schwarze et al. 1998), erhobenen Belastungsdaten in kraftbezogene<br />

Schwingungskennwerte umgerechnet. Für eine einheitliche Beurteilungsdauer von 8 h<br />

wurden aus den Kennwerten energieäquivalent kraftbezogene Beurteilungsgrößen<br />

berechnet. Diese wurden mit den Beurteilungsbeschleunigungen der Studie verglichen.<br />

Weiterhin wurde der Zusammenhang zwischen den ebenfalls in der epidemiologischen<br />

Studie ermittelten Erkrankungsdaten bezüglich des Lumbalsyndroms und den<br />

kraftbezogenen Beurteilungsgrößen analysiert.<br />

Ergebnisse<br />

An der epidemiologischen Studie nahmen 388 Fahrer von Erdbaumaschinen,<br />

Gabelstapler und Lastkraftwagen teil. Durch Wechseln der Tätigkeit oder des<br />

Fahrzeuges waren die Fahrer in insgesamt 1477 Tätigkeitsabschnitten<br />

Schwingungsbelastungen mit gleichbleibender Intensität ausgesetzt. Für die<br />

Tätigkeitsabschnitte wurden sowohl die Beurteilungsbeschleunigung in vertikaler z-<br />

Richtung als auch die kraftbezogenen Beurteilungsgrößen für die Bewegungssegmente<br />

403


V88<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

L3-L4 und L5-S1 ermittelt. Die Zusammenhänge zwischen der<br />

Beurteilungsbeschleunigung und den beiden kraftbezogenen Beurteilungsgrößen<br />

konnten durch nichtlineare Regressionsfunktionen dargestellt werden. Es ist die Tendenz<br />

zu erkennen, dass mit zunehmender Schwingungsintensität die kraftbezogenen<br />

Beurteilungsgrößen stärker ansteigen als die Beurteilungsbeschleunigung. Für beide<br />

Datensätze ergab sich eine gute Korrelation mit r > 0,93.<br />

Die adäquate Abbildung des Risikos an einem Lumbalsyndrom zu erkranken wurde<br />

mittels logistischer Regression überprüft. 73 der untersuchten Fahrer klagten schon nach<br />

dem ersten Jahr mit Schwingungsbelastung über Rückenbeschwerden und wurden bei<br />

der Berechnung der Odds Ratios nicht berücksichtigt. Für die verbleibenden 315 Fahrer<br />

wurde gemäß den Ergebnissen von Notbohm et al. (2007) zur Quantifizierung der<br />

individuellen Schwingungsbelastung jeweils nur der Tätigkeitsabschnitt mit maximaler<br />

Schwingungsbelastung ausgewertet. In Tabelle 1 sind die Odds Ratios für die<br />

Beurteilungsbeschleunigung und die beiden kraftbezogenen Beurteilungsgrößen<br />

aufgelistet. Die Odds Ratios sind für die drei Beurteilungsgrößen nahezu gleich groß.<br />

Tabelle 1: Logistische Regression, Odds Ratio bezogen auf eine Schrittweite des Prädiktors<br />

von 0,1 m/s 2 .<br />

Prädiktor Odds Ratio 95 % Konfidenzintervall<br />

a wz(8) [ m/s 2 ] 1,154 1,060 1,257<br />

a FzL3L4(8) [ m/s 2 ] 1,120 1,036 1,212<br />

a FzL5S1(8) [ m/s 2 ] 1,108 1,034 1,187<br />

Überlagert wird das durch die Schwingungsbelastung hervorgerufene<br />

Gesundheitsrisiko durch das Risiko, dass sich auch mit zunehmendem Alter ein<br />

Lumbalsyndrom entwickeln kann. Die Odds Ratio für dieses Risiko liegt, bezogen auf ein<br />

Lebensjahr, bei 1,055 mit einem Konfidenzintervall von 1,029 bis 1,081.<br />

Diskussion und Schlussfolgerungen<br />

Im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2110 wird ein enger Zusammenhang zwischen<br />

der vertikalen Schwingungsbelastung, den schwingungsinduzierten Druckkräften und<br />

den Erkrankungen der Lendenwirbelsäule gesehen. Deshalb werden hier auch nur die<br />

aus den Druckkräften abgeleiteten Beurteilungsgrößen diskutiert.<br />

Fritz et al. (2005) berichten, dass durch die kraftbezogenen Faktoren tieffrequenten<br />

Schwingungsanteile höher bewertet werden als mit den Faktoren in VDI 2057, Blatt 1<br />

(2002), die über die Schwingungsempfindung abgeleitet wurden. Die Unterschiede<br />

führen jedoch nicht zu einer verbesserten Abschätzung des Gesundheitsrisikos mittels<br />

der kraftbezogenen Beurteilungsgrößen, wie den Odds Ratios in Tabelle 1 zu entnehmen<br />

404


V88<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

ist. Matsumoto und Griffin (2005) konnten zeigen, dass bezüglich Frequenz- und<br />

Intensitätsabhängigkeit eine gute Übereinstimmung auch zwischen der<br />

Schwingungsempfindung und der mechanischen Größe „scheinbare Masse“ besteht. Es<br />

kann somit angenommen werden, dass der Mensch ein Gefühl für die mechanische<br />

Belastung seines Muskel-Skelett-Systems auch unter Schwingungsbelastung hat. Als<br />

Sensoren für diese Belastungen können die Mechanorezeptoren in der Gesäßhaut sowie<br />

die Nervenendigungen in den äußeren Schichten des Faserrings der Bandscheiben<br />

dienen.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass bei aufrechter Sitzhaltung das Gesundheitsrisiko<br />

durch beide Arten der Beurteilungsgrößen gleich gut abgebildet. Ob dies z.B. auch beim<br />

Sitzen mit vorgeneigtem Oberkörper, einer häufig von Fahrern auf Containerbrücken<br />

eingenommenen Sitzhaltung, gilt, muss überprüft werden, da durch die notwendige<br />

Haltearbeit der Rückenmuskulatur die statischen Kraftanteile in den<br />

Bewegungssegmenten erhöht sind.<br />

Literatur<br />

Fritz, M., Fischer, S., Bröde, P.: Vibration induced low back disorders – comparison of<br />

the vibration evaluation according to ISO 2631 with a force-related evaluation, Applied<br />

Ergonomics, 36, 2005,481-488.<br />

Fritz, M., Geiß, O., Fischer, S.: Vergleich der Schwingungsbewertung von Ganzkörper-<br />

Schwingungen gemäß VDI 2057 von 1987 mit der aktuellen Bewertung sowie einer<br />

kraftbezogenen Bewertung, In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.):<br />

Kompetenzentwicklung in realen und virtuellen Arbeitssystemen, GfA-Press, Dortmund,<br />

2007, 553-556.<br />

ISO 2631-5: Mechanical vibration and shock – Evaluation of human exposure to wholebody<br />

vibration – Method for evaluation of vibration containing multiple shocks.<br />

International Organization for Standardization, Geneva, 2004.<br />

Matsumoto, Y., Griffin, M.J.: Nonlinear subjective and biodynamic responses to<br />

continuous and transient whole-body vibration in the vertical direction, J Sound Vibration<br />

287, 2005, 919–937.<br />

Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung<br />

(BKV), Bek. Des BMGS vom 1. Juni 2005, Bundesarbeitsblatt 7-2005, S. 43ff<br />

Notbohm, G., Schwarze, S., Albers, M.: Reanalyse von Daten der epidemiologischen<br />

Studie „Ganzkörpervibration“, In: VDI Wissensforum IWB GmbH (Hrsg.), VDI-Berichte<br />

2002, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf, 2007, 29-44.<br />

Schwarze, S., Notbohm, G., Hartung, E., Dupuis, H.: Auswirkungen von<br />

Ganzkörperschwingungen auf die Lendenwirbelsäule.<br />

Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 33, 1998, 429-442.<br />

VDI 2057, Blatt 1: Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen –<br />

Ganzkörper-Schwingungen. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2002.<br />

405


V89<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Vergleichende ergonomische Laboranalyse besonders<br />

dynamischer Büroarbeitsstühle<br />

Rolf Ellegast 1 , Kathrin Keller 1 , Helmut Berger 2 , Frank Krause 3 , Liesbeth Groenesteijn 3 , Merle<br />

Blok 3 , Peter Vink 3<br />

1<br />

BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757<br />

Sankt Augustin<br />

2<br />

VBG – Ihre Gesetzliche Unfallversicherung, Nikolaus-Dürkopp-Str. 8, 33602 Bielefeld<br />

3<br />

TNO Work and Employment, P.O. Box 718 NL-2130 AS Hoofddorp, Niederlande<br />

Einleitung<br />

Häufiges und dauerhaftes Arbeiten in statischen Sitzhaltungen kann bei Beschäftigten an<br />

Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen zu Verspannungen der Muskulatur und zu<br />

Wirbelsäulenbeschwerden führen [1]. Hierbei kann es sowohl zu statischen<br />

Überbelastungen der Muskulatur, insbesondere im Schulter-Nackenbereich, als auch zu<br />

funktionellen Unterbeanspruchungen bestimmter Muskelpartien, wie beispielsweise der<br />

Rücken- und Bauchmuskulatur, kommen [2]. In den vergangenen Jahren wurde daher<br />

bei der Entwicklung von Bürodrehstühlen das Konzept des dynamischen Sitzens<br />

gefördert. Einige Hersteller von Bürodrehstühlen haben durch konstruktive Elemente, wie<br />

z. B. einer dynamischen Aufhängung der Sitzfläche oder auch einer aktiven<br />

Eigenrotation der Sitzfläche, besondere Stuhleigenschaften geschaffen, die das<br />

dynamische Sitzen fördern und damit Muskel-Skeletterkrankungen an Büro- und<br />

Bildschirmarbeitsplätzen präventiv vermeiden sollen. Auf Initiative der VBG wurde vor<br />

diesem Hintergrund am BGIA in Kooperation mit dem niederländischen TNO-Institut eine<br />

vergleichende ergonomische Untersuchung zur Evaluierung von vier besonderen<br />

dynamischen Büroarbeitsstühlen im Vergleich zu einem konventionellen Büroarbeitsstuhl<br />

im Labor und Feld durchgeführt [3]. Die Fragestellungen des hier vorgestellten Laborteils<br />

der Studie waren:<br />

Führen besondere dynamische Büroarbeitsstühle im Vergleich zum Referenzstuhl zu<br />

einer signifikanten Veränderung der Muskelaktivität (m. erector spinae, m. trapezius), der<br />

Sitzhaltungen/-bewegungen und der physischen Aktivität?<br />

Welchen Einfluss haben verschiedene Tätigkeiten auf das Ausmaß der Bewegung und<br />

der muskulären Aktivität an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen?<br />

Methoden<br />

In Laborumgebung wurde ein praxisnaher Bildschirm- und Büroarbeitsplatz aufgebaut.<br />

10 Probanden (5 Männer und 5 Frauen) nahmen an den Laborversuchen teil. Das<br />

mittlere Alter der Männer betrug 35,2 Jahre (SD: 12,3 Jahre) und der Frauen 34,8 Jahre<br />

(SD: 12,7 Jahre). Die Körpergröße lag im Bereich von 1,75 m bis 1,86 m bei den<br />

Männern und von 1,62 m bis 1,68 m bei den Frauen. Das Körpergewicht variierte von 76<br />

kg bis 100 kg bei den Männern und von 47 kg bis 78 kg bei den Frauen.<br />

406


V89<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Vier besonders dynamische Büroarbeitsstühle mit den Labeln A, B, C, und E sowie ein<br />

Referenzstuhl (D) wurden vergleichend untersucht. Stuhl A besaß einen Motor unter der<br />

Sitzfläche, der fünfmal in der Minute eine Rotation um 0,8° nach links und rechts<br />

ausführte. Stuhl B war mit einem Federsystem ausgestattet, das Schwingungen der<br />

Sitzfläche in der Horizontalen erlaubt. Die Sitzfläche von Stuhl C war durch ein spezielles<br />

Pendelgelenk dynamisch aufgehängt. Stuhl E besaß ebenfalls ein spezielles Sitzgelenk,<br />

mit dem besondere Sitzflächenneigeverstellungen ermöglicht werden. Der Referenzstuhl<br />

D hatte keine besonderen dynamischen Eigenschaften. Alle Stühle, mit Ausnahme des<br />

Stuhls C, waren mit einer Synchronmechanik ausgestattet.<br />

Jeder Proband testete im Labor alle fünf Bürodrehstühle bei der Durchführung der<br />

folgenden, standardisierten Tätigkeiten (Dauer der Tätigkeit in Klammern):<br />

Lesen und Korrigieren (zweimal jeweils 10 Minuten)<br />

Wordprocessing (zweimal jeweils 20 Minuten)<br />

Konzentrierte Mausnutzung (20 Minuten)<br />

Aktensortieren (10 Minuten)<br />

Telefonieren (10 Minuten)<br />

Die Körperhaltungs und –bewegungsmessung erfolgte mittels des CUELA-Messsystems<br />

für sitzende Tätigkeiten [3]. Aus den Messsignalen der 3D-Beschleunigungsaufnehmer<br />

wurden folgende Körper-/Gelenkwinkel berechnet: Kopfneigung (sagittal und lateral),<br />

Flexion/Extension und Lateralflexionen der Wirbelsäule im Brustwirbelsäulen- (Th 3)<br />

sowie Lendenwirbelsäulenbereich (L1 und L5), Kyphose-/Lordose der<br />

Lendenwirbelsäule, Lage der Ober- und Unterschenkel (rechts/links) im Raum. Die 3D-<br />

Beschleunigsmesswerte wurden darüber hinaus in körperliche Aktivitätsmaße (PAI-<br />

Werte) umgerechnet [4].<br />

Mittels Oberflächen-Elektromyographie (EMG) wurde die Muskelaktivität des Musculus<br />

trapezius (rechts/links) und Musculus erector spinae (rechts/links) gemessen. Zur<br />

Bewertung der EMG-Signale wurde der RMS-Wert aus den EMG-Rohsignalen<br />

berechnet. Zur Normierung der RMS-Werte führten die Probanden zu Beginn und zum<br />

Ende der Messung Referenztätigkeiten aus, so dass alle Muskelaktivitäten in Bezug zu<br />

einer Referenzaktivität (RVC – Reference Voluntary Contraction) stehen.<br />

Zur Messung der Einstellung des Bürodrehstuhles wurden Beschleunigungsaufnehmer<br />

zur 2D-Erfassung der Rückenlehnen- und Sitzflächenneigung eingesetzt. Mit FSR-<br />

Drucksensoren (jeweils sechs auf der Sitzfläche und der Rückenlehne und jeweils drei<br />

auf den Armlehnen) wurde der zeitliche und räumliche Umfang der Nutzung von<br />

Sitzfläche, Armlehne und Rückenlehne erfasst.<br />

407


V89<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Alle Messdaten wurden synchron mit einer Abtastfrequenz von 50 Hz in einem<br />

Datenlogger des CUELA-Messsystems erfasst und wurden in der CUELA-Software<br />

zusammen mit einer digitalisierten Videoaufnahme der Arbeitsplatzsituation ausgewertet.<br />

Zur statistischen Auswertung wurden die folgenden beiden Nullhypothesen überprüft:<br />

1. Die Stühle bewirken ein gleiches Ausmaß an Bewegung und muskulärer Aktivität.<br />

2. Die Tätigkeiten bewirken ein gleiches Ausmaß an Bewegung und muskulärer<br />

Aktivität.<br />

Hierzu wurde eine ANOVA-Analyse mit Messwiederholungen (Allgemeines Lineares<br />

Modell, ALM) bei einem Signifikanzniveau von p< 0,05 mit der Software SPSS (Vers.<br />

15.0) durchgeführt.<br />

Ergebnisse<br />

In Tabelle 1 sind die über 10 Probanden gemittelten Mittelwerte, 50. und 95. Perzentile<br />

der Verteilungen der Muskelaktivitäten (m. erector spinae und m. trapezius, jeweils<br />

rechts und links) in %RVC für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den<br />

Referenzstuhl D, zusammen mit den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der<br />

Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit, dargestellt. Die EMG-Messungen lieferten über<br />

alle untersuchten Tätigkeiten im Labor geringe Muskelaktivitäten mit Werten kleiner 20<br />

%RVC (Mediane). In den 95.Perzentilwerten der Verteilungen der Muskelaktivitäten<br />

wurden für alle untersuchten Muskeln Werte kleiner 50 %RVC gemessen. Die<br />

Streuungen der Muskelaktivitäten des m. trapezius links/rechts waren größer als die des<br />

m. erector spinae links/rechts. Es konnten keine signifikanten Unterschiede der Muskelaktivitäten<br />

für die besonderen dynamischen Stühle im Vergleich zum Referenzstuhl<br />

gemessen werden. Im Gegensatz hierzu wurden beim Vergleich der standardisierten<br />

Tätigkeiten signifikante Unterschiede der EMG-Aktivitäten ermittelt. Insbesondere waren<br />

die Aktivitäten des m. trapezius rechts/links stark von den ausgeführten Tätigkeiten<br />

abhängig.<br />

Tabelle 2 zeigt die über 10 Probanden gemittelten Mittelwerte, 50. und 95. Perzentile der<br />

Verteilungen ausgewählter Körperwinkel und physischer Aktivitätsindizes (PAI-Werte) in<br />

° bzw. %g für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl<br />

D. Die zugehörigen Standardabweichungen sind in Klammern angegeben. Ferner sind<br />

die statistischen Ergebnisse (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit<br />

gelistet. Wie erwartet, wurden negative Beckenneigungswinkel (gegenüber dem<br />

aufrechten Stand) mit Werten zwischen -13° und -20° für die Mediane gemessen. Die<br />

Rumpfneigungswinkel lagen für alle Stühle in den Medianen im aufrechten bis leicht<br />

nach hinten geneigten Winkelbereich (zwischen -3° und 1°). Die Lendenwirbelsäule war<br />

überwiegend in Kyphosehaltung mit Medianwerten zwischen 43 % und 57 % der<br />

maximalen individuellen Kyphosehaltungen. Für alle Stühle waren die physischen<br />

408


V89<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Aktivitätsindizes (PAI-Werte) der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule (am<br />

Lendenwirbel L1) auch im 95.Perzentil kleiner als 1%g. Die Messungen der<br />

Körperhaltungen und -winkel sowie der physischen Aktivitäten (PAI-Werte) ergaben<br />

ebenfalls nur in Ausnahmen signifikante Unterschiede zwischen den besonderen<br />

dynamischen Stühlen und dem Referenzstuhl. Lediglich bei den PAI-Werten von L1<br />

zeigten die Innersubjekteffekte für den Stuhl signifikante Unterschiede, die auf<br />

Differenzen im Vergleich der Stühle A mit dem Referenzstuhl D zurückzuführen waren.<br />

Allerdings ist das physische Aktivitätsniveau für beide Stühle bei den hier untersuchten<br />

standardisierten Tätigkeiten sehr gering. Im Gegensatz hierzu wurden beim Vergleich<br />

der standardisierten Tätigkeiten signifikante Unterschiede der Körperhaltungen und PAI-<br />

Werte zwischen den einzelnen standardisierten Tätigkeiten ermittelt.<br />

Beim Vergleich der gemessenen Sitzparameter (Sitzflächenneigung und –seitneigung<br />

sowie Rückenlehnenneigung) wurden zwischen den dynamischen Stühlen und dem<br />

Referenzstuhl z. T. signifikante Unterschiede ermittelt, die aber offensichtlich keinen<br />

signifikanten Einfluss auf die Sitzdynamik der Probanden hatte.<br />

Diskussion<br />

Die Laboruntersuchung ergab, dass die untersuchten dynamischen Büroarbeitsstühle im<br />

Vergleich zum Referenzstuhl zu keiner signifikanten Veränderung der Muskelaktivität (m.<br />

erector spinae, m. trapezius) und der Sitzhaltungen/-bewegungen führte. Der Einfluss<br />

der verschiedenen Tätigkeiten auf das Ausmaß der Bewegung und der muskulären<br />

Aktivität am Büro- und Bildschirmarbeitsplatz war bei den standardisierten<br />

Laborversuchen dagegen signifikant. Die ausgeübte Tätigkeit hat demnach einen<br />

größeren positiven Einfluss auf die individuelle Sitzdynamik des Menschen als die<br />

Beschaffenheit der untersuchten Büroarbeitsstühle. Dieser Aspekt sollte bei der<br />

ergonomischen Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen Berücksichtigung<br />

finden.<br />

Literatur<br />

[1] Rohlmann, A., Wilke, H.-J., Graichen, F., Bergmann, G.. Wirbelsäulenbelastung beim Sitzen<br />

auf einem Bürostuhl mit nach hinten kippbarer Rückenlehne. Biomed Techn (Berl) 47 (2002) 91-<br />

96.<br />

[2] Diebschlag, W., Heidinger, F.. Ergonomische Sitzgestaltung zur Prävention<br />

sitzhaltungsbedingter Wirbelsäulenschädigungen. Arbeitsmed Sozialmed Präventivmed (ASP) 25<br />

(1990) 123-126.<br />

[3] Ellegast, R.P., Keller, K., Hamburger, R., Berger, H., Krause, F., Groenesteijn, L., Blok, M.,<br />

Vink, P.. Ergonomische Untersuchung besonderer Büroarbeitsstühle. BGIA-Report 5/2008, ed.:<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Sankt Augustin 2008,<br />

http://www.dguv.de/bgia/de/pub/rep/rep07/bgia0508/index.jsp.<br />

[4] Weber, B., Wiemeyer, J., Hermanns, I., Ellegast, R.. Assessment of everyday physical activity:<br />

Development and evaluation of an accelerometry based measuring system. Int. Journal of<br />

Computer Sciences in Sport, 6 (2007), 4-20.<br />

409


V89<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

A B C E D Stuhl Tätigkeit<br />

Muskelaktivität<br />

EMG erector spinae links (%RVC)<br />

Mittelwert 10,6 (8,0) 11,7 (10,4) 7,7 (10,6) 9,8 (8,3) 11,0 (9,8) 0,359 0,009<br />

50. Perzentil 9,9 (9,2) 10,2 (9,3) 7,0 (11,4) 8,6 (9,0) 10,2 (10,2) 0,526 0,010<br />

95. Perzentil 22,6 (11,6) 27,8 (40,9) 19,8 (13,6) 22,9 (14,9) 21,0 (13,4) 0,353 0,539<br />

EMG erector spinae rechts (%RVC)<br />

Mittelwert 10,2 (9,0) 11,5 (8,5) 9,8 (10,1) 9,2 (8,3) 11,0 (6,8) 0,789 0,003<br />

50. Perzentil 9,4 (9,9) 10,6 (9,2) 8,9 (11,1) 8,5 (9,3) 10,1 (7,4) 0,838 0,007<br />

95. Perzentil 23,5 (11,5) 27,2 (27,0) 23,2 (13,8) 20,6 (10,5) 21,5 (10,7) 0,453 0,280<br />

EMG trapezius links (%RVC)<br />

Mittelwert 11,7 (18,5) 10,6 (21,2) 6,9 (30,5) 12,8 (19,3) 8,0 (23,1) 0,594 0,000<br />

50. Perzentil 9,9 (18,5) 8,4 (20,7) 4,2 (30,8) 11,5 (18,4) 7,0 (22,1) 0,394 0,000<br />

95. Perzentil 30,6 (32,9) 33,1 (41,7) 33,1 (49,1) 29,5 (32,7) 25,8 (33,5) 0,903 0,000<br />

EMG trapezius rechts (%RVC)<br />

Mittelwert 18,4 (23,3) 19,1 (25,4) 13,1 (23,5) 13,6 (19,7) 10,0 (21,0) 0,276 0,000<br />

50. Perzentil 15,2 (24,0) 15,3 (26,5) 9,3 (24,8) 10,9 (20,0) 7,3 (21,6) 0,265 0,000<br />

95. Perzentil 44,0 (38,7) 48,7 (38,5) 41,3 (37,1) 36,1 (31,1) 33,1 (28,8) 0,199 0,000<br />

Stuhl<br />

Innersubjekteffekte<br />

Tabelle 1: Mittelwerte (Standardabweichung) über 10 Probanden der Mittelwerte, 50. und 95.<br />

Perzentile der Verteilungen der Muskelaktivitäten (m. erector spinae und m. trapezius) in %RVC<br />

für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl D, zusammen mit<br />

den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und Tätigkeit.<br />

Stuhl<br />

Innersubjekteffekte<br />

A B C E D Stuhl Tätigkeit<br />

Körperwinkel<br />

Beckenneigung (°)<br />

Mittelwert -13 (13) -18 (14) -17 (15) -20 (16) -17 (15) 0,151 0,000<br />

50. Perzentil -13 (14) -18 (15) -17 (16) -20 (17) -18 (16) 0,165 0,000<br />

95. Perzentil -6 (14) -11 (14) -12 (15) -13 (17) -10 (16) 0,204 0,000<br />

Rumpfneigung (°)<br />

Mittelwert 1 (10) -2 (11) 0 (13) -3 (13) -2 (12) 0,448 0,000<br />

50. Perzentil 1 (11) -2 (12) 0 (13) -3 (14) -3 (12) 0,433 0,000<br />

95. Perzentil 7 (12) 5 (11) 4 (13) 3 (15) 5 (12) 0,572 0,020<br />

Lordose / Kyphose (%ind.max.)<br />

Mittelwert 57 (20) 43 (26) 47 (32) 55 (21) 53 (24) 0,126 0,001<br />

50. Perzentil 57 (20) 43 (27) 47 (32) 56 (22) 53 (25) 0,126 0,002<br />

95. Perzentil 67 (19) 58 (22) 58 (27) 66 (21) 64 (22) 0,379 0,000<br />

Physische Aktivität (PAI)<br />

PAI BWS (%g)<br />

Mittelwert 0,3 (0,2) 0,4 (0,1) 0,3 (0,2) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,310 0,000<br />

50. Perzentil 0,2 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,561 0,000<br />

95. Perzentil 0,8 (0,4) 0,9 (0,4) 0,8 (0,4) 0,8 (0,4) 0,8 (0,4) 0,210 0,000<br />

PAI L1 (%g)<br />

Mittelwert 0,2 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,3 (0,1) 0,2 (0,1) 0,003 0,000<br />

50. Perzentil 0,1 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,2 (0,1) 0,018 0,000<br />

95. Perzentil 0,5 (0,3) 0,6 (0,3) 0,6 (0,4) 0,6 (0,3) 0,6 (0,4) 0,010 0,000<br />

Tabelle 2: Mittelwerte (Standardabweichung) über 10 Probanden der Mittelwerte, 50. und 95.<br />

Perzentile der Verteilungen ausgewählter Körperwinkel und physischer Aktivitätsindizes (PAI-<br />

Werte) in ° bzw. %g für alle besonderen dynamischen Stühle (A, B, C, E) und den Referenzstuhl<br />

D, zusammen mit den statistischen Ergebnissen (p-Werte) der Innersubjekteffekte Stuhl und<br />

Tätigkeit.<br />

410


V90<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Zur Biomechanik des dynamischen Sitzens<br />

Fritz Andreas Schön, Dieter Preim<br />

Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen<br />

Im Zusammenhang mit der Biomechanik des Sitzverhaltens spielt der Neigungswinkel<br />

einer Sitzfläche eine entscheidende Rolle. Die Hersteller von Bürodrehstühlen haben in<br />

dieser Hinsicht eine unterschiedliche Meinung, was den Neigungsgrad betrifft. Dieser<br />

reicht von -2° im geringsten bis zu -15° im stärksten Fall. Weil diese Frage für die<br />

Beurteilung von ergonomischen Arbeitsstühlen eine entscheidende Rolle spielt, haben<br />

wir dies in einer Studie an 32 gesunden freiwilligen Versuchspersonen versucht, einmal<br />

näher zu beleuchten. (Schön & Preim, 2000)<br />

Der dafür entwickelte Versuchsträger verfügte über einen elektromotorischen Antrieb,<br />

der über eine Gewindespindel die Sitzfläche in 4,5 Sekunden um ein Grad hob oder<br />

senkte, so dass sich der Proband mittels Wipptaste in den für ihn angenehmsten<br />

Sitzwinkel hineinfühlen konnte.<br />

Auf der Basis von über 1500 Einzelmessungen konnte so ein mittlerer Sitzneigewinkel<br />

von -8° ermittelt werden wobei kurzfristige Neigungswinkel von -12° erreicht wurden.<br />

Geschlechtsspezifische Unterschiede konnten statistisch nicht gesichert werden.<br />

Der Neigungswinkel auf einer beweglichen Sitzfläche ist allerdings nicht allein von der<br />

Beckenkippung abhängig sondern auch von der Beinstellung.<br />

Dies zeigte ein weiterer Versuch auf demselben Versuchsträger, nachdem der<br />

elektromotorische Antrieb entfernt und durch eine Druck- und Zugfeder mit einer<br />

Federkraft von 340 N ersetzt wurde. In dem 30-minütigen Test wurden alle 15 Sekunden<br />

sowohl die Neigungswinkel als auch die Beinstellung registriert<br />

Die höheren Neigungswinkel wurden erzielt, wenn die Kniegelenksebene deutlich unter<br />

der Hüftgelenksebene war und sich somit der Körperöffnungswinkel vergrößerte. Damit<br />

kippt das Becken nach vorne. Im Hinblick auf die Wirbelsäulenposition im LWS Bereich<br />

wird fast annähernd der Zustand wie im Stehen erreicht. Ein Vergleich von<br />

Röntgenpausen ein und derselben Person zeigt z. B. im Hinblick auf den Neigungsgrad<br />

der Kreuzbeindeckplatten-tangente das folgende Ergebnis: Im Stehen einen Winkel von<br />

41°. Das entspricht in der Literatur einem Normalbecken. Bei der 0°-Position des<br />

Versuchsträgers dreht das Becken deutlich nach hinten. Der Winkel der<br />

Kreuzbeindeckplattentangente liegt hier bei 11°. In der Literatur werden sogar negative<br />

Winkelgrade bei starker Rundrückenbildung beschrieben. Bei einer Neigung des<br />

411


V90<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Versuchsträgers von -8° dreht das Becken nach vorne und erreicht einen<br />

Tangentenwinkel von 34°, was dem Winkel im Stehen schon recht nahe kommt, so dass<br />

die Aussage der Orthopäden, dass Stehen für die Wirbelsäule weniger belastend sei als<br />

Sitzen im diesem Falle nicht mehr zutreffen würde.<br />

Neigungsgrad der Kreuzbeindeckplattentangente<br />

Im Stehen<br />

Im Sitzen: Sitzneigung 0° Im Sitzen: Sitzneigung -8°<br />

( Röntgenpause der LWS Hochschulärztliche Einrichtung RWTH Aachen 9/2001 )<br />

Abb.: Neigungsgrad der Kreuzbeindeckplattentangente<br />

Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich folgendes ableiten: Wirkliches<br />

dynamisches Sitzen setzt eine Stuhlmechanik mit abgestimmter Dreh-Bewegung von<br />

Sitzfläche und Rückenlehne einerseits und gewichtskraftabhängiger Drehbewegung der<br />

Sitzfläche nach vorne voraus. Diese Mechaniken findet man allerdings nur bei wenigen<br />

Bürodrehstuhl-Modellen, was letztlich auch eine Kostenfrage ist.<br />

Bei den Bürodrehstühlen mit ausschließlicher Synchronmechanik findet lediglich eine<br />

Drehbewequng zwischen Rückenlehne und Sitzfläche statt und somit fast ausschließlich<br />

eine Drehbewegung im Hüftgelenk und nirgendwo sonst.<br />

Wenn man von der Überlegung ausgeht, dass der Mensch die Haltung und Bewegung<br />

vorgeben soll und nicht der Arbeitsstuhl, dann setzt dies eine Stuhlmechanik voraus, die<br />

nicht nur eine Bewegung zwischen Rückenlehne und Sitzfläche sondern zusätzlich eine<br />

Eigenbewegung der Sitzfläche in sich selbst zulässt.<br />

412


V90<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Das Bewegungsausmaß der Rückenlehne sollte unseres Erachtens 125° nicht<br />

wesentlich überschreiten und eine automatische gewichtskraftabhängige Vorneigung der<br />

Sitzfläche bis -12° zulassen.<br />

Um das Bewegungsverhalten auf einem derartigen serienmäßigen Arbeitsstuhl unter<br />

realistischen Arbeitsplatzbedingungen zu beobachten, haben wir eine Feldstudie an 64<br />

freiwilligen gesunden Versuchspersonen an 4 verschiedenen Arbeitsplätzen mit einer<br />

Gesamtaufzeichnungszeit von 380 Stunden durchgeführt. 195 Stunden<br />

Aufzeichnungszeit für verschiedene Büroarbeitsplätze, 80 Stunden in einem Callcenter<br />

des Universitätsklinikums Aachen, 82 Stunden an der Leitstelle der Hochschulwache an<br />

der RWTH Aachen und 23 Stunden in einer Seminarveranstaltung zu einem<br />

naturwissenschaftlichen Studiengang ebenfalls an der RWTH Aachen.(Schön & Preim,<br />

<strong>2009</strong>)<br />

Als Versuchsstuhl diente ein 5 Jahre alter ergonomischer Bürodrehstuhl unseres<br />

Rahmenvertragspartners Dauphin, Offenhausen, Modell ContourLine, bei dem die<br />

Drehachsen für die Rückenlehne und die Sitzfläche für die Anbringung der<br />

Messwertaufnehmer sehr gut zugänglich waren.<br />

Die Sitzfläche hatte einen maximalen Drehwinkel von -10° aus der Horizontalen nach<br />

vorne und die Rückenlehne einen solchen von 22° aus der Senkrechten nach hinten.<br />

Wir haben uns für die Entwicklung eines elektromechanischen analogen Aufzeichnungsgerätes<br />

entschieden, weil mit diesem Gerät unmittelbar nach der Aufzeichnung bereits<br />

eine erste Auswertung und Interpretation der berußten Aluminiumfolie auf der<br />

Schreibertrommel vorgenommen werden konnte. Das Aufzeichnungsgerät war unter<br />

dem Versuchsstuhl einschließlich Batterie so angebracht, dass der Arbeitsstuhl exakt auf<br />

die Körperproportionen der Versuchsperson eingestellt werden konnte und das Gerät<br />

während der Aufzeichnungs-zeit nicht behinderte. Das Gerät zeichnete jede noch so<br />

kleine Bewegung für die Sitzfläche und Rückenlehne nach Art eines Fahrtenschreibers<br />

verzögerungsfrei über haarfeine Stahlnadeln auf. (Auflösung: 0,3°).<br />

Die Auswertung von 77 Messprotokollen zeigte die folgenden Ergebnisse:<br />

Eine Zuordnung zwischen den Bewegungen von Sitzfläche und Rückenlehne in<br />

Abhängigkeit von der Tageszeit konnte nur am Arbeitsplatz mit Überwachungstätigkeit<br />

hergestellt werden und zwar für die Zeit von Mitternacht bis 5:00 Uhr morgens. Hinweise,<br />

dass in der Phase des nachmittäglichen Tiefs am Büroarbeitsplatz vermehrt die hintere<br />

Sitzhaltung eingenommen werden würde, ergaben sich nicht. Einen Zusammenhang<br />

zwischen einer bestimmten Tätigkeit und dem Sitzverhalten konnten wir nur für<br />

413


V90<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

stereotype Arbeitsabläufe herstellen wie beispielsweise dem Arbeiten an einem<br />

Flachbettscanner. Ein Zusammenhang zwischen Bewegungsverhalten und<br />

Arbeitsaufgabe ergab sich nicht, wenn man verschiedene Personen unter identischen<br />

Arbeitsplatzbedingungen und identischen Arbeitsaufgaben vergleicht. Das individuelle<br />

Sitzverhalten ist offensichtlich so prägend wie der menschliche Gang. Bei einem Teil der<br />

Versuchspersonen konnten in den Messprotokollen immer wiederkehrende<br />

Mikrobewegungen beobachtet werden, so dass man in solchen Fällen sogar von einer<br />

Art „motorischen Fingerabdruck“ sprechen könnte.<br />

Die Vermutung, dass man bei einer Sitzflächenneigung von -10° aus dem Stuhl rutscht,<br />

kann eindeutig nicht bestätigt werden. In keinem einzigen Fall ist dies von den<br />

Probanden berichtet worden, selbst von denen nicht, die vor dem Versuch dieser<br />

Meinung waren.<br />

Tab.: Prozentuale Verteilung von vorderer (VSH), mittlerer (MSH) und hinterer (HSH) Sitzhaltung<br />

für die verschiedenen Arbeitsbereiche. Büroarbeitsplatz (BAP); Callcenter (Callc.);<br />

Hochschulwache (HSW); Seminarveranstaltung (Sem.)<br />

Das Säulendiagramm zeigt abschließend noch einmal die prozentuale Verteilung der<br />

verschiedenen Sitzhaltungen für die ausgewählten Arbeitsbereiche.<br />

Für den Büroarbeitsplatz überwiegt die vordere Sitzhaltung, für den Callcenter-<br />

Arbeitsplatz die mittlere und für den Arbeitsplatz mit Überwachungstätigkeit die hintere<br />

Sitzhaltung, aber nur für die Nachtstunden. Die Unterschiede konnten statistisch<br />

gesichert werden. Für die Seminarveranstaltung überwiegt zwar die vordere Sitzhaltung,<br />

unterscheidet sich aber statistisch nicht zu den beiden anderen. Abschließend kann man<br />

sagen, dass die vordere Sitzhaltung einen besonderen Anteil einnimmt, selbst bei<br />

solchen Arbeitsformen wie einer Überwachungstätigkeit, bei der man das gemeinhin<br />

nicht vermuten würde.<br />

414


V90<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Verfolgt man den Trend in der Bürostuhl-Entwicklung, der nun schon seit etwa 6 Jahren<br />

zu beobachten ist, stellt man bei hochwertigen Bürodrehstühlen eine Favorisierung der<br />

hinteren Sitzhaltung bis hin zur Liegehaltung fest und zwar mit der Begründung, dass mit<br />

zunehmender Rückneigung die Bandscheibenbelastung reduziert werde.<br />

Literatur<br />

Schön F.A., Preim D. (2000) Untersuchungen zur Bestimmung des individuellen Sitzneigewinkels.<br />

Zbl. Arbeitsmed. 50, 78-85<br />

Schön F.A., Preim D. (<strong>2009</strong>) Feldstudie zum dynamischen Sitzen unter verschiedenen<br />

Arbeitsplatzbedingungen. Zbl. Arbeitsmed. 59, 44-55<br />

415


V91<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Beurteilung der Ergonomie von PC-Eingabemitteln<br />

Ulrike Hoehne-Hückstädt, Sandra Chandra Keller, Rolf Ellegast<br />

BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Referat<br />

Arbeitswissenschaft, Ergonomie, Fachbereich 4 Arbeitsgestaltung – Physikalische Einwirkungen<br />

Ziel:<br />

Der Wandel in der Arbeitswelt geht mit der zunehmenden Computernutzung an<br />

Arbeitsplätzen einher. Laut einer dänischen Studie benutzen 62 % aller Arbeitnehmer/-<br />

innen Computer [1]. In einer Untersuchung an Arbeitsplätzen in einem Finanzamt in<br />

Nordrhein-Westfalen beispielsweise konnte eine Computernutzung während 30 % der<br />

Arbeitszeit festgestellt werden [2]. Woods et al. [3] geben sogar Arbeit am Computer von<br />

im Schnitt sechs Stunden/Tag an, wovon während ca. zwei Drittel der Zeit ein<br />

Eingabemittel, darunter z. B. Tastatur, Maus oder Trackball, angewendet wird [3; 4].<br />

Gleichzeitig lassen sich auch an diesen Arbeitsplätzen mit vermeintlich geringer<br />

Belastung Muskel-Skelett- Beschwerden der oberen Extremitäten beobachten. In diesem<br />

Zusammenhang sollen ergonomisch gestaltete Eingabemittel helfen, Belastungen zu<br />

reduzieren und das Auftreten weiterer Beschwerden zu vermeiden. Um einen Überblick<br />

über den aktuellen Wissensstand zur ergonomischen Gestaltung von Eingabemitteln zu<br />

gewinnen, wurde vom BGIA auf Initiative der VBG eine Literaturstudie durchgeführt.<br />

Ziel dieser Studie war es, biomechanische und physiologische Kriterien zur Beurteilung<br />

der Ergonomie von PC-Eingabemitteln aus der arbeitswissenschaftlichen Literatur<br />

zusammenzustellen und möglichst in einer Prüfliste zur Verfügung zu stellen.<br />

Methoden:<br />

Es wurde eine umfangreiche Recherche in der wissenschaftlichen Literatur nach Artikeln<br />

zu dem Thema „Ergonomie von Eingabemitteln“ der letzten zwanzig Jahre in englischer<br />

und deutscher Sprache durchgeführt. Zunächst wurden Ergebnisse aus einschlägigen<br />

Normen und Richtlinien verschiedener Institutionen, die sich mit Arbeitsschutz befassen,<br />

zusammengestellt [4-15]. Konkrete Empfehlungen bzw. Prüfungskriterien, mit denen sich<br />

die Ergonomie von Eingabemitteln mittels biomechanischer und physiologischer<br />

Parameter beurteilen läßt, konnten jedoch oftmals nicht abgeleitet werden.<br />

Die Suche erfolgte über das Internet und Datenbanken, insbesondere die der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der<br />

Berufsgenossenschaften, CiteSeer, Compendex, Forschungsportal.net, Google Scholar,<br />

INSPEC und PubMed. Als Suchbegriffe wurden verschiedene Eingabemittel und deren<br />

Kombinationen mit Computer, Büroarbeitsplatz, (Daten-) Eingabegeräte, Ergonomie,<br />

Peripheral Equipment, Tastaturneigung, (alternatives) Computerdesign, Belastung u.ä. in<br />

englischer und deutscher Sprache verwendet. Bei mehr als 1000 Treffern wurde die<br />

Sucheingabe verfeinert. Die Literatursuche beschränkte sich zunächst auf die<br />

416


V91<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Eingabemittel Tastatur, Maus, Trackball, Berührungsbildschirm, Joystick und Griffel mit<br />

Tablettnutzung. Für eine fundierte Auswertung wurden allerdings nur für die Suchbegriffe<br />

Tastatur, Maus, Trackball und Griffel mit Tablettnutzung genügend bzw. geeignete<br />

Studien gefunden. Zu Berührungsbildschirm und Joystick gibt es zwar eine Vielzahl von<br />

Veröffentlichungen, der größte Teil beschäftigt sich aber mit Tätigkeiten, die am<br />

Büroarbeitsplatz nicht ausgeübt werden. Daher wurden diese Artikel nicht weiter<br />

berücksichtigt; allerdings stellte sich während der Literaturanalyse heraus, dass die<br />

Hand- bzw. Armauflage eine wichtige Rolle in der ergonomischen Gestaltung des<br />

Gesamtarbeitsplatzes spielt und entsprechend die ergonomische Beurteilung eines<br />

Eingabemittels hiervon stark beeinflusst wird. Daher wurde dieses Thema in die<br />

Literaturrecherche mit aufgenommen.<br />

Kriterium für die Gewichtung eines Artikels war auf der ersten Ebene die Relevanz des<br />

untersuchten Gegenstandes (vgl. Literatur zu Berührungsbildschirm und Joystick). Auf<br />

der zweiten Ebene wurden die verbliebenen Studien nach sechs weiteren Kriterien<br />

beurteilt; nämlich nach der Probandenzahl, der Art der Datenerfassung, dem<br />

Untersuchungsplan, der Test-Tätigkeit, dem Studiendesign (Kontrollgruppe bzw.<br />

Vergleichsgruppe) und der dargestellten statistischen Auswertung.<br />

Anhand dieser sechs Kriterien wurde die Güte der Studien mit einer 1 (< 50 % der<br />

Kriterien sind erfüllt), einer 2 (≥ 50 % der Kriterien sind erfüllt) oder 3 (100 % der Kriterien<br />

sind erfüllt) bewertet.<br />

So wurden schließlich 93 Studien nach den Kriterien eingeschätzt und zur Auswertung<br />

herangezogen.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Analyse der arbeitswissenschaftlichen Literatur lieferte ergänzende, teilweise jedoch<br />

auch widersprüchliche Erkenntnisse zu den Normen und Richtlinien. Die Umsetzung<br />

einiger neuer Gestaltungsvorschläge für Eingabemittel beeinträchtigt zusätzlich die<br />

ergonomische Gestaltung des gesamten Arbeitsplatzes.<br />

Abbildung 1:<br />

Tastaturneigung:<br />

links: positive Neigung<br />

rechts: negative Neigung<br />

Beispielsweise schlagen die Normen Tastaturen, die neigbar sind und einen positiven<br />

Winkel bis 15° zulassen, vor; dahingegen lassen sich in der arbeitswissenschaftlichen<br />

417


V91<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

Literatur Empfehlungen zur negativen Tastaturneigung finden (vgl. Abbildung 1). Bei<br />

Änderung der Tastaturneigung zum Bildschirm hin wird dann zwar eine Reduktion der<br />

Extension im Handgelenk erzielt, jedoch im Gegenzug führt dies auch zu einer Erhöhung<br />

der Ulnarduktion. Je nachdem, durch welche Gestaltungsmaßnahme die negative<br />

Tastaturneigung erreicht wird, können sich in der Folge ungünstigere Haltungen der<br />

Ellbogen, der Beine oder des Rückens und Nackens ergeben.<br />

Schlussfolgerung:<br />

Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich die Notwendigkeit, den gesamten<br />

Arbeitsplatz und die Aufgaben bzw. Tätigkeiten zu analysieren und zu berücksichtigen,<br />

wenn man die Eingabemittel ergonomisch beurteilt und zur Wahl eines bestimmten<br />

Eingabemittels rät. In der Diskussion der Studienergebnisse wurden Lösungsansätze für<br />

konsistente Empfehlungen entwickelt. Schließlich wurde eine Checkliste erarbeitet, die<br />

Arbeitsmedizinern Hilfe bietet, spezifische arbeitsbezogene Ursachen von Beschwerden<br />

zu erkennen, in Zusammenarbeit mit Ergonomen oder Sicherheitsfachkräften den<br />

Arbeitsplatzes ergonomisch zu beurteilen und das passende Eingabemittel zu wählen.<br />

Dabei wird ein Büroarbeitsplatz angestrebt, an dem neben den hier fokussierten<br />

Eingabetätigkeiten alle anfallenden Tätigkeiten möglichst ergonomisch günstig<br />

ausgeführt werden können.<br />

Eine Evaluation der Checkliste in der Praxis steht noch aus.<br />

Literatur:<br />

1 Lassen C F, Mikkelsen S, Kryger AI, Andersen JH. Risk factors for persistent<br />

elbow, forearm and hand pain among computer workers. Scand J Work Environm<br />

Health. 2005; (31):122-31.<br />

2 Luttmann A, Kylian H, Schmidt K, Jäger M. Feldstudie zu<br />

Muskelbeanspruchung und Beschwerden bei ganztägiger Büroarbeit. ErgoMed. 2003;<br />

(5):149-55.<br />

3 Woods V, Hastlings S, Buckle P, Haslam R. University of Surrey and<br />

Loughborough University, editor. Ergonomics of using a mouse or other non-keyboard<br />

input device; 2002.<br />

4 DIN EN ISO 9241-400: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 400:<br />

Grundsätze und Anforderungen für physikalische Eingabegeräte (5/2007). Beuth, Berlin<br />

2007.<br />

5 DIN EN ISO 9241-4: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />

Bildschirmgeräten – Teil 4: Anforderungen an die Tastatur. Beuth, Berlin 1999.<br />

6 DIN EN ISO 9241-5: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />

Bildschirmgeräten – Teil 5: Anforderungen an Arbeitsplatzgestaltung und<br />

Körperhaltung. Beuth, Berlin 1999.<br />

7 DIN EN ISO 9241-9: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit<br />

Bildschirmgeräten – Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel – ausgenommen<br />

Tastaturen. Beuth, Berlin 2002.<br />

8 ISO/FDIS 9241-410 (Norm-Entwurf): Ergonomie der Mensch-System-Interaktion –<br />

Teil 410: Gestaltungskriterien für physikalische Eingabegeräte (11/2007). Beuth, Berlin<br />

2007.<br />

418


V91<br />

Vorträge – Muskulo-skelettale Erkrankungen II<br />

9 Krueger, H. Arbeit mit dem Bildschirm. Kapitel IV – 9.2.1.In:<br />

Konietzko J, Dupuis H, Hrsg. Handbuch der Arbeitsmedizin. Landsberg am Lech:<br />

9. Erg.-Lfg. ecomed 2002. Losebl.-Ausg. S. 1-42.<br />

10 Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), Hrsg. Berufsgenossenschaftliche<br />

Information: Bildschirm- und Büroarbeitsplätze - Leitfaden für die Gestaltung (BGI 650).<br />

Wiesbaden: BC Verlags- und Mediengesellschaft; 2004.<br />

11 Human Resource Management Division (HRM), editor. Guidelines to the selection<br />

and purchase of workstation furniture and equipment. Hamilton (New Zealand):<br />

www.waikato.ac.nz/hrm/internal/policy/purchase.html (3.11.2003)<br />

12 Health and Safety Executive (HSE), editor. Workstation risk assessment<br />

questionnaire – health and safety (display screen equipment) regulations 1992. London:<br />

www.hse.gov.uk/lau/lacs/16-1.htm (7.10.2003)<br />

13 Swedish National Board of Occupational Safety and Health, editor. Ergonomics for<br />

the prevention of musculoskeletal disorders. Solna (Schweden); 1998.<br />

14 Canadian Standards Association (CSA) International, editor. Guideline on office<br />

ergonomics, CSA-Z412. Toronto (Kanada); 2000.<br />

15 DIN EN 1005-1: Menschliche körperliche Leistung, Teil 1: Begriffe. Beuth,<br />

Berlin 2002.<br />

16 Hoehne-Hückstädt U, Chandra Keller S, Ellegast R. Ergonomische Anforderungen<br />

an Eingabemittel für Geräte der Informationstechnik. Sankt Augustin: Deutsche<br />

Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen<br />

Gesetzlichen Unfallversicherung; 2008. BGIA-Report 3/2008.<br />

419


P01<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Erfassung von psychischen und sozialen Belastungen bei<br />

Beschäftigten in der Briefzustellung<br />

Karsten Sonntag 1 , Katrin Groneberg 1 , Rolf Hess-Gräfenberg 2 , Wolfgang Schuster 3 , Andreas<br />

Tautz 4<br />

1 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Stuttgart<br />

2 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Düsseldorf<br />

3 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Koblenz<br />

4 Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Arbeitsmedizin, Bonn<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

420


P02<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Untersuchung der psychomentalen Belastung und<br />

Beanspruchung im Internationalen Schaltraum einer deutschen<br />

Fernsehanstalt<br />

Detlev Jung 1,2 , Rolf Helbig 3 , Verena Bopp 1,3 , Ralph Bruder 3<br />

1 ZDF Mainz<br />

2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz<br />

3 Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt<br />

Einleitung<br />

Der Internationale Schaltraum (ISR) organisiert Übertragungswege für Überspielungen<br />

und Kommunikation aus dem Ausland, nimmt die Überspielungen an, optimiert sie in Bild<br />

und Ton und leitet sie weiter, entweder zur Vorbereitung der Sendung oder auch direkt<br />

auf den Bildschirm. Die Arbeit ist u.a. durch Zeitdruck, hohe Verantwortung, Umgang mit<br />

komplexer, sich ständig ändernder Technik, Schichttätigkeit, hohe Anforderung an<br />

Konzentration und Problemlösekompetenz geprägt.<br />

Aus der Analyse (als Auftrag und mit Unterstützung der Verwaltungs-BG) der<br />

psychomentalen Belastung und Beanspruchung wurden praxisorientierte<br />

Gestaltungsvorschläge abgeleitet.<br />

Methode<br />

8 Mitarbeiter des ISR (7 Männer und 1 Frau zwischen 33 und 58 Jahren, Altersmittel 48<br />

Jahre) wurden untersucht. Bei 4 Untersuchungsteilnehmern bestand eine bekannte<br />

arterielle Hypertonie mit medikamentöser Therapie. Die Teilnehmer wurden in je einer<br />

Früh-, Mittel-, und Spätschicht in der Zeit von 4:30 - 0:30 Uhr sowie einer Freischicht<br />

untersucht. Die Untersuchungstage lagen jeweils am Ende einer Schichtfolge. Module<br />

der Untersuchung waren<br />

1. eine Tätigkeitsanalyse unter Zuhilfenahme verfügbarer Protokolle (Untergliederung der<br />

Belastung),<br />

2. eine schichtbezogene Erhebung der Teilbelastungen, insbesondere der<br />

Informationsaufnahme, -verarbeitung und –ausgabe,<br />

3. eine Erhebung der subjektiven Beanspruchung mittels Fragebogen (schichtbezogen<br />

15-minütig mit dem modifizierten NASA Task Load Index Test, NASA TLX), nicht<br />

schichtbezogen mit der Messung der Effort-Reward-Imbalance (ERI) und Work Ability<br />

Index (WAI)),<br />

4. die Messung der Herzfrequenz und ein 24-Stunden-Blutdruckmonitoring (diese<br />

zusätzlich auch in einer Freischicht).<br />

Statistische Tests standen aufgrund der kleinen Fallzahl nicht im primären Fokus es<br />

Interesses.<br />

421


P02<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Ergebnisse<br />

Im ERI standen im Bereich „Effort“: Zeitdruck, Verantwortung und Arbeitsverdichtung im<br />

Vordergrund. Die Rahmenbedingungen der Arbeit (erreichte Stellung, Vergütung,<br />

Sicherheit des Arbeitsplatzes) waren adäquat („Reward“). Unterstützung und<br />

Anerkennung bei der Arbeit wurden wesentlich bei den Kollegen gefunden. Im Bereich<br />

„Overcommitment“: zeigten sich deutliche interindividuelle Unterschiede bei der<br />

berufliche Verausgabungsneigung<br />

In 67% der untersuchten Schichten entsprach der systolische wie diastolische<br />

Blutdruckwert eine Stunde nach Schichtende dem Wert zur gleichen Uhrzeit an einem<br />

arbeitsfreien Tag. Zu den weiteren Ergebnissen der RR-Messungen s. Tab.1. Es zeigte<br />

sich ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Einstufung der subjektiven<br />

Beanspruchung im modifizierten NASA TLX und der Höhe der Blutdruckwerte.<br />

Die WAI-Ergebnisse lagen altersentsprechend im „Normbereich“ (Spannbreite 31 – 46<br />

Punkte).<br />

Diskussion<br />

Die im Rahmen der Gefährdungsanalyse durchgeführte Untersuchung war äußerst zeitund<br />

kostenintensiv. Sie erbrachte aber wertvolle Informationen zu Belastung und der<br />

Gefährdung der betroffenen Mitarbeiter Aus den Ergebnissen folgten an Empfehlungen:<br />

Die interne Kommunikation wird neu überdacht. Die Kunden, insbesondere die<br />

Redaktionen, werden verstärkt über die Arbeitsabläufe im ISR informiert (Transparenz).<br />

Belastungsspitzen werden entzerrt (Überspielung nicht zeitkritischer Beiträge außerhalb<br />

der Spitzenzeiten, frühzeitige Absprache planbarer Arbeiten). Es wird die Funktion eines<br />

Trouble-shooters eingeführt. Der Betriebsärztliche Dienst kooperiert mit den<br />

behandelnden Ärzten insbesondere bei Personen mit erhöhtem Blutdruck. Betriebliche<br />

Schulungen zum Thema Stressbewältigung und zum Umgang mit Nacht- und<br />

Schichtarbeit werden angeboten. Die Sprachverbindungen und der auditiven<br />

Umgebungsbedingungen werden optimiert. Die Empfehlungen wurden zum Teil schon<br />

umgesetzt.<br />

422


P02<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Kriterium Empfehlung Empfehlung<br />

eingehalten<br />

Häufigkeit von<br />

Spitzen-Werten<br />

während Schicht ><br />

140/90 mmHg<br />

max. bis 25 % pro 8<br />

h-Schicht<br />

Schicht-Mittelwert 105/70 - 140/90<br />

mmHg<br />

24-h-Mittelwert am<br />

Arbeitstag<br />

Mittelwert in der<br />

Schlafphase<br />

Blutdruckabfall in %<br />

während der<br />

Schlafphase<br />

100/65 - 130/80<br />

mmHg<br />

90/60 - 120/70<br />

mmHg<br />

SBD: 10 – 15 %<br />

DBD: 15 – 20 %<br />

für den SBD in 33%<br />

für den DBD in 33%<br />

für den SBD in 50%<br />

für den DBD in 46%<br />

für den SBD in 62%<br />

für den DBD in 42%<br />

für den SBD in 79%<br />

für den DBD in 71%<br />

für den SBD in 96%<br />

für den DBD in 92%<br />

Empfehlung nicht<br />

eingehalten<br />

für den SBD in 67%<br />

für den DBD in 67%<br />

für den SBD in 50%<br />

für den DBD in 54%<br />

für den SBD in 38%<br />

für den DBD in 58%<br />

für den SBD in 21%<br />

für den DBD in 29%<br />

für den SBD in 4%<br />

für den DBD in 8%<br />

Tab.1: Das Blutdruck-Verhalten wurde beurteilt anhand der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft<br />

für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (<strong>DGAUM</strong>).<br />

(SBD = systolischer Blutdruck DBD = diastolischer Blutdruck)<br />

423


P03<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Führungsverhalten von Schulleitern - eine Ressource für gute<br />

Arbeitsfähigkeit?<br />

Silvia Spitzer, Reingard Seibt<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden<br />

Ziel der Studie<br />

Belastungen und der Gesundheitszustand von Lehrkräften wurden in den letzten Jahren<br />

aufgrund der alarmierenden Frühberentungszahlen häufig diskutiert und untersucht<br />

(Kothe & Faber 2007; Seibt et al. 2004, Hillert et al. 1999). Wenig beachtet wurden in<br />

den Untersuchungen Ressourcen der Lehrertätigkeit und deren Zusammenhang zur<br />

Arbeitsfähigkeit und Gesundheit von Schulleitern und Lehrern. Nach Schaarschmidt<br />

(2005) ist soziale Unterstützung die wichtigste Ressource der Lehrergesundheit.<br />

Insbesondere können ein adäquates Feedback und soziale Unterstützung durch<br />

Schulleiter bzw. Kollegen zu einem positiven sozialen Klima beitragen, was sich<br />

wiederum günstig auf das Erleben von Belastungen auswirkt. In der vorliegenden Studie<br />

wurde als eine weitere Ressource im Lehrerberuf das Führungsverhalten von<br />

Schulleitern diskutiert.<br />

Methodik<br />

Die zu untersuchenden Faktoren wurden im Rahmen einer umfassenden<br />

arbeitsmedizinisch-psychologischen Vorsorgeuntersuchung an sächsischen<br />

Grundschulen bei 28 Schulleiter-innen (SL) und 95 Lehrerinnen (LE) erfasst. Der<br />

Altersdurchschnitt der SL und LE lag bei 52,0 ± 6,1 bzw. 46,6 ± 8,2 Jahren. Die<br />

Arbeitsfähigkeit wurde mittels Work Ability Index (Tuomi et al. 1998) und<br />

Führungsverhalten, soziale Unterstützung sowie schüler- und unterrichtsbezogene<br />

Faktoren mit einem Fragebogen zur Erfassung von Belastungen im Lehrerberuf (Rudow<br />

2000) erhoben.<br />

Ergebnisse<br />

Für die Arbeitsfähigkeit ergab sich bei SL ein WAI-Gesamtwert von 37,5 ± 4,4 Punkten,<br />

bei LE von 37,2 ± 5,5 Punkten und damit gute, aber an der Grenze zur mittleren<br />

Arbeitsfähigkeit. Etwa die Hälfte der Lehrerinnen und Schulleiterinnen verfügen dabei<br />

über eine gute und über ein Drittel der Befragten beider Gruppen über eine mittlere<br />

Arbeitsfähigkeit.<br />

Bei der Analyse der unterrichtsbezogenen Faktoren wurde das Antwortverhalten der<br />

Schulleiterinnen und Lehrerinnen verglichen. SL geben in erster Linie<br />

Verhaltensstörungen (32,1%) und den schlechten Umgangston der Schüler (21,4 %) oft<br />

bzw. immer als Belastungsfaktoren an. LE nennen dagegen große<br />

424


P03<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Leistungsunterschiede (74,7 %) und uneffektiven Unterricht (30,6 %) als<br />

Belastungsfaktoren, die oft oder immer auftreten.<br />

Im Hinblick auf das erlebte Führungsverhalten betonen LE vor allem das gute soziale<br />

Klima an der Schule (87,3 %), die Förderung der Fort- und Weiterbildung (86,2 %) und<br />

die gute Organisation der täglichen Arbeit (86,2 %) durch die Schulleitung. Dagegen<br />

werden leistungsangemessene Anerkennung und Kritik (50 %), ein konstruktiver<br />

Umgang mit Konflikten (62,7 %) und die Förderung der Kommunikation unter den<br />

Lehrern (64,9 %) weniger häufig angegeben. In der folgenden Abbildung 1 sind die<br />

positiven Bewertungsfaktoren des Führungsverhaltens in einer Rangreihe dargestellt:<br />

Abb. 1: Positive Aspekte des Führungsverhaltens - Einschätzungen der Lehrerinnen [%] (n = 95)<br />

Die Zusammenhänge zwischen Arbeitsfähigkeit und schulischen Belastungsfaktoren<br />

fallen bei den LE eher gering aus und sind für die Faktoren “Klassengröße” (r=-.20) und<br />

“problema-tisches Schülerverhalten” (r=-.26) festzustellen. Im Hinblick auf das<br />

Führungsverhalten beziehen sich die Zusammenhänge auf die Faktoren<br />

“Zusammenarbeit mit Eltern und Kollegen” (r=.20), “Schulentwicklung” (r=.22) sowie<br />

“Personalarbeit” (r=.21). Soziale Unterstützung durch Kollegen (r=-.12), die<br />

Zusammenarbeit im Kollegium (r=.00) sowie Konflikte und Auseinandersetzungen (r=.03)<br />

haben dagegen eine untergeordnete Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit.<br />

Schlussfolgerung<br />

In Grundschulen scheinen Führungsverhalten der Schulleiterinnen und die Unterstützung<br />

durch Kollegen für die Arbeitsfähigkeit nur von untergeordneter Bedeutung zu sein<br />

(geringe Korrelation). Das gilt auch für schulische und soziale Faktoren, für die ebenfalls<br />

425


P03<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

nur ein geringer Zusammenhang zur Arbeitsfähigkeit nachgewiesen wurde. Zur<br />

Erhaltung und Förderung der Arbeitsfähigkeit sind eher unterstützende Maßnahmen zu<br />

empfehlen, die gesundheitsbezogene und personelle Faktoren verstärkt einbeziehen.<br />

Literatur<br />

Hillert, A.; Maasche, B.; Kretschmer, A.; Ehrig, C.; Schmitz, E.; Fichter, M. (1999).<br />

Psychosomatische Erkrankungen bei LehrerInnen. Psychotherapie, Psychosomatik,<br />

Medizinische Psychologie 49, 375-380.<br />

Kothe, W.; Faber, U. (2007). Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schulen.<br />

Abschlussbericht 2007. [Online-Dokument]. Verfügbar unter:<br />

http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2006-824-4-1 [Datum des Zugriffs: 24.07.2007].<br />

Rudow, B. (2000). Der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lehrerberuf:<br />

Gefährdungsbeurteilung der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Ludwigsburg:<br />

Süddeutscher Pädagogischer Verlag.<br />

Schaarschmidt, U. (2005). Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im Lehrerberuf –<br />

Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes. Weinheim: Beltz.<br />

Seibt, R.; Thinschmidt, M.; Lützkendorf, L.; Knöpfel, D. (2004). Arbeitsfähigkeit und<br />

Vitalität bei Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. (Schriftenreihe der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1035). Bremerhaven:<br />

Wirtschaftsverlag NW.<br />

Tuomi, K.; Ilmarinen, J.; Jahkola, A.; Katajarinne, L.; Tulkki, A. (1998). Work Ability Index.<br />

Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health.<br />

426


P04<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Supervision im Krankenhaus – Effekte und Mechanismen<br />

Ergebnisse einer formativen Evaluation<br />

Wilfried E. Dieterle 1 , Andrea Wittich 2 , Silke Senn 1 , Michael Wirsching 1<br />

1 Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg<br />

2 Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg<br />

Zur Bewältigung psychomentaler Belastungen wird im Krankenhaus häufig Supervision<br />

angeboten. Sie gilt in diesem Arbeitsfeld als bewährte Methode der Unterstützung von<br />

Beschäftigten. Mit zunehmender Praxisverbreitung wird ein Bedarf nach<br />

wissenschaftlicher Evaluation formuliert. In einem Projekt zur formativen Evaluation des<br />

Supervisionsangebotes am Universitätsklinikum Freiburg wurden Nutzen und Effekte von<br />

Supervision, deren Prädiktoren und subjektive Wirkmechanismen empirisch untersucht.<br />

Die Fragestellung umfasst evaluative Aspekte (wirkt Supervision insgesamt),<br />

forschungsmethodische Aspekte (wie lässt sich die Wirkung von SV differenziert und<br />

zusammenfassend abbilden) und schließlich Aspekte einer formativen Evaluation (lassen<br />

sich modifizierbare Prädiktoren identifizieren die die Effekte von SV beeinflussen).<br />

Methodik und Stichprobe<br />

Die Daten wurden in einer Querschnittserhebung an 105 konsekutiven TeilnehmerInnen<br />

von Supervisionsgruppen innerhalb von drei Monaten erfasst. 80% der TeilnehmerInnen<br />

sind Frauen, 58% kommen aus der Pflege, die übrigen aus unterschiedlichen<br />

Berufsgruppen innerhalb des Klinikums. Von den Teilnehmerinnen sind 25% jünger als<br />

36 Jahre, 38% zwischen 36 und 45 Jahren und 37% über 45 Jahren. 71% arbeiten<br />

länger als 5 Jahre auf der derzeitigen Stellen, 18% haben eine leitende Funktion inne.<br />

Der Fragebogen erfasste die erlebte Supervision unter den Perspektiven Erwartung,<br />

Thematisierung, Effekte, Umsetzung und aktuelle Belastung. Unterschieden wurden<br />

dabei 6 Bereiche zur Beschreibung der Arbeitswelt: Persönlich, Berufliche Funktion und<br />

Rolle, Patient(inn)en /Kund(inn)en, Team, unmittelbare(r) Vorgesetzte(r)/ Teamleitung<br />

und Organisation und Rahmenbedingungen der Arbeit.<br />

Ergebnisse<br />

Erwartungen an die Supervision<br />

Die Erwartungen an die Supervision werden deutlich dominiert von dem Bereich Team.<br />

Von ca. 75% werden hier hohe oder sehr hohe Erwartungen angegeben. Es folgen die<br />

Bereiche Vorgesetzte und Leitung, sowie Berufliche Funktion und Rolle. Explizit „gar<br />

keine“ Erwartungen finden sich im Bereich „Patientinnen/Kundinnen bei immerhin 26%.<br />

Neben dem deutlichen Schwerpunkt gibt es jedoch auch eine beträchtliche individuelle<br />

Streuung. Supervision ist also in der Konsequenz ein partiell heterogenes Treatment.<br />

427


P04<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Effekte und Thematisierung<br />

Auf individueller Ebene sind die Perspektiven in den Bereichen jeweils positiv korreliert.<br />

Auf Mittelwertsebene steigen die Effekte der Supervision mit der Häufigkeit der<br />

Thematisierung. Vergleichbares lässt sich auf für „Erwartung und Thematisierung“, sowie<br />

„Erwartung und Effekt“ zeigen. Effekte sind an vorliegende Probleme gekoppelt. Als<br />

praktische Interpretation heißt dies: eine Problematik muss aufgenommen und adäquat<br />

thematisiert werden um einen Nutzen zu ereichen. Der Nutzen ist dabei jeweils themenbzw.<br />

problemspezifisch. Insgesamt und bezogen auf den fokussierten Bereich haben<br />

68% sehr viel oder viel von der Supervision profitiert und nur ca. 9% wenig.<br />

Gruppenzusammensetzung/fehlende Personen<br />

Hinsichtlich der Gruppenzusammensetzung wird von 30% angegeben "jemand<br />

wichtiges" hätte gefehlt. Im Vergleich sind in der Teilgruppe, in der „jemand wichtiges<br />

fehlt“, niedrigere Effekte und konsequenterweise auch eine geringere praktische<br />

Umsetzung zu beobachten.<br />

Effekte/Mechanismen der Supervision<br />

In der direkten Befragung der Teilnehmerinnen nach möglichen Wirkmechanismen<br />

zeigen sich die höchsten Ausprägungen bei "Umgang mit Konflikten“ und "Lösung und<br />

Bewältigung von Konflikten". Es zeigen sich aber auch Auswirkungen in der Abgrenzung<br />

und im Rollenverständnis. Faktoranalytisch lassen sich die 8 einzelnen Mechanismen zu<br />

zwei Dimensionen zusammenfassen. Der erste Faktor lässt sich als<br />

Konfliktlösung/Verarbeitung beschreiben. Der zweite Faktor hat eine deutlich individuelle<br />

Akzentuierung. Er wird bestimmt durch die Verbesserung der Sicht der eigenen Rolle,<br />

durch Information und Wissen, sowie eine bessere Abgrenzung. Beide Dimensionen sind<br />

von Bedeutung, wobei die Mittelwerte der zugehörigen Items für den ersten Faktor höher<br />

ausgeprägt sind.<br />

Zusammenfassung<br />

Ein allgemeiner Effekt der Supervision ist nachweisbar.<br />

Spezifische Wirkungen in Bereichen sind mit ihrer Thematisierung verknüpft. d.h.<br />

faktische Probleme müssen benannt werden und adäquat bearbeitet werden.<br />

Die Vollständigkeit der Gruppe (Team, Vorgesetzte, Interprofessionell) ist für<br />

positive Effekte förderlich.<br />

Zwei subjektive Wirkmechanismen lassen sich beschreiben: Konfliktlösung /<br />

Verarbeitung und Individuum / Kompetenz.<br />

428


P05<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Teambezogene Frühintervention nach Tod eines Kollegen oder<br />

einer Kollegin<br />

Andrea Wittich 1 , Michael Wirsching 2<br />

1 Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg<br />

2 Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg<br />

Für viele der verbleibenden KollegInnen stellt der unerwartete Tod eines Mitarbeiters<br />

eine aussergewöhnliche Belastung dar. Wie die Einzelnen darauf reagieren, hängt von<br />

verschiedenen Faktoren ab. Hier spielen Persönlichkeit und die Beziehung zum<br />

Verstorbenen eine wesentliche Rolle. In manchen Fällen können die emotionalen<br />

Reaktionen auf solch traumatische Ereignisse die individuellen Bewältigungsstrategien<br />

übersteigen und damit die Fähigkeit zu angemessenem Verhalten nach einem Todesfall<br />

beeinträchtigen.<br />

Frühzeitige Intervention auf Teamebene<br />

Eine wirksame Intervention, um traumatische Stressreaktionen zu verhindern und<br />

aufzufangen und die schnellere Erholung von so genannten kritischen Ereignissen zu<br />

unterstützen, ist eine frühzeitige Gruppensitzung. Sie kann vom Betriebspsychologen<br />

oder –mediziner angeboten werden, möglichst innerhalb der ersten Tage nach dem<br />

Vorfall. Hilfreiche Komponenten dabei sind vor allem, dass die Beteiligten rasch<br />

miteinander über das Erlebte ins Gespräch kommen, spüren, dass sie mit ihren<br />

Reaktionen nicht alleine sind und dass Informationen gegeben und Ideen ausgetauscht<br />

werden, wie mit dem erlebten Stress umgegangen werden kann.<br />

Das Ziel liegt in der Vorbeugung möglicher Folgen, wie künftigem chronifiziertem<br />

Stresserleben, beruflichem Burnout und posttraumatischen Belastungsreaktionen, sowie<br />

im Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Die Wirksamkeit solcher Frühinterventionen im Hinblick auf<br />

diese Zielsetzungen ist belegt. Eine zweite Sitzung im Abstand von 3-4 Wochen dient<br />

dem evaluierenden Screening und bietet die Möglichkeit, Einzelne bei Bedarf in eine<br />

weitergehende psychotherapeutische Betreuung zu vermitteln.<br />

Natürlich bleibt den Beschäftigten ihre Teilnahme an dem Angebot freigestellt.<br />

Prinzipien der „Psychologischen ersten Hilfe“<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ereignisnah eingreifen, auf aktuelle Situation fokussiert<br />

Über Belastungsreaktionen informieren: Normalisieren.<br />

Bewältigungsmöglichkeiten aufzeigen<br />

Individuelle und Teamressourcen aktivieren<br />

Zugang zu professioneller Versorgung ermöglichen<br />

429


P05<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Schritte der Intervention<br />

In der ersten Sitzung werden zunächst die Grundregeln eingeführt (z.B. Freiwilligkeit,<br />

Schweigepflicht) und der Ablauf kurz skizziert. Dann werden die Teilnehmenden<br />

gebeten, die ihnen bekannten Fakten des Ereignisses und ihre eigenen Reaktionen - auf<br />

kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene - zu beschreiben. Zu den akuten<br />

Belastungsreaktionen, wie sie in einer solchen Situation bei den meisten Menschen<br />

auftreten, gehören somatoforme und psychische Symptome, wie Angst, plötzliche<br />

Intrusionen, Vermeidungsreaktionen, Schlafstörungen und Übererregung. Diese<br />

Reaktionen werden seitens der Gruppenleitung als häufig vorkommende „normale“<br />

Stresssymptome eingeordnet und verstanden. Allein schon zu erfahren, dass die<br />

Symptome in der Regel innerhalb einiger Tage deutlich zurückgehen, stellt für viele der<br />

Betroffenen eine Entlastung dar.<br />

Im nächsten Schritt geht es um Informationen und Austausch zu<br />

Stressbewältigungstechniken. Dabei ist wichtig, sowohl die individuelle als auch die<br />

Teamebene zu berücksichtigen: Was kann der Einzelne zuhause, was das Team am<br />

Arbeitsplatz gemeinsam zur Entlastung tun? Wirksam sind Gespräche über den Vorfall,<br />

soziale Unterstützung, das Ausdrücken von Gefühlen, aber auch körperliche Aktivitäten,<br />

Wahrnehmungsablenkung, und ggf. religiöse Handlungen. Auf Teamebene können<br />

bestimmte Riten, etwa das Gestalten einer Abschiedsfeier oder das bewusste<br />

gemeinsame Ausräumen des Spinds des Kollegen entlastend wirken.<br />

In der zweiten Sitzung, nach 3-4 Wochen, wird die Situation evaluiert und bei Bedarf<br />

weitere erforderliche Schritte (z.B. die Vermittlung in psychotherapeutische Behandlung)<br />

in die Wege geleitet.<br />

Für die betroffenen Beschäftigten hat das Vorgehen in der Frühintervention eine<br />

mehrfach positive Wirkung: Es dient der Entlastung, stärkt den Zusammenhalt und die<br />

gegenseitige Fürsorge im Team, gibt Informationen über Traumastress, unterstützt die<br />

individuellen sowie Teamressourcen durch Entwicklung eines Stressbewältigungsplanes<br />

und ermöglicht positiven Kontakt mit den die Frühintervention durchführenden<br />

Betriebspsychologen oder -ärzten.<br />

Letztlich geht es als selektive Prävention um die innerbetriebliche Gesundheitsförderung<br />

im Hinblick auf den Erhalt der Einsatzfähigkeit (Gesundheitsschutz §3 ArbSchG).<br />

Angenendt J, Hecht H, Nowotny-Behrens U et al. (2006) Freiburger Arbeitsunfallstudie (FAUST). Teil II: Wirksamkeit einer<br />

stationären psychologischen Frühintervention http://www.springerlink.com/content/0g2n3640t88377p3/<br />

Bengel, J & Riedl T (2004) Stressbewältigung und Belastungsverarbeitung. In: J. Bengel (Hrsg.) Psychologie in<br />

Notfallmedizin und Rettungsdienst Springer, Berlin, 89-99<br />

Ehlers A, Clark DM, Hackmann A et al. (2003) A randomized controlled trial of cognitive therapy, a self-help booklet, and<br />

repeated assessment as early interventions for posttraumatic stress disorder. Arch Gen Psychiatry 60: 1024–<br />

1032<br />

Heim E (1991) Job stressors and coping in health professions. Psychotherapy and Psychosomatics 55: 90-99<br />

430


P05<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen I<br />

Wittich A (<strong>2009</strong>) Wenn nichts mehr ist, wie es gestern noch war. Zum Umgang mit traumatischen teambezogenen<br />

Ereignissen im Krankenhaus. In: F. Hofmann, G. Reschauer, U. Stößel (Hrsg.): Arbeitsmedizin im<br />

Gesundheitsdienst. FFAS Freiburg, 315-320<br />

431


P06<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Integrierte betriebsärztliche Diagnose und Therapie von Stress,<br />

Ineffizienz und Ineffektivität<br />

Franz J. Heeg, Brigitte Schneider-Heeg,<br />

Arbeitswissenschaftliches institut bremen (aib), Universität Bremen,<br />

Psychosoziale Belastungen (Stress) und Ineffizienz und Ineffektivität de<br />

betrieblichen Leistungserfüllung Untersuchungsergebnisse<br />

Eine Untersuchung in 58 Organisationen verschiedener Branchen und Größenklassen<br />

ergab als Ergebnis, dass die betrieblichen psychosozialen Belastungsgrößen<br />

(Stressoren) und die Faktoren, die ursächlich für zu geringe Effizienz und Effektivität<br />

sind, nahezu identisch sind in der subjektiven Bewertung durch die Beschäftigten<br />

zeigen sich geringe Unterschiede (1). Die wesentlichen Einflussgrößen bestehen in<br />

unzureichend gestalteten Abläufen sowie Mängeln in den Beziehungen<br />

Vorgesetzte/MitarbeiterInnen und zwischen KollegInnen. Wesentliche Ursachen hierfür<br />

stellen nicht vorhandene oder unzureichende Regeln und Entscheidungen dar, der<br />

Umfang und die Art der Aufgabenerledigung und der Schnittstellengestaltung,<br />

Kommunikations- und Kooperationsmängel (unzureichende Informationen, als<br />

demütigend empfundenes Sprachverhalten, unzureichende Abstimmungen, langwierige<br />

Besprechungen ohne Ergebnisse usw.) sowie motivationale Aspekte (z. B. zu geringes<br />

Interesse, unzureichendes Verantwortungsbewusstsein, Ängste vielfältiger Art). Die<br />

Schlussfolgerung „Was stresst führt auch zu Ineffizienz und Ineffektivität und umgekehrt“<br />

führt zur Möglichkeit für BetriebsärztInnen, Aktivitäten bezüglich der Minderung bzw.<br />

Beseitigung psychosozialer Belastungsgrößen gleichzeitig als Optimierungsmöglichkeit<br />

für den betrieblichen Leistungserbringungsprozess zu gestalten (möglichst kooperativ mit<br />

anderen Akteuren) ein nicht zu unterschätzender Vorteil zur Akzeptanz bei<br />

Unternehmensleitung und Betriebsrat.<br />

Betriebliche Veränderungsprozesse zur Stress-Minderung/Reduzierung und<br />

Effizienz-/Effektivitätssteigerung und deren emotionsbasierte Ausgestaltung<br />

Die o. a. Untersuchung ergab in Bezug auf Veränderungsprozesse zur Optimierung der<br />

betrieblichen Leistungserbringung, dass in den Fällen, in denen die emotionale<br />

Bewertung des Zielzustands durch die Beteiligten und Betroffenen günstiger ist als die<br />

des Ausgangszustands, dieser auch tatsächlich häufiger erreicht wurde und insgesamt<br />

signifikant bessere Ergebnisse resultierten als in den Fällen, in denen die emotionale<br />

Bewertung (meist implizit) zu keinen (da zu wenig Informationen, zu große Unsicherheit<br />

oder Ängste überwogen) oder ungünstigeren Ergebnissen führte. Hieraus folgt unter<br />

Anderem die Erfordernis der Berücksichtigung der emotionalen Bewertung der Zustände<br />

und Ereignisse durch die Mitarbeiter vor, während und nach dem Veränderungsprozess<br />

432


P06<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

(auch vorausscheuend: was wäre, wenn …?). Hierzu muss dies in geeigneter Form auch<br />

zum Gegenstand der Veränderungsarbeit gemacht werden. Gestützt wird dies auch<br />

durch Aussagen der System- und Selbstorganisationstheorien. Veränderungsprozesse<br />

bedeuten in aller Regel neben Fremd- und Selbststeuerungsanteilen sowie<br />

Improvisationsanteilen auch Selbstorganisationsaktivitäten bei den Betroffenen (niemand<br />

ist in der Lage, alle Details von Veränderungen planerisch festzulegen und ihre<br />

Erreichung steuernd zu gewährleisten). Selbstorganisationsprozesse erfolgen bei<br />

Menschen unter dem Einfluss der Emotionen (und der dahinter liegenden Bedürfnisse)<br />

als Ordnungsparameter (Ordner). Da Veränderungsprojekte in Organisationen zu einem<br />

großen Teil auf Veränderungen bei Menschen (der von der Projektarbeit und ihren<br />

Ergebnissen betroffenen Personen und der Führungs- und Leitungspersonen sowie der<br />

VertreterInnen der Beschäftigten) beruhen, kann es nützlich sein, die gesamte<br />

Vorgehensweise und die in dieser verwendeten Methoden unter dem Blickwinkel der<br />

neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zur Entwicklung von Menschen (Individuen und<br />

Gruppen) und des hierzu erforderlichen Lernens sowie Um- und Verlernens usw. zu<br />

betrachten. Unter Berücksichtigung dieser Aussagen wurde eine Vorgehensweise<br />

entwickelt und erprobt, die durch Beteiligung von Anfang an, emotionalkompetenzförderliche<br />

Innovations-Prozessgestaltung und Kommunikation und Haltung<br />

der Promotoren der Innovation, klare und verbindliche Vereinbarungen und deren<br />

Einhaltungs-Sicherstellung sowie des Bewusstwerdens von Inkonsistenzen, negativen<br />

dysfunktionalen Gefühlen und Kognitionen (Vorwürfe, nicht erfüllte Erwartungshaltungen<br />

(jeweils an sich selbst, an Andere), Altersregression, dysfunktionale Loyalitäten),<br />

negative Glaubenssätze, dysfunktionale Verhaltensweisen neben den technischorganisationalen<br />

Aspekten zu anderen Sichten der Beteiligten und zu anderen<br />

Ergebnissen führen als übliche Organisationsveränderungs-Maßnahmen. Die<br />

Anwendung von ausgewählten Methoden und Techniken aus verschiedenen<br />

Wissensbereichen wie empathische Kommunikation, systemische Fragetechniken,<br />

System-Aufstellung, energetische Psychotherapie, Wirkungsanalyse, Moderation erfolgt<br />

dabei in einem iterativ in Phasen durchlaufenden Prozess, wobei die Phasen gleichzeitig<br />

völlig unterschiedliche Sichten auf das Vorhaben zur Veränderung, die Ausgangs- und<br />

Zielsituation darstellen: Problem-, Ziel-, Lösungs-, Ergebnis-, Ressourcen-, Handlungsund<br />

Reflektionssicht. Die Vorgehensweisen und Methoden wurden in einer Fortbildungs-<br />

Maßnahme der BAuA bezüglich der Vermittelbarkeit und Erlernbarkeit durch<br />

BetriebsärztInnen erprobt (1) und werden zukünftig weiterhin angeboten. Die einzelnen<br />

Methoden und Techniken bieten auch Unterstützung bei der Erledigung vieler weiterer<br />

betriebsärztlicher Aufgaben Gespräche und Verhandlungen jeglicher Art, konfliktäre<br />

Situationen, um nur Einige zu nennen.<br />

433


P06<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Literatur<br />

F. J. Heeg, S. Karbe-Hamacher, B. Schneider-Heeg, M. Sperga, Psychosoziale<br />

Belastungen im betriebsärztlichen Alltag, Methoden- und Kompetenzerweiterung für<br />

Betriebs- und Arbeitsmediziner/-innen in Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (Hrsg.), Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin, Fb 1095, Dortmund, Berlin, Dresden (Wirtschaftsverlag NW, Verlag neue<br />

Wirtschaft GmbH) 2008<br />

434


P07<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Arbeitsphysiologische Beanspruchungsanalyse bei der Arbeit<br />

mit modernen Technologien<br />

Anja Roggentin 1 , Johannes Tümler 2 , Rüdiger Mecke 2 , Eberhard A. Pfister 1 , Irina Böckelmann 1<br />

1 Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

2 Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg<br />

Zusammenfassung: In der Pilotstudie zum AVILUS-Projekt wurde unter<br />

standardisierten Bedingungen das subjektive und objektive Beanspruchungsverhalten<br />

bei einer AR-gestützten Tätigkeit im Vergleich zur konventionellen Arbeit untersucht.<br />

Langfristiges Ziel ist die industrielle Nutzung physiologisch optimierter,<br />

beanspruchungsarmer AR-Technolgien.<br />

Einleitung<br />

Im Zuge der sich verändernden Arbeitswelt halten computergestützte Tätigkeiten mehr<br />

und mehr Einzug in den Berufsalltag. Dazu gehören auch Anwendungen der Augmented<br />

Reality (AR, „Erweiterte Realität“), bei der die reale Welt um virtuelle Objekte bereichert<br />

wird, sodass zusätzliche – aktuell wichtige – Informationen durch ein visuelles<br />

Ausgabegerät (hier ein Head-Mounted-Display – HMD) direkt vor Ort zur Verfügung<br />

gestellt werden. Der Einsatz der AR bietet vor allem für die Industrie Vorteile. Dennoch<br />

ist über entstehende Beanspruchungen beim Nutzer bisher wenig bekannt. Gegenstand<br />

der Untersuchung war daher die Evaluation der Beanspruchungssituation bei einer ARgestützten<br />

Tätigkeit im Vergleich zu einer herkömmlichen, nicht-AR-gestützten<br />

Kommissionierungsätigkeit.<br />

Methodik<br />

An einem Modellarbeitsplatz führten 20 männliche, klinisch gesunde Probanden (25,9 ±<br />

2,8 Jahre) an verschiedenen Tagen Kommissionierungsaufträge mit und ohne AR-<br />

Unterstützung aus. Ein Versuch bestand aus der zweistündigen Belastungsphase sowie<br />

je 2 Ruhephasen vor und nach dem Versuch. Das Mehrebenenkonzept nach Fahrenberg<br />

[1] bildete die Grundlage der arbeitsphysiologischen Beanspruchungsanalyse. Als<br />

subjektive Beanspruchungsindikatoren dienten die Befindlichkeits-Skala (BFS [2]), die<br />

Eigenzustands-Skala (EZ-Skala [3]) sowie ein Fragebogen zu körperlichen Beschwerden<br />

(jeweils vor und nach dem Versuch ermittelt). Während der Untersuchung trugen alle<br />

Probanden den Langzeit-EKG-Rekorder „MT-101“ (Fa. Schiller). Auf Basis dieser Daten<br />

erfolgte die objektive Beanspruchungsanalyse durch Auswertung von Parametern der<br />

Herzfrequenzvariabilität im Zeit- und Frequenzbereich. Daneben wurde die<br />

Arbeitsleistung quali- und quantitativ erfasst. Für die Studie liegt ein positives Votum der<br />

Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg vor.<br />

435


P07<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Ergebnisse<br />

Die Analyse der Fragebogendaten ergab sowohl für die BFS als auch die EZ-Skala ein<br />

deutlich schlechteres Gesamtbefinden nach Versuchsende. Dabei schätzten die<br />

Probanden die Beanspruchung durch die AR jedoch nicht höher ein als die<br />

Beanspruchung durch die konventionelle Arbeit mit der Papierliste. Nur die Ergebnisse<br />

des Beschwerdefragebogens weisen auf eine stärkere Belastung vor allem des visuellen<br />

Systems durch die AR (Wilcoxon-Test): Signifikante Zunahme von Kopfschmerzen (p =<br />

0,020) und Augenbrennen (p = 0,020), tendenzielle Steigerung von unscharfem Sehen<br />

(p = 0,083). Die Augenermüdung nimmt in beiden Versuchsteilen signifikant zu (p AR =<br />

0,022, p Papier = 0,038).<br />

Mittels HRV-Analyse wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den<br />

beiden Arbeitsformen festgestellt. Auch hier führte die Tätigkeit an sich – unabhängig<br />

vom Arbeitsmittel – zu einer messbaren Beanspruchung. Für alle erfassten Parameter<br />

(Herzfrequenz, SDNN, rMSSD, pNN50, LSP, relative Anteile des LF- und HF-Bandes am<br />

LSP und LF/HF-Quotient) zeigten die<br />

LF/HF-Quotient (AR vs. Papier)<br />

Kurven in beiden Teilversuchen ähnliche 14<br />

12<br />

Verläufe. Exemplarisch sei das Verhalten<br />

10<br />

8<br />

des LF/HF-Quotienten als Maß der<br />

6<br />

sympahikovagalen Balance [4] veranschaulicht.<br />

4<br />

2<br />

Bei Verwendung der AR<br />

0<br />

-2<br />

entstanden weniger Fehler als bei der -4<br />

herkömmlichen Tätigkeit, allerdings waren<br />

Ruhe<br />

Liegen<br />

Ruhe<br />

Stehen<br />

Arbeit<br />

Anfang<br />

Arbeit<br />

Mitte<br />

Arbeit<br />

Ende<br />

Erholung<br />

Stehen<br />

Versuchsphasen<br />

die Versuchspersonen durchschnittlich<br />

30% langsamer. Abb. 4: Verlauf des LF/HF-Quotienten für beide Arbeitsmittel<br />

AR<br />

Papier<br />

Erholung<br />

Liegen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Ergebnisse sprechen gegen eine erhebliche Mehrbelastung des Nutzers durch eine<br />

fortlaufende zweistündige AR-gestützte Kommissionierung und zeigen gleichzeitig das<br />

Potenzial der AR zur Fehlerreduktion auf. Die Resultate müssen durch weiterführende<br />

Untersuchungen mit größerer Probandenzahl und längerer Arbeitsdauer sowie<br />

Feldversuche unter realen Arbeitsbedingungen bestätigt werden. Auch ist zu prüfen, ob<br />

das visuelle System durch das HMD tatsächlich einer relevanten Belastung ausgesetzt<br />

ist.<br />

436


P07<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Literatur<br />

[1] Fahrenberg J (1969): Die Bedeutung individueller Unterschiede für die Methodik<br />

der Aktivierungsforschung. Bern u. a., Huber-Verlag, 95-122<br />

[2] Zerssen D, Koeller DM (1976): Die Befindlichkeits-Skala. Manual. Parallelformen<br />

BF-S und BF-S'. Beltz Test Gesellschaft mbH, Weinheim<br />

[3] Nitsch JR (1976): Die Eigenzustandsskala (EZ-Skala) – Ein Verfahren zur<br />

hierarchisch-mehrdimensionalen Befindlichkeitsskalierung. In: J.R. Nitsch, I. Udris<br />

(Hrsg.):Beanspruchung im Sport. Beiträge zur psychologischen Analyse<br />

sportlicher Leistungssituationen. Limpert, Bad Homburg, 81-102<br />

[4] Task Force of The European Society of Cardiology and The North American<br />

Society of Pacing and Electrophysiology (1996): Heart rate variability – Standards<br />

of measurement, physiological interpretation, and clinical use. Eur Heart J. Vol.<br />

17, 354-381<br />

437


P08<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Diagnostik von Stressbelastung, Burnout und psychosomatischen<br />

Beschwerden im beruflichen und sozialen Kontext<br />

Wolfgang Hagemann, Katja Geuenich, Svenja Waclawiak<br />

Röher Parkklinik<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

438


P09<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Psychophysiologische Untersuchungen zu studiumsbezogenen<br />

Belastungen bei Teilnehmern eines Stressbewältigungskurses<br />

für Studenten<br />

Beatrice Thielmann 1 , Xenia Schumann 1 , Evelin Ackermann 2 , Jörg Frommer 2 , Irina Böckelmann 1<br />

1<br />

Bereich Arbeitsmedizin, Med. Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

2<br />

Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Med. Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg<br />

Einleitung:<br />

In den letzten Jahren haben bspw. innovativ entwickelte Studiengänge und Integration<br />

neuer Querschnittsfächer das Aufgabenfeld des Studenten deutlich verändert. Viele<br />

Studien konnten darlegen, dass während des Studiums Stressbelastungen und -<br />

empfindungen zunehmen, die auch zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Ob<br />

individuell geschulte Copingstrategien im Rahmen fakultativ angebotener<br />

Stressbewältigungskurse greifen, um Stressempfindungen während des Studiums zu<br />

reduzieren, wurde bisher nur selten untersucht und soll hier näher betrachtet werden.<br />

Probanden und Methodik:<br />

Wir untersuchten 18 Studenten verschiedener Fakultäten der Otto-von-Guericke-<br />

Universität Magdeburg (13 Frauen und 5 Männer, 24,2 ± 2,3 Jahre alt), die freiwillig an<br />

einem 8-wöchigen Stressbewältigungskurs teilnahmen. Dieser Kurs wurde von der<br />

Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie geleitet (Erlernung von<br />

Autogenem Training, Wahrnehmung, Analyse und Bewertung von stressempfundenen<br />

Situationen). Die Studenten erhielten zu Beginn, nach 8 Wochen Kursbesuch und nach 3<br />

Monaten verschiedene standardisierte Fragebögen (AVEM = Arbeitsbezogene<br />

Verhaltens- und Erlebensmuster, KOEPS = Fragebogen für körperliche, psychische und<br />

soziale Symptome, SVF = Stressverarbeitungsfragebogen, DSI = Differentielles<br />

Stressinventar, EBF = Erholungs-Belastungs-Fragebogen und SBUSB = Skalen zur<br />

Erfassung der subjektiven Belastung und Unzufriedenheit im beruflichen Bereich), um<br />

studienbezogene Arbeits- und Verhaltensmuster, Coping, Belastungen u. a. zu erfassen.<br />

Ergebnisse:<br />

Zu Beginn des Kurses konnten 88,9 % der Studenten in die gesundheitsgefährdeten<br />

AVEM-Muster A und B oder Mischgruppen eingeteilt werden, die auch teilweise starke<br />

körperliche Beschwerden in anderen Fragebögen angaben. Nach 8 Wochen Kursbesuch<br />

boten alle diese Studenten weiterhin AVEM-Risikomuster, aber teilweise mit Abnahme<br />

der Prozentsätze in der A- und B-Gruppe. Bei intensiver Integration von<br />

Stressbewältigungsmaßnahmen in den Alltag (mind. 2 - 3 x pro Woche) konnte nach 3<br />

Monaten ebenfalls eine Verbesserung der Prozentsätze von gesundheitsförderlichen<br />

439


P09<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

AVEM-Gruppen beobachtet werden. Reine AVEM-Typen mit über 95 % Ausprägung in<br />

einem Merkmal zeigten keinerlei Änderungen im Profil.<br />

Beim AVEM gab es nur in der Dimension Distanzierungsfähigkeit signifikante<br />

Unterschiede (Phase 1 und 2 p = 0,020 und tendenziell zwischen 1 und 3). Körperliche,<br />

psychische und soziale Symptome nahmen im Verlauf geringgradig zu (KOEPS). Beim<br />

SBUSB wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden. Ebenso fanden sich nur<br />

tendenzielle Unterschiede im EBF (Skalen Allgemeine Belastung, Übermüdung und<br />

Leistungsfähigkeit) mit den besseren Ergebnissen in der 3. Phase.<br />

Die Auswertung des DSI ergab, dass die physische Stressmanifestation im Verlauf<br />

abnahm (Phasen 1/2 p = 0,025 und Phasen 1/3 = 0,005). Aus der Abbildung 1 können<br />

die Positivstrategien (1 – 10) und Negativstrategien des SVF entnommen werden.<br />

30<br />

SVF = Stressverarbeitungsfragebogen<br />

Rohwerte<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

* 1/2 t 2/3<br />

* 1/2<br />

t 1/2<br />

t 1/3<br />

* 1/2 t 1/3<br />

* 1/2<br />

Beginn<br />

8 Wochen<br />

Ende<br />

0<br />

BA<br />

HV<br />

SA<br />

AS<br />

EB<br />

SS<br />

E<br />

SV<br />

RV<br />

PI<br />

BU<br />

VT<br />

FT<br />

AK<br />

GW<br />

R<br />

SM<br />

SB<br />

AG<br />

PE<br />

PS<br />

NS<br />

Merkmal<br />

Abbildung 1: Ergebnisse und Darstellung der Dimensionen des Stressverarbeitungsfragebogen zu<br />

Beginn, nach 8 Wochen Kursbesuch und nach 3 Monate selbstständiger Anwendung zu Hause<br />

(BA = Bagatellisierung, HV = Herunterspielen durch Vergleich, SA = Schuldabwehr, AS =<br />

Ablenkung von Situationen, EB = Ersatzbefriedigung, SS = Suche nach Selbstbestätigung, E =<br />

Entspannung, SV = Situationskontrollversuch, RV = Reaktionskontrollversuch, PI = Positive<br />

Selbstinstruktion, BU = Bedürfnis nach soz. Unterstützung, VT = Vermeidungstendenz, FT =<br />

Fluchttendenz, AK = Soziale Abkapselung, GW = Gedankliche Weiterbeschäftigung, R =<br />

Resignation, SM = Selbstbemitleidung, SB = Selbstbeschuldigung, AG = Aggressionen, PE =<br />

Pharmakaeinnahme, PS = Positivstrategien, NS = Negativstrategien)<br />

Diskussion:<br />

Gesundheit und Wohlbefinden der Studierenden liegen im Interesse der Hochschule und<br />

der Arbeitsmedizin als Präventivfach. Die Kenntnisse der Ausprägung bestimmter<br />

Merkmale und Bewältigungsmuster bieten im Rahmen individueller<br />

Präventionsmaßnahmen Ansatzpunkte gezielter therapeutischer Interventionen. Die<br />

Compliance der Studenten spielt eine große Rolle. Die Integration in den Alltag muss<br />

ebenfalls erlernt werden. Die regelmäßige Anwendung beeinflusst das Stressempfinden<br />

positiv. Reine AVEM-Muster zeigen sich nach 3 Monaten relativ stabil und ohne<br />

440


P09<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Änderungen. Es wäre zu untersuchen, ob nach 1 Jahr regelmäßiger Anwendung<br />

Verschiebungen zu beobachten sind.<br />

Ein positives Votum durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-<br />

Guericke-Universität Magdeburg bestand.<br />

441


P10<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Arbeitsbelastung und –beanspruchung von Busfahrern<br />

Britta Geißler 1 *, Lorenz Hagenmeyer 2 , Katrin Meinken 2 , Axel Muttray 1<br />

1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität,<br />

Mainz<br />

2 Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart<br />

*Daten aus der medizinischen Dissertation von B. G., in Vorbereitung<br />

Ziel der Studie<br />

Nachtarbeit, unregelmäßige und lange Arbeitszeiten gehen mit einem erhöhten<br />

Unfallrisiko und gesundheitlichen Belastungen einher 1, 2 . Vor diesem Hintergrund<br />

untersuchten wir die Arbeitsbedingungen von Reisebusfahrern.<br />

Methoden<br />

45 männliche Busfahrer aus verschiedenen gewerblichen Unternehmen nahmen an der<br />

Studie teil. Ihr mittleres Alter betrug 44 Jahre (26-62 Jahre). Die Berufsanamnese sowie<br />

Angaben zur Arbeitszeit und Fahrtätigkeit wurden mittels Fragebögen erhoben. Zur<br />

Messung der psychischen Arbeitsbeanspruchung wurde der Effort-Reward-Imbalance<br />

(ERI) Fragebogen verwendet. Die subjektive Schlafqualität der letzten 2 Wochen wurde<br />

vor der Messfahrt mit dem Pittsburgher Schlafqualitätsindex (PSQI) und die<br />

Tagesschläfrigkeit mit der Epworth Schläfrigkeitsskala (ESS) erfasst. Zur Messung des<br />

subjektiven momentanen Schläfrigkeitszustands vor Fahrtbeginn und nach erfolgter<br />

Fahrt wurde die Karolinska Schläfrigkeitsskala (KSS) verwendet. Das schriftliche<br />

Einverständnis der Probanden sowie die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission<br />

lagen vor.<br />

Ergebnisse<br />

Die Fahrer waren überwiegend im Reisefernverkehr tätig. 93% der Fahrer hatten<br />

unregelmäßige Arbeitszeiten und arbeiteten auch nachts. 73% waren hauptberuflich als<br />

Busfahrer beschäftigt. 27% gingen im Hauptberuf anderen Tätigkeiten nach und<br />

arbeiteten nebenberuflich als Busfahrer. Insgesamt gaben 30% der befragten Fahrer an,<br />

eine Nebentätigkeit auszuführen. Die geschätzte mittlere wöchentliche Arbeitszeit für alle<br />

Beschäftigungsverhältnisse betrug 50,4 Stunden (SD=14,4 Stunden). Monatliche<br />

Überstunden zwischen 12 und 100 Stunden wurden regelmäßig von 45% der Teilnehmer<br />

geleistet. Die Arbeitsbelastung hinsichtlich der Kilometerfahrleistung unterlag in<br />

Abhängigkeit von Auftragslage und Einsatzplanung starken Schwankungen. Die mediane<br />

wöchentliche Fahrleistung betrug 1400 km (300-6000 km). Die Fahrer waren auf langen<br />

Strecken überwiegend zu zweit unterwegs und wechselten sich beim Fahren ab. Die<br />

Lenkzeiten des jeweilig anderen Fahrers galten als Ruhezeiten, in denen aber eine<br />

ausreichende Erholung durch Schlaf wegen fehlender oder unzureichender<br />

442


P10<br />

Poster – Psychische Belastungen und Beanspruchungen II<br />

Ruhegelegenheiten meistens nicht möglich war. 52% der Reisebusse waren mit einer<br />

Schlafkabine ausgestattet, welche häufig neben dem Gepäckraum oder im<br />

Einstiegsbereich lag und stets quer zur Fahrtrichtung ausgerichtet war. Lediglich 7 von<br />

22 Fahrern nutzten diese dann auch zum Schlafen. Als Gründe für die Nichtbenutzung<br />

der Schlafkabine wurden deren geringe Größe, fehlende Schallisolation und<br />

Klimatisierung sowie Vibrationsbelastung angegeben. Bei 23% aller Probanden wurde<br />

vor Fahrtbeginn ein PSQI-Summenwert >5 bzw. bei 38% der Fahrer ein ESS-Wert >10<br />

festgestellt. Dies wird als Hinweis für eine schlechte subjektive Schlafqualität bzw.<br />

vermehrte Tagesschläfrigkeit interpretiert. Der mediane KSS-Score vor Fahrtbeginn<br />

betrug 3 (3. Quartil=4), nach Fahrtende 5 (3. Quartil=7); somit schätzten sich die Fahrer<br />

nach erfolgter Fahrt deutlich schläfriger ein als vor der Fahrt. Bei 63% zeigte sich ein<br />

Missverhältnis zwischen beruflicher Verausgabung und Anerkennung (ER-ratio: MW=1,2,<br />

SD=0,4). Der Mittelwert für „übersteigerte berufliche Verausgabungsbereitschaft“<br />

(Overcommitment) war nicht erhöht (MW=12,5, SD=2,6).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Insbesondere lange und chronobiologisch ungünstige Arbeitszeiten führen zu<br />

Schlafdefiziten und stellten im untersuchten Busfahrerkollektiv eine gesundheitliche<br />

Belastung dar. Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei Zwei-Mann-Besatzungen auf<br />

langen Fahrten eine ausreichende Erholung durch Schlaf in den Ruhezeiten für den<br />

zweiten Fahrer häufig nicht möglich ist. Bei etwa zwei Drittel der Fahrer ergaben sich<br />

zudem Hinweise für Gesundheitsrisiken infolge der psychischen Arbeitsbeanspruchung.<br />

Da es sich bei dem Kollektiv aufgrund der freiwilligen Teilnahme um eine positive<br />

Selektion handelt, dürften die Belastungen und die daraus resultierenden<br />

Beanspruchungen in der Grundgesamtheit der Reisebusfahrer noch höher sein.<br />

Literatur<br />

1. Akerstedt T, Knutsson A, Westerholm P, Theorell T, Alfredsson L, Kecklund G; Work<br />

organisation and unintentional sleep: results from the WOLF study; Occup Environ Med;<br />

59; 2002; 595-600.<br />

2. Horne J, Reyner L; Vehicle accidents related to sleep: a review; Occup Environ Med;<br />

56; 1999; 289-294.<br />

Danksagung<br />

Die Studie wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gefördert.<br />

443


P11<br />

Poster – Prävention I<br />

Arbeit und Gesundheit bei Universitätsbeschäftigten –<br />

Ergebnisse einer MitarbeiterInnenbefragung an der Universität<br />

Freiburg<br />

Martina Michaelis 1 , Ulrich Stößel 2<br />

1<br />

FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin<br />

2<br />

Universität Freiburg, Abteilung Medizinische Soziologie<br />

In den letzten Jahren sind an deutschen Hochschulen verstärkt Bemühungen<br />

unternommen worden, ein integriertes betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

aufzubauen, so auch an der Universität Freiburg. Die hier vorgestellte<br />

Mitabeiterbefragung aus dem Jahr 2007 sollte Erkenntnisse über den Zusammenhang<br />

von Arbeit und Gesundheit generieren, aus denen Maßnahmevorschläge abgeleitet<br />

werden können.<br />

Methoden<br />

Der Fragebogen umfasste u.a. folgende Aspekte: a) Belastung durch<br />

Arbeitsbedingungen, b) subjektive Gesundheit und Gesundheitsverhalten, c) Skalen aus<br />

dem SALSA-Fragebogen zu psychomentalen/-sozialen Anforderungen und Ressourcen<br />

[1], d) die COPSOQ-Subskalen „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“ und „Burnout“<br />

[die Skalenwerte können mit der Datenbank des Deutschen COPSOQ-Studienzentrums<br />

(www.copsoq.de) verglichen werden] und e) Handlungsbedarf im betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagement aus Sicht der Beschäftigten.<br />

Ergebnisse<br />

Die 327 auswertbaren Fragebögen repräsentieren 10% des hauptberuflichen Personals.<br />

Das nichtwissenschaftliche Personal (Verwaltung, Technik) ist unterrepräsentiert (52%);<br />

weitere 30% kommen aus dem wissenschaftlichen Bereich und 17% der Befragten sind<br />

Beamte (alle Dienstgrade). 27% sind über 49 Jahre, 61% sind Frauen, 41% sind<br />

mindestens 11 Jahre beschäftigt, 16% haben eine leitende Stellung.<br />

Als am meisten belastende Arbeitsbedingungen werden lange Bildschirmarbeit (46%<br />

ziemlich/sehr stark), ungünstige Arbeitshaltungen (37%) und Zeitdruck (24%)<br />

angegeben; dies vom nichtwissenschaftlichen Personal signifikant geringer als von den<br />

anderen beiden Berufsgruppen. Der COPSOQ-Skalenmittelwert “Unvereinbarkeit von<br />

Beruf und Privatleben“ liegt beim nichtwissenschaftlichen Personal signifikant niedriger<br />

(MWFC=23, Skala von 0-100) als bei den anderen beiden Berufsgruppen (MWFC=47<br />

bzw. 48), die damit im Durchschnitt aller Daten in der COPSOQ-Datenbank liegen. Der<br />

COPSOQ- Skalenmittelwert „Burnout“ unterscheidet sich nicht zwischen den Gruppen<br />

444


P11<br />

Poster – Prävention I<br />

(MCBI=37); er ist verglichen mit dem COPSOQ-Datenbankmittelwert (MCBI=44) eher<br />

unterdurchschnittlich.<br />

73% sind mit ihrer Arbeitsplatzbedingungen „eher/völlig zufrieden“, 69% mit dem<br />

Aufgabenprofil und 69% mit dem Arbeitsklima, 70% mit der Universität als Arbeitgeber<br />

(ohne statistischen Einfluss der o.g. Stichprobenmerkmale). 55% können sich<br />

„ziemlich/sehr“ auf ihren Vorgesetzten verlassen, 73% auf ihre Kollegen (ohne<br />

Berufsgruppenunterschiede).<br />

72% aller Berufsgruppen bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut.<br />

Krankheitsbedingte Fehltage weisen 1,4% der Befragten auf (zum Vergleich: 2,9% alle<br />

Universitätsbeschäftigten, AOK-Daten 2004). 80% treiben regelmäßig Sport. 92%<br />

rauchen nicht (mehr); alle Aspekte ohne Berufsgruppenunterschiede. Statistisch<br />

signifikante Prädiktoren für einen guten subjektiven Gesundheitszustand sind neben<br />

einem Lebensalter unter 49 Jahren ein geringerer Burnout-Wert, ein höherer<br />

Entscheidungs- und Kontrollspielraum und regelmäßige Sportaktivitäten (sukzessiv<br />

verschlanktes Modell, multivariate lineare Regression, Vorwärtsselektion). Berufliche<br />

Stellung und Geschlecht spielen keine Rolle.<br />

Keinen hohen, sondern allenfalls „mittleren“ Handlungsbedarf für betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement sehen die MitarbeiterInnen am ehesten bei<br />

Bewegungsangeboten (Tabelle 1), aber auch bei Fortbildungen zu Arbeitsorganisationsund<br />

Teamkompetenzen sowie hinsichtlich der Hygiene in sanitären Einrichtungen und<br />

einem gesünderem Essensangebot. Am unteren Ende des subjektiven Bedarfs stehen<br />

Suchtvorbeugung und Nichtraucherschutz, aber auch die betriebsärztliche Vorsorge.<br />

Art des Angebots<br />

Mittelwert<br />

Bewegungsangebote 2,08<br />

Arbeitsorganisation 2,05<br />

Kollegialität mit Vorgesetzten/Kollegen 2,03<br />

Hygiene in sanitären Einrichtungen 2,00<br />

Gesünderes Essensangebot 1,98<br />

Arbeitsplatzgestaltung 1,88<br />

Arbeitszeitgestaltung 1,85<br />

Arbeitsmaterialien 1,75<br />

Suchtvorbeugung, Suchtkrankenhilfe 1,74<br />

Nichtraucherschutz 1,73<br />

Betriebsärztliche Vorsorge 1,73<br />

Pausenregelung 1,44<br />

Tab. 1:<br />

Bereiche für Handlungsbedarf im Betrieblichen Gesundheitsmanagement aus Sicht der<br />

Beschäftigten (standardisierte Fragen, 1= gering 2= mittel 3= hoch)<br />

445


P11<br />

Poster – Prävention I<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die positive Gesundheitseinschätzung und das Gesundheitsverhalten sind mit<br />

Mitarbeiterbefragungen anderer Universitäten vergleichbar [2]. Die Ergebnisse sind<br />

angesichts der niedrigen Responserate jedoch mit Einschränkungen zu bewerten. Der<br />

statistische Zusammenhang zwischen psychosozialen Faktoren und subjektivem<br />

Gesundheitszustand verdeutlicht, dass betriebliches Gesundheitsmanagement sich nicht<br />

gießkannenmäßig an alle Beschäftigten wenden sollte. Eine risikofaktorenorientierte<br />

Gefährdungsanalyse zur Identifizierung von Problemarbeitsbereichen sollte den<br />

Angeboten vorausgehen. Grundsätzlich scheinen Online-Befragungen ohne weitere<br />

unterstützende Aktivitäten zur Teilnahmemotivation nur bei Beschäftigten mit<br />

permanentem PC-Zugang sinnvoll.<br />

Literatur<br />

1. Rimann, M. , Udris, I. (1997): Subjektive Arbeitsanalyse: Der Fragebogen SALSA. In:<br />

Strohm, O., Ulich, E. (Hrsg.), Unternehmen arbeitspsychologisch bewerten. Zürich:<br />

vdf Hochschulverlag, 281-298<br />

2. Kriegel, C., Gröben, F. (2003): Ergebnisse der Mitarbeiter/innen - Befragung 2002.<br />

Institutsbericht Nr. 1kr. www.sport.uni-karlsruhe.de/gesundeuni/download/Befragungsergebnisse2002.pdf<br />

446


P12<br />

Poster – Prävention I<br />

Der überarbeitete G24: evidenzbasierte effiziente Hautvorsorge<br />

Ulrich Funke<br />

Dr. Funke Consulting GmbH<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

447


P13<br />

Poster – Prävention I<br />

Biologisches vs. kalendarisches Alter – arbeits- und gesundheitsbezogene<br />

Prädiktoren<br />

Gabriele Freude 1 , Reingard Seibt 2, Olga Jakob 3 , Peter Martus 3 , Uwe Rose 1<br />

1 Gruppe 3.4 “Mentale Gesundheit und Kognitive Leistungsfähigkeit”, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin, Berlin<br />

2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />

3 Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie, Charite, Berlin<br />

Einleitung<br />

Ziel der vorliegenden Studie ist es, arbeits- und gesundheitsbezogene Prädiktoren<br />

für Unterschiede zwischen kalendarischem (KA) und biologischem Alter (BA) zu<br />

identifizieren. Es kann angenommen werden, dass protektive arbeits- und<br />

gesundheitsbezogene Faktoren den Prozess des Alterns positiv beeinflussen,<br />

verbunden mit einem biologischen (vitalen) Alter, das geringer ist als das<br />

kalendarische Alter.<br />

Methode<br />

Der vorliegenden Analyse liegen Daten zugrunde, die im Rahmen von drei, mit<br />

identischen Methoden durchgeführten Studien gewonnen wurden (Seibt et al. 2005,<br />

2006, Freude 2007). Die Gesamtstichprobe besteht aus folgenden Subgruppen: 100<br />

Lehrerinnen, 60 weibliche Büroangestellte, 65 Erzieherinnen, 99 männliche Lehrer<br />

und 47 Führungskräfte.<br />

Methodische Grundlage für die Bestimmung des biologischen Alters ist der<br />

Vitalitätsmessplatz® (Meißner-Pöthig, 1997), mit dem 45 Vitalitätsindikatoren zur<br />

Messung physischer, mentaler und emotionaler Funktionen erfasst werden. Die<br />

individuellen Messwerte werden normiert und in einem sog. „Functional age index“<br />

(FAI) zusammengefasst.<br />

Zusätzlich wurden Work Ability Index (WAI), die Effort-Reward-Imbalance (ERI),<br />

Erholungsunfähigkeit sowie gesundheits- und lebensstilbezogene Faktoren<br />

gemessen.<br />

Ergebnisse<br />

Die größte KA-BA-Differenz wurde für die Subgruppe der Führungskräfte gefunden<br />

(9 Jahre), gefolgt von der Subgruppe der Lehrerinnen (5 Jahre). Für die Subgruppen<br />

der Erzieherinnen, Büroangestellten und Lehrer wurden keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen kalendarischem und biologischem Alter nachgewiesen.<br />

Der „beste Vitalitätsstatus“ bei der Gruppe der Führungskräfte stimmt mit dem<br />

Befund überein, dass bei ihnen auch die besten Ergebnisse bei der Arbeitsfähigkeit,<br />

dem Verhältnis von „Effort“ und „Reward“ (ERI) und der Erholungsfähigkeit gefunden<br />

wurden. Mittels multipler Regressionsanalyse wurden Prädiktoren für die Differenz<br />

zwischen KA und BA ermittelt. In der folgenden Tabelle 1 sind die<br />

448


P13<br />

Poster – Prävention I<br />

Regressionskoeffizienten von drei getrennten Regressionsanalysen einschließlich der<br />

Konfidenzintervalle aufgeführt. Die im Regressionsmodell 1 ermittelten Parameter<br />

belegen den KA-BA-Unterschied zwischen Führungskräften und den anderen<br />

Berufsgruppen. Die Gruppenunterschiede reduzieren sich (s. Modell 3) nach<br />

Einbeziehung der interessierenden Einflussgrößen (besonders deutlich beim Vergleich<br />

der Führungskräfte mit den Lehrerinnen), d.h. ein Teil der Unterschiede der KA-BA -<br />

Differenz bei den unterschiedlichen Berufsgruppen sind auf die hier analysierten<br />

Einflussgrößen (mentale Ressourcen, Erholungsunfähigkeit, berufliche Gratifikation,<br />

Fettmasse) zurückzuführen.<br />

Tab. 1: Prädiktoren für die Diskrepanz zwischen kalendarischem und biologischem Alter<br />

Model 1 Model 2 Model 3<br />

Prädiktor B B B<br />

(Constant) 9,01 -5,05 0,93<br />

L (w) – FK (m)<br />

BK (w) – FK (m)<br />

E (w )– FK (m)<br />

L (m) – FK (m)<br />

WAI 7<br />

EU 3<br />

Fettmasse<br />

Gratifikation<br />

-4,05 **<br />

KI: (-6,35 ; -1,74)<br />

-7,76 **<br />

KI: (-10,40 ; -5,12)<br />

-7,03 **<br />

KI: (-9,61 ; -4,45)<br />

-7,16 **<br />

KI: (-9,44 ; -4,88)<br />

1,58 **<br />

KI: (0,42 ; 2,75)<br />

-0,53 n.s.<br />

KI: (-1,27 ; 0,21)<br />

-0,21 **<br />

KI: (-0,31 ; -0,11)<br />

0,19 **<br />

KI: (0,07 ; 0,32)<br />

-1,60 n.s.<br />

KI: (-4,03 ; 0,84)<br />

-6,02 **<br />

KI: (-8,58 ; -3,45)<br />

-6,58 **<br />

KI: (-9,01 ; -4,14)<br />

-3,79 **<br />

KI: (-6,41 ; -1,17)<br />

1,66 **<br />

KI: (0,45 ; 2,88)<br />

-1,00 *<br />

KI: (-1,77 ; -0,24)<br />

-0,18 **<br />

KI: (-0,28 ; -0,08)<br />

0,14 *<br />

KI: (0,01 ; 0,27)<br />

R 2 / R 2 adj. 0,14 / 0,13 0,15 / 0,14 0,24 / 0,23<br />

Anmerkungen: Regressionsparameter der multiplen Regression mit Konfidenzintervallen, *p < 0.05, **p < 0.01,<br />

***p < 0.001,<br />

Spalte 1 (Modell 1) – Gruppenvergleich mit Führungskräften; Spalte 2 (Modell 2) - alleiniger Einfluss der Kovariaten;<br />

Spalte 3 (Modell 3) – Gruppenvergleich mit Führungskräften bei gleichzeitiger Adjustierung der Kovariaten im Modell 2.<br />

FK (m) männliche Führungskräfte, L (w) weibliche Lehrer, BK (w) weibliche Bürofachkräfte, E (w) Erzieherinnen, L (m)<br />

männliche Lehrer,<br />

WAI 7 (mentale Ressourcen), EU 3 (Item 3 der EU Skala), Gratifikation (gemessen auf Basis des ERI)<br />

Schlussfolgerung<br />

Diese Prädiktoren können sowohl als Ressourcen als auch als Risiken für den Prozess<br />

des Alterns betrachtet werden können. Prävention und Gesundheitsförderung, die<br />

sowohl auf arbeitsbezogene Ressourcen und Risiken gerichtet sind, können den<br />

Prozess des Alterns positiv beeinflussen.<br />

449


P13<br />

Poster – Prävention I<br />

Literatur<br />

Seibt R, Khan A, Thinschmidt M, Dutschke J, Weidhaas J. Gesundheitsförderung<br />

und Arbeitsfähigkeit in Kindertagesstätten. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2005.<br />

(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin:<br />

Forschungsbericht, Fb 1049)<br />

Seibt R, Thinschmidt M, Lützkendorf L, Hänsch S. Arbeitsfähigkeit und Vitalität<br />

von Lehrern und Bürofachkräften – Ein Vergleich. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW,<br />

2006. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin:<br />

Forschungsbericht, Fb 1087)<br />

Freude G. Vitalität und Arbeitsfähigkeit von Führungskräften: Altersassoziierte<br />

Veränderungen und salutogenetische Faktoren. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed<br />

2007;42:544-553.<br />

Meißner-Pöthig D. Vitalitätsdiagnostik nach PÖTHIG ® . In: Meißner-Pöthig D,<br />

Michalak U, Hrsg. Vitalität und ärztliche Intervention: Vitalitätsdiagnostik: Grundlagen<br />

– Angebote – Konsequenzen. Stuttgart: Hippokrates, 1997; 64-72.<br />

450


P14<br />

Poster – Prävention I<br />

Möglichkeiten des Einsatzes eines Telemonitoring-Systems im arbeitsmedizinischen<br />

Bereich<br />

Dagmar Arndt 2 , Neubert, Sebastian 1 , Kumar, Mohit 2 , Matthias Weippert 1 , Regina Stoll 1<br />

1<br />

Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />

² Center for Life Science Automation (Celisca), Rostock<br />

Problem und Zielstellung:<br />

Sozialer und beruflicher Distress, Überlastung, Termindruck und Mobbing am<br />

Arbeitsplatz können zu gesundheitlichen Problemen führen. Diese werden häufig erst<br />

dann diagnostiziert, wenn sich infolge der chronischen Fehlbeanspruchung eine<br />

Funktionsstörung des Organismus entwickelt hat. Da evt. auftretende pathologisch<br />

veränderte Werte der Vitalparameter während des Arbeitsalltages in der Freizeit auf<br />

Normalwerte zurückfallen können, bleiben sie lange Zeit unentdeckt.<br />

Aus diesem Grunde sollten schon im Vorfeld Langzeitmessungen der Vitalparameter an<br />

Arbeitnehmern, während der Arbeit durchgeführt werden, um auftretende<br />

gesundheitsgefährdende Faktoren erkennen und vor Manifestation der Krankheit<br />

präventive Maßnahmen einleiten zu können. Die Möglichkeit des Einsatzes eines<br />

Telemonitoring-Systems kann einen großen Beitrag in der Gesundheitsvorsorge und in<br />

der Kosteneinsparung im Gesundheitswesen leisten. Telemedizin wird bislang vor allem<br />

im diagnostischen und Nachsorgebereich verwand, im Bereich der arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge kam sie bislang kaum zum Einsatz. Ziel unserer Untersuchung war die<br />

Entwicklung eines mobilen Equipments, welches in der Lage ist, eine zeitparallele<br />

Erfassung mehrerer physiologischer Parameter, sowie des Tätigkeitsprofils<br />

vorzunehmen und sie in einem webbasierten Visualisierungssystem online<br />

wiederzugeben. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Reaktion des<br />

Arbeitnehmers unter psychischer und physischer Arbeitsbelastung ortsunabhängig in<br />

Echtzeit verfolgen zu können.<br />

Methode:<br />

Zur Erprobung des Equipments standen 50 gesunde Probanden (Alter: 27,62 ± 9,14,<br />

Geschlecht: 25 Frauen, 25 Männer) zur Verfügung, die an simuliert vollautomatisierten<br />

Arbeitsplätzen untersucht wurden. Für die Messung der physiologischen Parameter kam<br />

das kabellose Sensormodul Equivital – TM zum Einsatz, welches eine zeitparallele<br />

Messung der Herzfrequenz, der RR-Intervalle, der Atmung, der Hauttemperatur, die<br />

Aktivität und der Position des Probanden vornimmt. Die Sensorik ist in einem Brustgurt<br />

integriert und überträgt die Messdaten über eine Bluetooth-Schnittstelle auf ein mobiles<br />

Gerät (PDA). Die Dokumentation über die Art der Tätigkeit und das subjektive<br />

Beanspruchungsempfinden erfolgte über Selbstprotokollierung des Probanden auf den<br />

451


P14<br />

Poster – Prävention I<br />

mit einer speziellen Software ausgestatteten PDA. Alle Daten werden auf einen zentralen<br />

Server übertragen, mit einem einheitlichen Zeitstempel versehen und in einem<br />

webbasierten Visualisierungssystem wiedergegeben.<br />

Ergebnisse:<br />

Abb.1: Real-time Visualisierung von physiologischen Daten, subjektivem<br />

Beanspruchungsempfinden und Belastungkategorien<br />

Der Einsatz des o.g Telemonitoring-Systems erweist sich auch im Bereich der<br />

Belastungs-Beanspruchungs-Untersuchung als sinnvoll. Die Integration multipler<br />

Sensorikelemente in einem Brustgurt bietet eine komfortable Methode des mobilen<br />

Monitorings. Die Vorteile des Messgerätes konnten bei den durchgeführten<br />

Untersuchungen in der artefaktarmen Aufzeichnung des sitzenden Probanden und der<br />

geringen Beeinträchtigung des Probanden in seiner Tätigkeit durch das Messgerät<br />

nachgewiesen werden. Die real-time Visualisierung von physiologischen Daten,<br />

subjektivem Beanspruchungsempfinden und Belastungskategorien eignet sich im<br />

Rahmen arbeitsphysiologischer Untersuchungen, um während eines Arbeitsalltages<br />

auftretende Fehlbeanspruchungen und Krankheitsfrühstadien erkennen zu können und<br />

rechtzeitig präventiv wirksam werden zu können.<br />

452


P15<br />

Poster – Prävention I<br />

Betriebliche Suchtprävention – Engagement und Kompetenz von<br />

Betriebsärzten<br />

Manuela Merchlewicz, Claudia Peters, Albert Nienhaus<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege<br />

Einleitung<br />

Betriebliche Suchtprävention ist eine wichtige Aufgabe von Betriebsärzten. Bisher ist<br />

aber wenig darüber bekannt, welchen konkreten Beitrag Betriebsärzte zu diesem<br />

wichtigen Thema leisten. Deshalb befragten wir Betriebsärzte zu ihrer Erfahrung und<br />

Kompetenz im Bereich Suchtprävention.<br />

Methode<br />

Die Erhebung wurde mit einem standardisierten, selbstauszufüllendem Fragebogen<br />

zwischen Juni und August 2008 durchgeführt. Der Bogen wurde an 250 Betriebsärzte<br />

verteilt, 122 haben geantwortet (Responserate 50%). Der Erhebungsbogen wurde für die<br />

Studie entwickelt. Er beinhaltet Fragen zur Struktur der betreuten Betriebe, zu<br />

Substanzkonsum am Arbeitsplatz, Erfahrungen mit betrieblicher Suchtprävention sowie<br />

Bedarf an Fortbildungsmaßnahmen. Die Auswertung erfolgte deskriptive.<br />

Ergebnisse<br />

Im Durchschnitt betreuten die Betriebsärzte 3000 Beschäftigte (Median). Die Dauer der<br />

Tätigkeit als Betriebsarzt betrug im Mittel 16 Jahre. 35% der Betriebsärzte sind häufig mit<br />

dem Thema Sucht oder Suchtproblemen bei Mitarbeitern konfrontiert. Etwa die Hälfte der<br />

Betriebsärzte führt Drogenteste bei Einstellung oder anlassbezogen durch. Beteiligt bei<br />

der betrieblichen Suchthilfe ist ein Drittel der Betriebsärzte. 75% der Befragten stufen<br />

ihre Kompetenz in der Suchtprävention als mittelmäßig oder schlechter ein. Ein hohes<br />

Interesse an Fortbildungen zur Suchtprävention haben 64%.<br />

Aktivitäten der Betriebsärzte Absolut Prozent<br />

Drogentest bei Einstellung 51 41,8<br />

Drogentest bei Verdacht 59 48,4<br />

Zufallstest 12 9,8<br />

Information, Beratung 107 87,7<br />

Betriebliche Suchthilfe 42 34,4<br />

Vermittlung nach Extern 91 74,6<br />

Betriebliche Suchtprävention 53 43,4<br />

Aktivitäten bei der betrieblichen<br />

453


P15<br />

Poster – Prävention I<br />

Suchtprävention<br />

Suchtaktionstage 28 23,0<br />

Abbau suchtförd. Bedingungen 29 23,8<br />

Nichtraucherkurs 57 46,7<br />

Drink-Less-Programm 3 2,5<br />

Stressbewältigung 35 28,7<br />

Kompetenz der Betriebsärzte in Bezug auf<br />

Konsum und Auswirkungen von<br />

substanzbezogener Abhängigkeit<br />

sehr hoch – hoch 65 54,1<br />

Mittelmäßig 47 39,2<br />

Gering 8 6,7<br />

Kompetenz der Betriebsärzte in Bezug auf<br />

Suchtprävention<br />

sehr hoch – hoch 39 32,0<br />

Mittelmäßig 62 50,1<br />

Gering 13 10,7<br />

Interesse an Fortbildungen zum Thema<br />

Suchtprävention<br />

sehr hoch – hoch 78 63,9<br />

Mittelmäßig 34 27,9<br />

Gering 10 8,2<br />

Diskussion<br />

Jeder dritte Betriebsarzt ist regelmäßig mit dem Thema Sucht konfrontiert. Die eigenen<br />

Kompetenzen bezogen auf die Auswirkungen von Sucht werden eher gut, die<br />

Kompetenzen bei der Suchtprävention werden aber eher als schlecht eingestuft. Das<br />

Interesse an Fortbildungen ist dementsprechend groß. Hier sind die<br />

Fortbildungsakademien und Verbände gefordert, entsprechende Angebote zu<br />

entwickeln.<br />

454


P16<br />

Poster – Prävention I<br />

Diabetes-Screening im betrieblichen Umfeld: Die Bewertung der<br />

Blutzuckerwerte nach einer gemischten standardisierten<br />

Testmahlzeit<br />

Michael Schneider 1 , Stephan Martin 2 , Kerstin Kempf 2 ,<br />

1<br />

Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />

2<br />

Nationales Aktionsforum Diabetes mellitus, Projektgruppe Versorgung und Versorgungsforschung am<br />

Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum, Sana Krankenhaus Gerresheim, Sana Kliniken<br />

Düsseldorf GmbH, Düsseldorf<br />

Ziel der Studie<br />

Die Hyperglykämie ist ein unabhängiger Risikofaktor für mikro- und makrovaskuläre<br />

Komplikationen bei Menschen mit Diabetes mellitus. Sowohl erhöhte Nüchtern – als<br />

auch postprandiale Blutglukosewerte tragen wahrscheinlich zu diesem überhöhtem<br />

Risiko bei. Nach Schätzungen der WHO ist bis in das Jahr 2030 mit einer Zunahme der<br />

Typ 2 Diabetes-Erkrankung auf über 330 Mio. Fälle zu rechnen. Der Goldstandard zur<br />

Diagnose des Diabetes mellitus - der OGTT - ist zeitaufwendig und findet bei<br />

Screeninguntersuchungen nur geringe Akzeptanz. Aus diesem Grund wurden im<br />

Rahmen einer Aktion zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge („Diabetes-Risiko-Test“) bei<br />

Boehringer Ingelheim eine dem klassischen OGTT vergleichbare standardisierte<br />

Testmahlzeit inkl. Bestimmungen der Blutglukosewerte nüchtern und nach 1 Stunde<br />

angeboten. Ziel war es, Zusammenhänge zwischen biometrischen Daten, Risikofaktoren<br />

für Diabetes mellitus und nüchtern bzw. postprandialen Glukosekonzentrationen nach<br />

Einnahme der Testmahlzeit zu ermitteln und zu überprüfen ob dies ggf. Rückschlüsse<br />

auf das Vorliegen einer Störung der Glukosehomöostase erlaubt.<br />

Methoden<br />

Die Teilnehmer erhielten zunächst einen standardisierten Fragebogen (FindRisk) zur<br />

Evaluierung des individuellen Diabetes-Risikos. Blutglukosemessungen erfolgten<br />

nüchtern im Kapillarblut sowie 1 Stunde nach Verzehr der standardisierten Testmahlzeit.<br />

Diese bestand aus einem 30 Gramm Weißmehl-Brötchen belegt mit Putenbrust (18g<br />

Glukose), einem Brötchen (36g Glukose), 200 ml Orangensaft (23g Glukose) und Kaffee<br />

wahlweise mit Süßstoff. Die Testmahlzeit sollte innerhalb von 15 Minuten konsumiert<br />

werden. Assoziationen wurden mittels Spearman Korrelation, die Steigung der<br />

Regressionsgeraden mittels linearer Regression verglichen.<br />

455


P16<br />

Poster – Prävention I<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt 237 Personen (101 Männer und 126 Frauen) nahmen an den<br />

Untersuchungen teil. Es fand sich eine signifikante Assoziation zwischen der<br />

Nüchternblutglukose und den Einstundenwerten (r=0,366, p20 Punkte). Es fanden sich signifikante Assoziationen zwischen präbzw.<br />

postprandialen Blutglukosewerten und dem Ergebnis im FindRisk, dem Body mass<br />

index (BMI) sowie dem Lebensalter. Pro Lebensjahrzehnt erhöhten sich die<br />

Nüchternblutglukosewerte im Mittel um 4,3 ± 0,7 mg/dl, die postprandialen Blutglukose<br />

um 11,9 ± 1,9 mg/dl.<br />

Schlussfolgerung<br />

Diese Untersuchungen unterstreichen eindrucksvoll die Bedeutung der postprandialen<br />

Blutglukosemessungen um potentielle Störungen der Glukosehomeostase frühzeitig zu<br />

detektieren. Eine Zunahme von präprandialen Blutglukosewerten geht mit einer 1,3<br />

fachen Erhöhung der postprandialen Blutglukosewerten einher. Die Manifestation des<br />

Typ 2-Diabetes geht mit einer sukzessiven Verschlechterung des Glukosestoffwechsels<br />

und mit einem Anstieg der Nüchtern- und postprandialen Blutglukosewerte einher.<br />

Blutglukose-Werte steigen aber auch mit zunehmendem Lebensalter, postprandial<br />

stärker als im nüchternen Zustand. Ein Anstieg des HbA 1c noch innerhalb des<br />

Normbereichs geht häufig mit einer Verschlechterung der postprandialen und nicht der<br />

Nüchterwerte einher. Auch in der von uns untersuchten Kohorte kam es altersabhängig<br />

zu einem deutlichen Anstieg der postprandialen, bei nur geringem Anstieg der Nüchtern -<br />

Blutglukosewerte. Ein ähnlicher Zusammenhang fand sich auch zwischen<br />

Blutglukosewerten und BMI. Verwendet man nun die internationalen Normwerte für den<br />

2h-Wert im OGTT als Kriterium für den 1h-Wert nach standardisierter Mahlzeitzeit finden<br />

sich ein vergleichbarer Anteil an Störungen der Glukosehomöostase wie in der Literatur<br />

für den OGTT beschrieben .Die verwendete Testmahlzeit kann sicherlich nicht den<br />

OGTT als Goldstandard zur Diagnosestellung von Diabetes ablösen, jedoch ist diese im<br />

betrieblichen Setting leichter durchzuführen und findet bei den Teilnehmern eine größere<br />

Akzeptanz. Die zusätzliche Durchführung eines OGTT bei 1 h-Blutglukosewerten über<br />

140 mg/dl nach einer Mahlzeit zur Abklärung eines Diabetes ist zu empfehlen, dies gilt<br />

v.a. bei gleichzeitig vorliegenden Risikofaktoren für Diabetes wie erhöhte Punktzahl im<br />

FindRisk, BMI, Alter, Lipidstoffwechselstörung, Bluthochdruck oder grenzwertig erhöhten<br />

456


P16<br />

Poster – Prävention I<br />

Nüchternglukosewerten. Diese Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung der<br />

postprandialen Blutglukosemessungen, um potentielle Störungen der<br />

Glukosehomöostase frühzeitig zu detektieren.<br />

Ein schriftliches Einverständnis der Probanden zur wissenschaftlichen Publikation der<br />

Daten liegt vor, die Zustimmung der Ethikkommission wurde eingeholt.<br />

Literatur<br />

1. World Health Organization Expert Committee. Diabetes Mellitus, TechRep 2008<br />

2. Szoke E., Shrayyef M, Messing S, Woerle H.J., Van Haeften T., Meyer C, Mitrakou A,<br />

Pimenta W. and Gerich J. Effect of Aging on Glucose Homeostasis: Accelerated<br />

Deterioration of Beta Cell Function in Individuals with Impaired Glucose Tolerance<br />

Diabetes Care. 2008 Mar;31(3):539-43. Epub 2007 Dec 14.<br />

3. American Diabetes Association. Tests of glycemia in diabetes. Diabetes Care.<br />

2002;25 (suppl 1):S97-S99.<br />

457


P17<br />

Poster – Prävention II<br />

Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchung in<br />

Abhängigkeit des Erwerbsstatus und der beruflichen Stellung<br />

Andrea Jaenicke, Dorothea Nitsche, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz<br />

Ziel der Studie<br />

In Deutschland verstarben im Jahr 2007 insgesamt 211.765 Personen an einer<br />

Krebserkrankung. Bösartige Neubildungen sind derzeit die zweithäufigste Todesursache<br />

in Deutschland [1]. Rechtzeitig entdeckt, können inzwischen durchschnittlich 50% der<br />

Krebserkrankungen geheilt werden, bei einigen Krebserkrankungen sogar bis zu 90%<br />

[2]. Dennoch werden Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) nur von etwa jeder<br />

zweiten Frau ab 20 Jahre und etwa jedem 5. Mann über 45 Jahre wahrgenommen [2].<br />

Berufsbelastungen werden für die geringe Inanspruchnahme diskutiert, wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse darüber sind jedoch rar. Zur Erhöhung der Inanspruchnahme von KFU<br />

sollten daher potentielle Abhängigkeiten zum Erwerbsstatus und beruflicher Stellung<br />

näher untersucht werden, um Erkenntnisse für die Arbeitsmedizin eruieren zu können.<br />

Dies war Ziel der vorliegenden Untersuchung.<br />

Methoden<br />

Eine Sekundärdatenanalyse des Telefonischen Gesundheitssurveys 2003 des Robert<br />

Koch-Instituts (n=8318) wurde durchgeführt. Eine Datensatzeinschränkung auf Befragte<br />

im erwerbsfähigen Alter, die anspruchsberechtigt im Sinne des<br />

Krebsfrüherkennungsprogrammes der gesetzlichen Krankenkassen (Stand 2003) waren<br />

und KFU-Teilnahme / Nicht-Teilnahme angaben, wurde vorgenommen: Frauen im Alter<br />

zwischen 20 und 65 (n=3704) und Männer zwischen 45 und 65 Jahren (n=1399).<br />

Die statistische Analyse schloss die Selbstangaben zur Inanspruchnahme von KFU in<br />

den letzten 12 Monaten, sowie potentielle Einflussgrößen (u. a. Gesundheitszustand,<br />

Staatsangehörigkeit, soziale Schicht, berufliche Stellung, Erwerbsstatus) ein und fand in<br />

bi- und multivariablen Modellen (Rückwärtsselektion) mittels SPSS 14.0 statt, wobei das<br />

Signifikanzniveau mit α = 0,05 definiert wurde<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt haben 68% der Frauen und 40% der Männer angegeben, in den 12 Monaten<br />

vor der Befragung an einer KFU teilgenommen zu haben.<br />

Weibliche KFU-Teilnehmer waren durchschnittlich 44,0 Jahre, Nicht-Teilnehmerinnen<br />

42,2 Jahre alt. Männliche Teilnehmer waren im Schnitt 55,9 Jahre, Nicht-Teilnehmer<br />

53,3 Jahre alt. Der Altersunterschied zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern war<br />

458


P17<br />

Poster – Prävention II<br />

in beiden Gruppen statistisch signifikant auffällig (p


P17<br />

Poster – Prävention II<br />

Tab. 1: Erwerbstätigkeitsbezogene Risikomaße für die Nicht-Teilnahme an<br />

Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) im adjustierten Endmodell*<br />

berufliche Stellung<br />

Frauen (n=3704) 1 Männer (n=1399)²<br />

OR 95%-KI OR 95%-KI<br />

Angestellter Referenzkategorie Referenzkategorie<br />

Arbeiter 1,43 1,15-1,78 1,37 0,99-1,87<br />

Beamter 0,83 0,59-1,19 0,80 0,56-1,15<br />

selbständig/freiber. 1,04 0,77-1,49 1,23 0,91-1,76<br />

Ausbildung/Lehre 3,05 1,52-6,13<br />

k. A. 1,60 1,24-2,08 1,36 0,50-3,73<br />

Erwerbsstatus Vollzeit<br />

Referenzkategorie<br />

Teilzeit 0,56 0,32-0,95<br />

Hausfrau Im Endmodell nicht 0,73 0,29-1,82<br />

arbeitslos enthalten 0,78 0,46-1,30<br />

Frührente 0,71 0,46-1,12<br />

k. A.<br />

0,48 0,31-0,73<br />

*adjustiert nach Alter, Schulbildung, Partnerschaft, Einkommen, berufliche Stellung,<br />

Erwerbsstatus, Art der Krankenversicherung<br />

1 im Alter zwischen 20 und 65 Jahren, KFU-Angaben vorliegend<br />

² im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, KFU-Angaben vorliegend<br />

Quelle: Telefonischer Gesundheitssurvey 2003 des Robert Koch-Instituts, eigene<br />

Berechnungen<br />

460


P18<br />

Poster – Prävention II<br />

Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften In Rheinland-<br />

Pfalz - Pilotkonzept<br />

Christa Weßel, Kristina Harth, Ulrike Burger, Stephan Letzel<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Ziel<br />

In Rheinland-Pfalz ist – wie in anderen Bundesländern auch – eine flächendeckende<br />

arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften an staatlichen, allgemein und<br />

berufsbildenden Schulen im Routinebetrieb bisher nicht gegeben. Unterrichtsausfälle<br />

aufgrund von Erkrankungen oder Frühpensionierungen von Lehrkräften, sinkende<br />

Qualität der Leistungen von Schülerinnen und Schülern, die finanzielle Belastung für die<br />

Bundesländer und nicht zuletzt die gesetzliche Verpflichtung, die arbeitsmedizinische<br />

Versorgung ihrer Beamten und Angestellten zu gewährleisten, motivieren in<br />

zunehmenden Maß die Bundesländer, diesem Auftrag auch für Lehrkräfte<br />

nachzukommen [1]. Ziele des auf drei Jahre angelegten, vom Kultusministerium RLP in<br />

Auftrag gegebenen Projekts sind die Entwicklung eines nachhaltigen, Ressourcen<br />

orientierten und qualitätsgesicherten arbeitsmedizinischen Betreuungskonzepts und von<br />

Vorschlägen für ein zielgruppenorientiertes Gesundheitsmanagement für Lehrkräfte in<br />

Rheinland-Pfalz.<br />

Methode<br />

In einer explorativen Feldstudie wird mittels Methoden der Organisationsanalyse und -<br />

entwicklung und qualitativer Methoden aus den Sozialwissenschaften ein Pilotkonzept<br />

entwickelt, in Projektschulen angewendet, auf seine Tauglichkeit überprüft und<br />

fortgeschrieben. Die quantitativen und qualitativen Analysen der in den Projektschulen<br />

erhobenen Daten bilden die Grundlage der arbeitsmedizinischen Begleitung der<br />

Einzelschulen. Die Erkenntnisse aus der im Oktober 2008 eingerichteten<br />

Arbeitsmedizinischen Sprechstunde für Lehrkräfte fließen zum einen in die Beratung der<br />

Projektschulen und zum anderen in das Gesamtkonzepts ein. Für die Entwicklung des<br />

Gesamtkonzepts für Rheinland-Pfalz wird dieses Datenmaterial einer Meta-Analyse<br />

unterzogen.<br />

Ergebnisse<br />

Das Pilotkonzept besteht aus vier Modulen: (1) Gefährdungsanalyse mit einer Leitfaden<br />

gestützten Begehung der Schulen mit dem Schwerpunkt Arbeitsumwelt und einem<br />

Leitfaden gestützte Gruppeninterview mit dem Schwerpunkt "Arbeitsorganisation und<br />

psychosoziale Situation", (2) Workshop zur Festlegung des weiteren Vorgehens, (3)<br />

arbeitsmedizinische Beratung der Schulleitung und des Lehrerkollegiums vertreten durch<br />

461


P18<br />

Poster – Prävention II<br />

den örtlichen Personalrat sowie (4) der Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte<br />

individuell in der „Arbeitsmedizinischen Sprechstunde für Lehrkräfte“. Insgesamt werden<br />

bis Mitte <strong>2009</strong> acht Projektschulen mit circa 400 Lehrkräften und pädagogischen<br />

Fachkräften am Projekt teilnehmen. Es sind dann alle Schularten vertreten: Grundschule,<br />

Grund- und Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Integrierte Gesamtschule, je eine<br />

Förderschule für Kinder mit Lernbeeinträchtigungen und für Kinder mit körperlichen<br />

Beeinträchtigungen und Berufsbildende Schule.<br />

Durch die Arbeit in den Projektschulen werden Belastungen, Ressourcen und<br />

Maßnahmen identifiziert, die sich mit publizierten Ergebnissen anderer Studien decken.<br />

Die Belastungen erstrecken sich auf die Bereiche Sanierungs- und Renovierungsbedarf<br />

der Schulgebäude und Lärm [2], Hygiene und Reinigungsregime [3,4], Klima und Lüften<br />

[5], sowie Schulklima, Kommunikation im Kollegium und mit der Schulleitung, mit Eltern,<br />

Schülern, externen Ämtern und Institutionen [1].<br />

Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass Handlungsbedarf besteht (a) im Bereich<br />

Schulgebäude für die Schulträger und (b) im Bereich psychosoziale Belastungen der<br />

Lehrkräfte für die Schulentwicklung beispielsweise mit Unterstützung von<br />

Schulpsychologen. Die Arbeitsmedizinische Sprechstunde (Modul 4) wurde von den<br />

Klienten als hilfreich erlebt und erbringt andererseits wiederum Erkenntnisse zum<br />

Handlungsbedarf und zu möglichen Maßnahmen in den Projektschulen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Arbeitsmedizinische Betreuung von Lehrkräften und päd. Fachkräften muss individuell<br />

für die Lehrkräfte und systemisch für Schulleitungen und beteiligte Institutionen erfolgen.<br />

Das Pilotkonzept ist ein strukturiertes, transparentes Konzept, das die rechtlichen<br />

Vorgaben des Arbeitsschutzes berücksichtigt. Die drei Bausteine "Organisations- und<br />

Datenanalyse", "Gefährdungsanalyse in den Projektschulen" und "Analyse der<br />

Arbeitsmedizinischen Sprechstunde" ermöglichen durch die Triangulation eine<br />

umfassende Exploration der Bedürfnisse und Möglichkeiten zum Arbeitsschutz und<br />

Gesundheitsmanagement in Schulen in Rheinland-Pfalz. Es gilt, für 40.000 Lehrkräfte<br />

und pädagogische Fachkräfte an 1700 Schulen im Flächenland RLP ein Konzept zur<br />

arbeitsmedizinischen Versorgung zu entwickeln.<br />

Daher sind im Weiteren das Betreuungskonzept für die einzelne Schule weiter zu<br />

entwickeln und eine Ressourcenabschätzung für den landesweiten Bedarf vorzunehmen.<br />

Hinzu kommen die Konzipierung einer Gesundheitsberichterstattung über Lehrkräfte und<br />

die Identifizierung von Indikatoren, die als Entscheidungshilfe für die Prioritätensetzung<br />

in der arbeitsmedizinischen Versorgung von Schulen und Lehrkräften dienen können.<br />

462


P18<br />

Poster – Prävention II<br />

Eine große Herausforderung ist die Koordinierung, Bündelung und Kommunikation von<br />

Maßnahmen zur arbeitsmedizinischen Versorgung und zum Gesundheitsmanagement.<br />

Die Arbeitsmedizin mit ihren umfassenden Möglichkeiten und Instrumenten kann und<br />

sollte dabei eine Schlüsselposition einnehmen.<br />

Referenzen<br />

[1] Rothland, Martin (Hg.). Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle,<br />

Befunde, Interventionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007.<br />

[2] Tiesler, Gerhart: Lärm in der Schule - ein vermeidbarer Stressor. In: ecomed Medizin<br />

(Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg: Verlagsgruppe Hüthig Jehle<br />

Rehm GmbH (13 (4)), 13 (4), S. 235–260.<br />

[3] Fromme, Hermann; Gabrio, Thomas; Lahrz, Thomas; Grams Herbert; Dietrich, silvio;<br />

Sagunski, Helmut: Vorkommen und gesundheitliche Bedeutung von Feinstüben in<br />

Schulen. In: ecomed Medizin (Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg:<br />

Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH (13 (4)), Bd. 13, S. 199–209.<br />

[4] Heudorf, Ursel; Hentschel, Wolfgang: Wassserhygiene in Schulen. In: ecomed<br />

Medizin (Hg.): Umweltmedizin in Forschung und Praxis. Landsberg: Verlagsgruppe<br />

Hüthig Jehle Rehm GmbH (13 (4)), 13 (4), S. 227–233.<br />

[5] Grams Herbert; Hehl, Oliver; Gabrio, Thomas; Volland, Gerhard; Lahrz, Thomas;<br />

Dietrich, silvio; Sagunski, Helmut: Ursachen und gesundheitliche Bewertung von<br />

Lüftungsmängeln an deutschen Schulen . In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis,<br />

Jg. 2008, H. 13 (4), S. 211–218.<br />

463


P19<br />

Poster – Prävention II<br />

Überschuldung von Privathaushalten in Deutschland –<br />

Arbeitsmedizinische Relevanz am Beispiel der Adipositas<br />

Elke Ochsmann 1 , Heiko Rüger 2 , Stephan Letzel 2 , Eva Münster 2<br />

1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Mainz<br />

Einleitung: In Deutschland sind derzeit ca. 6,9 Mio Bürgerinnen und Bürger über 18<br />

Jahren überschuldet (zahlungsunfähig) [1], wobei Privatpersonen dann als<br />

„überschuldet“ bezeichnet werden, wenn nach Abzug der notwendigen<br />

Lebenshaltungskosten ihr Einkommen nicht ausreicht, um alle Zahlungsverpflichtungen<br />

zu erfüllen. Eine Überschuldungssituation kann Einfluss auf Lebensstile, wie Ernährung<br />

und Bewegung nehmen und eine Arbeitsplatzbedrohung mit verursachen [2]. Adipositas<br />

und die damit assoziierten Co-Erkrankungen hängen ab von der Art der Ernährung, die<br />

durch den Lebensstil der Industrienationen mit geprägt ist. Verschiedene Studien haben<br />

einen Zusammenhang zwischen starker Adipositas (BMI ≥ 40 kg/m²) und Fehltagen im<br />

Betrieb aufgezeigt (im Durchschnitt zwei Tage mehr pro Jahr als normalgewichtige<br />

Arbeitnehmer) [3, 4, 5]. An einer großen, repräsentativen Stichprobe in den USA wurde<br />

abgeschätzt, dass die Kosten für Fehltage aufgrund von Adipositas im Jahr 2004 ca. 4,3<br />

Milliarden Dollar betragen haben.<br />

Internationale Studien konnten einen Zusammenhang aufzeigen zwischen der<br />

finanziellen Situation einer Person und der Möglichkeit bestimmte<br />

Ernährungsgewohnheiten zu verfolgen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob der<br />

verminderte Lebensstandard überschuldeter Haushalte, im Vergleich zur<br />

Allgemeinbevölkerung, mit einer erhöhten Prävalenz von Adipositas in einem<br />

überschuldeten Kollektiv assoziiert ist.<br />

Methode: In Zusammenarbeit mit 53 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen des<br />

Landes Rheinland-Pfalz wurde eine Querschnittsstudie („ASG-Studie“ - Armut, Schulden<br />

und Gesundheit) an überschuldeten Privatpersonen zwischen 2006 und 2007 mittels<br />

einmaliger schriftlicher, anonymisierter Befragung durchgeführt .<br />

Die Angaben der Teilnehmer zu Größe und Gewicht wurden herangezogen um den<br />

Body-Mass-Index (BMI) zu berechnen. Nach WHO-Definition wird ab einem BMI ≥<br />

30kg/m² von Adipositas gesprochen (BMI Normalgewicht: 20-25 kg/m²; BMI<br />

Übergewicht: 25-30 kg/m²) Vergleichsanalysen zur Allgemeinbevölkerung wurden mittels<br />

der repräsentativen Stichprobe des Gesundheitssurveys von 2003 vorgenommen.<br />

Adjustierte Odds ratios (aOR) und 95% Konfidenzintervalle (95%-KI) wurden mit einem<br />

multivariaten logistischen Regressionsmodel kalkuliert.<br />

464


P19<br />

Poster – Prävention II<br />

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 666 Personen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren (41<br />

Jahre ± 12 Jahre) teil (51,1% Frauen, Teilnahmerate 35,5%). 4,4% (n=29) davon waren<br />

untergewichtig, 38,7% (n=258) normalgewichtig, 31,2 % (n=208) übergewichtig und<br />

24,9% des Kollektivs waren adipös (s. Tabelle 1). Während die Faktoren Alter,<br />

Geschlecht und Familienstand im überschuldeten Kollektiv signifikanten Einfluss auf die<br />

Adipositas-Prävalenz haben, ist dieser Einfluss bei den Bildungsvariablen nicht<br />

nachzuweisen. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung findet sich nach Adjustierung mit<br />

Variablen zu zentralen soziodemographischen Merkmalen, Rauchverhalten sowie<br />

sportlichen Aktivitäten in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Einfluss des<br />

Faktors „Überschuldung“ auf die Prävalenz der Adipositas (aOR: 2,5 ; 95%KI: 1,8-3,3).<br />

Tabelle 1: Soziodemographische Risikofaktoren für Adipositas bei überschuldeten Probanden des<br />

ASG-Kollektivs<br />

Gesamt Normal- Adipositas p-Wert<br />

(N=666)<br />

Gewicht<br />

(N=258) (N=166)<br />

n % n % n %<br />

Geschlecht 0,009<br />

Männlich 324 48,6 112 43,4 84 50,6<br />

Weiblich 340 51,1 146 56,6 82 49,4<br />

k.A. 2 0,3<br />

Alter 0,032<br />

=51 133 20,0 43 16,7 37 22,2<br />

k.A. 4 0,6<br />

Familienstand 0,022<br />

Verheiratet 209 31,4 71 27,5 68 41,0<br />

Ledig 190 28,5 77 29,8 47 28,3<br />

Verheiratet- getrennt lebend 53 8,0 19 7,4 14 8,4<br />

Geschieden 180 27,0 82 31,8 27 16,3<br />

Verwitwet 29 4,4 8 3,1 8 4,8<br />

k.A. 5 0,8 1 0,4 2 1,2<br />

Höchster Schulabschluss 0,4585<br />

Realschule 139 20,9 62 24,0 36 21,7<br />

Ohne Abschluss 68 10,2 27 10,5 16 9,6<br />

Hauptschule 384 57,7 145 56,2 98 59,0<br />

Fachhochschule/Gymnasium 58 8,7 20 7,8 13 7,8<br />

Anderer Abschluss 11 1,7 3 1,2 2 1,2<br />

k.A. 6 0,9 1 0,4 1 0,6<br />

Höchster Berufsabschluss 0,4585<br />

Lehre 300 45,0 124 48,1 68 41,0<br />

Keine Berufsausbildung 194 29,1 72 27,9 51 30,7<br />

Berufsfach-/Fachschule 97 14,6 38 14,7 25 15,1<br />

Fachhochschule/Universität 25 3,8 10 3,9 6 3,6<br />

Anderer Ausbildung 42 6,3 13 5,0 14 8,4<br />

k.A. 8 1,2 1 0,4 2 1,2<br />

465


P19<br />

Poster – Prävention II<br />

Schlussfolgerung: Es ergeben sich Hinweise, dass die private finanzielle<br />

Situation Einfluss auf die Prävalenz von Adipositas haben kann. Adipositas ist ein<br />

volkswirtschaftliches Problem, das zu Einschränkungen bzw. Ausfalltagen am<br />

Arbeitsplatz führen kann. Daher sollten insbesondere für von finanzieller Armut<br />

bedrohte Kollektive, wie überschuldete Haushalte, zielgruppenspezifische<br />

Interventionsprogramme auch am Arbeitsplatz entworfen werden, bzw. der Faktor<br />

„Überschuldung“ bei bestehenden Interventionen berücksichtigt werden. In der<br />

ärztlichen Anamnese sollte z. B. die Frage nach der finanziellen<br />

Haushaltssituation Berücksichtigung finden und ggf. der Sozialdienst in<br />

Gesundheitsprogramme für Übergewichtige integriert werden. Als weitere<br />

Maßnahme könnte die Implementierung von preiswertem und dennoch<br />

‚gesundem‘ Kantinenessen einen positiven Einfluss auf den BMI von<br />

überschuldeten Beschäftigte haben.<br />

Literatur: [1] Creditreform (2008) Schuldneratlas Deutschland – Jahr 2008 [2]<br />

Münster E, Letzel S. (2008) Überschuldung, Gesundheit und soziale Netzwerke.<br />

In: Materialien zur Familienpolitik: Lebenslagen von Familien und Kindern;<br />

Überschuldung privater Haushalte. Bundesministerium für Familien, Senioren,<br />

Frauen und Jugend 2008; Nr. 22:55-128. [3] Cawley J et al. (2007) Occupationspecific<br />

absenteeism costs associated with obesity and morbid obesity. J Occup<br />

Environ Med 49: 1317-1324; [4] Pronk NP et al. (2004) The association between<br />

work performance and physical activity, cardiorespiratory fitness, and obesity. J<br />

Occup Environ Med 46:19-25; [5] Davis K et al. (2005) Health and productivity<br />

among US workers. Issue Brief (Commonw Fund) 12: 1-12.<br />

466


P20<br />

Poster – Prävention II<br />

Influenzaschutzimpfung im Betrieb - Wer lässt sich impfen?<br />

Michael Schneider 1<br />

1<br />

Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />

Ziel der Studie<br />

Die jährlich wiederkehrenden Influenzaepidemien verursachen jährlich über 1 Mio.<br />

Todesopfer, in Europa, Japan und der USA sind jedes Jahr etwa 100 Millionen<br />

Menschen von der Infektion betroffen und führen in den westlichen Industrienationen zu<br />

immensen volks- und betriebswirtschaftlichen Schäden. Der Nutzen der<br />

Influenzaschutzimpfung ist zwar allgemein bekannt und die STIKO empfiehlt die<br />

Schutzimpfung auch explizit nicht mehr nur für spezielle Risikogruppen, die Akzeptanz<br />

einer solchen Präventionsmaßnahme in der Allgemeinbevölkerung ist aber immer noch<br />

sehr gering. Eine kostengünstige Maßnahme zur Vermeidung solcher Kosten stellt<br />

nachgewiesener Weise die Influenzaschutzimpfung dar. Trotz dieser Möglichkeit lag die<br />

Durchimpfungsrate in der gesamten deutschen Bevölkerung in der Vergangenheit<br />

lediglich bei etwa 20%. Boehringer Ingelheim bietet seinen Mitarbeitern regelmäßig<br />

kostenlose Influenza-Schutzimpfungen im Betrieb an. Mit Hilfe einer<br />

Querschnittuntersuchung sollte in der Impfsaison 2007/2008 festgestellt werden, welche<br />

Mitarbeiter sich zu diesem Zeitpunkt impfen ließen. Weiterhin wurde untersucht, wie sich<br />

das Auftreten lokaler und systemischer Impfnebenwirkungen auf die zukünftige<br />

Impfbereitschaft in den jeweiligen Gruppen auswirkt.<br />

Methoden<br />

Den insgesamt 5231 Mitarbeitern eines Pharmaunternehmens (Boehringer Ingelheim<br />

Pharma GmbH & Co. KG in Ingelheim, BI) wurde im Herbst 2007 eine<br />

Grippeschutzimpfung im Werksärztlichen Dienst angeboten. Insgesamt nahmen 44,9%<br />

(n= 2351, 1106 Frauen und 1245 Männer im Alter zwischen 26 und 62 Jahren, MW 53,1<br />

Jahre bei den Frauen und 53,2 Jahren bei den Männern) das Angebot zu dieser<br />

Influenzaschutzimpfung an. Alle teilnehmenden Personen wurden zum Zeitpunkt der<br />

Impfung anhand eines standardisierten Fragebogens befragt und es wurden<br />

biometrische und anamnestische Daten erfasst. Mit einem zweiten Fragebogen sechs<br />

Wochen nach durchgeführter Schutzimpfung wurden die Teilnehmer zum Auftreten von<br />

Nebenwirkungen nach der Impfung befragt. Die Auswertung der Daten erfolgte<br />

deskriptiv.<br />

467


P20<br />

Poster – Prävention II<br />

Ergebnisse<br />

228 der befragten Personen (9.7%) waren Erstimpflinge (Gruppe 1), 2123 Personen<br />

(90.3%) bereit in der Vergangenheit gegen Influenza geimpft worden (Gruppe 2). In der<br />

Gruppe der mehrfach Geimpften hatten 23.9% in der Vergangenheit einmal (Gruppe<br />

2.1), 76.1% bereits an mehreren Influenza - Impfkampagnen teilgenommen (Gruppe<br />

2.2.). Die Gruppen wiesen keinen wesentlichen Unterschied im Hinblick auf das<br />

Auftreten lokaler bzw. systemischer Impfnebenwirkungen (INW) nach<br />

Influenzaschutzimpfung auf. Die Probanden mit INW aus Gruppe 1 und Gruppe 2<br />

unterschieden sich hinsichtlich ihrer Intension, sich in der nächsten Impfkampagne<br />

impfen lassen zu wollen: Lediglich 34.8% der Impflinge mit INW aus Gruppe 1 gaben an,<br />

dass sie sich in der nächsten Saison erneut gegen Influenza impfen lassen wollten,<br />

gegenüber 97.3% der Probanden aus Gruppe 2. Im speziellen planten lediglich 50.0%<br />

der Impflinge mit lokalen INW aus Gruppe 1, an der nächsten Schutzimpfung<br />

teilzunehmen im Gegensatz zu 98.8% aus der Gruppe 2. Beim Auftreten von<br />

systemischen INW waren es 14.3% (Gruppe 1) gegenüber 79.5% (Gruppe 2). Traten<br />

sowohl lokale, als auch systemische INW auf, waren es 0 % (Gruppe 1) gegenüber<br />

89.2% (Gruppe 2). Bei der Betrachtung der Gruppe 2 (geplante Impfung im Folgejahr<br />

von 70.1% in Gruppe 2.a. vs. 98.2% in Gruppe 2.b.) fiel auf, dass Probanden mit<br />

systemischen INW aus Gruppe 2.a. seltener Folgeimpfungen planten als solche aus<br />

Gruppe 2.b. (39.1% vs. 96.4% bzw. 73.7% vs. 97.8%)<br />

Schlussfolgerung<br />

In unserem Kollektiv führten INW sowohl bei Erstimpflingen, als auch in der Gruppe der<br />

bislang lediglich einmal Influenzageimpften seltener dazu, eine Influenza-Schutzimpfung<br />

im Folgejahr zu planen, als das bei bereits mehrfach vorgeimpften Personen der Fall<br />

war. Eine aktive Information zu möglichen INW und die intensive Aufklärung bezüglich<br />

des Nutzens der Grippeimmunisierung durch die Initiatoren sind besonders für<br />

Erstimpflinge und bislang selten Vorgeimpften sinnvoll, um eine hohe Teilnehmerquote<br />

an der Influenza - Folgeschutzimpfungen nach dem Auftreten von INW zu erreichen.<br />

Ein schriftliches Einverständnis der Probanden zur wissenschaftlichen Publikation der<br />

Daten liegt vor, die Zustimmung der Ethikkommission wurde nicht eingeholt.<br />

468


P20<br />

Poster – Prävention II<br />

Literatur<br />

Kressin W, Hallauer JF: Influenza - Ökonomische Bedeutung der Schutzimpfung. DÄ<br />

1999; 96: A 342-343<br />

Szucs Th et al.: Volkswirtschaftliche Kosten der Influenza 1996. Med Klein 2001; 96: 63-<br />

70<br />

Nichol KL et al: Cost-benefit analysis of a strategy to vaccinate healthy working adults<br />

against influenza. Arch. Intern. Med Vol. 161, 2001<br />

Arbeitsgemeinschaft Influenza. Saisonabschlussbericht 2006/2007<br />

http://influenza.rki.de/agi/index.html?c=saisonbericht.<br />

469


P21<br />

Poster – Prävention II<br />

Verbreitung und Einsatz von Frühdefibrillatoren im betrieblichen<br />

Umfeld<br />

N. Patrick Mayr, Tanja Leban, Peter Tassani-Prell<br />

Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern<br />

Klinik a.d. Technischen Universität München<br />

Hintergrund und Fragestellung<br />

Die erfolgreiche Therapie des außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstandes stellt eine der<br />

größten Herauforderungen der Notfallmedizin dar. Kaum ein anderer Notfall ist so<br />

zeitkritisch und von der Ersten-Hilfe durch Laien abhängig. Beträgt die<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstandes noch 67%,<br />

so sinkt diese minütlich um 5,5%, sofern keine suffiziente Erstversorgung eintritt.<br />

Verbesserte Technik und Akzeptanz von Automatisierten Externen Defibrillatoren (AES,<br />

„Frühdefibrillator“) geführt. Neben der öffentlichen Anbringung zur Laiendefibrillation (z.B.<br />

U-Bahn) finden sich diese Geräte auch immer öfter in Betrieben und Behörden.<br />

Organisatorische Richtlinien für den innerbetrieblichen AED-Einsatz und die Einbindung<br />

in die betriebliche Erste-Hilfe bestehen nicht. In den USA hat das American College of<br />

Occupational and Environmental Medicine Guidelines erstellt, die den Betriebsärzten<br />

eine organiatorische Hilfestellung ermöglichen. Um nun den Bedarf solcher Guidelines<br />

für die Bundesrepublik zu erfassen, war es zunächst erforderlich die Verbreitung und den<br />

Einsatz von AED-Geräten in hiesigen Betrieben zu erfassen.<br />

Methodik<br />

Von Juli bis September führten wir – mittels Fragebogen – bei Betriebsärzten eine<br />

Erhebung durch, in der die Vorhaltung und der Einsatz von Frühdefibrillatoren erfasst<br />

wurde. Vor Zusendung des Fragebogens wurden die Betriebsärzte telefonisch über die<br />

Studie informiert.<br />

Ergebnisse<br />

Im Erhebungszeitraum wurden die Betriebsärzte von 121 Betrieben kontaktiert. Fünf<br />

Betriebsärzte lehnten die Studienteilnahme ab. Drei dieser Betriebsärzte äußerten ein<br />

grundsätzliches Desinteresse an der Thematik. Von den verbleibenden 116 Firmen<br />

erhielten wir bis zum Zeitpunkt der Auswertung 80 Antworten (Rücklaufquote 69%). 81%<br />

der Unternehmen gaben an, einen oder mehrere AED-Geräte vorzuhalten. 78% der<br />

Betriebsärzte gaben an, das die Anschaffung der AED-Geräte auf ihr Betreiben oder die<br />

Empfehlung von medizinisch ausgebildeten Mitarbeitern erfolgte. Ein positives Image für<br />

das Unternehmen war in 18% mitentscheidend. Bei den Unternehmen, die sich gegen<br />

ein AED-Programm entschieden, wurde am häufigsten genannt, dass die<br />

Frühdefibrillation keinen hohen Stellenwert bei der innerbetrieblichen Notfallversorgung<br />

habe (53%), bzw. bisher nicht thematisiert wurde. Als zweithäufigster Grund wurden<br />

470


P21<br />

Poster – Prävention II<br />

Kosten und die schnelle Versorgung durch den Rettungsdienst angegeben.<br />

Organisatorische Handlungsabläufe im Sinne von „Standard-Operation-Procedures“, die<br />

über eine reine Bedienungsanleitung hinausgehen, waren bei nur 53% der Unternehmen<br />

mit AED-System vorhanden. Bei nur jedem zweiten Fall waren diese auch für alle<br />

Mitarbeiter abrufbar. Insgesamt wurden 40 Einsätze von AED-Geräten berichtet. Bei 14<br />

AED-Anwendungen wurde ein primärer Reanimationserfolg mit Einsetzen des<br />

Spontankreislaufes vor Eintreffen des Rettungsdienstes berichtet (35%). Bei acht<br />

weiteren Patienten (20%) setzte der Spontankreislauf nach Eintreffen des<br />

Rettungsdienstes ein. Zusammengenommen wurde somit mehr als jeder zweite<br />

Mitarbeiter primär erfolgreich am Arbeitsplatz reanimiert.<br />

Zusammenfassung<br />

Dem Betriebsarzt fällt ein hoher Stellenwert bei der Implementierung und Durchführung<br />

von AED-Programmen zu. Ebenso ist seine Rolle bei der Notfallversorgung nicht zu<br />

unterschätzen. Der bei unserer Studie häufige Einsatz des Frühdefibrillators und der<br />

überdurchschnittlich hohe Anteil an primär erfolgreich reanimierten Mitarbeitern zeigt,<br />

welchen Nutzen ein AED-Programm – in Verbindung mit einem gut organisierten<br />

Notfallsystem – in den Unternehmen erzielen kann. Studien in Frankreich und Japan<br />

deuten auf ein erhöhtes primäres Überleben [1], bzw. gutes neurologischen Ergebnis [2]<br />

in. Dies wird von den Autoren auf eine erhöhte Anzahl an Zeugen und eine höhere<br />

Inzidenz an Kammerflimmern zurückgeführt. Ebenso scheine die innerbetriebliche<br />

Rettungskette besser zu funktionieren. In Deutschland werden zudem die betrieblichen<br />

Ersthelfer alle zwei Jahre in der Erstversorgung geschult.<br />

Die Erstversorgung bei Herz-Kreislauf-Stillstand am Arbeitsplatz durch die betrieblichen<br />

Ersthelfer und ggf. den Betriebsarzt können zu einer höheren Rate an überlebenden<br />

Mitarbeitern führen. Unserer Ansicht nach, sollten – analog zu den USA – Guidelines<br />

erstellt werden, die dem Betriebsarzt vor Ort eine Hilfestellung zur Implementierung und<br />

Durchführung von AED-Programmen geben. Überlegenswert wäre es, diese von einem<br />

Arbeitskreis „Akutmedizin“ der arbeitsmedizinischen Fachgesellschaft erstellen zu<br />

lassen.<br />

1. Descatha, A., Is the workplace a site of cardiac arrest like any other?<br />

Resuscitation, <strong>2009</strong>(doi:10.1016/j.resuscitation.<strong>2009</strong>.01.018).<br />

2. Muraoka, H., et al., Location of out-of-hospital cardiac arrests in Takatsuki City:<br />

where should Automated External Defibrillators be placed? Circ J, 2006. 70: p.<br />

827-831.<br />

471


P22<br />

Poster – Prävention II<br />

Körperbezogene Lebensqualität und psychologische Faktoren<br />

bei älteren Langzeitarbeitslosen: Fit50+<br />

Markus Preuss 1 , Steffi Kreuzfeld 1 , Dagmar Arndt 2 , Matthias Weippert 1 , Mohit Kumar 2 , Sebastian<br />

Neubert 1 , Regina Stoll 1<br />

1 Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock, Rostock,<br />

2 Center for Life Science Automation (CELISCA), Rostock<br />

Einleitung<br />

Für ältere Langzeitarbeitslose stellen gesundheitliche Beeinträchtigungen das häufigste<br />

Vermittlungshemmnis für die Integration in den Arbeitsmarkt dar. Übergeordnetes Ziel<br />

der Stu-die Fit50+ ist die Überprüfung der Effektivität und Akzeptanz eines strukturierten<br />

Gesundheitsprogramms für diese Zielgruppe. Zweck der folgenden Analyse war die<br />

Untersuchung des modellhaften Zusammenhangs des Interventionsbedarfs.<br />

Methode<br />

In der ersten Erhebungswelle wurden 63 Langzeitarbeitslose (25♂, 38♀; Alter: 53,7±2,5<br />

Jahre; Dauer der Arbeitslosigkeit: 5,7±4,7 Jahre) mit folgendem Methodeninventar<br />

untersucht: Beck Depressions Inventar (BDI), Sense of Coherence Scale (SOC),<br />

Symptom Checkliste (SCL-K9), Selbstwirksamkeitserwartung (SWE), Psychosoziales<br />

Wohlbefinden (PSW), Soziale Unterstützung und Fragebogen zum Gesundheitszustand<br />

(SF12). Der SF12 wurde getrennt für die „körperliche Summenskala“ (SF12 KSK) und<br />

die „psychische Summenskala“ (SF12 PSK) ausgewertet. Im Rahmen der medizinischen<br />

Anamnese wurden die Probanden zu ihren Krankheiten und zur Medikamenteneinnahme<br />

befragt und klinisch untersucht. Die psycho-logischen Daten wurden an alters- und<br />

geschlechtsspezifischen Normen relativiert. Aus der Anzahl der Krankheiten und der<br />

Medikamente wurden jeweils Summenscores gebildet. Die gesamten Daten wurden<br />

unter Berücksichtigung von Arbeitslosigkeitsdauer und Nettoeinkommen mit einem<br />

linearen Strukturgleichungsmodell (SEM) ausgewertet.<br />

Ergebnisse<br />

Die häufigsten psychischen Symptome waren psychisches Leiden (SCL-K9 >T60 =<br />

49,8%), Depression (BDI >T60 = 31,5%), eingeschränkte körperliche Lebensqualität<br />

(SF12KSK


P22<br />

Poster – Prävention II<br />

Abb.1: Lineares Strukturgleichungsmodell mit latenter Variable „Psychischer Faktor“<br />

Es wurde die Nullhypothese überprüft, ob die Voraussage des Modells sich nicht<br />

signifikant von den empirischen Daten unterscheidet. Das Testergebnis betrug<br />

Chi 2 =14,15; df=20; p=0,823 und zeigt damit die Gültigkeit des Modells. Die Modellfit-<br />

Parameter betrugen RMSEA=0,00; CFI= 1,00; TLI=1,051.<br />

Diskussion<br />

Sämtliche Regressionskoeffizienten quantifizieren signifikant die Zusammenhänge<br />

zwischen den Modellkomponenten. SOC, BDI und PSW sind zu einem psychischen<br />

Faktor zusammengefasst.<br />

Die Summe der Krankheiten beeinflusst den psychischen Faktor nicht direkt.<br />

Entscheidend sind die durch die Krankheiten wahrgenommenen körperlichen<br />

Einschränkungen, gemessen mit dem SF12 KSK.<br />

Die Anzahl der Medikamente hängt ausschließlich mit der Summe der Krankheiten<br />

zusammen. Weder die Arbeitslosigkeitsdauer noch das Einkommen zeigen Beziehungen<br />

zum psychischen Faktor, welches einen Gewöhnungs- bzw. Deckeneffekt vermuten<br />

lässt. Soziale Unterstützung erwies sich als ähnlich guter Prädiktor für den psychischen<br />

Faktor wie SF12 KSK. Die Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) hängt weniger mit dem<br />

psychischen Faktor als mit dem Kohärenzsinn (SOC) zusammen. Von daher lässt sich<br />

SWE im Modell als Spezialfall von SOC interpretieren.<br />

Unsere Intervention, die auf körperlicher Aktivierung und Gesundheitsschulung beruht,<br />

sollte positive Einflüsse auf die Komponenten Krankheiten, körperliche Lebensqualität<br />

und soziale Unterstützung haben. Für unsere Evaluation erwarten wir, dass die Einflüsse<br />

des Gesundheitsprogramms durch die Höhe der Regressionskoeffizienten von der<br />

physischen und sozialen Ebene an den psychischen Faktor vermittelt werden. Insofern<br />

wird das psychische Wohlbefinden mindestens indirekt von der Gesundheitsintervention<br />

profitieren.<br />

473


P23<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Vergleichende Untersuchungen zur Lärmbelastung bei alpinen<br />

Helikopter-Rettungseinsätzen<br />

Simone Schröder 1 , Paul Jansing 2,3 , Thomas Küpper 1,4<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2 Landesinstitut fürGesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />

3 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

4 Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA MedCom)<br />

Während Rettungseinsätzen mit Helikopter ist das medizinische Personal einer massiven<br />

Lärmbelastung ausgesetzt. Dabei gibt es zwei entscheidende Faktoren zu beachten: 1.<br />

Die extreme Variabilität der Lärmbelastung, da es Tage gibt, an denen kaum Einsätze<br />

geflogen werden und dann wiederum Tage, an denen der Helikopter und mit ihm das<br />

Personal fast pausenlos im Einsatz ist, und 2. die enormen Pegel bei Arbeiten außerhalb<br />

des Helikopters. Die vorliegende Studie quantifiziert diese Belastung unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Spezifika dieser Exposition und des Einflusses, den moderne<br />

Konstruktionen auf die Lärmpegel haben. Als Basis dienten die Einsatzdaten eines<br />

Jahres von vier Rettungsbasen in den Alpen (Raron und Zermatt in der Schweiz;<br />

Landeck und Innsbruck in Österreich, n = 2.731).<br />

Die Lärmpegel wurden an definieren Punkten innerhalb und außerhalb der Fluggeräte<br />

gemessen (z.B. Alouette IIIb, Alouette II „Lama“, Ecureuil AS350, Bell UH1D, Eurocopter<br />

EC135 u.a.). Die Messanordnung folgt der Europäischen Richtlinie 2003/10/EG und<br />

entspricht Klasse 2 DIN / EN 61672-1. Als Vergleichsgröße diente der äquivalente<br />

Dauerschallpegel L eq8h .<br />

Wegen des Einsatzes moderner Technologien (z.B. Eurocopter’s Fenestron ® Heckrotor)<br />

hat sich die Exposition für das Rettungspersonal signifikant verbessert. So liegt die<br />

Exposition bei Außenarbeiten bei laufender Turbine (z.B. sogenanntes „Hot loading, d.h.<br />

Einladen des Patienten im Schwebeflug) nur noch bei 104 dB(A) und im Cockpit bei 94<br />

dB(A). Trotz aller Verbesserungen ist persönlicher Lärmschutz sowie ausreichend lange<br />

Lärmpausen nach einem Einsatztag absolut erforderlich. Die medizinische Untersuchung<br />

gem. “G20” ist nach wie vor indiziert. Details zur Lärmbelastung für die unterschiedlichen<br />

Einsatzbedingungen und Helikoptertypen werden vorgestellt.<br />

Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />

Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />

Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />

474


P24<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Technisches und alpinistisches Anforderungsprofil bei der<br />

alpinen Luftrettung<br />

Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3 , Völker Schöffl 2,4<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />

2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />

3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />

4 Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg<br />

Studienziel: Bei kaum einer anderen beruflichen Tätigkeit sind die Fähigkeiten, das<br />

umgebende Gelände technisch zu beherrschen, derart für die Sicherheit des Personals<br />

von Bedeutung wie in der alpinen Rettung. Bislang wurden die Minimalvoraussetzungen<br />

erstaunlicherweise nicht untersucht. Diese Lücke soll geschlossen werden.<br />

Material und Methode: Insgesamt werden 2.730 alpine Rettungseinsätze zweier<br />

Regionen analysiert (Oberwallis / Schweiz n = 1.082; Tirol / Österreich n = 1.649), wobei<br />

die Geländeschwierigkeit (leichtes Gehgelände, „wegloses Gelände“, „alpines<br />

Klettergelände“), die Kletterschwierigkeit (UIAA Skala für Fels, Steilhiet für Eisgelände)<br />

und andere Faktoren, die sog. „alpine Erfahrung“ erforderlich machen, untersucht<br />

wurden. Die Daten wurden nach dem NACA-Index (Geländeindex) klassifiziert.<br />

Ergebnisse: 99,7% der Einsätze konnte analysiert werden. Von diesen wurden 62,2% in<br />

alpinem Gelände mäßiger Schwierigkeit durchgeführt (NACA d,e). 5,9% fanden dagegen<br />

in schwierigem bzw. extremem Gelände statt (NACA f,g). Im Vergleich waren<br />

durchschnittlich die technischen Anforderungen in den Ostalpen höher als in den<br />

Westalpen. Im Sommer mußten signifikant mehr Einsätze in schwerem Gelände<br />

durchgeführt werden als im Winter. Die NACA-Klassen d-g korrelieren mit 7,1% Unfällen<br />

auf steilen Gletschern, 9,1% alpiner Hochtouren, 4,6% Felsgelände bis Schwierigkeit III,<br />

6,0% III-IV und 2,4% >IV. 1,5% der Einsätze fanden in Eisgelände >50° Steilheit statt.<br />

Schlußfolgerungen: Umfangreiche alpine Erfahrung ist ein absolutes „Muß“ für jeden,<br />

der an alpinen Rettungseinsätzen teilnimmt. Dabei stehen technische Fähigkeiten im<br />

Vordergrund. Als minimaler, jedoch realistischer Kompromiß sollten Angehörige des<br />

Rettungsdienstes zu ihrer eigenen Sicherheit und der des Patienten die folgenden<br />

Fähigkeiten erfüllen: Absolut sicheres Beherrschen des UIAA Schwierigkeitsgrades III (IV<br />

als Seilzweiter), absolut sicheres Beherrschen von Eisgelände der Steilheit bis 50° (60°<br />

als Seilzweiter). Alpine Kenntnisse sind außerdem zur Gewährleistung von Sicherheit<br />

erforderlich, z.B. Lawinenkenntnisse. Dies ist nur durch spezifische Unterweisung und<br />

Ausbildung zu erreichen.<br />

Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />

Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />

Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />

475


P25<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Epidemiologie alpiner Notfälle im Hinblick auf das fachliche<br />

Anforderungsprofil des Rettungsdienstpersonals<br />

Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3 , Volker Schöffl 2,4<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />

2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />

3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />

4 Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg<br />

Studienziel: Die Verletzungsmuster alpiner Notfallsituationen wechseln mit der<br />

Einführung neuer Sporttechniken, und oft basieren sicherheitsrelevante Ausbildung und<br />

Ausrüstung des Rettungspersonals auf veralteten Daten. Daher ist eine Aktualisierung<br />

der Daten in regelmäßigen Zeitabständen notwendig.<br />

Material und Methode: Insgesamt werden 2.730 alpine Rettungseinsätze mit insgesamt<br />

2.577 behandlungsbedürftigen Personen werden analysiert (Oberwallis / Schweiz n =<br />

1.082; Tirol / Österreich n = 1.649). Primäre Parameter waren Diagnose(n), Schwere des<br />

Notfalls (NACA Verletzungsindex, Glasgow Coma Scale), die kardiopulmonale Situation<br />

des Patienten und die medizinische Behandlung.<br />

Ergebnisse: Insgesamt wurden an den Patienten 4.139 Diagnosen gestellt, 8.803<br />

medizinische Maßnahmen durchgeführt (Schienung, EKG, Oximetrie u.v.a.) und 3.464<br />

Medikamentenverabreichungen durchgeführt. 72,8% der Diagnosen waren Traumen,<br />

16,6% aus dem Bereich Innere Medizin / Neurologie, während „typische alpine<br />

Diagnosen“ (Höhenkrankheit, Unterkühlung, Erfrierung…) nur 3,8% der Diagnosen<br />

umfaßte. Letztere wurden ausschließlich von Personal mit spezifischer<br />

alpinmedizinischer Ausbildung gestellt und waren insgesamt signifikant<br />

unterrepräsentiert: In einer anderen Studie kamen wir zu einem geschätzten Anteil von<br />

30-40% hypothermer Patienten und Maggiorini zeigte, daß an der Margheritahütte >60%<br />

höhenkrank sind. 91,6% der medizinischen Maßnahmen betrafen Basismaßnahmen und<br />

nur 8,4% solche Maßnahmen, die ärztlicherseits durchgeführt werden sollten. 25,7% der<br />

verabreichten Medikamente waren Analgetika, 18,1% Sedativa / Hypnotika und 6,7%<br />

Herz-Kreislauf-Medikamente.<br />

Schlußfolgerungen: Die Daten zeigen, daß nur durch eine spezifische Ausbildung des<br />

Personals die Sicherheit für dieses und die Patienten sowie der reibungslose<br />

Einsatzablauf verbessert werden können. Dieses erscheint in Anbetracht des krassen<br />

Mißverhältnisses zwischen erwarteten und erhaltenen Ergebnissen dringend erforderlich.<br />

Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />

Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />

Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />

476


P26<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Who is fit for rescue? - Mindestanforderungen an die körperliche<br />

Leistungsfähigkeit bei alpinen Luftrettungseinsätzen<br />

Thomas Küpper 1,2 , Jürgen Steffgen 3<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen<br />

2 Medizinische Kommission der Union des Associations d’Alpinisme (UIAA)<br />

3 Institut für Nephrologie der Universität Göttingen<br />

Studienziel: Bislang liegen keinerlei Daten über die Mindestanforderungen an die<br />

körperliche Leistungsfähigkeit für die Teilnahme an alpinen Rettungseinsätzen vor,<br />

wodurch die Frage der Eignung oder Wiedereingliederung von Personen<br />

arbeitsmedizinisch bislang nicht befriedigend beantwortet werden kann.<br />

Material und Methode: Die leistungsphysiologischen Parameter (Pulsfrequenz, Laktat,<br />

VO2, Atemminutenvolumen…) werden telemetrisch während simulierter<br />

Rettungsmaßnahmen (Herz-Lungen-Wiederbelebung, Patiententransport,<br />

Spaltenrettung…) in drei unterschiedlichen Höhenlagen (Meereshöhe, 3.000m, 4.560m)<br />

erfaßt. In jeder Höhe wird eine Standardspiroergometrie mit Laktatleistungskurve<br />

durchgeführt (n = 16). Die telemetrisch erhaltenen Daten werden mit denen der<br />

Spiroergometrie korreliert, um die körperliche Belastung bei den Maßnahmen<br />

abzuschätzen und zu normieren.<br />

Ergebnisse: Zur Wiederbelebung in der Höhe sollte die Person 2,2 – 2,4 W/kg KG<br />

leisten können (für die Durchführung in Seehöhe 1,6 – 1,8 W/kg KG). Im Gegensatz<br />

dazu bringen alle anderen Maßnahmen die Probanden ans Leistungslimit:<br />

Patiententransport im horizontalen Gelände 3,0 – 4,2 W/kg KG, Patiententransport<br />

bergauf 4,3 – 6,1 W/kg KG, Patiententransport bergab 3,6 – 3,9 W/kg KG, improvisierter<br />

Patiententransport („Seilsitz“) 3,0 – 4,2 W/kg KG, Rettung aus Gletscherspalte 4,1 – 4,7<br />

W/kg KG.<br />

Schlußfolgerungen: Personen, die bei alpinen Rettungseinsätzen eingesetzt werden<br />

sollten, sollten eine PWC170 von mindestens 170 W/kg KG leisten können (besser 4,0<br />

W/kg KG). Dies macht ein regelmäßiges aerobes Ausdauertraining und eine<br />

regelmäßige arbeitsmedizinische Überwachung zwingend erforderlich. Unerhalb von 2,5<br />

W/kg KG erscheinen alpine Rettungsmaßnahmen undurchführbar.<br />

Danksagung: Die Studie ist Teil des Projektes „Anforderungen und Sicherheit in der<br />

Bergrettung“. Das Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- &<br />

Höhenmedizin (ÖGAHM) unterstützt.<br />

477


P27<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Zur gesundheitlichen Situation von hauptberuflich tätigen<br />

Tanzpädagogen/innen in Deutschland<br />

Eileen M. Wanke, Rland Wolff<br />

Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />

Der Beruf des Tanzpädagogen ist aufgrund vielen verschiedenen Tanzstile (z.B. Ballett/<br />

Jazz/ Modern Dance/ kreativer Kindertanz) sowie der Zielgruppen (Anfänger-<br />

Fortgeschrittene- Profis, Kinder- Erwachsene, Hobby- professioneller Bereich, Senioren)<br />

inhaltlich sehr vielseitig, vielschichtig und - von der körperlichen Belastung her - sehr<br />

unterschiedlich. Arbeitsmittel des Tanzpädagogen ist der eigene Körper, erleichternde<br />

Arbeitsmittel sind wenige vorhanden. Daher ist der Erhalt der Gesundheit von großer<br />

Bedeutung. Bisher gibt es keine Daten über die gesundheitliche Situation<br />

Tanzpädagogen. Ziel dieses Pilotprojektes war daher die Entwicklung einer ersten<br />

Datenbasis für weiterführende Projekte mit präventivem Schwerpunkt. Grundlage für die<br />

Studie bildete auszugsweise die in Deutschland beantworteten Fragebögen einer<br />

international (NL, USA, Schweiz, Österreich) durchgeführten Querschnitt-<br />

Fragebogenstudie. Aus Deutschland nahmen 165 Tanzpädagogen/innen (w: 154; m: 11)<br />

teil.<br />

Das Durchschnittsalter betrug 46,1Jahre, die Durchschnittsgröße 167,1cm, das<br />

durchschnittliches Gewicht 59,8 kg und die durchschnittliche wöchentlich unterrichtete<br />

Stunden 24,6Std/Wo. Die Zufriedenheit im Beruf war mit 86% sehr hoch. Für 96,6% der<br />

Teilnehmer ist die tanzpädagogische Tätigkeit der Traumberuf, 70,9% beabsichtigen bis<br />

zum Rentenalter im Beruf tätig zu sein, 13,3% solange, wie möglich und 2,4% bis zum<br />

Tod. 83% können sich Ausfallzeiten nicht leisten. Ausgleichssport betreiben 50,3%.<br />

82,4% sind Nichtraucher. Verletzungen und chronische Erkrankungen sind bei<br />

Tanzpädagog/innen selten. Insgesamt wurde bei n=165 über n=191 akute (=1,16<br />

Verletzung pro Person) und n=224 chronische Erkrankungen (=1,33 pro Person)<br />

berichtet. 86% geben an selten verletzt zu sein. Obwohl nur ca. die Hälfte (41,2%) die<br />

Ursache für einen Krankheitsfall häufig oder immer berufsbedingt sehen, konnten<br />

immerhin 78,2% wegen einer berufsbedingten Verletzung oder chronischem Schaden<br />

mindestens einmal ihren Beruf nicht ausüben. Mehr als die Hälfte (63,5%) > einmal.<br />

87,3% arbeiten auch unter Schmerzen weiter. Bei 72% war eine akute Verletzung für die<br />

Zwangspause verantwortlich. Medizinische Hilfe wird bei ca. ¼ (24,9%) in Anspruch<br />

genommen, wenn die Erkrankungen nach einigen Tagen noch da ist, bei 45,5% oder<br />

erst, wenn die Selbstbehandlung erfolglos war.<br />

Bei den Ursachen zählen ein hoher Erwartungsdruck an die Lehrqualität, psychische und<br />

physische Belastungen zu den am häufigsten genannten Ursachen für Erkrankungen.<br />

478


P27<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Hinsichtlich der orthopädischen Erkrankungen gaben 30% an, unter Arthrose zu leiden,<br />

10% unter einer Skoliose, 51,2% hatten keine orthopädischen Erkrankungen. Es finden<br />

sich bei den chronischen Beschwerden und akuten Verletzungen die gleichen<br />

betroffenen Regionen, wenn auch in anderer Häufigkeit (chronisch: Fuss (29,7%)> LWS<br />

(25%)> Kniegelenk (21%); akut: LWS (20%)> Kniegelenk (16%)> Fuss (12,8%). Bei<br />

chronischen Beschwerden sind Arthrosen und Bandscheibendegenerationen und bei<br />

akuten Verletzungen Zerrungen, Bandläsionen und Gelenkblockaden häufig. Die<br />

Mehrzahl der akuten Verletzungen betraf die untere Extremität (60,8%), bei den<br />

chronischen Beschwerden war es die Wirbelsäule (43%). Zu den am häufigsten<br />

genannten Risikofaktoren für die berufliche Tätigkeit gehörte bei 64,8% der hohe<br />

Erwartungsdruck, bei 60% die hohe Arbeitsbelastung, sowie bei 43% der eigene<br />

defizitäre Trainingszustand. Schlechte, räumliche Arbeitsbedingungen wurden von 39%<br />

der Befragten genannt. Bei den eingelegten Zwangspausen war für 37,5% eine akute<br />

Verletzung verantwortlich.<br />

Es findet sich eine insgesamt extrem hohe (für den Tanzbereich typische) Identifikation<br />

mit der Tätigkeit. Die eigene Gesundheit scheint dabei eine eher untergeordnete Rolle zu<br />

spielen, ein wichtiger Aspekt, zumal Tanzpädagog/innen Multiplikatoren sind und<br />

Vorbildfunktion haben. Die Ursachen für Schäden sind genauso vielseitig wie der Beruf<br />

und subjektiv eher selten, die Lokalisationen finden sich vergleichbar mit dem<br />

Bühnentanz verteilt. Im internationalen Vergleich sind große Unterschieden (z.B.<br />

Lokalisation) sichtbar.<br />

Um das gesundheitliche „Risiko“ des nicht geschützten Berufs „Tanzpädagog/in“ zu<br />

definieren sollten in weiteren Auswertungen und Untersuchungen unter anderem<br />

folgende Aspekte geklärt werden:<br />

- Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung<br />

- Einfluss einer eventuell vorausgegangenen Tanzkarriere<br />

- Protektiver Effekt der Tätigkeit<br />

- Risiko im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (z.B. Sportlehrer)<br />

479


P28<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Akute Verletzungen bei heranwachsenden Bühnentanzschüler/innen<br />

- Ursachen und Prävention<br />

Eileen M. Wanke 1 , Roland Wolff 1 , Helmgard Mill 2<br />

1 Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />

2 Unfallkasse Berlin, Prävention<br />

Die Ausbildung zum professionellen Bühnentänzer/ zur professionellen Bühnentänzerin<br />

ist mit maximalen physischen und psychischen Belastungen verbunden. Diese<br />

Anforderungen fallen in die Zeit der größten pubertätsbedingten Veränderungen der<br />

Heranwachsenden. Die Folge können akute Verletzungen sein, die eine Gefährdung der<br />

Ausbildung darstellen können.<br />

Grundlage für die Untersuchungen bildeten Unfallmeldungen (n>500) einer staatlichen<br />

Ausbildungseinrichtung, die Durchgangsarztberichte sowie beim gesetzlichen<br />

Unfallversicherungsträger vorhandene Akten der verletzten Schüler/innen über einen<br />

Zeitraum von 11 Jahren. Ziel der Auswertungen ist die Entwicklung von praktikablen<br />

Maßnahmen zur Verletzungsprävention.<br />

Jede/r 4. Schüler/in verletzt sich mindestens einmal im Verlauf eines Jahres akut. Jeder<br />

10. Unfall gilt dabei als schwer. Es lassen sich im Ausbildungsbereich bezüglich der<br />

Lokalisation Parallelen zum professionellen Bereich darstellen. Es bestehen alters- und<br />

geschlechtsspezifische Besonderheiten, die hinsichtlich präventiver Maßnahmen von<br />

großer Bedeutung sind. Gelenke und Bandapparat sind die am häufigsten akut verletzten<br />

Strukturen dar. Prellungen 23%), Stauchungen (33%) und Zerrungen (20%) sind die<br />

häufigsten Verletzungsarten. Es bestehen Zeitraum bezogene Häufungen sowohl<br />

bezogen auf das Alter (Wachstumsphasen) also auch hinsichtlich der Monate und<br />

Wochentage. 57,2% aller Unfälle ereigneten sich im Ballettsaal, fast jeder 5. Unfall<br />

(18,3%) auf Treppen und Fluren. Wegeunfälle machten 7% aus. Die Ursachen sind<br />

sowohl endogener als auch exogener Art.<br />

Zu den häufigsten exogenen Ursachen gehören die Treppe mit 10, 4%, der Mensch mit<br />

9,6%, der Fußboden mit 6,9 % sowie die „Anderen“ mit 20,2 %. Die häufigsten Unfälle<br />

ohne eindeutig identifizierbare Ursache ereigneten sich im Training (43,5%). Es<br />

bestehen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede. Während bei den Schülerinnen<br />

in 41% der Fälle das obere Sprunggelenk betroffen ist, so findet sich diese<br />

Verletzungslokalisation bei den Schülern nur in 30.6 % der Fälle. Ähnliches zeigt sich für<br />

das Kniegelenk, dass als Verletzungslokalisation bei den Schülerinnen mit 15,3 %<br />

gegenüber 9,4% bei den Schülern deutlich mehr verletzt wird. Verantwortlich dafür<br />

könnte die bei den Tänzerinnen häufig vorhandene deutlich Hyperbeweglichkeit genannt<br />

werden, die gerade in Wachstumsphasen über eine vorübergehende Instabilität oder ein<br />

durch das Wachstum bedingte Disharmonie und Ungleichgewicht im Körper zu einer<br />

480


P28<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

vermehrten Verletzungsanfälligkeit führen kann sowie der Spitzentanz, der ein hohes<br />

Maß an koordinativer Leistungsfähigkeit des gesamten Körpers voraussetzt und für den<br />

Fuß und das angrenzende Sprunggelenk eine maximal hohe Belastung darstellt. Bei den<br />

Schülern sind der Kopf- und Halsbereich mit 9,4 %, die Wirbelsäule mit ebenfalls 9,4 %<br />

sowie der Schulterbereich mit 6,3% und der Unterarm- und Handgelenksbereich mit<br />

15,4% (gegenüber 8,1% bei den Schülerinnen) deutlich mehr betroffen als bei den<br />

Schülerinnen. Als Erklärungsansatz wären die in der Schule gelehrten und zur<br />

Ausbildung zum professionellen Bühnentänzer gehörenden „Pas de Deux“ Stunden und<br />

Repertoire- Einheiten zu nennen. Diese beinhalten eine Arbeit mit der Partnerin<br />

einschließlich der Pirouetten (Drehungen) und Hebungen, die mit einer Mehrbelastung<br />

dieser vier genannten Bereiche einhergehen und nicht zuletzt im Wachstumsalter<br />

Verletzungen begünstigen können.<br />

Zu den präventiven Maßnahmen gehören: ein regelmäßiges Screening,<br />

kompromissloses Auswahlverfahren, Verbesserung der exogenen Bedingungen,<br />

alternative Bewegungsangebote, Optimierung der Trainings- und Ausbildungspläne,<br />

alters entsprechendes Training, Ernährungsberatung, psychologische Betreuung,<br />

Laufbahnberatung, Verbesserung des Kenntnisstandes und Verbesserung der<br />

tanzmedizinischen Betreuung. Schlussfolgernd lässt sich Folgendes feststellen:<br />

Aufgrund des langen Zeitraumes und der Anzahl der untersuchten Unfälle sind die<br />

vorliegenden Ergebnisse als repräsentativ mit Referenzcharakter einzuordnen. Als<br />

Ergebnis gehen zahlreiche Maßnahmen zur Verletzungsprävention hervor. Die<br />

Umsetzung setzt das Erkennen der Notwendigkeit für Maßnahmen sowie die<br />

Zusammenarbeit aller in diesem Umfeld tätigen Personen voraus.<br />

481


P29<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Die arbeitsmedizinische Betreuung von Bühnentänzern in der<br />

DDR<br />

Eileen M. Wanke, A. Wanke, Roland Wolff<br />

Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />

Darstellende Künstler wie Musiker, Tänzer, Artisten und Sänger sind über Jahre oder gar<br />

Jahrzehnte hinweg maximalen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt, die<br />

häufig Verletzungen und chronischen Erkrankungen führen.<br />

Grundlage für die Präsentation stellen die über 100 Veröffentlichungen aus den unten<br />

genannten Forschungseinrichtungen sowie Dissertationen, Diplom- oder<br />

Abschlussarbeiten dar. Ziele dieser Studie sind eine inhaltliche Darstellung<br />

tanzmedizinischer Forschung in der DDR und die Einordnung der Bedeutung der<br />

Forschungsergebnisse im Vergleich zu westlichen Publikationen im Zeitraum zwischen<br />

1945 – 1989.<br />

Tab.1: Entwicklung der arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Künstlerbetreuung in der<br />

DDR<br />

JAHR INSTITUTION ERGÄNZUNGEN<br />

1958 Gründung ZAM (Zentralinstitut für Erste Betreuungsmöglichkeit für Künstler<br />

Arbeitsmedizin)<br />

Ende der Einrichtung von Arztsanitätsstellen in Außenstellen für BABB und AHB<br />

50er kulturellen Einrichtungen (z.B. Oper)<br />

1973 Aufbau der Arbeitshygienischen<br />

Behandlungsstelle (AHB)<br />

Information und Beratung in arbeitshygienischen<br />

Fragestellungen, medizinische Betreuung<br />

1976 Eröffnung des Bühnenambulatoriums<br />

der Berliner Bühnen (BABB)<br />

(Funktionseinheit mit AHB)<br />

6 Abteilungen: Arbeitsmedizin,<br />

Funktionsdiagnostik, Stomatologie, HNO,<br />

Psychologie<br />

1976 30 Per(Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Ziel:<br />

Sportmedizin, Orthopädie,<br />

Funktionsdiagnostik, Arbeitshygiene,<br />

- Austellung von Kriterien für Betreuung<br />

und Prophylaxe bei Verletzungen<br />

Ballettmeister, Tanzpädagogen) sonen - Zuständig für Diagnostik und Therapie<br />

(interdisziplinär)<br />

- Rehabiliation<br />

1977 Gründung eines Rehabilitationskollektivs Festlegung des weiteren Arbeitseinsatzes (auch<br />

BK-Verfahren)<br />

Ein Befehl der sowjetischen Besatzungsmächte schaffte die Voraussetzung für den<br />

Gesundheitsschutz Werktätiger in der DDR, zu denen auch die Tänzer gehörten. Bereits<br />

1958 war mit der Gründung des ZAM eine erst organisierte Künstlerbetreuung möglich.<br />

Mit der Einrichtung des Bühnenambulatoriums der Berliner Bühnen (BABB) 1976 sowie<br />

arbeitshygienischen Beratungsstellen wurden zusätzlich interdisziplinär arbeitende,<br />

wissenschaftliche Einrichtungen geschaffen, deren Ziel ausschließlich die Erforschung<br />

arbeitsmedizinischer Probleme der Künstler war. 1976 wurde mit der Gründung der<br />

Arbeitsgruppe Ballett die spezifische diagnostische, prophylaktische, therapeutische,<br />

rehabilitative und wissenschaftliche Arbeit ausgebaut. Im Laufe der Jahrzehnte nahm<br />

482


P29<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

nicht nur die Anzahl der Veröffentlichungen zu (60er: n= 6; 70er: n=22; 80er: n= 78).<br />

Auch inhaltlich kam es zu einer Verschiebung der Schwerpunkte. Während die<br />

Belastungssituation, und Verletzungen schon in der 60ern Beachtung fanden, stand in<br />

den 80ern die Entwicklung von Standards (Screening, Tauglichkeit) im Vordergrund.<br />

Zwischen 1976 und 1986 wurden über 260 000 Konsultationen, 1/3 davon Künstler,<br />

durchgeführt. Jährlich wurden ca. 2000 Einstellungs- /Wiederholungs- oder<br />

Tauglichkeitsuntersuchungen abgerechnet. Im Laufe der Jahrzehnte nahm sowohl im<br />

Westen als auch in der DDR die Anzahl der Veröffentlichungen zu (DDR: 60er: n= 6;<br />

70er: n=22; 80er: n= 78). Aufgrund des wissenschaftlichen Austausches ist hier eine<br />

gegenseitige Beeinflussung sichtbar.<br />

Unterschiede zum Westen fanden sich nicht nur inhaltlich. Während die<br />

Belastungssituation, und Verletzungen in der DDR schon in der 60ern Beachtung<br />

fanden, stand bereits 80er Jahren die Entwicklung von Standards (Screening,<br />

Tauglichkeit) im Vordergrund (Abb.3) Auch in der realisierten Umsetzung einer<br />

umfassenden interdisziplinären arbeitsmedizinischen Betreuung von Tänzer/innen in der<br />

DDR sind die Unterschiede sichtbar zur westlichen Welt ohne Westdeutschland deutlich.<br />

Eine tanzmedizinische Entwicklung in Westdeutschland findet sich erst seit Beginn der<br />

90er Jahre und ist damit für die historische Entwicklung unbedeutend.<br />

Schlussfolgernd kann Folgendes festgehalten werden: Die Entwicklung einer<br />

arbeitsmedizinisch/tanzmedizinischen Betreuung und Forschung fand zeitlich weit vor<br />

der westlichen Entwicklung statt. Bis heute sind die Forschungsergebnisse und –Inhalte<br />

der DDR-Forschung zum Teil unerreicht und unbekannt. Da weder die Betreuung von<br />

Tänzern so umfassend ist oder sein wird wie sie war, kommt der Arbeit der Einrichtungen<br />

der DDR innerhalb dieses Gebietes eine große Bedeutung zu.<br />

483


P30<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Präventionsaspekte im professionellen Bühnentanz<br />

Eileen M. Wanke 1 , Roland Wolff 1<br />

1 Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportmedizin, Humboldt Universität Berlin<br />

Einleitung: Professionelle Tänzer und Tänzerinnen sind die Hochleistungssportler unter<br />

den darstellenden Künstlern oder Künstlerinnen. Sie unterscheiden sich von anderen<br />

Berufsgruppen in folgenden Punkten: 1. Präpubertärer Beginn und lange Dauer der<br />

Berufsausbildung (ca. 10- 15 Jahre), 2.Zeitlich stark limitierte Phase der Berufsausübung<br />

(Ende ca. Mitte dreißig), 3. Kaum oder eine den eigenen Körper unterstützende<br />

Arbeitsmittel. Bereits minimale körperliche „Defizite“, können im Tanz nicht oder nur<br />

schwer kompensiert werden. Sie führen zu starken Einschränkungen in der<br />

Berufsausübung und nicht selten zu einer Arbeits- oder gar Berufsunfähigkeit. Daher<br />

kommt der Prävention von Verletzungen im professionellen Bühnentanz eine große<br />

Bedeutung zu. Grundlage für die Empfehlungen zur Prävention stellte die in Kooperation<br />

mit der Unfallkasse Berlin durchgeführte Auswertung aller Arbeitsunfälle (n= 1110) von<br />

Bühnentänzer/innen über 13 Jahre auf der Basis aktueller nationaler und internationaler<br />

Literatur dar.<br />

Exogene und endogene Faktoren. Bei den Ursachen von Verletzungen kann eine<br />

Einordnung in endogene (multifaktoriell) sowie exogene Faktoren erfolgen. Je nach<br />

Tanzstil und der damit verbundenen Auflösung klassisch definierter Bewegungsmuster<br />

überwiegen endogene bzw. exogene Faktoren. Im Ausbildungsbereich sind weitere sich<br />

auf die Häufigkeit von Verletzungen auswirkende Einflüsse zu nennen, wie<br />

beispielsweise eine wiederholte Sicherstellung der körperlichen Eignung,<br />

tanzpädagogische Qualifikation, Entwicklung von Selbstverantwortung und<br />

Selbstbestimmung, Sicherstellung einer adäquaten theoretischen Ausbildung,<br />

Besonderheiten im Wachstumsalter in Hinblick auf die klassische Tanztechnik, die für<br />

den erwachsenen Körper entwickelt worden ist. Praktikable Präventionsmaßnahmen sind<br />

genauso vielseitig wie die Stilrichtungen im Tanzbereich und sind Resultat der Ursachen,<br />

die zu akuten Verletzungen führen oder sie begünstigen.<br />

Schlussfolgerung: Die Faktoren, die direkt zu Verletzungen führen oder sie<br />

begünstigen, sind genauso vielseitig wie die verschiedenen Stilrichtungen im<br />

Tanzbereich. Die Entwicklung praktikabler Konzepte zur Verletzungsprävention ist<br />

vielschichtig und setzt die nicht immer vorhandene Bereitschaft zur Kooperation der im<br />

Bereich des Tanzes tätigen Personenkreise voraus.<br />

484


P30<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Exogene Faktoren Vermeidung von Empfehlungen<br />

Tanzboden Bodenschrägen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

unterschiedlichen Neigungsgraden,<br />

oder Härtegraden des Unterbodens<br />

Verunreinigungen<br />

Unebenheiten<br />

zu „glattem“ bzw. zu „stumpfem“<br />

Boden<br />

Klima Klimaanlagen<br />

<br />

Schwankendem Raumklima<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Wahl des Deckbelages<br />

stilrichtungsabhängig<br />

Tanzböden sollten die Norm<br />

DIN18032, Teil II erfüllen.<br />

Mischelastischer Unterboden an allen<br />

Arbeitsplätzen (auch Bühne)<br />

Regelmäßige Kontrollen<br />

Berücksichtigung von Hinweisen der<br />

TänzerInnen auf Mängel<br />

regelmäßige sachgemäße Reinigung<br />

Oberflächentemperatur nicht<br />

niedriger als Raumtemperatur<br />

<br />

Ausreichende Belüftung<br />

Lufttemperatur zu niedrigen und zu hohen<br />

Temperaturen (nicht < 21º C)<br />

<br />

Lufttemperatur (nach DIN EN ISO<br />

7730 und DIN EN 1379)<br />

Möglichst konstant im<br />

Jahresverlauf<br />

<br />

optimal: zwischen 21 - 23º C<br />

Luftgeschwindigkeit Zugluft Nicht größer als 0,1 m/ sec<br />

Luftfeuchtigkeit zwischen 40 % und 60 %<br />

Kostüm/<br />

Arbeitskleidung<br />

<br />

<br />

<br />

Arbeitskleidung, die nicht volle<br />

Bewegungsfreiheit zulassen<br />

oder Sichtbehinderung fördern<br />

Kostümteile/ -längen, die ein<br />

Stolpern oder Hängen bleiben<br />

fördern<br />

scharfkantigen Teilen<br />

<br />

<br />

<br />

Adäquate Arbeits- oder<br />

Trainingsbekleidung<br />

Bei Kostümen:<br />

Gefährdungsbeurteilung vor dem<br />

ersten Einsatz<br />

Frühzeitiger Einsatz der<br />

Originalkostüme<br />

<br />

Schmuck<br />

<br />

Optimale Passform von Kostümen<br />

Requisite Gesundheitsgefährdenden<br />

Requisiten<br />

<br />

<br />

frühzeitige<br />

Gefährdungsbeurteilung<br />

frühzeitige Gewöhnung<br />

Andere (Treppen/<br />

Türen/ Kulisse)<br />

<br />

<br />

geringen Beleuchtungsstärken<br />

starke Lichtkontrasten<br />

direkten oder indirekten<br />

Blendeffekten<br />

<br />

ausreichende Kennzeichnung und<br />

Beleuchtung<br />

ausreichendes Proben beim<br />

Einsatz von Bühneneffekten<br />

<br />

rutschfeste Treppenbeläge<br />

485


P30<br />

Poster – Reisemedizin / Tanzmedizin<br />

Unspezifische<br />

Bewegungsabläufe/<br />

choreografische<br />

Anforderungen<br />

<br />

<br />

Ignoranz gegenüber<br />

anatomisch- physiologischer<br />

Gegebenheiten<br />

Tanzunspezifischen<br />

Bewegungsabläufen<br />

Orientierung am körperlichen<br />

Potential<br />

Ausreichendes, qualifiziertes<br />

Proben<br />

Partner Zu vielen Wiederholungen eines<br />

Bewegungsablaufs in kurzer Zeit<br />

<br />

Zusammenarbeit von körperlich<br />

kompatiblen PartnerInnen.<br />

<br />

Durchführung anspruchsvoller<br />

Bewegungen am Ende einer<br />

Probe<br />

<br />

<br />

Ggf. zusätzliches Krafttraining<br />

Sicherheitsvorkehrungen<br />

Schuhwerk Training in Socken oder barfuss<br />

<br />

Destabilisierenden<br />

Manipulationen am Schuhwerk<br />

Arbeitsvertrag Kurzfristigen Zeitverträgen<br />

<br />

<br />

Adäquates Schuhwerk mit<br />

optimaler Passform<br />

Längerfristige Verträge<br />

<br />

Vereinbarungen, die ein<br />

Auftreten trotz Verletzungen<br />

begünstigen<br />

<br />

Rechtliche Überprüfung des<br />

Vertrages<br />

Planung<br />

Siehe unten<br />

486


P31<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Interaktives Lehrkonzept durch Einsatz von Simulationspatienten<br />

im Fach Arbeitsmedizin im Rahmen des Aachener<br />

Modellstudienganges<br />

Monika Gube 1 , Andrea Pirkl 2 , Christian Eisenhawer 1 , Lars Knoll 1 , Michael Felten 1 , Thomas<br />

Schettgen 1 , Michaela Weishoff-Houben 2 , Irmgard Classen-Linke 2 , Thomas Kraus 1<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2 AIXTRA, Aachener Interdisziplinäres Trainingszentrum für ärztliche Ausbildung in der Medizin, RWTH<br />

Aachen<br />

Einleitung<br />

Der vielzitierte Nachwuchsmangel in der Arbeitsmedizin erfordert eine möglichst frühe<br />

Information über und Werbung für diese Fachrichtung. Bereits die Studierenden sollten<br />

die breite Palette interdisziplinärer Fragestellungen, die an die Arbeitsmedizin<br />

herangetragen werden, kennen lernen.<br />

Methodik und Umsetzung<br />

Im Rahmen des Aachener Modellstudienganges, der im Jahr 2003/2004 an der RWTH<br />

eingeführt wurde, wurde die Vorklinik/Klinik-Grenze aufgehoben und so theoretisches<br />

Basiswissen und klinische Anwendung gleichmäßiger auf das Studium verteilt. Die so<br />

genannte Lernspirale verbindet die Wiederholung einiger Lerninhalte in verschiedenen<br />

Semestern, wobei mit jeder Wiederholung neue Aspekte, Zusammenhänge und<br />

Fragestellungen bearbeitet werden.<br />

Nachdem das arbeitsmedizinische Basiswissen im 4. und 5. Semester durch<br />

Vorlesungen, Seminare und Referate in Kleingruppen vermittelt wird, ist im 10. Semester<br />

die Arbeitsmedizin ein Hauptfach, das erstmals im Sommersemester 2008 in einem 3-<br />

wöchigen Block unterrichtet wurde. Mit Unterstützung des AIXTRA (Aachener<br />

Interdisziplinäres Trainingszentrum für ärztliche Ausbildung in der Medizin) wurden 3<br />

arbeits-medizinische Falldarstellungen konstruiert und in Drehbüchern verfasst. Die<br />

Rollen der Patienten übernahmen jeweils Schauspieler, die von einer speziell geschulten<br />

Schauspieltrainerin instruiert und betreut wurden. Die Studierenden wurden in 6er-<br />

Gruppen eingeteilt, wobei ein/e Studierender/e jeweils die Rolle des Arztes übernahm.<br />

Während die 5 Kommilitonen und ein Dozent stille Beobachter waren, bestand die<br />

Aufgabe für den „Arzt“ darin, binnen 20 Minuten das Gespräch mit dem Patienten zu<br />

leiten und die Anamnese so zu erheben, dass im Anschluss eine strukturierte Planung<br />

des diagnostischen Vorgehens und eine Verdachtsdiagnose möglich waren. Gleichzeitig<br />

wurde das ärztliche Gespräch geübt und im Anschluss durch das Feedback des<br />

Schauspielers, des Dozenten und der Kommilitonen beurteilt.<br />

487


P31<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Ergebnisse<br />

Die etwa 150 Studierenden des SS 2008 bewerteten diese Unterrichtsform mit einem<br />

Notendurchschnitt von 1,14 und bestätigten die Annahme, dass der Praxisbezug<br />

entscheidender Faktor für Lehr- und Lernerfolg eines Faches ist.<br />

Die angewandte Konzeption und der Einsatz von Simulationspatienten ist im Fach<br />

Arbeitsmedizin machbar und trägt zu einer erfolgreichen Lehre bei.<br />

488


P32<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Verbesserung der Lehre im Fach Arbeits- und Sozialmedizin<br />

durch Einsatz von Schauspielpatienten<br />

Birgit Emmert 1 , A. Hitz 1 , Ernst Hallier 1 , Anne Simmenroth-Nayda 2 , Jean-Francois Chenot 2<br />

1<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin der Georg-August Universität Göttingen<br />

2<br />

Abteilung Allgemeinmedizin der Georg-August Universität Göttingen<br />

Hintergrund<br />

Bei der Vermittlung arbeits- und sozialmedizinischer Lehrinhalte bestehen bei<br />

Studierenden oftmals Akzeptanz- und Motivationsprobleme aufgrund des Fehlens<br />

„echter“, d.h. realer Patienten, im Unterricht. Erstmals wurde daher im WS 06/07 im<br />

Rahmen des Kurses „Ärztliche Basisfähigkeiten“ für Studierende im 1. Klinischen<br />

Semester das bisher überwiegend mit Frontalunterricht gehaltene Seminar durch ein<br />

Seminar mit praktischen Rollenspielen unter Einsatz geschulter Schauspielpatienten<br />

(SP) im Kleingruppenunterricht angeboten [1,2]. Bisher gibt es im Fach Arbeitsmedizin<br />

und Sozialmedizin fast keine Erfahrungen mit diesem neuen Unterrichtskonzept im<br />

Vergleich zu anderen Fachgebieten. Um die Akzeptanz dieser aufwendigen<br />

Unterrichtsform zu überprüfen, wurde neben der universitätsinternen eine eigene<br />

Evaluation durch die Studierenden durchgeführt.<br />

Methode<br />

Für den Kleingruppenunterricht im Seminar wurden folgende 4 Fallbeispiele/Rollenspiele<br />

konzipiert: (1) Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw. AU bei einer Sekretärin mit<br />

Tendovaginitis (2) Jugendarbeitsschutzuntersuchung bei einem Jugendlichen mit<br />

Mehlstauballergie im Hinblick auf Bäckerasthma (3) Wege-/Arbeitsunfall bei einer<br />

Erzieherin mit Sprunggelenks-Kontusion (4) Verordnung eines Heilverfahrens (Mutter-<br />

Kind-Kur) bei einer psychisch gestressten Mutter. Nach Vermittlung des theoretischen<br />

Lehrinhaltes wurden die ärztlichen Anamnesegespräche mit den SP in der Kleingruppe<br />

(ca. 10 Studierende) unter „realen“ Bedingungen geübt. Für 1 Rollenspiel standen im<br />

Rotationsverfahren insgesamt 30 Minuten zur Verfügung. Nach der Erhebung der<br />

kompletten ärztlichen Anamnese wurde eine gezielte Rückmeldung (Feedback) durch<br />

die SP und Dozenten an die Studierenden gegeben. Daran schloss sich die Diskussion<br />

in der Kleingruppe an. Im WS06/07 wurden die generelle Akzeptanz und<br />

Verbesserungsvorschläge der Studierenden in offener Frageform evaluiert. Im SS 07<br />

erfolgte eine detaillierte Evaluation mit 14 geschlossenen Fragen zum neuen<br />

Unterrichtskonzept.<br />

489


P32<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Ergebnisse<br />

Von den insgesamt 141 Studierenden im WS 06/07 bewerteten 91% das neue<br />

Unterrichtskonzept als „positiv“ und 8% als eher „negativ“ bei einer Rücklaufquote von<br />

78%. Gewünscht wurde eine Kürzung des Theorieteils im Seminar zu Gunsten des<br />

praktischen Anamnesegesprächs mit den SP. Nach entsprechender Umsetzung im SS<br />

07 mit 179 Studierenden (83% Rücklaufquote) hielten z.B. insgesamt 99% das<br />

Unterrichtskonzept für „geeignet, praktisch-kommunikative Fertigkeiten zu überprüfen“.<br />

Einen „positiven Lerneffekt“ verzeichneten insgesamt 97%. Der Eignung zur<br />

„Überprüfung des theoretischen Wissens“ stimmten erwartungsgemäß 22% nicht zu.<br />

Abschließend befürworteten 92% aller Studierenden den Einsatz von SP als geeignetes<br />

Instrument „zur Erhebung einer Arbeits- und Sozialanamnese“. Die folgende Graphik<br />

zeigt relevante Evaluationsergebnisse, wobei die Studierenden zwischen „stimme zu“,<br />

„stimme teilweise zu“, „stimme eher nicht zu“ und „stimme nicht zu“ als<br />

Antwortmöglichkeiten wählen konnten:<br />

100,0<br />

Studentische Evaluation der Rollenspiele mit SP<br />

im Seminar Arbeits- und Sozialmedizin<br />

90,0<br />

80,0<br />

70,0<br />

in Prozent<br />

60,0<br />

50,0<br />

40,0<br />

30,0<br />

Stim me zu<br />

St im m e teilw eise zu<br />

Stim me eher nicht zu<br />

Stim me nicht zu<br />

20,0<br />

10,0<br />

0,0<br />

Für die Überprüfung<br />

praktischkommunikativer<br />

Fertigkeiten geeignet<br />

Für die Überprüfung<br />

theoretischen<br />

Wissen s geeignet<br />

Postiver Lerneffekt<br />

Realistischer<br />

Charakter der<br />

R ollenspiel e<br />

Authentische<br />

Wirkung der<br />

Schauspielpatienten<br />

Testet die Erhebung<br />

einer Arbeits- und<br />

Sozialanam nese in<br />

geeigneter W eise<br />

W eiterhin Integration<br />

im Kurs "Ä rztliche<br />

Basisfähigkeiten"<br />

erwünscht<br />

Diskussion und Fazit<br />

Trotz des relativ hohen Organisations- und Zeitaufwandes haben die überwiegend<br />

positiven Evaluationsergebnisse zur Weiterführung dieses praxisnahen<br />

Unterrichtskonzeptes ermutigt. Insbesondere der Einsatz der SP bei den Rollenspielen<br />

wurde von den Studierenden als sehr positiv bewertet und hatte für insgesamt 75%<br />

einen positiven Lerneffekt. Der Einsatz von geschulten Schauspielpatienten stellt ein<br />

hilfreiches Instrument zum Üben des ärztlichen Anamnesegesprächs auch für Arbeitsund<br />

Sozialmedizinische Fragestellungen dar und steigert damit die Akzeptanz sowie<br />

Motivation im Fachgebiet Arbeits- und Sozialmedizin. Gleichzeitig bildeten sich die guten<br />

490


P32<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

studentischen Evaluationsergebnisse in der insgesamt um eine halbe Note (0,5)<br />

verbesserten universitätsinternen Evaluation ab.<br />

Literatur<br />

[1] Simmenroth-Nayda A. et al. (2007) Mit Laienschauspielern das ärztliche Gespräch<br />

trainieren. Dt. Ärzteblatt 13 (B):749-751.<br />

[2] Lange A. (2007) Gelungene Kommunikation fängt mit gutem Zuhören an. Dt.<br />

Ärzteblatt 40:107.<br />

[3] Barrows HS. (1993) An overview of the uses of standardized patients for teaching<br />

and evaluating skills. Acad. Med. 688(6):443-453.<br />

491


P33<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Arbeitsmedizinische Betriebsbegehungen − Aktivität schafft<br />

Interesse<br />

Sibylle Hildenbrand, Verena Röder, Monika A. Rieger<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />

Einleitung und Fragestellung der Studie<br />

Die Lehre im Fach Arbeitsmedizin wurde zum Sommersemester 2007 neu geplant.<br />

Hierbei wurde auch ein Konzept entwickelt, mit dem sich bei 160 Studierenden pro<br />

Semester die Beteiligung der Studierenden in der Lehrveranstaltung<br />

„arbeitsmedizinische Betriebsbegehung“ verbessern lässt.<br />

Methoden<br />

Die Modifikation bei der Veranstaltung erfolgte nach der didaktischen Methode, dass<br />

Studierenden durch eigene Beiträge bei einer Veranstaltung aktiviert werden können.<br />

Um Unterschiede zwischen den beiden verschiedenen Konzeptionen der<br />

Betriebsbesichtigungen zu erfassen, wurden Studierende befragt sowie die schriftliche<br />

Evaluation und die persönlichen Eindrücke der Dozenten ausgewertet.<br />

Ergebnisse<br />

Im Folgenden werden die Strukturen und Effekte der ursprünglichen Betriebsbegehung<br />

der neu konzipierten Betriebsbegehung gegenübergestellt.<br />

Ursprünglich lag die Veranstaltung „arbeitsmedizinische Betriebsbegehung“ im 7.<br />

Semester. Je 30-40 Studierende konnten unter 4-5 Betrieben ihr Ziel frei wählen. Im<br />

neuen Studienplan lag die Veranstaltung im 10. Semester, 40 Studierende wurden<br />

jeweils einer Firma zugeteilt.<br />

Die Vorbereitung bestand ursprünglich aus einer 15minütige Besprechung während der<br />

Busfahrt zum Betrieb. Die Lehrenden gaben Hinweise, auf welche Punkte die<br />

Studierenden während der Begehung achten sollten. Z.B. sollten sie beobachten, ob und<br />

welche persönliche Schutzausrüstungen getragen werden. Bei der neuen Konzeption<br />

wurde ein vorbereitendes einstündiges Seminar, 1-7 Tage vor der Begehung,<br />

durchgeführt. Hierbei überlegten sich die Studierenden eine Checkliste für eine<br />

allgemeine erste Betriebsbegehung durch einen Arbeitsmediziner (Tabelle 1). Jeweils 3<br />

Studierende wählten eines der zwölf erstellten Themen aus und erarbeiteten dazu<br />

Unterpunkte, die durch Plenum und Lehrende ergänzt wurden. Die Studierenden sollten<br />

bei der Betriebsbegehung bevorzugt Beobachtungen zu ihrem Thema notieren. Bei der<br />

ursprünglichen Betriebsbegehung waren die Studierenden unterschiedlich aktiv beteiligt.<br />

Die Begehung hatte teilweise den Charakter einer passiv erlebten Führung bis hin zum<br />

492


P33<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Ausflugserlebnis. Die Möglichkeit zu allgemeinen Fragen an den Arbeitsmediziner der<br />

Firma vor Ort wurde unterschiedlich genutzt. Bei der neu konzipierten Betriebsbegehung<br />

zeigten die Studierenden ein aktiveres und engagiertes Verhalten. So führten sie z.B.<br />

eigene Befragungen von Beschäftigten bei der Begehung durch. Sie stellten Fragen bei<br />

der Führung und der anschließenden Diskussion, z.T. nach den Checklistenthemen. Die<br />

Möglichkeit zu allgemeinen Fragen an den Arbeitsmediziner der Firma vor Ort wurde in<br />

unterschiedlichem Umfang genutzt. Am Ende der Begehung sollten die<br />

themenbezogenen Beobachtungen für Overheadfolien lesbar groß notiert werden.<br />

Ursprünglich fand die Nachbereitung im Bus auf der Rückfahrt vom Betrieb statt. Es<br />

wurde nach Diskussionspunkten gefragt, die noch offen geblieben waren, und um eine<br />

mündliche Evaluation der Begehung gebeten. Die Bemerkungen im Bus waren meist<br />

spärlich, die Studenten wirkten relativ erschöpft. Bei der neu konzipierten<br />

Betriebsbegehung wurden für ein einstündiges Seminar, 1-7 Tage nach der Begehung,<br />

die Notizen zu den Themen auf Folien kopiert. Sie dienten den Kleingruppen in ihrem<br />

Kurzvortrag vor den Kommilitonen als Präsentationsgrundlage. Die Beobachtungen<br />

wurden im Plenum diskutiert und kommentiert.<br />

Schlussfolgerungen<br />

In der neuen Konzeption der Betriebsbegehung erlebten die Studierenden durch die<br />

bessere Vorbereitung und längeren Beschäftigung mit der Betriebsbegehung im<br />

einführenden Seminar über die erstellte Checkliste die Betriebsbegehung strukturierter<br />

und intensiver, nach dem Motto „Man sieht nur, was man kennt“. Durch die Aufgabe, ihre<br />

Beobachtungen später den Kommilitonen zu präsentieren, zeigten sie ein aktiveres und<br />

engagiertes Verhalten. Es wurde ein Wandel vom der z.T. passiv als Ausflug erlebten<br />

Betriebbesichtigung hin zur aktiven Beteiligung an der Betriebsbegehung vollzogen.<br />

Durch das größere Interesse und die längere Beschäftigung mit den<br />

Arbeitsplatzbedingungen sowie den Aufgaben des Arbeitsmediziners im Betrieb war der<br />

Lernerfolg größer. Als zukünftigte Verbesserungsmöglichkeiten sollten die Gruppen von<br />

40 auf 20 Studierende verkleinert werden. Die Checkliste sollte von 12 auf 10 Themen<br />

gekürzt und an den zu besichtigenden Betrieb individuell angepasst werden. Den<br />

Studierenden sollte eine frei wählbare Präsentationsform der themenbezogenen eigenen<br />

Beobachtungen ermöglicht werden.<br />

Danksagung<br />

Die Checkliste geht in ihrer ursprünglichen Fassung auf eine Liste zurück, die von Herrn<br />

Dr. Gerd Enderle (Sozial- und Arbeitsmedizinische Akademie Baden-Württemberg e. V.,<br />

in Verbindung mit der Universität Ulm) für die arbeitsmedizinischen Weiterbildungskurse<br />

493


P33<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

entwickelt wurde. Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird<br />

finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-<br />

Württemberg e.V. (Südwestmetall).<br />

Checkliste Betriebsbegehung<br />

1) Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Charakter der Tätigkeit<br />

2) Überblick über die Beschäftigten<br />

3) Raumklima, Beleuchtung<br />

4) Gestaltung der Verkehrswege<br />

5) Räumliche Gestaltung des Arbeitsplatzes<br />

Arbeitsmittel / Ergonomie<br />

6) Arbeitsausführung<br />

7) Belastungen und Beanspruchungen des Bewegungsapparates, Muskelarbeit<br />

8) Physikalische Noxen<br />

9) Chemische Noxen, Biologische Noxen<br />

10) a) Psychomentale Belastung<br />

b) Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten,<br />

arbeitsbedingte Erkrankungen<br />

11) Technischer, organisatoischer, persönlicher Arbeitsschutz (gestellt/angewandt)<br />

12) Soziale Einrichtungen<br />

Tabelle 1: Erarbeitete Checkliste für eine Betriebsbegehung<br />

494


P34<br />

Poster – Lehre / Fortbildung<br />

Online CME-Bedarf deutschsprachiger Arbeits- und Betriebsmedizinier<br />

Katja Radon, Stefanie Kolb, Laura Wengenroth<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

495


P35<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Die Auswirkungen von Schichtarbeit auf jüngere Arbeitnehmer<br />

Anke van Mark 1 , Andreas Otto 1 , M. Schröder 1 , Stephan W. Weiler 2 , Michael Spallek 3 , Richard<br />

Kessel 1<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,<br />

2 AUDI AG Ingolstadt,<br />

3 EUGT e. V., Berlin<br />

Einleitung<br />

In den westlichen Industrienationen arbeiten rund 20 % aller Beschäftigten in<br />

Schichtarbeitsmodellen (Rajaratnam, 2001). Insbesondere im Gesundheits- und<br />

Kommunikationswesen, aber auch im Transportgewerbe und in der Industrie ist<br />

Schichtarbeit mittlerweile die Regel. Dabei führt Schichtarbeit durch die zur<br />

physiologischen Tagesrhythmik verschobene zeitliche Lage für Arbeit, Erholung und<br />

Schlaf zu einer Störung der zirkadianen Rhythmik. Diese Störungen manifestieren sich<br />

zunächst in Schlaf- und schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen wie Tagesmüdigkeit,<br />

Gereiztheit oder auch Verstimmungen (Akerstedt 2003). Solche chronischen<br />

Veränderungen des Schlafverhaltens (Schlafstörungen, Schlafentzug) wiederum haben<br />

messbare Veränderungen metabolischer und kardiovaskulärer Risikoparameter zur<br />

Folge (Hyper-/Dyslipoproteinämie, Adipositas, Hypertonie), so dass Schichtarbeit u. a.<br />

auch als ein weiterer Risikofaktor für das metabolische Syndrom diskutiert werden muss<br />

(Ghiasvand 2005, Ha 2005, Karlsson 2003, Morikawa 2007, Sookoian 2007).<br />

Bisher ist allerdings nur wenig darüber bekannt, welche Auswirkungen Schicht- und<br />

Nachtarbeit auf verschiedene Altersgruppen hat. Durch den demographischen Wandel<br />

und die Globalisierung müssen jüngere Arbeitnehmer nicht nur vermehrt sondern auch<br />

länger in Schichtarbeit arbeiten. Dies rechtfertigt unserer Meinung nach eine gesonderte<br />

Betrachtung des Risikoprofils für dieses Kollektiv.<br />

Methodik<br />

Im Rahmen einer Querschnittsstudie wurden 362 Probanden, darunter 78 Probanden in<br />

einem Alter ≤ 30 Jahre (Altersmittelwert 25,8 Jahre; 95 %-KI: 25,1 – 26,5 Jahre, 62<br />

Schichtarbeiter, 18 Tagarbeiter, 26 Frauen, 52 Männer), klinisch-körperlich und<br />

laborchemisch untersucht und mittels Fragebogen zum Schlafverhalten und zu<br />

schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen, sowie zu den Lebensumständen befragt. Alle<br />

Probanden hatten ihr schriftliches Einverständnis gegeben. Die Zustimmung der<br />

Ethikkommission lag vor.<br />

496


P35<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Ergebnisse<br />

Das Kollektiv der ≤ 30-jährigen Schichtarbeiter gab im Vergleich mit den gleichaltrigen<br />

Tagarbeitern signifikant häufiger Schlafstörungen (48,5 % vs. 7,1 %, p = 0,004) an. Sie<br />

litten stärker unter schlafbezogenen Befindlichkeitsstörungen wie Tagesmüdigkeit (44,6<br />

% vs. 35 %), Verstimmung (14,3 % vs. 0 %) und Reizbarkeit (19,6 % vs. 0 %, p = 0,06)<br />

sowie unter einer stärkeren subjektiven Stressbelastung (25,5 % vs. 14,3 %).<br />

Neben einer geringeren sportlichen Aktivität<br />

(57,1 % vs. 76,9 %) bestand ein häufigerer<br />

(50 % vs. 25 %, p = 0,06), signifikant<br />

stärkerer (11,4 Zig./Tag vs. 4,9 Zig./Tag, p<br />

= 0,01) und im Mittel längerer (5,6 pack<br />

years vs. 2,2 pack years, p = 0,07)<br />

Nikotinkonsum.<br />

Junge Schichtarbeiter zeigten signifikant<br />

häufiger einen erhöhten Taillenumfang<br />

(20,7 % vs. 0 %, p = 0,04), häufiger eine zu hohe Waist-to-hip ratio (25,8 % vs. 12,5 %)<br />

und im Mittel einen höheren BMI (25 kg/m² vs. 23,8 kg/m²), sowie signifikant häufiger<br />

hypertensive Werte (30,5 % vs. 6 %, p = 0,04) und im Mittel einen signifikant höheren<br />

diastolischen Blutdruckwert (80,3 vs. 74,5 mmHG, p = 0,016).<br />

Auch fanden sich bei den ≤ 30-jährigen Schichtarbeitern signifikant häufiger ein<br />

erniedrigtes (23,3% vs. 0%, p = 0,02) und im Mittel ein signifikant niedrigeres HDL (51,6<br />

vs. 58,6 mg/dl, p = 0,05), sowie häufiger pathologische Triglycerid-Werte (23 % vs. 12,5<br />

%). Daneben wurden häufiger pathologische Werte für GOT (10 % vs. 0 %), γ-GT (10 %<br />

vs. 0 %) und GPT (20,3 % vs. 6,2 %) bestimmt.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schlafstörungen und schlafbezogene<br />

Befindlichkeitsstörungen bereits die jüngeren Arbeitnehmer in Schichtarbeit betreffen.<br />

Weiterhin zeigen unsere Ergebnisse, dass Schichtarbeit bereits bei jungen<br />

Arbeitnehmern mit vier von fünf Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms<br />

vergesellschaftet ist (Taillenumfang, Blutdruck, HDL-Cholesterin und Triglycerid-Werte).<br />

Zusammen mit dem Nikotinkonsum, der vermehrten Stressbelastung und der häufigeren<br />

Unsportlichkeit haben die jüngeren Schichtarbeiter auch ein höheres Risiko für<br />

kardiovaskuläre Folgeerkrankungen.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse müssen wir uns der Forderung nach einem<br />

Ausbau der individuellen und betrieblichen Gesundheitsprävention, vor allem auch<br />

bereits für die jüngeren Arbeitnehmer, anschließen. (Schichtplangestaltung unter der<br />

497


P35<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Empfehlungen, ausgewogene Ernährung,<br />

entsprechende Schlafhygiene und ausreichende körperliche Aktivität).<br />

Literatur<br />

Akerstedt T. Shift work and disturbed sleep/wakefulness. Occup Med (Lond). 2003; 53:<br />

89–94<br />

Ghiasvand M, Heshmat R, Golpira R, Haghpanah V, Soleimani A, Shoushtarizadeh P,<br />

Tavangar SM, Larijani B. Shift working and risk of lipid disorders: a cross-sectional study.<br />

Lipids Health Dis. 2006; 10, 5: 9<br />

Ha M, Park J. Shiftwork and metabolic risk factors of cardiovascular disease. J Occup<br />

Health. 2005; 47: 89 - 95<br />

Karlsson BH, Knutsson AK, Lindahl BO, Alfredsson LS. Metabolic disturbances in male<br />

workers with rotating three-shift work. Results of the WOLF study. Int Arch Occup<br />

Environ Health. 2003; 76: 424 - 430<br />

Morikawa Y, Nakagawa H, Miura K, Soyama Y, Ishizaki M, Kido T, Naruse Y, Suwazono<br />

Y, Nogawa K. Effect of shift work on body mass index and metabolic parameters. Scand<br />

J Work Environ Health. 2007; 33: 45 - 50<br />

Rajaratnam SM, Arendt J. Health in a 24-h society. Lancet. 2001; 358: 999 - 1005<br />

Sookoian S, Gemma C, Fernandez Gianotti T, Burgueno A, Alvarez A, Gonzalez CD,<br />

Pirola CJ. Effects of rotating shift work on biomarkers of metabolic syndrome and<br />

inflammation. J Intern Med. 2007; 261: 285 – 292<br />

498


P36<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Der Beitrag wurde als Vortrag präsentiert (siehe V 47a)<br />

499


P37<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Ableitung von Normwerten für die Adrenalin- und<br />

Noradrenalinkonzentration im Sammelurin während der<br />

Arbeitszeit<br />

Ulrich Bolm-Audorff 1 , Gabriela Petereit-Haack 1 , J. Pilz 2<br />

1 Landesgewerbearzt, Wiesbaden<br />

2 Labor für Stressmonitoring, Göttingen<br />

Einleitung: Die Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Höhe psychischer<br />

Arbeitsbelastungen gehört zu den Aufgaben des Betriebsarztes nach dem<br />

Arbeitssicherheitsgesetz. Üblicherweise werden hierfür standardisierte Fragebögen<br />

eingesetzt. Darüberhinaus wäre die Verwendung objektiver Methoden zur Erfassung der<br />

physiologischen Stressreaktion wünschenswert. Eine Möglichkeit besteht in der<br />

Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin. In einer Vielzahl von<br />

Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Catecholamine Adrenalin und<br />

Noradrenalin bei Beschäftigten mit erhöhten psychischen Arbeitsbelastungen im Harn<br />

vermehrt ausgeschieden werden (Theorell 2000). Normwerte für die Konzentration<br />

dieser Catecholamine während der Arbeitszeit für Beschäftigte in der Bundesrepublik<br />

fehlen jedoch.<br />

Methodik: Bei 190 gesunden, arbeitsfähigen Arbeitnehmern, darunter 62 Frauen und<br />

128 Männer (Alter: 43 ± 11 Jahre), bei denen es sich um eine Zufallsstichprobe der<br />

Erwerbsbevölkerung in den Städten Frankfurt am Main, Wiesbaden und<br />

Hünstetten/Taunus handelte, wurde die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin<br />

im Sammelurin während der Arbeitszeit bestimmt. Bei den untersuchten Probanden<br />

handelte es sich um eine Zufallsstichprobe der Erwerbsbevölkerung, die uns von den<br />

Einwohnermeldeämtern der drei o.g. Städte zur Verfügung gestellt wurde. Die<br />

Teilnahmequote lag bei 72%. Die Analytik von Adrenalin und Noradrenalin im Harn<br />

erfolgte nach Trennung mit Hochdruck-Flüssigkeitschromatografie und Bestimmung mit<br />

Fluoreszenzdetektion. Das Analysenverfahren wurde im Detail von Mitsui et al. (1985)<br />

beschrieben. Bei 99 Probanden wurden die Analysen im Labor des<br />

Landesgewerbearztes in Wiesbaden und bei den übrigen 91 Probanden im Labor für<br />

Stressmonitoring in Göttingen mit vergleichbaren Methoden bestimmt. Beide Labore<br />

haben zum Zeitpunkt der Analytik erfolgreich an einem Ringversuch teilgenommen. Bei<br />

den Probanden wurde der 24-Stunden-Urin in folgenden 6 Fraktionen gesammelt: 1. Teil<br />

der Schicht (in der Regel 4 Stunden von 8-12 h), 2. Teil der Schicht (in der Regel 4<br />

Stunden von 12-16 h), 3. Weg von der Arbeit, 4. Freizeit, 5. Schlaf, 6. Weg zur Arbeit.<br />

Für diese Studie wurden nur die Harnproben 1 und 2 ausgewertet .Als oberer Normwert<br />

für die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin während der<br />

500


P37<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Arbeitszeit wurde das 95%-Perzentil berechnet (Solberg 1987). Ferner wurde das 95%-<br />

Perzentil des Adrenalin/Noradrenalin-Quotienten ermittelt. Die Konzentration der<br />

Catecholamine im Sammelurin wurde sowohl auf die Konzentration von Kreatinin als<br />

auch auf die Sammelperiode bezogen. Ferner wurde bei den Beschäftigten ein<br />

standardisiertes Interview zu psychischen Arbeitsbelastungen durchgeführt, u.a. mit dem<br />

Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse (Semmer et al. 1998)<br />

Ergebnisse: Signifikante Unterschiede zwischen der Catecholaminkonzentration im<br />

Sammelurin in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht fanden sich nicht. Die Ergebnisse<br />

unterschieden sich in den beiden Laboratorien nicht signifikant voneinander. Der Tabelle<br />

ist der obere Normwert für die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin im<br />

Sammelurin sowie des Adrenalin-/Noradrenalinquotienten während des 1. und 2. Teils<br />

der Arbeitsschicht bei Frauen und Männern zu entnehmen. Zwischen psychischen<br />

Arbeitsbelastungen wie Zeitdruck und der Prävalenz eines erhöhten<br />

Adrenalin/Noradrenalin-Quotienten fand sich ein signifikanter Trend (Daten nicht<br />

gezeigt).<br />

Diskussion: Es wird vorgeschlagen, für die Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Höhe<br />

psychischer Arbeitsbelastungen in Zukunft auch in der Praxis des Betriebsarztes die<br />

Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im Sammelurin einzusetzen. Bei<br />

Überschreitung der oberen Normwerte in der Tabelle ist von einer erhöhten psychischen<br />

Arbeitsbelastung der untersuchten Beschäftigten auszugehen, sofern keine relevante<br />

körperliche Arbeitsbelastung besteht. Für die Evaluation psychischer Arbeitsbelastungen<br />

eignet sich nach mehreren Autoren besonders der Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />

(Lehmann et al. 1983, Bolm-Audorff et al. 1986 und 2002), weil die<br />

Adrenalinausscheidung im Harn bei psychischen Arbeitsbelastungen im Gegensatz zu<br />

körperlichen Belastungen stärker ansteigt als die von Noradrenalin. Die Grenzwerte<br />

scheinen geeignet zu sein, psychische Arbeitsbelastungen abzubilden. Hansen et al.<br />

(2001) fanden in einer Untersuchung von 120 Probanden in Dänemark um etwa 60%<br />

niedrigere Normwerte für die Ausscheidung von Adrenalin und Noradrenalin im Harn. Die<br />

Studien sind aus folgenden Gründen jedoch nicht vergleichbar: Bei der Untersuchung<br />

von Hansen et al. (2001) handelt es sich um Normwerte für die Adrenalin- und<br />

Noradrenalin-Konzentration im Spontanurin, während sich unsere Untersuchung auf<br />

Sammelurin bezieht. Letzteres hat den Vorteil, dass sich die Catecholaminkonzentration<br />

auf eine definierte Sammelperiode bezieht, während die Zeit, während der der Harn<br />

sezerniert wurde, bei der Untersuchung von Spontanurinproben unbekannt ist. Die<br />

Untersuchung von Hansen et al. (2001) hat ferner den Nachteil, dass diese ihre<br />

501


P37<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Probanden durch eine öffentliche Werbekampagne fanden, während es sich bei unserer<br />

Untersuchung um eine Zufallstichprobe der Erwerbsbevölkerung nach Angaben des<br />

Einwohnermeldeamtes handelt.<br />

Literatur:<br />

Bolm-Audorff U et al.: Hormonal and cardiovascular variations during a public lecture.<br />

Eur. J. Appl. Physiol. Occup. Physiol. 54; 1986; 669-674<br />

Bolm-Audorf U et al.: Arbeitsmedizinische Untersuchung bei Callcenter-Beschäftigten,<br />

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Hg.): CCall Report 6, Hamburg, 2002<br />

Hansen AM et al.: Reference intervals and variation for urinary epinephrine,<br />

norepinephrine and cortisol in healthy men and women in Denmark. Clin. Chem. Lab.<br />

Med. 39; 2001; 842-849<br />

Lehmann M et al.: Zum Verhalten von Plasma- und Harn-Dopamin, -Noradrenalin und -<br />

Adrenalin bei körperlichen und körperlich-konzentrativen Belastungen. Herz Kreislauf 13;<br />

1983; 94-101<br />

Mitsui A et al.: High-performance liquid chromatography of plasma catecholamines using<br />

1, 2-Diphenylethylenediamine as precolumn flourescence derivatization reagent, J.<br />

Chromatogr. 344; 1985; 61 - 70<br />

Semmer, N K, Zapf, D, Dunckel, H: Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse<br />

(ISTA), In: Dunckel, H (Hg.): Handbuch der Instrumente zur Arbeitsanalyse, Zürich,<br />

Verlag der Fachveieine, Hochschulverlag, 1998<br />

Solberg H E: International federation of flinical fhemistry (IFCC), approved<br />

recommendation (1986) on the theory of reference values, part 1. The concept of<br />

reference values. J. Clin. Chem. Clin. Biochem. 25; 1987; 337-342<br />

Theorell T: Neuroendocrine mechanisms, In: Schnall, PL. et al. (eds.): The workplace<br />

and cardiovascular disease, Philadelphia, Hanley and Belfus, 2000, p.139-146<br />

Obere Normwerte der Catecholaminkonzentration im Sammelurin<br />

Catecholamin<br />

Oberer Normwert<br />

1. Schichthälfte 2. Schichthälfte<br />

Adrenalin (ng/min.) 21,72 28,89<br />

Adrenalin (µg/g Kreatinin) 25,82 23,39<br />

Noradrenalin (ng/min) 64,07 85,03<br />

Noradrenalin (µg/g Kreatinin) 103,50 96,51<br />

Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />

[(ng/min) / (ng/min)]<br />

Adrenalin/Noradrenalin-Quotient<br />

[(µg/g Kreatinin) / (µg/g Kreatinin)]<br />

0,78 0,71<br />

0,77 0,70<br />

502


P38<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Katecholaminausscheidung im Urin bei Motorradfahrern in<br />

Abhängigkeit vom Stresstypus<br />

Thomas Rebe, Susanne Netz-Piepenbrink, Uwe Johansson, Michael Bader, Renate Wrbitzky<br />

Medizinische Hochschule Hannover<br />

Fragestellung/ Ziel der Studie<br />

Katecholaminausscheidungen ändern sich bei körperlichen und konzentrativen<br />

Belastungen. Da beim Motorradfahren die konzentrativen Belastungen stark durch den<br />

eigenen Fahrstil bestimmt werden, wurde der Frage nachgegangen, wie sich die<br />

Urinkatecholaminausscheidung in Abhängigkeit vom Stresstypus bzw. dem<br />

arbeitsplatzbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) verhält.<br />

Methoden:<br />

Im Rahmen eines freiwilligen Motorraddauerfahrtests wurde ein Motorrad pro Tag von<br />

einem Fahrer für mindestens 1000 km getestet, insgesamt wurden an 79 Fahrtagen<br />

mehr als 100.000 km gefahren. Vor Fahrtbeginn wurde von allen Fahrern mittels AVEM<br />

der Stresstypus festgestellt. Am Fahrtag wurde ein 24-Stunden Urinprofil von den<br />

Fahrern asserviert. Die darin enthaltenen Katecholamine Noradrenalin (NA), Adrenalin<br />

(A) und Dopamin (D) mittels HPLC mit photometrischem Detektor analysiert.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Trendzuordnung des Stresstypus mittels AVEM zeigte die häufigste Zuordnung für<br />

Muster S (Schonungstendenz, n=20 ), gefolgt vom Muster G (Gesundheitsmuster, n=10).<br />

Risikomuster B (Resignation, n=7) und Risikomuster A (Selbstüberforderung, n=2 kamen<br />

seltener vor. Zwischen Freizeit und Fahrzeit stiegen die Katecholamine NA und A ca. um<br />

den Faktor 1,7 an, die Dopaminwerte blieben konstant. Innerhalb der unterschiedlichen<br />

Stresstypusgruppen zeigten die Katecholaminwerte in der Freizeit annähernd gleiche<br />

Ausgangskonzentrationen. Hinsichtlich der Höhe des Anstiegs der Katecholamine<br />

ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der einzelnen<br />

Stresstypusgruppe, allerdings ergaben sich Hinweise darauf, dass der Anstieg für<br />

Adrenalin bei den Stresstypen mit Risikomuster A deutlich höher war.<br />

503


P38<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Adrenalinausscheidung im Urin<br />

µg/g<br />

=Freizeit<br />

=Fahrzeit<br />

Stresstypus Muster G S A B<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Während der Motorradfahrt kommt es zu einem signifikanten Anstieg der<br />

Katecholaminausscheidung im Urin. Dieser Anstieg ist offenbar bei Personen mit<br />

Risikomuster A (Selbstüberforderung) für Adrenalin stärker ausgeprägt. Es sollten<br />

weitere Untersuchungen folgen, in denen der Frage nachgegangen wird, ob die<br />

Katecholaminausscheidungen vom Stresstypus abhängig sind und somit stresspräventiv<br />

genutzt werden können.<br />

504


P39<br />

9<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Berufspendeln und Fehlzeiten, Fehlen Fernpendler häufiger auf<br />

der Arbeit?<br />

Dorothea Nitsche, Heiko Rüger, Stephan Letzel, Eva Münster<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Zusammenfassung<br />

In der vorliegenden Arbeit wird der Belastungsfaktor „Entfernung Arbeits-/ Wohnort“ und<br />

seine Einflussnahme auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz von<br />

Fernpendlern im Vergleich zu Nicht-Fernpendlern untersucht. Unter Berücksichtigung<br />

des Alters, des Geschlechts und dem höchsten Schulabschluss wird seine ungünstige<br />

Wirkung anhand erhöhter Fehlzeiten bei Fernpendlern deutlich – eine<br />

arbeitsmedizinische Relevanz liegt vor.<br />

Ziel der Studie<br />

In Deutschland pendeln viele erwerbstätige Männer und Frauen regelmäßig zwischen<br />

Wohn- und Arbeitsort. Nach Angaben des Mikrozensus 2004 stuften sich 30,3 Millionen<br />

Erwerbstätige als Berufspendler ein, darunter 5%, die mindestens 50 Kilometer<br />

einfachen Weg zur Arbeit fahren (Statistisches Bundesamt 2005). Die Frage nach der<br />

räumlichen Mobilität von Arbeitnehmern tritt gegenwärtig immer deutlicher hervor.<br />

Negative Beanspruchungsfolgen von langen Anfahrtszeiten wurden mehrfach<br />

beschrieben (Häfner et al. 2001, 2007). Gesundheitliche Beschwerden konnten bei<br />

Pendlern signifikant häufiger nachgewiesen werden als bei Nicht-Pendlern (Costa et al.<br />

1988). Nur wenige Untersuchungen haben sich bislang in Deutschland mit dem<br />

Belastungsfaktor „Entfernung Arbeits-/ Wohnort“ und seinen Auswirkungen auf<br />

Fehlzeiten am Arbeitsplatz befasst. Um diese Lücke zu schließen, wurde in der<br />

vorliegenden Untersuchung gezielt geprüft, ob Unterschiede bezüglich<br />

krankheitsbedingten Ausfallzeiten am Arbeitsplatz von Fernpendlern im Vergleich zu<br />

Nicht- Fernpendlern vorliegen.<br />

Methoden<br />

Grundlagen der durchgeführten Sekundärdatensatzanalyse waren die Wellen 21 und 22<br />

(2003 und 2004) des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer repräsentativen<br />

Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland. Als Fernpendler wurden<br />

Personen definiert, die täglich für den einfachen Arbeitsweg eine Stunde oder länger<br />

benötigten („Zeitkonzept“). Vollzeiterwerbstätige, die im Jahr 2003 Fernpendler waren<br />

(N=708), wurden auf die im Jahr 2004 berichteten Fehlzeiten für das Jahr 2003<br />

untersucht. Vergleichsgruppe waren vollzeiterwerbstätige Nicht-Fernpendler (N=8297).<br />

Als Zielgrößen wurden a) die Anzahl der Fehltage und b) Krankmeldungen von über 6<br />

Wochen im Jahr 2003 untersucht. Bivariable Gruppenunterschiede wurde mit den<br />

statistischen Signifikanztests U-Test bzw. Chi²-Test geprüft. Multivariable Analysen<br />

505


P39 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

9<br />

wurden mit dem binär logistischen Regressionsmodell mit Adjustierung nach Geschlecht,<br />

Alter und formaler Schulbildung geführt. Adjustierte Odds Ratios (aOR) wurden<br />

errechnet. Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS 17.0 durchgeführt, wobei das<br />

Signifikanzniveau mit α = 0,05 definiert wurde.<br />

Ergebnisse<br />

Die untersuchten vollzeitbeschäftigten Fernpendler und Nicht- Fernpendler<br />

unterschieden sich in den soziodemografischen Variablen Alter, Geschlecht und<br />

höchstem Schulabschluss wie in Tabelle 1 angegeben. Lag bei den Fernpendlern die<br />

durchschnittliche einfache Fahrzeit bei rund 75 Minuten (SD=24,9), hatten die Nicht-<br />

Fernpendler, die eine genaue Fahrzeit angaben, eine durchschnittliche Fahrzeit von rund<br />

21 Minuten (SD=12,1; N= 6951).<br />

Hatten 6,4% der Fernpendler im Jahr 2003 mindestens einmal eine Krankmeldung von<br />

über 6 Wochen, trifft dies nur auf 4,7% der Nicht-Fernpendler zu (aOR=1,37; p=0,055).<br />

Eine leichte Zunahme des Effektes ist nach Adjustierung zu beobachten (aOR= 1,50;<br />

p=0,016).<br />

Die durchschnittliche Anzahl der Krankheitstage im Jahr lag für Fernpendler bei 10,9 und<br />

für die übrigen Vollzeiterwerbstätigen bei 8,8 Tagen (p=0,039). Adjustiert nach<br />

Geschlecht, Alter und höchstem Schulabschluss erhöht sich die Differenz von 2,1 auf 2,6<br />

Fehltage (p=0,015).<br />

Tabelle 1: Soziodemografische Variablen bei vollzeitbeschäftigten Fernpendlern und Nicht-<br />

Fernpendlern<br />

Fernpendler Nicht- Fernpendler Signifikanz<br />

N=708 N=8297<br />

Alter (in Jahren) 42,3 42,2 p=0,657<br />

Geschlecht (%)<br />

Männer 72,3 67,2<br />

Frauen 27,7 32,8<br />

höchster Schulabschluss<br />

Hauptschule 21,8 27,3<br />

Realschule 31,2 34,2<br />

Abitur 40,5 30,5<br />

Sonstige 6,5 8,0<br />

Quelle: SOEP, Welle 21 (2003), eigene Berechnungen<br />

p=0,005<br />

p


P39 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

9<br />

nehmen die Unterschiede zu und werden deutlich signifikant. Aufgrund der<br />

arbeitsmedizinischen und volkswirtschaftlichen Relevanz der Thematik sind zukünftige<br />

Untersuchungen, auch mit größeren Fallzahlen, sowie eine Differenzierung der Gruppe<br />

der Fernpendler nach weiteren Faktoren, wie der Art des Transportmittels und der<br />

Umsteigehäufigkeit, erforderlich.<br />

Literatur<br />

1. Costa G, Pickup L, Dimarino V. Commuting – a further stress factor for working<br />

people, evidence from the European Community. Int Arch Occup Environ Health<br />

1988; 60: 371-376, 377-385.<br />

2. Häfner S, Kächele H, Zipfel S. Immer auf Achse – der gesundheitliche Preis der<br />

Mobilität in einer 24-h- Gesellschaft. Psychother Psych Med 2007; 57:307-8.<br />

3. Häfner S, Kordy H, Kächele H. Psychosozialer Versorgungsbedarf bei<br />

Berufspendlern. Psychother Psychosom med Psychol 2001; 51: T55-T61.<br />

4. Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Leben und Arbeiten in Deutschland –<br />

Ergebnisse des Mikrozensus 2004. Wiesbaden 2005<br />

507


P40<br />

9<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Die Relevanz der Zeit für den Menschen und die Auswirkungen<br />

auf sein Verhältnis zur Arbeit<br />

Detlev Jung 1 , Johannes Jung 2<br />

1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; ZDF Mainz,<br />

Betriebsärztliche Station;<br />

2 stud phil. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz<br />

Einleitung: Erwerbsarbeit wird in der modernen Gesellschaft häufig per se als (negative)<br />

Belastung und Beanspruchung angesehen. Schon die Tatsache, dass Arbeit(szeit)<br />

entlohnt wird, scheint dies zu implizieren. In diesem Zusammenhang müssen die<br />

Tendenzen zur Arbeitszeitverkürzung (35-Stunden-Woche) wie auf der anderen Seite<br />

auch Bestrebungen zur Arbeitsmotivation (Arbeitspsychologie) gesehen werden. Wir<br />

haben Hintergründe dieser Einstellungen zur Arbeit untersucht und Hypothesen hierzu<br />

entwickelt.<br />

Methode: In regelmäßigen Sitzungen wurden Hypothesen zu der historischen<br />

Entwicklung des Verhältnisses des Menschen zur Zeit und daraus folgend zur Arbeit<br />

aufgestellt. Zudem wurde der Stellenwert insbesondere der Erwerbsarbeit bezogen auf<br />

Lebensziele erörtert. Die Hypothesen wurden in den Kontext dieses Thema betreffender<br />

philosophischer, historischer, psychologischer und soziologischer Literatur gestellt.<br />

Ergebnisse:<br />

Hypothese 1: Sind vor der Aufklärung Lebenszeit und Lebensziele im augustinischen<br />

Sinne auf die Ewigkeit (nach dem Ende aller Zeiten) gerichtet (Augustinus), so wird mit<br />

dem Verlust der Ewigkeit in der Aufklärung und Säkularisierung die begrenzte Lebenszeit<br />

dahin ausgerichtet, Lebensziele zu erreichen, die den persönlichen Tod (wenigstens eine<br />

Zeit lang) überdauern (Abb.1). Mit der verbliebenen Lebenszeit wird gegeizt unter der<br />

Fragestellung: „Was dient meinen Lebenszielen?“ (Blumenberg)<br />

Hypothese 2: Die Arbeit nimmt viel von dieser Zeit weg. Durch die zunehmende<br />

Einführung von Lohnarbeit geht ein direkter Sinn der Arbeit verloren, das Ergebnis der<br />

geleisteten Arbeit wird a priori als Lebensziel nur des Arbeitgebers gesehen. Der in der<br />

modernen Gesellschaft gängige Tausch von (potentiell wieder beschaffbarem) Lohn<br />

gegen Arbeits- und damit (nicht wieder beschaffbare) Lebenszeit wird als ein Tausch<br />

ungleicher Qualitäten empfunden.<br />

508


P40 Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

9<br />

Diskussion:<br />

Die Hypothesen geben die Möglichkeit einer neuen Perspektive auf das Verhältnis des<br />

Menschen zur Arbeit. Unter dem Aspekt der Änderung des Zeit- und<br />

Arbeitsverständnisses können Aussagen zu Motivation und Bedürfnisbefriedigung, aber<br />

auch zur Entstehung von Arbeitsstress und adäquatem Führungsverhalten neu formuliert<br />

werden.<br />

a) Wird allein der Lohn als Ergebnis der Lohnarbeit gesehen, dann stellt dieser eine<br />

Ressource zum Erreichen von Lebenszielen außerhalb der Arbeit dar. Mit ihm können<br />

dann Defizit- (Nahrung, Sicherheit etc.) sowie Wachstumsbedürfnisse (von<br />

Selbstachtung bis zur Transzendenz) befriedigt werden (Maslow). Die Logik der<br />

(gewerkschaftlichen) Forderung von möglichst viel Lohn für möglichst wenig Arbeitszeit<br />

ist dann evident.<br />

b) Die Arbeit selbst wird als Lebensziel, als Mehrwert für den Arbeitnehmer über den<br />

Lohn hinaus gesehen (conditio humana, Arendt). Wird dieser Aspekt gerade in der<br />

Arbeitslosigkeit unmittelbar evident, so geht er im Alltagstrott des Arbeitslebens leicht<br />

verloren. Hier kommen dem Vorgesetzten wichtige Aufgaben zu. Diese sind,<br />

• zu erkennen, dass sie mit einem durch die Mitarbeiter hoch bewerteten<br />

Gut, nämlich ihrer Lebenszeit, umgehen<br />

• die Einbettung der Arbeitsaufgabe in die gesamte Zielsetzung des<br />

Betriebs transparent zu machen<br />

• das Betriebsziel als ein mögliches Lebensziel näher zu bringen<br />

• zu überzeugen, dass die für den Lohn eingetauschte (Lebens-)zeit optimal<br />

und sinnvoll genutzt (adäquate Aufgabenstellung; adäquate materielle und<br />

personelle Voraussetzungen; Zielorientierung und damit vermehrte<br />

Entscheidungsfreiheit über die investierte Zeit; als gerecht empfundene<br />

Koordination bei Teamarbeit), also nicht verschwendet wird.<br />

Literatur:<br />

Arendt, Hannah. Vita activa oder Vom tätigen Leben. Serie Piper, Band 217. Piper<br />

Verlag München 1981<br />

Augustinus. Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus in der Übersetzung von Otto F.<br />

Lachmann (http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=115%kapitel=1#gb found)<br />

Blumenberg, Hans. Lebenszeit und Weltzeit. Suhrkamp FfM 2001<br />

Maslow, Abraham. H. (1943) A Theory of Human Motivation Originally Published in<br />

Psychological Review, 50, 370-396<br />

509


P40<br />

9<br />

Poster – Schichtarbeit / Stress<br />

Abb. 1: Vor der Aufklärung sind Lebenszeit und Lebensziele im augustinischen Sinne auf die<br />

Ewigkeit (nach dem Ende aller Zeiten) gerichtet (oben). Mit dem Verlust der Ewigkeit in der<br />

Aufklärung und Säkularisierung ist die verbliebene begrenzte Lebenszeit dahin ausgerichtet,<br />

Lebensziele zu erreichen, die den persönlichen Tod (wenigstens eine Zeit lang) überdauern<br />

(unten).<br />

510


P41<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Kann durch individuelle Anpassung von Sicherheitsschuhen die<br />

Akzeptanz verbessert werden?<br />

Elke Ochsmann 1 , Thorsten Kunst 1 , Monika Gube 1 , Alice Müller-Lux 1 , Thomas Kraus 1<br />

1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten müssen bereitgestellte<br />

Sicherheitsschuhe von den Beschäftigten akzeptiert und getragen werden. Das Tragen<br />

von Sicherheitsschuhen wird von den Beschäftigten häufig als unangenehm empfunden<br />

und z.T. auch vermieden. Um die Akzeptanz von Sicherheitsschuhen bei Beschäftigten<br />

zu erhöhen, führten wir eine Interventionsstudie mit individuell angepassten<br />

Sicherheitsschuhen durch.<br />

Methode:<br />

273 Beschäftigte (261 Männer, Alter: 42.56 ± 8.48 Jahre) nahmen teil und wurden per<br />

Fragebogen über ihre derzeit verwendeten Sicherheitsschuhe befragt und orthopädisch<br />

untersucht. Fuß-Vermessungen wurden durchgeführt (Mondopoint-System) und es<br />

wurde ein individueller Schuhpass ausgestellt, der die Auswahl eines geeigneten<br />

Sicherheitsschuhs gewährleisten sollte. Dann wurden Messergebnisse,<br />

Untersuchungsergebnisse, als auch die Fragebogenergebnisse herangezogen, um den<br />

individuell bestmöglichen Sicherheitsschuh für einen Beschäftigten zu identifizieren. Alle<br />

Beschäftigten wurden mit den neuen Schuhen ausgestattet, trugen diese für sechs<br />

Monate und wurden dann nochmals per Fragebogen befragt. Eine bivariate Analyse (alte<br />

vs. neue Schuhe) wurde durchgeführt (Chi²-Test).<br />

Ergebnis:<br />

Bei den Teilnehmern handelte es sich überwiegend um Männer (261 Männer, Alter:<br />

42.56 ± 8.48 Jahre), die in verschiedenen Betrieben tätig waren (Produktion von<br />

Spinndüsen und Präzisionsteilen, Produktion von Viskosefilamenten,<br />

Industrieinstandhaltung und technische Serviceleistungen, Produktion von<br />

Kohlenstofffasern, Herstellung von Polyester-Granulat, Energieunternehmen). Eingangs<br />

berichteten 76% der Beschäftigten über Probleme beim Tragen der alten<br />

Sicherheitsschuhe. Mit den neuen Schuhen nahmen die Probleme ab (p


P41<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Passform (p=0,227), Dämpfung (p=0,447) und Luftdurchlässigkeit (p=0,149) wurden<br />

demgegenüber bei den neuen Schuhen nicht besser bewertet als bei den alten.<br />

Diskussion:<br />

Einige Eigenschaften der individuell angepassten neuen Schuhe wurden besser bewertet<br />

als die der alten und könnten damit die Akzeptanz der neuen Sicherheitsschuhe<br />

erhöhen. Allerdings ist unklar, ob die bessere Evaluation der Sicherheitsschuhe<br />

tatsächlich mit den neuen Schuhen zusammenhing oder eher mit der Tatsache, dass die<br />

Beschäftigten den Eindruck gewannen, dass man sich für ihre Probleme interessiert.<br />

Obwohl versucht worden war den individuell besten Schuh auszusuchen, wurden Halt,<br />

Passform und Luftdurchlässigkeit, die im täglichen Gebrauch von Sicherheitsschuhen<br />

entscheidend sind, nicht besser als vorher bewertet. Hier scheint noch<br />

Verbesserungsbedarf gegeben zu sein.<br />

Abb. 1: Fuß-Vermessung*<br />

Abb. 2: Scanner*<br />

Abb. 3: Schuhpaß*<br />

Abbildung 1-3: Fußvermessung und exemplarischer, individueller Schuhpass<br />

Mit freundlicher Unterstützung durch Herrn Giesa, „shoes at work“<br />

512


P42<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Das Event-Videografierungs-System EVS - eine neue Methode<br />

zur Dokumentation der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit<br />

Andreas Glatz 1 , Nadine Nutt 1 , Oliver Kaltheier 1 , Helmut Wallrabenstein 2 , Andreas Bahemann 3 ,<br />

Walter Heipertz 4 , Andreas Weber 1 , Thomas Kraus 5<br />

1 Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabiliation an der Deutschen Sporthochschule Köln<br />

2 ÄD-Regionalverbund Nord, Bundesagentur für Arbeit, Hannover<br />

3 ÄD-Regionalverbund West, Bundesagentur für Arbeit, Düsseldorf<br />

4 Ärztlicher Dienst (Zentrale), Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg<br />

5 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

513


P43<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Replizierbarkeit der Ergebnisse ärztlicher Beurteilung der<br />

arbeitsbezogenen körperlichen Leistungsfähigkeit durch<br />

Einbezug ERGOS-gestützter Befundung<br />

Matthias Mozdzanowski, Andreas Glatz<br />

Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabiliation an der Deutschen Sporthochschule Köln<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

514


P44<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

LWS-Schäden durch Ganzkörpervibrationen: Bedeutung von<br />

Schwellenwert und Expositionsdauer für das Risiko einer<br />

Gesundheitsgefährdung *<br />

Gert Notbohm, Sieglinde Schwarze, Martin Albers<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum, HHU Düsseldorf<br />

Einleitung und Fragestellung<br />

Im Rahmen eines von der DGUV geförderten Forschungsprojektes wurde eine<br />

Reanalyse der epidemiologischen Studie „Ganzkörpervibration“ [1] aus den 1990-er<br />

Jahren durchgeführt. Dabei sollten neue Aspekte der Schwingungsbewertung, wie z. B.<br />

die veränderte Frequenzbewertung nach VDI-2057 [2] oder die Einführung des<br />

Belastungskennwerts Tagesexposition A(8) nach der LärmVibrationsArbSchV [3], auf die<br />

Belastungsdaten der GKV-Studie angewendet werden, um zu prüfen, ob sich neue<br />

Zusammenhänge mit den damals erhobenen medizinischen LWS-Befunden ergeben.<br />

Seinerzeit war ein umfangreiches und qualitativ gutes Datenmaterial an 388 Exponierten<br />

erhoben worden: Gabelstapler-, Lkw- und Erdbaumaschinen-Fahrer mit breit gestreuter,<br />

langjähriger Schwingungsbelastung, die nach standardisierten Vorgaben arbeitsmedizinisch<br />

untersucht sowie zur Absicherung der Diagnosen geröntgt wurden. Erste<br />

Ergebnisse dieser Reanalyse wurden bereits vorgestellt [4].<br />

Methode<br />

Im Wesentlichen wurde die Tagesexposition A(8) als Kennwert der<br />

Schwingungsbelastung in einem gegebenen Tätigkeitszeitraum verwendet. Für jeden<br />

Studienteilnehmer wurde aus den Tätigkeitszeiträumen seines Arbeitslebens eine<br />

Gesamtdosis seiner Schwingungsbelastung errechnet als: D v = A(8) 2 • 221 Arbeitstage/J<br />

• x Jahre.<br />

Von den verschiedenen medizinischen Outcome-Variablen, die in der GKV-Studie<br />

erhoben worden waren, wird hier nur die Diagnose „Lumbalsyndrom“ betrachtet, wie sie<br />

auf der Basis von Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgenbefund gestellt<br />

wurde. Dabei wird eine bereinigte Stichprobe von 315 Personen berücksichtigt, die<br />

mindestens bis ein Jahr nach Expositionsbeginn anamnestisch keinerlei LWS-<br />

Beschwerden angegeben hatten.<br />

Einfluss von Schwellenwerten und Expositionsdauer<br />

Führt man für das Zielkriterium „Lumbalsyndrom“ logistische Regressionen mit der<br />

Tagesexposition A(8) als einzigem Prädiktor durch und verwendet einen in Schritten von<br />

0,01 m/s 2 wachsenden Schwellenwert, so lässt sich am jeweiligen Odds Ratio ablesen,<br />

bei welchem Schwellenwert die beste Vorhersage eines Lumbalsyndroms erfolgt. Für<br />

515


P44<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

diese Stichprobe ergaben sich die aussagekräftigsten Resultate bei Schwellenwerten in<br />

einem Bereich von etwa 0,55 bis 0,65 m/s 2 . Dies stimmt mit schon berichteten<br />

Ergebnissen [4] überein, dass sich bei einem Schwellenwert von 0,63 m/s 2 ein<br />

deutlicherer Unterschied in der Diagnosehäufigkeit von Belasteten und Unbelasteten<br />

zeigt als bei einem Schwellenwert von 0,50 m/s 2 .<br />

Als Nächstes wurde die Bedeutung der Dosis analysiert. In Abb. 1 wird auf Grundlage<br />

des Schwellenwertes für A(8) = 0,63 m/s 2 die prozentuale Häufigkeit der Diagnose<br />

„Lumbalsyndrom“ für vier Belastungsgruppen dargestellt, die sich in der Gesamtdosis der<br />

Schwingungsbelastung unterscheiden:<br />

- linke Gruppe (blau): D v = 0, da nie über A(8) = 0,63 m/s 2 belastet (Referenzgruppe)<br />

- 2. Gruppe (grün): D v < 877,2 Einheiten, entspricht bis zu 10 Jahren über 0,63 m/s 2<br />

belastet<br />

- 3. Gruppe (gelb): D v zwischen 877,2 und 1.414,4 Einheiten (10 bis 16,6 Jahre belastet)<br />

- rechte Gruppe (rot): D v > 1.414,4 Einheiten (entspricht einer Belastungsdauer > 16,6<br />

J.).<br />

Es zeigt sich ein deutlich höheres Lumbalsyndrom-Risiko, wenn der Schwellenwert von<br />

0,63 m/s 2 überschritten wird (PVR MH für die „grüne“ Gruppe: 1,47 (CI 95 : 1,09 / 1,97) und<br />

für die „gelbe“ Gruppe: 1,54 (CI 95 : 1,20 / 2,02)). Ein weiterer deutlicher Risikoanstieg auf<br />

Grund langer Expositionsdauer tritt in der „roten“ Gruppe mit einer Dosis D v > 1.414,4<br />

auf.<br />

Diskussion<br />

Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:<br />

Hinsichtlich der Diagnose „Lumbalsyndrom“ zeigt sich ein deutlicher Risikoanstieg bei<br />

einer Tagesexposition A(8) in einem Bereich von etwa 0,55 bis 0,65 m/s 2 (bezogen auf<br />

den Tätigkeitszeitraum mit der höchsten Belastung).<br />

Vergleicht man Gruppen mit unterschiedlicher Dosis, so zeigt sich mit Überschreitung<br />

des Schwellenwertes A(8) = 0,63 m/s 2 eine deutliche Erhöhung des Lumbalsyndrom-<br />

Risikos. Eine weitere Risikoerhöhung ist ab D v > 1.414 zu beobachten (entspricht 16,6<br />

Jahren mit A(8) = 0,63 m/s 2 oder entsprechend kürzeren Zeiträumen bei höherer<br />

Belastung).<br />

Literatur<br />

1. Schwarze S, Notbohm G, Hartung E, Dupuis H: Epidemiologische Studie „Ganzkörpervibration“.<br />

Sankt Augustin: HVBG 1999<br />

2. VDI 2057, Blatt 1: Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen –<br />

Ganzkörperschwingungen. Berlin: Beuth 2002<br />

3. Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen<br />

(LärmVibrationsArbSchV). Bundesgesetzblatt Jg. 2007 Teil I Nr. 8, Bonn 8.3.2007<br />

516


P44<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

4. Notbohm, G.; Schwarze, S.; Albers, M.: Reanalyse der epidemiologischen Studie<br />

„Ganzkörpervibration“ nach der neuen Lärm-Vibrations-Arbeitsschutz-Verordnung.<br />

<strong>DGAUM</strong> 2008, CD-ROM, V12 pp. 193-197; ISSN 1861-6577; ISBN 978-3-9811784-1-8,<br />

2008<br />

* mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung<br />

ausgeführte Forschungsarbeit<br />

Dosis 0 < 877,2 877,2 -1414,4 > 1414,4<br />

Gruppe<br />

immer 16,6 J mit 0,63<br />

Häufigkeit eines Lumbalsyndrom<br />

80<br />

%<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Lumbalsyndrom<br />

n =<br />

mittl. Alter<br />

35,4<br />

113<br />

38,8J. ± 10,6<br />

52,6<br />

38<br />

38,4J. ± 9,9<br />

55,2<br />

29<br />

39,0J. ± 9,1<br />

71,9<br />

135<br />

44,6J. ± 8,1<br />

0<br />

PVR MH<br />

Ref 1,47 1,54 1,73<br />

CI 95% 1,09/1,97 1,20/2,02 1,19/2,50<br />

Alterskorrigierte PVR MH bezogen auf Dosis 0<br />

Abb. 1: Prävalenz und alterskorrigiertes Risiko eines Lumbalsyndroms in verschiedenen<br />

Dosisgruppen für die Tagesexposition A(8) bei einem Schwellenwert > 0,63 m/s 2<br />

517


P45<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Verteilung der Wirbelsäulen-Belastungsdosis bei Personen mit<br />

und ohne bandscheibenbedingte lumbale Erkrankungen<br />

– Zusatzanalysen zur Deutschen Wirbelsäulenstudie –<br />

Matthias Jäger 1 , Jürgen Voß 1 , Annekatrin Bergmann 2 , Ulrich Bolm-Audorff 3 , Rolf Ellegast 4 ,<br />

Joachim Grifka 5 , Martina Michaelis 6 , Andreas Seidler 7 , Alwin Luttmann 1<br />

1<br />

IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

2<br />

IMEBI – Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik und Sektion Arbeitsmedizin,<br />

Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg,<br />

3<br />

Landesgewerbearzt, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und Umwelt,<br />

4<br />

BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,<br />

5<br />

Orthopädische Universitätsklinik Regensburg,<br />

6<br />

FFAS – Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin,<br />

7<br />

BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,<br />

Hintergrund – Innerhalb der in den Jahren 2002 bis 2007 durchgeführten „Deutschen<br />

Wirbelsäulenstudie“ (DWS), gefördert von der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, wurde die Hypothese geprüft, ob ein Dosis-Wirkung-Zusammenhang<br />

zwischen beruflichen Belastungen durch Lastenhandhabung und Körperhaltungen<br />

einerseits und bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) im<br />

Sinne der Berufskrankheit 2108 andererseits besteht (Bolm-Audorff et al. 2007, Seidler<br />

et al. 2007). Als multizentrische populationsbezogene Fall-Kontroll-Studie konzipiert,<br />

wurden insgesamt 915 „Fälle” mit lumbalem Prolaps bzw. lumbaler Chondrose und 901<br />

„Kontrollen” aus der Wohnbevölkerung in den Regionen Frankfurt a.M., Freiburg,<br />

Halle/Saale und Regensburg einbezogen. Zur quantitativen Beschreibung der<br />

Lumbalbelastung wurden – auf Basis von Expositionserhebungen der Technischen<br />

Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger beispielsweise zu Körperhaltungen,<br />

Lastmassen und Handhabungsbedingungen (Ellegast et al. 2007) – biomechanische<br />

Simulationsrechnungen für alle dokumentierten, d.h. als typisch angesehenen<br />

Körperhaltungen bzw. Lastenhandhabungen durchgeführt („situative<br />

Wirbelsäulenbelastung”). Unter Berücksichtigung der vorgangsspezifischen Druckkraft<br />

an der lumbosakralen Bandscheibe sowie deren Einwirkungsdauer und Häufigkeit wurde<br />

die „kumulative Wirbelsäulenbelastung” für alle Arbeitsschichten und das Berufsleben<br />

bestimmt (Jäger et al. 2007). Die dabei verwendeten 10 Dosismodelle unterscheiden<br />

sich insbesondere in Hinsicht auf „Mindestwerte” für Rumpfvorneigung, Druckkraft und<br />

Tagesdosis, die bei der Bestimmung der kumulativen Wirbelsäulen-Belastungsdosis als<br />

Kriterium für die Einbeziehung oder Nichtberücksichtigung von Teilbelastungen genutzt<br />

wurden. Trotz jeweils unterschiedlicher Anpassungsgüte der Dosismodelle ergab sich<br />

insgesamt ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der kumulativen<br />

Wirbelsäulenbelastung durch berufliche Lastenhandhabung und Körperhaltungen sowie<br />

der Entwicklung degenerativer LWS-Erkrankungen bei Männern und bei Frauen.<br />

518


P45<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Vorgehensweise – Ausgehend von einem höheren Erkrankungsrisiko für Exponierte<br />

und somit von einem höheren Anteil von Erkrankten in höheren Dosisklassen weisen<br />

Fälle im Durchschnitt höhere Lebensdosiswerte auf. In den hier vorgestellten<br />

„Zusatzanalysen” wurde geprüft, ob sich die Belastungen der 6 Teilkollektive (Fälle mit<br />

Prolaps/Chondrose bzw. Kontrollen, jeweils männlich/weiblich; 1152 Personen mit a<br />

priori definierten Mindestexpositionen, s. Ellegast et al. 2007) hinsichtlich der<br />

Verteilungen der Bandscheibendruckkräfte, der Vorgangsdauer oder deren Kombination<br />

in Form der Dosis der einzelnen Belastungsvorgänge unterscheiden. Dazu wurde ein<br />

kumulatives Dosismodell vorausgesetzt, bei dem annähernd alle erhobenen<br />

Lastenhandhabungen (ab ca. 5 kg, Druckkraft ab 2 kN) und Körperhaltungen (ab ca. 20°<br />

Rumpfvorneigung) bei der Dosisquantifizierung berücksichtigt werden.<br />

Ergebnisse – In den Häufigkeitsverteilungen zur mittleren Anzahl von Vorgängen bis<br />

zur Diagnosestellung bei Fällen bzw. bis zur Expositionserhebung bei Kontrollen lassen<br />

sich weder in Abhängigkeit von der Höhe der Bandscheibendruckkraft noch von der<br />

Dauer der Belastungsvorgänge einheitliche Unterschiede zwischen Fallkollektiven und<br />

korrespondierender Kontrollgruppe dahingehend erkennen, dass die Fallgruppen stets<br />

höhere Werte aufweisen. Deutliche(re) Unterschiede zwischen Fall- und<br />

Kontrollkollektiven ergaben sich jedoch für die Dosisverteilungen in Abhängigkeit von<br />

Druckkraft und Vorgangsdauer.<br />

Abbildung 1 zeigt die kumulative Wirbelsäulen-Belastungsdosis für das Berufsleben in<br />

Abhängigkeit von der Lebensarbeitsdauer bis zur Diagnosestellung (Fälle) bzw.<br />

Expositionserhebung (Kontrollen) für die 6 Untersuchungsgruppen anhand von<br />

Perzentilen (10, 25, 50, 75, 90). Die Diagramme verdeutlichen, dass die<br />

Prolapspatienten im Vergleich zu den Kontrollgruppen des jeweiligen Geschlechts durch<br />

höhere kumulative Wirbelsäulenbelastungen – bei ähnlicher Beschäftigungsdauer –<br />

gekennzeichnet sind (t-Test: signifikant bei Männern; p


P45<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Höherexponierten im Wesentlichen auf eine höhere Intensität üblicher Belastungsformen<br />

wie Körperhaltungen mit Rumpfbeugung und -verdrehung oder das Handhaben von<br />

Lasten zurückgeführt wird.<br />

Literatur<br />

Bolm-Audorff, U., Bergmann, A., Ditchen, D. , Ellegast, R., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J.,<br />

Hofmann, F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Seidler, A.<br />

2007, Zusammenhang zwischen manueller Lastenhandhabung und lumbaler Chondrose –<br />

Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 304-316.<br />

Ellegast, R., Ditchen, D., Bergmann, A., Bolm-Audorff, U., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J.,<br />

Hofmann, F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Seidler, A.<br />

2007, Erhebungen zur beruflichen Wirbelsäulenexposition durch die Technischen<br />

Aufsichtsdienste der UV-Träger im Rahmen der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed.,<br />

57, 251-263.<br />

Jäger, M., Geiß, O., Bergmann, A., Bolm-Audorff, U., Ditchen, D., Ellegast, R., Elsner, G., Grifka,<br />

Haerting, J., Hofmann, F., Linhardt, O., Michaelis, M., Petereit-Haack, G., Seidler, A. & Luttmann,<br />

A. 2007, Biomechanische Analysen zur Belastung der Lendenwirbelsäule innerhalb der<br />

Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 264-276.<br />

Seidler, A., Bergmann, A., Ditchen, D., Ellegast, R., Elsner, G., Grifka, J., Haerting, J., Hofmann,<br />

F., Jäger, M., Linhardt, O., Luttmann, A., Michaelis, M., Petereit-Haack, G. & Bolm-Audorff, U.<br />

2007, Zusammenhang zwischen lumbalen Prolapserkrankungen und der kumulativen<br />

Wirbelsäulenbelastung durch Lastenhandhabungen und Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung –<br />

Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie, Zbl. Arbeitsmed., 57, 290-303.<br />

Dosis in 10 6 Nh<br />

100<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

Mnner <br />

n P = 224<br />

n C = 113<br />

n K = 288<br />

80<br />

60<br />

40<br />

Frauen<br />

n P = 181<br />

n C = 134<br />

n K = 212<br />

20<br />

20<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

Arbeitsdauer in Jahren<br />

Arbeitsdauer in Jahren<br />

n P Personen mit Bandscheibenvorfall<br />

(ćProlapsŅ)<br />

n C Personen mit Bandscheibenhhenminderung<br />

(ćChondroseŅ)<br />

n K Kontrollpersonen<br />

90. Perzentil<br />

75. Perzentil<br />

50. Perzentil<br />

25. Perzentil<br />

10. Perzentil<br />

Abbildung 1:<br />

Kumulierte Wirbelsäulen-Belastungsdosis im Berufsleben für Männer und Frauen mit und ohne<br />

bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule in Abhängigkeit der<br />

Lebensarbeitsdauer für Personen mit a priori definierten Mindestexpositionen (Skizzierung der<br />

Verteilungen der Lebensdosis und Lebensarbeitsdauer in den 6 Teilkollektiven anhand von<br />

„Boxplots” mit Perzentilangaben)<br />

520


P46<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Experimentelle Studie zur physischen Beanspruchung beim<br />

Melken unter Berücksichtigung des Melkzeuges und der<br />

Arbeitshöhe<br />

Falk Liebers 1 , Martina Jakob 2 , Sylvia Behrendt 1<br />

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA<br />

2 Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim e.V.<br />

Problemstellung: Tätigkeiten in der Landwirtschaft sind trotz der Mechanisierung auch<br />

aktuell mit hohen physischen Anforderungen und Einwirkungen verbunden. Melkerinnen<br />

gehören zu den besonders von Arbeitsunfähigkeit betroffenen Berufsgruppen (LIEBERS<br />

und CAFFIER 2006). Ursachen liegen in der Veränderung der Arbeitsbelastung von<br />

Melkern in den letzten Jahren durch die zunehmende Technisierung. Problematisch ist<br />

die reduzierte Aufgabenvielfalt.<br />

Ziel der Studie: Die Laborstudie vergleicht die physischen Anforderungen beim<br />

maschinellen Melken unter verschiedenen ergonomischen Bedingungen. Unterschiedlich<br />

schwere Melkzeuge wurden in unterschiedlichen Arbeitshöhen getestet. Zielsetzung war<br />

die Ableitung ergonomischer Empfehlungen zum Gebrauch von konventionellen<br />

Melkzeugen.<br />

Methodik: Das Projekt ist eine experimentelle Laborstudie. Das Studiendesign wurde<br />

von der Ethikkommission der Charité (Berlin) bestätigt. Der Arbeitsablauf des Anlegens<br />

eines Melkzeuges wurde in einem Labormelkstand simuliert. Der benutzte<br />

Labormelkstand war identisch zu einem 30° Fischgrätenmelkstand, wie er auch in der<br />

Milchproduktion eingesetzt wird. Das Anlegen der Melkzeuge wurde an einem<br />

künstlichen Euter simuliert. Die Arbeitsaufgabe bestand im Anlegen und Abnehmen von<br />

2 unterschiedlichen Melkzeugen (pro Setting mit 15 Wiederholungen je einmal pro<br />

Minute) mit einem Gewicht von 1,2 kg, und 2,4 kg in 3 Arbeitshöhen (15 cm unter, direkt<br />

in und 15 cm über Schulterniveau). Die Abfolge der Tätigkeiten wurde über ein<br />

Blockschema systematisch variiert. Untersucht wurden 6 gesunde Melkerinnen im Alter<br />

zwischen 25 und 39 Jahren. Die statistische Auswertung erfolgte intraindividuell unter<br />

Verwendung des allgemeinen linearen Modells für wiederholte Messungen (GLM-RM).<br />

Die Berechnungen wurden für jedes Outcome unter Berücksichtigung der Faktoren<br />

„Arbeitshöhe“ und „Gewicht des Melkzeuges“ durchgeführt. Falls notwendig, wurden<br />

Konfounder (Alter, BMI, Körperhöhe, Armlänge) berücksichtigt. Folgende Parameter<br />

wurden analysiert: die mittlere Zeitdauer des Anlegens des Melkzeugs, die mittlere<br />

integrierte und auf die individuelle Maximalkraft normierte muskuläre Aktivität (iEMG) von<br />

14 Muskeln der oberen Extremitäten (Handflexoren und –extensoren, M. bizeps, M. delt.<br />

ant. und med., M. trapezius pars med.) und des Rückens (M. erector spinae lumb.), das<br />

subjektive Beanspruchungsempfinden (BORG-Skala), Herzfrequenz und Blutdruck und<br />

die Körperhaltung in den Arbeitsphasen.<br />

521


P46<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

Ergebnisse: Im Mittel dauerte das Anlegen des Melkzeugs 13,75 ±0,92 Sekunden<br />

(MW± SE). Arbeiten mit dem schwereren Melkzeug erforderte im Mittel 0,822 ±0,22 s<br />

bzw. ca. 6% (5,76 ±1,31 s) länger im Vergleich zum leichten Melkzeug. Arbeiten über, in<br />

und unter Schulterniveau dauerte 13,84 s ±0,76 s, 13,34 ±1,04 s bzw. 14,07 ±0,99 s (ns).<br />

Das Anlegen des Melkzeuges erfolgte am schnellsten in Schulerniveau mit einem<br />

leichten Melkzeug (12,69 ±0,89 s) und am langsamsten unter Schulterniveau mit einem<br />

schweren Melkzeug (14,45 ±1,02 s).<br />

Die Beanspruchung wurde subjektiv von den Probandinnen im Mittel mit 11,94 ±0,45<br />

bewertet (BORG Skale “leicht bis etwas anstrengend”). Die subjektive Beanspruchung<br />

war deutlich höher beim Gebrauch des schweren Melkzeugs (13,06 ±0,56 „etwas<br />

anstrengend“ vs. 10,81 ±0,41 “leicht bzw. sehr leicht”). Am günstigsten wurde das<br />

Arbeiten in Schulterniveau mit einem leichten Melkzeug empfunden (BORG 9,45 ±0,63<br />

“sehr leicht”), am ungünstigsten das Arbeiten unter Schulterniveau mit einem schweren<br />

Melkzeug (BORG 14,08 ±0,41 „etwas anstrengend bis anstrengend“).<br />

Unabhängig von Arbeitshöhe und Schwere des Melkzeuges lag die muskuläre Aktivität<br />

beim Anlegen des Melkzeugs zwischen 5 und 25% der individuellen Maximalkraft. Das<br />

Arbeiten über Schulterniveau (Abb. 1) bedingte auf beiden Körperseiten deutlich erhöhte<br />

Muskelaktivitäten im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur. Anlegen des<br />

Melkzeugs unter Schulterniveau führte zu erhöhten Muskelbeanspruchungen im Bereich<br />

der Flexoren des Armes (M. bizeps) und der Flexoren des linken Unterarmes (M.<br />

digitorim superf. links). Das Benutzen des schwereren Melkzeugs (2,4 kg) war mit einer<br />

um 5% bis 20 % höheren Muskelaktivität in nahezu allen Muskeln verbunden. Eine<br />

ähnliche Tendenz (nicht signifikant), fand sich im M. extensor dig. und M. erector spinae<br />

lumbalis links. Insgesamt wurden die niedrigsten muskulären Aktivitäten beim Melken in<br />

Schulterniveau mit einem leichten Melkzeug beobachtet. Isometrischen<br />

Testkontraktionen der Hand bei 40% der Maximalkraft zeigten einen verstärkten Abfall<br />

der Medianfrequenz im EMG-Powerspektrum in der linken Unterarmmuskulatur nach<br />

dem Arbeiten mit dem schwereren Melkzeug.<br />

Wir fanden keine statistisch relevanten Unterschiede in Herzfrequenz und Blutdruck<br />

zwischen den 6 Arbeitsaufgaben und nur einen geringfügigen Anstieg im Vergleich zu<br />

den Ruhebedingungen (leichte körperliche Arbeit).<br />

Zusammenfassung: Das Anlegen von konventionellen Melkzeugen erfordert ca. 10 bis<br />

15% der Maximalkraft von Melkerinnen. Die Arbeitsaufgabe führte zu deutlichen<br />

statischen und dynamischen muskulären Beanspruchungen. Arbeiten mit leichten<br />

Melkzeugen in Schulterniveau war mit der geringsten physischen Beanspruchung<br />

verbunden. Dies sollte bei der Gestaltung der Melkstände z.B. durch Einsatz<br />

höhenvariabler Arbeitsbühnen, die Auswahl leichter Melkzeuge und bei Unterweisungen<br />

522


P46<br />

Poster – Bewegungsapparat / Ergonomie<br />

berücksichtigt werden. Unabhängig davon könnten auch neuere technologische<br />

Lösungen beim Melken (z.B. der Einsatz von Multilaktorsystemen) die<br />

Arbeitsbelastungen der Melkerinnen deutlich reduzieren.<br />

Literatur<br />

LIEBERS F, CAFFIER G: Muskel-Skelett-Erkrankungen in Land- und Forstwirtschaft<br />

sowie Gartenbau – Diagnose- und berufsspezifische Auswertung von<br />

Arbeitsunfähigkeitsdaten. ASU. 41(2006)3: 129<br />

Mittlere relative muskuläre Aktivierung in Bezug auf Arbeitshöhe<br />

n=6 Probanden / MW+-SE / linke Körperseite<br />

mittl. muskuläre Aktivierung individuell normiert<br />

zur mittl. Aktivität aller Arbeitsphasen<br />

140 %<br />

100 %<br />

über Schulterniveau<br />

in Schulterniveau<br />

unter Schulterniveau<br />

(#) (#) # (#)<br />

#<br />

60 %<br />

Unterarm-<br />

Flexoren<br />

Unterarm-<br />

Extensoren<br />

Bizeps Delt. ant. Delt. med. Trapezius Erector<br />

spinae<br />

lumb.<br />

EMG-Lokalisation<br />

Abb. 1: Mittlere muskuläre Aktivierung der Arm-, Nacken und Rückenmuskulatur beim Anlegen<br />

der Melkzeuge in Hinblick auf die Beanspruchung durch die Arbeitshöhe (n=6 Probandinnen,<br />

Darstellung relativ zur mittleren Aktivierung über alle Arbeitsphasen; linke Körperseite;<br />

intraindividueller Vergleich über allgemeines lineares Modell mit Messwertwiederholung:<br />

# p


P47<br />

Poster – Atemwege I<br />

Vergleich von CO- und NO-Diffusionskapazität in verschiedenen<br />

Patientenkollektiven<br />

Alexandra M. Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Marittime Medizin (ZfAM), Hamburg<br />

Hintergrund:<br />

Restriktive Lungenerkrankungen und das Lungenemphysem zeigen als Charakteristikum<br />

eine Reduktion der Diffusionskapazität der Lunge. In der üblicherweise mittels<br />

Kohlenmonoxid (CO) bestimmten Diffusionskapazität geht nicht nur der Membranfaktor<br />

zwischen Alveole und Kapillare ein. Diese Methode weist eine Abhängigkeit vom<br />

Hämoglobin-Gehalt und der kapillären Perfusion auf. Eine neue Methode misst die<br />

Diffusion mit Hilfe des Gases Stickstoffmonoxid (NO) im single-breath-Verfahren.<br />

Aufgrund der viel höheren Bindungsfähigkeit von NO an Hämoglobin sind bei dieser<br />

Messung Hämoglobin-Gehalt und Perfusion zu vernachlässigen. Die Inhalationszeit kann<br />

verkürzt werden, wobei neuere Messungen eine Atemanhaltezeit von 4-5 Sekunden<br />

präferieren.<br />

Methode:<br />

Bei 90 Patienten (Alter (Mittel±SD) 52,2±13,2 J.) unserer arbeitsmedizinischen Poliklinik<br />

erfolgte kombiniert die Bestimmung von D L,CO und D L,NO im single-breath-Verfahren über<br />

fünf Sekunden mit 47 ppm NO. Das Kollektiv wurde anhand der Diagnosen in drei<br />

Gruppen unterteilt: Lungengesunde (n=41; 45,1±11,1 J), obstruktive<br />

Lungenerkrankungen (n=28), (diese Gruppe enthielt vornehmlich leichtere obstruktive<br />

Erkrankungen, jedoch auch zwei Patienten mit Empysem) sowie restriktive<br />

Lungenerkrankungen einschließlich Patienten mit Asbestose und asbestassoziierten<br />

Pleuraplaques (n=21). Neben Anamnese und klinischer Untersuchung führten wir in allen<br />

Fällen eine Spirometrie und Bodyplethysmografie durch. Die Werte der NO-Diffusion<br />

wurden mit der CO-Diffusion nach Diagnosegruppen getrennt als Quotient dargestellt;<br />

diese Verhältnisse wurden mit bereits veröffentlichten Ergebnissen für Lungengesunde<br />

verglichen, außerdem die Absolutwerte und mit bereits bekannten Sollwerten für die NO-<br />

Diffusion (Lee et al., 2007).<br />

Ergebnisse:<br />

Das Verhältnis von D L,NO zu D L,CO betrug für Gesunde 3,88. Verglichen hierzu lag der<br />

Quotient der obstruktiven Patientengruppe mit 4,87 (p


P47<br />

Poster – Atemwege I<br />

D L,CO -Werte der Gesunden unseres Kollektivs zeigten leicht niedrigere Werte mit 84%<br />

der Sollwerte nach Cotes et al., jedoch war diese Minderung zu den Sollwerten in<br />

geringerem Ausmaß festzustellen.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die leicht erhöhten D L,NO –Werte der Patienten mit obstruktiven und restriktiven<br />

Ventilationsstörungen im Vergleich zu den D L,CO –Werten könnten teilweise auf eine<br />

Beeinträchtigung der CO-Diffusion durch eine Minderung der Lungen-Perfusion bei<br />

Obstruktion und Restriktion hinweisen. Obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen<br />

verhalten sich in unserer Untersuchung gleichsinnig (Abb. 1). Die D L,NO -Messung wird<br />

durch eine verminderte Perfusion nicht wesentlich beeinträchtigt und sollte die Diffusion<br />

an der alveolo-kapillären Membran besser widerspiegeln.<br />

Der von uns ermittelte Quotient der D L,NO zu D L,CO der Lungengesunden ist vergleichbar<br />

mit dem von Tamhane et al. (2001) beschriebenen Verhältnis von 3,98. Andere Autoren<br />

fanden höhere Quotienten von 5,0 (Zavorsky et al., 2008), 4,8 (Dressel et al., 2008) und<br />

4,98 (Bauer et al., <strong>2009</strong>) (Tab. 1). Zwischen den verschiedenen Messmethoden<br />

differieren die Kollektive mit z.T. jungen Probanden mit überdurchschnittlichen<br />

Spirometrie-Werten, außerdem die Messzeit von 4,6 bis maximal 16 Sekunden sowie die<br />

Konzentrationen des inhalierten NO.<br />

Normwerte für D L,NO müssen noch an einem größeren Kollektiv definiert werden. Als<br />

standardisierte Messmethode wird eine Atemanhaltezeit von 4 bis 5 Sekunden<br />

vorgeschlagen sowie eine Konzentration von ca. 45 ppm NO.<br />

525


P47<br />

Poster – Atemwege I<br />

Abb1.: Vergleich des Quotienten der NO-Diffusion/ CO-Diffusion in den verschiedenen<br />

Patientengruppen.<br />

Autor D L,NO /<br />

Zeit<br />

Konzen-<br />

Untersuchungs-<br />

D L,CO<br />

(sec)<br />

tration NO<br />

kollektiv<br />

Tamhane et al.,<br />

Chest, 2001<br />

3,98<br />

±0,38<br />

16 40 ppm n=12<br />

23-79 J, VC normal<br />

van der Lee<br />

et al., Resp Med, 2007<br />

w:4,3<br />

m:4,6<br />

10 7-9 ppm n=124<br />

m:65, w:59,<br />

40 J, VC 115%<br />

Zavorsky et al.,<br />

Nitric Oxide, 2008<br />

Dressel et al.,<br />

Chest, 2008<br />

5,0 ca. 5 41 ppm<br />

± 6 ppm<br />

4,6 4,6 45 ppm<br />

± 5 ppm<br />

n=130<br />

m:66, w:64,<br />

18-85 J, VC 104%<br />

n=10<br />

31 J, VC 114%<br />

Bauer et al.,<br />

<strong>DGAUM</strong>, <strong>2009</strong><br />

4,98 NO: 5,1<br />

CO: 9,2<br />

23,7 ppm n=53<br />

25-73 J<br />

Tab 1: Vergleich des Quotienten von D L,NO /D L,CO von Lungengesunden bei verschiedenen<br />

Autoren. Aufgeführt werden außerdem die Luftanhaltezeit im single-breath-Verfahren, die<br />

Konzentration des inhalierten NO sowie Angaben zum untersuchten Kollektiv.<br />

Literatur<br />

1. Tamhane RM, Johnson RL, Hsia J, Hsia C. Pulmonary membrane diffusing capacity<br />

and capillary blood volume measured during exercise from nitric oxide uptake. Chest<br />

2001;120:1850-1856<br />

2. van der Lee I, Zanen P, Stigter N, van den Bosch JM, Lammers JWJ. Diffusing<br />

capacity for nitric oxide: Reference values and dependence on alveolar volume.<br />

Resp Med 2007;101:1579-1584<br />

3. Zavorsky GS, Cao J, Murias JM. Reference values of pulmonary diffusing capacity<br />

for nitric oxide in an adult population. Nitric Oxide 2008;18:70-79<br />

4. Dressel H, Filser L, Fischer R, de la Motte D, Steinhaeusser W, Huber RM, Nowak<br />

D, Jörres RA. Lung diffusing capacity for nitric oxide and carbon monoxide. Chest<br />

2008;133:1149-1154<br />

5. Bauer M, Bayer R, Folgmann I, Hofer O, Kruse S, Laschinski G, Notbohm G, Richter<br />

L, Siegmund K, Schwarze S, Vergleichende Messungen der<br />

Lungendiffusionskapazität mittels Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei<br />

gesunden Nichtrauchern. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für<br />

Arbeitsmedizin und Umweltmedizin in Aachen, <strong>2009</strong><br />

526


P48<br />

Poster – Atemwege I<br />

Untersuchungen zur Anwendbarkeit von exhaliertem Kohlenmonoxid<br />

zwecks Detektion alveolärer Entzündung<br />

Holger Dressel, Philipp Fischer, Dorothea de la Motte, Dennis Nowak, Rudolf A. Jörres<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Einleitung<br />

Sowohl bronchiale Entzündungen, z.B. beim Berufsasthma, als auch alveoläre<br />

Entzündungen, z.B. bei der Exogen Allergischen Alveolitis, spielen in der Arbeitsmedizin<br />

eine wichtige Rolle. Während die Messung des exhalierten Stickstoffmonoxids bei einer<br />

Ausatemrate von 50 mL/s als Indikator einer bronchialen Entzündung gilt, sind<br />

nichtinvasiv bestimmbare Marker einer alveolären Entzündung derzeit nicht etabliert.<br />

Attraktiv wäre die Messung des exhalierten Kohlenmonoxids (CO) als Marker des<br />

oxidativen Stress durch seine Beziehung zur Aktivität des Enzyms Hämoxygenase (1).<br />

Allerdings ist eine derartige Analyse durch die Interferenz mit Carboxyhämoglobin<br />

(COHb) und inhalativen CO-Belastungen erheblich erschwert.<br />

Methoden<br />

Wir prüften, ob durch Messung bei verschiedenen Konzentrationen von COHb<br />

individuelle Kennlinien bestimmt werden können, die durch Extrapolation erlauben, eine<br />

mögliche lokale CO-Produktion der Lunge vom Beitrag von COHb zu separieren. Hierzu<br />

wurde bei 18 Probanden (davon 6 Raucher, 6 Frauen) der Mittelwert aus drei CO-<br />

Messungen in der Ausatemluft mittels eines Infrarotanalysators (Unor 6N, Maihak AG,<br />

Hamburg) bestimmt. Die Messungen erfolgten für jede Person bei verschiedenen Werten<br />

von COHb, die durch Blutgasanalysen aus Kapillarblut ermittelt wurden (ABL 725,<br />

Radiometer GmbH, Copenhagen, Dänemark). Das COHb bei den einzelnen Probanden<br />

wurde durch unterschiedlichen Nikotinkonsum und durch Standard- CO-<br />

Diffusionskapazitätsmessungen (Masterscreen PFT, Viasys Healthcare GmbH,<br />

Höchberg) verändert.<br />

Ergebnisse<br />

Die Beziehung zwischen CO und COHb war linear und wies bei allen Personen praktisch<br />

die gleiche Steigung auf (im Mittel±SD 5,3±1,1 ppm CO pro 1 % COHb), jedoch waren<br />

die Achsenabschnitte verschieden und überwiegend negativ. Daher war in der Regel bei<br />

einer extrapolierten COHb-Konzentration von Null der Wert des exhalierten CO, der als<br />

Indikator einer lokalen CO-Produktion über COHb hinaus hätte gelten können, negativ.<br />

Als Folge fanden sich positive COHb-Werte (Mittel±SD 0,3±0,4 % COHb) bei einer<br />

exhalierten CO-Konzentration von Null. Diese waren nicht mit der Steigung korreliert.<br />

527


P48<br />

Poster – Atemwege I<br />

Schlussfolgerungen<br />

Aufgrund obiger Befunde erscheint es wenig aussichtsvoll, auf diesem Wege eine<br />

mögliche alveoläre CO-Produktion von demjenigen CO zu trennen, das aus dem COHb<br />

des Blutes stammt; alternative Ansätze wie die Messung von Abklingkurven erscheinen<br />

aufgrund des hohen Aufwandes impraktikabel. Ob die positiven<br />

Schwellenkonzentrationen von COHb bei einem CO-Wert von Null eine Information über<br />

die Lungenbelüftung beinhalten, bleibt zu eruieren.<br />

(1) Heme Oxygenase-1. State of the Art. Am J Respir Crit Care Med 2005; 172: 660-70<br />

528


P49<br />

Poster – Atemwege I<br />

Vergleichende Messungen der Lungendiffusionskapazität mittels<br />

Kohlenmonoxid und mittels Stickstoffmonoxid bei gesunden<br />

Nichtrauchern<br />

Marcus Bauer 1 , Rainer Bayer 2 †, Ilse Folgmann 1 , Oliver Hofer 2 , Stephan Kruse 2 , Gerd<br />

Laschinski 2 , Gert Notbohm 1 , Lutz Richter 1 , Klaus Siegmund 1 , Sieglinde Schwarze 1<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

2 Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

Einleitung und Ziel<br />

Die konventionelle CO-Diffusionskapazitätsmessung der Lunge bedeutet für den<br />

Patienten, den Atem bis zu 10 s anzuhalten bei gleichzeitig deutlicher<br />

Grenzwertüberschreitung des eingeatmeten CO. Dahingegen bietet die<br />

Diffusionsmessung mittels NO bei Einhaltung des Grenzwertes die Möglichkeit, die totale<br />

Atemanhaltezeit (TA) deutlich zu verkürzen. Ziel der Untersuchung ist der Vergleich<br />

zwischen der DLCO-Messung bei 8 s Atemanhaltezeit (Diffusionskapazität der Lunge<br />

mittels CO, das per URAS analysiert wird) und der DLNO-Messung (mittels NO) bei 4 s<br />

Atemanhaltezeit.<br />

Methode und Kollektiv<br />

Die DLCO-Messungen (Body Masterlab Jaeger) und die DLNO-Messungen<br />

(MasterScreen PFT mit Resonanzabsorptionsfotometer zur kontinuierlichen Messung<br />

von NO [LIMAS]) wurden dreifach mittels Single-Breath-Methode bei 53 gesunden<br />

Nichtrauchern durchgeführt. Die Gasleitung von den internen Gasanalysatoren für<br />

Helium, Kohlenmonoxid und Sauerstoff des MasterScreen PFT zurück zum<br />

Anmischbeutel wurde verlängert und URAS und LIMAS in Reihe dazugeschaltet.<br />

Hierdurch konnten die Gaskonzentrationen unmittelbar nach dem Manöver und nach der<br />

Analyse im MasterScreen PFT extern ein zweites Mal gemessen werden. Mit Hilfe des<br />

Computerprogrammes LabView wurden die Daten aus dem LIMAS in Echtzeit<br />

aufgezeichnet. Die DLNO-Werte werden berechnet gemäß der Formel von Coburn et al.<br />

[1]. Einverständniserklärungen der Teilnehmer und positives Ethikvotum liegen vor.<br />

Ergebnisse<br />

Das Alter der 53 Teilnehmer variiert zwischen 24,7 und 72,9 Jahren (MW 49,9; s 15,3).<br />

Die Lungendiffusionskapazität mittels CO bei 8 s Atemanhaltezeit beträgt im Mittel 10,16<br />

mmol/min/kPa (s 2,04) und liegt damit 4 % unter dem Sollwert nach Quanjer [2]. Der<br />

Mittelwert der Lungendiffusionskapazitäts-Messungen mittels NO bei einer verkürzten<br />

Atemanhaltezeit von 4 s beträgt 50,56 mmol/min/kPa (s 10,46). Die Korrelation zwischen<br />

den DLCO-Werten bei 8 s und den DLNO-Werten bei 4 s ist sehr hoch (r = 0,92; p <<br />

529


P49<br />

Poster – Atemwege I<br />

0,001). Die Regressionsanalyse bestätigt den linearen Zusammenhang und liefert<br />

folgende Gleichung:<br />

DLNO 4s = 2,383 + 4,740 * DLCO 8s (R² = 0,854; p < 0,001)<br />

DLCO bei TA 4 s (MW [mmol/kPa/min])<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

r = 0,92 p < 0,001<br />

R² = 0,854<br />

Verhältnis der beiden Methoden (DLNO / DLCO)<br />

6,5<br />

6,0<br />

5,5<br />

5,0<br />

4,5<br />

MW 4,98<br />

s 0,40<br />

MW + 1,96 * s<br />

MW<br />

6<br />

20<br />

30<br />

40<br />

50<br />

60<br />

DLNO bei TA 4 s (MW [mmol/kPa/min])<br />

70<br />

80<br />

4,0<br />

MW - 1,96 * s<br />

10<br />

20<br />

30<br />

40<br />

50<br />

Mittelwerte der beiden Methoden (DLNO + DLCO) / 2 [mmol/min/kPa]<br />

Abb. 1<br />

Zusammenhang zwischen mittlerer CO- und NO-Diffusionskapazität der 53 Teilnehmer bei Atemanhaltezeiten<br />

von 8 s (DLCO8s) und 4 s (DLNO4s) in mmol/kPa/min: Korrelation mit Regressionsgerade (lks.)<br />

und Bland-Altman-Plot (re.)<br />

Bedingt durch die individuell unterschiedlichen Reaktionszeiten der Probanden konnten<br />

die voreingestellten Atemanhaltezeiten nicht ganz eingehalten werden. So betrug die<br />

mittlere TA 9,2 s bei DLCO mit eingestellter TA von 8 s, und die mittlere TA betrug 5,1 s<br />

bei DLNO mit eingestellter TA von 4 s. Neben dieser deutlichen Verkürzung der<br />

Atemanhaltezeit konnte auch durch die mittlere eingeatmete NO-Konzentration von<br />

23,74 ppm ein Bereich erreicht werden, der den ehemaligen MAK-Wert und die meisten<br />

europäischen Grenzwerte unterschreitet.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Durch die besseren Diffusionseigenschaften von NO gegenüber CO in Form einer<br />

wesentlich schnelleren Diffusion des Gases über Alveolar-, Basal- und Kapillarmembran<br />

in das Blut ist es möglich, die Atemanhaltezeit (TA) bei Versuchen mit NO zu senken.<br />

Die Korrelation zwischen den DLCO-Werten bei 8 s und den DLNO-Werten bei 4 s ist bei<br />

den untersuchten lungengesunden Nichtrauchern sehr hoch und zeigt, dass das DLNO-<br />

Verfahren eine gute Alternative zur DLCO darstellt. Der Quotient aus DLNO 4s /DLCO 8s<br />

beträgt im Mittel 4,98 und ist vergleichbar mit anderen Untersuchungen (u.a. Guenard et<br />

al. [3], Zavorsky et al. [4]). Die Atemanhaltezeit bei der DLNO-Methode ist jetzt auf fast 4<br />

s verkürzt, d.h. auf beinahe die Hälfte im Vergleich zur DLCO-Methode bei gleichzeitiger<br />

Einhaltung des ehemaligen MAK-Wertes für Stickstoffmonoxid von 25 ppm, sogar für die<br />

bei der Untersuchung nur kurze Expositionszeit. Durch die kurze Atemanhaltezeit und<br />

die geringe Gaskonzentration ist insbesondere für Patienten mit eingeschränkter<br />

Lungenfunktion und Dyspnoe ein Benefit von dieser neuen Methode zu erwarten.<br />

530


P49<br />

Poster – Atemwege I<br />

Literatur<br />

[1] Coburn RF, Forster RE, Kane PB: Considerations of the Physiological Variables<br />

That Determine the Blood Carboxyhemoglobin Concentration in Man. J Clinical<br />

Invest 1965; 44: 1899-1910<br />

[2] Quanjer PH, Tammeling GJ, Cotes JE, Pedersen OF, Peslin R, Yernault JC: Lung<br />

volumes and forced ventilatory flows. Report working party standardization of lung<br />

function tests European Community for Steel and Coal. Official statement of the<br />

European Respiratory Society. Eur Respir J 1993; 6 Suppl 16: 5-40<br />

[3] Guenard H, Varene N, Vaida P: Determination of lung capillary blood volume and<br />

membrane diffusing capacity in man by the measurements of NO and CO<br />

transfer. Respir Physiol 1987; 70: 113-120<br />

[4] Zavorsky GS, Quiron KB, Massarelli PS, Lands LC: The Relationship between<br />

single-breath diffusion capacity of the lung for nitric oxide and carbon monoxide<br />

during various exercise intensities. Chest 2004; 125: 1019-1027<br />

Projekt wurde gefördert aus Mitteln der DGUV (ehemals HVBG)<br />

531


P50<br />

Poster – Atemwege I<br />

Änderung der Stickstoffmonoxid-Konzentration (NO) in den<br />

Atemwegen der Raucher<br />

Lioubov Barbinova, Alexandra M. Preisser, Xaver Bauer<br />

Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />

Einleitung<br />

Rauchen ist ein Confounder in Bezug auf verschiedene Lungenerkrankungen. Es ist<br />

auch mit einer Abnahme der exhalierten NO-Konzentration (FeNO) verbunden, ohne<br />

dass bisher die Lokalisation dieser Veränderung bekannt ist. Um die Prozesse der<br />

Produktion von NO in der Lunge besser zu verstehen, bestimmten wir nach einer neuen<br />

differenziellen Methode FeNO-Parameter in verschiedenen Atemwegsabschnitten von 32<br />

Nicht-Rauchern und 30 Rauchern ohne Lungenerkrankungen.<br />

Methoden<br />

Entsprechend der ATS/ERS-Empfehlungen führten wir eine differenzielle<br />

FeNO-Messung mit 5 verschiedenen Flussraten (20, 50, 100, 200, 300 ml/s) durch.<br />

Anhand der Gleichungen des zwei Kompartimenten-Modells berechneten wir jeweils C aw<br />

(bronchiale NO-Konzentrationen), C alv (alveoläre NO-Konzentration), D awNO (NO-<br />

Transferfaktor) und Jaw (NO-Strömung aus der bronchialen Wand). Die Korrelationen<br />

zwischen den verschiedenen Parametern wurden statistisch ermittelt.<br />

Ergebnisse<br />

Raucher zeigen eine signifikant niedrigere C aw als Nichtraucher (59,1 ± 11,4 vs. 96,7 ±<br />

15,1 ppb; p


P50<br />

Poster – Atemwege I<br />

800<br />

*<br />

700<br />

600<br />

Nichtraucher<br />

Raucher<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

***<br />

100<br />

0<br />

C (ppb )<br />

aw<br />

Abb. 1. Vergleich von C und J bei Nichtrauchern und Rauchern<br />

aw aw<br />

J (pl/s)<br />

aw<br />

Schlussfolgerungen<br />

Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Raucher eine signifikant verminderte Produktion<br />

von NO im bronchialen Epithel aufweisen. Unerwarterweise haben Raucher, die generell<br />

verminderte integrative FeNO-Werte aufweisen, eine höhere C alv .<br />

Bemerkenswert sind auch ihre veränderten Relationen der einzelnen NO-Parameter<br />

zueinander. Der erhöhte D awNO der Raucher kann durch eine starke negative Korrelation<br />

zwischen D awNO und C aw (r Sp = - 0.64; p


P51<br />

Poster – Atemwege I<br />

Serumspiegel von sCD95 bei ehemals Beschäftigten im<br />

Steinkohlenbergbau<br />

Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Jana Henry, Gerda Borowitzki, Rolf Merget, Jürgen<br />

Bünger, Thomas Brüning<br />

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr Universität Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Die Inhalation quarzhaltiger Stäube kann zu chronischen Entzündungs- und<br />

Bindegewebsreaktionen der Lunge führen. Nach Inhalation von Kohlenstaub und<br />

Siliziumkristallen kommt es in unterschiedlicher Ausprägung zur Fibrose der Lunge, die<br />

einen lokal knotigen Charakter aufweist und auch nach Expositionsende manifest<br />

werden bzw. weiter fortschreiten kann. Ferner werden systemischen Veränderungen mit<br />

Autoimmunphänomenen beobachtet. Beschrieben sind die rheumatoide Arthritis<br />

(Kaplan-Syndrom), der systemische Lupus erythematodes oder die systemische<br />

Sklerose [1]. Kenntnisse zu Ursachen der unterschiedlichen pulmonalen sowie<br />

systemischen Ausprägung sind bislang unvollständig. Neben differierenden<br />

Expositionsbedingungen sind in erster Linie die pulmonalen Abwehrmechanismen zu<br />

diskutieren. Nach der Deposition in der Lunge findet eine Interaktion zunächst zwischen<br />

den Partikeln und den Epithelzellen sowie ortsständigen Alveolarmakrophagen statt.<br />

Prinzipiell können Silikapartikel über drei Mechanismen zu einer Gewebsreaktion führen.<br />

Es kann zur Nekrose der Lungenzellen kommen, zur Freisetzung von Botenstoffen aus<br />

phagozytierenden Zellen oder zur Anlockung weiterer Zellen, die dann eine<br />

Gewebeschädigung verursachen [2].<br />

Die Regulation des Zellumsatzes pulmonaler Epithelzellen und inflammatorischer Zellen<br />

wird dabei maßgeblich durch den Mechanismus der Apoptose bestimmt, wobei dem<br />

Fas/APO1 (CD95)- Fas ligand (FasL) Signaltransduktionsweg eine Schlüsselrolle in der<br />

Aktivierung und damit der Regulationen der Apoptose zugesprochen wird [3]. Lösliches<br />

Fas (sCD95) ist ein Produkt des alternativen mRNA Splicing-Prozesses und kann die<br />

Fas/FasL getriggerte Apoptose kompetitiv hemmen.<br />

Methoden<br />

In dieser Studie wurden sCD95-Konzentrationen im Serum von ehemals Quarzstaub-<br />

Exponierten radiologischen Lungenveränderungen gegenübergestellt. Es wurden 55<br />

Männer mit bekannter Quarzstaubexposition (Kohlenbergbau) untersucht, die sich zur<br />

Begutachtung im BGFA vorstellten. Personen mit Autoimmunerkrankung, Malignom oder<br />

Lungenstauung wurden ausgeschlossen. Die Diagnose einer Quarzstaublungenerkrankung<br />

(Silikose) wurde mittels Klassifikation des Röntgen-Thorax nach ILO 2000 gestellt.<br />

Bei einem radiologischen Streuungsgrad von mind. 1/1 ist die Diagnose einer Silikose<br />

534


P51<br />

Poster – Atemwege I<br />

mit ausreichender Spezifität zu stellen. Die Bestimmung des sCD95 im Serum erfolgte<br />

durch einen Sandwich-ELISA (Bender MedSystems Wien); die statistische Analyse unter<br />

Verwendung des t-Testes für verbundene Stichproben (GraphPad Prism Version 5.01).<br />

Ergebnisse<br />

Entsprechend der ILO Klassifizierung konnte bei 34 der 55 Personen radiologisch eine<br />

Silikose gesichert werden. Es gab keine signifikanten Altersunterschiede der Gruppen<br />

ohne bzw. mit Silikose (75 (67-79) vs. 75 (69-79) LJ; Median mit Interquartilsabstand). In<br />

allen Serumproben war sCD95 nachweisbar, jedoch in signifikant höherer Konzentration<br />

bei den Personen mit radiologischem Nachweis einer Silikose (914 (752-1251) vs. 632<br />

(509-804) pg/mL; p < 0,001) (Abb. 1).<br />

[pg/mL]<br />

3000<br />

p < 0,001<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

Gesunde/ CBE<br />

(ILO < 1/1)<br />

Silikose<br />

(ILO ≥ 1/1)<br />

Abb. 1: Silikoseausprägung und sCD95 Serumkonzentration<br />

In der weiteren Stratifizierung der Silikosegruppe nach ILO-Schweregrad ließen sich<br />

keine Unterschiede der sCD95-Konzentrationen belegen: ILO-1 (n=14): 934 (723-1304);<br />

ILO-2 (n=15): 857 (739-1555) bzw. ILO-3 (n=5): 983 (807-1478) pg/mL.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Untersuchung zeigt, dass der Nachweis einer Silikose bei ehemals Beschäftigen im<br />

Steinkohlenbergbau mit signifikant höheren sCD95 Konzentrationen im Serum<br />

einhergeht. Eine Korrelation der sCD95 Konzentration mit dem Schweregrad der<br />

radiologischen Veränderungen war nicht nachweisbar. Erhöhungen der sCD95–<br />

Konzentrationen können möglicherweise auf die Entwicklung einer Pneumokoniose<br />

hinweisen. Inwieweit dieses Ergebnis hilfreich für die Beurteilung der individuellen<br />

Progredienz sein kein, bedarf weiterer prospektiver Untersuchungen.<br />

535


P51<br />

Poster – Atemwege I<br />

Literatur<br />

1. Steenland K, Goldsmith DF. Silica exposure and autoimmune diseases. Am J Ind<br />

Med. 1995; 28: 603-608.<br />

2. Mossman BT, Churg A.Mechanisms in the pathogenesis of asbestosis and silicosis.<br />

Am J Respir Crit Care Med. 1998;157:1666-80.<br />

3. Otsuki T, Miura Y, Nishimura Y, et al. Alterations of Fas and Fas-related molecules<br />

in patients with silicosis. Exp. Biol. Med. 2006; 231: 522-533.<br />

536


P52<br />

Poster – Atemwege II<br />

Einfluss des Kondensatortyps auf die Nachweisbarkeit von<br />

Biomarkern im Atemkondensat<br />

Frank Hoffmeyer, Monika Raulf-Heimsoth, Volker Harth, Jürgen Bünger, Rolf Merget, Thomas<br />

Brüning<br />

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr Universität Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Zahlreiche umwelt- und berufsbedingte Schadstoffe können nach ihrer Inhalation<br />

entzündliche Prozesse der Atemwege auslösen. Gegenwärtig werden induziertes<br />

Sputum, Bronchiallavage oder eine durch Bronchoskopie gewonnene Lungenbiopsie für<br />

die direkte Untersuchung von Atemwegsentzündungen herangezogen. Im Gegensatz zu<br />

diesen eingreifenden Methoden ist die Gewinnung von Atemkondensat (exhaled breath<br />

condensate, EBC) eine vollkommen nicht-invasive Methode, die darüber hinaus den<br />

Vorteil hat, den zugrunde liegenden Krankheitsprozess durch die Probengewinnung nicht<br />

zu beeinflussen [1]. EBC ist daher eine ideale Matrix für wiederholte Untersuchungen<br />

von Biomarkern, die den Säure-Basen-Haushalt, oxidativen Stress oder<br />

Entzündungsreaktionen reflektieren. Allerdings sind methodische Limitationen<br />

anzuführen [2]. Die Interpretation der Ergebnisse wird dadurch beeinträchtigt, dass sich<br />

die Sammelsysteme in ihrer Effizienz unterscheiden und die eingesetzten analytischen<br />

Verfahren häufig im Bereich ihrer Nachweisgrenzen arbeiten. Die Zusammensetzung<br />

des Kondensats hängt u. a. wesentlich von der jeweiligen apparativen Ausstattung und<br />

der Kühltemperatur ab [3]. Heutzutage stehen neben einer Reihe von<br />

Eigenanfertigungen auch verschiedene kommerziell erhältliche Sammelgeräte zur<br />

Verfügung. Ziel dieser Studie war, dass der Nachweis von gängigen Biomarkern durch<br />

die Materialeigenschaften der verwendeten Kondensations- und Sammeloberflächen<br />

beeinflusst wird.<br />

Methoden<br />

In dieser Studie wurden Biomarkerprofile und -konzentrationen im EBC unter<br />

Verwendung des EcoScreen2 ® (FILT, Berlin) bestimmt und den mit EcoScreen ®<br />

(Cardinal Health, Hoechberg) erzielten Ergebnissen gegenübergestellt. Beide<br />

Sammelsysteme gewährleisten während der Kondensation eine konstante Temperatur.<br />

Die Oberflächen, auf denen die Kondensation erfolgt und in denen das Kondensat<br />

gesammelt wird, unterscheiden sich allerdings. Beim EcoScreen ® erfolgen die<br />

Kondensation auf einer Teflon-beschichteten Oberfläche und die Sammlung auf<br />

Polypropylen; beim EcoScreen2 ® jeweils auf einer speziellen PE-Kunststofffolie.<br />

Das EBC wurde jeweils während 10 minütiger Ruheatmung bei 24 gesunden Probanden<br />

mit beiden Sammelsystemen (-15 bis -20°C) gesammelt. Die gewonnenen EBC Proben<br />

537


P52<br />

Poster – Atemwege II<br />

(n=48) wurden hinsichtlich Volumen, pH (nach Argon-Behandlung), LTB 4 , PGE 2 , 8-Iso<br />

PGF 2α sowie LTC 4 /D 4 /E 4 (jeweils mit spezifischen Enzymimmunoassay) und Nitrat/Nitrit<br />

(NOx; Griess-Reaktion) analysiert. Die Ergebnisse werden als Median mit den 25-75<br />

Interquartil angeben.<br />

Ergebnisse<br />

Bei Verwendung des EcoScreen2 ® resultierte ein signifikant größeres Volumen (1,45<br />

(1,11-1,95) vs.1,20 (1,00-1,50) mL; p < 0,01) und ein höherer pH Wert (7,43 (7,10-7,69)<br />

vs. 6,95 (6,74-7,13); p < 0,01). NOx war nur in 10 der 24 EcoScreen ® Proben<br />

nachweisbar (8,4 (5,8-10,7) µM).<br />

Abb.1: Qualitative und quantitative Zusammensetzung des EBC bei Verwendung<br />

unterschiedlicher Sammelsysteme<br />

Die Konzentrationen von LTB 4 (22,2 (7,8-36,7) pg/mL) und PGE 2 (184 (74-376) pg/mL)<br />

hingegen lagen nur in den EcoScreen2 ® Proben oberhalb der Nachweisgrenze (17/ 20<br />

bzw. 17/ 24 Proben). 8-Iso PGF 2α war in allen Proben nachweisbar, jedoch signifikant<br />

538


P52<br />

Poster – Atemwege II<br />

höher im EBC des EcoScreen2 ® (371 (128-657) vs. 81 (68-381) pg/mL; p < 0,001).<br />

LTC 4 /D 4 /E 4 war in keiner Probe nachweisbar (Abb.1).<br />

Eine Probenanalyse mit negativem Nachweis eines Biomarkers kann dennoch im Sinne<br />

eines Screenings nützlich sein, da dieses Resultat zumindest eine Konzentration<br />

unterhalb der Nachweisgrenze belegt.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Untersuchung zeigt, dass EcoScreen2 ® eine höhere Effizienz in der Gewinnung von<br />

EBC besitzt. Biomarker des Leukotrien- bzw Prostaglandinstoffwechsels werden<br />

effektiver im Atemkondensat des EcoScreen2 ® angereichert. Bei dem Vergleich<br />

verschiedener Studien sollten neben Einflüssen durch Lagerung und Analyseverfahren<br />

auch die verwendeten Kondensatorsysteme berücksichtigt werden. Dies gilt auch bei der<br />

Validierung von Normwerten einzelner Biomarker.<br />

Literatur<br />

1. Montuschi P. Review: Analysis of exhaled breath condensate in respiratory medicine:<br />

methodological aspects and potential clinical applications. Therapeutic Advances in<br />

Respiratory Disease 2007; 1:5-23.<br />

2. Horvath I, Hunt J, Barnes PJ, et al. Exhaled breath condensate: methodological<br />

recommendations and unresolved questions. Eur Respir J 2005; 26:523-548.<br />

3. Goldoni M, Caglieri A, Andreoli R, et al. Influence of condensation temperature on<br />

selected exhaled breath parameters. BMC Pulm Med 2005; 5:10.<br />

539


P53<br />

Poster – Atemwege II<br />

Polyamid-Faserstäube als Auslöser einer Flockarbeiterlunge<br />

Marcus Oldenburg*, Xaver Baur<br />

Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der Freien und Hansestadt Hamburg, Ordinariat für<br />

Arbeitsmedizin der Universität Hamburg<br />

*Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port Health Centers<br />

Einleitung<br />

In den 90er Jahren wurde erstmals unter Beschäftigten in der Flockindustrie eine<br />

Überhäufigkeit Arbeitsplatz-bezogener Atembeschwerden beobachtet. Diese Arbeiter<br />

waren gegenüber Nylonflocken (aliphatischen Polyamiden) über 40mg/m 3 exponiert, die<br />

an den Faserenden elektronenmikroskopisch darstellbare, ca. 1µm durchmessende<br />

„Schwänzchen“ aufwiesen.<br />

Histologisch fand sich unter den Flockarbeitern eine überwiegend unspezifische, nichtgranulomatöse<br />

interstitielle Lungenfibrose, z. T. mit lymphozytärer Bronchiolitis obliterans<br />

und organisierender Pneumonie (BOOP). In diesem Zusammenhang wurde der Begriff<br />

„Flockarbeiterlunge“ geprägt.<br />

Ziel<br />

Im Flugzeugbau entstehen bei der mechanischen Bearbeitung von wabigen Laminaten<br />

faserförmige aromatische Polyamidstäube. Ausgehend von dem Fall eines 56jährigen<br />

Kunststoffgießers soll diskutiert werden, ob auch diese berufsbedingte Belastung zu<br />

einer Flockarbeiterlunge führen kann.<br />

Klinische Befunde<br />

Im vorliegenden Fall traten Ende 2004 nach einer mehr als 20jährigen, zeitweise über<br />

30mg/m 3 hohen Belastung gegenüber Stäuben aromatischer Polyamid-Fasern ein<br />

persistierender, teils produktiver Husten und zunehmende Belastungsdyspnoe auf. Im<br />

April 2005 fand sich radiologisch „eine fortgeschrittene Lungenfibrose“.<br />

Histologisch stellten sich eine nicht-granulomatöse interstitielle Lungenfibrose, ein<br />

überwiegend lymphozytäres Zellinfiltrat sowie ein BOOP dar. Lungenfunktionsanalytisch<br />

zeigte sich eine ausgeprägte Diffusionsstörung (D L,CO 54% vom Soll-MW). Die<br />

Vitalkapazität betrug 104% vom Soll-MW.<br />

Unter hochdosierter Steroidtherapie wurde im August 2005 eine nahezu vollständige<br />

Rückbildung der floriden interstitiellen Lungenveränderungen erreicht. Nach wiederholt<br />

versuchter Reduktion der Cortisondosis traten jeweils bei beruflich fortgesetzter,<br />

wenngleich geringer Kunststoff-Staubbelastung erneut pulmonale Entzündungszeichen<br />

mit rezidivierenden Atemwegsbeschwerden auf. Computertomographisch wurden dabei<br />

540


P53<br />

Poster – Atemwege II<br />

weiterhin Zeichen einer floriden interstitiellen Lungenerkrankung objektiviert, so dass<br />

Dosissteigerungen der Steroidtherapie vorgenommen wurden.<br />

Staubanalyse<br />

Eine elektronenmikroskopische Analyse von Staub, der beim Schleifen von<br />

Wabenmaterial entstanden ist, zeigte Fasern mit endständigen Abspleißungen,<br />

vergleichbar den bekannten alveolengängigen Faserschwänzchen an den Schnittenden<br />

von Nylonflocken in der Flockindustrie (s. Abbildung; Untersuchung Prof. J. Schneider,<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin Gießen).<br />

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Staubfaser nach dem Schleifen von Polyamid-Fasern<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Parallelität der klinischen sowie histopathologischen Befunde von Flockarbeitern und<br />

des Kunststoffgießers sprechen dafür, dass eine hohe Exposition gegenüber Polyamiden<br />

(mit alveolengängigen Abspleißungen) nicht nur in Flockenform, sondern auch als<br />

Fasern geeignet ist, eine Lungenfibrose hervorzurufen.<br />

541


P54<br />

Poster – Atemwege II<br />

Brauchen wir für die Begutachtung neue Referenzwerte für die<br />

ventilatorische Lungenfunktion?<br />

Wolfgang Marek 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Eike Marek 1 , Klaus Mückenhoff 3<br />

1 Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt Bochum<br />

2 Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein<br />

3 Institut für Physiologie, Ruhr-Universität Bochum<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

542


P55<br />

Poster – Atemwege II<br />

Leitlinienentwicklung am Beispiel der S 3-Leitlinie: „Arbeitsmedizinische<br />

Vorsorge der chronischen Berylliose“<br />

Ulrike Euler 1 , Andreas Seidler 1 , Frank Thalau 1 , Ute Latza 5 , Dirk Dahmann 3 , Karolina I. Gaede 9 ,<br />

Annette Gäßler 4 , David A. Groneberg 7 , Michael Heger 11 , Kristina Krutz 1 , Monika Lelgemann 6 , Rolf<br />

Merget 7 , Joachim Müller-Quernheim 8 , Thomas Nauert 10 , Thomas Schettgen 2 , Stephan Letzel 2<br />

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA*<br />

2 Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., <strong>DGAUM</strong>*<br />

3 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV*<br />

4 Verband deutscher Betriebs- und Werkärzte, VDBW*<br />

5 Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie*<br />

6 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften, AWMF<br />

7 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin*<br />

8 Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg<br />

9 Forschungszentrum Borstel<br />

10 Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein<br />

11 Landesamt für Umwelt-und Arbeitsschutz, Saarbrücken<br />

* stimmberechtigt im Konsensprozess (jeweils nur ein benannter Repräsentant der Fachgesellschaft,<br />

Organisation)<br />

Hintergrund und Ziel:<br />

Die chronische Berylliose (CBD) ist seit Jahren eine anerkannte Berufskrankheit (BK<br />

1110). Differentialdiagnostisch ist die Unterscheidung zur Sarkoidose schwierig – bisher<br />

fehlt ein einheitlicher diagnostischer Algorithmus. Bei einem Fachgespräch im Mai 2006<br />

in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wurde deshalb<br />

vorgeschlagen hierfür gemeinsam mit den Fachgesellschaften eine Leitlinie zu<br />

entwickeln.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF)<br />

klassifiziert Leitlinien in drei Entwicklungsstufen:<br />

S1 = Handlungsempfehlungen basierend auf informellem Expertenkonsens<br />

(„Konsensuspapier“)<br />

S2 (e oder k)= Empfehlung basierend auf systematischem Review (e) oder auf formalem<br />

Konsens (k)<br />

S3 = Empfehlung basierend auf systematischem Review und auf formalem Konsens<br />

Im Juni 2007 fand die erste Sitzung der Leitliniengruppe in Zusammenarbeit mit der<br />

AWMF in der BAuA Berlin statt. Es wurde beschlossen eine S3-Leitlinie zu entwickeln.<br />

Ziel dieses Gemeinschaftsprojekts ist es:<br />

1. methodisch über den informellen Expertenkonsens hinauszugehen und in der<br />

Arbeitsmedizin eine evidenz- und konsensbasierte Entscheidungsfindung zu etablieren;<br />

2. Entscheidungen in der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Personen, die beruflich<br />

gegenüber Beryllium exponiert sind, oder bei symptomatischen Personen mit Verdacht<br />

auf chronische Berylliose auf eine rationalere Basis zu stellen.<br />

Methodik:<br />

In der ersten Sitzung wurden die Schlüsselfragen der Leitlinie vorformuliert und im<br />

formalen Konsensverfahren (nominaler Gruppenprozess) abgestimmt. Es bildeten sich<br />

543


P55<br />

Poster – Atemwege II<br />

vier thematische Arbeitsgruppen, eine zusätzliche Methodengruppe entwickelte<br />

Instrumente für die Evidenzbasierung. Der gesamte Leitlinien-Entwicklungsprozess wird<br />

in einem Methodenreport dokumentiert. Die Recherche erfolgte in den elektronischen<br />

Datenbanken Medline, Embase, Toxline und Cochrane Library. Von den Experten<br />

eingereichte Publikationen, die nicht in der systematischen Literatursuche identifiziert<br />

wurden, werden zusätzlich berücksichtigt (Handsuche). Die Studienauswahl treffen zwei<br />

Reviewer nach a priori festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien. Zur methodischen<br />

Bewertung der Literatur wurden Checklisten erarbeitet. Als Grundlage hierfür dienten<br />

Instrumente der schottischen Leitlinienagentur „SIGN“ (www.sign.ac.uk/) und des<br />

„Critical Appraisal Skills Programme/NHS“ (CASP)<br />

(www.phru.nhs.uk/Pages/PHD/CASP.htm), die entsprechend der Schlüsselfragen<br />

angepasst wurden. Zur Klassifizierung der Evidenz werden die vom „Oxford Centre for<br />

Evidence-based Medicine“ entwickelten „Level of Evidence“ übernommen.<br />

Ergebnisse/derzeitiger Projektstand:<br />

Nach erster Durchsicht der Titel und Abstracts konnten von insgesamt 5847<br />

Publikationen 3748 irrelevante Studien ausgeschlossen werden. Zur weiteren Filterung<br />

wurde eine Pilotstudie mit 100 randomisiert ausgewählten Studien durchgeführt. Hierbei<br />

wurden die vorab festgelegten Ein-Ausschlusskriterien von der Leitliniengruppe überprüft<br />

und nochmals angepasst. Derzeit erfolgt die zweite Durchsicht von zwei Reviewern<br />

unabhängig voneinander mit dokumentiertem Ein- und Ausschluss. Im Anschluss erfolgt<br />

die Bewertung der Volltexte in den Arbeitsgruppen. Die gesamte Literatursuche ist in<br />

einem Literaturverwaltungsprogramm dokumentiert und zu jedem Schritt einsehbar.<br />

Zusammenfassung:<br />

Es gibt einen großen Bedarf an arbeits- und umweltmedizinischen S2- und S3-Leitlinien<br />

als Grundlage für eine evidenzbasierte arbeitsmedizinische Prävention. Das<br />

systematische Vorgehen bei der Evidenzbasierung und der formalisierte<br />

Konsensusprozess eines repräsentativen Gremiums machen den Prozess der<br />

Formulierung von Empfehlungen transparenter und nachvollziehbarer. Die hohe<br />

methodische und politische Legitimation rechtfertigt den beträchtlichen<br />

Entwicklungsaufwand. Dies kann zukünftig insbesondere im regulativen Bereich der<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge von Bedeutung sein. Allerdings ist die Erstellung dieser<br />

Leitlinien kostenintensiv, so dass weitere Träger dieser Maßnahmen erschlossen werden<br />

müssen.<br />

544


P56<br />

Poster – Atemwege III<br />

Trends in der Entwicklung berufsbedingter Lungen- und<br />

Atemwegserkrankungen in Deutschland zwischen 1970 und 2005<br />

Vera van Kampen 1 , Rolf Merget 1 , Dirk Taeger 1 , Martin Butz 2 , Thomas Brüning 1<br />

1<br />

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2<br />

DGUV – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

Einleitung<br />

Berufsbedingte Lungen- und Atemwegserkrankungen haben sich in vielen Ländern auf<br />

einem hohen Niveau eingependelt. Allein im deutschen Berufskrankheiten(BK)-<br />

Geschehen gingen im Jahr 2005 39% aller anerkannten Fälle auf Lungen- und<br />

Atemwegserkrankungen zurück. Über den Verlauf der einzelnen Erkrankungen in den<br />

letzten Jahrzehnten liegen jedoch nur wenige Informationen vor.<br />

Methoden<br />

Basierend auf den Daten der ursprünglich drei deutschen Unfallversicherungsträger<br />

wurden die Zahlen der Verdachts- und der anerkannten Fälle berufsbedingter Lungenund<br />

Atemwegserkrankungen zwischen 1970 und 2005 gesammelt und miteinander<br />

kombiniert. Neben den absoluten Zahlen wurden die Raten pro 100.000 Versicherte<br />

(Vollarbeiter) berechnet und analysiert. Einflussfaktoren wie durchgeführte<br />

Präventionsstrategien, industrieller Wandel sowie Änderungen im BK-Recht wurden<br />

berücksichtigt.<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt konnte seit 1998 eine Abnahme der angezeigten und anerkannten<br />

berufsbedingten Lungen- und Atemwegserkrankungen verzeichnet werden (Abbildung).<br />

Diese Entwicklung basiert hauptsächlich auf dem deutlichen Rückgang der<br />

Erkrankungen durch Quarz (Silikose (BK 4101), Silikotuberkulose (BK 4102), chronische<br />

obstruktive Bronchitis oder Emphysem im Steinkohlenbergbau (BK 4111)) und der<br />

obstruktiven Atemwegserkrankungen (allergisch (BK 4301), chemisch-irritativ (BK 4302))<br />

[1].<br />

Der Rückgang der Quarz-bedingten Erkrankungen lässt sich vor allem durch verbesserte<br />

Arbeitsbedingungen im Steinkohlen-Bergbau, wie die Einführung des Nassbohr-<br />

Verfahrens in den 50er Jahren und die zur selben Zeit einsetzenden regelmäßigen<br />

medizinischen Untersuchungen bzw. Arbeitseinsatzlenkung erklären [2]. Auch die<br />

Schließung von Zechen in den 80er und 90er Jahren kann im Zusammenhang mit dem<br />

Rückgang der Quarz-bedingten Erkrankungen stehen. Allerdings spricht die lange<br />

Latenzzeit der Erkrankungen und die Tatsache, dass in 86% der Fälle, die Exposition vor<br />

1970 stattfand, gegen diese Annahme. Bis zu Beginn der 90er Jahre wurden Silikosen<br />

nur anerkannt, wenn sie auch entschädigt wurden, was erst ab einem Streuungsgrad von<br />

545


P56<br />

Poster – Atemwege III<br />

mindestens 2/3 p/q – bei Pinhead-Silikosen mindestens 2/2 p/p – oder<br />

Schwielensilikosen der Fall war. Erst danach wurde zwischen sogenanntem<br />

Versicherungs- und Leistungsfall differenziert, was in den frühen 90er Jahren zu einem<br />

sprunghaften Anstieg der Anerkennungen und somit zu einer Angleichung der Zahlen für<br />

angezeigte und anerkannte Silikose-Fälle führte.<br />

Da sowohl für Atemwegsallergene als auch für chemisch-irritativ und toxisch wirkende<br />

inhalative Arbeitsstoffe Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen beschrieben wurden, gilt<br />

seit den 90er Jahren die Meidung bzw. die Reduktion der Exposition gegenüber<br />

inhalativen Allergenen bzw. Irritanzien als eine entscheidende Maßnahme zur<br />

Prävention. Aus diesem Grunde ist in Betrieben die Durchführung einer<br />

Gefährdungsbeurteilung und daraus die Ableitung erforderlicher Maßnahmen gesetzlich<br />

vorgeschrieben. Als Beispiel für eine erfolgreiche Allergieprävention gilt die bundesweite<br />

Kampagne im Jahr 1997/98, seit der gepuderte durch ungepuderte, allergenarme<br />

Latexhandschuhe zu ersetzen sind und durch die es zu einer signifikanten Abnahme von<br />

Latex-bedingten allergischen Atemwegskrankheiten kam [3].<br />

Im Gegensatz zu den Quarz-bedingten und den obstruktiven Atemwegskrankheiten<br />

zeigen die durch Asbest verursachten BKen während der letzten zehn Jahre eine<br />

Stagnation (Asbestose (BK 4103) und Lungen- oder Kehlkopfkrebs (BK 4104)) oder eine<br />

deutliche Zunahme (Mesotheliom (BK 4105)). Zurückzuführen ist dies auf die zum Teil<br />

lange Latenzzeit zwischen einer Asbestexposition und der Manifestation der<br />

Erkrankungen, bei Mesotheliomen beispielsweise bis zu 40 Jahre [4]. Da in Deutschland<br />

der Einsatz von Asbest seit 1993 verboten ist und entsprechende Abbruch- und<br />

Sanierungsarbeiten nur noch unter effektiven Schutzmaßnahmen durchgeführt werden<br />

dürfen, ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahrzehnten auch bei den<br />

Asbest-bedingten Erkrankungen ein rückläufiger Trend einsetzen wird.<br />

Schlussfolgerung<br />

Obwohl viele Faktoren das BK-Geschehen beeinflussen, kann durch die eindeutige<br />

Abnahme der gemeldeten und anerkannten BK-Fälle über einen langen<br />

Beobachtungszeitraum gezeigt werden, dass Präventionsmaßnahmen tatsächlich zu<br />

einer Verringerung der häufigsten berufsbedingten Lungen- und Atemwegserkrankungen<br />

in Deutschland – bisher allerdings noch mit Ausnahme der Asbest-induzierten<br />

Erkrankungen –geführt haben.<br />

546


P56<br />

Poster – Atemwege III<br />

Literatur<br />

1. van Kampen V, Merget R, Butz M, Taeger D, Brüning T. 2008. Trends in suspected<br />

and recognized occupational respiratory diseases in Germany between 1970 and<br />

2005. Am J Ind Med. 51(7):492-502.<br />

2. Bauer H-D. 1995. “Staubjahre“. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />

(HVBG) Druckzentrum Sutter und Partner GmbH (BIA-Report<br />

7/95).<br />

3. Latza U, Haamann F, Baur X. 2005. Effectiveness of a nationwide interdisciplinary<br />

preventive programme for latex allergy. Int Arch Occup Environ Health 78(5):394-<br />

402.<br />

4. Hagemeyer O, Otten H, Kraus T. 2006. Asbestos consumption, asbestos exposure<br />

and asbestos-related occupational diseases in Germany. Int Arch Occup Environ<br />

Health 79(8):613-620.<br />

Legende<br />

Abbildung: Zeitlicher Verlauf der Summe der angezeigten und anerkannten berufsbedingten<br />

Lungen- und Atemwegskrankheiten.<br />

547


P57<br />

Poster – Atemwege III<br />

Berufsbedingte IgE-vermittelte Nadelholz-Allergie - Nachweis<br />

einer klinischen Relevanz<br />

Sabine Kespohl 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Silke Maryska 1 , Thomas<br />

Brüning 1<br />

1<br />

BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2<br />

Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein/Vogtland<br />

Einleitung<br />

Typ I-Allergien auf Hölzer sind selten. Publiziert wurden Holzsensibilisierungen<br />

überwiegend gegen tropische Laubhölzer wie beispielsweise gegen Trip s 1 aus<br />

Abachiholz (Triplochiton scleroxylon (1), bzw. gegen Plikatsäure als Hauptallergen der<br />

Rotzeder (Thuja plicata) (2). Einheimische Hölzer und Nadelhölzer sind als<br />

Allergieauslöser bislang eher unbekannt.<br />

Die Diagnostik holzstaubbedingter allergischer Atemwegserkrankungen wird vielfach<br />

durch fehlende Allergenextrakte erschwert; eine serologische Klärung der Allergie-<br />

Ursache ist daher häufig nicht möglich, eine Allergenidentifizierung erst recht nicht. In der<br />

hier beschriebenen Kasuistik wird eine klinisch relevante Nadelholzallergie mit<br />

nachfolgendem serologischem Allergennachweis beschrieben. Die IgE-Bindung würde<br />

weiterhin auf Kreuzreaktivität zu anderen Hölzern und Glykostrukturen spezifiziert und<br />

ursächliche Nadelholzallergene wurden identifiziert.<br />

Methoden<br />

Bei einem 25-jährigen Tischler mit berufsbezogenen allergischen Augen- und<br />

Nasenbeschwerden wurde spezifisches IgE auf arbeitsplatz-relevante Hölzer mittels<br />

ImmunoCAP analysiert. Dazu wurden die arbeitsplatzrelevanten Holzstäube wässrig und<br />

ethanolisch extrahiert und über Streptavidin-Biotin-Affinität an ImmunoCAPs (Phadia,<br />

Uppsala, Sweden) gekoppelt (3). Die IgE-Reaktivität wurde durch ImmunoCAP-<br />

Inhibitionstests weiter spezifiziert. Inhibitoren waren positiv getestete Hölzer, Naturlatex<br />

(NRL) und Meerrettichperoxidase (HRP) als Glykokomponente. Potentielle Allergene<br />

wurden im IgE-Blot identifiziert. Die klinische Relevanz der Sensibilisierung wurde im<br />

Hauttest und im arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) überprüft.<br />

Ergebnisse<br />

Die spezifische IgE-Testung ergab die deutlichste Reaktion mit CAP-Klasse 3 auf Fichte,<br />

Kiefer und NRL. IgE-Antikörper gegen Lärchen- und Buchenholz wurden mit einer<br />

Konzentration der CAP-Klasse 2 gemessen und auf HRP mit CAP-Klasse 1. Andere,<br />

potentiell kreuzreaktive bzw. Arbeitsplatz-assoziierte Holzarten wie Abachi, Rotzeder<br />

oder Eiche zeigten keine IgE-Bindung.<br />

548


P57<br />

Poster – Atemwege III<br />

Im IgE-Inhibitionstest waren ebenfalls Fichten- und Kiefernholz die potentesten<br />

Inhibitoren, gefolgt von Lärchenholz. Alle drei Nadelholzextrakte inhibierten die sIgE-<br />

Bindung an Buche und NRL signifikant, umgekehrt war jedoch nur eine geringe bzw.<br />

keine Inhibition feststellbar. Deutlich messbar war eine Kreuzinhibition >50% zwischen<br />

Fichte-, Kiefern- und Lärchenholz, die nicht durch NRL, Buchenholz oder HRP erzielt<br />

wurde. Die sIgE-Bindung an die Nadelholzallergene basiert offenbar auf homologen<br />

Proteinen, die nicht in NRL oder Buchenholz enthalten sind. Glykostrukturen sind in<br />

diesem Fall nicht an der sIgE-Erkennung von Nadelholzallergenen beteiligt. Im<br />

Gegensatz dazu führte die Inkubation mit HRP aber zu einer vollständigen bzw. 50%igen<br />

Reduktion der sIgE-Bindung an Buche und NRL. Hier handelt es sich eher um eine<br />

primäre Glykostruktur vermittelte IgE-Bindung.<br />

Potentielle Allergene wurden ebenfalls nur in Nadelholzextrakten detektiert. Im<br />

Fichtenholzextrakt wurden IgE-bindende Proteindoppelbanden von 35 – 40 kDa und 70 –<br />

80 kDa identifiziert. Im Lärchenextrakt wurde ein 29 kDa Protein als Allergen markiert.<br />

Die klinische Relevanz dieser Nadelholzallergie wurde durch einen positiven Hauttest mit<br />

Fichten- und Kiefernholz und durch eine induzierte Rhinokonjunktivitis im AIT mit<br />

Kiefernholzspänen bestätigt.<br />

Schlussfolgerung<br />

Bei dem Patienten wurde eine klinisch relevante Nadelholzallergie diagnostiziert, die auf<br />

proteinogenen Epitopen basiert. Die Sensibilisierung gegen Buche, verursacht durch<br />

glykogene Epitope, wurde im Hauttest nicht bestätigt.<br />

Literatur<br />

(1) Kespohl S, Sander I, Merget R, Petersen A, Meyer HE, Sickmann A, et al.<br />

Identification of an obeche (Triplochiton scleroxylon) wood allergen as a class I<br />

chitinase. Allergy 2005;60(6):808-14.<br />

(2) Chan-Yeung M. Immunologic and nonimmunologic mechanisms in asthma due to<br />

western red cedar (Thuja plicata). J Allergy Clin Immunol 1982;70(1):32-7.<br />

(3) Sander I, Kespohl S, Merget R, Goldscheid N, Degens PO, Bruning T, et al. A new<br />

method to bind allergens for the measurement of specific IgE antibodies.<br />

International Archives of Allergy and Immunology 2005;136(1):39-44.<br />

549


P58<br />

Poster – Atemwege III<br />

Leisten arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen einen<br />

Beitrag zur Diagnose einer Berufskrankheit 4301 bei Bäckern?<br />

Stefan Baars<br />

Gewerbeärztlicher Dienst, Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover<br />

Einleitung<br />

„Bäckerasthma“ (BK 4301) ist auch heute noch ein häufiger Grund für die Berufsaufgabe<br />

von Bäckern und Konditoren. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen könnten die<br />

Diagnose zu einem Zeitpunkt ermöglichen, der ein Verbleiben im Beruf durch präventive<br />

Maßnahmen erlauben würde. Zudem sollen sie einen Beitrag zur primären Prävention<br />

leisten. Vorsorgeuntersuchungen sind seit 2004 bei Exposition gegenüber Mehlstaub<br />

anzubieten (ArbMedVV, früher GefStoffV). Durch eine Analyse von<br />

Berufskrankheitenfällen und eine Erhebung in den betroffenen Betrieben sollte geprüft<br />

werden, welchen Stellenwert arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in<br />

Bäckereien haben.<br />

Methode<br />

Eine zufällige Stichprobe der im Jahr 2008 beim Gewerbeärztlichen Dienst in<br />

Niedersachsen eingegangenen Fälle einer BK 4301 aus Bäckereien wurde anhand der<br />

von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) übersandten<br />

Ermittlungsergebnisse hinsichtlich verschiedener Krankheitsmerkmale und<br />

epidemiologischer Daten ausgewertet.<br />

Parallel wurden die betroffenen Betriebe standardisiert überprüft.<br />

Ergebnis<br />

Berücksichtigt wurden 44 Berufskrankheitenfälle aus 41 Betrieben. 34 bereits<br />

entschiedene Fälle konnten im Detail ausgewertet werden. 2 Fälle wurden wegen<br />

fehlender Mitwirkung der Erkrankten eingestellt, 8 Fälle waren noch nicht abgeschlossen.<br />

Die Erkrankten waren zwischen 18 und 61 Jahre alt (Median 30 Jahre), zu 85% in der<br />

Backstube bzw. der Produktion tätig und zu 68% männlich. 28 waren länger als ein Jahr<br />

im Betrieb bzw. Beruf tätig. In 32 Fällen konnte der Ursachenzusammenhang bestätigt<br />

werden (s. Tabelle 1).<br />

39 der 41 Betriebe konnten überprüft werden, 2 Betriebe waren zwischenzeitlich<br />

stillgelegt. Die Betriebsgröße lag im Median bei 9 Beschäftigten in der<br />

Backstube/Produktion (Range 1 – 260). Die Gesamtbeschäftigtenzahl lag zwischen 3<br />

und 500. Aus 19 Betrieben waren innerhalb der letzten 10 Jahre weitere<br />

Berufskrankheiten angezeigt worden (BK 4301 und 5101). In 3 Betrieben lagen zudem<br />

Erkrankungen vor, die dem Gewerbeärztlichen Dienst bisher nicht gemeldet wurden.<br />

550


P58<br />

Poster – Atemwege III<br />

„Basismaßnahmen“ zur Reduzierung der Mehlstaubbelastung waren häufig nicht<br />

realisiert. Weitere Mängel ergaben sich beim Hautschutz und der<br />

betrieblichen ersten Hilfe. In 4 Betrieben wurden überraschenderweise gepuderte Latex-<br />

Einmalhandschuhe für die Zubereitung von Snacks vorgefunden (s. Tabelle 2).<br />

In 10 Betrieben war keinerlei betriebsärztliche Betreuung nachweisbar. 19 Betriebe<br />

waren dem arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienst der BGN<br />

(ASD*BGN) angeschlossen. 9 Betriebe hatten das Unternehmermodell gewählt.<br />

Betriebsärztliche Ansprechpartner waren in 7 dieser 9 Betriebe unbekannt.<br />

Beratungsbedarf war trotz der Berufskrankheit nicht gesehen worden.<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen wegen Mehlstaub wurden lediglich in 2<br />

Betrieben angeboten. Die entsprechenden rechtlichen Anforderungen waren in der Regel<br />

nicht bekannt.<br />

Kriterium<br />

Anzahl Fälle<br />

Kriterium<br />

Anzahl Betriebe<br />

Sensibilisierung gegen Berufsallergene<br />

(Prick und / oder RAST)<br />

unspezifische bronchiale Hyperreagibilität<br />

(n= 28*)<br />

bronchiale Obstruktion in Ruhe<br />

rhinitische Symptomatik am Arbeitsplatz<br />

(n= 31*)<br />

Asthmasymptomatik am Arbeitsplatz<br />

(n= 29*)<br />

Aufgabe der Tätigkeit erfolgt<br />

Aufgabe trotz gutachterlicher Empfehlung<br />

nicht erfolgt<br />

32<br />

18<br />

8<br />

28<br />

25<br />

19<br />

Tab. 1 Auswertung BK-Fälle<br />

* Ergebnisse lagen nicht in allen Fällen vor<br />

6<br />

Tab. 2 Auswertung Betriebe<br />

Gefährdungsbeurteilung vorhanden<br />

Betriebsanweisung "Mehl" vorhanden<br />

Unterweisung dokumentiert<br />

Mehlausbringung in "Handwurftechnik"<br />

Verwendung staubarme Trennmehle<br />

Silofüllschlauch bis Boden des Kneters<br />

bzw. vollständige Abdeckung (n= 32,<br />

7 Betriebe verarbeiteten Sackware)<br />

Reinigung der Backstube mit Besen<br />

Reinigung mit Staubsauger<br />

mind. gelegentl. Ausblasen mit Druckluft<br />

Hautpflegemittel zur Verfügung<br />

gepuderte Latex-Einmalhandschuhe<br />

ausreichend qualifizierte Ersthelfer<br />

Verbandbuch geführt<br />

13<br />

3<br />

10<br />

11<br />

11<br />

5<br />

39<br />

13<br />

18<br />

4<br />

4<br />

20<br />

7<br />

Diskussion<br />

Die Überprüfung von Bäckereien mit an „Bäckerasthma“ Erkrankten zeigt, dass<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in diesen Betrieben keine Rolle bei der<br />

Prävention bzw. Früherkennung von mehlstaubbedingten Berufskrankheiten spielen.<br />

Ursachen hierfür sind u.a. in der fehlenden Präsenz der Betriebsärzte, der fehlenden<br />

Akzeptanz der Betriebsinhaber (aber sicher auch der Beschäftigten) für<br />

Vorsorgeuntersuchungen und in der fehlenden Information der BGN über den Nutzen der<br />

Untersuchungen sowie die rechtlichen Anforderungen zu suchen. Da sich auch die<br />

„Basismaßnahmen“ zur Mehlstaubreduktion bisher nicht flächendeckend durchgesetzt<br />

haben, wird die Höhe der Mehlstaubbelastung primär durch die persönliche<br />

Arbeitshygiene beeinflusst. Die mit einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung<br />

verbundene zusätzliche Chance einer Verhaltensprävention gewinnt damit noch an<br />

551


P58<br />

Poster – Atemwege III<br />

Bedeutung. Eine deutlich höhere betriebsärztliche Präsenz in den Betrieben ist<br />

erforderlich. Die Festlegung einer Untersuchungsverpflichtung unabhängig vom<br />

Grenzwert für Beschäftigte in der Backstube bzw. der Teigmacherei / Teigaufbereitung<br />

wäre zu diskutieren.<br />

Literatur<br />

1. Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) vom 18. Dezember 2008<br />

(BGBl. 2008 I S. 2768)<br />

2. Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 23. Dezember 2004 (BGBl. 2004 I S. 3758),<br />

zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. 2008<br />

I S. 2768)"<br />

552


P59<br />

Poster – Atemwege III<br />

Allergische Rhinopathie durch Maispollen-Exposition am<br />

Arbeitsplatz<br />

Marcus Oldenburg, Xaver Baur<br />

Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des Hamburg Port<br />

Health Centers) Hamburg<br />

Einleitung<br />

Mais ist eine windblütige Pflanzenart und gehört zu der Familie der Süßgräser<br />

(Poaceae). In verschiedenen Studien stellte sich eine geringe Kreuzreaktion zwischen<br />

Grass- und Maispollen heraus. Aufgrund ihres relativ hohen Gewichts kommt es nicht zu<br />

einer allgemeinen Verbreitung der Maisollen; das von Maispflanzen ausgehende<br />

allergene Risiko wird deshalb als gering eingeschätzt.<br />

Ziel<br />

Ausgehend von 3 weiblichen Laborkräften, die berufsbedingt im selben Gewächshaus<br />

regelmäßig gegenüber Maispollen exponiert waren und sich wegen dort auftretender<br />

Beschwerden in unserer Poliklinik vorstellten, soll das allergene Potential von Maispollen<br />

abgeschätzt werden.<br />

Berufliche Exposition<br />

Zu wissenschaftlichen Zwecken waren die 3 Laborkräfte über wenige Tage pro Monat<br />

mit der manuellen Bestäubung von Wildmaispflanzen beschäftigt. Hierzu wurden die<br />

Maispollen der über 2 Meter hohen Pflanzen von der endständigen Rispe, dem<br />

männlichen Anteil der Maispflanze, manuell abgeklopft, woraus eine hohe<br />

Pollenstaubbelastung unterhalb, im Kopfbereich der Betroffenen, resultierte. Die Pollen<br />

wurden dann über die weiblichen Blütenstände im unteren Anteil der Maispflanzen<br />

verschüttet. Ein Atemschutz kam bei der Bestäubung nicht zur Anwendung.<br />

Klinische Befunde<br />

1 bis 4 Monate nach Tätigkeitsbeginn entwickelten die drei Laborkräfte eine allergische<br />

Rhinitis (je zwei zusätzlich eine Urtikaria bzw. Konjunktivitis). Serologisch (dreimal IgE-<br />

Antikörper-Nachweis in der CAP-Untersuchung, Phadia) und im Haut-Pricktest (zweimal;<br />

hal Allergie) wurde eine Maispollen-Sensibilisierung objektiviert. Alle Patientinnen wiesen<br />

zusätzlich ein positives Hauttest-Ergebnis auf Gräsermischung auf und litten unter<br />

sommerlichem Heuschnupfen.<br />

Der Arbeitsplatz-bezogene inhalative Expositionstest mit frischen Maispollen und/ oder<br />

die nasale Applikation eines kommerziellen Maispollen-Extrakts führten in allen Fällen zu<br />

553


P59<br />

Poster – Atemwege III<br />

einer Rhinitis mit messtechnisch objektivierter reaktiver Verengung der oberen<br />

Atemwege (s. Abbildung).<br />

Expositionstests<br />

IgE-Antikörper<br />

RAST-CAP-Kl.<br />

Nasale Applikation eines<br />

Maispollen-Extrakts<br />

Arbeitsplatz-bezogener<br />

Expositionstest mit nativen<br />

Maispollen<br />

Probandin<br />

Alter<br />

Maispollen<br />

Maismehl<br />

Symptome<br />

Änderung<br />

Nasenfluss<br />

Symptome<br />

Änderung<br />

Nasenfluss<br />

Nr. 1 44 3 0 - -<br />

Rhinitis<br />

Augentränen<br />

-94,1%<br />

Nr. 2 41 3 2<br />

Konjunktivitis<br />

Nasenfluss<br />

Keine<br />

Änderung<br />

Niesen<br />

Nasenfluss<br />

-59,3%<br />

Nr. 3 27 2 0 Nasenfluss - 67,8% Konjunktivitis -29,9%<br />

Abb. Allergologische Befunde und Ergebnisse der nasalen Provokation mit Maispollenextrakt und<br />

des Arbeitsplatz-bezogenen inhalativen Expositionstests<br />

Passend zu den klinischen Angaben war bei den 3 Patientinnen keine Lungenfunktionseinschränkung<br />

vor, während oder nach der Exposition nachweisbar.<br />

Erst seit Einführung eines Ganzkörperschutzes inklusive eines Atemschutzhelms (mit<br />

externer Zuführung gefilterter Luft) am Arbeitsplatz wurden die drei Laborkräfte<br />

anhaltend beschwerdefrei.<br />

Schlussfolgerung<br />

Der eindeutige Arbeitsplatzbezug rhinitischer Symptome, die objektivierte Typ I-Sensibilisierungen<br />

auf Maispollen und der positive Expositionstest mit Maispollen belegen, dass<br />

die Laborkräfte eine allergische Maispollen-Rhinopathie im Sinne einer Berufskrankheit<br />

Nr. 4301 entwickelt haben.<br />

Die anamnestischen Angaben der Patientinnen, dass „auch fast alle anderen Maispollenexponierten<br />

Arbeitskollegen“ (ca. 10, die sich bisher keiner arbeitsmedizinischen<br />

Untersuchung unterziehen wollten) ebenfalls unter rhinitischen Beschwerden leiden,<br />

weisen auf ein erhebliches, bislang unterschätztes allergenes Potential der Maispollen im<br />

Rahmen des unmittelbaren Kontakts hin.<br />

554


P60<br />

Poster – Atemwege III<br />

Aussagekraft verschiedener Untersuchungsverfahren für die<br />

Diagnose des Berufsasthmas<br />

Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Hamburg<br />

Einleitung<br />

Arbeitsplatzbezogene spezifische Inhalationsteste (AIT) gelten als Goldstandard in der<br />

Diagnostik des Berufsasthmas. Allerdings stehen für einige ursächliche Noxen bisher<br />

standardisierte Testverfahren nicht zur Verfügung. Die abschließende Diagnose wird in<br />

solchen Fällen anhand der Ergebnisse von anderen diagnostischen Tests und des<br />

Krankheitsverlaufs gestellt.<br />

In dieser retrospektiven Auswertung beurteilen wir die Aussagekraft verschiedener<br />

diagnostischer Teste unter Bezug auf die abschließende Diagnose, die als Goldstandard<br />

fungiert. In diese geht die langjährliche und eingehende diagnostische Erfahrung eines<br />

spezialisierten Zentrums der Arbeitmedizin ein.<br />

Patienten und Methodik<br />

Die Auswertung betrifft 189 Latex-exponierte, im Gesundheitsdienst Beschäftigte. 158<br />

Probanden (84%) erhielten auch einen unspezifischen Methacholin-Provokationstest<br />

(BHR).<br />

Außerdem erfolgten bei allen Probanden IgE-Bestimmungen (Gesamt-IgE, Latex-IgE),<br />

Prick-Hautteste (SPT) mit 20 Umweltallergenen und Latex-Extrakten sowie eine<br />

standardisierte Anamnese, Lungenfunktionsprüfung und ein spezifischer<br />

arbeitsplatzbezogener inhalativer Provokationstest (AIT). Der AIT begann mit gepuderten<br />

Vinyl-Handschuhen (Placebo) und setzte sich mit gepuderten Latex-Handschuhen fort<br />

(Aeroallergenkonzentration<br />

200 – 350 ng/m3 bis ca. 2500 ng/m3).<br />

Das Kriterium der positiven asthmatischen Reaktion im AIT (AIT+) wurde definiert als<br />

verdoppelter und 2 kPa * s überschreitender sRaw-Wert. Die abschließende Diagnose<br />

Berufsasthma (Ab.D) wurde immer auf Basis aller diagnostischen Testergebnisse in der<br />

klinischen Institutskonferenz unter der Leitung eines erfahrenen Arbeitsmediziners und<br />

Pneumologen gestellt.<br />

Statistische Analyse<br />

Die Ergebnisse des spezifischen Expositionstests wurden mit den Resultaten der<br />

anderen diagnostischen Verfahren zusammengeführt, in Form von Vierfeldertafeln<br />

dargestellt und statistisch (exakter Test von Fisher) geprüft. Odd Ratios (OR) und die<br />

95% Konfidenz-Intervale wurden berechnet.<br />

555


P60<br />

Poster – Atemwege III<br />

Ergebnisse<br />

89 Patienten weisen die abschließende Diagnose Berufsasthma (Ab.D +) auf. Darunter<br />

fanden sich alle 42 Personen mit positiven AIT-Ergebnissen.<br />

Trotz negativer AIT-Ergebnisse wurde die abschließende Diagnose Berufsasthma (Ab.D<br />

+) auch bei 47 Patienten (32 % aller AIT-Negativen) gestellt. Die abschließende<br />

Diagnose basierte hier meistens auf der Kombination von arbeitsplatzbezogenen<br />

Symptomen, Obstruktion (sRt-basal oder BHR), Latex-IgE-Nachweis und FeNO .<br />

Arbeitsplatzbezogene Symptome zeigen die engste Assoziation mit der abschließenden<br />

Diagnose in der Gesamt- Gruppe (n=189) und in der Gruppe mit negativem AIT-<br />

Ergebnisse (n=147).<br />

Auf dem zweiten Platz folgen erhöhtes FeNO,<br />

auf dem dritten der Nachweis von Latex-IgE,<br />

auf dem vierten die BHR (Tabelle 1).<br />

T a b e lle 1<br />

Assoziation zw ischen abschließender Diagnose Berufsasthm a und<br />

diagnostischen Befunden von 147 Latex-exponierten G HW -<br />

Beschäftigten m it arbeitsplatzbezogenen Sym ptom en m it negativen<br />

AIT (AIT - )<br />

(AIT = arbeitsplatzbezogener inhalativer Provokationsteststest)<br />

Ab.D<br />

Arbeitsplatz<br />

bezogene<br />

Asthm a<br />

S y m p to m e<br />

FeNO<br />

(N ich t-<br />

Raucher)<br />

Latex<br />

Ig E<br />

BHR<br />

Atopie<br />

(S P T )<br />

Gesam t-<br />

Ig E ?<br />

Rauchen<br />

Ab.D<br />

streng positive<br />

Assoziatio n<br />

OR=18.5;<br />

P


P60<br />

Poster – Atemwege III<br />

oder handelt es sich um einen Bias (arbeitsplatzbezogene Symptome des Rauchers<br />

könnten irrtümlich auf das Rauchverhältnis zurückgeführt werden<br />

und nicht auf die berufbedingte Sensibilisierung).<br />

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Kombination von 4 standarddiagnostischen<br />

Verfahren eine sehr ähnliche diagnostische Validität wie der AIT aufweist.<br />

557


P61<br />

Poster – Atemwege III<br />

Ist die subjektive Beeinträchtigung am Arbeitsplatz ein<br />

prädiktiver Marker für die Entwicklung beruflicher Atemwegserkrankungen<br />

bei Beschäftigten in der metallverarbeitenden<br />

Industrie?<br />

Thomas Baumeister, Wobbeke Weistenhöfer, Hans Drexler, Birgitta Kütting<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- u. Umweltmedizin, FAU Erlangen<br />

Hintergrund<br />

Beruflich bedingte Atemwegserkrankungen stellen neben Hauterkrankungen,<br />

Wirbelsäulen- und Gehörschäden die am häufigsten gemeldeten Berufserkrankungen<br />

dar (1). Atemwegserkrankungen entwickeln sich oft schleichend progredient und<br />

manifestieren sich erst nach jahrelanger Exposition. Die Krankheitsverläufe können<br />

individuell stark variieren, wesentlich für die Prognose sind jedoch in jedem Fall optimale<br />

Arbeitsschutz-Maßnahmen, die frühzeitige Diagnose und die Einleitung einer optimalen<br />

Therapie. In der Metallindustrie sind beruflich bedingte Atemwegserkrankungen zwar<br />

seltener als etwa im Bergbau, dennoch sind zahlreiche Atemwegserkrankungen<br />

beschrieben, darunter Bronchitis, Asthma, Pneumonie, Lungenfibrose und<br />

Metalldampffieber. Neben Schweißrauchen (2) und Hartmetallstäuben sind hierfür<br />

insbesondere die Bestandteile von Aerosolen aus Kühlschmiermitteln, ihren Zusätzen<br />

und Verunreinigungen verantwortlich (3,4). Die arbeitsmedizinische Vorsorge zielt<br />

speziell auf die Früherkennung von berufsbedingten Erkrankungen ab und ist deshalb<br />

auf verlässliche prädiktive Marker angewiesen.<br />

Um prädiktive Faktoren für die Entwicklung einer beruflich bedingten<br />

Atemwegserkrankung zu identifizieren, wurde an einem, potentiell für die Entwicklung<br />

von Atemwegserkrankungen gefährdeten, Kollektiv untersucht, inwiefern das Bestehen<br />

außerberuflicher Atemwegserkrankungen und die subjektive Beeinträchtigung der<br />

Beschäftigten durch irritative Arbeitsstoffe mit dem Bestehen von Symptomen<br />

korrelieren, die auf eine berufsbezogene Atemwegserkrankung hinweisen.<br />

Studienziel<br />

Ziel ist es, zu beurteilen, inwieweit bei Beschäftigten der Metallindustrie die subjektive<br />

Beeinträchtigung ein valides Frühsymptom für eine manifeste berufliche<br />

Atemwegserkrankung darstellt.<br />

Methodik<br />

In 19 metallverarbeitenden Betrieben in Deutschland wurde bei 789 männlichen<br />

Beschäftigten im Alter zwischen 18 und 63 Jahren in einem standardisierten Interview<br />

das Vorhandensein von Symptomen, die auf eine allergische oder irritative<br />

558


P61<br />

Poster – Atemwege III<br />

Atemwegserkrankung hinweisen (Rhinitis, Konjunktivitis, bronchiale Hyperreagibilität,<br />

Hustenreiz und Atem-beschwerden) in der Freizeit und am Arbeitsplatz erfasst.<br />

Parallel wurden die Probanden aufgefordert, ihre subjektive Beeinträchtigung durch<br />

Raumluftaerosole am Arbeitsplatz auf einer numerischen Skala von 0 – 10 (0 entspricht<br />

keiner, 10 entspricht einer maximalen Beeinträchtigung) einzuschätzen. Zur<br />

Vereinfachung der Auswertung wurden die Skalenwerte zusammengefasst. 0 entspricht<br />

keiner, 1-3 einer minimalen, 4-6 einer mäßigen und 7-10 einer starken bis sehr starken<br />

Beeinträchtigung.<br />

Ergebnisse<br />

Gesundheitliche Beschwerden (Konjunktivitis, Rhinitis, Hustenreiz, Atembeschwerden<br />

und bronchiale Hyperreagibilität) in Beruf und / oder Freizeit wurden von 302 Probanden<br />

(38,2%) angegeben. Auch ohne berufsbezogene Beschwerden fühlten sich fast 49 % der<br />

Probanden durch Raumluftaerosole am Arbeitsplatz subjektiv mäßig bis stark<br />

beeinträchtigt.<br />

Die Häufigkeit von Symptomen (Ausnahme: Hyperreagibilität) nahm mit dem Alter<br />

tendenziell zu.<br />

Symptom<br />

Altersgruppe in der<br />

Symptome am seltensten<br />

bejaht wurden (prozentualer<br />

Anteil an der Altersgruppe)<br />

Altersgruppe in der<br />

Symptome am häufigsten<br />

bejaht wurden (prozentualer<br />

Anteil an der Altersgruppe)<br />

Konjunktivitis 25-


P61<br />

Poster – Atemwege III<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die geringere subjektive Beeinträchtigung bei älteren Beschäftigten bei gleichzeitig<br />

häufigerem Auftreten manifester Symptome kann sowohl durch den sog. „healthy<br />

worker“- Effekt als auch durch eine veränderte Krankheitswahrnehmung (Abstumpfung,<br />

Gewöhnung, Toleranz) bedingt sein. Die subjektive Beeinträchtigung ist als alleiniger<br />

prädiktiver Marker für eine beginnende berufliche Atemwegserkrankung nicht<br />

ausreichend.<br />

Literatur<br />

(1) http://www.dguv.de/inhalt/zahlen/bk/bk-verdachtsanzeigen/index.jsp<br />

(2) Antonini JM, Taylor MD, Zimmer AT, Roberts JR. Pulmonary responses to<br />

welding fumes: role of metal constituents. J Toxicol Environ Health A. 2004 Feb<br />

13;67(3):233-49.<br />

(3) Gordon T. Metalworking fluid-the toxicity of a complex mixture. J Toxicol Environ<br />

Health A. 2004 Feb 13;67(3):209-19.<br />

(4) Abrams L, Seixas N, Robins T, Burge H, Muilenberg M, Franzblau A.<br />

Characterization of metalworking fluid exposure indices for a study of acute<br />

respiratory effects. Appl Occup Environ Hyg. 2000 Jun;15(6):492-502.<br />

560


P62<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Quantifizierung von Rinderhaarallergenen mittels zweiseitigem<br />

Enzymimmunoassay<br />

Eva Zahradnik 1 , Rudolf Schierl 2 , Ingrid Sander 1 , Anne Flagge 1 Joachim Sültz 3 , Dennis Nowak 2 ,<br />

Thomas Brüning 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1<br />

1<br />

BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

3<br />

Facharztpraxis für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Neusäß<br />

Einleitung<br />

Der Umgang mit Rindern kann allergische Atemwegserkrankungen bei entsprechend<br />

exponierten Personen hervorrufen. Verantwortliche Auslöser der allergischen Symptome<br />

sind Proteine, die hauptsächlich in Haaren und Hautschuppen der Tiere enthalten sind.<br />

Als Majorallergen wurde das Lipocalin Bos d 2 identifiziert (1;2). Die bisherigen<br />

Untersuchungen zeigen, dass zwischen Bos d 2-Konzentrationen im Hausstaub von<br />

Landwirten und deren Sensibilisierung gegen Rinderhaar eine starke Beziehung besteht<br />

(3;4). Um die Allergenexposition an Arbeitsplätzen von betroffenen Landwirten erfassen<br />

zu können, wurde daher ein zweiseitiger Enzymimmunoassay (EIA) für den Nachweis<br />

der Rinderhaarproteine entwickelt.<br />

Methoden:<br />

Für den Assay-Aufbau wurde ein mittels SDS-PAGE und IgE-Immunoblot<br />

charakterisierter Extrakt aus Haaren mehrerer für Deutschland repräsentativer<br />

Rinderrassen hergestellt und zur Immunisierung von Kaninchen verwendet. Die<br />

spezifischen Antikörper wurden mittels Affinitätschromatographie aus dem Serum isoliert<br />

und als Fang- bzw. nach Biotinylierung als Detektionsantikörper in einem Sandwich-<br />

ELISA eingesetzt. Zur Spezifitätsüberprüfung des EIA wurden Extrakte aus Epithelien<br />

anderer Nutztier- und Labortierspezies sowie aus verschiedenen Milben- Schimmelpilzund<br />

Getreidearten getestet. Zur Validierung des Assays wurden gesiebte Stall-,<br />

Wohnzimmer- und Matratzen-Stäube aus dem landwirtschaftlichen Bereich eingesetzt,<br />

bei denen die Konzentration des Majorallegens Bos d 2 in der Vergangenheit mittels<br />

Rocket-Immunelektrophorese bestimmt wurde (3). Der Gehalt an Rinderhaarallergenen<br />

in Staubproben von Landwirten wurde zusätzlich mit dem in Hausstäuben von nicht<br />

exponierten Personen verglichen.<br />

Ergebnisse:<br />

Der Rinderhaar-EIA besitzt einen mittleren Messbereich von 0,1 – 5,9 ng/ml. Während in<br />

allen Milben-, Schimmelpilz- und Getreideextrakten keine Reaktivität nachgewiesen<br />

wurde, zeigte der Assay dagegen geringe Reaktionen mit anderen Tierextrakten, wobei<br />

darunter die Reaktion mit Ziegenepithelien am ausgeprägtesten war. Erwartungsgemäß<br />

561


P62<br />

Poster – Atemwege IV<br />

wurde in den Stallstäuben ein viel höherer Allergengehalt (Median 12225 µg/g Staub) als<br />

in den Wohnraumstäuben (Median 93,3 µg/g) und den Matratzenstäuben (Median 68,6<br />

µg/g) von Landwirten bestimmt. In den Hausstaubproben von Nicht-Exponierten ließen<br />

sich aber auch geringe Mengen an Rinderallergenen nachweisen (Median 0,2 µg/g). In<br />

den Wohnbereichen von Landwirten war die gemessene Allergenmenge ca. um den<br />

Faktor 400 höher als in den Wohnräumen der Nicht-Exponierten. Die gemessenen<br />

Rinderhaarallergen-Werte zeigten eine sehr gute Übereinstimmung mit den mittels<br />

Rocket-Immunelektrophorese bestimmten Bos d 2-Gehalten (r = 0,87).<br />

Schlussfolgerung:<br />

Der neu entwickelte Rinderhaar-EIA ist empfindlich und spezifisch genug, so dass er<br />

somit zur Quantifizierung der Allergenbelastung sowohl am Arbeitsplatz als auch im<br />

häuslichen Bereich eingesetzt werden kann. Auch für die Bestimmung von<br />

luftgetragenen Rinderhaarallergenen ist der Assay ausreichend sensitiv.<br />

Literatur:<br />

(1) Rautiainen J, Rytkonen M, Virtanen T, Pentikainen J, Zeiler T, Mantyjarvi R.<br />

BDA20, a major bovine dander allergen characterized at the sequence level, is Bos<br />

d 2. J Allergy Clin Immunol 1997;100(2):251-2.<br />

(2) Ylonen J, Mantyjarvi R, Taivainen A, Virtanen T. IgG and IgE antibody responses to<br />

cow dander and urine in farmers with cow-induced asthma. Clin Exp Allergy 1992<br />

January;22(1):83-90.<br />

(3) Berger I, Schierl R, Ochmann U, Egger U, Scharrer E, Nowak D. Concentrations of<br />

dust, allergens and endotoxin in stables, living rooms and mattresses from cattle<br />

farmers in southern Bavaria. Ann Agric Environ Med 2005;12(1):101-7.<br />

(4) Hinze S, Bergmann KC, Lowenstein H, Hansen GN. Cow hair allergen (Bos d 2)<br />

content in house dust: correlation with sensitization in farmers with cow hair<br />

asthma. Int Arch Allergy Immunol 1997;112(3):231-7.<br />

562


P63<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Mikrobielle Kontamination von Atemschutz in Abhängigkeit von<br />

der Tragedauer bei Landwirten mit berufsbedingter<br />

Atemwegsallergie<br />

Astrid R.R. Heutelbeck 1 , Ernst Hallier 1 , Ullrich Schmelz 2<br />

1 Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsmedizin Göttingen<br />

2 Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Göttingen<br />

In Staub-exponierten Arbeitsbereichen hat hinsichtlich der persönlichen<br />

Schutzmaßnahmen die Nutzung von Atemschutzgeräten oberste Priorität. Grundsätzlich<br />

wird kommerziell erhältlichen Arbeitsschutzgeräten bereits seit Jahren eine gute<br />

Praktikabilität und Akzeptanz bei den Landwirten bescheinigt (Müller-Wening 1989,<br />

Taivainen 1998), wobei allerdings in der landwirtschaftlichen Praxis eine konsequente<br />

und regelmäßige Nutzung noch selten ist. Auch wirtschaftliche Überlegungen tragen<br />

sicherlich dazu bei, dass die Filter häufig unregelmäßig und erst nach monatelanger<br />

Tragedauer gewechselt werden. Allerdings fehlen bislang Erkenntnisse zur möglichen<br />

mikrobiellen Kontamination in Abhängigkeit von Nutzungsumgebung und<br />

Nutzungsdauer. Ziel: Gegenstand der Untersuchung war es, Art, Umfang und<br />

gesundheitliche Relevanz der mikrobiellen Kontamination von Atemschutzfiltern in<br />

Abhängigkeit von deren Nutzungszeit bei atemwegskranken Nutztierhaltern zu ermitteln.<br />

Methode: Gebläseunterstützter Atemschutz (P2 und P3 Filter) wurde von<br />

atemwegskranken Nutztierhaltern (Rinder (n=3), Schweine (n=3), Geflügel (n=1), Pferde<br />

(n=1)) täglich mehrstündig ein, zwei, beziehungsweise drei Wochen bis zum<br />

Filterwechsel benutzt. Im Filtermaterial wurden nach Extraktion mittels 0,9% NaCl-<br />

Lösung, quantitativer Aufbereitung (Verdünnung) und Inkubation auf Vollblutagar<br />

(Bakterien), sowie auf DG18- und Sabouraud-Agar (Pilze) die mikrobiellen Kolonien<br />

(KBE) pro Gramm Filter quantifiziert. Die Bestimmung von mikrobieller Gattung und Art<br />

erfolgte nach Färbung mikroskopisch und biochemisch. Mittels Immunblot wurde das Blut<br />

der Landwirte auf spezifisches IgE gegen die detektierten Schimmelpilze untersucht<br />

(Heutelbeck 2004). Ergebnis: Mit zunehmender Dauer der Nutzungszeit zeigte sich eine<br />

mikrobielle Besiedelung mit Bakterien bis zu KBE 7,5 x 10 5 (Abbildung 1a) und mit<br />

Schimmelpilzen bis zu KBE 6 x 10 6 (Abbildung 1b) auf der unreinen Seite der<br />

Atemschutzfilter. Bei drei atemwegssymptomatischen Landwirten konnten im<br />

Immunoblot Hinweise auf eine IgE vermittelte Sensibilisierung gegen die detektierten<br />

Schimmelpilze wie Mucor, Aureobasidium, Penicillium und Aspergillus nachgewiesen<br />

werden. Ein „Durchschlagen“ der Schimmelpilze auf die reine, den Atemwegen<br />

zugewandte Seite der Atemschutzfilter konnte in fast allen Betriebsarten bereits nach<br />

zwei Wochen Nutzungsdauer nachgewiesen werden, ebenso eine relevante mikrobielle<br />

563


P63<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Hintergrundbelastung in den zur Aufbewahrung der Arbeitskleidung und<br />

Atemschutzausrüstung genutzten Räumen. Diskussion: Die genutzten Atemschutzfilter<br />

waren zur Abscheidung von mikrobieller aerogener Belastung an den<br />

Tierhaltungsarbeitsplätzen prinzipiell geeignet. Dennoch war ein Durchschlagen der<br />

adsorbierten Belastung zu beobachten, so dass bei einer täglich mehrstündigen<br />

Tragedauer ein Filterwechsel der P2, besser P3 Filter, nach ein bis maximal zwei<br />

Wochen erfolgen sollte. Desweiteren empfiehlt sich die Aufbewahrung der<br />

Atemschutzausrüstung in geschützter Atmosphäre. Allerdings ersetzt die Verwendung<br />

derartiger Atemschutzgeräte nicht die Karenz der schädigenden Exposition und weitere<br />

flankierende Maßnahmen wie schützende Arbeitskleidung und die Schaffung von<br />

Schwarz- und Weißbereichen zur Minderung der Allergenverschleppung. Hinsichtlich der<br />

Arbeitskleidung empfiehlt es sich, zumindest bedeckende Arbeitskleidung konsequent im<br />

Stall zu tragen. Auch liegen erste Erfahrungen mit allergendichter Arbeitskleidung als<br />

Präventionsmaßnahme bei rinderallergischen Landwirten vor (Heutelbeck <strong>2009</strong>). Damit<br />

kommen aus präventionsmedizinischer Sicht der Einrichtung einer Umkleide (Schwarz-<br />

Weißbereich), der Nutzung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung, der Sanierung<br />

des häuslichen Bereiches hinsichtlich der Allergenbelastung, sowie der hygienisch<br />

einwandfreien Gestaltung von Arbeits- und Wohnbereich die größere Bedeutung zu, um<br />

der Entwicklung und dem Fortschreiten einer landwirtschaftsbedingten Atemwegsallergie<br />

vorzubeugen. Schlussfolgerungen: Die genutzten Atemschutzfilter waren zur<br />

Abscheidung von mikrobieller aerogener Belastung an den Tierhaltungsarbeitsplätzen<br />

geeignet. Dennoch war ein Durchschlagen der adsorbierten Belastung zu beobachten,<br />

so dass ein Wechsel der P2-, besser P3-Filter nach ein bis maximal zwei Wochen<br />

erfolgen sollte, wenn die Tragedauer täglich mehrere Stunden überschreitet.<br />

Desweiteren empfiehlt sich die Aufbewahrung der Atemschutzausrüstung in geschützter<br />

Atmosphäre.<br />

Literatur: Heutelbeck A, Rinnau E, Luthin S, Thiemich J, Förster G, Nöring R, Rabente T,<br />

Glade T, Warfoloneow I, Dunkelberg H, Schulz TG, Hallier E (2004) Allergologische<br />

Diagnostik bei Verdacht auf eine Schimmelpilzallergie beim Umgang mit<br />

Kühlschmierstoffen in der Metallindustrie. Zbl. Arbeitsmed. 54, 138 – 145<br />

Heutelbeck ARR, Hallier E (<strong>2009</strong>) Aktuelles zur Prävention der berufsbedingten<br />

Rinderallergie in der Landwirtschaft: Erfahrungen mit allergendichter Arbeitskleidung<br />

Zbl. Arbeitsmed 59, 82-87<br />

Müller-Wening D, Repp H (1989) Investigation on the protective value of breathing<br />

masks in farmer’s lung using an inhalation provocation test. Chest 95, 100-105<br />

Taivainen AI, Tukiainen HO, Terho EO, Husman KR (1998) Powered dust respirator<br />

helmets in the prevention of occupational asthma among farmers. Scand. J. Work<br />

Environ. Health 24, 503-507<br />

Die Untersuchung erfolgte in Kooperation mit der LBG Niedersachsen-Bremen.<br />

564


P63<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Atemschutzfilter Nutzungszeit 1 Woche<br />

Atemschutzfilter Nutzungszeit 2 Wochen<br />

Atemschutzfilter Nutzungszeit 3 Wochen<br />

Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 1 Woche<br />

Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 2 Wochen<br />

Hintergrundpilzlast während der Lagerungsperiode von 3 Wochen<br />

Abbildung 1: Darstellung der Keimlast in Atemschutz- und Kontrollfiltern in den untersuchten Tierhaltungsbetrieben in Abhängigkeit von<br />

der Nutzungsdauer der Atemschutzausrüstung (a: kolonienbildende Einheiten bakteriellen Ursprungs; b: kolonienbildende Einheiten<br />

pilzbedingten Ursprungs)<br />

565


P64<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Mus m 1 Exposition unter verschiedenen Arbeits- und Haltungsbedingungen<br />

in der Labortierhaltung<br />

Siegfried Turowski 1,2 , Jürgen Krause 3 , Ernst Hallier 1 , Hermann Riedesel 3,4 , Astrid Heutelbeck 1<br />

1 Arbeits- und Sozialmedizin Universitätsmedizin Göttingen (UMG)<br />

2 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)<br />

3 Max-Planck-Institut (MPI) für Experimentelle Medizin, Tierhaus Göttingen<br />

4 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Tierexperimentelle Einheit, Braunschweig<br />

Hintergrund:<br />

Atemwegserkrankungen durch Labortierallergene sind bei Beschäftigten in<br />

experimentellen Tierhaltungen weit verbreitet. Zur Entwicklung geeigneter<br />

Arbeitsschutzstrategien ist eine Analyse der Allergenbelastung notwendig. Gegenstand<br />

der vorliegenden Untersuchung war die inhalative Mausallergenexposition unter<br />

verschiedenen Arbeitsplatzbedingungen.<br />

Methodik:<br />

Mittels stationärer und personengetragener Messung (Durchfluß: 2,5 to 3 l/min, 8 µm<br />

Zellulosenitratfilter) wurden in Tierlaboren, der Käfigwaschanlage sowie an einem<br />

indirekt allergenexponierten PC-Arbeitsplatz die alveolengängigen und einatembaren<br />

Staubfraktionen jeweils über die Dauer einer Arbeitsschicht gesammelt. Dabei wurden<br />

verschiedenen Haltungs- (offene Käfige, einzeln belüftete Käfige (IVC) mit Über- und<br />

Unterdruckbelüftung) und Arbeitsbedingungen (offenes Umsetzen der Tiere, Umsetzen<br />

unter der Laminarflowbank) berücksichtigt. Nach Extraktion wurde das Mausallergen<br />

mus m 1 mittels kommerziell erhältlichem ELISA quantifiziert.<br />

Ergebnis:<br />

In den IVC´s lag der mittlere Allergengehalt von mus m 1 bis 0,55 ng/m 3 (Überdruck), in<br />

den Ställen mit offenen Käfigen bei bis zu 12,97 ng/m 3 . Beim offenen Umsetzen fanden<br />

sich mus m 1 Level bis zu 17,55 ng/m 3 verglichen mit 0,67 ng/m 3 beim Umsetzen unter<br />

der Laminarflowbank. Höhere Allergenmengen, bis zu 84,93 ng/m 3 mus m 1, wurden in<br />

der Luft bei der Käfigwaschanlage detektiert; mittels Absaugung konnte der Level auf<br />

2,59 ng/m 3 verringert werden. In der Luft am PC Arbeitsplatz ließen sich<br />

Mausallergenmengen bis zu 7,16 ng/m 3 nachweisen.<br />

Diskussion und Schlussfolgerung:<br />

Unter den meisten Arbeitsbedingungen waren relevante Mausallergenexpositionen<br />

festzustellen. Bereits in früheren Untersuchungen konnte die Einstreu der Käfige als<br />

Hauptquelle für die aerogene Belastung in den Tierlaboren identifiziert werden (Kaliste<br />

566


P64<br />

Poster – Atemwege IV<br />

2004). Ebenso findet die höchste Belastung mit Mausallergenen in Folge des direkten<br />

Tierkontaktes statt (Ohman 1994). Wichtig war die Beobachtung, dass sich auch an<br />

indirekt exponierten Arbeitsbereichen, wie beispielsweise dem PC-Arbeitsplatz, relevante<br />

Mausallergenbelastungen nachweisen ließen. Bei der offenen Käfighaltung traten bis zu<br />

20-fach höhere mus m 1 Expositionen als bei einzeln belüfteten Käfigen auf. Die<br />

Belüftung der IVC‘s mit Unterdruck ergab hingegen nur geringe Unterschiede hinsichtlich<br />

der aerogenen Mausallergenbelastung im Vergleich zur Belüftung mit Überdruck.<br />

Der Vergleich des Umsetzens der Tiere ohne Abzug oder unter der Laminarflowbank<br />

zeigte für Letzteres erwartungsgemäß eine geringere Allergenbelastung (vgl. Gordon<br />

2001). In der Käfigwaschanlage konnte eine 32-fache Allergenreduktion durch die<br />

Installation einer einfachen Absaugung erreicht werden. Weiterführende Untersuchungen<br />

sollen die Relevanz der möglichen Allergenminderung hinsichtlich der Prävention<br />

arbeitsbedingter Atemwegsallergien beleuchten.<br />

Literatur :<br />

Kaliste et al.: The bedding of laboratory animals as a source of airborne contaminant.<br />

Lab Animals (2004) 38: 25-37<br />

Gordon et al.: Elimination of mouse allergens in the working environement: assessment<br />

of individually ventilated cage systems and ventilated cabinets in the containment of<br />

mouse allergens. J Allergy Clin Immunol (2001) 108: 288-294<br />

Ohman et al.: Distribution of airborne mouse allergen in a major mouse breeding facility.<br />

J Allergy Clin Immunol (1994) 94: 810-817<br />

567


P64<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Tabelle 1: Ergebnisse der Allergenmessung<br />

Arbeitsbereich Haltung und Arbeitsverfahren MUS m1 level (ng/m 3 )<br />

Tierlabor (nachts) offene Käfige 12,97<br />

Tierlabor<br />

(Käfigwechsel)<br />

einzeln belüftete Käfige (IVC) mit<br />

Unterdruckbelüftung<br />

einzeln belüftete Käfige (IVC) mit<br />

Überdruckbelüftung<br />

Umsetzen der Tiere ohne<br />

Laminarflow-Bank (offene Käfige)<br />

Umsetzen der Tiere unter der<br />

Laminarflow-Bank (IVC –<br />

Unterdruck)<br />

Umsetzen der Tiere ohne<br />

Laminarflow-Bank (IVC)<br />

< NG<br />

0,55<br />

17,55<br />

0,67<br />

1,15<br />

Käfigwaschanlage ohne Absaugung 84,93<br />

mit Absaugung 2,59<br />

indirekt exponierte<br />

Bereiche<br />

PC Arbeitsplatz 7,16<br />

568


P65<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Arbeitsplatz Geflügelstall – hohe Belastung durch Bioaerosole<br />

Monika A. Rieger 1,2 , Nicole Blomberg 1<br />

1<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin,<br />

Fakultät für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />

2<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27, 72074 Tübingen<br />

Einleitung<br />

Zum Ende des Jahres 2008 liefen die Übergangsfristen zur Abschaffung der<br />

Käfighaltung in Deutschland endgültig aus. Damit sind nur noch verschiedene Varianten<br />

der Bodenhaltung und die Kleingruppenhaltung, eine modifizierte Form der Käfighaltung,<br />

zulässig. In explorativen Messungen in alternativen Legehennenhaltungssystemen<br />

wurde gezeigt, dass die Beschäftigten regelmäßig hohen Konzentrationen des Stall-<br />

Bioaerosols ausgesetzt sind (1). Dies kann zu erheblichen Auswirkungen auf die<br />

Gesundheit der Exponierten führen. Im Rahmen eines Verbundprojektes werden Qualität<br />

und Quantität der luftgetragenen biologischen Arbeitsstoffe zur Charakterisierung der<br />

verschiedenen artgerechten Haltungsformen mit Fokus auf den Arbeitsschutz<br />

herangezogen (BLE, Teilprojekt 05 HS 012/1). Ziel des Verbundprojektes ist es, den<br />

Umfang und die Höhe der wichtigsten luftbelastenden Stoffe zu ermitteln und<br />

Emissionsminderungsmaßnahmen zu identifizieren sowie persönliche<br />

Arbeitsschutzmaßnahmen für die in der Legehennenhaltung Beschäftigten zu erarbeiten.<br />

Methoden: Folgende Haltungssysteme wurden für die Untersuchung ausgewählt:<br />

Freilandhaltung (Innenraum: Ganzrostboden über Kotgrube, eingestreuter<br />

Scharrbereich) - Bodenhaltung (Kotlagerung ganzjährig im Stall, Scharrbereich im Stall,<br />

Sitzstangen auf 3 Ebenen, kein Wintergarten) – Voliere (Kotbänder, Scharrrbereich im<br />

Stall, kein Wintergarten) – Kleingruppenhaltung (mit Scharrfläche). Alle Ställe hatten eine<br />

temperaturgesteuerte Zwangsbelüftung. Über zwei Aufstallungsperioden wurden<br />

Schimmelpilze (SP), Endotoxine und Glucane aus filtriertem Stallstaub (GSP-PGP-<br />

System, BGIA) gemäß BGIA-Merkblätter bestimmt (SP: indirektes kulturelles Verfahren;<br />

Endotoxine: COAMATIC® Chromo-LAL K; Glucane bestimmt als Differenz der<br />

Endotoxinbestimmung mit und ohne Glucashield®-Puffer) (Durchführung der<br />

mikrobiologischen Untersuchungen: Labor Dr. Balfanz – Dr. Lohmeyer GbR, Münster).<br />

Die Messungen wurden alle drei Monate an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stationär<br />

(Grundbelastung im Stall) und personengetragen (Tätigkeiten der Beschäftigten)<br />

durchgeführt.<br />

569


P65<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Ergebnisse: Zur Auswertung lagen die Messwerte aus dem Zeitraum 6/2007-12/2008<br />

vor. Über alle Messzeitpunkte zusammengefasst wiesen bei der stationären Messung die<br />

Bodenhaltung und der Stall der Freilandhaltung die höchsten Endotoxinkonzentrationen<br />

(mit Glucashield®-Puffer) auf (Median: 4.943 EU/m 3 bzw. 3.338 EU/m 3 ), gefolgt von der<br />

Voliere und der Kleingruppenhaltung (Median: 1.181 EU/m 3 bzw. 633 EU/m 3 ). Erhöhte<br />

Schimmelpilzkonzentrationen fanden sich nur in der Freilandhaltung (2.191 KBE/m 3 ). Die<br />

Endotoxinkonzentrationen schwankten z.T. erheblich (Abb. 1).<br />

Abb. 1: Endotoxine - Ergebnisse der stationären Messung, Nachweis mit Glucashield®<br />

Diskussion:<br />

In den untersuchten Geflügelställen wurden die Beschäftigten hohen Konzentrationen<br />

luftgetragener biologischer Arbeitsstoffe ausgesetzt. Die Endotoxinkonzentrationen lagen<br />

in den beiden Bodenhaltungssystemen (Bodenhaltung und Stall der Freilandhaltung)<br />

höher als in der Voliere und der Kleingruppenhaltung. Nicht zuletzt da die Tiere auf<br />

Tätigkeiten der Beschäftigten in der Regel mit einer höheren Aktivität reagieren, ist für<br />

die Arbeit in allen Haltungssystemen gemäß TRBA 230 (2) die Verwendung von<br />

Atemschutz zu empfehlen (z.B. partikelfiltrierende Halbmasken). In einem Teilprojekt des<br />

Verbundes erfolgt eine entsprechende Intervention bei Beschäftigten in der<br />

Geflügelhaltung (Schulung, Anleitung zum Tragen von Masken, Erfassen der Effektivität<br />

von Atemschutz). Daneben müssen diejenigen baulich-technischen Faktoren identifiziert<br />

werden, die die Luftqualität im Stall beeinflussen. Dieser Ansatz wird in weiteren<br />

Teilprojekten des Verbundes verfolgt.<br />

570


P65<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Danksagung<br />

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Bundesanstalt für Ernährung<br />

und Landwirtschaft (BLE) (FKZ 05 HS 012/1). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und<br />

Sozialmedizin Tübingen wird finanziell unterstützt durch den Verband der Metall- und<br />

Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall).<br />

Literatur<br />

(1) Blomberg, N., Rieger, M.A.: Luftqualität in alternativen Legehennenhaltungsbetrieben<br />

Orientierende Untersuchungen zu biologischen Arbeitsstoffen, Gefahrstoffe –<br />

Reinhaltung der Luft, 68 (9), 2008, 369-378<br />

(2) TRBA 230 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der<br />

Land- und Forstwirtschaft und vergleichbaren Tätigkeiten“, Ausgabe November 2007,<br />

www.baua.de<br />

571


P66<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Polyaziridinvernetzer in der Lederindustrie – Auslöser eines<br />

pseudoallergischen Berufsasthmas?<br />

Elke Ochsmann 1,2 , Barbara Jüngert 2 , Hans Drexler 2<br />

1 Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Erlangen<br />

Einleitung: Ein 61jähriger Patient stellte sich im Nov 07 zur Begutachtung am Institut für<br />

Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg vor. Er war als<br />

Zurichter in der Lederindustrie tätig, wo seine Tätigkeit darin bestand behandeltes Leder<br />

auf eine Bahn aufzulegen, die in den Trockenkanal führt. Aufgrund von Beschwerden im<br />

Sinne einer obstruktiven Atemwegserkrankung stellte der behandelnde Lungenfacharzt<br />

eine BK-Anzeige (gefährdende Einwirkung: Lösungsmittel am Arbeitsplatz). Das<br />

Unternehmen hielt nach Kontrolle des Arbeitsplatzes fest, dass die Atembeschwerden<br />

am ehesten aufgrund von Verdampfung der Hilfsmittel Härter U und Telac W15 auftreten<br />

könnten, dass keine direkt gefährdende Tätigkeit ausgeübt wird, dass daher auch keine<br />

Ergebnisse von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vorliegen würden und<br />

ebenso keine Luftmessungen am Arbeitsplatz.<br />

Aus den Unterlagen des Lungenfacharztes konnten vor Lyse ein VCin (l) von 75%; ein<br />

FEV1max (l) von 44%, ein FeV1/VC von 59% und ein Rtot (kPas/l) von 131% bestimmt<br />

werden. Nach Lyse wurden folgende Werte gemessen: VCin (l) 93%, FEV1max (l) 55%,<br />

FEV1/VC 59% und Rtot (kPas/l) 66%. Als Therapie wurde Salbutamol bei Bedarf<br />

festgelegt.<br />

Im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes wird erläutert, dass als Zurichtung die<br />

Schutzschicht bezeichnet wird, die auf das nach der Gerbung und dem Färben<br />

getrocknete Leder aufgetragen wird, um es vor mechanischer Beanspruchung,<br />

Verschmutzung und Feuchtigkeit zu schützen. Die Zurichtchemikalien werden in einem<br />

Spritzkanal aufgebracht. Das Spritzen des Leders läuft in einem geschlossenen System<br />

(mit Ablüftvorrichtung) ab. In der Farbküche (getrennter Raum) werden die Chemikalien<br />

gemischt, in einem Fass zur Spritzmaschine transportiert und über einen Schlauch<br />

angesaugt. Der Versicherte war ausschließlich an der Spritzmaschine tätig.<br />

Atemwegsprobleme des Versicherten treten nur bei Verwendung des Härter U auf<br />

(Inhaltsstoffe: Polyaziridinvernetzer (50-100%) und 1-Methoxy-2-propanol (25-50%).<br />

Anamnese:<br />

Hustenreiz und Atemnot am Arbeitsplatz, die im Urlaub oder am Wochenende<br />

nicht bestehen würden. Im Alltag sonst keine Atembeschwerden.<br />

572


P66<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Atemnot-Symptomatik beim Umgang mit Härter U in der Spritzmaschine (bereits<br />

kurz nach Einbringung des Arbeitsstoffes, aber z. T. nächtliche<br />

Verschlimmerung).<br />

Augenbrennen, Augenrötung und z. T. auch Nasenbluten am Arbeitsplatz (auch<br />

bei Kollegen).<br />

Schutzausrüstung: Handschuhe<br />

Der Mitarbeiter ist seit 1965 als Gerber tätig (mit einer Unterbrechung von 4<br />

Jahren, in denen er in der Keramikindustrie beschäftigt war: 1985-1989). Keine<br />

relevanten betrieblichen Veränderungen.<br />

Exraucher seit 12 Jahren, zuvor ca. 30 Jahre eine halbe Schachtel pro Tag<br />

Familienanamnese: keine allergischen Erkrankungen, keine Atopie bekannt<br />

Untersuchungsergebnisse:<br />

körperliche Untersuchung (insbesondere Auskultation der Lunge) unauffällig.<br />

Ausgangs-Lungenfunktionsdiagnostik (Einnahme der Bedarfs-Medikation am<br />

vorherigen Tag): kein Hinweis auf eine obstruktive Ventilationsstörung:<br />

VCin (l) 4,36 (124%)<br />

FEV1max (l) 3,43 (127%)<br />

ITGV (l) 3,45 (106%)<br />

Rtot (kPas/l) 0,18 (60%)<br />

sRtot (kPas) 0,69 (59%)<br />

Metacholintest: mittelgradige unspezifische bronchiale Hyperreagibilität.<br />

Bereits bei einer kumulativen Metacholindosis von 0,106 ml (3. Metacholinstufe)<br />

Auftreten einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (UHB).<br />

Rtot (kPas/l) vorher 0,15 nachher 0,35<br />

sRtot (kPas) vorher 0,50 nachher 1,39<br />

Arbeitsplatz-Inhalations-Test (AIT)<br />

Ca. 50 ml Aziridinvernetzer in Plastikschale mit Spatel verrührt – Abstand zum<br />

Gesicht ca. 30 cm<br />

Klinik: sofort Augenbrennen, zunehmender Husten, nach 5minütiger Exposition<br />

Abbruch wegen Dyspnoe und Schwindelgefühl. Unauffällige Auskultation.<br />

Lungenfunktionsanalyse (AIT – direkt nach Abbruch der Exposition):<br />

VCin (l) 4,15 (118%)<br />

FEV1max (l) 3,11 (115%)<br />

ITGV (l) 2,64 (81%)<br />

Rtot (kPas/l) 0,42 (141%)<br />

sRtot (kPas) 1,30 (110%)<br />

573


P66<br />

Poster – Atemwege IV<br />

Pricktestung mit Härter U-Polyaziridinvernetzer 5% in physiologischer<br />

Kochsalzlösung bei dem Mitarbeiter wie auch bei zwei Kontrollpersonen:<br />

Mitarbeiter: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 4/4; Polyaziridinvernetzer 5/5<br />

Kontrolle1: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 8/25; Polyaziridinvernetzer 7/7<br />

Kontrolle2: Kochsalzlösung 0/0; Histamin 5/10; Polyaziridinvernetzer 5/5<br />

Laboruntersuchungen: IgE gesamt: 7,28 U/ml.<br />

Schlussfolgerung:<br />

Nach Exposition erfolgte eine sofortige klinische Reaktion des Mitarbeiters, was im Sinne<br />

einer allergischen Reaktion vom Typ 1 gedeutet werden könnte. In der Literatur wird ein<br />

sehr unspezifisches Bild, was das allergische Potential von Polyaziridinvernetzern betrifft<br />

gezeichnet, das von akuten Reaktionen der Atemwege über Rhinitis, Quaddelbildung bis<br />

zur Kontaktdermatitis reicht. Meist kann keine deutliche IgE-Erhöhung nachgewiesen<br />

werden. Weiterhin konnte bis jetzt kein spezifisches IgE/IgG nachgewiesen werden [1-3].<br />

Die positive Reaktion im Pricktest der nicht exponierten Kontrollpersonen könnte ein<br />

Hinweis auf eine unspezifische Histaminliberation durch Aziridin sein und die bronchiale<br />

Reaktion des Patienten am Arbeitsplatz erklären. Damit könnten die Beschwerden des<br />

Mitarbeiters als pseudoallergisches Berufsasthma gelten. Eine weitere Abklärung dieses<br />

Zusammenhangs ist angedacht, ggf. wird ein B-Zell-Aktivierungs-Test durchgeführt<br />

werden.<br />

574


P67<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Gibt es ein Krebsrisiko durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />

Gesundheitswesen?<br />

Grita Schedlbauer, Wolfgang Wegscheider, Udo Eickmann, Albert Nienhaus<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.<br />

Einleitung: Formaldehyd wird im Gesundheitswesen in größeren Mengen zur<br />

Desinfektion und Konservierung verwendet. Die IARC stuft Formaldehyd in ihrer<br />

vorläufigen Evaluation als krebserzeugend beim Menschen ein [1]. Das Risiko für<br />

Karzinome im Nasopharyngeal-Bereich ist danach erhöht. In einem Literatur-Review<br />

wurde die Evidenz für diese Einschätzung untersucht. Ferner wurden Daten zur<br />

Expositionssituation im Gesundheitswesen gesucht, um ein evtl. Krebsrisiko für<br />

Beschäftigte im Gesundheitswesen abschätzen zu können.<br />

Methode: Die Analyse beruht auf 9 Meta-Analysen bzw. publizierten Reviews sowie einer<br />

Medline-Recherche mit den entsprechenden Stichwörtern. Über Medline konnten wir<br />

keine Studien zur Exposition im Gesundheitswesen identifizieren. In den einschlägigen<br />

deutschen Zeitschriften wurden per Handsuche drei relevante Publikationen identifiziert.<br />

Ergebnisse: Die Studien sind insgesamt widersprüchlich. Die Einstufung von<br />

Formaldehyd als human-kanzerogener Stoff, der Nasopharyngeal-Tumore verursacht,<br />

lässt sich am ehesten mit der Meta-Analyse von Blair et al. [2] begründen. Lediglich in 3<br />

Studien von 9 Metaanalysen wurden Expositionen quantifiziert und es zeigten sich<br />

erhöhte Risiken für Nasopharynx-Karzinome (Tabelle 1). Bei der kombinierten Analyse<br />

der drei Studien fand sich in der höchsten Expositionsgruppe ein statistisch signifikant<br />

erhöhtes RR von 2,1 für Nasopharyngeal-Tumoren [2]. Die Definition der höchsten<br />

Expositionsgruppe war in den drei kombinierten Studien uneinheitlich: ≥5,5 ppm-Jahre,<br />

eine höhere Exposition (≥1 ppm/Tag) für mindestens 20 Jahre oder nur qualitative<br />

Angabe. Systematische Messungen von Formaldehyd-Expositionen im<br />

Gesundheitswesen liegen nur in geringer Zahl vor. Der Kurzzeitwert für Formaldehyd<br />

(0,6 ppm) wurde je nach Tätigkeit in 20-53% der Messungen überschritten.<br />

Diskussion: Insgesamt ist die Datenlage für die Einstufung von Formaldehyd als<br />

Humankanzerogen eher schwach. Die Studien erlauben keine Abschätzung von<br />

Dosiswirkungsbeziehungen. Expositionsermittlungen wurden bisher eher in Hinblick auf<br />

Einhaltung oder Nicht-Einhaltung der Grenzwerte durchgeführt. Kumulierte<br />

Expositionsabschätzungen liegen nicht vor. Deshalb kann keine evidenzbasierte<br />

Abschätzung des Krebsrisikos durch Formaldehyd für Beschäftigte im<br />

575


P67<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Gesundheitswesen vorgenommen werden. Aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse<br />

der epidemiologischen Studien ist eher von einem geringen Krebsrisiko auszugehen.<br />

Tabelle 1: Studien mit quantitativen Angaben zur Expositionshöhe und erhöhtem Risiko für<br />

Nasopharynx-Karzinome<br />

Studie Expositionshöhe Ergebnis<br />

Roush et al. [3] Höhe der Exposition (keine, 20 Jahre in der<br />

Gruppe der älteren Männer (>68<br />

Jahre)<br />

Marsh et al. [4]<br />

Blair et al. [5] *<br />

>0,2 ppm;<br />

>0,2 ppm für >10 Jahre<br />

Tätigkeiten wurden 5 geschätzten<br />

Expositionskategorien zugeordnet<br />

und ppm-Jahre berechnet (


P68<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Gewalt und Aggression gegenüber Beschäftigten in Pflege- und<br />

Betreuungsberufen<br />

Simone Franz, Annett Zeh, Anja Schablon, Saskia Kuhnert, Albert Nienhaus<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />

Ziel der Studie<br />

Handlungen der Gewalt und Aggression, die durch Klienten gegenüber Pflege- und<br />

Betreuungspersonal ausgeübt werden, können schwere körperliche und psychische<br />

Folgen für die Betroffenen haben. Angaben über die Prävalenz sowie die Art und<br />

Schwere derartiger Übergriffe sind nur bedingt aussagekräftig, da sich die<br />

Studiendesigns teilweise sehr stark unterscheiden (Zeh et al. 2008). Darüber hinaus ist<br />

von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, so dass die Zahl tatsächlicher Übergriffe<br />

vermutlich höher liegt (Rippon 2000). Besonders in Deutschland steht die Forschung in<br />

diesem Themenbereich noch am Anfang (Richter 2002). Das Ziel der vorliegenden<br />

Studie war es zum einen das Vorkommen sowie die Art und Schwere von Gewalt und<br />

Aggression gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen näher zu beleuchten. Zum<br />

anderen sollten Aussagen über den Bedarf an Maßnahmen zum Umgang mit derartigen<br />

Übergriffen getroffen werden.<br />

Methoden<br />

Im Rahmen einer Querschnittserhebung wurden Pflege- und Betreuungspersonen mit<br />

einem standardisierten Erhebungsinstrument zu ihren Erfahrungen mit körperlicher und<br />

verbaler Aggression in den vorausgegangenen zwölf Monaten schriftlich befragt. In dem<br />

Instrument waren sowohl Fragen zu Häufigkeit und Art der Übergriffe enthalten, als auch<br />

zu den Folgen, zu der Belastung und zu unterstützenden Angeboten am Arbeitsplatz. Die<br />

Stichprobe bestand aus 123 Pflegekräften und Betreuungspersonen, die aus einer<br />

psychiatrischen Klinik, zwei Einrichtungen der stationären Altenpflege und einer<br />

Werkstatt für behinderte Menschen (WFB) rekrutiert wurden. Die Responserate betrug<br />

38,8%.<br />

Ergebnisse<br />

Verbale Gewalt erlebten 89,4% und körperliche Gewalt 70,7% der Befragten. In der<br />

Abbildung 1 ist die Prävalenz aggressiven Verhaltens getrennt nach<br />

Versorgungsbereichen dargestellt. Beschäftigte aus der stationären Altenpflege waren<br />

ähnlich stark von verbaler und körperlicher Aggression betroffen wie Pflegekräfte aus der<br />

psychiatrischen Klinik. 82,9% der von verbaler Gewalt betroffenen Personen berichten,<br />

dass derartige Übergriffe einmal im Monat oder häufiger geschehen sind. Im Bereich der<br />

577


P68<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

körperlichen Gewalt waren dies 44,8%. Weitere Ergebnisse der Studie waren, dass<br />

Gewalt und Aggression zumeist mit leichteren körperlichen Beeinträchtigungen (z.B.<br />

kurzzeitige Schmerzen) einhergingen. 10,9% gaben an, dass eine ärztliche Behandlung<br />

notwendig war. Anders sieht es mit den emotionalen Folgen aus. Die befragten Personen<br />

empfangen nach Übergriffen vor allem Ärger, Wut, Enttäuschung oder Hilflosigkeit. Die<br />

Belastung durch Gewalt und Aggression wurde von 36,2% als wenig oder mittelmäßig<br />

belastend eingeschätzt, 27,6% empfunden die Situationen als stark belastend. Soziale<br />

Unterstützung erhielten die befragten Personen vor allem aus dem Kollegenkreis<br />

(83,6%). Dagegen haben 12,9% keinerlei soziale Unterstützung nach Übergriffen<br />

erhalten. Angebote zum Umgang mit Gewalt und Aggression bestehen derzeit vereinzelt<br />

in den Einrichtungen, darunter vor allem Weiterbildungsangebote und<br />

Fallbesprechungen. Was die Nutzung dieser betrifft, gaben 37,9% der Befragten an,<br />

keinerlei Angebote nach Situationen mit aggressiven Klienten in Anspruch genommen zu<br />

haben.<br />

Anzahl<br />

in%<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

78,7<br />

96,7<br />

Psychiatrisches<br />

Krankenhaus<br />

90,3<br />

83,9<br />

Altenpflege<br />

41,9<br />

77,4<br />

Behindertenhilfe<br />

körperlich<br />

verbal<br />

Abbildung 1: Prävalenz von Gewalt und Aggression in den untersuchten Versorgungsbereichen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Gewalt und Aggression stellen in den untersuchten Versorgungsbereichen ein großes<br />

Problem dar. Überraschenderweise war der Anteil an Gewalt und Aggression in der<br />

psychiatrischen Einrichtung vergleichbar hoch wie in den Einrichtungen der Altenpflege.<br />

Diesen Unterschieden sollte in weiteren Studien nachgegangen werden. Die aggressiven<br />

Übergriffe wurden als belastend eingeschätzt und zogen negative Emotionen nach sich.<br />

Angebote zum Umgang mit derartigen Situationen werden in den Einrichtungen noch<br />

nicht ausreichend vorgehalten. Der Bedarf an Angeboten zur Prävention und Nachsorge<br />

ist daher als hoch einzuschätzen.<br />

578


P68<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Literatur<br />

Richter, D.: Gewalt am Arbeitsplatz: Das Gesundheitswesen. In: Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.) (2002): Gewalt am Arbeitsplatz. Fachgespräch<br />

vom 26. Februar in Dresden. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW. S. 81-92.<br />

Rippon, T. J.: Agression an violence in health care professions. In: Journal of Advanced<br />

Nursing, Band 31, 2000, Nr. 2, S. 452-460.<br />

Zeh, A./Schablon, A./Wohlert, C./Richter, D./Nienhaus, A.: Gewalt und Aggression in<br />

Pflege- und Betreuungsberufen – Ein Literaturüberblick. In: Gesundheitswesen, zur<br />

Publikation angenommen am 23.12.2008.<br />

579


P69<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Wie sicher ist sicher? Entsorgung sicherer Instrumente<br />

Sabine Wicker 1,2 , Pia Lechner 3 , Holger F. Rabenau 2 , René Gottschalk 2 , Alexander<br />

Bockenheimer 3 , Christina Berger 3<br />

1 Betriebsärztlicher Dienst, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main<br />

2 Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am<br />

Main<br />

3 Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische Universität<br />

Darmstadt<br />

Einleitung: Nadelstichverletzungen sind ein ernstes Gesundheitsrisiko für Mitarbeiter im<br />

Gesundheitswesen. In diesem Kontext spielen v. a. das Hepatitis B-Virus, Hepatitis C-<br />

Virus sowie das HI-Virus eine maßgebliche Rolle. Aus diesem Grund wurde in<br />

Deutschland 2007 mit der geänderten TRBA 250 die Einführung sog. „sicherer<br />

Instrumente“ verpflichtend vorgeschrieben. Unklar bleibt dabei bislang, wie bruchsicher<br />

im Sinne der Abfallentsorgung diese Instrumente einzustufen sind. Aus ökonomischer<br />

und ökologischer Sicht sollte untersucht werden, ob Instrumente mit aktiviertem<br />

Sicherheitsmechanismus auch weiterhin im Abwurfbehälter entsorgt werden müssen.<br />

Methoden: Die sicheren Instrumente wurden eines Drei-Punkt-Biegeversuches<br />

unterzogen. Hierbei wurden die Kräfte ermittelt, die nötig waren, um die Nadel<br />

freizulegen, so dass der Schutz vor Stichverletzungen während der Entsorgung nicht<br />

mehr gewährleistet war. Die Instrumente wurden im Hinblick auf Handhabung und<br />

Entsorgung bewertet.<br />

Ergebnisse: Bezüglich der Handhabung und Aktivierung des Sicherheitsmechanismus<br />

wurden relevante Unterschiede deutlich. Bei einigen Instrumenten ist bei korrekter<br />

Anwendung keinerlei Kontakt mit der Nadelspitze möglich, bei anderen Instrumenten<br />

kann der Mechanismus erst nach der Anwendung durch den Benutzer aktiviert werden,<br />

so dass es unter Umständen zum Kontakt mit der Nadelspitze kommen könnte. Die<br />

untersuchten sicheren Instrumente konnten die gesetzte Kraftgrenze nicht erreichen und<br />

sollten dementsprechend auch weiterhin im Abwurfbehälter entsorgt werden. Weitere<br />

Entwicklungen seitens der Hersteller könnten es ermöglichen, die Instrumente auch<br />

zusammen mit Abfällen des Abfallschlüssels AS 180104 zu entsorgen, was eine enorme<br />

Platzersparnis gepaart mit einem nicht unerheblichen finanziellen Vorteil mit sich bringen<br />

würde.<br />

Diskussion: Die derzeitige Entsorgung der sicheren Instrumente sollte kritisch überdacht<br />

werden. Der Mitarbeiterschutz hat hier, wie auch bei der Handhabung, höchste Priorität,<br />

wenngleich ökonomische sowie umweltspezifische Belange nicht vernachlässigt werden<br />

580


P69<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

dürfen. Handlungsabläufe sollten vor dem Hintergrund der neuen Arbeitsinstrumente<br />

reflektiert werden um unsinnige Automatismen zu vermeiden.<br />

Literatur: Dr. Sabine Wicker, Dipl.-Ing. Pia Lechner, Prof. Dr. Holger F. Rabenau, PD Dr.<br />

Dr. René Gottschalk, Dipl.-Ing. Alexander Bockenheimer, Prof. Dr.-Ing. Christina Berger<br />

Prüfung der Bruchsicherheit sicherer medizinischer Instrumente. Zentralblatt für<br />

Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008<br />

581


P70<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Ist Grippe bei Krankenschwestern häufiger als in der<br />

Normalbevölkerung?<br />

Frank Haamann 1 , R. Williams, G. Diner, Albert Nienhaus 1 , Udo Buchholz 2<br />

1<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />

Wohlfahrtspflege, Hamburg<br />

2 Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Berlin<br />

Einleitung<br />

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Influenza-<br />

Impfung bei medizinischem Personal. Unklar ist, ob medizinisches Personal (MP) einem<br />

erhöhten Risiko für Influenza-Infektionen ausgesetzt ist. Es wurde eine prospektive,<br />

multizentrische Kohortenstudie mit der Fragestellung initiiert, ob medizinisches Personal<br />

in der stationären Akutversorgung ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant<br />

erhöhtes Risiko für eine Influenza-Infektion hat.<br />

Methoden<br />

Die Studie wurde in der Saison 2006/07 in Berlin durchgeführt. Das medizinische<br />

Personal (MP) wurde aus drei Berliner Krankenhäusern rekrutiert. Nichtmedizinischisches<br />

Personal wurde aus Blutspendezentren, einem Verwaltungszentrum,<br />

einer Bundesbehörde und zwei akademischen bzw. berufsbildenden Einrichtungen<br />

rekrutiert. Die Teilnehmer wurden vor und nach der Influenzasaison zu demographischen<br />

Grundinformationen und Risikofaktoren befragt, wie z.B. Influenza-Impfung, ausgeübter<br />

Beruf, Haushaltsgröße, Zusammensetzung des Haushalts, Autobesitz und der<br />

Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Während der Influenzasaison wurden SMS bzw.<br />

emails an alle Teilnehmer mit der Frage nach Atemwegserkrankungen versandt. Wurde<br />

diese Anfrage bejaht, wurden die betreffenden Teilnehmer zur Durchführung eines<br />

detaillierteren Symptomfragebogens angerufen. Zur Bestimmung der Antikörpertiter<br />

gegen aktuelle Influenzaviren wurde den Teilnehmern vor und nach der Influenzasaison<br />

Blut abgenommen. Serokonversion (SK) war definiert als vierfacher Titeranstieg und<br />

einem post-saisonalen Titer von mindestens 40. Die Datenanalyse erfolgte mittels der<br />

Software STATA (College Station, TX, USA).<br />

Ergebnisse<br />

Es wurden initial 1044 Teilnehmer rekrutiert, davon konnten 736 in die Endanalyse<br />

aufgenommen werden (250 MP, 486 nicht-MP). Die Altersverteilung war zweigipflig mit<br />

den beiden Gipfeln in der 3. und 5. Lebensdekade. Fast drei Viertel der Teilnehmer war<br />

weiblich. Fehlende Impfung, Autobesitz, Mehrpersonen-Haushalt und die Anwesenheit<br />

von einem oder mehr Kindern im Haushalt waren in der univariaten Analyse signifikant<br />

mit SK assoziiert, MP, Subgruppen von MP (z.B. Krankenschwestern) und die<br />

582


P70<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel dagegen nicht. In der multivariaten Analyse<br />

blieben (fehlende) Impfung, die Anwesenheit von Kindern im Haushalt und Autobesitz als<br />

signifikante Variablen im Modell. Nebenergebnisse waren, dass mindestens 28% der<br />

Teilnehmer mit Influenza-Infektion asymptomatisch blieben, dass der positive<br />

Vorhersagewert über den Studienzeitraum, d.h. während der Grippewelle 26% betrug,<br />

und dass die Schutzwirkung der Impfung etwa 44% gegen SK und etwa 75% gegen SK<br />

mit Influenza-artiger Symptomatik betrug.<br />

Schlussfolgerung<br />

Es konnten in diesem Setting und der untersuchten Saison keinen Anhalt dafür gefunden<br />

werden, dass MP in der akuten, stationären Patientenversorgung ein im Vergleich zur<br />

Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko für eine Influenza-Infektion hatte. Falls ein<br />

erhöhtes Risiko bestand, war die Power der Stichprobe zu klein, um dieses zu<br />

identifizieren. In dem Kollektiv war die Immunisierungsrate untypisch hoch (in einer Klinik<br />

68%). Die Schutzwirkung der Impfung stellte sich als gut heraus, bei Beschäftigten über<br />

50 Jahren ließ die Schutzwirkung allerdings nach.<br />

Die Aktivität der Grippesaison war mittelgradig. Ob infolge einer aktiven Grippesaison<br />

mehr Grippe – erkrankte Patienten in Krankenhäuser aufgenommen werden und dann<br />

mehr Beschäftigte im Gesundheitsdienst an Influenza infiziert werden, kann daher nicht<br />

beantwortet werden.<br />

Möglicherweise sind Risikofaktoren außerhalb des Berufes, wie die Größe und<br />

Zusammensetzung des Haushaltes, sowie Lebensgewohnheiten (Benutzung eines<br />

Autos) für eine Influenza-Infektion von größerer Bedeutung.<br />

583


P71<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Pertussis: Akzeptanz der Schutzimpfung bei pädiatrischem<br />

Personal einer Universitätskinderklinik<br />

Sabine Wicker 1 , Stefan Zielen 2 , Markus A. Rose 2<br />

1 Betriebsärztlicher Dienst, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main<br />

2<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie, Klinikum der Johann Wolfgang<br />

Goethe-Universität, Frankfurt am Main<br />

Einführung: Keuchhusten-Infektionen bei Säuglingen und Kindern können zu<br />

schwerwiegenden Verläufen und Todesfällen führen. Jedoch auch bei Erwachsenen mit<br />

Pertussis ist bei schätzungsweise 25% mit Komplikationen zu rechnen. Die WHO geht<br />

davon aus, dass es durch Pertussisinfektionen zu jährlich circa 300.000 Todesfällen und<br />

schätzungsweise knapp 40 Millionen Erkrankungsfällen kommt.<br />

Erwachsene sind eine häufige Übertragungsquelle für ungeimpfte und teilgeimpfte<br />

Kinder. Beschäftigte des Gesundheitswesens mit Kontakt zu Kindern haben einerseits<br />

ein erhöhtes Expositionsrisiko und können andererseits auch als Überträger fungieren.<br />

Nosokomiale Pertussis-Übertragungen von Mitarbeitern des Gesundheitswesens auf<br />

Patienten wurden wiederholt beschrieben. Das Robert Koch-Institut nennt medizinisches<br />

Personal mit Kontakt zu Kindern ausdrücklich als eine Risikogruppe, die gegenüber<br />

Pertussis geimpft sein sollte. Nichtsdestotrotz, ist vielen Mitarbeitern im<br />

Gesundheitswesen ihre eigene Gefährdung nicht bewusst und die Akzeptanz der<br />

Pertussis-Impfung im nationalen und internationalen Umfeld ist gering.<br />

Methodik: Anonyme Fragebogenerhebung bezüglich des Pertussis-Impfverhaltens der<br />

Mitarbeiter der Universitäts-Kinderklinik Frankfurt.<br />

Ergebnisse: Die am häufigsten angegebenen Gründe, sich bisher nicht gegen Pertussis<br />

impfen zu lassen, waren: Die Mitarbeiter sahen kein spezifisches Risiko für sich (81,0%);<br />

Pertussis sei keine schwerwiegende Erkrankung (27%), die Angst vor Nebenwirkungen<br />

(20,6%), die falsche Annahme, dass die Pertussis-Impfung selbst eine<br />

Keuchhustenerkrankung auslösen könne (17,5%).<br />

Diskussion: Die Akzeptanz der Pertussis-Impfung bei den im Gesundheitswesen tätigen<br />

Personen ist ungenügend. Die Impfung mit den Kombinationsimpfstoffen ist die<br />

effektivste Prophylaxe gegen Pertussis. Langfristig sollten umfangreiche Maßnahmen<br />

implementiert werden, um einen besseren und präventiven Impfschutz zu erzielen.<br />

Hierdurch könnten nosokomiale Ausbrüche und Infektionsübertragungen von<br />

Beschäftigten auf Patienten und vice versa verhindert werden.<br />

584


P71<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Literatur: Wicker S, Zielen S, Rose M: Attitudes of healthcare workers towards pertussis<br />

vaccination in a German university children’s hospital<br />

Expert Review of Vaccines Nov 2008<br />

585


P72<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Tuberkuloseausbruch in einer Behörde<br />

Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />

Einführung<br />

Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 4916 Tuberkulose(TB)-Fälle bekannt, davon ca.<br />

60% Männer und 40 % bei Frauen. Ausländer (v. a. mit einer Aufenthaltsdauer von<br />

weniger als 5 Jahren) waren mit 40 % der Fälle überzufällig häufig vertreten. Die TB ist<br />

bei Beschäftigten in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege die häufigste<br />

Berufinfektionskrankheit.<br />

Fallbericht<br />

Wir berichten über einen Tuberkuloseausbruch bei Beschäftigten im Jugend- und<br />

Sozialamt einer kleineren Stadt.<br />

Der erste Fall wurde bei einem Sozialarbeiter und Fallmanager in einer<br />

Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II im Rahmen einer Routineuntersuchung vor einer<br />

Auslandsreise beim Hausarzt Anfang März 2006 entdeckt. Da der Patient starker<br />

Zigarettenraucher war und bei ihm die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit<br />

beschleunigt war, führte man eine Röntgen-Thorax-Untersuchung durch, bei der eine<br />

frische Tuberkulose auffiel. (Abbildung 1).<br />

Daraufhin wurde von den zuständigen Gesundheitsämtern eine Umgebungsuntersuchung<br />

eingeleitet. Bei weiteren vier Mitarbeitern, die ihre Arbeitplätze im selben<br />

Gebäude wie der o. g. Patient haben, wurde eine frische TB-Erkrankung diagnostiziert.<br />

Bei allen fünf Patienten wurde im Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien<br />

derselbe M. tuberculosis-Stamm nachgewiesen.<br />

Die epidemiologische Kette konnte nicht mit Sicherheit rekonstruiert werden, da ein<br />

Indexpatient, der den Ausbruch verursacht hatte, nicht ausfindig gemacht werden<br />

konnte. Im konkreten Fall muss aber mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit<br />

angenommen werden, dass es sich beim Initialindexpatienten um einen Klienten eines<br />

der Ämter handelte. Im Gebäude des Jugend- und Sozialamtes verkehren nämlich<br />

vorwiegend Personen, die zum Kreis der extrem Tuberkulosegefährdeten gehören:<br />

Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfänger, Personen mit Migrationsintergrund usw. Im<br />

Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit führten alle Betroffenen intensive Gespräche am<br />

Tisch und begleiten ihre Klienten auf dem Weg in die Büros anderer Beschäftigter.<br />

Zu Bedenken Anlass gibt aber vor allem die Tatsache, dass es zur Entdeckung der<br />

Erkrankung bei einer Routineuntersuchung vor einer Reise gekommen ist und dass in<br />

586


P72<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

der Vergangenheit bei keinem von Betroffenen eine nach den Kriterien der<br />

Biostoffverordnung vorgesehene TB-Screenings-Untersuchung durchgeführt wurde.<br />

Literatur<br />

1. Meyer J, Konietzko N. Tuberkulose in Deutschland – eine sozial ungleich verteilte<br />

Last. Dtsch Ärztebl 1996; 93(3): A-108 / B-90 / C-82<br />

2. NN. Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten im Jahr 1999 Teil 5: Tuberkulose<br />

in Deutschland Epid. Bull. 2000; 50: 395-6<br />

3. Heberling AM. Epidemiologie der Tuberkulose im Einzugsgebiet der Pneumologischen<br />

Klinik Waldhof Elgershausen in den Jahren 1980-2000. Dissertation Justus –Liebig-<br />

Universität Gießen 2005<br />

4. Rüsch-Gerdes S, Hillemann D. Tuberkulose. In: Hofmann F (Hrsg.). Handbuch der<br />

Infektionskrankheiten. Ecomed Verlag, Landsberg. 2007: VIII-1.52:1-24<br />

Abbildung 1: Abbildung 1: PA-Thoraxaufnahme beim Patienten Nr. 1: Eine aktive Tuberkulose mit<br />

Befall der Spitzen, der Ober- und der Unterfelder mit konfluierenden Herden weichfleckiger Natur.<br />

587


P73<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Zur arbeitsmedizinischen Bedeutung der Legionellose<br />

Friedrich Hofmann, Nenad Kralj<br />

Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />

Legionellen – arbeitsmedizinische Bedeutung?<br />

In stehendem Wasser in haustechnischen Installationen (vor allem Klimaanlagen und<br />

wenig benutzten Wasserleitungen) mit Temperaturen zwischen 30 und 45 °C bestehen<br />

ideale Voraussetzungen für die Vermehrung von Legionellen. Die Infektion erfolgt durch<br />

Einatmen von zerstäubtem Wasser, beispielsweise unter der Dusche oder aus einem<br />

Luftbefeuchter. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher nicht bekannt<br />

geworden und gilt als unwahrscheinlich. Der Erreger ist insbesondere für nicht<br />

immunkompetente Menschen gefährlich und befällt die Alveolen. Legionellen überleben<br />

in der Regel Temperaturen nicht, die dauerhaft über 60 °C oder kurzzeitig über 70 °C<br />

liegen. Durch vorübergehende Aufheizung des Wassers auf 70 °C und aerosolarme<br />

Duschköpfe wird bei Neuinstallationen in Westeuropa der Infektionsgefahr<br />

entgegengewirkt. Die Legionärskrankheit (Legionellose mit Pneumonie) wurde 1976 zum<br />

ersten Mal beschrieben. Das ebenfalls durch Legionellen hervorgerufene Pontiac-Fieber<br />

(= Legionellose ohne Pneumonie) wurde bereits im Jahre 1968 beschrieben. Die<br />

Erkrankung erhielt ihren Namen nach einem Ausbruch in der Stadt Pontiac in Michigan.<br />

Epidemiologie: Im Jahr 2006 (Tabelle 1) erkrankten hierzulande Männer (n = 344) im<br />

Vergleich zu Frauen (n = 139) mehr als doppelt so häufig (Verhältnis: 2,5; Inzidenz: 0,85<br />

vs. 0,33 Erkr./100.000 Einwohner, Letalität 7,4 %).<br />

Fallbeispiel: Tödliche Legionellose bei einem Beschäftigten in einer KTL-Anlage<br />

Die Firma, in der sich ein von uns begutachteter Fall (der zur Anerkennung als BK<br />

vorgeschlagen wurde) ereignete, betreibt eine KTL- Beschichtungsanlage mit einer 3-<br />

Zonen-Spritzvorbehandlung (Entfetten, Zink-Phosphatieren, Passivieren). Zwischen den<br />

Zonen befinden sich Spritzspülbereiche, die in der betreffenden Zeit mit Brunnenwasser<br />

betrieben wurden. Die abschließende Spülung vor dem KTL -Lackbad erfolgt mit VE-<br />

Wasser (deionisiert, demineralisiert oder voll entsalzt). Durch Wärmeaustausch über<br />

Ware/Warenträger werden die Spülzonen auf 35-45 0 C aufgeheizt. Die Warenträger<br />

werden von einer Kettenförderanlage durch einen bis auf die Einfahrt und die Ausfahrt<br />

geschlossenen Vorbehandlungstunnel geführt. Im oberen Teil des Gehäuses werden die<br />

Warenträger über eine Bürstenabdeckung abgedichtet. Am Tag 0 führte ein<br />

Wartungstrupp die anfallenden Reinigungs- und Wartungsarbeiten so durch, dass zuerst<br />

die Pumpvorlagebehälter entleert und gereinigt, die Spritzröhre und -düsen ausgebaut<br />

und unter Einsatz von Hochdruckreinigern gesäubert wurden. Die Spritztunnel-Wände<br />

wurden ebenfalls unter Einsatz von Hochdruckreinigern gereinigt. Die<br />

Pumpvorlagebehälter wurden anschließend mit Brunnenwasser aufgefüllt und die<br />

588


P73<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Prozessbad - Chemikalien ergänzt. Die Wasserversorgung erfolgte über eingefördertes<br />

Brunnenwasser. Am Tag 3 erfolgte die Krankmeldung bei einem Wartungsarbeiter<br />

wegen „hohem Fieber und Grippe“ In seiner Familie und Bekanntenkreis erkrankte keine<br />

weitere Person. Am Tag 7 erfolgte die stationäre Aufnahme: Der Patient hatte hohes<br />

Fieber (40,9 0 C) und klagte über eine zunehmende respiratorische Erschöpfung.<br />

Radiologisch wurde eine schwere beidseitige Pneumonie festgestellt. Im Urin wurden am<br />

Tag 9 Legionellen-Antigene mittels der „Legionella Urin Antigen EIA-Methode“ (Bio Test)<br />

nachgewiesen. Trotz großzügiger intravenöser Infusionstherapie verschlechterte sich die<br />

Nierenfunktion bis hin zu einem akuten Nierenversagen und stark erhöhten<br />

Kreatininwerten. Dazu entwickelte sich eine zunehmende Verwirrtheit (ZNS-Beteiligung),<br />

so dass eine Verlegung zur maximalen intensivmedizinischen Therapie erfolgte. Trotz<br />

massiven Einsatzes von Antibiotika, Katecholaminen und Hämodialyse verstarb der<br />

Patient am Tag 27 im septischen Schock an einer fulminanten pulmonalen Blutung.<br />

Die bei der Untersuchungen der KTL-Anlage am entnommenen Wasserisolate wurden<br />

weiterhin im Konsiliar-Labor für Legionellen an der TU Dresden typisiert: Es wurden L.<br />

sainthelensi (6 Proben), L. pneumophila, Serogruppe 1 Monoklonaler Subtyp Bellingham<br />

(2 Proben) sowie L. pneumophila Serogruppe 1 Monoklonaler Subtyp OLDA und L.<br />

pneumophila Serogruppe 10 (jew. 1 Probe) nachgewiesen.<br />

Fazit: Der Übertragungsweg lässt Legionellen arbeitsmedizinisch relevant erscheinen.<br />

Die Tatsache, dass in knapp 40 % der Infektionsweg nicht gesichert werden kann, sollte<br />

Anlass dazu sein, sich in Zukunft intensiver mit der Problematik zu beschäftigen, zumal<br />

bislang nur vereinzelt Legionellosefälle als BK (3101) gemeldet wurden (2005: 2<br />

anerkannte Fälle). Von Vorteil für die Beurteilung ist v.a. der Umstand, dass die<br />

Inkubationszeit mit 2 – 10 Tagen recht kurz ist (kaum Gefahr für Recall-Bias!).<br />

Literatur<br />

1. NN. Legionellose im Jahr 2206. Epid Bull 2007; 50: 469<br />

2. Tiller FW, Stein B. Das klinische Labor. ecomed Medizin, Landsberg 2003: p. 269<br />

3. Lück PC, Helbig JH, Schuppler M. Epidemiology and Laboratory Diagnosis of<br />

Legionella Infections. Laboratoriumsmedizin 2002; 26: 174–182 doi:10.1046/j.1439-<br />

0477.2002.02038.x<br />

4. N.N. Guidelines for the Management of Adults with Community-acquired Pneumonia<br />

Diagnosis, Assessment of Severity, Antimicrobial Therapy, and Prevention 9, Am J<br />

Respir Crit Care Med 2001;163: pp 1730–1754,<br />

5. NN. Legionellose. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte.<br />

www.rki.de<br />

6. Wildin JD, Pleuvry BJ, Mawer GE, Onon T, Millington L. Respiratory and sedative<br />

effects of clobazam und clonazepam in volunteers. Br J clin Pharmac 1990; 29: 169-177<br />

589


P73<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Infektionsort N Infektionsland N<br />

Privathaushalt 138 Deutschland 396 (83,2 %)<br />

Hotelübernachtung 88 Italien 17 (3,6 %)<br />

Stationär im Krankenhaus 49 Türkei 15 (3,1 %)<br />

Pflegeeinrichtung 12 Spanien 9 (1,9 %,)<br />

Unbekannt 206 Griechenland 8 (1,7 %)<br />

übriges Europa 26 (5,5 %)<br />

Übersee 5 (1 %)<br />

Tabelle 1: Legionellosen in Deutschland (RKI Daten 2006): Möglicher Infektionsort (n = 483) und<br />

Infektionsländer (n = 476)<br />

590


P74<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

Neues zytotoxisches Mykotoxin in Aspergillus nidulans<br />

Claudia Handrich 1 , Jürgen Bünger 2 , Götz Westphal 2 , Ernst Hallier 1 , Michael Müller 1<br />

1<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen<br />

2<br />

BGFA, Ruhr-Universität Bochum<br />

Einleitung und Ziel der Studie<br />

Schimmelpilze bilden als Sekundärmetabolite Mykotoxine, die ein breites Spektrum von<br />

Substanzklassen umfassen und verschiedene Zielorgane und Körpersysteme schädigen<br />

können. Arbeiter in Land- und Forstwirtschaft, Lebensmittel- und Futtermittelindustrie<br />

sowie in der Abfallverwertung sind potentiell in hohem Maße der inhalativen Exposition<br />

gegenüber staubgebundenen Mykotoxinen ausgesetzt. Die Wirkung der Mykotoxine<br />

reicht dabei je nach Expositionshöhe und –dauer von akut toxischen bis zu<br />

langdauernden oder chronischen Gesundheitsschäden, u. a. Atemwegserkrankungen.<br />

Aspergillus nidulans ist ein häufiger Schimmelpilzvertreter in Kompostanlagen und<br />

bekannt als Produzent des Kanzerogens Sterigmatocystin [1]. Mit Hilfe einer „Structure-<br />

Activity”-Methode wurde der Extrakt von A. nidulans auf bislang unbekannte Mykotoxine<br />

untersucht, die an der Verursachung der beobachteten Gesundheitsschäden potentiell<br />

beteiligt sein könnten.<br />

Methode<br />

Der Schimmelpilz A. nidulans wurde auf YES-Agarplatten angezüchtet und Extrakte<br />

daraus hergestellt [2]. Die Verbindungen des Extraktes wurden mittels HPLC-DAD<br />

semipräparativ aufgetrennt und in Fraktionen gesammelt [3]. Als Screening-System zur<br />

Abschätzung der Zytotoxizität der Fraktionen diente der Neutralrottest nach Borenfreund<br />

und Puerner [4] in verschiedenen Zelllinien (A-549-Pneumocyten, L-929-Fibroblasten,<br />

hepatische (Hep-G2) und neuronale (Neuro-2a) Zellen). Von der am stärksten<br />

zytotoxischen Fraktion wurden alle Einzelverbindungen isoliert und deren individuelle<br />

Toxizität untersucht. An das Prioritätsranking der Einzelsubstanzen schloss sich eine<br />

Strukturaufklärung mittels HPLC-Massenspektroskopie und NMR-Spektroskopie an.<br />

Ergebnisse<br />

Die Fraktion mit den lipophilsten Verbindungen demonstrierte im Neutralrottest die<br />

höchste Zytotoxizität. Aus ihr konnten mindestens drei Substanzen isoliert werden, auf<br />

die diese zytotoxische Wirkung zurückzuführen ist [5]. Von einer dieser Verbindungen<br />

war es bisher möglich, ausreichend Material für die Strukturaufklärung zu sammeln. Aus<br />

den HPLC/ESI/MS-Untersuchungen konnte eine Masse von m/z 425 [M+H] + ermittelt<br />

werden, der die Summenformel von C 25 H 28 O 6 zugrunde liegt. Die Auswertung der ein-<br />

591


P74<br />

Poster – Gesundheitswesen / Infektionsgefährdung<br />

und mehrdimensionalen 1 H- und 13 C-NMR-Spektren ergab das in der Abbildung 1<br />

dargestellte Cycloisoemericellin-Derivat mit einem Xanthon-Grundgerüst.<br />

O<br />

O<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

Abbildung 1: Struktur der neuen zytotoxischen Verbindung im A. nidulans-Extrakt<br />

(Cycloisoemericellin-Derivat)<br />

Die neue Verbindung zeigte in allen verwendeten Zelllinien eine zytotoxische Wirkung<br />

mit IC 50 -Konzentrationen um 12µg/ml Medium.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Mit Hilfe der „Structure-activity”-Methode ist es gelungen, bislang unbekannte<br />

zytotoxische Mykotoxine in A. nidulans nachzuweisen und aufzuklären. Die<br />

Strukturaufklärung weiterer toxischer Verbindungen des A. nidulans-Extraktes wird<br />

fortgesetzt.<br />

Danksagung<br />

Wir danken der DFG für die finanzielle Unterstützung des Projekts (Mu 1716/2-2). Des<br />

Weiteren gilt unser Dank Frau PD Dr. Grond und ihrer Mitarbeiterin Melanie Quitschau<br />

am Insitut für Organische und Biomolekulare Chemie der Universität Göttingen für die<br />

Messung und Auswertung der NMR-Spektren.<br />

Literatur<br />

[1] Bünger J, Westphal G, Mönnich A, Hinnendahl B, Hallier E, Müller M (2004)<br />

Cytotoxicity of occupationally and environmentally relevant mycotoxins. Toxicology<br />

202: 199-211<br />

[2] Müller M, Bünger J, Hallier E (1999) Mycotoxin spectra as a biochemical parameter<br />

for occupational and environmental fungi exposure. In: Bioaerosols, fungi and<br />

mycotoxins: health effects, assessment, prevention and control. Editor: Johanning E.<br />

Boyd Printing Company, Inc., Albany, NY, U.S.A.: 418-422<br />

[3] Frisvad JC, Filtenborg O (1987) High-performance liquid chromatographic<br />

determination of mycotoxins and other secondary metabolites. J Chromatography<br />

392: 333-347<br />

[4] Borenfreund E, Puerner JA (1984) A simple quantitive procedure using monolayer<br />

cultures for cytotoxicity assays. J Tiss Cult Meth 9: 7-9<br />

[5] Handrich C, Müller M, Westphal G, Hallier E, Bünger J (2006) Detection of unknown<br />

toxic mycotoxins in Aspergillus nidulans using a structure-activity approach.<br />

Mycotoxin Research 22 (4): 211-216<br />

592


P75<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Wie effektiv sind betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />

in Form von Aktionstagen? Validierung der<br />

Untersuchungsergebnisse 2006 und 2007 in zwei Großbetrieben<br />

Monika Gube 1 , Sarah Schaal 1 , Michael-Rüdiger Suchodoll 2 , Peter Brand 1 , Thomas Kraus 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2<br />

Praxis für Arbeitsmedizin, Aachen<br />

Hintergrund<br />

Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zur Gesunderhaltung der<br />

Mitarbeiter sind Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion um den demographischen<br />

Wandel. Durch Angebote der Unternehmen an ihre Mitarbeiter beteiligt sich auch die<br />

Arbeitgeberseite seit einigen Jahren an den Maßnahmen gegen den drohenden Mangel<br />

an Arbeitskraft durch Überalterung und krankheitsbedingtes vorzeitiges Ausscheiden aus<br />

dem Erwerbsleben.<br />

Methode<br />

Zwei Großbetriebe aus der Region Aachen boten im Rahmen von Aktionstagen in den<br />

Jahren 2006 und 2007 allen Mitarbeitern die kostenfreie Teilnahme an so genannten<br />

„Gesundheitstagen“ an, in deren Rahmen Parameter wie Körpergröße, Gewicht,<br />

Körperfettanteil, Blutdruck, Herzfrequenz sowie diverse Laborparameter bestimmt<br />

wurden. Außerdem füllten die Teilnehmer einen Fragebogen zu Lebensstil und<br />

Ernährungsgewohnheiten aus.<br />

Die Daten der Mitarbeiter, die wiederholt an den Gesundheitstagen teilnehmen, geben<br />

Hinweise auf möglichen Nutzen beziehungsweise Erfolg solcher Maßnahmen.<br />

Ergebnisse<br />

Von insgesamt 419 teilnehmenden Personen in 2006 nahmen 156 erneut im Jahr 2007<br />

teil, wobei die Gesamtteilnehmerzahl in 2007 bei 530 Personen lag. 98,5% der<br />

Wiederholer gaben an, dass es sich bei den Aktionstagen um ein sinnvolles Angebot<br />

handele. 32% gaben an, ihren Lebensstil seit der letzten Untersuchung positiv geändert<br />

zu haben, wobei 54% dies zumindest teilweise auf die erste Teilnahme im Jahr 2006<br />

zurückführten. Eine Reduktion des Zigarettenkonsums gaben 14,6% an, während knapp<br />

40% eine Erhöhung der körperlichen Aktivität bzw. des Obst- und Gemüsekonsums<br />

angaben. Eine Reduktion des Konsums von Fleisch- bzw. Süßwaren gaben 33 bzw. 31%<br />

an. Andererseits zeigten die 156 Wiederholer bei der 2. Untersuchung in 2007 keine<br />

signifikante Veränderung von Körpergewicht, Herzfrequenz, Körperfettanteil,<br />

Triglyceriden, LDL und HDL, während Cholesterin (p=0,007) und Blutdruck (systolisch<br />

+6,4 u. diastolisch +3,4 mmHg) sogar einen Anstieg zeigten (p=0,001 bzw. p=0,004).<br />

593


P75<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Einzig die Glucose im Serum war im Vergleich zum Vorjahr gesunken (p=0,029). Hierbei<br />

muss aber bedacht werden, dass die Bestimmung der Blutglucose teils in nicht<br />

nüchternem Zustand erfolgte und somit eine valide Aussage zu diesem Parameter nicht<br />

möglich ist.<br />

Diskussion<br />

Die Gesamtteilnehmerzahl an den Gesundheitstagen 2006 / 2007 lag bei nur rund 11%<br />

bzw. 14% der Belegschaft der beobachteten Betriebe. Bei der betrachteten Subgruppe<br />

der Wiederholer handelt es sich bereits um eine -wahrscheinlich positive- Selektion, so<br />

dass eine abschließende Aussage über den Gesundheitszustand der Belegschaft nicht<br />

möglich ist.<br />

Mit den angewandten Methoden konnte der subjektiv positiv erlebte Einfluss der<br />

Gesundheitstage nicht objektiv gemessen werden. Aus den hier erhobenen Ergebnissen<br />

können jedoch Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung der Maßnahmen im Rahmen<br />

der betrieblichen Gesundheitsförderung erarbeitet werden, deren Nachhaltigkeit mittels<br />

Fragebögen und objektiv messbaren Parametern überprüft werden kann.<br />

Zunächst gilt es also die Belegschaft von den möglichen Erfolgen solcher Aktionen zu<br />

überzeugen und sie so zur Teilnahme zu motivieren.<br />

594


P75<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Tabelle 1<br />

Längsschnitt<br />

Teilnahme Gesundheitstag 2006 Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 449 174 275<br />

Prozent 100,00% 38,75% 61,25%<br />

Veränderungen Lebensgew. Seitdem Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 226 66 160<br />

Prozent 100,00% 29,20% 70,80%<br />

Reduktion Zigarettenkonsum Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 93 20 73<br />

Prozent 100,00% 21,51% 78,49%<br />

Erhöhung körperliche Aktivität Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 140 53 87<br />

Prozent 100,00% 37,86% 62,14%<br />

Erhöhung Konsum Obst/Gemüse Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 143 53 90<br />

Prozent 100,00% 37,06% 62,94%<br />

Reduktion Fleischwaren Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 145 49 96<br />

Prozent 100,00% 33,79% 66,21%<br />

Reduktion Konsum Süßwaren Anzahl Angaben Ja Nein<br />

Absolut 140 43 97<br />

Prozent 100,00% 30,71% 69,29%<br />

Rückführung der V. auf Teilnahme<br />

GT06<br />

Anzahl Angaben<br />

Voll und<br />

ganz Ja, teilweise Nein<br />

126 2 44 80<br />

100,00% 1,59% 34,92% 63,49%<br />

GT sinnvolles gesundheitliches<br />

Angebot Anzahl Angaben Ja Nein<br />

424 419 5<br />

100,00% 98,82% 1,18%<br />

Oben stehende Tabelle zeigt die Angaben in den ausgegebenen Fragebögen derjenigen<br />

Teilnehmer der Gesundheitstage 2007, die bereits an den Gesundheitstagen 2006<br />

teilgenommen hatten.<br />

595


P76<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Gesundheitsförderung in der Lehrer-Schüler-Interaktion an der<br />

Berufsbildenden Schule<br />

Eva Haufe 1 , Andreas Genz 1 , Constance Winkelmann 2 , Klaus Scheuch 1<br />

1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU<br />

Dresden<br />

2<br />

Fachrichtung Psychologie, Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, der TU Dresden<br />

Problemstellung: Gesundheit und Zufriedenheit in der Lehrtätigkeit werden<br />

entscheidend von der Lehrer-Schüler-Interaktion beeinflusst. Besonders problematisch<br />

ist diese an Berufsbildenden Schulen im Berufsvorbereitenden und<br />

Berufsgrundbildenden Jahr (BVJ/BGJ) wegen der Besonderheiten der Schülerklientel.<br />

Ziel eines vom BMBF geförderten Projektes war die Entwicklung von modularen,<br />

kombinierbar aufeinander abgestimmten Maßnahmepaketen für die primäre Prävention<br />

der miteinander verknüpften Zielgruppen Berufspädagogen und Berufsschüler/-innen. Im<br />

Beitrag wird das dabei entwickelte und evaluierte modulare Konzept primärpräventiver<br />

Bausteine vorgestellt und zur Nachnutzung angeboten.<br />

Methoden: Ist-Stands-Analyse der Aus-, Fort- und Weiterbildungssituation im Bereich<br />

Gesundheitsförderung und Kompetenzentwicklung durch Interviews mit Akteuren sowie<br />

Analyse der Lehrpläne und Fortbildungsangebote; Bedarfsermittlung durch Interviews<br />

und Gruppendiskussionen mit Lehrkräften und Schüler/-innen im BVJ/BGJ sowie<br />

Hospitationen im Unterricht an vier Modellschulen in Sachsen.<br />

Ergebnisse: Die folgenden Module M1 bis M5 sind erprobt und evaluiert (Abbildung 1):<br />

M1 und M2: Konfliktbewältigungstraining für Lehramtsstudierende und Bausteine<br />

für die Lehrerfortbildung: Motivation, Zeitmanagement, Kommunikation,<br />

systematisches Problemlösen, soziales Kompetenztraining, Entspannung.<br />

M3: Moderierte Kleingruppendiskussionen als Methode der<br />

Schulorganisationsentwicklung: Anwendung der Methode des Aufgabenbezogenen<br />

Informationsaustauschs (Neubert & Tomcyk, 1981) in der Organisation Schule;<br />

Erfolgskriterien sind Strukturiertheit, Regelmäßigkeit, Dauer der Sitzungen sowie die<br />

aktive Teilnahme der Schulleitung.<br />

M4: Gesundheitsförderung und Kompetenzentwicklung bei BVJ-Schüler/-innen mit<br />

drei voneinander unabhängigen Einzelbausteinen:<br />

M41: Kompetenzwerkstatt „Ich und meine Zukunft“ –Trainingsinhalte:<br />

Einführung: Überblick über das Verfahren und dessen Nutzen.<br />

Interessen: Erkenntnis, dass hinter den eigenen Interessen Können steckt.<br />

Stärken: Erkennen der wichtigsten Stärken aus dem eigenen Können und den<br />

Interessen.<br />

Ziele: Ableitung persönlich wichtiger Ziele aus persönlichen Interessen, Stärken und<br />

Können sowie Formulierung einer Projektidee.<br />

596


P76<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Projektidee: Selbstständige Erarbeitung eines Projektplans für die Projektarbeit,<br />

Erkennen von Hindernissen und unterstützenden Ressourcen.<br />

Projektarbeitsphase: Erlernen eigenverantwortlichen Handelns und Einsatz der Stärken<br />

zur Erreichung der eigenen Ziele, Lernen durch Rückmeldung, Fehler als Chance.<br />

Projektauswertung: Diskussion der Projekterfahrungen, gegenseitiges Lernen, ggf.<br />

Änderung von Zielen, Differenzierung der Stärken, Abbau von Schwächen.<br />

Traumberufsfeld: Stärken und Ziele werden in Beziehung zum Traumberufsfeld gesetzt,<br />

Erlernen, diesen Zusammenhang zu begründen, Erarbeitung von Zielen.<br />

Abschluss und Reflexion: Reflexion über den Weg durch das Training und Darstellung<br />

der persönlichen Lernerfahrung.<br />

M42: Training sozialer Kompetenz: Übungen zu sozialer Kognition, sozialmotivationalen<br />

Aspekten sowie zur Selbsteinschätzung; Durchführung durch eine<br />

Lehrkraft möglich.<br />

M43: Sensibilisierung der Schüler/-innen für Arbeitsplatzrisiken sowie<br />

Körperwahrnehmung und gesunde Lebensweise: Je nach Bedarf der Schulen in<br />

Kooperation mit externen Anbietern wie Krankenkassen, Gesundheitsdiensten und<br />

BGen, Netzwerkstruktur.<br />

M5: Präventionsprogramm für die Altenpflegeausbildung - Trainingsinhalte:<br />

Der Umgang mit Stress: Klärung des Stressbegriffs, individuelle Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema Stress, Analyse von individuellen Auslösern und Symptomen von Stress,<br />

Kennenlernen und Erproben verschiedener Stressbewältigungsstrategien.<br />

Der Umgang mit Burnout-Symptomen: Auseinandersetzung mit dem Thema Burnout,<br />

Identifizierung persönlicher Risikobereiche, Entwicklung eines „Notfallplans“ Burnout-<br />

Prävention.<br />

Der Umgang mit Konflikten im Team: Auseinandersetzung mit positiven und negativen<br />

Aspekten der Arbeit im Team, Analyse konkreter Konflikte, Prinzipien des Kritisierens<br />

und des Annehmens von Kritik, Körpersprache, Strategien zur Führung eines<br />

Konfliktgesprächs, Strategien zur Wiederherstellung einer guten Kommunikationsbasis.<br />

Der Umgang mit Konflikten mit Betagten und deren Angehörigen: Definition von<br />

Aggression, Analyse von Ursachen für Konflikte mit Betagten und deren Angehörigen,<br />

Erarbeitung und Übung von Strategien zum Umgang mit eigenen Aggressionen.<br />

Entspannung: Vermittlung von Wissen zum Thema Entspannung, Vorstellung bereits<br />

praktizierter und Überblick über weitere Entspannungstechniken, Erlernen und Erleben<br />

von Entspannung durch praktische Übungen, Erarbeitung eines realistischen Konzepts<br />

zur Integration von Entspannung in den Alltag.<br />

597


P76<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Weitere ausführliche Informationen sowie schriftliche Handlungsanleitungen sind<br />

abrufbar unter:<br />

http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/inst/ias<br />

Diskussion: Prävention im Setting Berufsschule ist wichtig und möglich. Trotz<br />

begrenzender Rahmenbedingungen sind Handlungsspielräume hierfür vorhanden. Bei<br />

den erarbeiteten Modulen wird Gesundheitsförderung für Lehrkräfte in den Kontext<br />

gelingender Lehrer-Schüler-Interaktion gestellt. Bedingung für den – frühestens<br />

mittelfristigen – Erfolg der Maßnahmen ist das Engagement von Lehrkräften und<br />

Schulleitung.<br />

Abbildung 1: Struktur des Projekts und Einordnung der Module<br />

598


P77<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung – Was wünschen sich<br />

Beschäftigte in der Stahlindustrie?<br />

Thomas Muth 1 , Georg von Groeling-Müller 2 , Werner Mölders 2<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

2 Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

Die großen Industrien Deutschlands und Europas stehen vor gewaltigen<br />

gesundheitspolitischen Herausforderungen. Zwei zentrale Handlungsfelder sind durch<br />

die älter werdenden Belegschaften (demographischer Wandel) und die fortschreitende<br />

Globalisierung vorgegeben 1,2 . Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) gilt dabei als<br />

bedeutsamer settingbasierter Ansatz, der den Zugang zu den erwerbstätigen Menschen<br />

eröffnen und traditionelle präventive Bemühungen ergänzen soll 1,3 . Das Problem ist<br />

häufig, diejenigen, die eigentlich im Zentrum der Bemühungen stehen, zu erreichen: die<br />

betroffenen Mitarbeiter/innen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, die<br />

Wünsche der Belegschaft der ThyssenKrupp Steel AG (TKS) zu Angeboten der BGF<br />

herauszufinden, gruppenspezifische Interessen zu beschreiben und Motivationspotenziale<br />

zu erschließen.<br />

Methode<br />

Im Rahmen der regulären arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen wurden<br />

mehrere Monate lang alle Mitarbeiter/ innen mit einem standardisierten Fragebogen zum<br />

Thema BGF befragt. Dabei wurde das Interesse an 13 Angeboten mit einer 4stufigen<br />

Skala erfasst. Die Summe dieser Werte wurde als integratives Maß für das Interesse<br />

verwendet. Außerdem wurde von den Befragten eine Hitliste der drei attraktivsten<br />

Angebote gebildet. Die Erhebung wurde durch eine „erweiterte arbeitsmedizinische<br />

Anamnese“ mit der Dokumentation des individuellen Risikoprofils (Rauchen, Blutdruck,<br />

Bewegung, BMI) ergänzt.<br />

Ergebnisse<br />

784 Mitarbeiter/innen haben sich beteiligt, die überwiegende Mehrheit (n = 746, 95%)<br />

war männlich. Für die Konzeption und das Interesse an gesundheitsfördernden<br />

Maßnahmen sind vor allem das Alter und das Beschäftigungsverhältnis<br />

(Lohn/Gehaltsempfänger), welches den sozialen Status charakterisiert, von Bedeutung.<br />

Lohnempfänger im Alter zwischen 30 und 59 Jahren stellen die größte Gruppe der<br />

Befragten, der Schwerpunkt liegt zwischen 40 und 49 Jahren. Bislang haben die<br />

Beschäftigten nur beschränkte Erfahrungen mit BGF. Für jüngere Auszubildende ist die<br />

Teilnahme an verschiedenen Angeboten allerdings bindend, so dass hier Quoten von<br />

50% erreicht werden. Bei den über 30jährigen schwankt der Anteil zwischen 10% und<br />

599


P77<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

16%. Nur unter den Gehaltsempfängern ab 50 Jahren weisen fast 21% eigene<br />

Erfahrungen mit BGF auf. Das Interesse an zukünftigen BGF-Angeboten wächst mit<br />

zunehmendem Alter und ist unter den Gehaltsempfängern größer. Geschlecht und<br />

Schichtarbeit bleiben in der multiplen Regression ohne bedeutsamen Einfluss.<br />

Folgende Abbildung zeigt, wie groß das Interesse der befragten Mitarbeiter/innen an den<br />

verschiedenen Angeboten zur BGF ist:<br />

Mitarbeiter mit (mehreren) Risikofaktoren zeigen kein größeres Interesse an BGF<br />

insgesamt. Ebensowenig fragen sie verstärkt Angebote nach, welche ihre eigene<br />

Risikokonstellation betreffen. Ausnahme: „Was macht eigentlich dick“ wird von<br />

Übergewichtigen bevorzugt. Im Übrigen sind es eher die weniger Gefährdeten, die sich<br />

in ihren persönlichen Hitlisten gegenüber den Angeboten der BGF aufgeschlossen<br />

zeigen.<br />

Zusammenfassung<br />

Nicht unerwartet bestätigen die vorliegenden Ergebnisse, dass mit den bislang üblichen<br />

Angeboten der BGF eher die Gesünderen und besser Ausgebildeten erreicht werden.<br />

Der Beitrag zur Prävention bedeutsamer chronischer Erkrankungen kann auf diese<br />

Weise nur gering sein. Zur nachhaltigen Verbesserung der gesundheitlichen Situation<br />

von Beschäftigten mit Risikofaktoren für häufige und bedeutsame chronische<br />

Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes mellitus bedarf es neuer<br />

Ansätze. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis wurde bei TKS das innovative Konzept<br />

einer Gesundheitsschicht ® erarbeitet. Diese Schicht soll gemeinsam mit der sozialen<br />

Bezugsgruppe stattfinden. Ein Prinzip ist dabei, mit allen Mitarbeiter/innen individuelle<br />

600


P77<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Gesundheitsziele zu erarbeiten und jede/n auf vielfältige Weise dauerhaft bei der<br />

Erreichung seiner eigenen Ziele zu unterstützen.<br />

1. Letzel S, Stork J, Tautz A. 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf<br />

von betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Arbeitsmed.<br />

Sozialmed. Umweltmed. 2007; 42: 298300.<br />

2. Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) (Hrsg). Stahl und stahlnahe Branchen im<br />

demographischen Wandel. Dortmund: Eigenverlag, 2006.<br />

3. ENWHP (Hrsg). Die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der<br />

EU. Fassung v. Januar 2007.<br />

601


P78<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Die erweiterte arbeitsmedizinische Anamnese als Instrument des<br />

betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />

Georg von Groeling-Müller 1 , Thomas Muth 2 , Werner Mölders 2<br />

1 Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

2<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

Die Situation der Beschäftigten in Deutschland ist unter anderem durch den<br />

demographischen Wandel geprägt. Gerade in einer Branche wie der Stahlindustrie<br />

entsteht dabei ein Spannungsfeld aus erhöhten Leistungsanforderungen und älter<br />

werdenden Belegschaften. Aufgabe betrieblicher Gesundheitspolitik ist es, Lösungen für<br />

diese Herausforderungen zu erarbeiten. Um die entsprechenden BGF-Maßnahmen zu<br />

steuern, müssen verschiedene Kennzahlen erhoben werden 1 .<br />

Hierzu wurde von ThyssenKrupp Steel ein Instrument entwickelt und im arbeitsmedizinischen<br />

Alltag erprobt. Die „erweiterte arbeitsmedizinischen Anamnese" kann ohne großen<br />

Aufwand in Routineabläufe integriert werden und liefert zugleich aussagekräftige Daten.<br />

Methode<br />

Ein Ziel dieser Anamnese war die Erfassung wichtiger Risikofaktoren für chronische<br />

Erkrankungen bei einer repräsentativen Stichprobe der Belegschaft. Dazu wurden bei<br />

allen arbeitsmedizinischen Untersuchungen mit einem speziell entwickelten, kurzen<br />

Erhebungsbogen die vier Risikofaktoren Übergewicht (BMI), Blutdruck, Raucherstatus<br />

und Sportverhalten erfasst und nach anerkannten Standards klassifiziert. Ergänzend<br />

wurden die Wünsche an die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) erfragt. Mit Hilfe<br />

von Regressionsanalysen wurden Zusammenhänge zwischen dokumentierten<br />

Risikoprofilen und Alter, Geschlecht, Anstellungsverhältnis sowie Schichtarbeit geprüft.<br />

Ergebnisse<br />

Während der Projektlaufzeit von drei Monaten wurden mit einem zusätzlichen Aufwand<br />

von fünf Minuten je Proband aussagekräftige Daten von 784 Mitarbeiter/innen erhoben.<br />

Das Erhebungsverfahren ergab eine Stichprobe, welche weitgehend typisch für die<br />

Grundgesamtheit der Beschäftigten bei TKS war. Mit dem Instrument der „erweiterten<br />

arbeitsmedizinischen Anamnese“ wurden allerdings eher Mitarbeiter mit belastenden<br />

Arbeitsbedingungen erfasst: Männer, Lohnempfänger und Schichtarbeiter.<br />

Interessanterweise gilt dies jedoch nicht für die älteren Mitarbeiter. Lediglich 7,5% der<br />

Beschäftigten (n=59) wiesen keinen der vier Risikofaktoren auf. Bei 56,6% (n=344)<br />

wurden ein oder zwei, bei den anderen 35,7% (n=280) sogar alle vier Risiken<br />

dokumentiert. Die multivariaten Analysen zeigen negative Einflüsse mit zunehmendem<br />

Alter und auch für Lohnempfänger. Besonders häufig finden sich unter den Mitarbeitern<br />

602


P78<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Übergewicht und mangelnde Bewegung. Tabelle 1 gibt einen Überblick und zeigt, welche<br />

Risiken häufig auftreten:<br />

Risikofaktoren: BMI kein Sport Rauchen RR <br />

n % n % n % n %<br />

Gesamt 566 73,6 395 50,7 322 41,3 333 43,4<br />

Altersgruppe bis 29 60 54,1 34 30,1 52 46,0 42 37,5<br />

30-39 119 71,3 81 48,2 81 48,2 41 25,0<br />

40-49 227 79,6 177 61,2 114 39,3 141 49,5<br />

50-59 147 79,5 94 49,7 65 34,4 101 54,0<br />

Anstellung Lohn 443 73,7 336 55,1 270 44,2 276 46,0<br />

Gehalt 104 73,2 47 32,6 40 27,8 48 33,6<br />

Tab. 1: Häufigkeit der Risikofaktoren bei den untersuchten Mitarbeitern/innen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Das einfache Instrument der systematischen, standardisierten "erweiterten<br />

arbeitsmedizinischen Anamnese" konnte erfolgreich eingesetzt werden. Mit geringem<br />

Aufwand ist es gelungen, in einem Stahlunternehmen die Handlungsfelder für<br />

betriebliches Gesundheitsmanagement mit Hilfe fundierter Daten zu fokussieren. Dabei<br />

wurden insbesondere Mitarbeiter mit belastenden Arbeitsbedingungen erreicht.<br />

Im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung 2 und anderen Erhebungen 3,4 fällt vor<br />

allem das ausgeprägte Risikoprofil der Lohnempfänger bei TKS auf. Obwohl es sich bei<br />

ihnen überwiegend um Facharbeiter handelt, entspricht es weitgehend dem von<br />

Angehörigen der Unterschicht. Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, wo die betriebliche<br />

Gesundheitsförderung ansetzen muss: Rauchen, Ernährung und Bewegung - in erster<br />

Linie bereits bei jungen, besonders belasteten gewerblichen Mitarbeitern.<br />

Risikokonstellationen, wie sie sich in dieser Arbeit gezeigt haben, müssen Gegenstand<br />

umfassender präventiver Bemühungen sein, um die große Herausforderung alternder<br />

Belegschaften bewältigen zu können.<br />

1. Letzel S, Stork J, Tautz A. 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf<br />

von betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland.<br />

Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2007; 42: 298-300.<br />

2. Robert Koch-Institut (Hrsg). Gesundheit in Deutschland.<br />

Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut, 2006.<br />

3. Schneider M, Scholl J. Analyse des aktuellen Gesundheitsstatus bei Personen im<br />

mittleren Lebensalter. Erste Ergebnisse einer Querschnitterhebung bei Mitarbeitern<br />

zwischen 40 und 65 Jahren in einem pharmazeutischen Unternehmen. Arbeitsmed<br />

Sozialmed Umweltmed 2007; 42: 596-604.<br />

4. Wydra G, Schwarz M, Heidinger S, Demke R. Gesundheitsförderung bei der<br />

Berufsfeuerwehr. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2008; 43: 360-366.<br />

603


P79<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Health Promotion in Adult Learning - Gesundheitsförderung in<br />

der Erwachsenenbildung. Ein europäisches GRUNDTVIG Projekt<br />

Rudolf C. Zelfel 1 , Bettina Begerow 1 , A. Deharde 2 , Andreas Glatz 3 , Andreas Weber 1<br />

1 IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation, Köln<br />

2 Deutsche Angestellten Akademie Brandenburg, Frankfurt/Oder<br />

3 Otto-Friedrich-Universität, Bamberg<br />

Ziel der Studie<br />

Im Rahmen des EU Programms GRUNDTVIG, ein Unterprogramm von LEONARDO<br />

wurde erprobt, wie sich Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe in der<br />

Erwachsenenbildung implementieren lässt. Ausgangspunkt ist, dass<br />

Gesundheitsförderung (health promotion) in Einrichtungen der Erwachsenenbildung<br />

(Adult Learning Institutes AEI) wenig Beachtung findet, andererseits bei vielen der<br />

Bildungsteilnehmer, insbesondere bei Arbeitslosen, gesundheitliche Einschränkungen zu<br />

beobachten sind. Des Weiteren bieten nur wenige der Erwachsenenbildungsinstitute<br />

gesundheitsfördernde Lernbedingungen. Die beteiligten Projektpartner kamen aus den<br />

EU-Mitgliedsländern Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Polen und Vereinigtes<br />

Königreich.<br />

Ziel des Projektes war es, ein Curriculums zur Ausbildung von Multiplikatoren (health<br />

tutors) für Gesundheitsförderung in der Erwachsenenbildung zu entwickeln und zu<br />

erproben.<br />

Methoden<br />

Eine europäische Literaturrecherche ergab, dass Gesundheitsförderung bisher in der<br />

Erwachsenenbildung wenig beachtet wird. Es wurde als sinnvoll erachtet,<br />

Dozenten/innen in der Erwachsenenbildung als Gesundheitstutoren (health tutors)<br />

auszubilden, die in ihren Einrichtungen als Mulitplikatoren und Ansprechpartner<br />

fungieren. Hierzu wurde ein Curriculum für eine bis zu fünftägige Schulung entwickelt.<br />

Dieses wurde mit Basisinformationen, einen Gesundheitscheck für Einrichtungen und<br />

verschiedenen Fragebögen sowie Evaluationstools angereichert.<br />

Das Konzept von Gesundheit in diesem Curriculum wird hier nicht als Abwesenheit von<br />

Erkrankungen, sondern im Sinne eines dynamischen Balancezustandes zwischen<br />

objektiven Daten und subjektiven Befinden einer Person umgesetzt. (Antonovsky)<br />

Balance ist gegeben, wenn sich eine Person in Einklang mit körperlichen, seelischen,<br />

sozialen Bereichen, ihren Entwicklungsmöglichkeiten und Zielen sowie den äußeren<br />

Lebensbedingungen befindet.<br />

604


P79<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Ergebnisse:<br />

Die praktische Anwendung in insgesamt fünf Schulungen in Deutschland, Italien und<br />

Polen zeigt, dass das entwickelte Curriculum mit zeitlichen Modifikationen gut einsetzbar<br />

ist. Der „health check“ stellt ein erfolgreiches Instrument dar, um gesundheitsfördernde<br />

Aspekte einer Bildungseinrichtung zu beurteilen und Verbesserungen anzustoßen. Die<br />

Evaluation der Kurse zeigt hohe Zufriedenheit bei den geschulten Multiplikatoren.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Immer mehr Menschen, ob beschäftigt oder arbeitssuchend, nehmen europaweit an<br />

Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die Institutionen der Weiterbildung<br />

können ein hervorragendes Setting bieten, um Bildungsteilnehmer mit<br />

gesundheitsfördernden Maßnahmen vertraut zu machen. Die Multiplikatorenschulung<br />

erscheint als erfolgreicher Weg, Gesundheitsförderung in Bildungsmaßnahmen der<br />

Erwachsenenbildung zu implementieren.<br />

Literatur<br />

Antonovsky, A. Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Expanded German<br />

edition by A. Franke. Tübingen: dgvt, 1997.<br />

Begerow, B., Zelfel, R.C. Healthy Learners in Healthy Adult Education Institutes (AEI).<br />

unveröffentlichtes Manuskript, 2008.<br />

UNESCO. The Hamburg Declaration On Adult Learning Confintea V. www.unesco.int,<br />

Zugriff: 20.08.2007, 1997<br />

weitere Informationen: http://www.healthtutor.eu<br />

605


P80<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

FIT IM LEBEN – FIT IM JOB: Eine effektive Maßnahme zur<br />

nachhaltigen Veränderung des Gesundheitsverhaltens<br />

Michael Schneider 1 , Anna Ernsting 2 , Conny H. Antoni 2<br />

1<br />

Werksärztlicher Dienst Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein<br />

2<br />

Universität Trier<br />

Ziel der Studie<br />

Zahlreiche Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems sind zu einem erheblichen Teil<br />

durch riskantes, gesundheitsschädigendes Verhalten (mit)verursacht. Präventive<br />

Maßnahmen werden daher an dieser Stelle bedeutsam, weil sie auf die Veränderung des<br />

Gesundheitsverhaltens abzielen, bevor es zur Entstehung bzw. Chronifizierung solcher<br />

Erkrankungen kommt. FIT IM LEBEN – FIT IM JOB von Boehringer Ingelheim stellt eine<br />

primär- und sekundärpräventive Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung dar,<br />

deren aufeinander aufbauenden Schritte FIT1, FIT2 und FITback Mitarbeiter ohne<br />

kardiovaskuläre Risikofaktoren zu gesundheitsförderlichem Verhalten anregen<br />

(Primärprävention) und Mitarbeiter mit entsprechenden Risikofaktoren wie bspw.<br />

Hypertonie zur Umstellung des bisherigen Gesundheitsverhalten motivieren und in der<br />

Veränderung dieses Verhaltens unterstützen möchte (Sekundärprävention). Dazu<br />

werden zu FIT1 und FIT2 ausgewählte medizinische Daten erhoben, dem Mitarbeiter zu<br />

FIT2 rückgemeldet und der Mitarbeiter zur Veränderung seines bisherigen Verhaltens<br />

motiviert. Zu FITback wird der Mitarbeiter erneut motiviert und bei der Umsetzung der<br />

Absicht unterstützt. Die Evaluation des Programms soll nun die Wirksamkeit und<br />

Nachhaltigkeit des Programms bzw. der einzelnen Schritte prüfen, wobei die<br />

sekundärpräventiven Effekte im Vordergrund stehen. Die Evaluation wurde vor dem<br />

theoretischen Hintergrund des Health Action Process Approach (HAPA) von Schwarzer<br />

vorgenommen, um über einen allgemeinen Wirksamkeitsnachweis hinaus die zugrunde<br />

liegenden Prozesse und Schlüsselkomponenten transparent zu machen.<br />

Methodik:<br />

Zu vier Messzeitpunkten wurden Teilnehmer des Präventionsprogramms wiederholt zu<br />

ausgewählten gesundheitsbezogenen Einstellungen aus dem HAPA und ihrem BMI<br />

befragt. Zur Erfassung der körperlichen Aktivität wurde ein Schrittzähler eingesetzt. Die<br />

vier Zeitpunkte wurden so angeordnet, dass die sekundärpräventiven Effekte der<br />

einzelnen Programmkomponenten explizit überprüft und erste Erkenntnisse zu<br />

primärpräventiven Effekten gewonnen werden konnten: Die Baselinerhebung fand im<br />

Anschluss an FIT1, die zweite Erhebung im Anschluss an FIT2 statt. Der dritte<br />

Fragebogen wurde den Teilnehmern vor ihrem FITback-Termin zugeschickt und ca. 8-12<br />

606


P80<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Wochen nach FITback erhielt der Teilnehmer den vierten Fragebogen. Zu FIT2 wurden<br />

die Mitarbeiter nach festen Kriterien hinsichtlich ihres Risikos für kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen in Risikopersonen (EG) bzw. keine Risikopersonen (KG) eingeteilt. Die<br />

Veränderung der gesundheitsbezogenen Einstellungen über die Zeit wurde<br />

varianzanalytisch, Zusammenhänge zwischen den Zielkriterien und<br />

Verhaltensindikatoren mittels Spearman Korrelationen berechnet.<br />

Ergebnisse:<br />

Insgesamt haben 71 Mitarbeiter (EG: 10 Frauen, 31 Männer; KG: 14 Frauen, 16 Männer)<br />

an der Studie teilgenommen. Die Ergebnisse indizieren eine effektive und nachhaltige<br />

Motivierung der Mitarbeiter mit kardiovaskulären Risikofaktoren durch FIT2, ihre<br />

sportliche Aktivität zu steigern (EG T1 zu T2: T(40) = -4.215, p = .000*, r² = .17). Durch<br />

FITback werden diese Mitarbeiter in ersten Schritten in der Umsetzung ihrer Motivation<br />

(Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit) unterstützt (EG T3 zu T4: T(40) = -1.557, p =<br />

.064, r² = .02) und erste Verhaltensveränderungen, indiziert durch den BMI (EG T3 zu<br />

T4: T(40) = 2.274, p = .014*, r² = .05 ) und die durchschnittliche tägliche Schrittanzahl<br />

(EG T3 zu T4: T(32) = -4.086, p = .000*, r² = .19) sind ca. 8-12 Wochen nach dem<br />

Beratungsgespräch zu beobachten. Die Korrelationsanalysen zeigen zu allen<br />

Messzeitpunkten einen engen Zusammenhang handlungsbezogener Kompetenzen, d.h.<br />

der Aufrechterhaltungs-Selbstwirksamkeit und dem Ausmaß an sportlicher Aktivität, d.h.<br />

der durchschnittlichen täglichen Schrittanzahl (T1: r = .241*; p = .039*; r² =.06; T2: r =<br />

.236*; p=.043*; r² =.06; T3: r = .255; p=.031*; r² = .07). Zusätzliche Korrelationsanalysen<br />

zur externen Validität finden hingegen keinen Zusammenhang zwischen der Intention für<br />

sportliche Aktivität und dem Ausmaß tatsächlicher Aktivität, d.h. der durchschnittlichen<br />

täglichen Schrittanzahl zu allen Messzeitpunkten.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die Studie belegt die Wirksamkeit und Notwendigkeit des systematischen und<br />

mulitmodalen Programms FIL – FIJ: Die einzelnen Schritte bauen systematisch<br />

aufeinander auf und liefern je einen exklusiven und unverzichtbaren Beitrag zum<br />

Gelingen der Verhaltensveränderung: FIT2 motiviert die Risikogruppe erfolgreich zur<br />

Verhaltensveränderung. Auf dieser Basis baut FITback auf und fördert die Kompetenzen<br />

zur Realisierung der Absicht und Handlungsausführung. Mit FITback hört das Programm<br />

damit nicht dort auf, wo es die meisten Programme tun, sondern geht den<br />

entscheidenden Schritt weiter, um die Lücke zwischen „guter Absicht“ und tatsächlichem<br />

Verhalten zu schließen. Dass diese handlungsbezogenen Kompetenzen zur Realisierung<br />

und Ausführung der Intention von entscheidend für eine effektive (und langfristige)<br />

607


P80<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement I<br />

Veränderung des Gesundheitsverhaltens sind, zeigen die Korrelationsanalysen zur<br />

externen Validität: Eine gute Absicht allein reicht nicht aus, damit ein hohes Maß an<br />

Sportlicher Aktivität gezeigt wird (Schrittanzahl), sondern es bedarf darüber hinaus (u.A.)<br />

der Überzeugung, selbst in der Lage zu sein, ein neues Verhalten ausüben oder<br />

gesundheitsschädigende Verhaltensweisen aufgeben zu können. Diese Befunde der<br />

Evaluation bestätigen damit nicht nur das Programmkonzept, sondern auch die zugrunde<br />

liegenden theoretischen Aussagen des Health Action Process Approach von Schwarzer.<br />

Literatur:<br />

Schlicht, W. & Schwenkmezger, P. (1995). Sport in der Primärprävention: Eine<br />

Einführung aus verhaltens- und sozialwissenschaftlicher Sicht. In Schlicht, W. &<br />

Schwenkmezger, P. (Hrsg.), Gesundheitsverhalten und Bewegung: Grundlagen,<br />

Konzepte und empirische Befunde. Verlag Karl Hofmann, Schorndorf.<br />

Schwarzer, R. (2008a). Models of health behaviour change: Intention as mediator or<br />

stage as moderator? Psychology & Health, 23(3), 259-263. DOI:<br />

10.1080/08870440801889476<br />

Schwarzer, R. (2008b). Some burning issues in research on health behavior change.<br />

Applied Psychology: An International Review, 57, 84-93.<br />

Schwarzer, Ralf (2004). Psychologie des Gesundheitsverhaltens (3.Aufl.). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

608


P81<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Wellness und Work Ability: Versuch einer Synthese aus Sicht<br />

der Gesundheitsförderung<br />

Michael G. Haufs 1 , Dirk Eichelberg 1 , Pamela Wehling<br />

1<br />

Arbeitsmedizin, Dermatologie und Berufsdermatologie, Praxis-Klinik Dr. Eichelberg und Partner, Dortmund<br />

2 Lehrstuhl Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, Institut für Arbeitswissenschaften, Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

609


P82<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Gesunde Verwaltung - Modernes Gesundheitsmanagement am<br />

Beispiel der Stadtverwaltung Aachen<br />

Astrid Brammertz<br />

Arbeitsschutz-Gesundheitsschutz-Soziales, Stadtverwaltung Aachen<br />

Zusammenfassung:<br />

Am Beispiel der Stadtverwaltung Aachen wird ein Konzept für ein betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement auf kommunaler Ebene vorgestellt.<br />

Neben der herkömmlichen betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Versorgung der<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird ein umfangreiches Programm zur betrieblichen<br />

Gesundheitsförderung, der Eingliederung sowie der Prävention durchgeführt.<br />

Zur Verwaltung der Stadt Aachen und ihrer Eigenbetriebe zählen rund 4 700 MA (<strong>2009</strong>).<br />

Es werden abgeschlossene und aktuelle Projekte vorgestellt unter Berücksichtigung von<br />

familienfreundlicher Gestaltung der Arbeitsplätze und demographischem Wandel.<br />

Die Herausforderung einer Gesunden Verwaltung insbesondere auch unter strengen<br />

Haushaltsvorgaben wird aufgezeigt.<br />

Alle Maßnahmen, Kurse und Projekte werden evaluiert und auf Nachhaltigkeit überprüft.<br />

Stichworte<br />

▪ Gesundheitsmanagement ▪ Prävention ▪ Evaluation<br />

▪ Company Health Management ▪ Prevention ▪ Evaluation<br />

AGS – alles unter einem Dach:<br />

A rbeitsschutz<br />

G esundheitsschutz<br />

S oziales<br />

Alle ziehen an einem Strang:<br />

Dezernent<br />

Personal & Organisation<br />

Sozialpsychologische<br />

Mitarbeiterberatung<br />

Team<br />

Gesunde Verwaltung<br />

Arbeitsmedizinischer<br />

Dienst<br />

Technischer<br />

Arbeitsschutz<br />

Gesunde<br />

Verwaltung<br />

Sozialpsychologische<br />

Mitarbeiterberatung<br />

Schwerbehindertenvertretung<br />

Co-Dezernent Personal<br />

& Organisation / FB-Lt.<br />

Experten Personalamt / PE<br />

Arbeitskreis<br />

Gesundheit<br />

& Arbeit<br />

Fachkraft für<br />

Arbeitssicherheit<br />

Betriebsärztin<br />

Auch unter Berücksichtigung von Demografie<br />

Gendermedizin<br />

betrieblichem Eingliederungsmanagement<br />

Suchtprävention<br />

Gleichstellungsbüro<br />

Personalrat<br />

Schwerbehindertenvertretung<br />

610


P82<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Team Gesunde Verwaltung<br />

• Aufgabenbereiche<br />

BGM<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

Angebote<br />

für alle<br />

Beschäftigten:<br />

• halbjährliches<br />

Kursprogramm<br />

•Raucherentwöhnung<br />

• Aufklärung,<br />

Beratung,<br />

Beteiligung<br />

• Mitarbeiterbeteiligung<br />

Angebote für<br />

Führungskräfte:<br />

• Nachhaltiges<br />

Seminarkonzept:<br />

Gesundheitsgerechte<br />

Mitarbeiterführung<br />

• Bisher 50% der<br />

Fachbereichsleitungen<br />

im Sem.<br />

Beratung für<br />

Führungskräfte<br />

Projekte<br />

in<br />

derzeit<br />

4 Fachbereichen<br />

Angebote<br />

für die Gesamtverwaltung:<br />

• BGM-Datenbank:<br />

Infos rund um<br />

den Arbeits- u.<br />

Gesundheitsschutz<br />

•Präventionund<br />

Soziales<br />

• Gesundheitsaktionen<br />

Vernetzung:<br />

• Intern:<br />

Arbeitskreis<br />

Gesundheit<br />

und Arbeit<br />

• Extern:<br />

Move Europe,<br />

DNBGF u.a.<br />

Öffentlichkeits<br />

arbeit:<br />

• intern<br />

• extern<br />

Pilotprojekt Sportamt<br />

70 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. 5 Schwimmbädern<br />

Kooperation<br />

Unfallkasse NRW<br />

Projektstart September 2005<br />

Mitarbeiterbefragung 88 %<br />

Gesundheitsbericht Juni 2006<br />

Gesundheitszirkel 2<br />

Maßnahmenvorschläge 39<br />

Umsetzungsquote 100%<br />

Evaluation<br />

Befragung, Workshop<br />

Aktueller Stand: Evaluationsbericht<br />

BGM-Projekte<br />

Projekt FB Umwelt<br />

70 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. Gemeindeforstamt<br />

Kooperation<br />

Unfallkasse NRW<br />

Projektstart Mai 2006<br />

Mitarbeiterbefragung 87 %<br />

Gesundheitsbericht April 2007<br />

Gesundheitszirkel 2<br />

Maßnahmenvorschläge 106<br />

Umsetzungsquote 75 %<br />

Aktueller Stand:<br />

Maßnahmenumsetzung<br />

Projekt FB Sicherheit und Ordnung<br />

178 Mitarbeiter/innen in Verw. u. Überwachungsdiensten<br />

Kooperation<br />

Techniker Krankenk.<br />

Unfallkasse NRW<br />

Projektstart<br />

Juli 2007<br />

Mitarbeiterbefragung 71 %<br />

Gesundheitsbericht Juni 2008<br />

Aktueller Stand: 5 Gesundheitszirkel<br />

werden gebildet<br />

ABBA 1) - Projekt für die AR.GE Aachen<br />

239 Mitarbeiter/innen in Verwaltung u. Ermittlungsdiensten<br />

Kooperation<br />

Unfallkasse NRW, AGS,<br />

Polizei (Aachener Modell)<br />

Projektstart Dezember 2007<br />

Mitarbeiterbefragung 73 %<br />

Gesundheitsbericht Mai 2008<br />

Mitarbeiterbeteiligung 3 Arbeitskrse: ARGE u.<br />

Koop.-Partner sowie<br />

Gesundheitszirkel/GesuV<br />

Aktueller Stand: Maßnahmenplanung<br />

1) Arbeitsbedingte Belastungen u. Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV<br />

611


P83<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Lassen sich die Prinzipien der Prozessgestaltung und des<br />

Komplexitätsmanagements für ein wirksames Gesundheitsmanagement<br />

nutzen?<br />

Ulrich Funke<br />

Dr. Funke Consulting GmbH, Stadtbergen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

612


P84<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Kosteneffektivität betrieblicher Interventionen zur Primärprävention<br />

kardiovaskulärer Erkrankungen<br />

Frank Thalau 1 , Felix Holzinger 2 , Nina Adelberger 2 , Andreas Seidler 1<br />

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin<br />

2 Berlin School of Public Health an der Charité, Berlin<br />

Einleitung<br />

Betriebliche Präventionsprogramme zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen genießen ein gutes<br />

Image. Ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit sind jedoch strittig und noch erstaunlich<br />

wenig untersucht. Dieser systematische Review stellt den gesundheitsökonomischen<br />

Forschungsstand dar und zeigt weiteren Bedarf auf.<br />

Methode<br />

Die Recherche erfolgte in PubMed, EconLit, NHS Economic Evaluation Database und<br />

per Handsuche in Zeitschriften nach definierten Suchbegriffen, die Studienauswahl trafen<br />

zwei unabhängige Reviewer nach vorab festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien (s.<br />

Abb. 1). Zur methodischen Qualitätsbewertung dienten Instrumente der schottischen<br />

Leitlinienagentur SIGN (www.sign.ac.uk). Aus den Einzelstudien extrahierte Daten<br />

wurden in Evidenztabellen zusammengefasst und analysiert.<br />

Ergebnisse<br />

Von 3420 gesichteten Studien gaben neun das Nutzen-Kosten-Verhältnis in monetären<br />

Einheiten in Form des Return-on-Investment (ROI) an (s. Abb. 1 und<br />

Literaturverzeichnis).<br />

Abb. 1: Recherche- und Auswahlverfahren<br />

Acht der eingeschlossenen Studien stammten aus den USA, eine aus Kanada. Sie<br />

wurden 1985-2008 in sieben verschiedenen Zeitschriften in englischer Sprache<br />

publiziert. Drei Studien erhielten eine schlechte, vier eine gute und zwei eine sehr gute<br />

methodische Qualitätsbewertung. Die Studien hatten unterschiedliche<br />

Stichprobengrößen (156-29315 Teilnehmer) und Beobachtungszeiträume (1-15 Jahre)<br />

und ihre Interventionen zielten sowohl auf die Verhaltens- als auch die Verhältnisebene.<br />

613


P84<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Auf der Nutzenseite dominierte die Betrachtung von Verminderungen der Fehl- und<br />

Ausfallzeiten, auf der Kostenseite die Berechnung der direkten Programmkosten. Das<br />

Verhältnis zwischen erzieltem Nutzen und eingesetzten Kosten (benefit-to-cost ratio) lag<br />

zwischen 1,1:1 und 15,6:1 US$. Diskontierung berücksichtigten nur vier Studien und dies<br />

in unterschiedlicher Weise (zumeist nur bei der Kostenseite).<br />

Diskussion und Fazit<br />

Betriebliche Interventionen zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

zeigten in Nordamerika eine positive Kosteneffektivität. Methodisch schwächere Arbeiten<br />

schätzten diese tendenziell höher ein. Design, Interventionskombinationen,<br />

Beobachtungszeiten, Diskontierung und ökonomische Perspektiven waren höchst<br />

unterschiedlich und erlaubten keine gepoolte Datenauswertung im Sinne einer Meta-<br />

Analyse. Systemunterschiede zu Deutschland erschweren eine Übertragbarkeit der<br />

Ergebnisse. Eigene ökonomische Untersuchungen sind daher erforderlich. Strenge<br />

methodische Standards (z. B. Randomisierung, Diskontierung) können dabei helfen, das<br />

Risiko einer Überschätzung der Kosteneffektivität zu vermindern.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Aldana SG, Jacobson BH, Harris CJ, Kelley PL, Stone WJ. Influence of a mobile<br />

worksite health promotion program on health care costs. Am.J.Prev.Med. 1993; 9: 378-<br />

83.<br />

Aldana SG, Merrill RM, Price K, Hardy A, Hager R. Financial impact of a comprehensive<br />

multisite workplace health promotion program. Prev.Med. 2005; 40: 131-7.<br />

Bertera RL. The effects of workplace health promotion on absenteeism and employment<br />

costs in a large industrial population. Am.J.Public Health 1990; 80: 1101-5.<br />

Gibbs JO, Mulvaney D, Henes C, Reed RW. Work-site health promotion. Five-year trend<br />

in employee health care costs. J.Occup.Med. 1985; 27: 826-30.<br />

Golaszewski T, Snow D, Lynch W, Yen L, Solomita D. A benefit-to-cost analysis of a<br />

work-site health promotion program. J.Occup.Med. 1992; 34: 1164-72.<br />

Naydeck BL, Pearson JA, Ozminkowski RJ, Day BT, Goetzel RZ. The Impact of the<br />

Highmark Employee Wellness Programs on 4-Year Healthcare Costs.<br />

J.Occup.Environ.Med. 2008; 50: 146-56.<br />

Ozminkowski RJ, Dunn RL, Goetzel RZ, Cantor RI, Murnane J, Harrison M. A return on<br />

investment evaluation of the Citibank, N.A., health management program. Am.J.Health<br />

Promot. 1999; 14: 31-43.<br />

Shephard RJ. Long term impact of a fitness programme - the Canada Life Study.<br />

Ann.Acad.Med.Singapore 1992; 21:63-8.<br />

Schultz AB, Lu C, Barnett TE, Yen LT, McDonald T, Hirschland D et al. Influence of<br />

participation in a worksite health-promotion program on disability days.<br />

J.Occup.Environ.Med. 2002; 44: 776-80.<br />

614


P85<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Test- und Retestergebnisse einer Herz-Kreislauf-Präventionsstudie<br />

Beate Peter, Irina Böckelmann, Christiane Seik, Eberhard A. Pfister<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

Zielstellung:<br />

Rechtzeitige Prävention kann bei vielen chronischen Erkrankungen das Risiko einer<br />

verminderten Erwerbsfähigkeit senken. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken neben<br />

klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auch sekundäre Faktoren wie<br />

Bewegungsmangel und Stresssituationen mit, so dass Berufsgruppen mit hoher<br />

zeitlicher und psychomentaler Belastung in dieser Hinsicht besonders gefährdet sind.<br />

Ziel der hier vorgestellten abgeschlossenen Längsschnittstudie ist die Erfolgskontrolle<br />

individuell empfohlener Maßnahmen zur Verhaltensprävention.<br />

Probanden und Methodik:<br />

Im Rahmen einer Gesundheitsförderungsmaßnahme absolvierten 182 freiwillige<br />

Mitarbeiter (125 Männer und 57 Frauen) der Universität Magdeburg ein umfassendes<br />

Programm. Nach einer medizinischen Untersuchung mit Bestimmung der<br />

kardiovaskulären Risikofaktoren wurden für alle Probanden das individuelle<br />

Herzinfarktrisiko (PROCAM-Index) berechnet und spezifische Präventionsmaßnahmen<br />

abgeleitet. Deren Wirksamkeit überprüften wir nach 4-5 Jahren an 125 Probanden (88<br />

Männer und 37 Frauen) bei einem Retest mit identischem Studiendesign.<br />

Mit Hilfe arbeitspsychologischer Fragebögen (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und<br />

Erlebensmuster [AVEM] und Stressverarbeitungsfragebogen [SVF]) erfolgte die<br />

Einstufung in Kategorien zu gesundheitsförderlichem bzw. –gefährdendem Verhalten<br />

und zur Stressbewältigung.<br />

Weitere Untersuchungsebenen der Studie betrafen eine Beurteilung der individuellen<br />

Arbeitsplatzverhältnisse, einen psychophysiologischen Versuch (Erfassung der<br />

Kardioreaktivität unter mentaler Provokation) und ein 24-h-EKG-Monitoring mit<br />

nachfolgender Bestimmung der Herzratenvariabiliät. Auf die entsprechenden Ergebnisse<br />

wird hier nicht näher eingegangen.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Berechnung des individuellen Herzinfarktrisikos nach dem PROCAM-Algorithmus<br />

(Prospective Cardiovascular Münster Study) ist aussagekräftig für Männer ab dem 35.<br />

Lebensjahr und Frauen nach der Menopause. Dies traf für 104 unserer Probanden zu.<br />

Der PROCAM-Index (Herzinfarktrisiko des Probanden gegenüber Gleichaltrigen) stieg im<br />

Test-Retest-Vergleich signifikant an (p < 0,001, siehe Abb.).<br />

615


P85<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Bei den kardiovaskulären Risikofaktoren zeigten sich im Test-Retest-Vergleich<br />

signifikante Erhöhungen von BMI und LDL/ HDL-Quotient (p < 0,001).<br />

Der Test-Retest-Vergleich der AVEM-Ergebnisse ergab in einigen Kategorien des<br />

Arbeitsengagements („Beruflicher Ehrgeiz“, „Verausgabungsbereitschaft“) und des<br />

Lebensgefühls („Lebenszufriedenheit“) signifikant bessere Einstufungen im Retest (p <<br />

0,05).<br />

Beim SVF waren im Retest die stressvermehrenden Negativstrategien<br />

„Selbstbeschuldigung“ (SB) und „Gedankliche Weiterbeschäftigung“ (GW) signifikant<br />

geringer ausgeprägt. Gleichzeitig wiesen die stressreduzierenden Positivstrategien<br />

„Suche nach Selbstbestätigung“ (SS) und „Herunterspielen durch Vergleich mit Anderen“<br />

höhere Punktwerte im Retest auf (p < 0,01).<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Trotz Interventionsmaßnahmen (Ernährungsumstellung, Reduktion des Übergewichts<br />

und des Konsums von Genussmitteln und Nikotin, ausdauerbetonte sportliche<br />

Aktivitäten, Strategien zur beruflichen Stressbewältigung) konnte im Verlauf die<br />

individuelle Einstufung des Herz-Kreislauf-Risikos nicht verbessert werden. Nach<br />

Befragung wurden diese auch nur von zwei Drittel der Studienteilnehmer umgesetzt.<br />

Hinsichtlich der Stressbewältigungsfähigkeit war im Test-Retest-Vergleich allerdings eine<br />

Verbesserung zu erkennen.<br />

Als Konsequenz aus dieser Längsschnittstudie ist zu ziehen, dass betriebliche<br />

Gesundheitsförderungsmaßnahmen kontinuierlich vom Betriebsarzt begleitet und<br />

Erfolgskontrollen in relativ kurzen Abständen durchgeführt werden müssen.<br />

Ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Otto-von-<br />

Guericke-Universität Magdeburg liegt vor.<br />

Retest<br />

1,34<br />

Test<br />

0,77<br />

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6<br />

PROCAM-Index<br />

Abb.: PROCAM-Index im Test-Retest-Vergleich<br />

616


P86<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Überprüfung der Eignung bestimmter Laborparameter als<br />

Alkoholismusmarker bei vorwiegend unter Tage beschäftigten<br />

männlichen Mitarbeitern der RAG Aktiengesellschaft<br />

Sascha Eberwein, Heinz-Johannes Bicker, Guido Mann, Martina Dahlmann<br />

Abt. Gesundheitsschutz des Bereiches Arbeits-, Gesundheits-, Umweltschutz Herne<br />

• Der chronische Alkoholabusus hat wegen seiner großen Verbreitung in der<br />

Bevölkerung<br />

und der toxischen Wirkung des Alkohols auf fast alle Organsysteme des Menschen<br />

eine<br />

erhebliche medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung.<br />

• Zur arbeitsmedizinischen Tätigkeit gehört, unter anderem zur Vermeidung von<br />

alkoholbedingten Unfällen im Betrieb, sowie im Straßenverkehr, die Abschätzung des<br />

regelmäßigen Alkoholkonsums der Probanden.<br />

• Um die Eignung bestimmter Laborparameter als Alkoholismusmarker bei vorwiegend<br />

unter Tage beschäftigten männlichen Mitarbeitern der RAG Aktiengesellschaft zu<br />

überprüfen, wurden Zusammenhänge zwischen verschiedenen Laborparametern mit<br />

dem<br />

erfragten Alkoholkonsum bei den ca. 25.000 arbeitsmedizinischen Untersuchungen<br />

der Beschäftigten des Jahres 2006 untersucht.<br />

Zunächst wurden die Untersuchungsergebnisse der Beschäftigten nach dem<br />

angegebenen Trinkverhalten eingeteilt, in Gruppen mit:<br />

• regelmäßigen Alkoholkonsum,<br />

• gelegentlichen Alkoholkonsum,<br />

• keinen Alkoholkonsum,<br />

• beendeten früheren Alkoholkonsum,<br />

• sowie keinen Angaben zum Alkoholkonsum.<br />

Die GGT- Mittelwerte wurden mit dem angegebenen Trinkverhalten der Probanden in<br />

Beziehung gesetzt:<br />

617


P86<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

GGT M itte lw erte<br />

GGT [ U/I ]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

keine Angaben nein gelegentlich regelmäßig nicht mehr<br />

Al kohol konsum<br />

■ Probanden, die einen regelmäßigen Alkoholkonsum angaben, wiesen die<br />

höchsten GGT- Werte auf. Probanden ohne Alkoholkonsum wiesen die<br />

niedrigsten GGT- Werte auf.<br />

Die ermittelten CDT- Mittelwerte wurden mit dem angegebenen Trinkverhalten der<br />

Probanden in Beziehung gesetzt.<br />

■<br />

Probanden, die einen regelmäßigen oder gelegentlichen Alkoholkonsum<br />

angaben, wiesen höhere CDT- Werte auf.<br />

Es wurde auf eine Beziehung der GGT- Werte mit dem Gesamtcholesterinwert hin<br />

geprüft.<br />

■<br />

Mitarbeiter mit hohen Cholesterinwerten wiesen zumeist höhere GGT- Werte auf.<br />

Die GGT- und CDT- Werte von den Probanden mit angegebenem regelmäßigem<br />

Alkoholkonsum wurden verglichen.<br />

■<br />

Erhöhte CDT- Werte fanden sich hier auch bei niedrigen GGT- Werten.<br />

618


P86<br />

Poster – Gesundheitsförderung / Gesundheitsmanagement II<br />

Nun wurde die Gruppe mit angegebenem regelmäßigem Alkoholkonsum nach dem<br />

angegebenen wöchentlichen Bierkonsum weiter untersucht.<br />

Die erhobenen GGT- Werte wurden dem angegebenen Bierkonsum zugeordnet.<br />

■<br />

Niedrige GGT- Werte kamen zwar überwiegend bei den Probanden mit dem<br />

niedrigeren angegebenen Alkoholkonsum vor, waren aber auch bei Probanden<br />

mit höherem angegebenem Alkoholkonsum zu finden.<br />

Die erhobenen CDT- Werte wurden dem angegebenen Bierkonsum zugeordnet.<br />

■<br />

Die überwiegende Anzahl der Probanden mit dem niedrigeren angegebenen<br />

Bierkonsum hatte normale CDT- Werte und die überwiegende Anzahl der<br />

Probanden mit höherem, bzw. hohem angegebenem Bierkonsum hatte erhöhte<br />

CDT- Werte, bzw. CDT- Werte im Graubereich.<br />

Zusammenfassung:<br />

■<br />

■<br />

Eine Erhöhung der GGT kann ein Hinweis auf einen erhöhten Alkoholkonsum<br />

sein.<br />

Zur Abgrenzung von nicht alkoholbedingten Erhöhungen der GGT wie z.B. einer<br />

isolierten Fettstoffwechselstörung von einem bestehenden Alkoholmissbrauch<br />

scheint die CDT- Bestimmung geeignet zu sein.<br />

619


P87<br />

Poster – Asbest I<br />

Ab wann ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei der<br />

BK 4103 fassbar?<br />

Alexandra M. Preisser, Xaver Baur<br />

Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />

Hintergrund:<br />

Die Berufskrankheit Nr. 4103 (Lungen-Asbestose oder asbestbedingte Pleuraplaques)<br />

führt zu einer vornehmlich restriktiven Ventilationsstörung. Bisher wird eine MdE-<br />

Einschränkung i.d.R. erst ab 20 % gewertet und genannt, wobei man hierbei zur<br />

Beurteilung in manchen Fällen nur die Spirometrie zugrunde legt. Eine MdE von 10%<br />

kann jedoch im Falle des Vorliegens einer weiteren Berufskrankheit, z.B. einer<br />

Lärmschwerhörigkeit, zu Versicherungsleistungen führen.<br />

Anhand von 4 Fällen wird unter Berücksichtigung weiterer lungenfunktioneller Parameter<br />

eine differenzierte MdE-Einschätzung dargestellt.<br />

Methode:<br />

4 Patienten mit asbestbedingten Pleuraplaques, in einem Fall zusätzlich mit Z. n.<br />

asbestassoziierter Pleuritis, wurden gutachterlich untersucht. Führendes Symptom war<br />

die Dyspnoe bei stärkerer Belastung. Neben der Spirometrie erfolgten<br />

Bodyplethysmografie, Spiroergometrie mit Messungen der alveoloarteriellen<br />

Sauerstoffdifferenz (AaDO 2 ) und der Messung der CO-Diffusionskapazität (D L,CO ) sowie<br />

in zwei Fällen die Compliance-Bestimmung. Neben konventionellen<br />

Röntgenuntersuchungen des Thorax lagen CT-Untersuchungen zur Beurteilung vor.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Vitalkapazität aller Patienten lag im unteren Normbereich (81 - 85% d. Soll-<br />

Mittelwertes n. Brändli et al. 2000). Drei Patienten zeigten einen verminderten CO-<br />

Transfer auf 67%, 71% bzw. 64% des Soll-Mittelwertes (n. Cotes et al., 1993); zwei von<br />

diesen wiesen einen Abfall des Sauerstoffpartialdrucks unter Belastung mit Erhöhung der<br />

AaDO 2 auf 42 und 40 mmHg auf. In Fall 2 und 3 war die statische Compliance<br />

vermindert auf 42 bzw. 58% d. Soll-MW (n. Galetke et al., 2005). Insbesondere im<br />

zweiten Fall, dem Patienten mit Zustand nach asbestbedingter Pleuritis und Obliteration<br />

des costophrenischen Winkels, war diese Minderung der Compliance weit unterhalb des<br />

unteren Sollgrenzwertes der führende Untersuchungsbefund. Der vierte Patient hatte<br />

vornehmlich eine Obstruktion der kleinen Atemwege mit Einschränkung der FEV 1 und<br />

der FEF 25-75 . Er war seit 31 Jahren Nichtraucher, vorher 16 packyears.<br />

In zwei Fällen ließ sich eine reproduzeirbare Vitalkapazität Höhe der Vitalkapazität mit<br />

einem Wert oberhalb des unteren Sollgrenzwertes (je von 81 bzw. 82 % des<br />

620


P87<br />

Poster – Asbest I<br />

Sollmittelwertes) erst in der spirometrischen Messung nach der Belastungsuntersuchung<br />

objektivieren.<br />

Bei zwei Patienten bestand nach der klinischen Untersuchung und der zusätzlich<br />

durchgeführten Audiometrie der Verdacht auf das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit,<br />

ein Patient hatte eine Gonarthrose, als Berufskrankheit anerkannt mit einer MdE von<br />

20%.<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Die Beschränkung der Lungenfunktionsdiagnostik auf die Spirometrie, wie sie von<br />

einigen UV-Trägern für bestimmte Konstellationen der BK 4103 vorgenommen wird, stellt<br />

keine ausreichend sensitive Diagnostik hierfür dar. Ergänzend sind Spiroergometrie mit<br />

Messung der Blutgase und alveolo-arteriellen Sauerstoffdifferenz, Messung der CO-<br />

Diffusionskapazität und Compliance zur Objektivierung (noch) leichter funktioneller<br />

Einschränkungen und damit der MdE-Einschätzung notwendig. Ist die<br />

Reproduzierbarkeit der Vitalkapazität nicht gegeben, sollten die Untersuchungen durch<br />

eine Spirometrie nach Belastung ergänzt werden.<br />

Die umfassende Untersuchung kann vor allem beim gleichzeitigen Vorliegen einer<br />

anderen Berufskrankheit bedeutsam sein (sog. „Stütz-MdE“). Vorgenannte Verfahren<br />

sollten daher immer in der gutachterlichen Untersuchung restriktiver<br />

Lungenerkrankungen eingesetzt werden.<br />

621


P87<br />

Poster – Asbest I<br />

Abb. 1: Blutgase (P a,O2 Soll: 85.99 mmHg, Soll-UG: 71.82) und AaDO 2 (Alveoloarterielle<br />

Sauerstoffdifferenz) in Ruhe und unter Belastung (rot unterstrichen). Während der bereits initial<br />

leicht pathologische P a,O2 keinen weiteren wesentlichen Abfall zeigt, ist ein deutlicher Anstieg der<br />

AaDO 2 in den pathologischen Bereich als Zeichen der Diffusionsstörung messbar.<br />

Literatur:<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Brändli O, Leuenberger Ph, Schindler C, Baur X, Degens P, Künzli N, Keller R,<br />

Perruchoud AP. Reestimated reference equations for the 5 th percentiles of lung<br />

function variables in the adult population of Switzerland (SAPALDIA-study).<br />

Thorax 2000; 55: 173-174<br />

Cotes JE, Chinn DJ, Quanjer PH, Roca J, Yernault JC. Standardization of the<br />

measurement of transfer factor (diffusing capacity) European Community for<br />

Steel and Coal. Official statement of the European Respiratory Society. Eur<br />

Respir J 1993; 6: 41-52<br />

Galetke W, Feier C, Muth T, Rühle K-H, Borsch-Galetke E, Randerath. Neue<br />

Referenzwerte für die dynamische und statische Compliance der Lunge bei<br />

Männern. Pneumologie 2005;59:S60<br />

622


P88<br />

Poster – Asbest I<br />

Asbestbedingte Lungenfunktionsveränderungen auch bei<br />

normalem Röntgenthoraxbefund?<br />

Dennis Wilken, Xaver Baur<br />

Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

623


P89<br />

Poster – Asbest I<br />

Korrelation des Streuungsgrades einer Lungenasbestose nach<br />

ILO und HRCT mit der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis<br />

Rolf Arhelger 1 , Paul Mayer 2 , Kurt Georg Hering 3 und Joachim Schneider 1<br />

1<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort<br />

Gießen<br />

2 An Sichelscheid 20, 52134 Herzogenrath<br />

3 Knappschaftskrankenhaus Dortmund<br />

Einleitung und Fragestellung<br />

Im Gegensatz zur Verursachung von Pleuraplaques oder des Pleuramesothelioms<br />

werden für die Lungenasbestose höhere kumulative Asbestfaserstaub-Dosen erforderlich<br />

gehalten. Derartig erhöhte Asbestfaserstaub-Einwirkungen werden in der Regel nur an<br />

bestimmten Arbeitsplätzen angetroffen. In der Legaldefinition zur Nr. 4103 der BKV<br />

werden keine Mindest-Dosen am Arbeitsplatz als Anerkennungskriterium vorgegeben. Im<br />

folgenden sollen die sicherheitstechnisch ermittelten Asbestfaserstaub-Dosen mit dem<br />

Schweregrad einer Lungenasbestose in Beziehung gesetzt werden.<br />

Kollektiv und Methoden<br />

In einem Kollektiv mit n=169 Männern im Alter zwischen 35 und 74 Jahren mit als<br />

Berufskrankheit der Nr. 4103 BKV anerkannter Lungen- und/oder Pleuraasbestose [1]<br />

wurden die kumulativen Asbestfaserstaubdosen (FJ) sicherheitstechnisch geschätzt [2]<br />

und mit dem Schweregrad einer Lungenasbestose aufgrund bildgebender Befunde<br />

(Übersichtsaufnahme nach ILO und HR-CT) korreliert [3, 4].<br />

Ergebnisse<br />

Patienten in der Asbestprodukt-Herstellung (n=30) hatten mit im Median 73 Faserjahren<br />

(Spannweite: 15-787) höhere Dosen am Arbeitsplatz als Anwender (n=139) mit im<br />

Median 38,5 (Spannweite: 1-480) Faserjahren.<br />

Die Korrelation der bildgebenden Befunde nach ILO im Thorax-Übersichtsbild mit den FJ<br />

zeigt für Lungenasbestosen 1/1 eine gewisse Dosisabhängigkeit, siehe Abbildung 1.<br />

CT morphologisch sind Lungenasbestosen schon bei relativ niedrigen<br />

Faserkonzentrationen nachweisbar. Eindeutig im HRCT gesicherte Lungenasbestosen<br />

wurden bei einem Faserjahr (Streuungskategorie im HRCT: 1/1), 15 Faserjahren<br />

(Streuungskategorie im HRCT: 1/2), 27 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 2/1),<br />

13 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 2/2), 6 Faserjahren (Streuungskategorie<br />

im HRCT: 3/1) und 8 Faserjahren (Streuungskategorie im HRCT: 3/2) beobachtet.<br />

624


P89<br />

Poster – Asbest I<br />

Diskussion und Schlussfolgerung<br />

Bei für eine Lungenasbestose relativ niedrigen Faserkonzentrationen waren bereits<br />

computertomografisch fortgeschrittene Lungenasbestosen nachweisbar. Dies spricht für<br />

eine besondere Empfindlichkeit bestimmter Patienten.<br />

Literatur<br />

1. Hauser-Heidt G, Arhelger R, Schneider J: Wertigkeit der statischen Compliance-<br />

Messung bei Asbestfaserstaub-verursachten Erkrankungen der Lunge und der<br />

Pleura. Wissenschaftlicher Abschlussbericht, Hauptverband der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften (2006)<br />

2. BK-Report 1/2007 Faserjahre: Berufsgenossenschaftliche Hinweise zur Ermittlung<br />

der kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz (Faserjahre) und<br />

Bearbeitungshinweise zur Berufskrankheit Nr. 4104 „Lungenkrebs oder<br />

Kehlkopfkrebs“. Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin (2007): 1-257<br />

3. Hering K G, Jacobsen M, Bosch-Galetke E, Elliehausen H-J, Hieckel H-G, Hofmann-<br />

Preiß K, Jacques W, Jeremie U, Kotschy-Lang N, Kraus Th, Menze B, Raab W,<br />

Raithel H-J, Schneider W D, Straßburger K, Tuengerthal S, Woitowitz H-J: Die<br />

Weiterentwicklung der Internationalen Staublungenklassifikation – von der ILO 1980<br />

zur ILO 2000 und zur ILO 2000/Version Bundesrepublik Deutschland. Pneumologie<br />

57 (2003): 576-584<br />

4. Hering K G, Tuengerthal S, Kraus T: Standardisierte CT/HRCT-Klassifikation der<br />

Bundesrepublik Deutschland für arbeits- und umweltbedingte Thoraxerkrankungen.<br />

Der Radiologe 5 (2004): 500-511<br />

625


P89<br />

Poster – Asbest I<br />

Kumulative Asbestfaserstaub-Dosis [F/m 3 *10 6 * Jahre]<br />

s<br />

0 50 100 150 200<br />

0 50 100 150 200<br />

A<br />

n=<br />

6 86 51 12 7 2 5<br />

B<br />

0/0 0/1 1/0 1/1 1/2 2/1 2/2<br />

Streuungskategorie nach ILO<br />

n=169<br />

n=<br />

13 40 28 10 19 17 18 11 9 3 1<br />

0/0 0/1 1/0 1/1 1/2 2/1 2/2 3/1 3/2 3/3 3/+<br />

Streuungskategorie s‘t‘u und/oder v‘w‘x nach HRCT<br />

Abbildung 1: Korrelation der Streuungskategorien nach ILO (A) und HRCT (B) mit der<br />

kumulativen Asbestfaserstaubdosis.<br />

626


P90<br />

Poster – Asbest I<br />

Retrospektive Ermittlung der Asbestexposition bei Mitarbeitern<br />

der Energieindustrie<br />

Michael K. Felten 1 , Lars Knoll 1 , Christian Eisenhawer 1 , Diana Ackermann 2 , Wolfgang<br />

Zschiesche 3 , Johannes Hüdepohl 3 , Thomas Kraus 1<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinik der RWTH Aachen,<br />

2<br />

Institut für Medizinische Statistik, Universitätsklinik der RWTH Aachen,<br />

3<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Köln<br />

Einleitung<br />

Asbeststaub erhöht das Risiko an z.B. einer Lungenfibrose, einem Bronchialkarzinom<br />

oder einem Mesotheliom zu erkranken (1). Um trotz langer Latenzperioden bis zum<br />

Ausbruch der Erkrankung einen größtmöglichen Effekt bei möglichst geringen Kosten<br />

sicher zu stellen, sollten Früherkennungsprogramme risikodifferenziert angelegt sein. Es<br />

ist bekannt, dass Mitarbeiter in Kraftwerken und in Einrichtungen der Energieverteilung,<br />

wie Umspannwerken und Transformatoren, insbesondere vor dem Asbestverbot Ende<br />

1992 Asbeststaub ausgesetzt waren (2,3). Bisher verfügbare Daten über<br />

aufgabenspezifische Belastungen am Arbeitsplatz und individuelle Erkrankungsrisiken<br />

sind allerdings unzureichend.<br />

Kollektiv und Methode<br />

Aus aktiven und ehemaligen asbestbelasteten Mitarbeitern eines großen deutschen<br />

Energieerzeugers bildeten wir eine Kohorte von 8632 Probanden (Tabelle 1), die auf<br />

einem selbst ausgefüllten Fragebogen Angaben über ihre Expositionsdauer für<br />

Asbeststaub, ihre Berufsbezeichnung und ihre hauptsächlichen Tätigkeiten machten (4).<br />

Die Mehrzahl der Teilnehmer (n = 5622) war in einem von acht Kraftwerken beschäftigt.<br />

Die übrigen arbeiteten in verschiedenen Einrichtungen der Energieverteilung (n = 2498)<br />

oder der Gasversorgung (n = 512). Da die Letzteren mit einiger Verzögerung erfasst<br />

wurden, konnten für diese Gruppe Expositionsdaten und Tätigkeiten nicht ausgewertet<br />

werden. Zur Berechnung der individuellen kumulativen Asbestbelastung (in Faserjahren)<br />

benutzten wir ein standardisiertes Computerprogramms (BESTOS) (5). Das Programm<br />

wird über eine leicht zu bedienende Oberfläche bedient und läuft auf konventionellen<br />

Personalcomputern. Zur Auswertung ordneten wir die Vielzahl der Berufsbezeichnungen<br />

sechs Gruppen zu, deren berufliche Exposition als ähnlich angenommen wurde. Die<br />

individuellen Belastungen der Teilnehmer und die Häufigkeiten typischer Tätigkeiten mit<br />

Asbestbelastung wurden zwischen diesen Berufsgruppen verglichen. Die definierten<br />

Berufsgruppen ähnlicher Exposition waren Schlosser, Elektriker, Kraftwerker, andere<br />

Handwerker, Leitende und andere Berufe.<br />

627


P90<br />

Poster – Asbest I<br />

Ergebnisse<br />

Insgesamt werteten wir Expositionsdaten von 7775 Probanden (90% der Kohorte) aus,<br />

von denen 5284 aus dem Bereich Energieerzeugung und 2491 aus dem Bereich<br />

Energieverteilung kamen. Die Probanden aus der Energieerzeugung hatten ein mittleres<br />

Alter von 56 Jahren, waren 20 Jahre lang exponiert und hatten eine kumulative<br />

Asbestdosis von 42 Faserjahren. Den höchsten Wert von 79 Faserjahren erreichte die<br />

Berufsgruppe der Schlosser (n = 1600). Die entsprechenden Ergebnisse für die<br />

Energieverteiler waren 45 und 20 Jahre, sowie 2,5 Faserjahre mit einem Spitzenwert von<br />

5,1 Faserjahren bei den Kraftwerkern. Alle Berufsgruppen hatten deutlich geringere<br />

Werte für die Faserjahre als diejenigen bei den Energieerzeugern. Der mittlere<br />

Faserjahreswert bezogen auf die gesamte Gruppe der Energieverteiler erreichte nur<br />

etwa 6 % des mittleren Wertes bei den Energieerzeugern (2,5 gegenüber 42 Faserjahre).<br />

Schlussfolgerungen<br />

In der Zeit vor 1993 waren Mitarbeiter insbesondere der Energie erzeugenden Industrie<br />

hochgradig asbestexponiert. Mitarbeiter der Energie verteilenden Industrie hatten eine<br />

mittlere Belastung von nur etwa 6% der Belastung bei den Energieerzeugern.<br />

Vorsorgemaßnahmen für asbestverursachte Erkrankungen sollten auf der Grundlage<br />

gezielter epidemiologischer Erhebungen zur Ermittlung des berufsspezifischen<br />

Erkrankungsrisikos durchgeführt werden. Das verwendete Programm zur<br />

standardisierten Berechnung der individuellen Asbestbelastungen eignet sich gut für<br />

epidemiologische Erhebungen in definierten Risikogruppen.<br />

Literatur<br />

1. Doll R, Peto J. Effects on health of exposure to asbestos. London: HSE Books, 1985.<br />

2. Madl AK, Clark K, Paustenbach DJ. Exposure to airborne asbestos during removal<br />

and installation of gaskets and packings: a review of published and unpublished<br />

studies. J Toxicol Environ Health B Crit Rev 2007;10(4):259-86.<br />

3. Williams PR, Phelka AD, Paustenbach DJ. A review of historical exposures to<br />

asbestos among skilled craftsmen (1940-2006). J Toxicol Environ Health B Crit Rev<br />

2007;10(5):319-77.<br />

4. Swuste P, Dahhan M, Burdorf A. Linking Expert Judgement and Trends in<br />

Occupational Exposure into a Job-Exposure Matrix for Historical Exposure to<br />

Asbestos in The Netherlands. Ann Occup Hyg 2008;52(5):397-403.<br />

5. HVBG. Berufsgenossenschaftliche Hinweise zur Ermittlung der kumulativen<br />

Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz („BK-Report Faserjahre“). Sankt Augustin,<br />

2007.<br />

628


P90<br />

Poster – Asbest I<br />

629


P91<br />

Poster – Asbest I<br />

Statistische Verfahren zur Behandlung fehlender Werte in<br />

epidemiologischen Studien<br />

Christian Schikowsky 1 , Diana Ackermann 2 , Michael K. Felten 3 , Thomas Kraus 3<br />

1<br />

Technische Universität Dortmund,<br />

2<br />

Institut für Medizinische Statistik, RWTH Aachen,<br />

3<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Bei der Auswertung epidemiologischer Studien stellen fehlenden Werte ein häufig<br />

auftretendes Problem dar, welches sich darin äußert, dass solche Beobachtungen durch<br />

die statistischen Verfahren häufig von der Analyse ausgeschlossen werden. Hierdurch<br />

kann ein Informationsverlust entstehen. Eine Lösung dieses Problems stellen<br />

Ersetzungsstrategien für die fehlenden Werte dar, die eine Auswertung auf Basis<br />

möglichst aller Beobachtungen ermöglichen. Mit einfachen Verfahren dieser Art werden<br />

fehlende Werte z.B. durch eine statistische Kenngröße ersetzt. Komplexere Verfahren,<br />

bei denen zum Beispiel die fehlenden Werte mehrfach ersetzt werden, sind mit einem<br />

deutlich höheren Rechenaufwand verbunden. Wir haben den Einfluss verschiedener<br />

Ersetzungsstrategien für fehlende Werte auf die Ergebnisse (Vorhersagefähigkeit)<br />

untersucht.<br />

Methoden<br />

Grundlage der Untersuchungen bildete eine Kohorte von 4446 ehemals<br />

asbestexponierter Kraftwerksmitarbeitern. Mit den Variablen Alter, Expositionsdauer,<br />

Berufsgruppe, Faserjahre und Tabakrauchkonsum in packyears eine Auswahl von<br />

Merkmalen für die Analysen verwendet. Vor allem die im Mittelpunkt der Betrachtung<br />

stehenden Faserjahre stellten sich als anfällig für fehlende Werte (1145/25,75%) heraus.<br />

Insgesamt wiesen 1170 (26,32%) fehlende Werte auf. Im ersten Teil der Analyse wurden<br />

die verschiedenen Verfahren auf den Datensatz angewendet. Es ergaben sich,<br />

basierend auf dem angewendeten Verfahren, ein oder mehrere vervollständigte<br />

Datensätze. An jeden dieser Datensätze wurde dann ein logistisches Regressionsmodell<br />

angepaßt (1). Anhand dieser wurde im nächsten Schritt vorhergesagt, ob ein Proband<br />

als berufserkrankt oder gesund eingestuft würde. Für den Vergleich der Verfahren wurde<br />

das Receiver Operating Characteristics Curve (ROC) Verfahren verwendet (3). Die ROC<br />

Kurve betrachtet zu verschiedenen Leveln die Anzahl der korrekt als Event (Sensitivität)<br />

bzw. als Nichtevent (Spezifität) klassifizierten Beobachtungen und gibt Aufschluß über<br />

die Vorhersagefähigkeit des zu Grunde liegenden Modells und somit über die Qualität<br />

der Ersetzungsverfahren. Wir beschränkten uns bei unseren Analysen auf die folgenden<br />

Verfahren:<br />

630


P91<br />

Poster – Asbest I<br />

Listwise deletion (LD): Dieses Verfahren entfernt jegliche Beobachtungen, die<br />

fehlende Werte enthalten, aus dem Datenmaterial.<br />

Imputation (IM): Ersetzt die fehlenden Werte durch plausible Werte z.B. das<br />

arithmetische Mittel oder den Median.<br />

Predictive Mean Matching (PMM): Für jedes Merkmal, welches fehlende Werte<br />

enthält, werden mittels eines Regressionsmodells Vorhersagen für die<br />

Beobachtungen der Variablen mit fehlenden Werten bestimmt. Die fehlenden Werte<br />

werden durch beobachtete Werte mit einem ähnlichen Vorhersagewert ersetzt.<br />

Multiple Imputation (MI): Grundidee ist die Anwendung eines Ersetzungsverfahrens<br />

auf m Kopien des Datensatzes. Diese werden einzeln analysiert und abschließend<br />

wird aus den sich ergebenden m Statistiken eine Endstatistik gebildet.<br />

Ergebnisse<br />

Durch die Anwendung der Ersetzungsverfahren konnte, im Vergleich zum<br />

Standardvorgehen, eine Verbesserung der Vorhersagefähigkeit erzielt werden<br />

(Abbildung 1). Die Unterschiede zwischen den Ersetzungsverfahren sind hingegen nur<br />

geringfügig. Dies zeigt sich ebenfalls bei Betrachtung der Schätzungen der Flächen<br />

unterhalb der ROC Kurven (0.808 (LD), 0.841 (IM-MI), 0.844 (IM-ME), 0.843 (PMM) und<br />

0.843 (MI)).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Ergebnisse unserer Analysen lassen sich nur bedingt verallgemeinern, da sie<br />

spezifisch für den analysierten Datensatz sind. Anhand der bisherigen Analysen kann<br />

der Einfluss der Datenstruktur auf die Ergebnisse nicht eingeschätzt werden. Aus diesem<br />

Grund sollte vor einer routinemäßigen Anwendung die Kontrolle unserer Ergebnisse<br />

anhand von:<br />

Datensätzen mit ähnlicher Datenstruktur<br />

Datensätzen mit unterschiedlicher Datenstruktur<br />

Datensätzen in denen die fehlenden Werte künstlich erzeugt wurden<br />

durchgeführt werden.<br />

Literatur<br />

1. Allison, P. D. (1999). Logistic Regression Using SAS: Theory and Application, Cary,<br />

NC: SAS Institute Inc.<br />

2. Allison, P. D. (2001). Missing Data, (Sage University Papers Series on Quantitative<br />

Applications in the Social Sciences, series no. 07-136). Thousands Oaks, CA: Sage.<br />

3. Hanley, J. A., McNeil, B. J. (1982) The meaning and use of the area under a receiver<br />

operating characteristic (ROC) curve, Radiology, 143, 29-36.<br />

631


P91<br />

Poster – Asbest I<br />

Abbildung 1: ROC Kurven der Verfahren zur Behandlung fehlender Werte<br />

632


P92<br />

Poster – Asbest I<br />

Deskriptive Analyse asbestbedingter Malignome ehemals<br />

exponierter Kraftwerksmitarbeiter<br />

Marion Voigt, Lars Knoll, Michael Felten, Khaled Khatab, Thomas Kraus<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Bei ehemals asbestexponierten Kraftwerksmitarbeitern liegt ein erhöhtes Risiko unter<br />

anderem für die Entstehung bösartiger Erkrankungen der Lunge und der Pleura vor.<br />

Unter bestimmten Voraussetzungen können gemäß der aktuellen Berufskrankheitenverordnung<br />

Bronchialkarzinome (BC), Larynxkarzinome (LC) und Mesotheliome (ME)<br />

als Berufskrankheit anerkannt werden.<br />

Ob und an welcher Form ein Individuum nach Asbestbelastung erkrankt und wie schwerwiegend<br />

die Erkrankung dann ist, ist auf Grund der multifaktoriellen Genese nur schwer<br />

abzuschätzen.<br />

Material und Methode<br />

Im Rahmen unseres differenzierten Vorsorgeprogramms für ehemals asbestexponierte<br />

Arbeitnehmer (DiVA -Differenzierte Vorsorge Asbest-) und dessen jetziger Fortführung<br />

CARE (Comprehensive Asbestos Research Endeavour) sowie im Zuge von Berufskrankheitenfeststellungsverfahren<br />

wurden qualifizierte Berufsanamnesen inklusive der<br />

Faserjahresbestimmung erhoben. Ferner hat man ärztliche körperliche und apparative<br />

(Röntgen-Thorax, LDSCT und Lungenfunktionsanalysen) Untersuchungen durchgeführt<br />

als auch laborchemische (Osteopontin, Mesothelin) und zytologische<br />

(Sputumuntersuchungen) Parameter gewonnen.<br />

Im Zuge dieses risikodifferenzierten Früherkennungsprogramms, das allen ehemals<br />

asbestexponierten Kraftwerksmitarbeitern von RWE angeboten wurde, entstand eine seit<br />

März 2002 gewachsene Kohorte, die nun die Grundlage von prospektiven<br />

Längsschnittstudien ist.<br />

Aus einer Grundgesamtheit von 5622 ehemals asbestexponierten Arbeitnehmern<br />

sind uns derzeit (Stichtag 01.06.2008) 79 histologisch gesicherte Malignomfälle<br />

bekannt.<br />

Gruppiert nach den Diagnosen BC, LC und ME wurde eine deskriptive Analyse<br />

hinsichtlich der Variablen Alter, Latenzzeit, Expositionsdauer, Faserjahre,<br />

Rauchstatus inklusive der Packyears und CT-morphologischer pleuraler<br />

(Pleuraplaques) und parenchymaler Veränderungen (Lungenfibrose) durchgeführt.<br />

633


P92<br />

Poster – Asbest I<br />

Ergebnisse<br />

Im Beobachtungszeitraum fanden sich 57 BC, 18 ME und 4 LC. Die mediane<br />

Faserjahresbelastung war 9 bei den BC, 10,9 bei den ME und 33,7 bei LC. Der Anteil der<br />

Nieraucher beträgt 5,5% (BC), 16,7 % (ME) und 25 % (LC). Demgegenüber stehen mit<br />

47,3 % (BC), 5,6 % (ME) und 25 % (LC) die aktiven Raucher. BC- und LC-Patienten<br />

haben im Median mit 41 bzw. 34,5 Packyears deutlich mehr geraucht als ME-Patienten.<br />

Im CT fanden sich bei BC, ME und LC-Patienten in 77,1, 85,7 und 66,7% pleurale<br />

Veränderungen. Parenchymale Veränderungen wurden in 60, 14,2 und 66,7%<br />

objektiviert.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen für die drei Erkrankungsgruppen keinen<br />

wesentlichen Unterschied im Hinblick auf das Alter, die Latenzzeit und die<br />

Expositionsdauer. Bei den BC- und ME-Patienten liegen zwar keine signifikanten<br />

Unterschiede hinsichtlich der asbestbezogenen Expositionsvariablen Dauer, Latenz und<br />

Dosis vor, allerdings differiert das Rauchverhalten deutlich. Die Gruppe der BC-Patienten<br />

weist den größten Anteil an Rauchern auf und ist auch die zahlenmäßig größte<br />

Erkrankungsgruppe. Somit ergibt sich neuerlich ein Hinweis auf den bekanntermaßen bei<br />

der Erkrankungsgenese wesentlich einwirkenden Kofaktor Rauchen. Die Prävalenz CTmorphologisch<br />

gesicherter Veränderungen an Lunge und Pleura bildet sich<br />

erkrankungstypisch ab, so haben an einem ME erkrankte Personen überwiegend<br />

Veränderungen an der Pleura (unabhängig vom ME) und nur zu einem geringen Teil<br />

(14,3%) im Lungenparenchym. Aufgrund der geringen Fallzahl sind weitreichendere<br />

Schlussfolgerungen für die Gruppe der Larynxkarzinome nicht möglich. Weiteren<br />

Aufschluss werden die umfassenden Ergebnisse der prospektiven Längsschnittstudie<br />

634


P92<br />

Poster – Asbest I<br />

geben können. Die Ergebnisse der krankheitsgruppenspezifischen Analyse von<br />

beruflichen und außerberuflichen Belastungen sind für die Weiterentwicklung von<br />

differenzierten Risikomodellen eine wichtige Grundlage.<br />

635


P93<br />

Poster – Asbest II<br />

Automatische Detektion und quantitative Beurteilung der<br />

pleuralen Verdickungen in thorakalen CT Daten<br />

Kraisorn Chaisaowong 1 2 , Achim Knepper 1 , Elke Ochsmann 3 , Til Aach 1 , Thomas Kraus 3<br />

1<br />

Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen<br />

2<br />

King Mongkut’s University of Technology North Bangkok<br />

3<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

Einleitung<br />

Ehemals asbestexponierte Beschäftigte können an einem malignen Mesotheliom der<br />

Pleura, des Perikards oder des Peritoneums erkranken (BK 4105). In 3D CT-Aufnahmen,<br />

z.B. Spiral-CT, können pleurale Verdickungen als Asbestinhalationsfolgen dargestellt<br />

und bewertet werden. Die manuelle Untersuchung der einzelnen CT-Schnittbilder ist<br />

allerdings zeitintensiv und die resultierenden Befunde unterliegen aufgrund der<br />

subjektiven visuellen Beurteilung Schwankungen. Ziel der vorliegenden interdisziplinären<br />

Arbeit ist es, die Diagnostik der Pleuraplaques durch ein automatisches<br />

Bildverarbeitungssystem zu unterstützen, welches es erlaubt, die mögliche Progredienz<br />

von Pleuraplaques zu objektivieren und damit standardisiert zu erfassen und<br />

dokumentieren. Dazu wurde ein computerbasiertes Bildanalysesystem zur<br />

automatisierten Verarbeitung der 3D CT-Daten entwickelt.<br />

Methodik<br />

Der Gesamtumfang des Bildanalysesystems beinhaltet die Detektion des<br />

Lungenbereichs, die Bestimmung des Pleuraverlaufs, die Detektion der<br />

Pleuraverdickungen, sowie die quantitative Erfassung der gefundenen Verdickungen,<br />

und abschließend die semiautomatische Registrierung [1].<br />

1. Die Detektion des Lungenbereichs wurde durch eine Schwellwerttechnik realisiert [2],<br />

die einen vordefinierten Bereich der Relation zwischen den Lungen und den gesamten<br />

Daten berücksichtigt. Diese führte zur Trennung des Lungenparenchyms von den<br />

restlichen Daten.<br />

2. Die Bestimmung des Pleuraverlaufs basiert auf einer Annahme des statistischen<br />

Verhaltens der CT-Daten als Gibbs-Markov Wahrscheinlichkeitsfeld, mit Hilfe dessen<br />

optimale Nachbarschaftsbeziehung eine präzise Konturbestimmung ermöglicht wurde<br />

[2].<br />

3. Die Detektion der Pleuraverdickungen benötigte die Erstellung eines gesunden<br />

Modells der Pleura. Da die Verdickungen als Unregelmäßigkeiten entlang der<br />

Lungenwand gelten, wurde hierfür die aktuelle Pleura so geglättet, dass die Glättung<br />

jeweils nur auf die lokale Unregelmäßigkeit angepasst wurde. Als mögliche<br />

Verdickungen gelten die Differenzen zwischen der tatsächlichen Pleura und dem Modell.<br />

Weiterhin wurden virtuelle Biopsien aus den CT-Daten durchgeführt, aus denen ein<br />

636


P93<br />

Poster – Asbest II<br />

statistisches Hounsfield-Unit-Modell für das Verdickungsparenchym abgeleitet wurde.<br />

Das Modell bildet die Grundlage für die Endbestimmung der Verdickung und deren<br />

Ausbreitung (Abb. 1, links) [3].<br />

4. Die quantitative Erfassung (Abb. 1, rechts) der jeweiligen Verdickung geschieht<br />

mittels Interpolation. Durch Rekonstruktion der fehlenden Lungenwand sowie durch 3D<br />

Interpolation der Hülle der Verdickung kann das Volumen pixelgenau bestimmt werden<br />

[1].<br />

5. Die semi-automatische Registrierung erfolgte nach der Markierung von anatomischen<br />

Fixpunkten durch den Benutzer. Durch die Bestimmung der Lungenlage. können die<br />

gefundenen Verdickungen in nachfolgenden Datensätzen desselben Patienten<br />

miteinander verglichen werden [2]<br />

Ergebnis<br />

Eine präzise, reproduzierbare Auswertung von Pleuraplaques durch Einsatz der<br />

Methoden der digitalen Bildverarbeitung kann den befundenden Arzt bei der frühzeitigen<br />

Erkennung von progredienten pleuralen Verdickungen unterstützen. Die sogenannte<br />

semi-automatische Registrierung bietet die Möglichkeit, eine quantifizierte Aussage über<br />

das Wachstum der jeweiligen Verdickung zu treffen. Pleurale Verdickungen, die im<br />

zeitlichen Verlauf im Hinblick auf Ausdehnung und/oder Dicke zunehmen bzw. neu<br />

entstehen, sind verdächtig auf das Vorliegen eines Pleuramesothelioms und bedürfen<br />

der weiteren Abklärung.<br />

Abb. 5 (links) Ausgehend von der bestimmten Pleurakontur (grün) wurde die Verdickung und<br />

deren Ausbreitung (gelb) pixelgenau detektiert. (rechts) Die Vermessung einer Verdickung in 2D<br />

sowie 3D Darstellung.<br />

Schlussfolgerung<br />

Neben der Reproduzierbarkeit der maschinellen Befundungsergebnisse bietet das<br />

System als weiteren Nutzen für die diagnostizierenden Ärzte eine Reduktion des<br />

Zeitaufwands, denn die manuelle Durchsicht und Ausmessung der CT Daten wird bereits<br />

im Voraus vom Bildanalysesystem abgenommen. Alle Verarbeitungsschritte bleiben<br />

dabei transparent, und können durch den befundenden Arzt jederzeit kontrolliert werden.<br />

637


P93<br />

Poster – Asbest II<br />

Mittels einer ersten Evaluierung an Test-Daten bestätigte sich, dass das die derzeit<br />

vorliegende Basisversion des Softwaresystem gut zur Weiterentwicklung geeignet ist.<br />

Literatur<br />

[1] K. Chaisaowong, P. Jaeger, S. Vogel, A. Knepper, T. Kraus. and T. Aach, “Computerassisted<br />

Diagnosis for Early Stage Pleural Mesothelioma: Towards Automated Detection<br />

and Quantitative Assessment of Pleural Thickenings from Thoracic CT Images.” Methods<br />

of Information in Medicine, 46(3):324-31, 2007.<br />

[2] K. Chaisaowong, B. Bross, A. Knepper, T. Kraus, and T. Aach, “Detection and Follow-<br />

Up Assessment of Pleural Thickenings from 3D CT Data.” in Proc. The 2008<br />

International Conference of Electrical Engineering/Electronics, Computer, Telecommunications<br />

and Information Technology Association, an IEEE Conference, Krabi (TH), pp<br />

I489 - 92, 2008.<br />

[3] C. Buerger, K. Chaisaowong, A. Knepper, T. Kraus, and T. Aach, “A topology-oriented<br />

and tissue-specific approach to detect pleural thickenings from 3D CT data.” in Proc.<br />

SPIE Medical Imaging: Image Processing, Lake Buena Vista (FL), pp 7259-123 -1-11,<br />

<strong>2009</strong>.<br />

638


P94<br />

Poster – Asbest II<br />

Bedeutung von SMRP, CA 125 und CYFRA 21-1 als Biomarker<br />

zur Früherkennung von Mesotheliomen und Lungenkrebs bei<br />

ehemals Asbestexponierten<br />

Monika Gube 1 , Georg Johnen 2 , Beate Pesch 2 , Peter Brand 1 , Dirk Taeger 2 , Daniel Weber 2 ,<br />

Isabelle M. Gross 2 , Thorsten Wiethege 2 , Hendrik Müller-Berndorff 1 , Thoma Kraus 1 , Thomas<br />

Brüning<br />

1<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

2<br />

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Mesotheliome sind aggressive Tumoren, die durch die erst in fortgeschrittenen Stadien<br />

gestellte Diagnose meist eine schlechte Prognose aufweisen. Auch<br />

Lungenkrebserkrankungen sind je nach Histologie oder Stadium oft nicht mehr kurativ<br />

angehbar. In einem Kollektiv ehemals Asbestexponierter sollte die diagnostische<br />

Wertigkeit von Biomarkern im Serum beurteilt werden.<br />

Methode<br />

626 ehemals Asbestexponierte (575 Männer und 51 Frauen) nahmen von 1993 bis 1997<br />

an einem Programm teil, das zur Früherkennung asbestbedingter Erkrankungen<br />

angelegt war. In diesem Zeitraum wurden den Probanden jährliche Untersuchungen<br />

inklusive HRCT der Lunge und Blutabnahmen angeboten. Von 60 Personen lagen<br />

Blutproben an allen 4 möglichen Zeitpunkten vor, von 285 Personen lagen 3 Proben und<br />

von 281 lagen jeweils nur 1 - 2 Proben vor.<br />

Aus den 1993 -1997 gesammelten Proben wurde das sofort separierte Serum bei -80°C<br />

gelagert und die Konzentration der Biomarker SMRP (soluble mesothelin-related<br />

proteins), CA125 und CYFRA 21-1 in der Zeit von 12/2005 bis 08/2006 bestimmt.<br />

Die Marker wurden mittels Wilcoxon-Test verglichen sowie prädiktive Werte und 95%-<br />

Konfidenzintervalle berechnet.<br />

Zur Analyse wurde der Median aller individuellen Werte eines jeden Patienten für jeden<br />

Tumormarker vor dem Auftreten eines Mesothelioms oder eines Lungenkrebses<br />

herangezogen. Als Cuf-Offs für einen positiven Markerbefund wurden folgende Werte<br />

verwendet: CA 125 ≥ 34KIU/l; CYFRA 21-1 ≥ 3,3ng/ml; SMRP ≥ 1,5nmol/l.<br />

Ergebnisse<br />

In einem Vitalstatus-Follow-up (01/2006 - 04/2007) wurden in der untersuchten Kohorte<br />

20 Mesotheliome (ICD-10 C45) und 12 Fälle von Lungenkrebs (ICD-10 C34) festgestellt.<br />

CYFRA 21-1 zeigt zwar eine signifikante Erhöhung (p=0,0062) bei Personen mit<br />

Lungenkrebs, jedoch lagen die Werte nicht über dem Cut-Off oder unterlagen starken<br />

Schwankungen. SMRP und CA 125 waren weder bei den Personen mit Mesotheliom<br />

639


P94<br />

Poster – Asbest II<br />

noch bei denen mit Lungenkrebs signifikant erhöht. Auch für CYFRA 21-1 fand sich<br />

keine signifikante Erhöhung der Werte bei Probanden mit einem nachgewiesenen<br />

Mesotheliom. Eine Abhängigkeit der Biomarker fand sich für SMRP vom Alter, für CA<br />

125 von der Diagnose Lungenkrebs und für CYFRA 21-1 von der Diagnose Lungenkrebs<br />

und vom Alter.<br />

Die Sensitivität der Marker SMRP und CA 125 sowie die Kombination der Marker (inkl.<br />

CYFRA 21-1) bezüglich eines Mesothelioms lag bei nur 5 - 15% während der positive<br />

prädiktive Wert sogar nur 2,9 - 4,1% betrug (Tabelle 1).<br />

Die Sensitivität der einzelnen Marker für eine Lungenkrebserkrankung lag bei 16,7% (für<br />

SMRP und CA125) beziehungsweise 25% (für CYFRA 21-1). Bezüglich der Sensitivität<br />

der Kombination der Marker fanden sich Werte von 25 - 50%, jedoch lag auch hier der<br />

positive prädiktive Wert bei lediglich 3,9% (SMRP) - 30% (CYFRA 21-1).<br />

Diskussion<br />

In der vorliegenden Studie hatten die genannten Biomarker keine eigenständige<br />

diagnostische Wertigkeit.<br />

Ähnliche Daten zeigen neuere Studien von Park et al. (2008) und Roe et al. (2008).<br />

Die individuellen zeitlichen Verläufe zeigten insgesamt keine Hinweise auf spätere<br />

Tumoren.<br />

Einschränkend bei der Interpretation muss allerdings berücksichtigt werden, dass lange<br />

Zeiträume zwischen Blutabnahme und Diagnose lagen.<br />

Eine umfassende Bewertung der einzelnen Marker bzw. Kombinationen derselben oder<br />

eines Markerpanels kann nur im Rahmen einer prospektiven Längsschnittstudie erfolgen.<br />

Hierbei sollten auch weitere mögliche Confounder, die bereits in der Literatur erwähnt<br />

werden (wie zum Beispiel die Rauchgewohnheiten und das Vorliegen einer<br />

Niereninsuffizienz usw.), Berücksichtigung finden.<br />

Literatur<br />

Park EK, Sandrini A, Yates DH, et al. Soluble mesothelin-related protein in an asbestosexposed<br />

population: the dust diseases board cohort study. Am J Respir Crit Care Med<br />

2008; 178:832-7.<br />

Roe OD, Creaney J, Lundgren S, et al. Mesothelin-related predictive and prognostic<br />

factors in malignant mesothelioma: a nested case-control study. Lung Cancer 2008;<br />

61:235-43.<br />

640


P94<br />

Poster – Asbest II<br />

Tabelle 1<br />

641


P95<br />

Poster – Asbest II<br />

Assoziation der Tumor Necrosis Factor TNF α Genpolymorphismen mit<br />

asbestfaserstaubverursachten Krebserkrankungen der Lunge oder der Pleura (BK-<br />

Nr. 4103, 4104 und 4105 BKV)<br />

Simone Helmig, Nahid Aliahmadi, Joachim Schneider<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig Universität, Gießen<br />

Einleitung und Fragestellung<br />

Eingeatmete Asbestfasern führen in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis und der<br />

individuellen Disposition zu Lungen und/oder Pleuraasbestosen. Tumor Nekrosefaktor<br />

(TNFα), ein multifunktionelles Zytokin gilt als Schlüsselenzym bei fibrosierenden<br />

Prozessen. Genetische Variationen des TNFα Promotergens könnten so Einfluss auf die<br />

Induktion bzw. Progression von fibrosierenden Erkrankungen nehmen. Es soll untersucht<br />

werden, ob eine Assoziation der Promoter- Polymorphismen (PM) des TNFα- Gens ( -<br />

308 G/A und -238 G/A) mit Lungen- oder Pleuraasbestose (Nr. 4103 BKV) und<br />

asbestbedingten Bronchialkarzinomen (Nr. 4104 BKV) respektive Mesotheliomen (Nr.<br />

4105 BKV) vorliegt.<br />

Kollektiv und Methoden<br />

Mit Hilfe von fluoreszenzmarkierten Sonden wurden die Genotypen der TNFα<br />

Promotorregion -238G/A und -308G/A detektiert. Die Methode basiert auf der<br />

Schmelzkurvenanalyse mittels Light Cycler.<br />

Blut von Patienten mit Berufskrankheiten der Nr. 4103 BKV (N=395), der Nr. 4104 BKV<br />

(N=48) und der Nr. 4105 BKV (N=33) wurde gewonnen und mit einer Gruppe nicht<br />

asbestexponierter Gesunder (N=177) verglichen.<br />

Das Risiko (Odds Ratio) bezogen auf ein gesundes Kontroll-Kollektiv ohne relevante<br />

Einwirkung kanzerogener Arbeitsstoffe wurde ermittelt und auf das Rauchverhalten,<br />

definiert durch die Packungsjahre, sowie auf Alter und Geschlecht adjustiert.<br />

Ergebnisse<br />

In der untersuchten Stichprobe wurden für das Wild Typ Allel (-238G) eine<br />

Allelfrequenzen von 0,96 und für das Wildtyp Allel (-308G) eine Allelfrequenzen von 0,85<br />

ermittelt. Der homozygote mutante Genotyp (-238A/A) war in dieser Stichprobe nicht<br />

vorhanden.<br />

Das mutante Allel -238A war mit einem tendenziell erhöhten Risiko für Lungenasbestose<br />

OR=2,12 (95%-CI: 0,46-9,93), für hyaline Pleuraplaques OR=1,83 (95%-CI :0,39-8,62)<br />

und für Pleuraasbestosen mit verkalkenden Pleuraplaques OR=2,24 (95%-CI: 0,48-<br />

10,38) assoziiert.<br />

642


P95<br />

Poster – Asbest II<br />

Das mutante Allel -238A war zusätzlich mit einem tendenziell erhöhten Risiko für maligne<br />

Mesotheliome OR=1,98 (95%-CI: 0,34-11,53) assoziiert.<br />

Das mutante Allel -308A zeigte ein tendenziell erhöhtes Risiko für Lungenasbestosen<br />

OR=1,59 (95%-CI: 0,66-3,87) und für verkalkende Pleuraplaques OR=1,2 (95%-CI: 0,52-<br />

2,75), sowie ein signifikant erhöhtes Risiko für hyaline Pleuraplaques OR=2,9 (95%-CI:<br />

1,08-7,78 p=0,03).<br />

Im Gegensatz dazu konnte ein tendenziell erniedrigtes Risiko für asbestbedinte<br />

Bronchialkarzinome sowohl für das mutante Allel -238A OR=0,715 (95%-CI: 0,09-5,56)<br />

als auch für das mutante Allel -308A OR=0,45 (95%-CI: 0,12-1,61) ermittelt werden.<br />

Zusätzlich wies das mutante Allel -308A ein tendenziell erniedrigtes Risiko für maligne<br />

Mesotheliome OR=1,98 (95%-CI: 0,34-11,53) auf.<br />

Diskussion und Schlussfolgerung<br />

Die mutanten Allele der TNFα Promoterregion -238A und -308A sind mit einem<br />

konkordant erhöhten Risiko für Abestosen bei einem gleichzeitig erniedrigten Risiko für<br />

asbestbedinte Bronchialkarzinome assoziiert.<br />

In dieser Studie finden sich Hinweise auf einen genetischen Einfluss der TNFα Promotor-<br />

Polymorphismen auf die Induktion bzw. Progression von asbestbedingten fibrosierenden<br />

bzw. tumorösen Erkrankungen. Diese genetische Variabilität könnte einen Teil der<br />

interindividuell unterschiedlichen Suszeptibilität erklären.<br />

Zukünftig werden weitere Patienten der Arbeits- und Sozialmedizin Gießen hinsichtlich<br />

ihrer Genotypen untersucht werden, um durch größere Fallzahlen die Ergebnisse<br />

abzusichern.<br />

In einer weiteren Studie soll untersucht werden ob sich der Einfluss der<br />

Genpolymorphismen (PM) auch auf der mRNA- bzw. Proteinebene widerspiegelt.<br />

643


P95<br />

Poster – Asbest II<br />

Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />

Lungenasbestosen<br />

Hyaline Pleuraplaques<br />

Verkalkende Pleuraplaques<br />

Asbestbedingter Lungenkrebs<br />

(Nr. 4104 BKV)<br />

Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />

IL6 -174<br />

n<br />

395<br />

45<br />

120<br />

122<br />

48<br />

33<br />

Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />

Lungenasbestosen<br />

Hyaline Pleuraplaques<br />

Verkalkende Pleuraplaques<br />

Asbestbedingter Lungenkrebs<br />

(Nr. 4104 BKV)<br />

Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />

IL10 -1082<br />

n<br />

560<br />

59<br />

501<br />

142<br />

297<br />

167<br />

130<br />

n<br />

395<br />

45<br />

120<br />

122<br />

48<br />

33<br />

1 2 3 4 5 6 7<br />

Odds Ratio<br />

Odds Ratio<br />

1 2 3 4<br />

Odds Ratio<br />

Odds Ratio<br />

Abb.1: Auf Rauchen in PJ, Alter und Geschlecht adjustierte Risikoabschätzung (OR) asbestverursachter Erkrankungen für TNFα -238 PM (links) und für TNFα -238 PM<br />

(rechts).<br />

644


P96<br />

Poster – Asbest II<br />

Assoziation der Interleukin 6 (IL6) und Interleukin 10 (IL10) Gen-<br />

Polymorphismen mit Asbestfaserstaub verursachten<br />

Erkrankungen der Lunge oder der Pleura (Nr. 4103, 4104, 4105<br />

BKV)<br />

Simone Helmig, Jelena Wübbeling, Joachim Schneider<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig Universität, Giessen<br />

Einleitung und Fragestellung<br />

Eingeatmete Asbestfasern führen in Abhängigkeit von der kumulativen Dosis und der<br />

individuellen Disposition zu Lungen- und/oder Pleuraasbestosen. IL6 und IL10 sind<br />

multifunktionelle Zytokine und nehmen eine Schlüsselposition bei fibrosierenden<br />

Prozessen ein. Genetische Variationen im Promotor von IL6- bzw. IL10 könnten so<br />

Einfluss auf die Induktion bzw. Progression von fibrosierenden Erkrankungen nehmen.<br />

Es soll untersucht werden, ob eine Assoziation der Promotor-Polymorphismen (PM) des<br />

IL6-Gens (-174G/C) und des IL10-Gens (-1082G/A) mit Lungen- oder Pleuraasbestosen<br />

(Nr. 4103 BKV) und asbestbedingten Bronchialkarzinomen (Nr. 4104 BKV) respektive<br />

Mesotheliomen (Nr. 4105 BKV) vorliegt.<br />

Kollektiv und Methoden<br />

Mit der Hilfe von speziell synthetisierten fluoreszenzmarkierten Sonden wurden die<br />

Genotypen der Promotorregion des IL6 -Gens (-174G/C) und IL10 –Gens (-1082G/A)<br />

detektiert. Die Methode basiert auf der Schmelzkurvenanalyse mittels LightCycler.<br />

Blut von Patienten mit Berufskrankheiten der Nr. 4103 BKV (n=395), der Nr. 4104 BKV<br />

(n=48) und der Nr. 4105 BKV (N=33) wurde gewonnen und mit einer Gruppe nicht<br />

asbestexponierter Gesunder (n=177) verglichen.<br />

Das Risiko (Odds Ratio) bezogen auf ein gesundes Kontroll-Kollektiv ohne relevante<br />

Einwirkung kanzerogener Arbeitsstoffe wurde ermittelt und auf das Rauchverhalten,<br />

definiert durch die Packungsjahre, sowie auf Alter und Geschlecht adjustiert.<br />

Ergebnisse<br />

In der untersuchten Stichprobe hatte das Wildtyp Allel (-174G) eine Allelfrequenz von<br />

0,51 und das Wildtyp Allel (-1082G) eine Allelfrequenz von 0,47.<br />

Das mutante Allel IL6 –174C war durchweg mit einem tendenziell erhöhten Risiko für<br />

Lungenasbestosen OR=1,94 (95%-CI: 0,88-4,28), für Pleuraasbestosen hyaline<br />

OR=2,19 (95%-CI: 0,87-5,53) bzw. verkalkende OR=1,31 (95%-CI: 0,62-2,77) sowie<br />

asbestbedingte Bronchialkarzinome OR=2,39 (95%-CI: 0,9-6,33) und Mesotheliome<br />

OR=2,4 (95%-CI: 0,86-6,8) assoziiert.<br />

645


P96<br />

Poster – Asbest II<br />

Das mutante Allel IL10 –1082A zeigte ein geringfügig erniedrigtes Risiko für<br />

Lungenasbestosen OR=0,84 (95%-CI: 0,32-2,18) und für verkalkende Pleuraasbestosen<br />

OR=0,79 (95%-CI: 0,32-1,99). Für hyaline Pleuraasbestosen OR=1,13 (95%-CI: 0,5-<br />

2,55), asbestbedingte Bronchialkarzinome OR=1,07 (95%-CI: 0,36-3,14) und<br />

Mesotheliome OR=1,69 (95%-CI: 0,5-5,78) konnte tendenziell ein geringfügig erhöhtes<br />

Risiko ermittelt werden.<br />

Diskussion und Schlussfolgerung<br />

Im Vergleich zum IL6-PM konnte für den IL10-PM gegenläufige Tendenzen der<br />

Risikomodifikation bei fibrosierenden Erkrankungen ermittelt werden, welche mit der<br />

konträren Wirkungsweise der Zytokine korreliert.<br />

In dieser Studie findet sich ein Hinweis auf einen genetischen Einfluss der IL6 und IL10<br />

Promotor Polymorphismen auf das Krankheitsrisiko bei Asbestfaserstaub verursachten<br />

Erkrankungen der Lunge und der Pleura. Diese genetische Variabilität könnte einen Teil<br />

der interindividuell unterschiedlichen Suszeptibilität erklären.<br />

646


P96<br />

Poster – Asbest II<br />

Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />

Lungenasbestosen<br />

Hyaline Pleuraplaques<br />

Verkalkende Pleuraplaques<br />

Asbestbedingter Lungenkrebs<br />

(Nr. 4104 BKV)<br />

Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />

IL6 -174<br />

n<br />

395<br />

45<br />

120<br />

122<br />

48<br />

33<br />

Asbestosen (Nr. 4103 BKV)<br />

Lungenasbestosen<br />

Hyaline Pleuraplaques<br />

Verkalkende Pleuraplaques<br />

Asbestbedingter Lungenkrebs<br />

(Nr. 4104 BKV)<br />

Mesotheliome (Nr. 4105 BKV)<br />

IL10 -1082<br />

n<br />

560<br />

59<br />

501<br />

142<br />

297<br />

167<br />

130<br />

n<br />

395<br />

45<br />

120<br />

122<br />

48<br />

33<br />

1 2 3 4 5 6 7<br />

Odds Ratio<br />

Odds Ratio<br />

1 2 3 4<br />

Odds Ratio<br />

Odds Ratio<br />

Abb.1: Auf Rauchen in PJ, Alter und Geschlecht adjustierte Risikoabschätzung (OR) asbestverursachter Erkrankungen für IL6 -174 PM (links) und für IL10α<br />

-308 PM (rechts).<br />

647


P97<br />

Poster – Asbest II<br />

Erfüllen Karzinoidtumoren der Lunge die Legaldefinition für den<br />

Begriff „Lungenkrebs“ der Berufskrankheitenverordnung?<br />

Volker Neumann 1 , Margit Fischer 1 , Andrea Tannapfel 2<br />

1 Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum am<br />

Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum<br />

2 Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />

Einleitung:<br />

Die Karzinoidtumoren leiten sich aus dem disseminierten neuroendokrinen System ab.<br />

Die Mehrzahl der Karzinoidtumoren (> 70 %) ist im Gastrointestinaltrakt lokalisiert [1].<br />

Der Anteil primärer Lungentumoren an den Karzinoidtumoren wird mit 8 bis 25 %<br />

angegeben [1]. Bei ca. 90 % der Karzinoidtumoren der Lunge handelt es sich um<br />

typische, bei ca. 10 % um atypische Karzinoidtumoren [2, 3]. Die Unterschiede liegen in<br />

der Anzahl der Mitosen und der Ausbildung von Nekrosen. Typische Karzinoidtumoren<br />

zeigen weniger als zwei Mitosen pro 2 mm 2 (High power field) und haben keine<br />

Tumornekrosen [4]. Karzinoidtumoren weisen Besonderheiten hinsichtlich Inzidenz und<br />

klinischem Verhalten sind auf. Nach der gültigen WHO Klassifikation werden<br />

Karzinoidtumoren -entsprechend dem kleinzelligen und dem großzelligen<br />

neuroendokrinen Karzinom – als grundsätzlich bösartige epitheliale Tumoren eingestuft<br />

[4].<br />

Schlüsselwörter: Lungenkrebs, Berufskrankheit Ziffer 4104, Karzinoidtumoren,<br />

Asbest<br />

Ergebnisse:<br />

Im Rahmen unserer Untersuchung wurden Gewebeproben von 108 Patienten mit<br />

Karzinoidtumoren untersucht. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Studien<br />

treten Karzinoidtumoren bevorzugt in der rechten Lunge (40 %) im Unterlappen (30 %)<br />

auf, der Altersmittelwert liegt bei 56 Jahren, überwiegend handelt es sich um typische<br />

Karzinoidtumoren (74 %), der Anteil der Frauen (32 %) ist erhöht, die mittlere Latenzzeit<br />

bei der hypothetischen Annahme des Kausalfaktors „Asbestexposition“ beträgt 35 Jahre.<br />

Bei 26 % der Patienten finden sich erhöhte pulmonale Asbestbelastungen (Abb. 1). Ein<br />

signifikanter Unterschied in der pulmonalen Asbestbelastung zwischen Patienten mit<br />

typischen und atypischen Karzinoidtumoren liegt nicht vor (p > 0,05). 3 Patienten wiesen<br />

eine Minimalasbestose auf und bei 9 (8,3 %) Patienten konnten Pleuraplaques<br />

nachgewiesen werden, die nach bestverfügbaren Angaben als asbestassoziiert zu<br />

werten waren.<br />

Diskussion:<br />

Unsere Ergebnisse zeigen sich hinsichtlich Tumorprimärlokalisation,<br />

Geschlechterverteilung und Altersverteilung gut vergleichbar zu international publizierten<br />

Befunden: Karzinoidtumoren treten bevorzugt in der rechten Lunge und hier zumeist<br />

648


P97<br />

Poster – Asbest II<br />

Unterlappen betont auf [5], bei der Mehrzahl der Patienten (74 %) lag ein typischer<br />

Karzinoidtumor vor [6], der Anteil der Frauen ist mit ca. 32 % vergleichsweise hoch [7],<br />

der Altersmittelwert liegt bei 56 Jahren [3], Latenzzeiten (bei der Annahme von Asbest<br />

als Kausalfaktor) und Dauer der Expositionen sind dem Ergebnissen anderer Studien<br />

vergleichbar [8, 9]. Nicht nachvollziehbar war die Aussage [10], dass Patienten mit<br />

typischen Karzinoidtumoren signifikant jünger seien als Patienten mit atypischen<br />

Karzinoidtumoren. Nicht bestätigt wurde das Ergebnis erhöhter pulmonaler<br />

Asbestbelastungen bei nur ca. 7 % der Patienten aus einer anderen Studie [6]. Der Anteil<br />

der Karzinoidtumoren an der im Mesotheliomregister erfassten Gesamtzahl der<br />

bösartigen primären Lungentumoren beträgt 1,3 % und stimmt gut mit den Angaben<br />

anderer Studien [2, 10] von Häufigkeiten zwischen 1 bis 2 % überein. Fazit:<br />

• die aktuelle WHO-Klassifikation [4] weist pulmonale Karzinoidtumoren als<br />

prinzipiell bösartige epitheliale Lungentumoren aus.<br />

• primäre epitheliale Lungentumoren mit neuroendokriner Morphologie wie z.B.<br />

das kleinzellige oder großzellige neuroendokrine Karzinom werden bei Vorliegen<br />

der Vorraussetzungen als BK 4104 anerkannt.<br />

• epidemiologisch belastbare Daten hinsichtlich einer asbestassoziierten<br />

Genese von Karzinoidtumoren konnten im Rahmen von internationalen Studien<br />

bisher nicht erlangt werden und sind bei diesem seltenen Tumorbild auch nur<br />

schwer zu gewinnen.<br />

• Patienten mit einem typischen Karzinoidtumor haben in der Regel - im<br />

Vergleich zu den sonstigen primären Lungenkarzinomen - die weitaus günstigere<br />

Prognose.<br />

• In unserem Untersuchungskollektiv finden sich Patienten mit<br />

Karzinoidtumoren, die die sonstigen geforderten Kriterien für die Anerkennung<br />

einer BK 4104 erfüllen.<br />

Nach unserer Auffassung ist eine Konkretisierung der Legaldefinition „Lungenkrebs“ in<br />

der BKVO nötig.<br />

Literatur:<br />

1. Crocetti E, Paci E. Malignant carcinoids in the USA, SEER 1992-1999. An<br />

epidemiological study with 6830 cases. Europ J cancer prevent 2003; 12:191-94<br />

2. Corrin B. Neuroendocrine neoplasm of the lung. Curr diag pathol 1997; 4:239-50<br />

3. Fink G, Krelbaum T, Yellin A. Pulmonary carcinoid: presentation, diagnosis and<br />

outcome in 142 cases in israel and review of 640 cases form the literature. Chest<br />

2001; 119:1647-1651<br />

4. Travis W, Rush W, Flieder D, Falk R, Fleming M, Gal A, Koss M. Survival analysis of<br />

200 pulmonary neuroendocrine tumours with clarification of criteria of atypical<br />

carcinoid and its separation from typical carcinoid. Am J surg pathol 1998; 22:934-<br />

944<br />

649


P97<br />

Poster – Asbest II<br />

5. Cooper WA, Thourani VH, Gal AA, Lle RB, Mansour KA, Miller JI. The surgical<br />

spectrum of pulmonary neuroendocrine neoplasm’s. Chest 2001; 119:14-18<br />

6. Fisseler-Eckhoff A, Laberke H, Fischer M, K Müller K. Karzinoidtumoren der Lunge<br />

und Asbest. Pathologe 1998; 19:425-429<br />

7. Modlin IM, Sandor A. An analysis of 8305 cases of carcinoid tumours. Cancer 1997;<br />

79:813-29<br />

8. Hillerdal G, Douglas W, Henderson MR. Asbestos, asbestosis, pleural plaques and<br />

lung cancer Scand J work enviro health 1997; 23:93-103<br />

9. Selikoff IJ, Hammond EC, Seidmann H. Latency of asbestos disease among<br />

insulation workers in the United States and Canada. Cancer 1980; 46:2736-40<br />

10. Huang Q, Muzitansky A, Eugene M. Pulmonary neuroendocrine carcinomas: A<br />

Review of 234 cases and statistical analysis of 50 cases treated at one institution<br />

using a simple<br />

650


P98<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Amalgam – eine Bewertung unter Zusammenführung von<br />

Biomonitoringdaten und psychometrischen Testverfahren<br />

Michael Erler, Rainer Schiele, Anne Löffler<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und –hygiene,Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller<br />

Universität Jena<br />

Zielstellung<br />

Amalgam zeigt als Zahnfüllungswerkstoff ausgezeichnete Materialeigenschaften, zudem<br />

ist es leicht, schnell und kostengünstig zu verarbeiten. Die ständige Freisetzung von<br />

Quecksilber aus Amalgamfüllungen konnte in den letzten Jahren durch moderne<br />

hochempfindliche Analysenmethoden schlüssig bewiesen werden (Erler et al. 2007).<br />

Über die möglichen gesundheitlichen Belastungen infolge der Quecksilberfreisetzung<br />

gibt es jedoch keinen Konsens (Mutter et al. 2005). Es wird immer behauptet, dass eine<br />

Vielzahl von Beschwerden durch Amalgamfüllungen ausgelöst werden können. Am<br />

häufigsten wird über Symptome wie chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen und Migräne<br />

berichtet.<br />

Ziel der Arbeit war es deshalb, die Ergebnisse von umweltmedizinischtestpsychologischen<br />

Verfahren im Vergleich zu den Messwerten des Urin-Biomonitorings<br />

zu prüfen.<br />

Methoden<br />

Untersucht wurden 126 Probanden beiderlei Geschlechts im Alter von 16 bis 76 Jahren.<br />

Ohne Amalgamrestaurationen waren 45 Probanden. Keiner der Probanden übte einen<br />

Beruf mit bekannter erhöhter Quecksilberexposition aus. Es erfolgte keine<br />

geschlechtsspezifische Auswahl, auch die soziale Stellung der Teilnehmer und ihr Alter<br />

war nicht Gegenstand der Auswahlkriterien.<br />

Die Erfassung psychischer Leistungsfunktionen und psychischer Beschwerden erfolgte<br />

mit den Fragebögen:<br />

- Beschwerdeliste nach v. Zerssen (Konstrukt: allgemeine subjektive<br />

Beschwerden)<br />

- Psychologisch Neurologischer Fragebogen nach Seeber (Konstrukt:<br />

expositionsbedingte subjektive Beschwerden)<br />

- Modifizierter Q 16 (Konstrukt: Neurotoxisches Screening)<br />

651


P98<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Der Konzentrationsnachweis von Quecksilber im Urin erfolgte mittels Kaltdampf-<br />

Atomabsorptionsspektrometrie.<br />

Ergebnisse<br />

Die Quecksilberkonzentration der Probanden lag im üblichen Bereich beruflich nicht<br />

belasteter Personen (Hg Harn < 5 µg/g Kreatinin).<br />

Die im Biomonitoring ermittelte innere Quecksilberbelastung der Probanden steht nicht in<br />

signifikanter Abhängigkeit zu den Daten der neuropsychologischen Untersuchungen, d.h.<br />

eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung im Niedrigdosis-Bereich besteht nicht. Nur mit<br />

dem Q 16-mod. ließ sich ein leicht ansteigender Trend zwischen der<br />

Quecksilberkonzentration im Urin, der Amalgamfüllungszahl und den erreichten<br />

Punktwerten („Ja“-Antworten feststellen (Abb. 1).<br />

Frauen gaben dabei im Vergleich zu männlichen Probanden häufiger Beschwerden an.<br />

Die Mediane des PNF-Fragebogens und der Beschwerdeliste liegen bei den weiblichen<br />

Probanden signifikant höher als bei den Männern. Nur beim Q 16-mod. sind die Mediane<br />

beider Geschlechter nahezu identisch. Das Lebensalter der Probanden erklärt dabei<br />

nicht die Einschränkungen der vermehrt geäußerten Beschwerden.<br />

Die Untersuchungen legen eine psychologische Verursachung der geklagten<br />

Beschwerden nahe.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Neuropsychologische Screeningfragebögen sind sensitive Instrumente für die Erfassung<br />

von Beschwerden in der umweltmedizinischen Sprechstunde. Deren Ergebnisse stehen<br />

in keiner Beziehung zur Quecksilberkonzentration im Urin von Amalgamfüllungsträgern.<br />

Literatur<br />

Erler,M., Schiele,R., Jendrek,M., Bartsch,R. (2007) Untersuchungen zur<br />

Quecksilberfreisetzung aus Amalgamprüfkörpern infolge von Abrasion durch Zahnbürste<br />

und –creme unter In-vitro-Bedingungen.<br />

Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 67, 137-141<br />

Mutter,J., Naumannt,J., Walach,H., Daschner,F. (2005) Amalgam: Eine Risikobewertung<br />

unter Berücksichtigung der neuen Literatur bis 2005.<br />

Gesundheitswesen 67, 204-216<br />

652


P98<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Hg-Konzentration im Harn [µg/g Kreatinin]<br />

6,00<br />

5,00<br />

4,00<br />

3,00<br />

2,00<br />

1,00<br />

0,00<br />

0<br />

2,5<br />

5<br />

7,5<br />

10<br />

12,5<br />

Q16-mod.-Punktzahl im Prüfkollektiv (n=126)<br />

Abb. 1: Q 16 mod. Punktzahl in Beziehung zu den Quecksilberkonzentrationen im Urin<br />

653


P99<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Charakterisierung von Kfz-Dieselrußstäuben unterschiedlicher<br />

Provenienz<br />

Michael Heck, Bernd Brückel, Rolf Arhelger, Dirk Walter<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig-Universität, 35392 Gießen<br />

Motivation<br />

Die Weiterentwicklung von Automobil-Dieselmotoren hat in den letzten Jahren zu einer<br />

Optimierung der Verbrennungsvorgänge geführt. Eine optimierte Verbrennung des<br />

Dieselkraftstoffs könnte jedoch zugleich zu einer steigenden Anzahl ultrafeiner<br />

Rußpartikel von arbeits- und umweltmedizinischer Relevanz führen. In der vorliegenden<br />

Studie werden rußhaltige Emissionen von im täglichen Einsatz befindlichen Dieselkraftfahrzeugen<br />

unterschiedlichen Baujahres charakterisiert und untereinander verglichen.<br />

Material und Methode<br />

CPC-Messungen (Kondensationskernzähler) dienten zur Bestimmung der<br />

Abgasemissionen. Für die elektronenmikroskopischen und thermoanalytischen<br />

Untersuchungen wurden Luftprobenahmen (Filterbeaufschlagungen) sowie<br />

Materialprobenahmen durchgeführt [1,2]. Folgende PKW wurden untersucht: PKW A,<br />

Baujahr 1991 – keine Euronorm, PKW B, Baujahr 2005 – Euronorm 4 mit<br />

Dieselpartikelfilter, PKW C, Baujahr 2002 – Euronorm 3 und PKW D, Baujahr 2004 –<br />

Euronorm 4.<br />

Abbildung 1: TEM Aufnahmen aus Abgasmessungen an PKW A und PKW B (40000-fache<br />

Vergrößerung) von Agglomeraten aus Primärteilchen. Länge der Bildunterkanten: 2 µm.<br />

Unter dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM; 40000-fache Vergrößerung)<br />

wurden die beaufschlagten Filter (Ansaugvolumen bei laufendem PKW-Motor: 3,5 l · min -<br />

1 ; Zeitdauer: 10 min) ausgewertet. An den Materialproben erfolgte eine<br />

thermogravimetrische Analyse (TG) (Einwaage: ~20 mg).<br />

Ergebnisse<br />

Erwartungsgemäß hatte die mittlere Partikelkonzentration des PKW A mit 268000 P/cm 3<br />

den höchsten Wert, die des modernsten PKW B mit 198000 P/cm 3 den geringsten Wert.<br />

654


P99<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Die Messung fand im Leerlauf statt. Zu bedenken ist jedoch, dass das CPC-<br />

Messverfahren nicht zwischen Agglomeraten, Aggregaten und Primärteilchen<br />

unterscheiden<br />

kann.<br />

Elektronenmikroskopische Untersuchungen geben Aufschluss über die Morphologie der<br />

Ruße. Es werden Agglomerate aus 10 – 100 nm großen Primärteilchen beobachtet. Ein<br />

sichtbarer Unterschied zwischen den Agglomeraten, Aggregaten und Primärteilchen der<br />

verschiedenen Ruße ist dabei allerdings nicht zu erkennen, vergleiche Abb.1.<br />

Auch die quantitative Auswertung der Filterbeaufschlagungen von PKW A (6,2 · 10 11<br />

Primärteilchen/m 3 mit einem Primärteilchendurchmesser von 27,5 nm) bzw. PKW B (11,7<br />

· 10 11 Primärteilchen/m 3 mit einem Primärteilchendurchmesser von 29,5 nm) führt zu<br />

keinem unterscheidbaren Ergebnis. Erst weiterführende thermoanalytische<br />

Untersuchungen machen die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Ruße<br />

deutlich. So ermöglicht es die thermische Analyse aufgrund, des für jede Probe<br />

charakteristischen Umwandlungsverhaltens, zwischen den jeweiligen Dieselrußen zu<br />

differenzieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Die „klassische“ Luftmessung mittels CPC-Kondensationskernzählers führt zu der<br />

Annahme, dass moderne Fahrzeuge weniger „Partikel“ emittieren als ältere Fahrzeuge.<br />

Hingegen zeigen die Ergebnisse der Elektronenmikroskopie (TEM) keinen Unterschied in<br />

der Anzahl der Agglomerate und Primärpartikeln. Dies bedeutet: Die Anzahl der arbeitsund<br />

umweltmedizinisch relevanten, ultrafeinen (alveolengängigen) Primärpartikel aus<br />

Abgas-emissionen der untersuchten Dieselfahrzeuge unterscheiden sich nicht<br />

wesentlich!<br />

Literatur:<br />

[1] WALTER, D.; ARHELGER, R.; BRÜCKEL, B.:<br />

Thermoanalytische Untersuchungen zur Charakterisierung elektronenmikroskopisch<br />

schwer unterscheidbarer Dieselruß-, Flammruß und Tonerstäube,<br />

Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 2008, 43, 169 - 171<br />

[2] HECK, M.; ARHELGER, R.; BRÜCKEL, B.; FÜGLEIN, E.; WALTER, D.:<br />

Characterization<br />

of carbon black, diesel exhaust and toner material by<br />

electron microscopy and thermal analysis,<br />

Proceedings Book, AFCAT-GEFTA-SKT-Symposium, Mulhouse, 2008, 82<br />

655


P100<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Psychologische Ergebnisse bleibelasteter Polizeischießausbilder<br />

Irina Böckelmann 1 , Friederike Maier 2 , Eberhard Alexander Pfister 1<br />

1<br />

Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Leiterin: PD Dr. I. Böckelmann)<br />

2<br />

Polizeiärztliches Zentrum / Ärztlicher Gutachterdienst der Landesverwaltung Magdeburg (Leiter: Dr. W.<br />

Pedal)<br />

Einleitung<br />

Bei der Erfassung neurotoxischer Wirkungen chemischer Schadstoffe spielen<br />

verhaltenstoxikologische Untersuchungen und die Psychodiagnostik eine besondere<br />

Rolle, wobei sich die meisten Beeinträchtigungen psychologischer Parameter als<br />

Früheffekte zeigen.<br />

Probanden und Methodik<br />

Mit dem Ziel, neben der Erfassung aktueller Bleibelastung von Polizeischießausbildern<br />

den Fragen möglicher neurotoxischer Effekte durch solche Belastung nachzugehen,<br />

wurden 11 Polizeibeamte (9 Männer und 2 Frauen; 34,5 bis 56,5 Jahre alt) untersucht.<br />

Für das psychologische Screening wurden folgende Verfahren ausgewählt:<br />

Psychologisch-Neurologischer Fragebogen (PNF), Selbstbeurteilungsskala (SCL-90-R),<br />

Mehrfachwahl–Wortschatz-Test (MWT-B), Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (HAWIE-<br />

R), Aufmerksamkeits-Belastungs-Test d2 und Trail Making Test (Teil A und B). Zur<br />

Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Probanden wurden etablierte psychometrische<br />

Verfahren eingesetzt: Zahlengedächtnistest, Einfachwahlreaktion und Motorische<br />

Leistungsserie.<br />

Ergebnisse<br />

Nur zwei der elf Probanden zeigten leicht auffällige Befunde im PNF, wobei einer<br />

(Proband Nr. 2) gleich in 3 Kategorien (Antrieb, Erregbarkeit, Konzentration und<br />

Gedächtnis). Dieser Beamte ist seit 7 Jahren bleiexponiert und im letzen Jahr lag seine<br />

maximale innere Blutbleibelastung bei 251 µg/l.<br />

Es ergaben sich im SCL-90-R auch bei dem Probanden Nr. 2 auffällige Befunde. Die<br />

Skalen „Unsicherheit im Sozialkontakt“ und „Paranoides Denken“ demonstrierten eine<br />

hohe bis sehr hohe psychische Belastung dieses Polizeibeamten. Der Proband Nr. 8 mit<br />

einer aktuellen Bleibelastung von 82,0 µg/l weist auch einen auffälligen Wert in der<br />

Kategorie „Paranoides Denken“ auf. Der globale Kennwert PSDI (positive symptom<br />

distress index) spricht für eine deutlich messbare psychische Belastung. Bei dem<br />

Probanden Nr. 10 mit dem aktuellen BPb von 115,8 µg/l und maximalen Wert der<br />

inneren Bleibelastung aus dem letzten Jahr von 202 µg/l wurden höhere Werte für die<br />

656


P100<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Kategorie „Somatisierung“ festgestellt. Alle anderen Probanden demonstrierten die<br />

Skalenwerte im Normbereich.<br />

Die Ergebnisse des d2-Tests zur Bestimmung der Konzentrationsleistung (KL) wurden in<br />

Form eines Interpretationsschemas mit den Achsen Tempo und Sorgfalt dargestellt<br />

(Abbildung 1). Acht der 11 Probanden zeigten gute Leistungen im d2-Test. Zwei<br />

Probanden (Nr. 1 und Nr. 3) hatten ein sogenanntes Übersprung-Syndrom (Ü-Syndrom),<br />

ein Indiz für instruktionswidriges Verhalten. Das ist verbunden mit einer außergewöhnlich<br />

hohen Tempo-/Mengenleistung (Gesamtzahl aller bearbeiteten Zeichen, GZ) bei<br />

entsprechend hohem Fehleranteil (F%), also bei extrem geringer Sorgfalt und<br />

Genauigkeit der Testbearbeitung. Die GZ-Rohwerte des Probanden Nr. 4 fallen in das<br />

Quartil Q1, was eine relativ schlechte Leistung kennzeichnet.<br />

F%/PR = 100<br />

sorgfältig<br />

kontrolliert<br />

(pedantisch)<br />

hochkonzentriert<br />

(reflexiv)<br />

aufmerksam,<br />

konzentriert<br />

Sorgfalt<br />

unaufmerksam,<br />

unkonzentriert<br />

Nr. 2, Nr. 5,<br />

Nr. 6, Nr. 7<br />

Nr. 8, Nr. 9, Nr.<br />

10, Nr. 11<br />

(impulsiv)<br />

fehlerhaft<br />

unkontrolliert<br />

F%/PR = 0<br />

erheblich<br />

konzentrationsgestört<br />

Nr. 4<br />

Nr. 1<br />

Nr. 3<br />

Ü-Syndrom<br />

GZ/PR = 0<br />

langsam,<br />

antriebsarm,<br />

passiv<br />

Tempo<br />

GZ/PR = 100<br />

schnell,<br />

antriebsstark,<br />

aktiv<br />

Abbildung 1: Ergebnisse des d2-Tests mittels Interpretationsschema Tempo-Sorgfalt (Bemerkung:<br />

GZ – Gesamtzahl aller bearbeiteten Zeichen, PR – Prozentrangwert, F% -<br />

Fehlerprozentwert)<br />

Den schlechtesten KL-Wert demonstrierte der Polizist mit der Bleibelastung von 252 µg/l<br />

im Blut. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung zeigt, dass mit einer höheren Bleibelastung die<br />

Fehlerleistung der Probanden steigt und die Konzentrationsleistung sinkt.<br />

Die durchschnittliche gemerkte Ziffernlänge im Zahlengedächtnistest war 5,2 1,0, was<br />

noch im Normbereich liegt. Bei der Betrachtung der individuellen Ergebnisse fallen aber<br />

657


P100<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

eine schlechte Gedächtnisleistung der Probanden Nr. 1, 2, 4 und 11 auf. Diese Beamten<br />

haben einen relativ hohen aktuellen bzw. maximalen BPb des letzten Jahres.<br />

Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung kann hier bestätigt werden, zwischen der mittleren<br />

gemerkten Ziffernlänge und dem aktuellen BPb bzw. maximalen BPb des letzten Jahres<br />

besteht eine negative Korrelation (r = -0,685 bei p = 0,020 bzw. r = -0,721 bei p = 0,012).<br />

Mit einer höheren Bleiexposition wurden schlechtere Leistungen im Gedächtnistest<br />

beobachtet. Auch die maximal gemerkte Zahlenlänge korreliert mit der Expositionshöhe<br />

(r = -0,634 bei p = 0,036).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Diese Leistungsdefizite bei den Polizeischießausbildern sollte man im Rahmen der<br />

arbeitsmedizinischen Routinevorsorgeuntersuchung weiter verfolgen. Das tangiert auch<br />

die weitgehend ungelöste Frage einer möglichen Reversibilität neurotoxischer Effekte bei<br />

einer stark reduzierten Bleiexposition. Tatsächlich sind inzwischen Maßnahmen am<br />

untersuchten Schießplatz erfolgt, die eine deutlich geringere Bleiexposition der<br />

Polizeibeamten in der Zukunft erwarten lassen. Dementsprechend müssten bei einer<br />

späteren analogen Nachuntersuchung mit diesen Probanden bessere psychologische<br />

Ergebnisse gefunden werden, was dann in Richtung einer Reversibilität neurotoxischer<br />

Effekte zu interpretieren wäre.<br />

658


P101<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Luft- und Biomonitoring bei bleibelasteten Polizeischießausbildern<br />

Carl-Gerhard Winter 1 , Sigurd Kliese 2 , Friederike Maier 3<br />

1 Bereich Arbeitsmedizin, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

2 Öko-control GmbH Schönebeck (Elbe)<br />

3 Polizeiärztliches Zentrum/Ärztlicher Gutachterdienst der Landesverwaltung Magdeburg<br />

Zielstellung<br />

Aus der Literatur ist bekannt, dass bei Sportschützen, Polizisten, Schießstandtrainern<br />

und –reinigungs-personal eine höhere Pb-Belastung vorkommen kann. Nach wie vor ist<br />

das Schwermetall Blei ein wesentlicher Munitionsbestandteil und es gibt<br />

Untersuchungen, die erhöhte Bleibelastungen bei Schützen gefunden haben (Löfstedt et<br />

al. 1999, Wuster et al. 2006).<br />

Das übliche arbeitsmedizinische Überwachungsmuster für eine aktuelle Pb-Belastung ist<br />

die Kontrolle der Blutblei- und der Luftbleikonzentration im Arbeitsbereich.<br />

Ziel der Untersuchung war, die aktuelle Bleibelastung durch Kontrolle der<br />

Blutbleikonzentration sowie eine retrospektive Pb-Expositionsanalyse bei<br />

Schießausbildern durchzuführen, um das expositionelle Risiko dieser Gruppe zu<br />

verifizieren.<br />

Probanden und Methodik<br />

Elf Schießausbilder (9 Männer und 2 Frauen) im Durchschnittsalter von 43,2 ± 6,6<br />

Jahren nahmen an der Untersuchung teil.<br />

Das Untersuchungsprogramm bestand aus:<br />

- Arbeitsplatzbesichtigung der Schießanlage; Erfassung der arbeitstechnischen<br />

und persönlichen Schutzmaßnahmen sowie der hygienischen Bedingungen als<br />

Arbeitsplatzanalyse<br />

- Arbeitsmedizinische/-toxikologische Untersuchung/Expositionserfassung,<br />

Abschätzung der aktuellen Exposition (BPb), Ambient Air Monitoring<br />

- Analyse der Luftuntersuchung mit einem Flammen-AAS und der<br />

Blutuntersuchung mit einem Graphitrohr-AAS.<br />

Ergebnisse<br />

Die Expositionsdauer der bleiexponierten Probanden betrug 11,9 ± 8,6 Jahre. Die<br />

Analysenergebnisse der Arbeitsplatzmessungen nach TRGS 402 zeigen, dass der<br />

frühere Bleiwert von 0,15 mg/m 3 nur bei Mattenwechsel deutlich überschritten wurde<br />

(Mattenwechsel rechts 6,6 mg/m 3 und links 8,12 mg/m 3 Luft). Die gemittelten Bleiwerte<br />

lagen im Durchschnitt bei 100,1 ± 55,7 µg/l (siehe Tabelle).<br />

659


P101<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Tabelle 1<br />

Der niedrigste gemittelte Wert lag bei 55,6 µg/l und der höchst bei 252,0 µg/l. Bei 5 von 9<br />

männlichen Probanden lagen die Blutbleiwerte oberhalb des Normalwertes (HBM-<br />

Kommission für Männer in der Allgemeinbevölkerung 90 µg/l Blut). Bis auf den<br />

Probanden Nr. 4 lagen die Blutbleiwerte unter dem HBM-I von 150 µg/l. Proband 4 lag<br />

sogar über dem HBM-II-Wert von 250 µg/l. Bei den zwei weiblichen Probanden (Prob.-<br />

Nr. 6 und 7) lagen die Blutbleiwerte im unauffälligen Bereich.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass bei Schießausbildern deutlich<br />

erhöhte Blutbleiwerte festgestellt wurden, die bis in den Bereich einer möglichen<br />

Gesundheitsgefährdung reichen.<br />

Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überwachung von<br />

Mitarbeitern an Schießstandplätzen (auch im Sportbereich). In Auswertung der<br />

Untersuchung an einem ausgewählten Schießplatz wurden die hygienischen und<br />

Arbeitsschutzmaßnahmen wie folgt überarbeitet:<br />

Die jährliche Belastung der Schießanlage beträgt 250.000 Schuss<br />

Der gesamte Boden wurde 0,5 m tief aufgenommen und entsorgt<br />

Der Stahllamellen-Kugelfang wurde gereinigt (Spezialfirma)<br />

Die kontaminierten Holzsegmente wurden substituiert<br />

Nach Grundsanierung der Schießanlage Einstellung des Schießens mit der<br />

Trainingspatrone 9 x 19 mm Sintox-Standard (Vollmantelbleigeschoss – 7,4 g<br />

Blei/Geschoss) und Einführung der bleifreien Trainingspatrone 9 x 19 mm<br />

GREEN RANGE (Messingvollgeschoss, Gewicht 6,1 g/Geschoss)<br />

Regelmäßige Durchführung von Ambient Air – und Biomonitoring im Bereich der<br />

Schießanlage<br />

In Form von Weiterbildung muss unbedingt Aufklärungsarbeit geleistet werden,<br />

da jeder Schütze über die Gefahren durch Bleibelastung informiert sein sollte,<br />

auch vor dem Hintergrund, dass Blei als kanzerogen eingestuft ist.<br />

Literatur<br />

1. Bolt H.M.: Grenzwerte für krebserzeugende Stoffe am Arbeitsplatz. Arbeitsmed.<br />

Sozialmed. Umweltmed. 43, 10, 485-493 (2208)<br />

2. Muttray A., Scharnbacher: Bedeutung der Arbeitsplatzanalyse für Begutachtung<br />

und Prävention am Beispiel einer chronischen Bleiintoxikation. Arbeitsmed.<br />

Sozialmed. Umweltmed. 43, 12, 618-621 (2008)<br />

3. Wurster U., Ebert H., Fleig E., Ott G.: Reduzierung der Gefahrstoffbelastung in<br />

Raumschießanlagen durch Verwendung bleifreier Trainingsmunition. Gefahrstoffe<br />

– Reinhaltung der Luft 6, 295-299 (2006)<br />

660


P101<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

4. Löfstedt H., Selden A., Storeus L., Bodin L.: Blood Lead in Swedish Police<br />

Officers. Am. J Ind Med 35, 519-522 (1999)<br />

Tab. 1: Expositionsdaten der bleiexponierten Schießausbildergruppe<br />

Proband<br />

1<br />

Expos.-dauer<br />

(Jahre)<br />

11<br />

BPb<br />

(µg/l)<br />

67,0<br />

BPb max<br />

(µg/l)<br />

176<br />

Zigaretten<br />

(pro Tag)<br />

0<br />

Alkohol<br />

(g/Tag)<br />

39,00<br />

2<br />

7<br />

119,6<br />

251<br />

10<br />

0,00<br />

3<br />

7<br />

59,2<br />

71<br />

0<br />

1,86<br />

4<br />

7<br />

252,0<br />

252<br />

1 – 2<br />

3,71<br />

5<br />

9<br />

91,2<br />

114<br />

0<br />

5,57<br />

6<br />

7<br />

67,2<br />

111<br />

0<br />

0,00<br />

7<br />

6<br />

55,6<br />

96<br />

10 – 12<br />

0,00<br />

8<br />

29<br />

82,0<br />

100<br />

0<br />

16,0<br />

9<br />

29<br />

72,6<br />

222<br />

10 – 15<br />

7,43<br />

10<br />

11<br />

115,8<br />

202<br />

5 – 6<br />

6,86<br />

11<br />

7,5<br />

119,0<br />

149<br />

0<br />

13,80<br />

MW<br />

± SD<br />

11,9<br />

± 8,6<br />

100,1<br />

± 55,7<br />

158,5<br />

± 65,6<br />

4,1<br />

± 5.2<br />

8,60<br />

± 11,50<br />

661


P102<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Zelluläre Aufnahme und Toxizität von Tonerpartikeln in vitro<br />

Susanne Tautz 1,2 , Ute Zimmermann 2 , J. Hippler 3 , Ludwig Jonas 1 , Albert W. Rettenmeier 2 , Elke<br />

Dopp 2<br />

1 Elektronenmikroskopisches Zentrum, Institut für Pathologie, Universität Rostock,<br />

2 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen,<br />

3 Institut für Umweltanalytik, Universität Duisburg-Essen<br />

Ziel der Studie<br />

Tonerpartikel aus Tonerpatronen für Laserdrucker und Kopierer können während des<br />

Nachfüllens bzw. während des Druck-/Kopierprozesses Angestellte und Servicetechniker<br />

inhalativ belasten. Die Wirkung von Toneremissionen (Stäube und flüchtige<br />

Verbindungen) auf die menschliche Gesundheit ist bisher nicht bekannt, jedoch ergeben<br />

sich Hinweise auf rezidivierende Entzündungen der Atemwege, Epistaxis, Sinusitis,<br />

Asthma bronchiale und allergische Reaktionen.<br />

Ziel der vorliegenden Studie war es, die zellulären Effekte nach Tonerpartikelexposition<br />

an kultivierten Zellen zu untersuchen und mit der Toxizität von ultrafeinen<br />

Kohlenstoffpartikeln zu vergleichen.<br />

Methode<br />

3T3-Zellen (primäre embryonale Mäusefibroblasten von ATCC, USA) wurden in<br />

Dulbeccos Modified Eagle Medium (DMEM) mit 15 % fötalem Kälberserum (FCS) und<br />

BEAS-2B-Zellen (humane bronchiale Epithelzellen) in DMEM + 10 % FCS kultiviert und<br />

gegenüber Toner- (schwarz, pink) und Carbon black-Partikel exponiert. Die zelluläre<br />

Aufnahme wurde raster- (REM) und transmissionselektronenmikroskopisch (TEM), die<br />

Zytotoxizität mit dem Trypan-Blau-Test, die Genotoxizität mit dem Mikrokerntest und die<br />

Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS) mit der H 2 DCFDA-Färbung untersucht.<br />

Ergebnisse<br />

Die REM-Analyse ergab eine durchschnittliche Tonerpartikelgröße von ca. 10<br />

µm/Partikel, die Elementanalyse (EDX: Energie Dispersive Röntgenmikroanalyse) einen<br />

100 %igen Anteil an Kohlenstoff bei den schwarzen Tonern und ein Elementgemisch<br />

(Fe, Ti, Sn, Mn) bei den pinkfarbenen Tonern (Abb.1). Zytotoxische Effekte waren bei<br />

Tonerpartikelkonzentrationen ab 10 µg/cm² und einer Expositionsdauer von 24 h<br />

nachweisbar. Im Vergleich zu Carbon black (Partikeldurchmesser ca. 55 nm) waren<br />

diese Effekte jedoch weniger stark ausgeprägt. Gentoxische Effekte waren in BEAS-2B<br />

Zellen im Vergleich zu anderen Stäuben (z.B. Carbon black) nach Tonerexposition<br />

(schwarz und pink) nur schwach ausgeprägt, jedoch statistisch signifikant (p


P102<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

erhöht und bei pinkfarbenen Tonern ausgeprägter als bei Kohlenstofftonern (siehe<br />

Abb.1).<br />

Toner<br />

Prozent<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

15' 30' 45' 1 h 3 h 6 h<br />

Abb. 1: Elementanalyse mittels Röntgen-Fluoreszenz von pinkfarbenem Toner (links), REM von<br />

Tonerpartikeln (Mitte, pink: oben, schwarz: unten) und intrazelluläre Radikalbildung nach<br />

Exposition von BEAS-2B Zellen gegenüber den zwei verschiedenen Tonerarten (Konzentration: 5<br />

µg/cm²). Gezeigt ist die Radikalbildung im Verhältnis zur Kontrolle in Prozent (rechte Grafik).<br />

Zeit<br />

K<br />

Black<br />

Pink<br />

Diskussion<br />

Im gewählten Zellkulturmodell wurde sowohl ein zytotoxisches als auch ein<br />

genotoxisches Potenzial (inkl. Radikalbildung) verschiedener Tonerstäube<br />

nachgewiesen. Die beobachteten Effekte waren jedoch schwächer ausgeprägt als die<br />

nach Carbon black-Exposition (ultrafeine Partikel). Auch das Zellmodell spielte eine<br />

Rolle, da humane Zellen unempfindlicher reagierten. Tonerpartikel verschiedener<br />

Größen waren intrazellulär in Lysosomen und Restkörpern nachweisbar, Zellkern und<br />

Mitochondrien waren dagegen nicht belastet.<br />

In nachfolgenden Studien sollen Emissionsmessungen und toxikologische<br />

Untersuchungen verknüpft werden. Auch sollen additive Effekte (Partikel + flüchtige<br />

Verbindungen wie z.B. Di-/Tributylzinn, Styrol und Phenol) Beachtung finden.<br />

Bemerkung:<br />

Die Arbeit wurde mit dem 3. Posterpreis auf der <strong>DGAUM</strong> <strong>2009</strong> ausgezeichnet.<br />

663


P103<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Schwerpunkte der Exposition gegenüber ototoxischen<br />

Gefahrstoffen<br />

Dorothea Koppisch, Ulrike Koch, Rainer Van Gelder, Stefan Gabriel<br />

Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

Einleitung<br />

Ototoxische Stoffe sind Substanzen, die zu einer Schädigung des Gehörs, des Gleichgewichtsorgans<br />

oder des VIII. Hirnnerven führen. Je nach Substanz sind die<br />

Angriffspunkte dabei unterschiedlich. Die Wirkung von Styrol, Toluol, p-Xylol und<br />

Ethylbenzol erfolgt über eine Schädigung der äußeren Haarzellen im Corti-Organ. Für<br />

die Erstickungsgase Kohlenstoffmonoxid und Cyanide wird eine Wirkung über<br />

Sauerstoffmangel im sehr energieabhängigen Corti-Organ angenommen. Für<br />

Schwefeldisulfid und n-Hexan wird die Ursache hingegen in der Beeinträchtigung der<br />

Reizweiterleitung und -verarbeitung nach der Cochlea angenommen (Möller und Nies<br />

2008).<br />

Ziel dieser Untersuchung ist es, als Grundlage für eine bessere Prävention<br />

Arbeitsbereiche und Branchen zu identifizieren, in denen hohe Expositionen gegenüber<br />

ototoxischen Gefahrstoffen auftreten.<br />

Material und Methoden<br />

Es wurden aus der BGIA-Expositionsdatenbank MEGA Messdaten mit Schichtbezug<br />

(Expositionsdauer >= 8 h, Probenahmedauer >= 2 h) zu den am häufigsten diskutierten<br />

ototoxischen Gefahrstoffen Styrol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Kohlenstoffdisulfid, n-<br />

Hexan, n-Heptan, Hydrogencyanid, Kohlenstoffmonoxid und Quecksilber ausgewertet.<br />

Für die krebserzeugenden Gefahrstoffe Benzol, Trichlorethylen, Acrylnitril und Blei (-<br />

verbindungen) erfolgte keine Auswertung, da bei diesen Gefahrstoffen die<br />

Kanzerogenität im Vordergrund steht.<br />

Bei Einhaltung der Luftgrenzwerte für die betrachteten Gefahrstoffe ist ein wesentlicher<br />

Hörverlust wenig wahrscheinlich (Milde et al. 2006). Daher wurden zunächst Branchen<br />

mit Grenzwertüberschreitungen identifiziert. Dann wurden in diesen Branchen die<br />

Arbeitsbereiche mit den meisten Grenzwertüberschreitungen ermittelt.<br />

664


P103<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Ergebnisse<br />

Mehr als 5 % Grenzwertüberschreitungen wurden von 1990 - 2007 für Styrol,<br />

Kohlenstoffdisulfid, Kohlenstoffmonoxid und für Quecksilber und seine Verbindungen<br />

dokumentiert (Tabelle 1).<br />

Ein hoher Anteil an Grenzwertüberschreitungen traten in der chemischen Industrie<br />

(Schwerpunkt Kunststoffe), in der Metallbe- und -verarbeitung (inkl. Maschinenbau und<br />

Gießereien) und im Bauwesen auf. Schwerpunkte hoher Expositionen sind dabei die<br />

Arbeitsbereiche Herstellung und Laminieren von Formteilen (Styrol), Oberflächenbeschichtung<br />

(Styrol, Toluol), Formerei und Schmelzerei in Gießereien (Styrol, Kohlenstoffmonoxid),<br />

Betrieb von Flügelglättern (Kohlenstoffmonoxid), Spinnen und Tauchen<br />

von Chemiefasern (Kohlenstoffdisulfid) und Zerkleinerung von Schrott (Quecksilber).<br />

Tab. 1: Ototoxische Gefahrstoffe: Anzahl Messdaten und Branchen in der Expositionsdatenbank<br />

MEGA, Anteil an Messwerten über dem Grenzwert; 1990 – 2007<br />

Messdaten in MEGA<br />

Anzahl<br />

Analysen<br />

Anzahl<br />

Branchen<br />

Grenzwertüberschreitungen<br />

Prozent Prozent<br />

Analysen Branchen<br />

Aktuelle Grenzwerte<br />

Art des mg/m³ ppm<br />

GW 1)<br />

Lösungsmittel<br />

Styrol 6.719 172 28 % 34 % AGW 86 20<br />

Toluol 14.891 249 2,9 % 22 % AGW 190 50<br />

Xylol 17.448 257 0,5 % 12 % AGW 440 100<br />

Ethylbenzol 11.473 220 0,2 % 5 % AGW 440 100<br />

Kohlenstoffdisulfid 304 33 12,8 % 10 % BL-AGS 30 9,5<br />

n-Hexan 3.016 147 0,2 % 1 % AGW 180 50<br />

n-Heptan 4.236 155 0 % 0 % AGW 2100 500<br />

Erstickungsgase<br />

Kohlenstoffmonoxid 466 63 10,1 % 19 % AGW 35 30<br />

Cyanide 593 34 0 % 0 % BL-AGS 5<br />

Hydrogencyanid 947 45 0,7 % 7 % BL-AGS 11 10<br />

Metalle<br />

Quecksilber und 584 70 5,1 % 17 % AGW 0,1 2)<br />

seine Verbindungen<br />

1) Art des Grenzwertes: AGW: Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900,<br />

BL-AGS: Grenzwert aus der Bearbeitungsliste des AGS<br />

2) Dieser Grenzwert gilt nur für Quecksilber und anorganische Quecksilberverbindungen<br />

665


P103<br />

Poster – Gefahrstoffe I<br />

Diskussion<br />

Für die Schwerpunkte der Exposition gegenüber den ototoxischen Gefahrstoffen Styrol,<br />

Toluol, Kohlenstoffdisulfid, Kohlenstoffmonoxid und Quecksilber ist im nächsten Schritt<br />

die Lärmbelastung zu überprüfen. Anschließend können betriebsspezifisch Maßnahmen<br />

entwickelt werden, um die Lärm- und Gefahrstoffexposition in den betroffenen Bereichen<br />

zu reduzieren.<br />

Literatur<br />

Milde, J., Ponto, K., Wellhäußer, H. (2006): Positionspapier des AK 2.1 „Lärm“ und AK 3<br />

„Gefahrstoffe“ des Ausschusses Arbeitsmedizin beim HVBG zu ototoxischen<br />

Arbeitsstoffen. Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, Sankt<br />

Augustin<br />

Möller, A., Nies, E. (2008): Ototoxische Gefahrstoffe – zum Stand der Diskussion.<br />

Umweltmed Forsch Prax 13: 26-36<br />

666


P104<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehung im standardisierten<br />

Expositionstest mit Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat (MDI)<br />

Rolf Merget, Boleslaw Marczynski, Vera van Kampen, Thomas Brüning<br />

Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGFA), Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Einleitung<br />

Nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehungen bei Expositionstests mit Diisocyanaten (im<br />

Folgenden Isocyanate genannt) wurden bisher nur in einer Publikation als seltenerer<br />

Reaktionsmodus beschrieben [1]. Da die Tests hierbei über mehrere Tage durchgeführt<br />

worden waren, wurde ursächlich u.a. eine unterschiedliche Metabolisierung der<br />

Isocyanate angenommen. Wir beschreiben einen weiteren Fall mit einer nichtlinearen<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung in einem eintägigen Expositionstest mit Isocyanaten.<br />

Methoden<br />

Der bei Erstuntersuchung 06/2005 55jährige Schlosser in einer Isocyanat-Produktion war<br />

seit 1970 gegenüber Isocyanaten exponiert. Aufgrund arbeitsbezogener<br />

Atemwegsbeschwerden wurde er 1987 versetzt, hatte aber bis 02/2005 noch seltenen<br />

(symptomatischen) Kontakt zu Isocyanaten. Zuletzt bestand eine leichtgradige<br />

asthmatische Symptomatik unter antiobstruktiver Medikation. Es wurden Pricktests mit<br />

Umweltallergenen (verschiedene Hersteller) und Isocyanat-Humanserum-Konjugaten<br />

(eigene Herstellung) sowie CAP-Tests (Phadia, Freiburg) zum Nachweis spezifischer<br />

IgE- und IgG-Antikörper gegen Isocyanate im Serum des Versicherten durchgeführt.<br />

Standardisierte Expositionstests erfolgten mit Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat (MDI;<br />

MERCK Schuchardt OHG, Hohenbrunn) mit 5, 10, 20 und 30 ppb über jeweils 30 Min. in<br />

der Isocyanatkammer [2]. Effektparameter waren Einsekundenkapazität (FEV 1 ),<br />

spezifischer Atemwegswiderstand (gemessen mit MasterLab, Cardinal Health,<br />

Würzburg), Methacholintest [3] vor und 24 h nach Testung mit MDI und exhaliertes<br />

Stickstoffmonoxid (eNO; gemessen mit CLD 700; Eco Physics, München [4]). Die<br />

Messungen erfolgten bei normaler Lungenfunktion unter kurz ausgesetzter Medikation.<br />

Ein positives Votum der Ethikkommission der Ruhr-Universität lag vor.<br />

Ergebnisse<br />

Der Versicherte war kein Atopiker und nicht gegenüber Isocyanaten sensibilisiert. Der<br />

Expositionstest 2005 zeigte bodyplethysmographisch keine signifikante Reaktion und<br />

spirometrisch eine nichtlineare Reaktion bei unzureichender Atemtechnik (Abbildung 1).<br />

Während der Methacholintest vor der spezifischen Testung keine bronchiale<br />

Hyperreaktivität zeigte, lag nach dem Expositionstest mit MDI eine geringgradige<br />

667


P104<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

bronchiale Hyperreaktivität vor. eNO stieg von 44 ppb vor Exposition auf 82 ppb am Tag<br />

nach Testung mit MDI. Aufgrund der nicht konsistenten Befunde wurde die Testung<br />

08/2007 wiederholt. Die Beschwerden hatten sich gebessert, die antiobstruktive<br />

Medikation wurde aber fortgeführt. Während sich die bodyplethysmographischen und<br />

spirometrischen Reaktionen aus 2005 reproduzieren ließen, war jetzt eine Zunahme der<br />

bronchialen Hyperreaktivität nach MDI-Testung nicht mehr darzustellen, eNO stieg von<br />

25 ppb vor Exposition auf 52 ppb am Tag nach Testung mit MDI.<br />

Diskussion<br />

Im vorliegenden Fall ist eine obstruktive Atemwegserkrankung zweifelsfrei dargestellt.<br />

Die anamnestischen Angaben mit einem klaren Arbeitsbezug der Atembeschwerden<br />

sprechen für ein Isocyanatasthma. Die Expositionstests waren hinsichtlich einer<br />

obstruktiven Atemwegsreaktion nicht eindeutig, aber hinweisend auf ein<br />

Isocyanatasthma. Der reproduzierbare Anstieg des eNO am Tag nach der<br />

Expositionstestung spricht ebenso für ein Isocyanatasthma wie die Besserung unter<br />

Expositionskarenz zwischen 2005 und 2007. Anstiege des eNO nach Expositionstests<br />

mit Isocyanaten wurden bei pulmonalen „Nonrespondern“ bereits beschrieben [5]. Mit<br />

dem vorliegenden Fall konnte gezeigt werden, dass nichtlineare Dosis-<br />

Wirkungsbeziehungen nach Expositionstestung mit Isocyanaten auch in<br />

Eintagesprotokollen auftreten können und auf ein vermutlich immunologisches<br />

Isocyanatasthma hinweisen. Die Frage, weshalb es bei einigen Personen zu diesem<br />

nichtlinearen Reaktionsverlauf kommt, ist weiterhin nicht eindeutig geklärt. Neben einer<br />

unterschiedlichen Metabolisierung der Isocyanate ist auch die Veränderung von Epitopen<br />

(z.B. Prepolymere) im Verlaufe der Exposition möglich. Messungen des eNO können die<br />

Sensitivität von Expositionstests mit Isocyanaten erhöhen und sind möglicherweise<br />

besser geeignet als serielle Methacholintests vor und nach Expositionstestung. Als<br />

geeigneter Zeitpunkt ist die Messung am Tag nach der Isocyanatexposition zu<br />

empfehlen.<br />

Literatur<br />

1. Malo JL, Ghezzo H, Elie R. Occupational asthma caused by isocyanates:<br />

patterns of asthmatic reactions to increasing day-to-day doses. Am J Respir Crit<br />

Care Med 1999;159:1879-83<br />

2. Merget R, Heinze E, Korn M, Raulf-Heimsoth M, Marczynski B, Brüning T.<br />

Diagnostische Validität und Sicherheit eines 4-Stufen-1-Tagesexpositionstests<br />

mit Diisocyanaten. Atemw Lungenkrkh 2004;30:380-1<br />

668


P104<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

3. Baur X, Huber H, Degens PO, Allmers H, Ammon J. Relation between<br />

occupational asthma case history, bronchial methacholine challenge, and specific<br />

challenge test in patients with suspected occupational asthma. Am J Ind Med<br />

1998;33:114-22<br />

4. ATS/ERS. Recommendations for standardized procedures for the online and<br />

offline measurement of exhaled lower respiratory nitric oxide and nasal nitric<br />

oxide. Am J Respir Crit Care Med 2005;171:912-30<br />

5. Barbinova L, Baur X. Increase in exhaled nitric oxide (eNO) after work-related<br />

isocyanate exposure. Int Arch Occup Environ Health 2006;79:387-95<br />

Legende Abbildung 1<br />

Expositionstests mit MDI bis 30 ppb zeigen sowohl 2005 und 2007 keine eindeutige obstruktive<br />

Reaktion, aber einen reproduzierbaren Anstieg von eNO am Tag nach der Expositionstestung.<br />

Die gestrichelte Linie stellt den Methacholintest (MCH) dar.<br />

669


P105<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Phthalatweichmacher-Untersuchungen bei Schwangeren in der<br />

15.-17. Schwangerschaftswoche in Urin, Serum und Fruchtwasser<br />

Sibylle Hildenbrand 1 , Roman Wodarz 1 , Elfriede Wiest 2<br />

1<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />

2<br />

Universitätsfrauenklinik Tübingen<br />

Einleitung und Ziele der Studie<br />

Phthalsäuredialkylester werden als Weichmacher für PVC-Produkte verwendet. Sie<br />

kommen auch u. a. in Pharmaka, Körperpflegemitteln, Parfüms und Deodorants zum<br />

Einsatz. Der Mensch kann sie oral, inhalativ oder perkutan aufnehmen.<br />

Die Weichmacherbelastung mit Diethylhexylphthalat (DEHP) und Dibutylphthalat (DBP)<br />

bei Schwangeren wurde durch Biomonitoring-Untersuchungen von Spontanurin und<br />

Serum bestimmt. Zur Einschätzung der Weichmacherbelastung bei Feten wurden die<br />

Weichmacherkonzentrationen im Fruchtwasser bestimmt.<br />

Material und Methoden<br />

Von 60 Probandinnen wurden bei 40 Schwangeren alle drei Matrixes, d.h. Spontanurin,<br />

Serum und Fruchtwasser erhalten. Nur die Ergebnisse dieser Probandinnen sind hier<br />

dargestellt. Sie waren im Mittel 36 Jahre alt (Min-Max 19-43 Jahre) und meist in der 15.-<br />

17. Schwangerschaftswoche. Die Probennahme fand im Rahmen einer pränatalen<br />

invasiven Diagnostik zwischen September 2003 und Juni 2004 statt (Uhrzeit: 8.00 bis<br />

12.00 Uhr). Alle medizinischen Hilfsmitttel waren PVC-frei. Die Probandinnen füllten<br />

einen Fragebogen aus, über den auch mögliche Eintragspfade ermittelt werden sollten.<br />

In den Proben wurden die Metabolite der Weichmacher DEHP und DBP, das heißt u. a.<br />

Monoethylhexylphthalat (MEHP), Mono(2-ethyl-5-hydroxyhexyl)phthalat (5-OH-MEHP)<br />

und Mono(2-ethyl-5-oxohexyl)phthalat (5-Oxo-MEHP) sowie Monobutylphthalat (MBP),<br />

mittels GC-MS quantifiziert.<br />

Ergebnisse<br />

Zur Ermittlung der Belastung mit DEHP und DBP wurden die Metabolitkonzentrationen<br />

herangezogen (Abb. 1). In den Urinproben lag die mittlere MEHP-Konzentration bei 7,8<br />

µg/l (Min-Max:


P105<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Die mittleren Konzentrationen für MBP lagen im Spontanurin bei 110,8 µg/l (Min-Max:<br />

6,9-2870,8 µg/l) und im Fruchtwasser bei 15,5 µg/l (Min-Max:


P105<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

1a)<br />

15<br />

64,4<br />

51,1 32,5<br />

Spontanurin<br />

Serum<br />

Fruchtwasser<br />

10<br />

MEHP in µg/l<br />

5<br />

0<br />

1 2 6 7 9 1012131415161720212832333435363738394042444546474951525354555657585960<br />

Probandinnen<br />

1b)<br />

100<br />

80<br />

2870,8 203,7<br />

Spontanurin<br />

Serum<br />

Fruchtwasser<br />

MBP in µg/l<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1 2 6 7 9 10 12 13 14 15 16 17 20 21 28 32 33 34 35 36 37 38 39 40 42 44 45 46 47 49 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60<br />

Probandinnen<br />

Abbildung 1: Konzentrationen von MEHP (1a) und MBP (1b) in Spontanurin, Serum und<br />

Fruchtwasser von 40 Schwangeren.<br />

672


P106<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Einfluss der Substitutionsrate von in-vitro generierten Isocyanat-<br />

Albumin-Konjugaten auf massenspektrometrische Strukturparameter<br />

und das Antikörper-Bindungsverhalten<br />

Lygia Therese Budnik, Elke Finsel, Xaver Baur<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Hamburg<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

673


P107<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Übersicht über die Folgen von Begasungmittel-Intoxikationen in<br />

einer Web-basierten Datenbank<br />

Alexandra M. Preisser 1 , Frank Heblich 4 , Wolfgang H. Zangemeister 2 , Birgit Hottenrott 3 , Lygia<br />

Therese Budnik 1 , Xaver Baur 1<br />

1 Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />

2 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />

3 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

4 Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine, Kronshagen<br />

Hintergrund: Import-Güter und -Container werden oftmals im Herkunftsland zur<br />

Schädlingsabtötung begast. Die verwendeten Chemikalien und deren Konzentrationen<br />

sind sehr verschieden; der stattgefundene Begasungsvorgang ist insbesondere bei<br />

Containerwaren als solcher in der Regel nicht erkenntlich. Als Folge finden sich im<br />

Ankunftsland noch in etwa jedem sechsten Importcontainer grenzwertüberschreitende<br />

Rückstände von Begasungsmitteln und/oder toxischen Industriechemikalien (Baur et al.,<br />

2007). Beim Öffnen der Container oder der Weiterverarbeitung der Import-Waren sind<br />

die Beschäftigten hierdurch nicht kalkulierbaren Gesundheitsrisiken ausgesetzt.<br />

Untersuchungen von Beschäftigten, die gegenüber Begasungsmitteln exponiert worden<br />

sind, belegen auffallend häufig neurologische Krankheitssymptome und -befunde (Acuna<br />

et al. 1997, Bowler et al. 2003, Calvert et al. 1998, Kamel and Hoppin 2004).<br />

Atemwegsbeschwerden werden selten genannt und zum Teil als vorübergehend<br />

betrachtet (U.S. Department of Health and Human Services 2001).<br />

Ziele:<br />

Betroffene Patienten leiden häufig anhaltend unter einem unspezifischen<br />

Symptomenkomplex, der überwiegend Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sowie<br />

Dyspnoe und weitere Atemwegsbeschwerden beinhaltet. Der Zusammenhang zur<br />

Tätigkeit ist den Patienten zunächst meist nicht bewusst und auch den primär<br />

behandelnden Ärzten häufig nicht bekannt. Kompetente medizinische Ansprechpartner<br />

werden daher nur verzögert gefunden. Weitergehende zielführende Diagnostik, wie z.B.<br />

Biomonitoring, erfolgt daher oft verspätet und wesentliche Befunde gehen hierdurch<br />

verloren. Unser Ziel ist, Patienten und primär versorgenden Ärzten Informationen zu<br />

Begasungsmittel-Intoxikationen und kompetenten Ansprechpartnern leicht erreichbar zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Methode:<br />

Auf einer Internet-Website wurde eine Datensammlung erstellt, die die Expositionsdaten,<br />

Symptome und klinischen Befunde der in unserem Institut untersuchten Patienten<br />

darstellt. Ergänzt werden diese Falldarstellungen durch aktuelle Fälle aus der<br />

internationalen Literatur. Durch Platzieren geeigneter Stichworte werden diese<br />

674


P107<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Informationen leicht von Suchmaschinen gefunden. Sollte sich durch die dargestellten<br />

Symptomenkomplexe und Zusammenhänge der Verdacht auf das Vorliegen einer<br />

Begasungsmittel-Intoxikation beim Leser erhärten, werden Ansprechpartner genannt.<br />

Ergebnisse:<br />

Die Befunde von 16 am Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin<br />

untersuchten Patienten konnten in die Datenbank aufgenommen werden. Ergänzt<br />

wurden diese durch Daten aus Fremdberichten von 24 weiteren Fällen. Alle Patienten<br />

litten unter neurologischen Symptomen, vorherrschend waren anhaltende<br />

Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sowie Konzentrationsstörungen, hier<br />

insbesondere Störungen der „geteilten Aufmerksamkeit“, also der Fähigkeit sich auf<br />

mehrere Arbeitsabläufe gleichzeitig zu konzentrieren. Auffallend war auch das gehäufte<br />

Auftreten von bisher nicht gekannter Reizbarkeit und Muskelkrämpfen. Weiterhin<br />

beklagten zwölf der eigenen 16 Patienten respiratorische Symptome; in 7 Fällen fand<br />

sich eine bronchiale Hyperreaktivität.<br />

Zusammenfassung:<br />

Patienten, die nach Begasungsmittel-Intoxikationen unter verschiedenen Symptomen,<br />

überwiegend neurologisch und im Bereich des Respirationstrakts leiden, wird durch die<br />

Bereitstellung von leicht erreichbaren Informationen eine zeitnahe adäquate Diagnostik<br />

ermöglicht. Die Datensammlung ist unter der Adresse www.uke.unihamburg.de/institute/arbeitsmedizin/index_14284.php<br />

zu finden.<br />

Literatur:<br />

Acuna D MC, Diaz T V, Tapia Z R, Cumsille G MA. Estudio de los efectos neurotoxicos<br />

del bromuro de metilo sobre trabajadores expuestos, Assessment of neurotoxic effects of<br />

methyl bromide in fruit workers. Rev Med Chile 1997;125:36-42<br />

Baur X, Ollesch T, Poschadel B, Budnik LT, Finger S, Matz G.<br />

Begasungsmittelrückstände und toxische Industriechemikalien in Import-Containern. Zbl<br />

Arbeitsmed 2007;57:89-104<br />

Bowler RM, Gysens S, Hartney C. Neuropsychological effects of ethylen dichloride<br />

exposure. NeuroToxicology 2003;24:553-562<br />

Budnik LT, Veldman RW, Baur X. Toxische Industriechemikalien und<br />

Begasungsmittelrückstände in Importwaren – Gesundheitsgefährdung durch<br />

Begasungsmittel im internationalen Warenverkehr. <strong>Tagungsband</strong> der 48.<br />

Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und<br />

Umweltmedizin e. V. in Verbindung mit ICOH Mid-term Meeting 2008. Hamburg 12.-<br />

15.3.2008.<br />

Calvert GM, Mueller CA, Fajen JM, Chrislip DW, Russo J, Briggle T, Fleming LE, Suruda<br />

AJ, Steenland K. Health effects associated with sulfuryl fluoride and methyl bromide<br />

exposure among structural fumigation workers. American Journal of Public Health<br />

1998;88:1774-1780<br />

675


P107<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

De Haro L, Gastaut JL, Jouglard J, Renacco E. Central and peripheral neurotoxic effects<br />

of chronic methyl bromide intoxication. Clinical Toxicology 1997;35(1):29-34<br />

Deschamps FJ, Turpin JC. Methyl bromide intoxication during grain store fumigation.<br />

Occup Med 1996;46:89-90<br />

Horowitz BZ, Albertson TE, O´Malley M, Swenson EJ. An unusual exposure to methyl<br />

bromide leading to fatality. Clinical Toxicology 1998;36(4):353-357<br />

Hottenrott B, Preisser A, Moritz S. Neuropsychologische Befunde bei Patienten nach<br />

Begasungsmittel-Intoxikation. Zbl Arbeitsmed <strong>2009</strong><br />

Kamel F, Hoppin JA. Association of pesticide exposure with neurologic dysfunction and<br />

disease. Environmental Health Perspectives 2004;112:950-958<br />

Koda S, Kumagai S, Ohara H. Health effects of acute exposures to methyl bromide<br />

during soil fumigation inside greenhouses. J Occup Health 2000;42:263-269<br />

Preisser AM, Poppe A, Budnik LT, Baur X. Intoxikationen beim Entladen von Import-<br />

Containern in einer Maschinenfabrik. Zbl Arbeitsmed 2007;57:105-109<br />

Preisser AM, Heblich F, Budnik LT, Baur X. Gesundheitsstörungen nach<br />

Begasungsmittelexposition: Arbeitsmedizinische Aspekte und Langzeitergebnisse<br />

Zbl Arbeitsmed <strong>2009</strong>; im Druck<br />

U.S. Department of Health and Human Services. Toxicological profile for 1,2-<br />

Dichlorethane. Public Health Service. Agency for Toxic substances and disease registry<br />

2001 http://www.atsdr.cdc.gov/toxpro2.html<br />

Yamano Y, Nakadate T. Three occupationally exposed cases of severe methyl bromide<br />

poisoning: Accident caused by a gas leak during the fumigation of a folklore museum. J<br />

O<br />

676


P107<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Abb. 1: Screenshot der Web-Seite mit Datensammlung<br />

677


P107<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Abb. 2: Screenshot der Untersuchungscodes<br />

678


P108<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Modellierung komplexer Daten am Beispiel eines Biomarkers in<br />

der Humanstudie Bitumen<br />

Anne Spickenheuer, Monika Raulf-Heimsoth, Benjamin Kendzia, Thomas Brüning, Beate Pesch<br />

BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Ziel der Studie<br />

Ziel der Humanstudie Bitumen ist die Untersuchung genotoxischer und irritativer Effekte<br />

von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen. Hier wird der Einfluss der Bitumenexposition<br />

auf den Entzündungsmarker Interleukin (IL) -8 im induzierten Sputum abgeschätzt. Es<br />

werden verschiedene Regressionsmodelle verwendet, um die Robustheit der<br />

Effektschätzer zu untersuchen.<br />

Methoden<br />

In einer Querschnittsstudie wurden 280 Beschäftigte mit Bitumenexposition und ein<br />

Referenzkollektiv von 74 Straßenbauarbeitern untersucht. Während der Schicht wurde<br />

die Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen durch<br />

personengetragene Luftmessgeräte erfasst. Interleukin-8 Konzentrationen wurden vor<br />

und nach der Schicht im induzierten Sputum mittels Enzymimmunoassay bestimmt. Die<br />

Arbeiter wurden nach ihrem Alter, Rauchverhalten und ihrer Nationalität befragt. Ihr<br />

Atopiestatus wurde serologisch mittels Inhalationsallergen-Screening-Test sx1 ermittelt.<br />

Weitere Informationen zum Studienaufbau wurden in Raulf-Heimsoth et al. (2007)<br />

beschrieben. Das Votum der Ethikkommission der Ruhr-Universität Bochum und eine<br />

schriftliche Einverständniserklärung der Probanden liegen vor.<br />

Als klassischer Modellansatz wurde die Least Squares Linear Regression durchgeführt.<br />

Weiterhin wurden als robuste Modelle Least Median of Squares und Least Trimmed<br />

Squares verwendet. Beim Vorliegen von Ausreißern im Datensatz sind robuste Modelle<br />

der klassischen Modellierung überlegen. Diese Modelle wurden getrennt für IL-8 vor und<br />

nach der Schicht berechnet. Weiterhin wurde ein Linear Mixed Model angepasst, das<br />

gleichzeitig die Vorschicht- und die Nachschichtmessung berücksichtigt.<br />

Ergebnisse<br />

Vor der Schicht hatten Beschäftigte mit Bitumenexposition in allen betrachteten<br />

Regressionsmodellen höhere IL-8 Konzentrationen im Sputum als Beschäftigte der<br />

Referenzgruppe (p < 0,01). Aktuelle Raucher hatten höhere IL-8 Konzentrationen als<br />

Nichtraucher (p < 0,01). Auf die nach der Schicht gemessenen IL-8 Konzentrationen<br />

679


P108<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

hatten ebenfalls die Expositionsgruppe (p < 0,01) und der Rauchstatus (p < 0,01) einen<br />

signifikanten Einfluss, während die gemessene Bitumenexposition (p > 0,05) keinen<br />

Effekt hatte. In den Vor- und den Nachschichtmodellen zeigten die verschiedenen<br />

Regressionsmodelle jeweils ähnliche Effektschätzer. Im Linear Mixed Model waren<br />

ebenfalls die Expositionsgruppe (p < 0,01) und der Rauchstatus (p < 0,01) signifikant.<br />

Zusätzlich hatten der Messzeitpunkt (p < 0,05) und die Nationalität (p < 0,05) einen<br />

signifikanten Einfluss auf die IL-8 Konzentrationen. Vor der Schicht waren die IL-8<br />

Konzentrationen höher als nach der Schicht. Die gemessene Konzentration an Dämpfen<br />

und Aerosolen aus Bitumen hatte wiederum keinen signifikanten Effekt (p > 0,05).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die unterschiedlichen Regressionsmodelle zeigen ähnliche Ergebnisse. Folglich sind die<br />

Effektschätzer robust und kaum durch Ausreißer beeinflusst. Weiterhin stabilisiert die<br />

große Studienpopulation die Effektschätzer und führt so zu belastbaren Resultaten.<br />

Bitumenexponierte haben insgesamt höhere IL-8 Konzentrationen als Arbeiter der<br />

Referenzgruppe. Da bereits vor der Schicht die IL-8 Konzentrationen bei Exponierten<br />

höher waren, könnte es sich hier möglicherweise um einen subchronischen Effekt<br />

handeln. Raucher haben höhere IL-8 Konzentrationen als Nichtraucher. Rauchen ist<br />

daher ein starker Störfaktor. Zusätzlich könnten die in beiden Gruppen vor der Schicht<br />

höheren IL-8 Konzentrationen auf einen Tagesrhythmus in der Interleukinproduktion und<br />

/ oder -freisetzung hindeuten. Für Zytokine sind chronobiologische Effekte bekannt.<br />

Obwohl ein Gruppenunterschied zwischen Bitumenexponierten und Referenzarbeitern<br />

vorliegt, wurde keine Dosis-Wirkungs-Beziehung von Dämpfen und Aerosolen aus<br />

Bitumen mit Interleukin-8 gefunden. Möglicherweise ist eine einzelne Schichtmessung<br />

aufgrund der täglich wechselnden Expositionshöhe und der möglichen subchronischen<br />

Effekte nicht ausreichend, um eine solche Beziehung aufzustellen.<br />

Literatur<br />

Raulf-Heimsoth M., Pesch B., Spickenheuer A., Bramer R., Schott K., Marczynski B.,<br />

Breuer D., Hahn J.U., Merget R., Brüning T. (2007): Assessment of irritative effects of<br />

fumes of bitumen on the airways using non-invasive methods – results of a cross-shift<br />

study in mastic asphalt workers. JOEH, 4 (S1), 223 – 227.<br />

680


P109<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Einflussfaktoren auf die Mikrokernraten in Lymphozyten von<br />

Beschäftigten bei der Heißverarbeitung von Bitumen<br />

Peter Welge 1 , Anne Spickenheuer 1 , Boleslaw Marczynski 1 , Monika Raulf-Heimsoth 1 , Benjamin<br />

Kendzia 1 , Anja Erkes 1 , Rainer Bramer 1 , Dietmar Breuer 2 , Heiko-U. Käfferlein 1 , Beate Pesch 1 ,<br />

Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität, Bochum,<br />

2 BGIA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin<br />

Hintergrund und Ziel der Studie<br />

Wird Bitumen - wie bei der Verwendung von Gussasphalt - heiß verarbeitet, kommt es zu<br />

einer Exposition der Beschäftigten gegenüber entsprechenden Dämpfen und Aerosolen.<br />

Es stellt sich die Frage, ob diese Exposition zu genotoxischen Effekten führen kann. Ziel<br />

dieser Untersuchung war die Ermittlung von Chromosomenbrüchen und -verlusten mit<br />

dem Mikrokerntest und die Ermittlung von Faktoren, die einen Einfluss auf die<br />

Mikrokernraten in Lymphozyten von Beschäftigten bei der Heißverarbeitung von Bitumen<br />

haben.<br />

Methoden<br />

Die Mikrokernraten von 89 gegen Dämpfe und Aerosole aus Bitumen exponierten<br />

Beschäftigten und von 18 nicht gegen Bitumen exponierten Beschäftigten mit<br />

vergleichbarem Alters- und Tätigkeitsprofil und Rauchverhalten wurden in Blut-<br />

Lymphozyten bestimmt. Der Mikrokerntest wurde nach Fenech (2000) unter Verwendung<br />

von Cytochalasin B (Cytokinesis blocked micronucleus assay, CBMN) durchgeführt. Die<br />

Mikrokernraten wurden jeweils auf der Basis von 1000 zweikernigen Zellen (BNC) nach<br />

standardisierten Kriterien ermittelt. In einem linearen Regressionsmodell wurde zum 5%-<br />

Signifikanzniveau der Einfluss der Zugehörigkeit zu Expositions- oder Referenzgruppe,<br />

Höhe der Exposition (in mg/m³), sowie von Rauchverhalten, Alter und Atopiestatus<br />

(serologisch über sx1-Inhalationsallergenscreen) ermittelt.<br />

Ergebnisse und Diskussion<br />

Bei Bitumen-exponierten Beschäftigten wurden im Median 7,5 Mikrokerne/1000<br />

zweikernige Zellen (MN/1000 BNC) nach einer Arbeitsschicht gefunden, bei nicht<br />

exponierten Referenzpersonen 6,7 MN/1000 BNC (Unterschied nicht signifikant). Mit<br />

einem linearen Regressionsmodell (Tabelle) fand sich kein signifikanter Zusammenhang<br />

der Mikrokernraten nach der Arbeitsschicht mit einer einzelnen Schichtmessung der<br />

Dämpfe und Aerosole aus Bitumen. Als deutlichster Einflussfaktor erwies sich aber das<br />

Alter der Beschäftigten (p < 0,0001). Mit dem Alter steigt die Mikrokernrate an. Aufgrund<br />

der Korrelation zwischen Lebensalter und Dauer der Exposition gegenüber Dämpfen und<br />

681


P109<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Aerosolen aus Bitumen (in Jahren) muss differenziert werden, ob die mit dem Alter<br />

ansteigenden Mikrokernraten nur einen direkten Einfluss des Lebensalters darstellen,<br />

oder ob zusätzlich ein indirekter Einfluss der Expositionsdauer eine Rolle spielt. Der<br />

enge Zusammenhang mit dem Lebensalter gegenüber der nur schwachen Korrelation<br />

mit der Dauer der Exposition spricht für den direkten Alterseinfluss. Dieser ist auch aus<br />

einer gepoolten Analyse der Daten vieler Labors zum Mikrokerntest (mit Adjustierung für<br />

Exposition gegenüber genotoxischen Substanzen) bekannt (Bonassi et al. (2001)).<br />

Ethnische Zugehörigkeit und Atopiestatus sind schwächere, aber signifikante<br />

Einflussfaktoren. Die biologische Bedeutung muss noch geklärt werden. Das<br />

Rauchverhalten übte keinen signifikanten Einfluss auf die Mikrokernraten in<br />

Lymphozyten aus.<br />

Tabelle: Modellierung der Mikrokernraten (Mikrokerne/1000 BNC, log-transformiert) nach<br />

Schicht<br />

(N = 105, R 2 = 0,356).<br />

Einflussvariable exp(Schätzwert) 95% KI p-Wert<br />

Konstante 2,29 1,28 – 4,10<br />

Kollektiv: Expositionsgruppe<br />

(Ref=Referenzgruppe.)<br />

1,27 0,96 – 1,69 0,0979<br />

Dämpfe und Aerosole aus Bitumen [mg/m³] 1,01 0,97 – 1,05 0,6767<br />

Alter [Jahre] 1,03 1,02 – 1,05 < 0,0001<br />

Nichtdeutscher (Ref=Deutscher) 0,77 0,62 – 0,96 0,0153<br />

Allergiesuchtest sx1 im Serum: positiv<br />

(Ref=negativ)<br />

0,80 0,66 – 0,97 0,0245<br />

Raucher (Ref=Nichtraucher) 0,99 0,81 – 1,21 0,9205<br />

Schlussfolgerungen<br />

Zwischen der Mikrokernrate und der äußeren Exposition gegenüber Dämpfen und<br />

Aerosolen aus Bitumen fand sich kein signifikanter Zusammenhang. Dies deutet darauf<br />

hin, dass unter den gegebenen Expositionsbedingungen eine einzelne Schichtmessung<br />

der Exposition nicht ausreicht, eine mögliche sich über die Lebensdauer der<br />

Lymphozyten ereignende Schädigung zu charakterisieren. Ein Anstieg der<br />

Mikrokernraten mit dem Alter ist bei den Exponierten erkennbar. Es bedarf der näheren<br />

Überprüfung, ob hier nur das Alter direkt oder zusätzlich indirekt die Dauer der<br />

Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen eine Rolle spielt. Die<br />

bisherigen Befunde sprechen eher für einen direkten Alterseffekt.<br />

Die Ergebnisse sind Teil der „Humanstudie Bitumen.“<br />

682


P109<br />

Poster – Gefahrstoffe II<br />

Literatur<br />

1. Fenech, M (2000): The in vitro micronucleus technique. Mutat Res 455; 81-95<br />

2. Bonassi, S et al. (2001) HUman MicroNucleus project: international database<br />

comparison for results with the cytokinesis-block micronucleus assay in human<br />

lymphocytes: I. Effect of laboratory protocol, scoring criteria, and host factors on the<br />

frequency of micronuclei. Environ Mol Mutagen 37; 31-45<br />

683


P110<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Zur Reproduzierbarkeit der Wegstrecke im 6-Minuten-Gehtest<br />

Wolfgang Marek 1 , Eike Marek 1 , Nicola Kotschy-Lang 2 , Petra Vogel 2 , Yvonne Rüttgers 1 , Klaus<br />

Mückenhoff 1<br />

1 Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bochum<br />

2 Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

684


P111<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Anpassungsverhalten bei Immersion: Herz-Kreislauf-Patienten<br />

vs. gesunde Normalpersonen<br />

Lutz Schega 1 , Gunther Claus 2 , André Niklas 2<br />

1 Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

2 Bereich Sportmedizin, Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Georg-August-Universität<br />

Göttingen<br />

Theoretischer Hintergrund / Ziel der Studie<br />

Für ältere Menschen und insbesondere für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

bietet das Medium Wasser Gefahrenmomente, die es in der Praxis zu berücksichtigen<br />

gilt. Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der hämodynamischen Adaptationen<br />

unter Wasserexposition und bei körperlicher Arbeit (1). Wenn Wirkungen auf den<br />

menschlichen Organismus im Wasser beurteilt werden sollen, ist davon auszugehen,<br />

dass nicht allein durch die Bewegungsaktivität Anpassungseffekte hervorgerufen<br />

werden. Bereits der Aufenthalt in diesem Medium, über das so genannte Eintauchen<br />

(Immersion), verursacht physiologische Anpassungsreaktionen und therapeutische<br />

Effekte.<br />

Methode<br />

Zur Prüfung der hämodynamischen und leistungsphysiologischen Adaptation wurden 23<br />

männliche Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK) (Alter: 61 7,5 Jahre, Größe:<br />

175 5 cm, Gewicht: 80 10,4 kg, Körperoberfläche: 2,1 0,24 m 2 bei Head-Out Water<br />

Immersion (HOWI) mittels transthorakaler 2-D Echokardiographie untersucht. Im<br />

Vergleich zu den KHK-Patienten (differenziert: KHKoWBS – ohne<br />

Wandbewegungsstörungen (N = 11), KHKmWBS – mit Wandbewegungsstörungen (N =<br />

6), KHKlvH – mit linksventrikulärer Hypertrophie (N = 6)) wurden fünf ältere<br />

Freizeitsportler (Alter: 60 3,1 Jahre; Größe: 176 4,5 cm, Gewicht: 78 7,3 kg,<br />

Körperoberfläche: 2,2 0,16 m 2 ) in die Untersuchungen einbezogen. Anhand<br />

ausgewählter Parameter erfolgt eine differenzierte Bewertung des<br />

Anpassungsverhaltens.<br />

Darstellung und Diskussion der Ergebnisse<br />

Bei den Freizeitsportlern (NP) und bei den KHKmWBS sowie KHKoWBS führt der beim<br />

Eintauchen wirkende hydrostatische Druck auf die peripheren Kapazitätsgefäße und das<br />

Abdomen zu einem deutlichen Anstieg des venösen Rückflusses, gekennzeichnet durch<br />

den Anstieg des enddiastolischen Volumens (EDV). Druckregulatorisch fällt die<br />

Herzfrequenz (Hf) bei den NP und bei den KHKoWBS. Die Förderleistung des Herzens<br />

nimmt sowohl bei den NP und KHKoWBS durch den gleichsinnigen Anstieg des<br />

Schlagvolumens (SV) zu. Im Gegensatz dazu ist das EDV bei den Patienten mit KHKlvH<br />

nicht erhöht und die Hf steigt (Abb. 1). Der bei HOWI im Allgemeinen beschriebene<br />

Anstieg des SV in Verbindung mit einer Zunahme der Förderleistung des Herzens konnte<br />

685


P111<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

nicht durchgängig beobachtet werden. Vor allem der durch Zunahme des systolischen,<br />

arteriellen Drucks und der damit verbundene druckreflektorische Abfall der Hf, auch als<br />

Tauchreflex bekannt (2), war bei dem KHKmWBS und KHKlvH nicht feststellbar. Sowohl<br />

der KHKoWBS als auch der NP steigern das HZV durch eine Zunahme des SV.<br />

Vergleichbar bei beiden Probanden sinkt die Hf. Bei dem KHKmWBS konnte das HZV<br />

durch Zunahme des SV und durch einen leichten Anstieg der Hf in ausreichendem Maße<br />

gesteigert werden. Im Gegensatz dazu ist das EDV bei dem KHKlvH trotz des beim<br />

Eintauchen wirkenden hydrostatischen Drucks auf die Kapazitätsgefäße nicht erhöht.<br />

Das SV sinkt und die Hf steigt an. Das HZV kann den Anforderungen entsprechend nicht<br />

gesteigert werden. Im Vergleich einer NP mit jeweils einem Patienten mit<br />

unterschiedlicher kardialer Grunderkrankung kann festgestellt werden: (1) Ein Anstieg<br />

der Hf bei HOWI ist nicht grundsätzlich mit einer Gefahrensituation verbunden. Die zur<br />

Steuerung der Belastungsintensität im Wasser existierende Forderung nach einer um<br />

10/min gesenkten Trainingsherzfrequenz - nach einer Belastungsuntersuchung an Land<br />

- muss nicht in jedem Falle zwingend sein. (2) Wenn bei HOWI ein abnehmendes SV mit<br />

einer gleichzeitigen Zunahme der Hf gekennzeichnet werden kann, ist vor aktiver<br />

Nutzung des Mediums Wasser eine weiterführende kardiologische Diagnostik<br />

einzufordern.<br />

Schlussfolgerungen / Praxishinweise<br />

HOWI kann für einzelne KHK-Patienten gefährdende Beanspruchungssituationen<br />

hervorrufen. Ältere, gesunde Freizeitsportler zeigen das bekannte Anpassungsverhalten<br />

im Wasser. Empfehlungen für die Praxis (Intensitätssteuerung) sollten differenziert<br />

erfolgen. Für Menschen ohne kardiale Einschränkungen kann das Medium Wasser<br />

grundsätzlich empfohlen werden. Im Rahmen der Rehabilitation von Herz-Kreislauf<br />

Patienten (sekundäre und tertiäre Prävention) stellt das Eintauchen in das Wasser eine<br />

zu beachtende Belastung dar, die im Einzelfall als höhere Beanspruchung gewertet<br />

werden muss. Eine Wassergewöhnung, z. B. in Orientierung an den gymnastischen<br />

Übungen nach Hille et al. (3), sollte vor dem Schwimmen immer durchgeführt werden.<br />

Das bereits von Gauer 1955 (4) postulierte „Immersionstraining“ sollte in Erweiterung<br />

vorliegender Befunde (5), bei therapeutischen Interventionen berücksichtigt werden<br />

(Teiltauchgänge, stufenweise Immersion).<br />

Literatur<br />

1. Meyer K, Bücking J: Exercise in Heart Failure: Should Aqua Therapy and Swimming<br />

be allowed? Medicine Science in Sport & Exercise 2004; 36 (12): 2017-23.<br />

2. Arborelius M, Balldin UI, Lilja B, Lundgren CEG: Hemodynamic changes in man during<br />

immersion with the head above water. Aerospace Medicine 1972; 43 (7): 592-98.<br />

3. Hille H, Goerke J, Kienle H, Höpfer O: Vergleichende Untersuchungen über die<br />

kardiale Belastung gymnastischer Übungen im warmen Bewegungsbad und auf dem<br />

Fahrradergometer. Zeitschrift für Physikalische Medizin 1981; 6: 370-376.<br />

686


P111<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

4. Gauer OH: Die hydrostatische Wirkung von Bädern auf den Kreislauf. Deutsches<br />

Medizinisches Journal 1955; 6 (13-14): 462-66.<br />

5. Schega L, Claus G, Almeling M, Niklas A, Daly DJ.: Hemodynamic response during<br />

water immersion in patients with Coronary Artery Disease. J Cardiopul Rehabil Prev<br />

2007; 27 (2): 76-80.<br />

687


P112<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Kardiale Aktivität bei unterschiedlicher muskulärer<br />

Beanspruchung<br />

Matthias Weippert 1 , Steffi Kreuzfeld 1 , Dagmar Arndt 2 , Mohit Kumar 2 , Markus Preuss 1 , Sebastian<br />

Neubert 1 , Regina Stoll 1<br />

1<br />

Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />

² Center for Life Science Automation (Celisca), Rostock<br />

Ziel: Die kardiovaskulären und respiratorischen Umstellungen bei Muskelbelastungen<br />

sind gut bekannt und umfassen Anstiege des arteriellen Blutdrucks, der Herzrate (HR)<br />

und des Atemminutenvolumens. Zum einen werden zentral generierte („central<br />

command“) als auch mechano- und metaboreflektorisch kontrollierte Mechanismen<br />

(„exercise pressor reflex“) als Modulatoren dieser kurzfristigen Anpassung angesehen.<br />

Deren genauer Beitrag und ihre Funktionsweise werden diskutiert. Ziel der Untersuchung<br />

war es, festzustellen, ob mit Hilfe der Analyse der Herzratenvariabilität (HRV) qualitative<br />

Anpassungen der autonomen Steuerung bei unterschiedlichen Muskelbelastungen<br />

nachweisbar sind und ob es Zusammenhänge zwischen der muskulären<br />

Beanspruchung, ermittelt durch Bestimmung der Blutlaktatkonzentration, und<br />

Parametern der autonomen kardialen Aktivität gibt.<br />

Methode: Es wurden 21 gesunde Männer (Alter: 24,9 ± 2,2 Jahre, Größe: 184,6 ± 7,0<br />

cm, Gewicht: 77,3 ± 7,0 kg) in liegender Ruhe (R), bei allgemeiner dynamischer<br />

Muskelbelastung (D) sowie bei lokaler statischer Muskelbelastung der oberen<br />

Extremitäten (SO) und der unteren Extremitäten (SU) untersucht. Die Dauer und<br />

Häufigkeit der statischen Belastungen betrug jeweils drei Mal vier Minuten. Als Marker<br />

muskulärer Beanspruchung wurde die Blutlaktatkonzentration in Ruhe und nach jeder<br />

statischen Belastung aus dem hyperämisierten Ohrläppchen bestimmt. Die Aufzeichnung<br />

der schlaggenauen Herzrate erfolgte permanent mit dem Herzfrequenzmonitor S810i<br />

(Fa. Polar, Finnland). Die Analyse von HR und HRV erfolgte für die letzten drei Minuten<br />

jeder Belastung. Als HRV-Parameter wurden die Parameter HF/TP (widerspiegelt den<br />

parasympathischen Anteil an der autonomen Herzratenregulation) und LF/TP<br />

(widerspiegelt den sympathischen Anteil) bestimmt.<br />

Ergebnisse: Im Vergleich zur Ruhebedingung unterschieden sich Blutlaktatwerte,<br />

Herzrate und HRV-Parameter signifikant sich für alle Muskelbelastungen. Auch zwischen<br />

den einzelnen Belastungen zeigten sich hoch signifikante Unterschiede. Bei D und SU<br />

zeigten sich die höchsten, während R und SO die niedrigsten HSF-Werte.<br />

Demgegenüber indizierten hohen die LF/TP- Werte während SO eine hoch signifikant<br />

stärkere sympathische Modulation der Herzrate, verglichen mit allen anderen<br />

Bedingungen. Neben R zeigten sich die höchsten Werte für den Marker der anteiligen<br />

688


P112<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

parasympathisch gesteuerten Herzratenvariation HF/TP bei D. Gegenüber SU war dieser<br />

Unterschied jedoch nicht signifikant. Nur bei SU ergaben sich Korrelationen zwischen der<br />

Blutlaktatkonzentration und kardiovaskulären Beanspruchungsparametern, mit dem<br />

höchsten Koeffizienten für den Parameter HF/TP (r=0,584; p


P112<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

0.45<br />

0.4<br />

0.35<br />

0.3<br />

HF/TP<br />

0.25<br />

0.2<br />

0.15<br />

0.1<br />

0.05<br />

Median<br />

Count<br />

0<br />

(1) Ruhe (2) allgemein dynamisch (3) lokal statisch u.E. (4) lokal statisch o.E.<br />

0.25 0.09 0.09 0.08<br />

21 21 21 21<br />

Belastung<br />

Abbildung 6: Anteil der parasympathischen Aktivierung bei unterschiedlicher muskulärer<br />

Belastung.<br />

690


P113<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Ein optometrisches Messverfahren zur Bestimmung der<br />

Bereiche des Scharfsehens beim Tragen von Bildschirmarbeitsplatzbrillen<br />

Wolfgang Jaschinski 1 und Claudia Haensel 2<br />

1<br />

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, IfADo Dortmund<br />

2<br />

Studiengang Augenoptik, Fachbereich SciTec, Fachhochschule Jena<br />

Einleitung: Wegen der nachlassenden Akkommodationsfähigkeit mit zunehmendem<br />

Alter wird das Scharfsehen in der Nähe und auch am Bildschirmarbeitsplatz erschwert.<br />

Als Abhilfe kann man Bildschirmarbeitsplatzbrillen verwenden, wobei den Benutzern oft<br />

nicht unmittelbar klar ist, in welchen Bereichen am Arbeitsplatz ein scharfes Sehen<br />

möglich ist. Bei ungünstiger Positionierung des Bildschirms relativ zum Auge versuchen<br />

viele Benutzer, durch Zwangshaltungen des Kopfes den Bildschirm scharf zu sehen, was<br />

zu muskulären Anspannungen und langfristig zu Nacken- und Rückenschmerzen führt.<br />

Wie entwickeln praxisgerechte Sehtestmethoden, um den Bildschirm im vertikalen<br />

Schärfenbereich der jeweiligen Brille zu positionieren und dabei eine bequeme<br />

Kopfhaltung einzunehmen.<br />

Methode: Es wurden zwei Methoden entwickelt, um in vertikaler Blickrichtung die Nahund<br />

Fernpunktkurven des Scharfsehens zu bestimmen, d. h. die kleinsten bzw. größten<br />

Sehabstände, bei denen gerade noch scharf gesehen werden kann.<br />

a) Nahpunktkurven-Tafel: Am Arbeitsplatz wurde in Blickrichtung des Probanden in<br />

vertikaler Sagitalebene eine Testtafel aufgestellt, die als Koordinatensystem zum<br />

Auftragen der Nahpunkte diente. Der Experimentator bewegte in mehreren horizontalen<br />

Ebenen ein Sehzeichen aus der Nähe in die Ferne; der Proband gab an, wo das<br />

Sehzeichen scharf erschien. Bei manchen Brillen ist auch die Erfassung des<br />

Fernpunktes im Messbereich von 30 – 100 cm möglich.<br />

b) Das Neigungsoptometer: Zur Bestimmung der Nah- und Fernpunkte wurde ein<br />

Optometer auf der Basis eines Binoptometers (nach Reiner, OCULUS) entwickelt. Es<br />

ermöglicht bei individuell angenehmer Kopfhaltung Messungen bei verschiedenen<br />

Augenneigungen zwischen horizontal und 50 Grad abwärts, sowie Einstellungen der<br />

Sehentfernung von 30 cm bis unendlich.<br />

Ergebnisse: Aus der Stichprobe von 10 Personen zeigt die Abbildung für einen<br />

Probanden mit einer Bildschirm-Gleitsichtbrille die Messdaten der Nah- und Fernpunkte<br />

als Funktion der Blickneigung, und zwar als Sehabstände relativ zur Augenposition im<br />

Koordinatenursprung. Im Bereich zwischen der Nahpunkt- und der Fernpunktkurve ist<br />

scharfes Sehen möglich; hier kann der Bildschirm positioniert werden.<br />

691


P113<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

vert. Abstand (cm)<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

-50<br />

-60<br />

horizontaler Abstand (cm) vom Auge<br />

0 20 40 60 80 100 120<br />

Nahpunkte 1 Optometer<br />

Fernpunkte 1 Optometer<br />

Nahpunkte 2 Optometer<br />

Fernpunkte 2 Optometer<br />

Nahpunkte 1 Testtafel<br />

Augenruheneigung<br />

Nahpunkte 2 Testtafel<br />

Für eine Bildschirm-Gleitsichtbrille sind die Kurven der Nah- und Fernpunkte dargestellt als<br />

Sehabstände (cm) in einem Koordinatensystem mit dem Auge als Ursprung. Es sind zwei<br />

wiederholte Messungen des Neigungsoptometers und der Nahpunktkurven-Tafel (Testtafel)<br />

gezeigt. Zwischen der Nahpunkt- und der Fernpunktkurve ist ein Monitor im Bereich des scharfen<br />

Sehens eingezeichnet.<br />

Die vom Auge ausgehende schräge Linie stellt die Ruheblickneigung dar, so wie sie mit<br />

einem neu entwickelten Schnelltest-Verfahren für diese Person bestimmt wurde. Daraus<br />

lässt sich folgern, dass die Monitormitte etwas unterhalb der Ruheblickneigung innerhalb<br />

des Schärfenbereiches liegen sollte, wie es durch den Balken angedeutet ist. Bei<br />

horizontalem Blick ist scharfes Sehen zwischen Sehabständen von 0,8 und 1,4 m<br />

möglich, d. h. beim Blick in die Ferne besteht unscharfes Sehen, wie es für eine<br />

Bildschirm-Gleitsichtbrille typisch ist.<br />

Schlussfolgerungen: Es stehen heute verschiedene Varianten von Brillen für den<br />

Bildschirmarbeitsplatz zur Verfügung, darunter auch Gleitsichtbrillen, deren optische<br />

Eigenschaften an die Arbeitsaufgaben und die individuellen Seheigenschaften angepasst<br />

werden können. Die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Methoden sind geeignet, für<br />

die jeweilige Brille die individuellen vertikalen Schärfenbereiche am Arbeitsplatz bei<br />

bequemer Kopfhaltung zu bestimmen. Für jeden Probanden und jede Brille existieren<br />

unterschiedliche Kurvenverläufe; entsprechend kann die Bildschirmposition individuell<br />

relativ zum Auge gewählt werden. Dazu sind flexibel aufstellbare Flachbildschirme<br />

vorteilhaft. Niedrig aufgestellte Flachbildschirme erlauben es, auch<br />

Universalgleitsichtbrillen am Bildschirm zu nutzen, die auch scharfes Sehen in der Ferne,<br />

692


P113<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

d. h. beim Autofahren, erlauben (Jaschinski, W.: Zbl. Arbeitsmed. 58: 172-180, 2008);<br />

siehe auch www.ifado.de/vision.<br />

693


P114<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen Patienten<br />

Claudia Gutsch, Volker Kielstein, Irina Böckelmann<br />

Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

Ziel der Studie<br />

Internationale ophthalmologische Studien haben gezeigt, dass langjährige Exposition mit<br />

Alkohol visuelle Störungen im Bereich der Retina hervorrufen kann. Eine hohe<br />

Sensitivität zur frühzeitigen Erkennung retinaler Veränderungen zeigt die Bestimmung<br />

der Kontrastempfindlichkeit. Ziel unserer Studie ist, die Veränderung der<br />

Kontrastempfindlichkeit nach jahrelangem Alkoholkonsum zu erfassen.<br />

Methoden<br />

In Zusammenarbeit mit der Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH in Magdeburg erfolgten<br />

Untersuchungen des Farbsehens und der Kontrastempfindlichkeit bei alkoholabhängigen<br />

Patienten in der Entgiftungsphase, nach 4 Wochen und einem halben Jahr Abstinenz.<br />

Ingesamt nahmen 42 Probanden im Alter von 20 bis 62 Jahren an der Studie freiwillig<br />

teil, darunter 35 alkoholabhängige (A) Patienten (Männer 26, Frauen 9) und 7<br />

Kontrollpersonen (K) (Männer 1, Frauen 6). Ausschlusskriterien waren Visuswerte kleiner<br />

0,67, Augenerkrankungen, wie Glaukom und Katarakt, jahrelange Lösemittelexposition,<br />

medikamentöse Confounder wie Digitalis, die evidenzbasiert das Sehvermögen<br />

beeinträchtigen können.<br />

Unter standardisierten Bedingungen wurde die Kontrastempfindlichkeit (KE) mittels<br />

Vistech-Tafel (Vistech Consultans , Inc., Dayton, USA) untersucht. Die Messwerte<br />

wurden monokular im Abstand von 3 m und bei einer Beleuchtungsstärke von 100 cd/m2<br />

erhoben.<br />

Die Kontrastempfindlichkeit (KE = 1/KS) wird als Reziprokwert des Schwellenkontrastes<br />

KS definiert [1]. Der Schwellenkontrast beträgt KS = (L 1 -L 2 )/( L 1 + L 2 ), wobei L1 die<br />

Leuchtdichte des Objektes und L2 die der Umgebung sind. Ortsfrequenz (OF) = Anzahl<br />

der Hell-Dunkel-Perioden pro Winkelgrad [cpd].<br />

Ergebnisse<br />

Nach subjektiven Angaben der Patienten betrug die durchschnittliche Dauer der<br />

Alkoholabhängigkeit 14,8 ± 11,6 Jahren. Der durchschnittliche Alkoholkonsum der letzten<br />

12 Monate lag bei der K-Gruppe bei 34,0 ± 48,1 g Alkohol/Woche und bei der A-Gruppe<br />

887,9 ± 677,9 g Alkohol/Woche (p < 0,001). Der Alkoholkonsum der letzten 4 Wochen<br />

unterscheidet sich signifikant (p < 0,001) in beiden untersuchten Gruppen(K: 34,0 g<br />

Alkohol/Woche vs. A: 748,2 g Alkohol/Woche). Im Vergleich der beiden Gruppen<br />

(Alkoholabhängige (A) vs. Kontrollgruppe (K)) zeigten die Ergebnisse der Oneway<br />

694


P114<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

ANOVA Analyse, dass die Kontrastempfindlichkeit der Patienten bei den höheren<br />

Ortsfrequenzen (18 cpd) signifikant (p = 0,004) bzw. tendenziell (p = 0,079) reduziert war<br />

(siehe Abb.)<br />

Rechtes Auge<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

A<br />

40<br />

**<br />

K<br />

20<br />

0<br />

1,5 3 6 12 18<br />

Ortsfrequenz [cpd]<br />

Abb. 1: Logarithmische Darstellung der KE mit Signifikanzniveaus für das rechte Auge<br />

Da das Alter der Kontrollpersonen (35,4 ± 11,7 Jahre) und die Geschlechterverteilung<br />

signifikant unterschiedlich zu der Gruppe Alkoholabhängiger (43,4 ± 10,7Jahre) ist, sollte<br />

eine alters- und geschlechtergematchte Analyse der Daten diskutiert werden. Die<br />

Ergebnisse des Chi-Quadrat nach Pearson zeigten, dass die Mehrzahl der<br />

Kontrollpersonen (71,4 % für das linke Auge) eine im Normbereich liegende<br />

Kontrastempfindlichkeit haben. 32,4 % der Alkoholabhängigen Patienten haben eine<br />

reduzierte Kontrastempfindlichkeit für das linke Auge. 17,6 % der Probandengruppe A<br />

haben einen KE-Wert, der an dem unteren Normgrenzwert der KE-Kurve für das linke<br />

Auge liegt.<br />

Schlussfolgerung<br />

Alkoholtoxische Wirkungen auf kognitive Funktionen, Herz-Kreislauf (z. B.<br />

Kardiomyopathie, Hypertonie) und Leber (z. B. Leberzirrhose) werden häufiger<br />

gegenüber Veränderungen oder Beeinträchtigungen im visuellen System thematisiert. Im<br />

arbeitsmedizinischen Kontext ist die Früherkennung einer toxischen retinalen<br />

Schädigung durch Alkohol wichtig, da diese mittels therapeutischer Interventionen<br />

verzögert werden kann.<br />

Die verringerte Kontrastempfindlichkeit hat Auswirkungen im allen Bereichen des<br />

alltäglichen Leben, insbesondere am Arbeitsplatz, z. B. bei Berufskraftfahrern. Bei BK-<br />

Verfahren, wo eine reduzierte KE vorliegt, sollte evtl. Alkohol als möglicher Konfounder<br />

berücksichtigt werden. Die KE-Prüfung ist eine zeitsparende und sensitive<br />

Messmethode, die Bestandteil der regelmäßigen arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorgeuntersuchung werden sollte.<br />

Literatur: 1. Paliaga GP (1993) Die Bestimmung der Sehschärfe. Verlag München Quintessenz<br />

695


P115<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Untersuchungen zur Farb- und Kontrastwahrnehmung bei<br />

bestimmten Arbeitnehmergruppen mit chronischen<br />

Erkrankungen<br />

Saskia Lüthke 1 , Anja Schlossmacher 1 , Siegfried Kropf 2 , Irina Böckelmann 1<br />

1<br />

Bereich Arbeitsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

2<br />

Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />

Ziel der Studie<br />

Mehrere Studien haben gezeigt, dass Erkrankungen, die mit einer verminderten retinalen<br />

Blutversorgung assoziiert sind, sich negativ auf die visuelle Wahrnehmung auswirken.<br />

Dazu zählen unter anderem Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie.<br />

Der bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen bestimmte Visus allein ist nicht in der<br />

Lage, alle Informationen über das Sehen zu erfassen. Es empfiehlt sich, zusätzlich die<br />

Farb- und Kontrastwahrnehmung zu untersuchen. Ziel dieser Studie war es, zu ermitteln,<br />

ob diese Untersuchungen dazu beitragen, visuelle Beeinträchtigungen bei<br />

Arbeitnehmern mit Diabetes mellitus und/oder arterieller Hypertonie bereits im<br />

Anfangsstadium zu erkennen.<br />

Methodik<br />

Insgesamt wurden in der Studie 98 Personen (19 – 65 Jahre) untersucht, die sich in vier<br />

Gruppen unterteilen: Patienten, die an Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie oder an<br />

Diabetes und Hypertonie erkrankt sind und gesunde Kontrollpersonen.<br />

Ausschlusskriterien waren Visuswerte < 0,67, Glaukom, Katarakt, starker Nikotinkonsum<br />

(> 20 Stück/d), Alkoholkonsum (> 40 g/d), Drogenkonsum, sowie medikamentöse<br />

Konfounder (z. B. Digitalis) und Lösungsmittelexposition, die alle das Sehvermögen<br />

beeinträchtigen.<br />

Unter standardisierten Bedingungen wurde mittels der Vistech-, Ishihara-, Velhagen- und<br />

Tritan-Tafeln, des D-15d-Tests, sowie des Anomaloskops IF2 die Farb- und<br />

Kontrastwahrnehmung getestet.<br />

Um den Alterseinfluss zu minimieren, wurden in den jeweiligen Patientengruppen<br />

altersgematchte Paare (Patient - Kontrollperson) gebildet.<br />

Ergebnisse<br />

Die Farbsehuntersuchungen mit den pseudoisochromatischen Tafeln (Ishihara-,<br />

Velhagen- und Tritan-Tafeln) wurden durchgeführt, um die Patienten mit angeborenen<br />

Farbsehstörungen von der Auswertung auszuschließen.<br />

Bei dem Lanthony-Desaturated-Panel-D-15d-Test zeigten sich in keiner Gruppe<br />

signifikante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe.<br />

Es folgen nun die Werte der Anomaloskop-Untersuchung:<br />

696


P115<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

In der Gruppe, bei der die Patienten sowohl an Diabetes, als auch an arterieller<br />

Hypertonie erkrankt waren, ergab sich bei Anwendung der Raleigh-Gleichung, dass der<br />

minimale Wert der Einstellbreite tendenziell kleiner war als bei den Kontrollpersonen (p =<br />

0,063). Die Dauer des Diabetes korrelierte sowohl bei Anwendung der Raleigh- als auch<br />

bei der Moreland-Gleichung mit mehreren Anomaloskop-Parametern. Die Dauer der<br />

arteriellen Hypertonie korrelierte signifikant hingegen nur mit Parametern der Moreland-<br />

Gleichung.<br />

In der Gruppe der Diabetiker fanden sich bei Anwendung der Moreland-Gleichung<br />

signifikant geringere Werte in Bezug auf die maximale Helligkeitseinstellung (p = 0,017).<br />

Weiterhin zeigten sich tendenzielle Unterschiede beim maximalen Anomalquotienten (p =<br />

0,056) und bei Anwendung der Raleigh-Gleichung beim minimalen Anomalquotienten (p<br />

= 0,058). Bei beiden Gleichungen war der Anomalquotient bei den Patienten kleiner als<br />

bei den Kontrollpersonen. Die Dauer der Erkrankung korrelierte mit einigen Parametern<br />

der Raleigh-Gleichung und mit allen untersuchten Parametern der Moreland-Gleichung.<br />

Bei der Gruppe der Hypertoniker zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im<br />

Vergleich zur Kontrollgruppe.<br />

Die Werte der Kontrastwahrnehmung, die mittels der Vistech-Tafel ermittelt wurden, sind<br />

der Tabelle zu entnehmen. Die Ergebnisse sind als arithmetische Mittelwerte und<br />

Standardabweichungen dargestellt.<br />

Tabelle: Kontrastempfindlichkeitswerte in Abhängigkeit von der Ortsfrequenz<br />

Gruppe<br />

Ortsfrequenz (Hell-Dunkel-Perioden/Winkelgrad)<br />

1,5 (A) 3 (B) 6 (C) 12 (D) 18 (E)<br />

Hypertonie 39,2 ± 14,44 99,0 ± 45,39 101,5 ± 47,10 53,5 ± 35,52 20,1 ± 12,79<br />

Kontrolle 45,8 ± 25,07 123,5 ± 46,84 110,0 ± 41,35 63,6 ± 35,49 21,2 ± 13,20<br />

p-Wert 0,143 0,039 * 0,340 0,171 0,948<br />

Diabetes +<br />

Hypertonie<br />

41,6 ± 22,73 78,7 ± 28,74 66,4 ± 42,13 35,1 ± 31,28 11,4 ± 8,98<br />

Kontrolle 42,4 ± 14,66 114,3 ± 50,83 94,2 ± 42,86 59,3 ± 36,41 18,8 ± 13,31<br />

p-Wert 0,666 0,030 * 0,079 0,074 0,088<br />

Diabetes 36,8 ± 11,60 76,8 ± 29,16 76,4 ± 39,00 46,8 ± 35,21 14,4 ± 12,70<br />

Kontrolle 53,9 ± 26,90 133,5 ± 50,92 106,6 ± 50,91 60,5 ± 33,48 20,0 ± 11,97<br />

p-Wert 0,022 * 0,001 ** 0,058 0,226 0,177<br />

697


P115<br />

Poster – Arbeitsphysiologie I<br />

Schlussfolgerungen<br />

Besonders bei Patienten mit Diabetes mellitus sind Effekte auf das visuelle System<br />

ersichtlich. Daher sollte gezielt auf diese bestimmte Arbeitnehmergruppe ein Augenmerk<br />

gelegt werden. Sowohl die Farbseh-Prüfung als auch die Kontrolle der<br />

Kontrastwahrnehmung sind dabei sensitive Messmethoden. Diese sollten verstärkt<br />

Eingang in die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen finden.<br />

Diese Studie wurde gefördert durch die Lieselotte und Dr. Karl-Otto Winkler-Stiftung für<br />

Arbeitsmedizin<br />

(Projektnummer T226/17668/2008/sm)<br />

698


P116<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Formaldehyd und olfaktorische Funktion - Eine experimentelle<br />

Längsschnittstudie<br />

Isabelle Lang 1 , Ajnur Jusufoska 1 , Thomas Bruckner 2 , Gerhard Triebig 1<br />

1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg<br />

2 Medizinische Biometrie und SDGC, Universität Heidelberg<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

699


P117<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Retrospektive Studie zum Hörvermögen in einem Metallbetrieb<br />

im Hinblick auf die Einführung der neuen Lärmverordnung<br />

Birgit Emmert 1 , Ernst Hallier 2<br />

1<br />

AfB Betriebsarztzentrum Göttingen<br />

2 Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Im Rahmen der regelmäßigen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen („G20“) in<br />

einem Metallverarbeitenden Betrieb waren aktuell deutlich schlechtere<br />

Audiogrammbefunde bei Mitarbeitern aufgefallen, die nach der UVV „Lärm“ in einem<br />

noch nicht als Lärmbereich ausgewiesenen Bereich (RP) arbeiten. Nach der neuen<br />

Lärmverordnung besteht dort jedoch Gehörschutztragepflicht. Im Vergleich fielen<br />

bessere Befunde bei den Mitarbeitern auf, die in einem bereits seit Jahren<br />

ausgewiesenen Lärmbereich (IP) arbeiten und konsequent (Einmal)Gehörschutz tragen.<br />

Dieser Verdacht sollte in der vorliegenden retrospektiven anonymen Studie geprüft<br />

werden.<br />

Einleitung<br />

Die Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“ (BK-Nr. 2301) gehört mit 5.036 anerkannten<br />

Fällen bei insgesamt etwa 8600 gemeldeten Fällen in Deutschland im Jahr 2007 immer<br />

noch zu den führenden Berufskrankheiten [1]. Bisher basierte die gesetzliche Regelung<br />

für die Unternehmen auf der Unfallverhütungsvorschrift Lärm (UVV „Lärm“, BGV B3), die<br />

seit 1974 in der betrieblichen Praxis zur Prävention lärmbedingter Gehörschäden<br />

angewandt wurde. Im März 2007 wurde sie durch die „Verordnung zum Schutz der<br />

Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen“ (LärmVibrationsArbSchV)<br />

abgelöst mit der Einführung neuer Leitgrößen wie z.B. der Absenkung der unteren<br />

Auslöseschwelle um 5dB(A) auf 80dB(A) [2].<br />

Methoden<br />

Folgende Einschlusskriterien für die Studie wurden bei den ca. 400<br />

Produktionsmitarbeitern aus den Bereichen Walzwerk (RP) und Industrieprodukte (IP)<br />

erhoben: (1) Vorliegen eines unauffälligen Audiogramms bds. beim Eintritt ins<br />

Unternehmen (2) Mindestens 10jährige Unternehmenszugehörigkeit (d.h. ab dem 30.<br />

Lebensjahr) einschließlich aktueller Betriebszugehörigkeit (3) Vollschichtige Tätigkeit (4)<br />

Regelmäßige, d.h. zeitlich nicht wesentlich unterbrochene, Tätigkeit im Bereich RP oder<br />

IP. In die anonymisierte retrospektive Studie konnten nach den o.a. Kriterien nur etwa<br />

50% aller Produktionsmitarbeiter, d.h. 206 Mitarbeiter (n = 206), eingeschlossen werden,<br />

randomisiert nach den Altersgruppen: a) 20-39 Jahre b) 40-59 Jahre c) ab 60 Jahre.<br />

700


P117<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Davon sind 69% (143/206) im Bereich RP und 31% (63/206) im Bereich IIP tätig bei<br />

einem Anteil von 99% Männern und 1% Frauen. Während bei den<br />

Produktionsmitarbeitern im Bereich IP nach der UVV „Lärm“ eine langjährige<br />

Gehörschutztragepflicht bestand galt im Bereich RP bisher nur das Angebot zum<br />

Gehörschutz.<br />

Ergebnisse<br />

Die Bewertung der 206 Audiogrammbefunde als “auffällig” erfolgte, wenn ein oder<br />

mehrere der Kriterien für die berufsgenossenschaftliche Untersuchung G20 (“Lärm”) [3]<br />

erfüllt waren: (1) Hörverlust bei 2kHz auf mindestens einem Ohr von 40dB in der<br />

Luftleitung (LL) oder Überschreitung (2) Zunahme der Hörverlust-Summe in der<br />

Knochenleitung (KL) innerhalb der letzten 3 Jahre um > 3% (3) Summe der Hörverluste<br />

in der Luftleitung (LL) bei 2, 3 und 4 kHz auf mindestens einem Ohr entsprechend der<br />

Hörverlust-Grenzwerttabelle für Nachuntersuchungen. Die folgende Graphik zeigt die<br />

auffälligen Audiogrammbefunde in %:<br />

RP<br />

IP<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10 %<br />

0%<br />

20 - 39 Jahre 40 - 59 Jahre über 60 Jahre<br />

Im Bereich RP sind bereits in der Altersgruppe 20-39 Jahre 10% (7/70) der<br />

Audiogrammbefunde auffällig vs. 5% (1/20) im Bereich IP. In der Altersgruppe der 40-59<br />

Jährigen weisen im Bereich RP 28% (19/69) Audiogrammbefunde auffällig vs. 16%<br />

(7/43) im Bereich IP auf. In der höchsten Altersgruppe (> 60 Jahre) finden sich im<br />

Bereich RP 75% (3/4) auffällige Audiogramme; allerdings gibt es keinen Vergleichswert<br />

für IP, da dort keine Mitarbeiter in dieser Altersgruppe arbeiten.<br />

Diskussion und Fazit<br />

In den Altersgruppen 20-39 und 40-59 Jahre finden sich im Vergleich zu IP prozentual<br />

fast doppelt so viele auffällige Audiogrammbefunde im Bereich RP, in dem bisher nach<br />

der langjährig gültigen UVV „Lärm“ keine Gehörschutztragepflicht bestand. Die<br />

Ergebnisse der anonymisierten retrospektiven Studie unterstreichen die Notwendigkeit<br />

der Einführung der neuen Lärmverordnung für die Prävention der Lärmschwerhörigkeit<br />

701


P117<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

(BK-Nr. 2301) und dienten als Grundlage für die Mitarbeiter-Lärmschulungen sowie die<br />

Einführung eines individuell angepassten Gehörschutzes im Unternehmen.<br />

Literatur<br />

[1] Quelle HVBG: Statistische Angaben zum BK-Geschehen und zur BK Lärm, Stand<br />

2007.<br />

[2] “Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung” (LärmVibrationsArbSchV) vom<br />

09.März 2007.<br />

[3] HVBG, Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische<br />

Vorsorgeuntersuchungen-G20 Lärm; Gentner Verlag, Stuttgart 2007, 4. Auflage, 291-<br />

307.<br />

702


P118<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Entwicklung der Reinton-Hörschwelle bei Schulkindern<br />

Reinhard Müller, Gerald Fleischer und Joachim Schneider<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort<br />

Gießen<br />

Einleitung und Fragestellung<br />

Die ganz überwiegende Mehrzahl der Publikationen über die Hörfähigkeit von<br />

Schulkindern beschäftigt sich mit Erkrankungen des Gehöres. Das normale<br />

Hörvermögen von Kindern hingegen ist selten Gegenstand von Untersuchungen. Dies<br />

findet auch seinen Niederschlag in der ISO 7029 [2], in welcher die normale Hörfähigkeit<br />

für 18jährige Personen definiert ist und die übliche Alterung des Gehöres per Formeln<br />

errechnet werden kann. Jüngere Personen werden in dieser arbeitsmedizinisch<br />

relevanten Norm nicht berücksichtigt, obwohl die Berufsanfänger und Auszubildenden<br />

häufig jünger als 18 Jahre sind.<br />

Kollektiv und Methoden<br />

Alle Schüler einer typischen deutschen Grundschule wurden ihres Gehöres untersucht.<br />

Mit einem angepassten Fragebogen wurden relevante Daten rund um das Gehör erfragt.<br />

Eine Ohrinspektion mit einem Video-Otoskop von Neomed und eine Impedanzmessung<br />

mit einem Tympanometer GSI 38 von Grason Stadler schlossen sich an die Befragung<br />

an. Mit 2 Audiometern Typ MA 53 von Maico wurde eine sogenannte Voraudiometrie als<br />

Lernphase vor der eigentlichen Audiometrie dazwischengeschoben. Die Audiometrie<br />

erfolgte mit 3 Audiometern Typ CA 540 von Hortmann. Alle Audiometer waren mit<br />

Kopfhörern Typ HDA 200 von Sennheisser ausgerüstet und mach ISO 389 kalibriert<br />

[3,4]. Die Nachtests wurden mit 3 Audiometern Typ MA 53 durchgeführt.<br />

Ergebnisse<br />

Eine Feldstudie an einer deutschen Grundschule mit 200 otologisch normalen Schülern<br />

zeigte über einen Frequenzbereich von 125 – 16.000 Hz eine deutlich schlechtere Hörschwelle<br />

bei Kindern als bei jungen Erwachsenen. Eine Einteilung der Untersuchten in<br />

zwei Altersgruppen 6J. – 8J. (94 Schüler Ø 7,4 J.) und 9J. – 12J. (106 Schüler Ø 10,3 J.)<br />

zeigt ein signifikant besseres Hörvermögen der älteren gegenüber der jüngeren Gruppe.<br />

Die arithmetisch über alle 17 Messfrequenzen gemittelte Verbesserung beträgt auf dem<br />

linken Ohr 3,7 dB HL und auf dem rechten Ohr 3,8 dB HL.<br />

Drei Jahre später wurde der abgehende Jahrgang (4. Klasse) derselben Grundschule<br />

erneut untersucht.<br />

703


P118<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Vergleicht man die ermittelten Hörschwellen im zeitlichen Verlauf, findet man für das<br />

linke Ohr eine durchschnittliche Verbesserung der Hörschwellen von 3,7 dB für das<br />

rechte und von 5,1 dB für das linke Ohr (siehe Abb. 1). In einem Zeitraum von 3 Jahren<br />

verbessert sich die Hörfähigkeit von Kindern signifikant.<br />

Diskussion und Schlussfolgerung<br />

Sowohl Querschnitts- als auch Längsschnitt-Untersuchung zum Hörvermögen von<br />

Schulkindern zeigen eine deutliche Entwicklung der Hörfähigkeit im Altersverlauf. Gründe<br />

dafür liegen zum einen im Wachstum der Mittelohr-Volumina mit den Mastoidzellen, die<br />

zu einer allmählichen Verschiebung der Übertragungsfunktion des Mittelohres zu tieferen<br />

Frequenzen hin führen [1,5]. Reifungsprozesse des Nervensystems und die Einübung<br />

des Hörsinnes sowie der Zuwachs an persönlichen Hörerfahrungen führen zu weiteren<br />

Verbesserungen des Hörvermögens der Heranwachsenden.<br />

Bei der Beurteilung der Audiogrammen von Kinder und Jugendlichen sollte die<br />

veränderte Hörschwelle berücksichtigt werden.<br />

Literatur<br />

[1] Fleischer G. 1978. Evolutionary Principles of the Mammalian Middle Ear, Adv Anat<br />

Embryol Cell Biol, 55(5), 3-70<br />

[2] International Organisation for Standardization 1984. Acoustics –Theshold of hearing<br />

by air conduction as a function of age and sex for otologically normal persons. ISO<br />

7029. Geneva: ISO<br />

[3] International Organisation for Standardization 1999. Acoustics – Reference zero for<br />

the calibration of audiometric equipment – Part 5: Reference equivalent threshold<br />

sound pressure levels for pure tones in the frequency range 8 kHz to 16 kHz. ISO<br />

389-5. Geneva: ISO<br />

[4] International Organisation for Standardization 2000. Acoustics – Reference zero for<br />

the calibration of audiometric equipment – Part 1: Reference equivalent threshold<br />

sound pressure levels for pure tones and supra-aurals earphones. ISO 389-1.<br />

Geneva: ISO<br />

[5] Zollner M. & Zwicker E. 1993. Elektroakustik, Springer-Verlag, 3rd Ed.<br />

704


P118<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

linkes Ohr<br />

Frequenz in kHz<br />

Mittelwert in dB HL<br />

.13 .25 .5 .75 1 1.5 2 3 4 6 8 10 12.5 16<br />

-10<br />

-5<br />

Verbesserung !<br />

0<br />

5<br />

10<br />

15<br />

20<br />

1. Klasse (N=35) 4. Klasse (N=35)<br />

Abbildung 1.<br />

Vergleich der gemittelten Hörschwellen von Schulkindern in der<br />

1. Schulklasse mit denselben Kindern in der 4. Schulklasse.<br />

705


P119<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Schläfrigkeit während der Tag- und Nachtschicht nach<br />

Lärmexposition im Schlaf<br />

Anke Marks und Barbara Griefahn<br />

IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

Ziel der Studie<br />

Durch Verkehrslärm gestörter Schlaf kann die Leistung und das Befinden am folgenden<br />

Tag nachhaltig beeinflussen. In den meisten Laborstudien werden jedoch nicht die<br />

Auswirkung des Lärms über mehrere Stunden nach dem gestörten Schlaf beobachtet,<br />

sondern nur die Lärmeffekte unmittelbar nach dem Aufstehen getestet (Basner 2008,<br />

Bonnefond et al. 2008, Griefahn et al. 2006). Diese Studie untersucht die Schläfrigkeit<br />

während simulierter achtstündiger Tag- und Nachtschichten als Nachwirkungen von<br />

lärmbedingten Schlafstörungen.<br />

Methoden<br />

Im Vorfeld wurde das habituelle Schlafverhalten mittels Pittsburgh Sleep Quality Index<br />

(Buysse et al. 1989) erfragt, um sicher zu stellen, dass die Probanden keine<br />

Schlafstörungen hatten. Teilnehmen durften zudem nur Personen, die keine Erfahrung<br />

mit Schichtarbeit hatten und im Audiogramm keine Hinweise auf ein vermindertes<br />

Hörvermögen zeigten.<br />

48 Probanden (23 Männer und 25 Frauen) zwischen 18 und 30 Jahren schliefen je 4<br />

Nächte (23-7 Uhr) und 4 Tage (14-22 Uhr) in zwei aufeinander folgenden Wochen im<br />

Labor, wobei die Hälfte der Probanden mit Tagschlaf und die andere Hälfte mit<br />

Nachtschlaf begannen. Nach einem Gewöhnungsschlaf in Ruhe gab es in permutierter<br />

Folge eine weitere Ruhebedingung sowie 6 Expositionsbedingungen, bei denen Straßenund<br />

Schienen-verkehrsgeräusche mit äquivalenten Pegeln zwischen 41.2 und 55.9<br />

dB(A) appliziert wurden.<br />

Eine Stunde nach dem Wecken begann jeweils eine acht Stunden dauernde<br />

Arbeitsschicht, in der stündlich Leistungstests durchgeführt und die Schläfrigkeit mittels<br />

7-stufiger Stanford Sleepiness Scale (SSS) und 9-stufiger Karolinska Sleepiness Scale<br />

(KSS) erhoben wurde.<br />

Ergebnisse<br />

Ausgewertet wurden sowohl die acht Einzelwerte jeder Stunde als auch die über die<br />

gesamte Schicht gemittelte Schläfrigkeit. In der 2x3 ANOVA (Schicht x Lärmart) wurden<br />

die Schläfrigkeitswerte aus 190 Nachtschichten und 191 Tagschichten analysiert. Bei<br />

den SSS Schläfrigkeitswerten zeigte sich in den Schichtmittelwerten ein Haupteffekt bei<br />

706


P119<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

den Lärmarten. Dieser Effekt konnte von der ersten bis zur fünften Stunde beobachtet<br />

werden, in den Stunden sechs und sieben zeigte sich noch ein signifikanter Trend. Das<br />

bedeutet, dass die Probanden die höchsten Schläfrigkeitswerte nach Schlaf unter<br />

Schienenverkehrslärm abgaben, gefolgt vom Schlaf unter Straßenverkehrslärm. Die<br />

niedrigsten Schläfrigkeitsurteile wurden nach Schlaf unter Ruhe angegeben. Besonders<br />

groß waren die Unterschiede in den Nachtschichten (Abbildung 1).<br />

Signifikante Mittelwertsunterschiede wurden auch zwischen den Tag- und<br />

Nachtschichten beobachtet. In den Nachtschichten waren die Probanden schläfriger als<br />

in den Tagschichten. Diese Unterschiede begannen ab der vierten Stunde der jeweiligen<br />

Schicht und nahmen bis zum Ende der Schicht bedeutsam zu.<br />

Bei der KSS zeigten sich vergleichbare Lärmeffekte, allerdings waren diese nur bis zur<br />

zweiten Stunde signifikant und in dritten und fünften Stunde tendenziell. Unterschiede<br />

zwischen der Tag- und Nachtschicht wurden ab Stunde fünf beobachtet.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Auf den Schlaf einwirkender Verkehrslärm führt insbesondere nach dem Tagschlaf zu<br />

einer erhöhten Müdigkeit in den ersten Stunden nach dem Aufstehen. Die Ergebnisse<br />

deuten darauf hin, dass die zirkadianen Effekte, die durch die Schichtarbeit<br />

hervorgerufen werden, durch die Einwirkung von Geräuschen während des Schlafes<br />

verstärkt werden. Zudem kommen für den Schichtarbeiter, der am Tag schlafen muss,<br />

deutlich schlechtere akustische Bedingungen hinzu (ein um 10-15 dB(A) höherer Pegel<br />

und stark informationshaltige Geräusche), welche die negative Auswirkungen des<br />

gestörten Schlafes zusätzlich intensivieren.<br />

Literatur<br />

Basner M (2008): Nocturnal aircraft noise exposure increases objectively assessed<br />

daytime sleepiness. Somnology, 12 (2): 110-118.<br />

Bonnefond A, Saremi M, Rohmer O, Hoeft A, Eschenlauer A, Eschenlauer R, Muzet A,<br />

Tassi P (2008). Effects of nocturnal railway noise on subjective ratings of sleep and<br />

subsequent cognitive performance. Somnology, 12 (2): 130-138.<br />

Buysse, D., Reynolds, C., Monk, T., Berman, S., Kupfer, D. (1989). The Pittsburgh Sleep<br />

Quality Index: A new instrument for psychiatric practice and research. Psychiatry<br />

Research, 28, 193-213.<br />

Griefahn B, Marks A, Robens S (2006): Noise emitted from road, rail and air traffic and<br />

their effects on sleep. Journal of Sound and Vibration, 205: 129-140.<br />

707


P119<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

3,2<br />

3<br />

2,8<br />

2,6<br />

2,4<br />

2,2<br />

2<br />

Ruhe Schiene Straße<br />

Tagschicht<br />

Nachtschicht<br />

Abb.1: Mittelwerte der Stanford Sleepiness Scale (SSS) über die gesamte Schicht. ANOVA (Lärm<br />

x Schicht): Haupteffekt Lärm (p=.005) und Haupteffekt Schicht (p=.001).<br />

708


P120<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher<br />

Gegebenheiten der Beschäftigten im Friseurhandwerk und der<br />

Abschätzung der fachkundigen Personen<br />

Nenad Kralj, Friedrich Hofmann<br />

Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />

Einleitung<br />

Die Belastungen, die auf die Beschäftigten im Friseurgewerbe einwirken, sind<br />

vielfältig. Bei der überwiegend im Stehen verrichteten Tätigkeit kommt es zu<br />

Belastungen des Bewegungsapparates, insbesondere der unteren Extremitäten<br />

und der Wirbelsäule; die repetitiven Bewegungen der Arme und der Hände sowie<br />

des Oberkörpers belasten Gelenke und Sehnen. Durch das Hantieren mit<br />

scharfen Scheren und Messern kommt es zu Schnittverletzungen. Insbesondere<br />

bei den Schnittverletzungen ist eine ausreichende Beleuchtung am Arbeitplatz<br />

absolut unerlässlich.<br />

Ziel der Studie<br />

Ziel der Studie war es, die subjektive Wahrnehmung der betrieblichen<br />

Gegebenheiten der Beschäftigten an den Arbeitsplätzen im Friseurhandwerk mit<br />

der subjektiven Wahrnehmung der in der Sicherheitstechnik fachkundigen<br />

Personen (Forschungspersonen = FP) zu vergleichen.<br />

Material und Methoden<br />

Die Beschäftigten (n=167) und FP (n=30) bewerteten unabhängig voneinander<br />

die Lichtverhältnisse und die Beleuchtung sowie die (natürlichen und künstlich<br />

geschaffenen) Belüftungsverhältnisse am Arbeitsplatz auf einer Skala von 1 für<br />

sehr gut bis 4 für sehr schlecht. Als Kriterium diente hier die subjektive<br />

Einschätzung der Helligkeit (einfallendes natürliches Licht, künstliche<br />

Beleuchtung) bzw. der Belüftung (natürlich durch Fenster, künstlich durch<br />

Klimaanlagen) am Arbeitsplatz.<br />

Ergebnisse<br />

Die Beschäftigten bewerteten die Lichtverhältnisse zu 89% und die<br />

Belüftungsverhältnisse zu 88% als sehr gut bis gut. Die FP schätzten Beides<br />

signifikant (76% bzw. 63%) schlechter ein. Nur etwa 50% der unabhängigen<br />

Bewertungen der Beschäftigteen und der Forschungspersonen stimmten überein.<br />

709


P120<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Die meisten Abweichungen traten auf, wenn die Friseure die jeweilige<br />

Gegebenheit mit sehr gut oder gut bewerteten (Tabelle 1).<br />

Schlussfolgerung<br />

Die betrieblichen Gegebenheiten im Friseurhandwerk werden von den<br />

Beschäftigten signifikant besser als von den in der Sicherheitstechnik<br />

fachkundigen Personen eingeschätzt. Diese Wahrnehmungsverschiebung könnte<br />

bei der Anwendung des Unternehmermodels der arbeitsmedizinischen und der<br />

sicherheitstechnischen Betreuung im Friseurhandwerk einen negativen Einfluss<br />

auf die Arbeitssicherheit haben.<br />

Beurteilung<br />

Lichtverhältnisse und<br />

die Beleuchtung<br />

natürliche<br />

Belüftungsverhältnisse<br />

künstliche<br />

Belüftungsverhältnisse<br />

sehr gut gut<br />

sehr<br />

schlecht<br />

schlecht<br />

B FP B FP B FP B FP<br />

49 26 40 50 9 22 2 2<br />

41 19 47 44 8 26 4 11<br />

35 11 45 63 9 24 11 2<br />

Tabelle 1: Unterschiede zwischen der Wahrnehmung betrieblicher Gegebenheiten der<br />

Beschäftigten im Friseurhandwerk (B) und der Abschätzung der fachkundigen Personen FP in<br />

Prozent.<br />

710


P121<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Berufsunfähigkeit bei Privatversicherungen - Ursachen und<br />

Hintergründe<br />

Stephan Becher 1 , Friedrich Hofmann 2<br />

1 Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal<br />

2 FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische<br />

Universität Wuppertal<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

711


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Berufskrankheiten in Thüringen von 1970 bis 2000<br />

Monika Kolberg, Reinhard Bartsch, Christine Salzmann, Michael Erler, Rainer Schiele<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

Zielstellung:<br />

Arbeitnehmer sind im beruflichen Alltag durch permanent oder wiederholt einwirkende<br />

chemische, physikalische oder biologische Belastungen gefährdet.<br />

Untersucht wurden die im Bundesland Thüringen bzw. in den ehemaligen Bezirken der<br />

DDR Erfurt, Gera und Suhl vom Gewerbeärztlichen Dienst erfassten<br />

Berufskrankheitenvorgänge. Berücksichtigung fanden Erkrankungen, die im Zeitraum<br />

von 1970 bis 2000 zur Anzeige kamen. Ausgehend von der Gesamtzahl der Meldungen<br />

lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Auswertung der Beurteilungen des<br />

Gewerbearztes. Des weiteren erfolgte ein Vergleich der ermittelten Ergebnisse mit in der<br />

Literatur zugänglichen Daten im Hinblick auf die Entwicklung des<br />

Berufskrankheitengeschehens im Gebiet der BRD bzw. der ehemaligen DDR, um<br />

Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten zu erfassen.<br />

Material und Methode:<br />

Das Landesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Thüringen stellte für die<br />

statistische Erhebung anonymisierte Daten zur Verfügung. Diese stammen aus dem<br />

Archiv des Gewerbeärztlichen Dienstes Thüringen und liegen als Datenbank im Format<br />

Microsoft Access2.0 vor. Enthalten sind die zum Zeitpunkt der Datenübergabe als<br />

abgeschlossen erfassten Berufskrankheitenvorgänge des heutigen Bundeslandes<br />

Thüringen bzw. der ehemaligen DDR-Bezirke Erfurt, Gera und Suhl. Hierbei handelt es<br />

sich um 46.748 Datensätze des Zeitraumes 1950 bis Februar 2001. Die Erfassung der<br />

Meldungen in der Datenbank erfolgte getrennt nach den Berufskrankheitenlisten der<br />

BRD und der DDR. Zunächst galt es einander entsprechende Berufskrankheiten<br />

zuzuordnen. Neben der Anzahl der Verdachtsmeldungen interessierte vor allem, ob nach<br />

Abschluss des Berufs-krankheitenverfahrens eine Anerkennung als Berufskrankheit<br />

erfolgte.<br />

Ergebnisse:<br />

Im untersuchten Zeitraum wurden 41.367 Verdachtsmeldungen auf das Vorliegen einer<br />

Berufskrankheit registriert. Diese verteilten sich auf sechs Hauptgruppen (Abb.1).<br />

712


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

2849 878 1060<br />

Physikalische Einwirkungen<br />

6098<br />

22334<br />

Hauterkrankungen<br />

Erkrankungen von Atemwegen,<br />

Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />

Infektionserreger und Parasiten<br />

8148<br />

Chemische Einwirkungen<br />

Sonstige<br />

Abb.1: Berufskrankheiten-Verdachtsmeldungen von 1970 bis 2000.<br />

In 21.854 Fällen konnte vom Gewerbearzt eine Anerkennung als Berufskrankheit<br />

empfohlen werden (Abb.2, Abb.4). In 12.501 Fällen lagen die Minderung der<br />

Erwerbsfähigkeit bzw. der Körperschaden bei mindestens 20 % (Abb.3).<br />

2433<br />

253 303<br />

Physikalische Einwirkungen<br />

Hauterkrankungen<br />

3207<br />

10255<br />

Erkrankungen von Atemwegen,<br />

Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />

Infektionserreger und Parasiten<br />

Chemische Einwirkungen<br />

5403<br />

Sonstige<br />

Abb.2: Anerkannte Berufskrankheiten von 1970 bis 2000.<br />

713


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

565<br />

152<br />

286<br />

Physikalische Einwirkungen<br />

2144<br />

1021<br />

8334<br />

Hauterkrankungen<br />

Erkrankungen von Atemwegen,<br />

Lungen, Rippen-, Bauchfell<br />

Infektionserreger und Parasiten<br />

Chemische Einwirkungen<br />

Sonstige<br />

Abb.3: Entschädigte Berufskrankheiten von 1970 bis 2000.<br />

Sonstiges<br />

1504<br />

Keine Berufskrankheit<br />

18009<br />

Berufskrankheit<br />

21854<br />

0 5000 10000 15000 20000 25000<br />

Anzahl der Fälle<br />

Abb.4: Gewerbeärztliche Stellungnahmen von 1970 bis 2000.<br />

Jährlich wurden durchschnittlich 1334 Verdachtsmeldungen registriert, 705 Fälle<br />

anerkannt und 403 Fälle entschädigt.<br />

Unter Betrachtung der Verdachtsmeldungen, wurden von 1980 bis 1986 in den Bezirken<br />

Erfurt, Gera und Suhl und von 1993 bis 1999 in Thüringen die meisten Fälle angezeigt.<br />

Die Anerkennungen erreichten Spitzenwerte in den Jahren von 1980 bis 1984 und die<br />

Entschädigungen von 1974 bis 1977 sowie 1980, 1981 und 1983 (Abb.5, Abb.6).<br />

714


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

1970<br />

1972<br />

1974<br />

1976<br />

1978<br />

1980<br />

1982<br />

1984<br />

1986<br />

1988<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

Anzahl der Fälle<br />

2000<br />

Jahr<br />

Verdachtsmeldungen<br />

Anerkannte Berufskrankheiten<br />

Abb.5: Von 1970 bis 2000 registrierte Berufskrankheitenmeldungen und –anerkennungen.<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

1970<br />

1972<br />

1974<br />

1976<br />

1978<br />

1980<br />

1982<br />

1984<br />

1986<br />

1988<br />

1990<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

2000<br />

Anzahl der Fälle<br />

Jahr<br />

Anerkannte Berufskrankheiten<br />

Entschädigte Berufskrankheiten<br />

Abb.6: Von 1970 bis 2000 registrierte Anerkennungen und Entschädigungen.<br />

Erkrankungen durch chemische Einwirkungen verteilten sich auf vier große Gruppen:<br />

Metalle und Metalloide, Erstickungsgase, chemische Kanzerogene sowie Lösemittel,<br />

Schädlings-bekämpfungsmittel und sonstige chemische Stoffe. Am häufigsten wurden<br />

Intoxikationen (68 Fälle) und Hepatosen (82 Fälle) als Berufskrankheit anerkannt.<br />

Meldungen von Erkrankungen durch physikalische Einwirkungen betrafen: mechanische<br />

Einwirkungen, Lärm, Strahlen sowie Druckluft. Innenohrschwerhörigkeiten (7482 Fälle)<br />

wurden am häufigsten anerkannt. Weitere Anerkennungen bedingten degenerative<br />

715


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Wirbel-säulenveränderungen (475 Fälle), Bronchialkarzinome durch ionisierende<br />

Strahlung (435 Fälle) und degenerative Veränderungen oberen Extremitäten durch Arbeit<br />

mit Druck-luftwerkzeuge (335 Fälle).<br />

Durch Infektionserreger und Parasiten verursachte Berufskrankheiten ließen sich<br />

folgenden Gruppen zuordnen: Erkrankungen durch von Mensch zu Mensch,<br />

Erkrankungen durch von Tieren auf den Menschen sowie Erkrankungen durch in den<br />

Tropen übertragene Infektionserreger und Parasiten und Wurmkrankheiten der<br />

Bergleute. Die Trichophytie (513 Fälle) aus der Gruppe der von Tieren auf den<br />

Menschen übertragenen Infektionen und Hepatitiden (538 Fälle) aus der Gruppe der von<br />

Mensch zu Mensch übertragenen Infektionen wurden am häufigsten anerkannt.<br />

Atemwegserkrankungen verteilten sich auf: durch anorganische Stäube, durch<br />

organische Stäube verursachte Berufskrankheiten sowie Atemwegsobstruktionen.<br />

Silikosen (1161 Fälle) kamen am häufigsten zur Anerkennung gefolgt von Asbestosen<br />

(469 Fälle).<br />

Unter den anerkannten Hauterkrankungen fanden sich am häufigsten Kontaktekzeme<br />

(3965 Fälle).<br />

Die Gruppe „Sonstige Ursachen“ berücksichtigte: Augenzittern der Bergleute, Fälle, die<br />

sich keiner der Ziffern in der Berufskrankheiten-Liste zuordnen ließen, Fälle nach § 3<br />

BKV sowie Fälle nach § 9 Abs.2 SGB VII. Im Sonderentscheidverfahren kamen vor allem<br />

obstruktive Atemwegserkrankungen (156 Fälle) und degenerative<br />

Wirbelsäulenveränderungen (76 Fälle) zur Anerkennung.<br />

Der Anteil der anerkannten Berufskrankheiten an den Verdachtsmeldungen betrug von<br />

1982 bis 1990 in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl 66 %. In der DDR insgesamt lag er<br />

bei 71 %. Entschädigt, d.h. mit einem Körperschaden von mindestens 20 % beurteilt,<br />

wurden in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl im gleichen Zeitraum 49 % der<br />

anerkannten Berufs-krankheiten. Eine ähnliche prozentuale Verteilung mit 50 % zeigte<br />

sich für das Gebiet der DDR. Die Differenzen bedingte eine zum Zeitpunkt der<br />

Datenübergabe noch nicht vollständig abgeschlossene Erfassung von<br />

Berufskrankheiten-Altfällen.<br />

Im Bundesland Thüringen wurden von 1991 bis 2000 26 % der Verdachtsmeldungen als<br />

Berufskrankheit anerkannt. In der BRD waren 22 % zu erheben. Setzte man die<br />

entschädigten ins Verhältnis zu den anerkannten Berufskrankheiten, zeigte sich in<br />

Thüringen ein Anteil von 42 %, im Gebiet der BRD von 35 %. Die Unterschiede erklären<br />

sich durch die in Thüringen parallel zur BKV der Bundesrepublik entschädigten Fälle<br />

nach DDR-Recht.<br />

716


P122<br />

Poster – Arbeitsphysiologie II<br />

Schlussfolgerungen:<br />

Drei Gruppen fanden sich am häufigsten unter den Verdachtsmeldungen, den<br />

anerkannten und den entschädigten Berufskrankheiten: durch physikalische<br />

Einwirkungen verursachte Erkrankungen, Hauterkrankungen sowie Erkrankungen der<br />

Atemwege, der Lungen, des Rippen- und des Bauchfells.<br />

Unter Berücksichtigung der Einzelerkrankungen erreichten Lärmschwerhörigkeiten,<br />

Erkrankungen durch mechanische Einwirkungen, Hauterkrankungen sowie<br />

Erkrankungen durch anorganische Stäube die höchsten Fallzahlen in den Kategorien der<br />

Berufskrankheiten-Anzeigen, -Anerkennungen und -Entschädigungen.<br />

717


P123<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Einsatz von Insektiziden in häuslicher Umgebung und<br />

Hodentumorrisiko<br />

Nils Schmeisser, Birte Mester, Wolfgang Ahrens<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin,<br />

Bremen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

718


P124<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Verminderte COX2-Expression in Arsen-exponierten UROtsa-<br />

Zellen korreliert mit einer Erhöhung von regulierenden<br />

microRNAs<br />

Georg Johnen 1 , Daniel G. Weber 1 , Richard Zdrenka 2 , Jens Schreiber 1 , ‚Albert W. Rettenmeier 2 ,<br />

Thomas Brüning 1 , Elke Dopp 2<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen<br />

Ziel der Studie<br />

Neben einer geogenen Kontamination von Grundwasser spielen Arsenbelastungen<br />

besonders auch bei Staubexpositionen, z.B. im Bergbau, eine Rolle. Chronische<br />

Arsenexpositionen können Haut-, Lungen-, Leber- und insbesondere auch<br />

Harnblasenkrebs induzieren. Mechanismen der Kanzerogenese, vor allem bei frühen<br />

Veränderungen, sind bisher nur teilweise bekannt und sollen daher näher beleuchtet<br />

werden. Dazu werden Marker benötigt, mit denen die molekularen Effekte bei<br />

Langzeitexpositionen verfolgt werden können. Hier bieten sich microRNAs an, die<br />

gewebs- bzw. tumorspezifisch exprimiert werden und stabiler als mRNAs sind.<br />

microRNAs sind ca. 22 Nukleotide lange, regulatorische RNA-Moleküle. Sie binden an<br />

das 3’-Ende von mRNAs und hemmen so deren Translation in die entsprechenden<br />

Proteine. Das COX2-Gen spielt eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung. Da dessen<br />

Expression durch Arsenexposition beeinflußt wird, sollte dessen Regulation durch<br />

microRNAs genauer untersucht werden.<br />

Methode<br />

Humane, SV40-transformierte Urothelzellen (UROtsa) wurden mit unterschiedlichen<br />

Konzentrationen von MMA(III) (Monomethylarsonige Säure) behandelt. Die Expression<br />

des COX2-Gens wurde mittels TaqMan RT-PCR Assays (mRNA) und Western Blot<br />

(densitometrische Quantifizierung der Proteinbanden) bestimmt. Parallel dazu wurden<br />

drei verschiedene microRNAs mit RT-PCR quantifiziert, die zuvor durch<br />

Computerberechnungen ermittelt wurden. Laut dieser Berechnungen sollten sie an den<br />

3’-Bereich der COX2-mRNA binden und deren Translation hemmen.<br />

Ergebnisse<br />

MMA(III)-Konzentrationen im mikromolaren Bereich führen zu akut-toxischen Effekten<br />

und einem Absterben vieler Zellen. Hemmende microRNAs sind signifikant (*) erhöht<br />

nachweisbar, während sich die COX2-mRNA wenig verändert (Abb. 1A). Die Expression<br />

von COX2-Protein ist hingegen deutlich reduziert (Abb. 1B). Bei einer MMA(III)-<br />

Konzentration von 50 nM schwächen sich die zelltoxischen Effekte deutlich ab. Eine<br />

719


P124<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Verlängerung der Expositionszeiten von einigen Stunden auf bis zu 8 Wochen bei 50 nM<br />

bestätigt die molekularen Veränderungen bei den microRNAs.<br />

Abbildung 1: (A) RNA- und (B) Protein-Quantifizierung von Kontrollen und exponierten UROtsa-<br />

Zellen<br />

Schlussfolgerungen<br />

microRNA-Levels in UROtsa-Zellen werden durch Arsenexposition verändert<br />

in silico vorhergesagtes microRNA-Target COX2 wurde erstmals in humanen<br />

Zellen experimentell bestätigt (Korrelation mit Hemmung der COX2-Proteinsynthese)<br />

Kurzzeit-Expositionen mit 10 µM und achtwöchige Expositionen mit 50 nM<br />

MMA(III) zeigen vergleichbare microRNA-Ergebnisse<br />

Langzeitexpositionen im Niedrigdosisbereich mit geringer akut-toxischer Wirkung<br />

erscheinen, entsprechend Literatur [1], möglich und zeigen meßbare molekulare<br />

Effekte<br />

microRNAs könnten als mögliche Marker der Harnblasen-Kanzerogenese<br />

eingesetzt werden (Langzeitziel: Früherkennungsmarker für<br />

Vorsorgeuntersuchungen)<br />

Literatur<br />

1. Bredfeldt TG, Jagadish B, Eblin KE, Mash EA, Gandolfi AJ: Monomethylarsonous<br />

acid induces transformation of human bladder cells. Toxicol Appl Pharmacol 2006;<br />

216: 69-79<br />

Danksagung<br />

Die Studie wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />

720


P125<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />

Urothelkarzinomen<br />

Klaus Golka 1 , Jürgen Zumbé 2 , Michael Zellner 3 , Wolfgang Schöps 4<br />

1 IfADo Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund,<br />

2 Klinik für Urologie, Klinikum Leverkusen,<br />

3 Urologie, Klinikum Passauer Wolf, Bad Griesbach,<br />

4 Abteilung für Urologie, Kreiskrankenhaus Mechernich<br />

Bei beruflich bedingten Harnblasenkarzinomerkrankungen besteht eine erhebliche<br />

Diskrepanz zwischen dem geschätzten Anteil von beruflich bedingten<br />

Harnblasenkarzinomen und der Anzahl der als Verdacht auf das Vorliegen einer BK<br />

1301 angezeigten Fälle (Golka et al. 2007). Doll und Peto (1981) sowie Colditz et al.<br />

(1996) schätzen, dass 5 % der Harnblasenkarzinome bei Frauen und 10% der<br />

Harnblasenkarzinome bei Männern beruflich bedingt sind. Im Jahre 2007 wurden in<br />

Deutschland 870 Anzeigen, darunter auch allein auf dem Beruf basierende Meldungen<br />

von Krankenkassen, auf das Vorliegen eines Verdachtes eines beruflich bedingten<br />

Harnblasenkarzinoms gemeldet – bei ca. 25.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Ziel des<br />

Beitrages ist es, Ärzten, die nicht speziell mit dem beruflich bedingten<br />

Harnblasenkarzinom vertraut sind, einfach verfügbare Informationen mittels einer CDgestützten<br />

Broschüre zur Verfügung zu stellen.<br />

Die CD-gestützte Broschüre für das Screening nach berufsbedingten<br />

Urothelkarzinomen<br />

Zu 35 bekannten Berufen mit erhöhtem Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko und 31<br />

bekannten Expositionen mit erhöhtem Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko wurden<br />

praxisrelevante Informationen aus der Literatur zusammengetragen und gelistet. Zudem<br />

wurde für die Praxis ein einfacher Fragebogen zum Screenen nach beruflichen Ursachen<br />

des bereits diagnostizierten Harnblasenkarzinoms entwickelt. Die Informationen zu<br />

relevanten Berufen und Expositionen sowie der Fragebogen werden zusammen mit<br />

praktischen Hinweisen zum Berufskrankheitenverfahren mittels einer CD-gestützten<br />

Broschüre (Zumbé et al. 2008) präsentiert. Sämtliche auf der CD enthaltenen<br />

Informationen können direkt auf den Rechner in Klinik oder Praxis gespeichert und von<br />

diesem ausgedruckt werden. Die Fragebögen sind praxisgerecht gestaltet.<br />

Besonders hilfreich im klinischen Alltag ist eine Liste mit Zuordnungen von bestimmten<br />

Tätigkeiten/Branchen zu Unfallversicherungsträgern. Bei den Anschriften der<br />

Gesetzlichen Unfallversicherungsträger („Berufsgenossenschaften“) bzw. Unfallkassen<br />

ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich infolge der erheblichen Reduzierung der Anzahl<br />

dieser Institutionen durch Zusammenschlüsse die Anschriften kurzfristig ändern können.<br />

721


P125<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Die CD-gestützte Broschüre wird über den Außendienst eines im Bereich der Onkologie<br />

tätigen Pharmaunternehmens vor allem an Urologen verteilt.<br />

Tab. 1: Beispiele der Inhalte der CD-gestützten Broschüre für das Screening nach<br />

Urothelkarzinomen<br />

Prozessbeschreibung<br />

Patientenbefragungsbogen für Berufe<br />

Patientenbefragungsbogen für Stoffe<br />

Ärztliche Anzeige Verdacht auf Berufskrankheit<br />

Erläuterungen zur Anzeige<br />

Literatur zur Meldepflicht<br />

Hintergrund zu Berufen / Stoffen<br />

Liste Gesetzliche Unfallversicherungsträger<br />

Liste Berufsgenossenschaften<br />

Liste Unfallkassen<br />

Liste Tätigkeit zu UV-Träger zuordnen<br />

UV-GOÄ<br />

Musterrechnung BK-Meldung<br />

Musterrechnung Nachfrage mit Bericht<br />

Musterrechnung Nachfrage nur Kopien aus Krankengeschichte<br />

Liste interessanter Links<br />

Schlussfolgerung<br />

Die direkte Berufsanamnese, erhoben von Ärzten, die Patienten mit urologischen<br />

Tumoren behandeln, wird längerfristig dazu beigetragen, die Dunkelziffer bei<br />

Harnblasenkarzinomerkrankungen mit beruflicher Exposition abzubauen.<br />

Literatur<br />

Colditz G., DeJong W., Hunter D., Trichopoulos D., Willet H.W., eds.: Harvard report on<br />

cancer prevention Vol. 1: Causes of human cancer. Cancer Causes Control (1996) 7<br />

(Suppl.) S3-S59<br />

Doll R., Peto R. The causes of cancer: Quantitative estimates of avoidable risks of<br />

cancer in the United States today. J. Natl. Cancer Inst. (1981) 66: 1191-1308<br />

Golka K., Goebell P.J., Rettenmeier A.W. Ätiologie und Prävention des<br />

Harnblasenkarzinoms. Dtsch. Ärztebl. 104 (2007) 719-723, Diskussion 1998-1999<br />

Zumbé J., Golka K., Schöps W., Zellner M. Berufsbedingte Urothelkarzinome UROTOP<br />

17, 2. überarbeitete Auflage medac 2008<br />

722


P126<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Harnblasenkrebserkennung durch den molekularen Marker<br />

Survivin<br />

Heike Bontrup 1 , Marcus Horstmann 2 , Judith Delbanco 1 , Anne Weber 1 , Dirk Taeger 1 , Georg<br />

Johnen 1 , Beate Pesch 1 , Jörg Hennenlotter 2 , Oliver Patschan 2 , Gerhard Feil 2 , Arnulf Stenzl 2 ,<br />

Thomas Brüning 1<br />

1 BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

2 Universitätsklinikum Tübingen, Eberhard Karls Universität, Klinik für Urologie<br />

Ziel der Studie<br />

Arbeitsmedizinische Untersuchungen sollten für den Patienten möglichst wenig invasiv<br />

sein und dennoch zuverlässige Ergebnisse liefern. Hier bieten sich molekulare Marker<br />

in Körperflüssigkeiten wie Urin oder Blut an. Wichtige Voraussetzung für deren Einsatz<br />

ist aber eine ausreichende Kenntnis über Ausschlusskriterien und Auswirkungen von<br />

Nebenbefunden.<br />

Ziel der Studie war die Untersuchung von Einflussgrößen für den Marker Survivin bei<br />

der Erkennung von Harnblasenkrebs sowie die Etablierung eines Cut-offs im Urin, der<br />

eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Befunden ermöglicht.<br />

Methode<br />

Survivin-Bestimmungen erfolgten an anonymisiertem und archiviertem Urinzellmaterial<br />

von 49 Probanden, die mit Verdacht auf Blasenkrebs einer transurethralen Resektion<br />

(TURB) unterzogen worden waren. Vorher war ihnen Spontanurin entnommen worden.<br />

Das Durchschnittsalter der 32 männlichen und 17 weiblichen Teilnehmer lag bei 68<br />

Jahren. Blasenkrebs wurde bei 32, keine Malignität bei 17 Probanden histopathologisch<br />

belegt. Aus den, im Urin enthaltenen Zellen, wurde RNA isoliert und der Gehalt an<br />

Survivin-mRNA wurde mittels Real-Time-PCR quantifiziert. Zur Abschätzung eines<br />

geeigneten Cut-off-Wertes wurde eine ROC-Analyse durchgeführt. Auch die Einwirkung<br />

von Begleitbefunden wie Zystitis, Hämaturie oder anderen urologischen Erkrankungen<br />

wurde geprüft.<br />

Ergebnisse<br />

Nahezu alle gemessenen Proben (98%) waren auswertbar. Anhand der ROC-Analyse<br />

wurde ein Cut-off-Wert von 10.000 mRNA-Kopien für Survivin festgelegt. Die<br />

Sensitivität betrug 53%, die Spezifität 88%.<br />

Die untersuchten Begleitbefunde zeigten im vorliegenden Kollektiv keinen<br />

nachweisbaren Effekt auf die Survivin-Ergebnisse (Abbildung 1). Geschlecht und Alter<br />

waren ebenfalls keine Einflussgrößen. Dagegen zeigte sich bei der Analyse der<br />

Tumorstadien eine große Streuungsbreite. Die Sensitivität lag zwischen 30% bei pTa<br />

723


P126<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Tumoren und 100% bei Tumoren, die histopathologisch pT1 und höher klassifiziert<br />

worden waren.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Interpretation von Survivin-Messungen wird nach unseren Ergebnissen nicht durch<br />

Begleitbefunde eingeschränkt, was für einen Einsatz in arbeitsmedizinischen<br />

Untersuchungen spricht. Gerade bei diesen Untersuchungen erfolgt nicht in jedem Fall<br />

eine labormedizinische Untersuchung auf Nebenbefunde. Außerdem ist eine<br />

Wiedervorstellung nach Therapie hier schwieriger zu handhaben. Der Marker Survivin<br />

weist eine hohe Spezifität und, bei muskelinvasiven Tumoren, eine gute Sensitivität auf.<br />

Jedoch ist letztere bei Low-grade-Tumoren deutlich reduziert. Für diese Studie ist<br />

allerdings die kleine Fallzahl einschränkend zu berücksichtigen und die Ergebnisse<br />

einer zurzeit laufenden prospektiven Früherkennungsstudie sollten abgewartet werden.<br />

724


P126<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

725


P127<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Individuelle Disposition oder subjektive Interpretation - Was<br />

erklärt den Leidensdruck bei „Elektrosensibilität“? -<br />

Gerlinde Kaul, Eva-Maria Backé, Carmen Thim<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />

Hintergrund und Fragestellung:<br />

Die zunehmende elektronische Gestaltung unserer Arbeitswelt und die Nutzung mobiler<br />

Telekommunikationsgeräte fasziniert die Einen und verunsichert die Anderen. Immer<br />

mehr Menschen äußern jedoch Beschwerden, weil sie sich den elektromagnetischen<br />

Feldern (EMF), insbesondere denen des Mobilfunks, ungeschützt ausgesetzt fühlen und<br />

darin die alleinige Ursache für ihre Gesundheitsstörungen zu sehen glauben.<br />

Auf der biologischen Ebene ließ sich bisher kein Zusammenhang zwischen der subjektiv<br />

geäußerten Empfindlichkeit gegenüber EMF und realen EMF-Expositionen objektivieren<br />

[2]. Bei den Provokationsexperimenten, die mit einem magnetischen 50-Hertz-Feld (10<br />

µT) und dem Hochfrequenzfeld eines GSM-Mobiltelefons in der BAuA [1] durchgeführt<br />

wurden, ließ sich bei den Probanden ebenfalls keine expositionsabhängige<br />

Empfindlichkeit finden.<br />

Offen blieb trotzdem die Frage, welche individuelle Bedingtheit das Phänomen<br />

"Elektrosensibilität“ beeinflussen könnte. Gibt es bei Personen, die unter einer<br />

„Elektrosensibilität“ leiden, charakteristische Merkmale im Erleben und Verhalten oder<br />

begründen Merkmale in der Disposition den Unterschied zu den nicht belasteten<br />

Personen einer Kontrollgruppe?<br />

Methodik:<br />

In doppelt verblindeten Provokationsexperimenten waren 38 Personen (18 w, 20 m), die<br />

sich gegenüber niederfrequenten Feldern oder/und Hochfrequenzfeldern des Mobilfunks<br />

beeinträchtigt fühlten, sowie 96 unbelastete Personen getestet und hinsichtlich<br />

individueller Merkmale verglichen worden. Mit Verfahren zur Selbstbeurteilung, Tests zur<br />

Differenzierung der Wahrnehmungsleistung und mit der Bestimmung des Cotisolspiegels<br />

über einen Tag mit alltäglichen Belastungen [3] sind spezifische Merkmale der Person<br />

mit erfasst worden.<br />

1. Aus den Selbsteinschätzungen sind charakteristische Befundergebnisse zu<br />

• individuellen Erwartungshaltungen in Bezug zum Gesundheitsverhalten (AVEM [4]),<br />

• reflektierter Ängstlichkeit (STAI [5]) und<br />

• subjektiver Empfindlichkeit gegenüber Lärmbelästigungen [6] ausgewählt worden.<br />

2. Individuelle Wahrnehmungsleistungen wurden an Hand der<br />

Kurzzeitbeobachtungsprobe (PEGLAU [7]) sowie mit dem Prüfen kleinster<br />

Gewichtsunterschiede differenziert.<br />

726


P127<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

3. Die Cortisolsekretion wurde im Tagesprofil bestimmt und ist mit der anderer<br />

Berufsgruppen vergleichen worden. Das ermöglichte es, den geäußerten Stress auf<br />

Grund von „Elektrosensibilität“ physiologisch zu objektivieren. Dazu wurden ab dem<br />

Aufwachen und im 15-minütigen Abstand fünf Speichelproben in der ersten Stunde<br />

sowie drei weitere um 12, 15 und 20 Uhr erbeten, die von den Personen mittels<br />

Salivetten (Sarstedt) nach Anweisung gesammelt und später in der BAuA<br />

ausgewertet wurden.<br />

Ergebnisse:<br />

1. Zur Selbstbeurteilung von Verhaltens- und Erlebensinhalten:<br />

• Subjektive Erwartungshaltung und Gesundheitsverhalten:<br />

In den beiden Stichproben war das Verhältnis der klassifizierten Gesundheitstypen,<br />

die sich aus den abgegebenen Selbsteinschätzungen im AVEM ableiten, sehr<br />

unterschiedlich. Es überraschte, dass bei den „elektrosensiblen“ Frauen das Typ-A-<br />

Verhalten dominierte, das mit einem offensiv bis aggressiv durchsetzungswilligen<br />

Verhalten korrespondierte. „Elektrosensible“ Männer wurden häufiger als in der<br />

Kontrollgruppe einer defensiven und eher von Ohnmacht geprägten Strategie für die<br />

Bewältigung von Herausforderungen zugeordnet.<br />

Von beiden Typ-Charakteristiken würde ein höheres Gesundheitsrisiko ausgehen,<br />

weil es physiologisch eine hohe Stressbereitschaft einfordert.<br />

• Individuelle Lärmempfindlichkeit:<br />

In der Allgemeinbevölkerung zeigte sich, dass Frauen Lärm störender empfinden als<br />

Männer. Jedoch fühlten sich die „elektrosensiblen“ Frauen signifikant stärker durch<br />

Lärm belästigt als die Frauen in der Kontrollgruppe.<br />

• Ausprägung des Niveaus allgemeiner Ängstlichkeit:<br />

Während mit zunehmendem Alter das Niveau allgemeiner Ängstlichkeit (STAI trait)<br />

etwas ansteigt und mit einer allumfassenden Vorsicht gegenüber sich selbst in<br />

Beziehung steht, erreichten „elektrosensible“ Frauen im Vergleich zur Kontrollgruppe<br />

signifikant höhere Werte.<br />

2. Zu individuellen Unterschieden in der Wahrnehmungsleistung:<br />

• Die Kurzzeitbeobachtungsprobe:<br />

In beiden Stichproben waren die altersabhängigen Bewertungen für exakt<br />

übereinstimmende Details aus den erinnerten Mustervorgaben ähnlich verteilt.<br />

Unterschiede zeichneten sich nur für das Erreichen einer Bestleistung ab, wofür aber<br />

auch die Fähigkeit, sich ausdauernd konzentrieren zu können, mit verantwortlich ist.<br />

• Das Prüfergebnis bei geringen Gewichtsunterschieden:<br />

727


P127<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Die Verteilung der Trefferrate beim Schätzen von Gewichtsproben, deren<br />

Unterschiede nur wenig um die Wahrnehmungsschwelle differierten, zeigte lediglich,<br />

dass kaum einer der „elektrosensiblen“ Personen über eine 90 % richtige<br />

Differenzierung hinaus kam.<br />

3. Die Cortisolsekretion - Anzeiger einer physiologisch vermittelten Stressreaktion<br />

Die Cortisol-Tagesmenge, die für 11 ältere Angestellte aus der Kontrollgruppe<br />

ermittelt wurde, war in der Höhe mit der vergleichbar, wie sie auch bei älteren<br />

Beschäftigten im Rettungsdienst (zusätzliche Vergleichsgruppe) gefunden wurde.<br />

„Elektrosensible“ Männer und Frauen unterschieden sich zwar in der Höhe ihres<br />

Speichelcortisols individuell voneinander, erreichten aber selten die<br />

Cortisoltagesmenge der Vergleichspersonen. Ihr morgendlicher Cortisolanstieg<br />

unterschied sich jedoch nicht von dem bei den Kontrollen.<br />

Fazit:<br />

„Elektrosensibilität“ ließ sich im Provokationsexperiment nicht objektivieren. Die Fähigkeit<br />

betroffener Personen, eine reale Feldexposition aufzudecken, erwies sich als rein<br />

zufällig.<br />

„Elektrosensible“ Probanden unterschieden sich in ihrer Wahrnehmungsleistung jedoch<br />

nicht von der anderer. Nur schienen sie sich weniger ausdauernd konzentrieren zu<br />

können.<br />

Die im Speichel nachgewiesene Cortisolsekretion lag bei den „elektrosensiblen“<br />

Personen nicht höher als bei Personen mit hoher individueller Verantwortung. Dass<br />

wegen der „Elektrosensibilität“ eine chronische Belastungssituation bestehen könnte,<br />

erscheint auf Grund der Befundlage in Übereinstimmung mit CARLSSON et al. (2006)<br />

weniger wahrscheinlich.<br />

Personen, die an „Elektrosensibilität“ litten, unterschieden sich von den nicht betroffenen<br />

Kontrollpersonen nur bezüglich ihrer subjektiven Selbsteinschätzung. Eine erhöhte<br />

Störbarkeit durch unkontrollierbare Situationen im Lebensalltag bei gleichzeitig hohen<br />

Erwartungshaltungen an die Bedingungen in ihrer Umgebung könnten bei<br />

„elektrosensiblen“ Personen zunehmend die Erfahrung einer unbefriedigenden<br />

Selbstwirksamkeit vermitteln.<br />

D.h., wenn ubiquitär auftretenden EMF, deren Feldstärke weit unterhalb der Grenzwerte<br />

liegt, so viel Einfluss auf die eigene Befindlichkeit zugesprochen wird, wäre dies eine rein<br />

subjektive Interpretation. Auf Grund dieser Datenlage kann eine individuelle<br />

Veranlagung, gegenüber bestimmten EMF-Expositionen empfindlich zu sein, nicht<br />

bestätigt werden.<br />

728


P127<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

[1] Kaul, G. (2006): „Elektrosensibilität“: Hält die Wahrnehmung der Realität stand? Symposium<br />

Medical, H. 6, 12-14<br />

[2] Health effects of exposure to EMF. SCENIHR Stellungnahme auf der 28. Plenarsitzung am<br />

19.01.09, www.ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04_scenihr/docs/scenihr_o_022.pdf<br />

[3] Pruessner, J.C.; Kirschbaum, C.; Meinlschmid, G.; Hellhammer, D.H. (2003): Two formulas for<br />

computation of the area under the curve represent measures of total hormone concentration<br />

versus time-dependent change. Psychoneuroendocrinology, 28(7), 916-931<br />

[4] Schaarschmidt, U., Fischer, A. (1996): Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster<br />

(AVEM). Swets Test Services GmbH, Frankfurt<br />

[5] Laux, L.; Glanzmann, P.; Schaffner, P.; Spielberger, C.D. (1981): Das State-Trait-<br />

Angstinventar (STAI). Verl. Beltz Testgesellschaft, Weinheim<br />

[6] Zimmer, K.; Ellermeier, W. (1998): Ein Kurzfragebogen zur Erfassung der individuellen<br />

Lärmempfindlichkeit. Umweltmedizin, 2, 54-63<br />

[7] Peglau, K. (1980): Tachistoskopische Wahrnehmungsprobe (TaWaPro). Verkehrsmedizin,<br />

27(6)<br />

[8] Carlsson, F.; Persson, R.; Karlson, B.; Osterberg, K. et al.(2006): Salivary cortisol and selfreported<br />

stress among persons with environmental annoyance. Scand J Work Environ Health.<br />

32(2):109-120<br />

729


P128<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Untersuchung von Aufmerksamkeitsleistungen während des<br />

Telefonierens mit einem TETRAPOL- Handfunkgerät<br />

Gerlinde Kaul 1 , Bernd Schmitt 2 , Siegfried Eggert 1 , Klaus Hentschel 1 , Hannelore Neuschulz 1<br />

1<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz u. Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin;<br />

2 Institut für den medizinischen Arbeits- u. Umweltschutz der Bundeswehr (IMAUS), Berlin<br />

Hintergrund und Fragestellung:<br />

Der Mobilfunkstandard TETRAPOL ist – parallel mit TETRA 25 – für Behörden und<br />

Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) entwickelt worden. Er beruht auf einer<br />

digitalen Signalverarbeitung und ist europaweit für tragbare Funkgeräte abhörsicher<br />

einsetzbar. Auch die Bundeswehr verwendet ihn seit 2002 bei Einsätzen mit<br />

grenzüberschreitenden Kommunikationsanforderungen. Im Frequenzbereich um 400<br />

MHz und bei einer Kanalbreite von 10 – 12,5 kHz wird ein cw-Signal im Semiduplex-<br />

Betriebsmodus ausgegeben. Dabei beträgt die Sendeleistung des Handfunkgerätes 2<br />

Watt.<br />

Bedeutsam für ein sicheres Verhalten und die Bewertung erhaltener Informationen ist die<br />

Zuverlässigkeit von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen. Bei einem<br />

bestimmungsgemäßen Gebrauch der TETRAPOL-Handfunkgeräte, bei dem geltende<br />

Grenzwerte nicht überschritten werden, sollten keine feldbedingten Effekte zu finden<br />

sein.<br />

Diese Untersuchung diente dem Ziel, den Einfluss dieses Mobilfunksystems unter<br />

Nahfeldbedingungen zu überprüfen, um einzuschätzen, ob unter der gegebenen<br />

TETRAPOL-Exposition dennoch ein mögliches Gesundheitsrisiko zu erwarten wäre.<br />

Methodik:<br />

In einem Doppelblind-Design wurde das menschliche Reaktionsverhalten während des<br />

ein- oder ausgeschalteten Handfunkgerätes analysiert. Die Stichprobe rekrutierte sich<br />

aus 36 jungen Männern im Alter zwischen 22 und 30 Jahren.<br />

Während die Exposition (links, rechts, feldfrei) in drei Untersuchungsabschnitten nach<br />

einem balancierten Versuchsplan wechselte (Tab. 1), war der Proband mit visuellen<br />

Testanforderungen beansprucht, die unterschiedliche Aufmerksamkeitsfunktionen<br />

ansprachen: Erhaltung des Vigilanzniveaus unter Monotonie [3], schnelle Reiz-Reaktion<br />

[3], Signalerkennung im „Signalrauschen“ [3] und die Initiierung einer<br />

Wahrnehmungstäuschung („autokinetc effect“).<br />

Das Experiment wurde mit einer feldfreien Trainingsphase begonnen, um Unterschiede<br />

im Leistungsniveau zwischen den Untersuchungsabschnitten auszugleichen. Gemessen<br />

wurden Reaktionszeit und Fehler sowie die Bewegungsparameter [4] der<br />

aufgezeichneten autokinetischen Illusion.<br />

730


P128<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Das Experiment wurde in einem geschirmten Faraday-Raum durchgeführt. Dabei waren<br />

die Originalfunkgeräte, die in Telefonierhaltung an einem Helm appliziert waren, bis auf<br />

ihre Antennenfunktion reduziert worden. Die Hochfrequenzexposition erfolgte als<br />

Dauerstrichsignal ohne Leistungsregelung mit einer Trägerfrequenz von 390,5625 MHz<br />

und wurde permanent ausgegeben. Über den gesamten Untersuchungsabschnitt<br />

dauerte die Exposition somit etwa 30 Minuten an. An der Anschlussbuchse des<br />

Funkgerätes betrug die cw-Sendeleistung (P HF ) 2 Watt. Am Kopfphantom (DASY 4)<br />

wurde unter der gegebenen TETRAPOL-Exposition die spezifische Absorptionsrate<br />

(SAR) ermittelt (Abb. 1). Die notwendige Hochfrequenzenergie wurde mittels<br />

Signalgenerator (Rohde & Schwarz) und Leistungsverstärker extern erzeugt und über<br />

dämpfungsarme Koaxialkabel der Antenne am Funkgerät zugeführt (Reflexions-faktor r <<br />

15%).<br />

Ergebnisse:<br />

Anhand der varianzanalytischen Bewertung der Mittelwertsunterschiede zwischen den<br />

Expositionsbedingungen [1] ließ sich bei keinem der gemessenen Parameter ein<br />

signifikanter Expositionseffekt belegen, auch wenn die Exposition jeweils über einen<br />

Zeitraum von 30 Minuten ungewöhnlich lang angedauert hatte. Lediglich die Dauer des<br />

Experiments wurde in einigen Parametern z.T. als Trainings- und z.T. als<br />

Ermüdungseffekt signifikant erkennbar.<br />

Auch das tonische Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit, das über die Zeitspanne<br />

jeder Testanforderungen gemittelt wurde, zeigte keine signifikante Beeinflussung durch<br />

die Exposition. Der zeitliche Verlauf des Experiments wurde aber über eine Änderung<br />

dieses Parameters signifikant abgebildet.<br />

Fazit:<br />

Die Ergebnisse geben keinen Hinweis auf eine Beeinflussung psychonervaler<br />

Informationsverarbeitungsprozesse auf Grund der TETRAPOL-Exposition, soweit sich<br />

diese in visuellen Aufmerksamkeitsleistungen hätten niederschlagen können.<br />

Demzufolge würde es im Nahfeld eines TETRAPOL-Hochfrequenzsignals bei einer<br />

bestimmungsgemäßen Benutzung des Funkgerätes auch nicht zu einer Beeinflussung<br />

der Handlungszuverlässigkeit während des Kommunizierens kommen.<br />

[1] Rasch, D.; Herrendörfer, G.; Bock, J.; Busch, K. (1981): Verfahrensbibliothek. Bd. 3, Kap.<br />

3/24/6950<br />

[2] Dosimetric Assessment System - DASY 4. Schmid & Partner Engineering AG (SPEAG),<br />

Messung durch ITIS-Foundation (ETH) Zürich<br />

[3] „Wiener Testsystem“. Fa. Dr. Schuhfried GmbH. Mödling, Austria<br />

[4] Shoemaker, A.; Bolt, D. (1992): Computer measurement of the autokinetic effect. Percept. Mot.<br />

Skills, 75, 771-777<br />

731


P128<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Periode<br />

(a i )<br />

Training<br />

a = 0<br />

Behandlungsfolgen (d i )<br />

1 2 3 4 5 6<br />

Exposition:<br />

O O O O O O<br />

a = 1<br />

a = 2<br />

a = 3<br />

O R L<br />

R L O<br />

L O R<br />

O R L<br />

L O R<br />

R L O<br />

Tab. 1: Balancierter Periodenversuchsplan [1]: ohne Exposition (O) bzw. an der linken (L) oder<br />

rechten (R) Kopfseite<br />

Abb. 1: Am Kopfphantom (DASY 4)ermittelte SAR-Werte unter TETRAPOL-Exposition [2]<br />

732


P129<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf<br />

zerebrale Gliazellen in vitro<br />

Elisabeth Preckel 1 , Ute Zimmermann 1 , Achim Seebens 2 , I. Erol Sandalcioglu 3 , U. Sure 3 , Albert<br />

W. Rettenmeier 1 , Elke Dopp 1<br />

1 Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Essen,<br />

2 Institut für Kommunikationstechnik, Universität Duisburg-Essen,<br />

3 Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Essen<br />

Ziel der Studie<br />

Die rasche Expansion der Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren setzt die<br />

Menschen neuen physikalischen Einwirkungen aus der Umwelt und damit potenziell<br />

neuen Gesundheitsrisiken aus. Offen ist z. B. die Frage, ob die extensive Nutzung von<br />

Mobilfunktelefonen adverse Effekte in biologischen Systemen hervorruft. Während<br />

weitgehend Einigkeit über die thermischen Wirkungen hochfrequenter<br />

elektromagnetischer Strahlung herrscht, bedarf es noch eingehender Forschungsarbeit<br />

zu den nichtthermischen Effekten. Im Hinblick auf den geringen Abstand zwischen<br />

Gehirn und Mobilfunkantenne wurde in der vorliegenden Studie der Einfluss<br />

hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf humane zerebrale Gliazellen<br />

hinsichtlich zyto- und genotoxischer Effekte sowie intrazellulärer Radikalbildung<br />

untersucht.<br />

Methode<br />

C6 Ratten-Astrozytomzellen wurden in Ham’s F12, Humane Mikroglia in Mikroglia-<br />

Medium und Humane Oligodendrozyten-Progenitor-Zellen (HOPC) in Oligodendrozyten-<br />

Medium (beides von ScienCell) kultiviert und gegenüber HF-ER (900–1800 MHz)<br />

exponiert. In den Spezialinkubator wurde eine Antenne eingebaut und mit einem CMD-<br />

55-Digital-Radio-communication-Tester (Rohde & Schwarz) verbunden. Die Zytotoxizität<br />

wurde mittels Trypan-Blau-Test, die Genotoxizität (DNA-Strangbrüche) mit dem Comet-<br />

Assay, die ROS-Bildung mit der H 2 DCFDA-Färbung und die oxidative DNA-Schädigung<br />

mittels kompetitivem ELISA auf das Vorhandensein von 8-Hydroxy-2-desoxyguanosin (8-<br />

OHdG) untersucht.<br />

Ergebnisse<br />

Die elektromagnetische Strahlung in den untersuchten Frequenzbereichen induzierte<br />

weder zytotoxische noch genotoxische Effekte in den zerebralen Gliazellen. Auch eine<br />

oxidative DNA-Schädigung war nicht nachweisbar. Jedoch wurde eine erhöhte<br />

Radikalbildung nach einer Expositionsdauer von 1 h bei allen verwendeten Frequenzen<br />

in den untersuchten Zellarten beobachtet (siehe Abb.1).<br />

733


P129<br />

Poster – Berufskrebs / Elektromagnetische Felder<br />

a) b) c)<br />

Radikalbildung in C6<br />

Radikalbildung in C6<br />

Radikalbildung in Mikroglia<br />

Radikalgehalt im<br />

Verhältnis zur Kontrolle<br />

in %<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0.25 0.5 1 2<br />

Expositionsdauer in h<br />

900 MHz 0 W<br />

900 MHz 1 W<br />

900 MHz 2 W<br />

Radikalgehalt im Verhältnis<br />

zur Kontrolle in %<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0.25 0.5 1 2<br />

Expositionsdauer in h<br />

1800 MHz 0 W<br />

1800 MHz 1 W<br />

1800 MHz 2 W<br />

Radikalgehalt im Verhältnis<br />

zur Kontrolle in %<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0.5 1<br />

Expositionsdauer in h<br />

Mikroglia bei 1800<br />

MHz 2 W<br />

Abb. 1: Intrazelluläre Radikalbildung nach Exposition von Gliazellen der Ratte (a, b) und des<br />

Menschen (c) gegenüber elektromagnetischer Strahlung verschiedener Frequenzbereiche (a) 900<br />

MHz, b) und c) 1800 MHz) und Leistungen (0 bis 2 W).<br />

Diskussion und Schlussfolgerung<br />

Elektromagnetische Strahlung im Frequenzbereich von 900 bis 1800 MHz und einer<br />

Leistung bis zu 2 W induzierte weder Zytotoxizität noch eine DNA-Schädigung<br />

(Chromosomenbruch und 8-OHdG-Bildung) in zerebralen Gliazellen in vitro. Dagegen<br />

war die intrazelluläre Radikalbildung in C6-Zellen und in humanen Mikroglia nach<br />

Exposition gegenüber elektromagnetischer Strahlung, die dem Frequenzbereich des<br />

deutschen Mobilfunknetzes entspricht, signifikant erhöht. Ob diese erhöhten<br />

Radikalgehalte in der Zelle zu einer Inaktivierung von Enzymen, einer Schädigung von<br />

Proteinen oder einer Beeinträchtigung von Signalwegen führen, ist noch unklar und soll<br />

daher weiter untersucht werden. Dabei sollen in nachfolgenden Studien neuronale<br />

Zellgemische verwendet werden, um reale Bedingungen besser abbilden zu können.<br />

Danksagung<br />

Das Projekt wurde vom Zentrum für Wasser- und Umweltforschung (ZWU,<br />

Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“) der Universität Duisburg-Essen unterstützt.<br />

734


P130<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Einfluss individueller und beruflicher Faktoren auf die Entstehung<br />

von Kniegelenksarthrose – Zielsetzung und Methodik der ArGon-<br />

Studie<br />

André Klußmann 1 , Hansjürgen Gebhardt 1 , Matthias Nübling 2 , Falk Liebers 3 , Bertil Bouillon 4 , Monika<br />

A. Rieger 5,6 und die ArGon-Studiengruppe<br />

1<br />

Institut ASER e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal<br />

2<br />

Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), Freiburg<br />

3<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Gruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter<br />

Erkrankungen“, Berlin<br />

4<br />

Lehrstuhl für Unfallchirurgie / Orthopädie der Universität Witten / Herdecke, Klinik für Unfallchirurgie und<br />

Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus Merheim, Köln<br />

5<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Fakultät<br />

für Medizin, Universität Witten / Herdecke, Witten<br />

6<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen<br />

Einleitung<br />

Die Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) ist eine der häufigsten degenerativen Erkrankungen<br />

des Muskel-Skelett-Systems. Als Risikofaktoren für Gonarthrose (GA) werden neben<br />

konstitutionellen Faktoren körperliche Fehlbelastungen und Zwangshaltungen sowohl im<br />

Beruf (z.B. Knien, Heben und Tragen schwerer Lasten) (1, 2, 3) als auch in der Freizeit<br />

(z.B. bestimmte Sportarten) diskutiert. Vor diesem Hintergrund sollte ein möglichst großes<br />

Spektrum von Risikofaktoren für die Entstehung und den Fortschritt einer Gonarthrose in<br />

der Zusammenschau bei Frauen und Männern untersucht werden mit dem Ziel,<br />

Präventionsmaßnahmen abzuleiten bzw. Zielgrößen für die Prävention der Gonarthrose zu<br />

beschreiben. Zu diesem Zweck wurde von der BAuA eine Fall-Kontroll-Studie initiiert und<br />

finanziert (BAuA-Fremdforschungsprojekt F2096; ArGon (Arbeit und Gonarthrose)).<br />

Methoden<br />

Mittels standardisierter Fragebögen wurden Patienten mit klinisch relevanter<br />

Kniegelenksarthrose befragt (Fallgruppe). Verglichen wurde diese Fallgruppe mit einem<br />

Kontrollkollektiv, dem ein inhaltsgleicher Fragebogen vorgelegt wurde. Der Fragebogen<br />

wurde im Wesentlichen auf Grundlage bereits bestehender Instrumente entwickelt (u.a. aus<br />

den Studien von Sandmark et al. (1), Coggon et al. (2) und Seidler et al. (3)) und enthält die<br />

in Abb. 1 dargestellten Items. Bei den Fällen erfolgte die Dokumentation des in der Regel<br />

arthroskopisch bzw. intraoperativ erhobenen Befundes (Schwere und Lokalisation des<br />

Knorpelschadens) gemäß ICRS-Standard.<br />

Eingeschlossen in diese Studie wurden Männer und Frauen im Alter von 25-75 Jahren mit<br />

Wohnsitz im Einzugsgebiet die sprachlich und kognitiv in der Lage waren den Fragebogen<br />

auszufüllen und ihre Studienteilnahme mit einer Einverständniserklärung bestätigten. Als<br />

Fälle wurden Patienten rekrutiert, die eine der beteiligten Kliniken aufgrund von<br />

Kniebeschwerden aufsuchten, eine gesicherte Gonarthrose an mind. einem Knie (mind.<br />

Grad III n. Outerbridge, 1961 oder Grad II n. Kellgren & Lawrence, 1963) hatten sowie über<br />

735


P130<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

keine zurückliegenden Frakturen mit Kniegelenksbeteiligung, Verletzungen des Knies oder<br />

entzündliche bzw. reaktive Kniegelenkerkrankungen in der Vergangenheit berichteten. Als<br />

Kontrollen wurden Patienten rekrutiert, die stationär aufgrund einer Unfallverletzung<br />

(ausgeschlossen wurden hierbei Arbeitsunfälle) aus äußerer Ursache in einer der<br />

beteiligten Kliniken behandelt wurden und bei denen die Diagnose Gonarthrose bisher nicht<br />

gestellt wurde. Es wurde ein detailliertes Studienprotokoll verfasst, welches der zuständigen<br />

Ethikkommission an der Universität Witten / Herdecke vorgelegt und nach Genehmigung<br />

veröffentlicht wurde (4).<br />

Ergebnisse<br />

Für die Auswertung standen die Daten von 739 Fällen (438 Frauen, 301 Männer) und 571<br />

Kontrollen (303 Frauen, 268 Männer) zur Verfügung. Die Auswertung und Diskussion der<br />

Erhebung sind im Beitrag zu V86 in diesem <strong>Tagungsband</strong> (5) dargestellt.<br />

Danksagung<br />

Das Forschungsprojekt wurde initiiert, finanziert und fachlich begleitet von der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (Fremdforschungsprojekt<br />

F2096). Die Arbeit des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin Tübingen wird finanziell<br />

unterstützt durch den Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V.<br />

(Südwestmetall).<br />

Literatur<br />

(1) Coggon, D., Croft, P., Kellingray, S., Barrett, D., McLaren, M., Copper, C.: Occupational<br />

physical activities and osteoarthritis of the knee. Arthr. Rheum. 2000; 43: 1443-1449.<br />

(2) Sandmark, H., Hogstedt, C., Vingard, E.: Primary osteoarthritis of the knee in men and<br />

women as a result of lifelong physical load from work. Scand. J. Work Environ Health. 2000;<br />

26: 20-25.<br />

(3) Seidler, A., Bolm-Audorff, U., Abolmaali, N., Elsner, G. and the knee osteoarthritis studygroup.<br />

The role of cumulative physical work load in symptomatic knee osteoarthritis – a<br />

case-control study in Germany, Journal of Occupational Medicine and Toxicology 2008,<br />

3:14. doi:10.1186/1745-6673-3-14<br />

(4) Klußmann, A., Gebhardt, H., Liebers, F., von Engelhardt, L.V., Dávid, A., Bouillon, B.,<br />

Rieger, M.A.: Individual and occupational risk factors for knee osteoarthritis – Study protocol<br />

of a case control study. BMC Musculoskeletal Disorders 2008, 9:26; doi:10.1186/1471-<br />

2474-9-26.<br />

(5) Rieger, M.A., Klußmann, A., Gebhardt, H., Nübling, M., Liebers F., Bouillon, B. und die<br />

ArGon-Studiengruppe: Berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für die<br />

Kniegelenksarthrose – Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie. Dokumentation der 49.<br />

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin <strong>2009</strong>,<br />

V86.<br />

736


P130<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Individuelle Faktoren I<br />

• Körpergröße<br />

• Körpergewicht<br />

• Body-Mass-Index<br />

• Rauchen (Packungsjahre)<br />

• Alkoholkonsum<br />

• Schulabschluss<br />

• Kniebeschwerden in Kindheit<br />

• Harte Arbeit während Kindheit<br />

• GA in enger Verwandtschaft<br />

• Anzahl Schwangerschaften<br />

• Dauer Hormoneinnahme<br />

• Dauer Periode<br />

Individuelle Faktoren II<br />

• Skoliose<br />

• Hüftstellungsfehler<br />

• Beinlängendifferenz<br />

• X oder O – Beine<br />

• Diabetes<br />

• Osteoporose<br />

• Gicht<br />

• Erh. Blutfettwerte<br />

• Erh. Cholesterin<br />

• Schilddrüsenunter-/-überfunkt.<br />

berufliche Faktoren I*<br />

• Sitzen<br />

• Stehen<br />

• Gehen<br />

• Knien<br />

• Knieschützer<br />

• Springen<br />

• Treppen steigen<br />

Kniegelenksarthrose<br />

berufliche Faktoren II*<br />

• Akkordarbeit / Zeitdruck<br />

• Hand-Arm od. Ganzkörper-Vibration<br />

• Bedienung schwerer Werkzeuge<br />

• Nässe / Feuchtigkeit<br />

• Kälte od. Hitze bei der Arbeit<br />

• Gehen/Stehen nass/uneben Boden<br />

• Knien / Kriechen nass/uneben Boden<br />

• Heben/Tragen von Lasten<br />

• Ziehen/Schieben von Lasten<br />

Freizeitaktivitäten / Sport*<br />

• Mannschaftssport<br />

• Tennis/Tischtennis<br />

• Squash/Badminton<br />

• Kegeln/Billard/Bowling/Dart<br />

• Golf/Minigolf<br />

• Schiessen/Bogenschiessen<br />

• Kampfsport<br />

• Bodybuilding/Schwerathlethik<br />

• Fitnesstraining/Kieser<br />

• Nordic Walking, Sprint, Langstecke<br />

• Spinning/Rückenschule/Pilates<br />

• Leichtathl.: Speerw, Kugelst, Springen<br />

• Fahrrad fahren, Wandern/Spazieren<br />

• Schwimmen<br />

• Sonst. Wassersport<br />

außerberufliche Aktivitäten*<br />

• Anteil an Hausarbeit<br />

• Pflege Erwachsener / Pflege Kind<br />

• Gartenarbeit<br />

• Bau/Umbau Haus/Wohnung<br />

• Renovierung / Renovierungshilfe<br />

• Nebentätigkeiten<br />

• Landwirtschaft/Tierhaltung<br />

* Kumulative Werte über alle Berufe/Tätigkeiten in Stunden, bzw. Scores<br />

Abb. 1: Fragebogenitems und mögliche Prädiktoren für Kniegelenksarthrose.<br />

737


P131<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Physische Beanspruchung versus subjektives Erleben bei<br />

Kommissionierarbeit in Kälte<br />

Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

738


P132<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Beeinflusst die chemosensorische Wahrnehmung von Acetaldehyd<br />

die kognitive Leistung?<br />

Kathrin Hey, Stefan Kleinbeck, Michael Schäfer, Ernst Kieswetter, Meinolf Blaszkewicz, Anna<br />

Zimmermann, Klaus Golka und Christoph van Thriel<br />

IfADo – Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund<br />

Kurzfassung: Um Aufschluss über eventuelle Leistungsveränderung in Abhängigkeit der<br />

Raumluftkonzentrationen zu bekommen, wurde während 4-stündiger Exposition mit<br />

unterschiedlichen Acetaldehyd-Konzentrationen (0; 12,5; 25; 37,5 und 50 ppm) die kognitive<br />

Leistung der Untersuchungsteilnehmern erfasst. Zudem wurden mit standardisierten<br />

Beurteilungsskalen die Geruchsbelästigung und weitere chemosensorische Empfindungen<br />

abgefragt. Während der Exposition zeigten sich nur schwache Geruchseffekte ohne<br />

Hinweise auf sensorische Irritationen. Aus den Ergebnissen der kognitiven Tests lässt sich<br />

ablesen, dass die Art der Aufgabe für eine konzentrationsabhängige Leistungsveränderung<br />

bedeutsam ist. Besonders für Aufgaben des räumlichen Arbeitsgedächtnisses verlängerten<br />

sich die Reaktionszeiten während der 50 ppm Bedingung. Der selektive Effekt kann jedoch<br />

nicht im Sinne eines generellen Ablenkungseffekts durch den Geruch von Acetaldehyd<br />

interpretiert werden.<br />

Einleitung<br />

Unter der Bezeichnung „lokale Reizstoffe“ werden chemische Arbeitsstoffe<br />

zusammengefasst, die chemisch-irritative Wirkungen an den oberen Atemwegen und<br />

Augen auslösen.<br />

Acetaldehyd ist ein solcher „lokaler Reizstoff“. Es ist eine farblose, sehr leicht flüchtige<br />

und leicht entzündliche Flüssigkeit (CH3CHO). Acetaldehyd ist bedeutendes<br />

Zwischenprodukt zur Herstellung zahlreicher organischer Großprodukte und wird unter<br />

anderem zur Herstellung von Kunststoff-Flaschen und beim Versilbern von Glas verwendet.<br />

Die Maximale Arbeitsplatzkonzentration für Acetaldehyd liegt derzeit bei 50 ppm (DFG<br />

2007), eine Überschreitung des Wertes hinsichtlich einer Spitzenbegrenzung ist nicht<br />

erlaubt.<br />

In einem Experiment mit Ratten konnte bei einer 3-tägigen inhalativen Exposition gegen<br />

750 ppm eine erhöhte Inzidenz an Einzelzellnekrosen des olfaktorischen Epithels<br />

festgestellt werden (Cassee et al. 1996). Dieser Versuch belegt die zytotoxische Wirkung<br />

von Acetaldehyd bei höheren Konzentrationen, wie auch in weiteren Untersuchungen am<br />

olfaktorischen Epithel von Ratten (Appelman et al. 1982; Saldiva et al. 1985).<br />

739


P132<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Für eine einmalige Exposition beim Menschen wurden ab 135 ppm Reizungen des<br />

oberen Atemtraktes beschrieben (Sim und Pattle 1957). Zu wiederholten Expositionen gibt<br />

es bislang keine Ergebnisse. In einer kürzlich vorgestellten Untersuchung von Muttray et al.<br />

(2008) konnten für eine akute Belastung durch 50 ppm Acetaldehyd bei gesunden<br />

Probanden keine adversen Effekte auf die oberen Atemwege gefunden werden (Vortrag<br />

<strong>DGAUM</strong>, 48. Jahrestagung). Weiterhin fehlen Erkenntnisse über die Stärke der<br />

Geruchsbelästigung und über die Einflüsse, die berufliche Expositionen von Acetaldehyd<br />

auf das Erleben und Verhalten des Menschen haben.<br />

Der Untersuchung wurde von Seiten der Ethikkommission zugestimmt und alle<br />

Probanden nahmen freiwillig an dem Expositionsexperiment teil. Die methodische<br />

Vorgehensweise wird im Folgenden weiter erläutert.<br />

Methoden<br />

In unserem Expositionslabor befinden sich vier Computerarbeitsplätze. Von einem<br />

externen Steuerraum aus können unterschiedliche Leistungstests gestartet werden.<br />

Insgesamt wurden von den Probanden drei kognitiven Aufgaben während der Exposition<br />

bearbeitet, um die Wirkungen von Acetaldehyd zu untersuchen.<br />

Zum einen benutzten wir eine Arbeitsgedächtnisaufgabe, entlehnt aus der Testbatterie<br />

zur Aufmerksamkeitsprüfung von Zimmermann und Fimm (1994), bei der die Erinnerung<br />

von Zahlen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen (2-back, 3-back) erfasst wird. Diese<br />

Arbeitsgedächtnisaufgabe wurde um zwei Versionen erweitert, eine mit Objekten, eine<br />

andere mit unterschiedlich räumlich angeordneten Punktpositionen. Desweiteren<br />

bearbeiteten die Probanden eine Flankierreizaufgabe modifiziert nach Kopp et al. (1996),<br />

bei der die möglichst schnelle Reaktion auf einen Zielreiz erfasst wird. Durch ablenkenden<br />

„Flankier“-Reize werden bei dieser Aufgabe Fehler provoziert und die Reaktionszeit wird für<br />

die inkongruenten Durchgänge (Zielreiz und Ablenkreiz differieren) verlängert. Bei der<br />

letzten Aufgabe, der Aufgabe zur Geteilten Aufmerksamkeit, wurden die<br />

Versuchsteilnehmern angehalten gleichzeitig eine visuelle und eine auditive Aufgabe zu<br />

bearbeiten. Diese Aufgabe ist ebenfalls ein Untertest aus der Testbatterie zur<br />

Aufmerksamkeitsprüfung (TAP).<br />

Desweiteren wurde mit standardisierten Messverfahren Beschwerden und Befinden der<br />

Probanden an jedem Tag der Exposition mehrfach erfasst.<br />

740


P132<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

2.1 Experimentelles Design<br />

An der Untersuchung nahmen 18 gesunde rechtshändige Teilnehmer, davon 10 Männer<br />

und 8 Frauen im Alter zwischen 19 und 34 Jahren ( = 23,33 Jahre) teil. Die Untersuchung<br />

dauerte fünf Wochen, für jede Versuchsperson an einem Tag in der Woche von 8:00 bis<br />

16:30 Uhr. Maximal vier Versuchspersonen wurden an jedem Termin vier Stunden mit fünf<br />

unterschiedlichen Acetaldehyd-Konzentrationen im Labor exponiert (0 ppm; 12,5 ppm; 25<br />

ppm; 37,5 ppm und 50 ppm). Die Nullbedingung entsprach der Kontrollbedingung.<br />

Folgenden Faktoren gehen in die Analysen mit ein: Der Faktor Konzentration mit den<br />

oben genannten Abstufungen, der Faktor Durchgang (Beginn und Ende der Exposition), der<br />

Faktor Art des Reizes (Punkte; Objekte; Ziffern bzw. visuell; auditiv), sowie der Faktor<br />

Schwierigkeit der Aufgabe (2-back; 3-back) für die Arbeitsgedächtnisaufgabe und<br />

Kompatibilität (inkompatibel; kompatibel) für die Flankierreizaufgabe.<br />

Als abhängige Variable wurden die Anzahl der Fehler bzw. der Richtigen Reaktionen und<br />

die Reaktionszeiten erfasst.<br />

Ergebnisse<br />

Selbst für die 50 ppm Bedingung berichteten die Probanden lediglich eine mäßige<br />

Geruchsbelästigung. Besonders für die Augenreizungen war zu beobachten, dass gegen<br />

Ende der Exposition (180 bis 235 Minuten) sich die Werte erhöhten. Doch auch hier blieben<br />

die von den Probanden wahrgenommen Augenreizungen im geringfügigen Bereich.<br />

Für die Arbeitsgedächtnisaufgabe ergab sich sowohl für die Anzahl der Richtigen<br />

Reaktionen (nR) als auch für die Reaktionszeiten (RT) einen Haupteffekt Reiz (nR: F 2,16 =<br />

10,2; p = .001 und RT: F 2,16 = 4,3; p = .032) und einen Haupteffekt Schwierigkeit (nR: F 1,17<br />

= 73,4; p = .000 und RT: F 1,17 = 14,5; p = .001), sowie eine Wechselwirkung Reiz x<br />

Schwierigkeit (nR: F 2,16 = 46,9 ; p = .000 und RT: F 2,16 = 5,7; p = .014).<br />

Eine Wechselwirkung Konzentration x Reiz (F 1,17 = 3,7; p = .028) konnte für die<br />

Reaktionszeiten gefunden werden, wobei für die höchste Konzentration von 50 ppm die<br />

Reaktionszeiten der räumlichen und der objektbezogenen Arbeitsgedächtnisaufgabe<br />

deutlich höher waren als für die anderen Konzentrationsbedingungen, und auch höher als<br />

die der Gedächtnisaufgabe mit Zahlen.<br />

Für die Flankierreizaufgabe zeigte sich für die Anzahl der Richtigen Reaktionen ein<br />

Haupteffekt Kompatibilität (F 1,17 = 3372,9; p = .000), sowie eine Wechselwirkung<br />

Kompatibilität x Durchgang (F 4,14 = 21,0; p = .000). Desto später der Durchgang im<br />

Expositionszeitraum lag, desto schlechter waren die Ergebnisse für die inkompatiblen<br />

741


P132<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Durchgängen. Die für die Flankierreizaufgabe zusätzlich erfassten Fehlalarme (Reaktion,<br />

obwohl keine Reaktion erwünscht) bestätigten diesen Durchgangseffekt hochsignifikant (F<br />

1,17 = 25,1; p = .000).<br />

Für die Aufgabe zur Geteilte Aufmerksamkeit unterschieden sich die Reaktionen auf die<br />

unterschiedlichen Reize (visuell oder auditiv) wie erwartet hochsignifikant (nR: F 2,16 = 937,9;<br />

p = .000 und RT: F 2,16 = 78,7; p = .000). Desweiteren konnte für die Anzahl der Richtigen<br />

Reaktionen eine Wechselwirkung Konzentration x Durchgang bestätigt werden (F 4,14 =<br />

3,041; p = .026). Gegen Ende der Exposition nahm für die 50 ppm Bedingung die Anzahl<br />

der Richtigen Reaktionen deutlich stärker ab als für die anderen<br />

Konzentrationsbedingungen.<br />

Trotz einiger Hinweise – bezogen auf die Wechselwirkungen Konzentration x Reiz, sowie<br />

Konzentration x Durchgang – wurde eine dosisabhängige Wirkung auf die kognitiven<br />

Leistungen der akut gegenüber Acetaldehyd exponierten Probanden in dem vorliegenden<br />

Experiment nicht bestätigt. Chemosensorisch vermittelte Ablenkeffekte sind daher<br />

unwahrscheinlich.<br />

Literatur<br />

1. Appelman, L.M., Woutersen, R.A. und Feron, V.J. 1982. Inhalation toxicity of<br />

acetaldehyde in rats. I. Acute and subacute studies. Toxicology. 23: 293-307.<br />

2. Cassee, F.R., Arts, J.H., Groten, J.P. und Feron, V.J. 1996. Sensory irritation<br />

to mixtures of formaldehyde, acrolein, and acetaldehyde in rats. Archives of<br />

toxicology. 70: 329-337.<br />

3. DFG (2007) List of MAK and BAT Values. WILEY-VCH Verlag GmbH,<br />

Weinheim.<br />

4. Kopp, B., Mattler, U., Goertz, R. und Rist, F. 1996. N2, P3 and the lateralized<br />

readiness potential in a nogo task involving selective response priming.<br />

Electroencephalogr Clin Neurophysiol. 99: 19-27.<br />

5. Muttray, A., Gosepath, J., Brieger, J., Faldum, A., Pribisz, A., Mayer-Popken,<br />

O., Jung, D., Mann, W. und Roßbach, B. 2008. Zur Wirkung von 50 ppm<br />

Acetaldehyd auf die oberen Atemwege gesunder Probanden. Arbeitsmed<br />

Sozialmed Umweltmed 43: 144-145.<br />

6. Saldiva, P.H., do Rio Caldeira, M.P., Massad, E., Calheiros, D.F., Cardoso,<br />

L.M., Bohm, G.M. und Saldiva, C.D. 1985. Effects of formaldehyde and<br />

acetaldehyde inhalation on rat pulmonary mechanics. J Appl Toxicol. 5: 288-<br />

292.<br />

7. Sim, V.M. und Pattle, R.E. 1957. Effect of possible smog irritants on human<br />

subjects. J Am Med Assoc. 165: 1908-1913.<br />

8. Zimmermann, P. und Fimm, B. 1994. Testbatterie zur<br />

Aufmerksamkeitsprüfung (TAP). Psychologische Testsysteme.<br />

742


P133<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Messungen der bequemen vertikalen Augen- und Kopfneigung<br />

Franziska Schulz 1 , Wolfgang Jaschinski 2<br />

1<br />

Studiengang Augenoptik, Fachbereich SciTec, Fachhochschule Jena, Jena<br />

2<br />

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung, IfADo, Dortmund<br />

Einleitung: Bei der Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes besteht oft die Frage, in<br />

welcher Höhe der Bildschirm relativ zum Auge aufgestellt werden sollte, um<br />

Sehbeschwerden und Muskel-Skelett-Beschwerden zu vermeiden. Wegen<br />

widersprüchlicher Angaben in Forschung und praktischen Empfehlungen untersuchen wir<br />

die Ruheblickneigung bei bequemer Kopfhaltung. Wir verfolgen das Konzept, dass eine<br />

muskuläre Sehfunktion wie die vertikale Augenneigung eine Ruhelage besitzt, die sich ohne<br />

Sehreiz (z. B. in Dunkelheit) einstellt, dass diese Ruhelage von den Augen spontan<br />

eingenommen wird und dabei eine minimale subjektive Anstrengung resultiert; diese<br />

Ruhelage könnte dann einer Augenposition entsprechen, die gegenüber anderen<br />

Positionen bevorzugt und somit angenehm und bequem empfunden wird. Aus den<br />

bequemen Ruhepositionen von Kopf und Auge lässt sich die Höhenposition des Bildschirms<br />

ableiten (siehe Abbildung).<br />

Auge –Ohr-Linie LinieLinie<br />

Blickneigung<br />

Bildschirm<br />

Aus der Kopfneigung relativ zum Rumpf und der Augenneigung relativ zum Kopf resultiert die<br />

Blickneigung relativ zur Horizontalen.<br />

Methode: Bei 21 normalsichtigen Probanden im Alter von 18 bis 42 Jahren untersuchten<br />

wir die Ruheblickneigung bei bequemer Kopfhaltung mit den folgenden vier Verfahren.<br />

a) Objektive Messung der vertikalen Blickneigung in Dunkelheit mit dem Video-Eyetracker<br />

EyeLink II (SR-Research).<br />

b) Schnelltest-Verfahren: Vor dem Probanden steht eine quadratische Kartonsäule, auf<br />

jeder Seite bedruckt mit vertikal angeordneten Zeichen. Man schließt die Augen, bewegt sie<br />

743


P133<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

aufwärts und abwärts, um die angenehme Blickneigung zu finden. Beim Öffnen der Augen<br />

gibt man an, welches Sehzeichen man spontan fixierte.<br />

c) Cross-Modality Matching: bei Blickneigungen von 10, 0, -10, -20, -30, -40, -50 Grad übt<br />

man jeweils eine Kraft auf einen Drucksensor aus, um damit das Ausmaß der Anstrengung<br />

zu beurteilen, das man jeweils beim Fixieren eines Sehobjekts für 10 s empfindet. Durch<br />

eine Parabelanpassung an die gemessenen Kräfte wird diejenige Blickneigung ermittelt, bei<br />

der die empfundene Sehanstrengung minimal ist.<br />

d) Bevorzugte Blickneigung: Ein Sehzeichen wird abwechselnd von oben und von unten ins<br />

Blickfeld geführt: man gibt den Punkt an, an dem das Sehen angenehm wird. Der Mittelwert<br />

aus dem oberen und unteren Grenzwert ergibt die bevorzugte Blickneigung.<br />

Ergebnisse: Die mittlere Blickneigungen betrug bei den Verfahren (a) und (b) 9 Grad, bei<br />

den Verfahren (c) und (d) 14 Grad. Die Daten der vier Messverfahren zeigten signifikante<br />

Test-Retest-Korrelationen und signifikante Interkorrelationen. Ein Vergleich der<br />

Blickneigung minimaler Anstrengung (c) und der bevorzugten Blickneigung (d) zeigte keinen<br />

signifikanten Mittelwertsunterschied, ebenfalls nicht der Vergleich der Ruheblickneigungen,<br />

die objektiv (a) bzw. mit dem Schnelltest (b) gemessen wurden.<br />

Diskussion: Wegen deutlicher individueller Unterschiede in der Ruheblickneigung<br />

(zwischen der Horizontalen und etwa 20° abwärts) können Empfehlungen für die<br />

Bildschirmposition nur individuell sein. Allerdings besteht das praktische Problem, wie man<br />

seine individuelle Ruheblickneigung in der Praxis findet. Hierzu lässt sich das Schnelltest –<br />

Verfahren folgendermaßen auf die Arbeitsplatzsituation übertragen. Man nimmt am<br />

Arbeitsplatz eine ergonomisch günstige Sitzhaltung und Kopfposition ein, schließt dann<br />

seine Augen, bewegt sie auf- und abwärts und sucht so eine angenehme Augenposition,<br />

ohne sich an der tatsächlichen Bildschirmhöhe zu orientieren. Wenn man beim Augenöffnen<br />

spontan in die obere Hälfte des Bildschirms blickt, dann ist die Bildschirmmitte in günstiger<br />

Höhe, denn die anstrengungsärmste Position liegt etwas unterhalb des Ergebnisses des<br />

Schnelltest-Verfahrens. Ist der spontane Blick beim Augenöffnen nicht in die obere<br />

Bildschirmhälfte gerichtet, dann sollte der Bildschirm in der Höhenposition entsprechend<br />

verstellt werden. Für eine solche individuelle Höhenpositionierung muss jedoch der<br />

Flachbildschirm sehr flexibel verstellbar sein, was bei derzeitigen Modellen jedoch eher<br />

selten der Fall ist.<br />

Weitere Aspekte der Bildschirmergonomie, wie die spezielle Situation von alterssichtigen<br />

Personen mit Gleitsichtbrillen, sind beschrieben in Jaschinski, W.: Zbl. Arbeitsmed. 58: 172-<br />

180, 2008; siehe auch www.ifado.de/vision.<br />

744


P134<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Arbeits- und personenbezogene Korrelate des Burnouterlebens<br />

sächsischer Lehrer und Lehrerinnen<br />

Katrin Neustadt, Reingard Seibt<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />

1. Einleitung<br />

Der Lehrerberuf fällt durch ein hohes Risiko für psychische Erkrankungen und Burnout auf.<br />

Dies hat besonders für einen gesellschaftlich bedeutsamen Beruf, wie den des Lehrers,<br />

erhebliche Konsequenzen. Die Gesundheit der Lehrer ist neben ihrer Qualifikation und<br />

Motivation eine unabdingbare Voraussetzung für eine gute Arbeitsfähigkeit und -<br />

zufriedenheit, beruflichen Erfolg sowie die Umsetzung des Bildungsauftrages im System<br />

Schule. Obwohl Burnout ein multidimensional beeinflusstes Konstrukt ist, beschränken sich<br />

die meisten bisherigen Studien auf einzelne Variablenbereiche (z.B. nur Arbeitsmerkmale),<br />

was allerdings einer ganzheitlichen Betrachtung entgegensteht. Daher ist es Anliegen der<br />

vorliegenden Arbeit neben weiteren gesundheitlichen Variablen sowohl arbeits- als auch<br />

personenbezogene, Merkmale auf ihren Zusammenhang mit Burnout zu untersuchen. Da<br />

nach bisherigen Studien zum Burnouterleben bei Lehrkräften von geschlechtsspezifischen<br />

Besonderheiten im Burnouterleben der Lehrer und Lehrerinnen auszugehen ist, soll auch<br />

der Geschlechtsaspekt in dieser Studie berücksichtigt werden.<br />

2. Methode<br />

2.1 Stichprobe<br />

In einem bundesweiten Verbundprojekt wurden arbeits- und personenbezogene Merkmale<br />

sächsischer Lehrkräfte erhoben. Die hier betrachtete Stichprobe setzt sich aus 83 Lehrern<br />

(Durchschnittsalter 47 ± 6 Jahre) und 630 Lehrerinnen (Durchschnittsalter 46 ± 7 Jahre) aus<br />

Grund- und Mittelschulen sowie Gymnasien zusammen. Lehrer und Lehrerinnen<br />

unterschieden sich im Beschäftigungsverhältnis: Während fast Dreiviertel der Lehrerinnen<br />

(71 %) teilzeitbeschäftigt (TZ) waren, traf dies nur auf knapp die Hälfte (43 %) der Lehrer<br />

zu.<br />

2.2 Eingesetzte Verfahren<br />

Als Erhebungsinstrument für Burnout, dem zentralen Konstrukt dieser Arbeit, diente die<br />

deutsche Form des Maslach Burnout Inventory (MBI-D) in der Übersetzung von Büssing<br />

und Perrar (1992). Demnach setzt sich Burnout aus drei Dimensionen zusammen: (1)<br />

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P134<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

emotionaler Erschöpfung, d.h. dem Gefühl der Entkräftung (verursacht durch verbrauchte<br />

Ressourcen), (2) Depersonalisation, dem distanzierten Verhalten hier gegenüber Schülern<br />

und (3) der reduzierten Leistungsfähigkeit, worunter eine herabgesetzte Wahrnehmung der<br />

eigenen beruflichen Kompetenz verstanden wird. Arbeitsbezogenen Variablen, wie z.B.<br />

Arbeitsumfang, Klassengröße, Arbeitsfähigkeit und Effort-Reward-Imbalance wurden<br />

anhand eines Fragebogens zur Berufsanamnese (Seibt & Dutschke, 2005), dem Work<br />

Ability Index (BAuA, 2003) und dem ERI-Questionnaire (Rödel et al., 2004) erhoben. Als<br />

gesundheitsbezogene Daten wurden physische und psychische Beschwerden (BFB: Höck<br />

und Hess (1975), psychische Beeinträchtigung (GHQ-12: Goldberg & Williams, 1991) und<br />

aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen Blutdruck und Body Mass Index berücksichtigt.<br />

Zur Ermittlung der personenbezogenen Merkmale Kohärenzsinn und Erholungsunfähigkeit<br />

kamen der Sense of Coherence-Fragebogen in der Leipziger Kurzform (SOC-L9:<br />

Schumacher, Wilz, Gunzelmann & Brähler, 2000) und eine Skala des Fragebogens zur<br />

Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung (FABA: Richter, Rudolf & Schmidt,<br />

1996) zum Einsatz.<br />

2.3 Statistische Auswertung<br />

Zur Analyse der Geschlechtseffekte wurden je nach Datenniveau der untersuchten<br />

Variablen Unterschiedstests (t-Test; Chi-Quadrat-Unterschiedstest) durchgeführt. Zur<br />

Ermittlung der geschlechtsspezifischen Zusammenhänge mit den Burnout-Dimensionen<br />

(emotionale Erschöpfung, Depersonalisation, reduzierte Leistungsfähigkeit) wurden<br />

Korrelations- und Regressionsanalysen berechnet.<br />

3. Ergebnisse<br />

3.1 Geschlechtseffekte zwischen Lehrern und Lehrerinnen<br />

Alle drei Burnout-Dimensionen waren bei beiden Geschlechtern moderat ausgeprägt (Tab.<br />

1). Lehrer erleben Depersonalisation stärker als Lehrerinnen, während für emotionale<br />

Erschöpfung und reduzierte Leistungsfähigkeit keine Geschlechtsunterschiede bestehen.<br />

Lehrer arbeiten mehr Stunden und unterrichten mehr Klassen. Die<br />

Geschlechtsunterschiede im ERI-Ratio (Lehrer: 0,7 ± 0,3; Lehrerinnen: 0,6 ± 0,2; p=.065)<br />

und in der Arbeitsfähigkeit sind nicht praktisch bedeutsam. Bezüglich<br />

gesundheitsbezogener Variablen lassen sich keine Unterschiede in der psychischen<br />

Beeinträchtigung feststellen. Die Anzahl physischer und psychischer Beschwerden ist bei<br />

Lehrern geringer, obwohl sie ungünstigere Blutdruck- und BMI-Werte (Lehrer: 27 ± 3;<br />

746


P134<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Lehrerinnen: 25 ± 4; p=.001; d= .39) aufweisen. Die Erholungsunfähigkeit ist bei Lehrern<br />

geringer ausgeprägt, während sich im Kohärenzsinn keine Unterschiede finden lassen.<br />

Tabelle 1: Unterschiedstests zur Ermittlung von Geschlechtsunterschieden<br />

Variable<br />

Lehrer Lehrerinnen Signifikanz p<br />

(N=83) (N=630) (Effektstärke d)<br />

Burnout [Range: 1 – 6]<br />

Emotionale Erschöpfung MW ± SD 3,2 ± 0,8 3,2 ± 0,8 .617 n.s.<br />

Depersonalisation MW ± SD 2,5 ± 0,8 2,2 ± 0,7 .000 (.51)<br />

Reduzierte Leistungsfähigkeit MW ± SD 2,4 ± 0,4 2,4 ± 0,5 .900 n.s.<br />

Arbeitsbezogene Variablen<br />

Arbeitszeit [Zeitstunden] MW ± SD 42 ± 9 39 ± 10 .131 n.s.<br />

Unterricht [Schulstunden.] MW ± SD 21 ± 4 20 ± 4 .000 (.46)<br />

Klassengröße [Schüleranzahl] MW ± SD 20 ± 4 20 ± 4 .682 n.s.<br />

unterrichtete Klassen [Anzahl] MW ± SD 9 ± 3 6 ± 3 .000 (.81)<br />

ERI-Risiko (ERI-Ratio ≥ 1) % (Anzahl) 13 (11) 7 (43) .037 (.16)<br />

Arbeitsfähigkeit [Punkte: 7 - 39] MW±SD 39 ± 5 38 ± 6 .035 (.25)<br />

Gesundheitsbezogene Variablen<br />

Physische Beschwerden MW ± SD 5 ± 4 8 ± 6 .000 (.48)<br />

Psychische Beschwerden MW ± SD 2 ± 2 3 ± 3 .005 (.31)<br />

Psychische Beeinträchtigung MW ± SD 3 ± 3 2 ± 3 .089 n.s.<br />

Systolischer Blutdruck [mmHg]<br />

Diastolischer Blutdruck [mmHg]<br />

MW ± SD 142 ± 17<br />

93 ± 11<br />

131 ± 17<br />

90 ± 11<br />

.000 (.61)<br />

.029 (.26)<br />

Personenbezogene Variablen<br />

Kohärenzsinn [Range: 9 - 63] MW ± SD 52 ± 6 51 ± 6 .222 n.s.<br />

Erholungsunfähigkeit [Range: 6 - 24] MW ± SD 14 ± 4 16 ± 4 .000 (.43)<br />

Anmerkungen: VZ: Vollzeit; TZ: Teilzeit; MW: Mittelwert; SD: Standardabweichung; n.s.: nicht signifikant<br />

3.2 Geschlechtsspezifische Prädiktoren der Burnout-Dimensionen<br />

Die jeweils stärksten Zusammenhänge (r > .40) ergaben sich für beide Geschlechter<br />

zwischen emotionaler Erschöpfung und Beschwerden, psychischer Beeinträchtigung,<br />

personenbezogenen Variablen, sowie dem ERI-Ratio und der Arbeitsfähigkeit (Tab. 2). Die<br />

Korrelationen sind eher gering ausgeprägt (r max = .62).<br />

747


P134<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Tabelle 2: Korrelationen der Variablen mit emotionaler Erschöpfung (EE), gruppiert nach Stärke<br />

Korrelationen mit EE Lehrer (N=83) Lehrerinnen (N=630)<br />

keine Korrelationen<br />

(r < .20)<br />

Arbeitszeit, Unterrichtstunden,<br />

Klassengröße, Klassenanzahl, Blutdruck<br />

Arbeitszeit, Unterrichtstunden, Blutdruck,<br />

Klassengröße, -anzahl<br />

geringe Korrelationen<br />

(.20 ≤ r < .50)<br />

ERI-Ratio, Beschwerden, psychische<br />

Beeinträchtigung, Kohärenzsinn<br />

physische Beschwerden, psychische<br />

Beeinträchtigung,<br />

Arbeitsfähigkeit, Erholungsunfähigkeit Arbeitsfähigkeit, Erholungsunfähigkeit ,<br />

mittlere Korrelationen<br />

psychische Beschwerden, Kohärenzsinn,<br />

(.50 ≤ r < .70)<br />

ERI-Ratio<br />

Für die Dimensionen Depersonalisation und reduzierte Leistungsfähigkeit ergeben sich<br />

ähnliche Muster. Bestätigung finden die Ergebnisse der Korrelationsanalyse in der<br />

Berechnung der Burnoutprädiktoren (Regression). Für alle sechs Modelle (je drei<br />

Dimensionen geschlechtsgetrennt) erwiesen sich Variablen aus dem personenbezogenen<br />

Bereich als stärkster Prädiktor (SOC und Erholungsunfähigkeit). Des Weiteren scheinen<br />

Arbeitsfähigkeit als auch das ERI-Ratio insbesondere mit der Kerndimension emotionale<br />

Erschöpfung assoziiert zu sein.<br />

4. Diskussion und Schlussfolgerung<br />

In Übereinstimmung mit anderen Studien an sächsischen Lehrern (Seibt et al., 2004), zeigte<br />

die untersuchte Stichprobe eher moderate Burnout-Ausprägungen. Ebenfalls im Konsens<br />

mit bisherigen Untersuchungen (Überblick in: Rösing, 2003) steht die erhöhte<br />

Depersonalisation der Lehrer. Unterschiede in der Anzahl der Arbeits- und<br />

Unterrichtsstunden resultieren aus der erhöhten Teilzeitquote der Lehrerinnen. Wie aus den<br />

Korrelations- und Regressions-analysen hervorgeht, sind gerade personenbezogene<br />

Merkmale mit Burnout, insbesondere mit emotionaler Erschöpfung, assoziiert. Dies sollte in<br />

weiteren Untersuchungen dahingehend berücksichtigt werden, dass neben<br />

Arbeitsmerkmalen, auch Ressourcen und Risikofaktoren der Person einbezogen werden.<br />

Die Öffnung der Burnoutforschung für salutogenetische und transaktionale Perspektiven ist<br />

in diesem Sinne zu unterstützen.<br />

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P134<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

5. Literatur<br />

Deutsche Hochdruckliga (DHL) 2008, Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie<br />

[Online-Dokument]. Verfügbar unter: http://leitlinien.net/046-001.pdf [24.11.2008].<br />

Linden, M., Maier, W., Achberger, M., Herr, R., Helmchen, H. & Benkert, O. (1996).<br />

Psychische Erkrankungen und ihre Behandlung in Allgemeinarztpraxen in Deutschland.<br />

Nervenarzt, 67, 205-215.<br />

Rösing, I. (2003). Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt? Analyse und Kritik der<br />

internationalen Burnout-Forschung. Heidelberg: Asanger Verlag.<br />

Seibt, R. & Dutschke, D. (2005). Fragebogen zur Berufsanamenese. Unveröffentlicht,<br />

Technische Universität Dresden.<br />

Seibt, R., Thinschmidt, M., Lützkendorf, L. & Knöpfel, D. (2004). Arbeitsfähigkeit und<br />

Vitalität bei Gymnasiallehrern unterschiedlicher Altersklassen. Bremerhaven:<br />

Wirtschaftsverlag NW.<br />

Auf die Auflistung der Literaturangaben zu den Erhebungsmethoden wurde aus<br />

Platzgründen verzichtet.<br />

749


P135<br />

Poster – Ausstellung prämierter Beiträge des 12. Symposiums<br />

„Arbeitsphysiologie für Nachwuchswissenschaftler“<br />

Mobiles Online-Erfassungssystem zur Aufnahme<br />

physiologischer Parameter und des subjektiven<br />

Beanspruchungsempfindes<br />

Sebastian Neubert 1 , Dagmar Arndt 1 , Markus Preuss 1 , Mohit Kumar 2 , Regina Stoll 1<br />

1 Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock<br />

2 Center for Life Science Automation, Universität Rostock<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

750


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

HR-CT, konventionelle Aufnahmen des Thorax und Lungenfunktion<br />

bei Bauarbeitern<br />

Thomas Kraus<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen<br />

Das Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

751


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern<br />

Joachim Schneider<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus Liebig-Universität, Gießen<br />

Einleitung<br />

Schweißrauche bestehen aus einer komplex zusammengesetzten Mischung sowohl<br />

feinster Staubteilchen als auch verschiedener gasförmiger Komponenten. Die Partikel<br />

der Schweißrauche haben zum Teil ultrafeine Abmessungen mit Durchmessern unter 0,1<br />

µm. Aufgrund teilweiser ultrafeiner Strukturen teilchenförmiger Komponenten der<br />

Schweißrauche gelangt ein großer Anteil in den Alveolarbereich der Lunge. Die<br />

chemisch metallurgische Zusammensetzung der Schweißrauchpartikel werden vom<br />

(Zusatz)Werkstoff bestimmt, insbesondere aber auch von den verwendeten Elektroden<br />

und den Schweißverfahren. Einflussfaktoren sind Strom, Umhüllung der Elektroden,<br />

Elektrodenanstellwinkel sowie insbesondere die Umgebungsbedingungen wie<br />

Raumgröße, Zeitdauer und Art der Schweißverfahren. Ungünstige arbeitshygienische<br />

Bedingungen bestehen bei fehlender Absaugung, unzureichenden Lüftungsbedingungen<br />

oder beengten Verhältnissen wie im Behälterbau, Tanks, Containern, bestimmten<br />

Schiffsräumen sowie Kellern und Tunneln. Insbesondere beim<br />

Lichtbogenhandschweißen, MAG-Schweißen, Beschichten und Trennschneiden<br />

entstehen Rauche als arbeitsmedizinisch relevante Gefahrstoffe. Chemisch-irritative<br />

Stoffe wie Ozon entstehen beim MIG-, WIG- und MAG-Schweißen sowie Stickoxide<br />

insbesondere beim Autogenschweißen, Flammspritzen und Brennschneiden.<br />

Chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen bei Schweißern<br />

Aufgrund der Einwirkung von chemisch-irritativ oder toxischen Schweißrauchen werden<br />

obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der Berufskrankheit der Nr. 4302 der BKV<br />

verursacht. Über benigne Pneumokoniosen (Siderosen) wird bei Schweißern seit<br />

Jahrzehnten berichtet. Nach langjähriger Schweißraucheinwirkung unter unzureichenden<br />

arbeitshygienischen Bedingungen wurden wiederholt auch interstitiell fibrosierende<br />

Lungenerkrankungen beschrieben [1]. Hierbei handelt es sich um die Siderofibrose der<br />

Lungen.<br />

Bei der Schweißerlunge Synonym „Eisenstaublunge“, Schweißersiderose,<br />

Lungensiderose oder benigne Pneumokoniose handelt es sich um eine Ablagerung<br />

inhalierter Eisenoxide ohne klinische Zeichen der Fibrosierung. Die Siderofibrose der<br />

Lungen wird nach langjähriger und hochgradiger Schweißraucheinwirkung beobachtet<br />

[2]. Röntgenologisch zeigen sich diffus verteilte kleine unregelmäßige Schatten.<br />

Pathoanatomisch herrscht das Bild herdförmiger interstitieller Siderofibrosen vor. Im<br />

Lungengewebe werden Staubpartikel mit hohem Eisenanteil nachgewiesen, die sich in<br />

752


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

direkter topographischer Beziehung zu den hyalinen bindegewebigen Fibrosebezirken<br />

befinden [3].<br />

Lungenfunktionseinschränkungen bei der Schweißerlungenfibrose<br />

Kasuistisch empirische Untersuchungsergebnisse von 17 Schweißern im medianen Alter<br />

von 53 Jahren wurden durchgeführt. Die Dauer der Schweißraucheinwirkung betrug ca.<br />

27 Jahre mit einer Schweißdauer von etwa 46.115 Stunden im Median. Die kumulative<br />

Schweißrauchdosis wurde in mg/m 3 x Jahre ermittelt und lag zwischen 100 und 4380<br />

mg/m 3 x Jahre. Es wurden umfangreiche lungenfunktionsanalytische Daten<br />

einschließlich Belastungsuntersuchung erhoben. Bei sämtlichen Patienten war die<br />

kardiopulmonale Leistungsbreite unter Belastung eingeschränkt. 13 mal fand sich ein<br />

Abfall des Sauerstoffpartialdruckes unter Belastung. 9 mal war die Diffusionskapazität<br />

bereits in Ruhe vermindert. Lediglich bei 7 Patienten bestand eine Einschränkung der<br />

Vitalkapazität während die übrigen 10 Patienten ein regelrechten Befund hinsichtlich der<br />

Vitalkapazität auswiesen (siehe Abbildung 1).<br />

Lungenfunktionseinschränkungen bei Schweißern sind wiederholt beschrieben worden.<br />

In einer Fallkontrollstudie von Lyngenbo et al. [4] bestanden bei 8% (6 von 74) der<br />

Schweißer Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung, allerdings bei keinem der 31<br />

Kontrollpersonen. Die Abnahme der Vitalkapazität und Totalkapazität stellte die<br />

auffälligste Veränderung dar, welche mit einer restriktiven Ventilationsstörung vereinbar<br />

war. In einer Querschnittsstudie von Rastogi et al. [5] war bei 28% der Beschäftigten<br />

häufiger mit spirometrisch gemessenen Einschränkungen der Atemfunktion bei<br />

Schweißern gegenüber den Kontrollen mit 6,1% nachweisbar. Vorwiegend bestanden<br />

restriktive Ventilationsstörungen, wobei die forcierte Vitalkapazität im Mittel 63% des<br />

Sollwertes bei den Schweißern gegenüber 88% bei den Kontrollen lag. Ausschließlich<br />

restriktive Ventilationsstörungen fanden sich in 18,5% (5 von 27) bei Schweißern mit<br />

über 10-jähriger Expositionsdauer gegenüber 6,6% (2 von 30) bei Schweißern mit<br />

kürzeren Expositionsdauern.<br />

Durch Schweißrauche verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (Nr. 4302<br />

BKV)<br />

Aufgrund der chemisch-irritativen Wirkung u.a. von Stickoxiden und Ozon ist auch mit<br />

obstruktiven Atemwegserkrankungen bei Schweißern zu rechnen.<br />

Bei einem Patienten sind Atemnotbeschwerden beim Schweißen von Tanks (20.000 bis<br />

100.000 l) unter erheblicher Einwirkung von Schweißrauchbestandteilen aufgetreten. In<br />

einem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) mit Schweißrauchen beim Schweißen<br />

753


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

mit ummantelten Elektroden über die Dauer von etwa 20 Minuten kam es zu einem<br />

Anstieg des Atemwegswiderstandes (R t ) von 0,107 auf 0,36 kPa/l/sec (Normbereich bis<br />

0,35 kPa/l/s) bei einem Abfall der forcierten Vitalkapazität von 5,71 auf 3,47 l (Norm: 5,25<br />

l) und einen Abfall des FEV1 von 4,88 auf 2,81 l (Norm: 4,36l). Damit konnte im AIT mit<br />

Stabelektroden eine obstruktive Atemwegserkrankung auf Schweißrauche nachgewiesen<br />

werden.<br />

In der Literatur findet sich eine Reihe von Kasuistiken mit Atemwegserkrankungen bei<br />

Schweißern. Vergleichbar unserer Kasuistik hatten Hannu et al. [6] 34 Schweißer von<br />

rostfreiem Stahl untersucht, die einen positiven AIT mit Abfall des FEV1 und des Peak<br />

exspiratorischen Flusses (PEF) aufwiesen. 60% dieser Schweißer hatten auch eine<br />

unspezifische bronchiale Hyperreagibilität. Verlaufsuntersuchungen an 194 jungen<br />

Schweißern wurden von El-Zein et al. [7] durchgeführt. 15 Monate nach Arbeitsbeginn<br />

wiesen diese einen signifikanten Abfall im FEV1, der forcierten Vitalkapazität (FVC)<br />

sowie im FEV1/FVC aus (p


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Bei den Erkrankungen der Atemwege bei Schweißern werden obstruktive<br />

Ventilationsstörungen (Resistance-Erhöhung, FEV1 bzw. PEF-Abfall) am Arbeitsplatz<br />

oder im Arbeitsplatz(bezogenen)-Inhalationstest nachgewiesen. Es findet sich gehäuft<br />

eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität (UBH).<br />

Literatur<br />

1. Buerke U, Schneider J, Rösler J, Woitowitz H-J: Interstitial pulmonary fibrosis after<br />

severe exposure to welding fumes. Am J Ind Med 41 (2002): 259-268<br />

2. Buerke U, Schneider J, Müller KM, Woitowitz HJ: Schweißerlungenfibrose:<br />

Begründung für die Aufnahme als neue Berufskrankheit. Pneumologie 57 (2003): 9-<br />

14<br />

3. Müller KM, Verhoff MA: Graduierung von Sideropneumokoniosen. Pneumologie 54<br />

(2000): 315-317<br />

4. Lyngenbo O, Groth S, Groth M, Olsen O, Rossing N: Occupational lung function<br />

impairment in never-smoking Danish welders. Scand J soc Med 17 (1989):157-164<br />

5. Rastogi SK, Gupta BN Husain T, Mathur N, Srivastava S: Spirometric abnormalities<br />

among welders. Environ Res 56 (1991):15-24<br />

6. Hannu T, Pilpari R, Tuppurainen M, Nordman H, Tuomi T: Occupational asthma<br />

caused by stainless steel welding fumes: a clinical study. Eur Respir J 29 (2007): 85-<br />

90<br />

7. El-Zein M, Malo J-L, Infante-Rivard C, Gautrin D: Incidence of probable occupational<br />

asthma and changes in airway calibre and responsiveness in apprentice welders.<br />

Eur Respir J 22 (2003): 513-518<br />

8. Luo J-C J, Kuang-Hung H, Wu-Shiun S: Pulmonary function abnormalities and<br />

airway irritation symptoms of metal fumes exposure on automobile spot welders. Am<br />

J Ind Med 49 (2006): 407-416<br />

9. Lillienberg L, Zock J-P, Kromhout H, Plana E, Jarvis D, Toren K, Kogevinas: A<br />

population-based Study on welding exposures at work and respiratory symptoms.<br />

Am Occup Hyg Vol 52 No 2 (2008): 107-115<br />

755


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Code Dosis Röntgenfilm Histologie Lungenfunktionseinschränkung<br />

Nr. [mg/m 3 *Jahre] ILO s,t,u;p,q Fibrosierung VK Diffusion O2-Bel. Belastung<br />

17 2187 1/0 Mittelgradig<br />

o.B.<br />

16 194 2/1 Mäßiggradig o.B. - o.B.<br />

15 92 2/1 -<br />

o.B. o.B. o.B.<br />

14 115 2/2 Deutlich o.B. -<br />

13 1144 3/3 -<br />

-<br />

12 152 1/2 Leichtgradig o.B.<br />

11 221 2/3 Mäßiggradig<br />

o.B.<br />

10 1631 1/1 - o.B.<br />

o.B.<br />

9 64 3/2 Schwergradig - o.B.<br />

8 165 1/2 - o.B.<br />

7 287 1/2 Mäßiggradig o.B.<br />

6 2503 2/3 Schwergradig<br />

5 4350 1/1 - o.B.<br />

4 201 1/0 Leichtgradig o.B.<br />

3 160 1/1 Schwergradig<br />

2 3883 1/2 Deutlich<br />

1 803 2/1 Leichtgradig o.B. o.B.<br />

Einschränkung: leicht mittelgradig schwer<br />

I P A S<br />

Justus-Liebig<br />

Universität<br />

Giessen<br />

Abbildung 1: Kumulative Dosis und Befundspektrum bei Erkrankungen an Siderofibrose der<br />

Lungen nach langjähriger, hochgradiger Schweißrauch-Einwirkung<br />

756


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Eigene Erfahrungen mit den neuen Compliance-Sollwerten von<br />

Galetke et al.<br />

Alexandra Preisser, Lioubov Barbinova, Xaver Baur<br />

Universität Hamburg, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Klinische Arbeitsmedizin<br />

Hintergrund:<br />

Restriktive Lungenerkrankungen zeichnen sich neben Verminderung der<br />

Lungenvolumina und der Diffusionskapazität durch eine Einschränkung der<br />

Lungendehnbarkeit, der Compliance, aus. Die Messung der Compliance erfolgt durch die<br />

zeitgleiche Erfassung des intrathorakalen Druckes mittels eines Ösophaguskatheters<br />

und die Messung der Änderung der Lungenvolumina mit dem Pneumotachographen.<br />

Wird die Compliance während der Ruheatmung bestimmt, spricht man von der<br />

dynamischen Compliance, während die Erfassung der Werte bei minimalen<br />

Volumenänderungen während der sehr langsamen Exspiration die quasi-statische<br />

Compliance widerspiegeln soll. Für die Compliance sind verschiedene Sollwertformeln<br />

bekannt, die sehr unterschiedliche Abhängigkeiten von Alter und Größe wiedergeben,<br />

wobei jedoch die untersuchten Personengruppen teils nur klein waren und teils nur eine<br />

begrenzte Altersgruppe erfassten. Unseres Erachtens sollten am ehesten die in 2005<br />

von Galetke und Mitarbeitern erfassten Werte zur Verwendung kommen; diese wurden<br />

bei 208 männlichen gesunden Personen im Alter von 20 bis 69 Jahren für die<br />

dynamische und statische Compliance erhoben. Hierbei zeigte sich eine leichte<br />

Abhängigkeit der statischen Compliance von der Größe und der dynamischen<br />

Compliance vom Alter der Probanden entsprechend folgenden Formeln: Cstat = 0,0267 x<br />

Größe [cm] – 1,4385 [L/kPa] und Cdyn = - 0,0114 x Alter + 3,4149 [L/kPa]. Unser Ziel<br />

war es nun, diese Sollmittel- sowie die Sollgrenzwerte in der Beurteilung unserer<br />

Patienten der arbeitsmedizinischen Poliklinik in Ihrer Aussagekraft zu überprüfen.<br />

Methode:<br />

Bei 22 männlichen Patienten (Alter (Mittel±SD) 67,4 ± 5,9 J.) unserer<br />

arbeitsmedizinischen Poliklinik, die früher berufliche asbestexponiert waren, wurde die<br />

Untersuchung der statischen und dynamischen Compliance durchgeführt. Zwei dieser<br />

Patienten wiesen eine Lungenfibrose 1/1 nach ILO 2000 auf, höhergradige Fibrosen<br />

fanden sich nicht. Sechs Patienten zeigten umschriebene Pleuraplaques, während bei<br />

vier Patienten eine Hyalinosis complicata diagnostiziert wurde, z.B. nach früherem<br />

asbestbedingtem Pleuraerguss mit fibrosiertem Sinus phrenico-costalis als Restzustand.<br />

Zehn der untersuchten Personen zeigten keine asbesttypischen radiologischen<br />

Veränderungen.<br />

757


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Ergebnisse:<br />

Auch in den von uns erhobenen Messwerten zeigte sich eine positive Korrelation<br />

zwischen den erhobenen statischen Compliance-Werten und der Größe der Patienten,<br />

so dass sich die Werte insbesondere der Personen ohne radiologische Veränderungen<br />

gut in die Sollwertkurve nach Galetke et al. einfügen (Abb. 1). Die von uns erhobenen<br />

Werte zeigten außerdem eine Tendenz zur negativen Korrelation zwischen statischer<br />

Compliance und Alter. Die negative Korrelation mit dem Alter war deutlich zu erkennen<br />

bei den erhobenen Werten der dynamischen Compliance; hiernach bestätigte sich die in<br />

der Sollwert-Formel von Galetke dargestellte Altersabhängigkeit (Abb. 2).<br />

Auffallend zeigte sich, dass sowohl die von uns erhobenen Werte der statischen<br />

Compliance als auch der dynamischen Compliance (Abb. 1 und 2) im unteren Bereich<br />

der Sollwerte liegen, bemerkenswert insbesondere für die Personen, die keine<br />

radiologischen Lungenveränderungen aufwiesen. Die Sollgrenzwerte zeigen eine breite<br />

Streuung der Sollwerte nach Galetke, so dass beispielsweise ein Wert von 64% des<br />

Sollmittelwertes noch oberhalb der unteren Sollgrenze liegen kann.<br />

Die stärkste Minderung, insbesondere der statischen Compliance, zeigte die Gruppe der<br />

Patienten mit Hyalinosis complicata.<br />

Wir stellten ansonsten eine signifikante positive Korrelation zwischen der statischen<br />

Compliance und der erhobenen Vitalkapazität in unserem Kollektiv fest, außerdem auch<br />

eine entsprechende Korrelation zu der gemessenen Einsekundenkapazität.<br />

Diskussion:<br />

In unserem Kollektiv ist eine positive Korrelation zwischen statischer Compliance und<br />

Körpergröße festzustellen, außerdem eine negative Korrelation zwischen dynamischer<br />

Compliance und Alter. Die von uns erhobenen Werte liegen im unteren Bereich der<br />

Normwertverteilung nach Galetke. Die Streuungsbreite der Normwerte ist groß, so dass<br />

z.B. Werte von 64% des Soll-Mittelwertes oberhalb des unteren Soll-Grenzwertes liegen.<br />

Pleuraasbestosen mit Komplikation wie Pleuritis und Fibrose des costophrenischen<br />

Winkels zeigen die schlechtesten Compliancewerte.<br />

758


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Abb 1: Einordnung unserer Messdaten innerhalb der Sollwerte der statischen<br />

Compliance (positive Korrelation zwischen statischer Compliance und Größe); Ga-Re=<br />

Sollmittelwert nach Galetke, OG= obere Sollwertgrenze, UG= untere Sollwertgrenze<br />

Abb. 2: Einordnung unserer Messdaten innerhalb der Sollwerte der dynamischen<br />

Compliance (negative Korrelation zwischen dynamischer Compliance und Alter); Ga-Re=<br />

Sollmittelwert nach Galetke, OG= obere Sollwertgrenze, UG= untere Sollwertgrenze<br />

759


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Literatur<br />

Galetke W, Feier C, Muth T, Ruehle KH, Borsch-Galetke E, Randerath W. Reference<br />

values for dynamic and static pulmonary compliance in men. Respiratory medicine 2007;<br />

101: 1783-1789<br />

760


F1<br />

Forum Atemwege / Lunge<br />

Nicht-allergische Atemwegserkrankungen in der Landwirtschaft<br />

Astrid Heutelbeck<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

761


F2<br />

Forum Arbeitsphysiologie<br />

Subjektive Beurteilung der Arbeitsbedingungen in Warenverteilzentren<br />

für Kühl- und Tiefkühlkost<br />

Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />

Beanspruchungsreaktionen auf Kältearbeit bei +3° C und -24° C<br />

durch Blutdruck und Herzschlagfrequenz<br />

Mario Penzkofer, Karsten Kluth, Helmut Strasser<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />

Änderungen der Hautoberflächen- und Körperkerntemperatur<br />

beim Kommissionieren in einem Tiefkühlzentrum mit Arbeitsumgebungstemperaturen<br />

von +3° C bzw. -24° C<br />

Karsten Kluth, Mario Penzkofer, Helmut Strasser<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaften/Ergonomie, Universität Siegen<br />

Die Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

762


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Welches Potenzial kommt dem Arbeitsplatz bei der Prävention<br />

von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu?<br />

Andreas Seidler, Ulrike Euler, Frank Thalau<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin<br />

Nach Bankenkrisen wurde eine um etwa 6% erhöhte kardiovaskuläre Mortalität<br />

beschrieben. Akuter Stress kann über die Aktivierung des Sympathikus-<br />

Nebennieren-Systems zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Pathophysiologisch<br />

wird angenommen, dass dieser Zusammenhang vermittelt wird über eine<br />

Steigerung der Herzfrequenz und des Blutdrucks mit der Folge der Verstärkung<br />

einer vorbestehenden myokardialen Ischämie; durch ein proarrhythmogenes<br />

Potenzial; durch die herabgesetzte Endothelfunktion mit der möglichen Folge einer<br />

Plaque-Vulnerabilität sowie durch die Thombozytenaktivierung mit der Gefahr einer<br />

Thrombusbildung. Im weiteren Verlauf stellen sich entzündliche und hämostatische<br />

Prozesse ein (z.B. TNF-alpha- und IL-6-Ausschüttung mit der Folge einer<br />

verstärkten CRP- und Fibrinogen-Bildung). Eine stressbedingte vegetative<br />

Dysfunktion äußert sich u. a. als verminderte Herzfrequenz-Variabilität. Schließlich<br />

wird neben dem sympathischen System auch die Hypothalamus-Hypophysen-<br />

Nebennierenrinden-Achse aktiviert; gestörte zirkadiane Cortisol- und Serotonin-<br />

Muster können u. a. zu einer Insulinresistenz und zu einem Hypertonus führen.<br />

Bereits in den 1980er Jahren wurde von Karasek das „Demand-Control-Modell“<br />

beschrieben (Karasek 1989): Mit beruflichem Stress verbunden sind Berufe, die<br />

neben hohen quantitativen Anforderungen einen geringen Entscheidungsspielraum<br />

aufweisen; beispielhaft ließen sich Schwesternhelferinnen nennen. Manager und<br />

Ärzte hingegen sind zwar ebenfalls hohen quantitativen Anforderungen ausgesetzt,<br />

haben daneben aber einen hohen Entscheidungsspielraum; eine derartige Tätigkeit<br />

wird als „aktive“ Tätigkeit eingestuft und wird in der Regel nicht mit einem hohen<br />

Gefährdungspotenzial in Verbindung gebracht.<br />

Wie wirkt nun chronischer Berufsstress auf das Herz-Kreislauf-System? Führt<br />

beruflicher Stress zu einem ungünstigen Gesundheitsverhalten, sprich zu hohem<br />

Zigarettenkonsum, geringem Obst- und Gemüseverzehr, fehlender Sportausübung<br />

und zu geringem (sic!) Alkoholkonsum und begünstigen diese „klassischen“<br />

Risikofaktoren die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Und/oder führt<br />

beruflicher Stress zu hohen Blutfettwerten, Übergewicht, hohen Cholesterinwerten,<br />

hohen Blutzuckerwerten und Bluthochdruck – also zum metabolischen Syndrom –<br />

und begünstigt das metabolische Syndrom wiederum die Entstehung von Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen? Oder hat chronischer beruflicher Stress einen<br />

763


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

unmittelbaren Effekt auf das Herz-Kreislauf-System? Der Whitehall II-<br />

Kohortenstudie (Marmot et al. 2008) zufolge wird lediglich ein geringer Teil des<br />

Berufsstress-bezogenen Risikos für eine koronare Herzkrankheit über klassische<br />

Risikofaktoren und das metabolische Syndrom vermittelt; der größte Teil des<br />

Berufsstress-bezogenen Risikos verläuft nicht entlang dieses<br />

„verhaltensbezogenen“ Weges.<br />

Werden die verlorenen Lebensjahre für die Haupt-Krankheitsgruppen nach ICD-10<br />

(Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2006) mit den entsprechenden<br />

populationsbezogenen attributablen Risiken (Nurminen und Karjalainen 2001)<br />

multipliziert, so ergibt sich eine grobe Abschätzung des maximal möglichen<br />

Gewinns an Lebensjahren, vorausgesetzt, arbeitsbedingte Risikofaktoren ließen<br />

sich komplett beseitigen. Als Ergebnis dieser Modellrechnung besteht für Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen (knapp vor den Krebserkrankungen) das theoretisch<br />

höchste Präventionspotenzial bezüglich zu gewinnender Lebensjahre (s. Abb. 1).<br />

ICD-10-<br />

Krankheitsgruppen<br />

Verlorene Lebensjahre Populationsbezogene<br />

(nach<br />

attributable Risiken<br />

Gesundheitsberichtersta<br />

(nach Nurminen u.<br />

ttung des Bundes 2006)<br />

Karjalainen 2001)<br />

Gewinn an<br />

Lebensjahren<br />

1. Psychische und<br />

Verhaltensstörunge<br />

n<br />

2. Muskel-Skelett-<br />

Erkrankungen<br />

38.000 3,5% 1.300<br />

2.000 -- --<br />

3. Neubildungen 269.000 8,4% 22.600<br />

4. Krankheiten des<br />

Kreislaufsystems<br />

5. Krankheiten des<br />

Atemwegssystems<br />

Gesamt *ohne Verletzungen/<br />

Vergiftungen<br />

188.000 12,4% 23.300<br />

27.000 4,1% 1.100<br />

*816.000 6,7% *54.700<br />

Abb. 1: Gewinn an Lebensjahren durch die Beseitigung arbeitsbezogener Risikofaktoren<br />

764


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Doch lässt sich dieses theoretisch hohe Präventionspotenzial bezüglich<br />

arbeitsbedingter Herz-Kreislauf-Erkrankungen praktisch realisieren? Hierzu ist zum<br />

einen eine vertiefte Kenntnis spezifischer Hochrisikoberufe, Hochrisikotätigkeiten<br />

und spezifischer Risikofaktoren erforderlich; diese Kenntnis können insbesondere<br />

Kohortenstudien zu berufsbezogenen – insbesondere auch psychosozialen –<br />

gesundheitsschädigenden und salutogenen Einflussfaktoren erbringen. Inwieweit<br />

konkrete Veränderungen der Arbeitsbedingungen tatsächlich Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen verhindern können (und in welchem Umfang), lässt sich am Besten<br />

durch randomisierte kontrollierte Interventionsstudien untersuchen.<br />

Mit Bezug auf die im Titel des Beitrags gestellte Frage lassen sich folgende<br />

Schlussfolgerungen ziehen:<br />

- „Blue collar“-Beschäftigte mit hohen quantitativen Arbeitsanforderungen und<br />

geringem Entscheidungsspielraum haben ein erhöhtes Risiko für Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen.<br />

- Im Extremfall sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch „aktive“ Arbeit (hohe<br />

quantitative Anforderungen bei hohem Entscheidungsspielraum) möglich,<br />

hier ist auf „Karoshi“-Fälle bei Managern hinzuweisen (Nishiyama u. Johnson<br />

1997). In der Regel ist „aktiver“ Arbeit eher ein salutogener Effekt<br />

zuzuschreiben.<br />

- Arbeitsepidemiologische Beobachtungsstudien finden – meist unter Einsatz<br />

von Selbsteinschätzungsinstrumenten – teilweise hohe Herz-Kreislauf-<br />

Risiken für beruflichen Stress. Randomisierte kontrollierte<br />

Interventionsstudien sollten vermehrt durchgeführt werden, um Aufschluss<br />

über das tatsächlich realisierbare Präventionspotenzial zu erzielen und um<br />

wirksame von unwirksamen Präventionsmaßnahmen zu unterscheiden.<br />

- Neben verhältnispräventiven Präventionsansätzen sollte auch der (Primär-)<br />

Prävention im betrieblichen Setting erhöhte Bedeutung zugemessen werden.<br />

765


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Literaturverzeichnis<br />

Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2006, verfügbar unter<br />

http://infomed.mdsev.de/sindbad.nsf/23d3c3230b7af106c12571e800562768/8970a5dedcbac699c1257<br />

1ee0036856b/$FILE/Gesundheitsbericht_BRD-2006.pdf (letzter Zugriff 20-Feb-<br />

<strong>2009</strong>)<br />

Karasek R. Control in the workplace and its health-related aspects. In: Sauter S,<br />

Hurrell J, Cooper C, eds. Job control and worker health. New York: Wiley,<br />

1989:130.<br />

Marmot M, Shipley M, Hemingway H, Head J, Brunner E. Biological and behavioural<br />

explanations of social inequalities in coronary heart disease: the Whitehall II study.<br />

Diabetologia. 2008 Nov; 51(11): 1980-8. Epub 2008 Sep 6.<br />

Nishiyama K, Johnson, J. Karoshi-death from overwork: Occupational health<br />

consequences of Japanese production management. Int J Health Serv. 1997;27<br />

(4):625-41.<br />

Nurminen M, Karjalainen A. Epidemiologic estimate of the proportion of fatalities<br />

related to occupational factors in Finland. Scand J Work Environ Health 2001 Jun;<br />

27(3):161-213.<br />

766


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen:<br />

ERI<br />

Johannes Siegrist<br />

Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

767


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Instrumente zur Selbstbeurteilung psychischer Arbeitsbelastungen:<br />

COPSOQ<br />

Matthias Nübling<br />

Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, FFAS, Freiburg<br />

Ziel: Auf dem Hintergrund steigender Arbeitsunfähigkeitszahlen mit Diagnosen im<br />

Bereich psychischer Erkrankungen rückt sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus<br />

betrieblicher Sicht die Frage nach den psychischen Belastungen in den Vordergrund.<br />

Diskutiert werden in diesem Zusammenhang vor allem die Frage nach dem Was:<br />

„Welche Aspekte gehören zu den psychischen Faktoren am Arbeitsplatz“ und dem Wie:<br />

„Wie können psychische Belastungen zuverlässig ermittelt werden?“<br />

COPSOQ – Befragung und COPSOQ- Datenbank:<br />

„Was“: Die deutsche Version des COPSOQ- Fragebogens (Copenhagen Psychosocial<br />

Questionnaire, Kristensen et al., 2005) ist ein inhaltlich sehr breites und umfangreich<br />

validiertes und erprobtes Fragebogeninstrument zur Erfassung psychischer Belastungen<br />

und Beanspruchungen (Nübling et al. 2005, 2006). Die Standardversion beinhaltet 25<br />

Themen (in der Regel Skalen) zu psychischen Faktoren am Arbeitsplatz. Das Instrument<br />

begegnet damit der inhaltlichen Unbestimmtheit des Themas „psychische Faktoren“<br />

durch eine möglichst breite Abfrage der potenziellen Themen.<br />

„Wie“: Der COPSOQ ist ein Instrument zur Selbstbeurteilung der psychischen Faktoren,<br />

das in Betrieben und Organisationen zur Ermittlung der Belastungen auf Ebene von<br />

Personengruppen (z.B. Abteilungen) eingesetzt wird. Vergleiche mit berufsspezifischen<br />

Referenzwerten der COPSOQ- Datenbank (N=20.000) ermöglichen bzw. erleichtern die<br />

Verortung und Interpretation der eigenen Betriebsergebnisse und die Ableitung von<br />

Handlungsprioritäten.<br />

Weitere Entwicklung:<br />

Zur Zeit sind mehrere Entwicklungen im Gange, die allesamt das Ziel verfolgen, die<br />

Qualität der Messung und der Datenbasis weiter zu optimieren.<br />

1. Verbesserung der Datenbasis: Ein aktuell verfolgtes Ziel ist die Gewinnung von Daten<br />

in den bisher unterrepräsentierten blue-collar Berufen. Zudem wird der COPSOQ z. Z. in<br />

einer großen bevölkerungsrepräsentativen Studie eingesetzt, was den Vergleich der<br />

COPSOQ- Datenbank mit Repräsentativdaten ermöglicht.<br />

2. Veränderungsmessung: Ein weiterer methodischer Schwerpunkt ist die Überprüfung<br />

der Veränderungssensitivität und der Spezifität des Instruments in prä- und<br />

postinterventorischen Befragungen.<br />

768


F3<br />

Zwischenresumee und Ausblick:<br />

Die Selbstbeurteilung psychischer Aspekte am Arbeitsplatz hat zum einen den Vorteil der<br />

inhaltlich umfassenden Beurteilung: viele Aspekte, die mit anderen Methoden<br />

(Beobachtung, arbeitsphysiologische Messung) nur schwer oder gar nicht fassbar<br />

erscheinen, aber einer Selbstbewertung zugänglich sind (z. B. Führungsqualität,<br />

Gemeinschaftsgefühl u.a.), können mit in die Erhebung aufgenommen werden. Ein<br />

zweiter Vorteil ist die Ökonomie und Praktikabilität: mit vergleichsweise geringem<br />

Aufwand können alle Beschäftigten eines Unternehmens an der Bewertung teilnehmen<br />

(was auch per se schon einen Vorteil bei der Implementierung eines BGM darstellen<br />

kann).<br />

R²= 0.54<br />

Arbeitszufriedenheit<br />

ext.<br />

Forum Epidemiologie<br />

3. Externe Validierung: Dritter Punkt ist die Validierung der Selbstangaben durch<br />

Methodenkombinationen (COPSOQ- Befragungen, betriebsärztliche Befunde,<br />

betriebliche Daten, Expertenbewertungen; Triangulation) und die Überprüfung der<br />

Konkordanz bzw. interindividuellen Variabilität der Bewertungen bei gleichen<br />

Arbeitsbedingungen.<br />

4. Längsschnittstudien: Ein letzter wichtiger Punkt ist der Einsatz des COPSOQ (und des<br />

ERI) in Längsschnittstudien, z.B. in der Gutenberg-Heart-Study zur Prädiktion von Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen. Hier wird die Zukunft zeigen, welchen Stellenwert psychische<br />

Faktoren am Arbeitsplatz im Vergleich zu anderen Faktoren haben.<br />

Arbeitsplatzbezogene<br />

Belastungen<br />

R²= 0.34<br />

Burnout<br />

R²= 0.14<br />

Gesundheit<br />

R²= 0.22<br />

Lebenszufriedenheit<br />

Abbildung 7: Erklärte Varianz (R²) bei vier Outcomes durch je die 5 wichtigsten<br />

Arbeitsplatzfaktoren (Prädiktoren). Überprüfung: theoretische und emprirische „Nähe“ und<br />

„Ferne“.<br />

769


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Kritisch bei Instrumenten der Selbstbeurteilung ist die Frage nach der Objektivität,<br />

Validität und Reliabilität der Angaben. Intern (also mit Angaben aus dem Fragebogen)<br />

kann hier z.B. als Qualitätsmerkmal geprüft werden, ob die theoretisch postulierten<br />

internen Zusammenhänge sich auch empirisch abbilden. In Abbildung 1 sind die<br />

Ergebnisse von multiplen Regressionsanalysen mit der COPSOQ- Datenbank<br />

dargestellt. (Erklärkraft jeweils der 5 wichtigsten psychischen Faktoren auf vier<br />

verschiedene Outcomes). Hier zeigt sich, dass die im theoretischen Modell näher an der<br />

Arbeitsrealität befindlichen Outcomes (Arbeitszufriedenheit, Burnout) auch empirisch<br />

besser durch arbeitsplatzbezogene Faktoren erklärt werden können, als solche, die<br />

weiter vom Arbeitsleben entfernt sind, also noch mehr andere Einflussfaktoren haben<br />

(Gesundheitszustand, Lebenszufriedenheit; allerdings hätten wir hier eher die<br />

umgekehrte Reihenfolge erwartet).<br />

Neben solchen internen Prüfungen müssen - für Themen, bei denen das möglich ist -<br />

auch externe Validierungen vorgenommen werden, um die Selbstangaben der<br />

Beschäftigten zu validieren. D. h. Vergleiche von Ergebnissen unterschiedlicher<br />

Erhebungsmethoden: Fragebogen, Expertenrating, übergeordnete Datenquellen und<br />

Statitiken, betriebsärztliche Untersuchungen etc.<br />

Literatur:<br />

Kristensen TS, Hannerz H, Høgh A, Borg V. The Copenhagen Psychosocial<br />

Questionnaire (COPSOQ) - a tool for the assessment and improvement of the<br />

psychosocial work environment. Scand J Work Environ Health. 2005;31: 438-449.<br />

Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Methoden zur<br />

Erfassung psychischer Belastungen - Erprobung eines Messinstrumentes (COPSOQ).<br />

Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1058.<br />

Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2005<br />

Nübling, M., Stößel, U., Hasselhorn, HM., Michaelis, M., Hofmann, F.: Measuring<br />

psychological stress and strain at work: Evaluation of the COPSOQ Questionnaire in<br />

Germany. GMS Psychosoc Med. 3: 2006, Doc05. www.egms.de/en/journals/psm/2006-<br />

3/psm000025.shtml/<br />

770


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Beurteilung pschosozialer Arbeitsbelastungen aus arbeitspsychologischer<br />

Sicht - Vergleich zwischen Expertenassessment<br />

und ERI<br />

Renate Rau<br />

AG Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie, Fachbereich 04 Psychologie, Philipps-Universität<br />

Marburg<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

771


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher<br />

Sicht<br />

Detlev Jung<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; Betriebsärztliche<br />

Station<br />

Einführung: Die arbeitsmedizinische Analyse und Beurteilung einer betrieblichen<br />

Belastungssituation (sei sie chemischer, physikalischer, biologischer oder eben auch<br />

psychosozialer Art) hat als Ziel die Möglichkeit einer Entscheidung, nämlich, ob und<br />

welcher Handlungsbedarf besteht. Im Gegensatz zu den ersten drei Belastungsarten, für<br />

die es in der Regel Tests und Grenzwerte gibt (, was aber ebenfalls nicht ohne weiteres<br />

mit einer Beurteilungssicherheit gleichzusetzen ist), existieren für den Bereich der<br />

psychosozialen Belastung zwar Tests (BAuA), aber keine Grenzwerte; allenfalls werden<br />

einmal halbquantitative Grenzbereiche angeboten. Die Testergebnisse und die<br />

Ergebnisse von Einzelfragen können aber gute Hinweise auf den eigentlichen Focus der<br />

prekären psychosozialen Situation liefern. Um die Beanspruchung in dieser Situation zu<br />

erfassen, ist in aller Regel zusätzlich ein kreatives ärztliches Gespräch (frei/strukturiert<br />

mit SOFT/SWOT) nötig, in dem die Konstitution der Einzelperson,<br />

Umgebungsbedingungen und mögliche weitere Faktoren betrachtet werden. Erst dann<br />

können zusammen mit einer entsprechenden Beurteilung bei Bedarf<br />

Gestaltungsempfehlungen abgegeben werden (s.a. VDBW).<br />

Ansätze der Erfassung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher<br />

Sicht: Zur Strukturierung des Vorgehens im Betrieb bietet sich die bewährte Unterteilung<br />

in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention an. Im Bereich der Primärprävention ist in<br />

aller Regel der Arbeitgeber der Initiator einer Analyse. Es werden häufig ganze Bereiche<br />

bezüglich ihrer psychosozialen Belastung betrachtet (s.a. P2 in diesem Band), eine<br />

Kooperation zwischen innerbetrieblichen und ggf. auch mit externen Stellen ist<br />

notwendig. Die betriebsärztliche Aufgabe ist in dieser Kooperation als beratend zu<br />

sehen. Der Anstoß zur Aktivität im Rahmen der Sekundär- wie auch der<br />

Tertiärprävention geht häufig von den Betroffenen oder auch deren Vorgesetzten aus.<br />

Da hier die Betriebsärzte oft direkt angesprochen werden, ist ihre Aufgabe in<br />

diagnostischer und therapeutischer Beratung sowie in Kooperationssuche zu sehen. Zu<br />

diagnostizieren ist, welche Konstellationen zur psychosozialen Beanspruchung geführt<br />

und welche Folgen diese gezeitigt haben, und zu analysieren, inwieweit deren Einfluss<br />

durch Maßnahmen am Arbeitsplatz, im Privaten oder auch durch<br />

Einstellungsänderungen modifiziert werden kann. Kooperationspartner (Vorgesetzte,<br />

772


F3<br />

Forum Epidemiologie<br />

Personalbereich, Arbeitnehmervertretung u.a.) müssen bei Bedarf einbezogen werden.<br />

Im Bereich der Tertiärprävention können gesetzliche Vorgaben (§84 Abs. 2 SGB IX)<br />

gerade die Strukturierung des letzten Punktes unterstützen.<br />

Themenfelder: Die Belastungen resultieren aus der Arbeitsaufgabe, also aus dem<br />

quantitativen und qualitativen Ausmaß mentaler Anforderungen sowie dem<br />

Handlungsspielraum, aus der Arbeitsorganisation (Strukturierung, Nacht- und<br />

Schichtarbeit), der materiellen Arbeitsumgebung (Klimafaktoren, Großraumbüro etc.), der<br />

sozialen Arbeitsumgebung (Kooperation und Kommunikation mit Kollegen, Mitarbeitern<br />

und Vorgesetzten) sowie den betrieblichen und überbetrieblichen Rahmenbedingungen<br />

(Tarifbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Fortbildungsmöglichkeiten). Die Ressourcen<br />

sind in der psychischen, physischen und sozialen (im privaten wie betrieblichen Bereich)<br />

Stabilität der Mitarbeiter zu suchen. Typische Problemfelder sind etwa der<br />

demographische Wandel bei gleichzeitiger Vermehrung von Arbeit zu unüblichen Zeiten<br />

im Rahmen des globalisierten Wettbewerbs, das zunehmende Verwischen der Grenze<br />

zwischen Arbeit und Freizeit und die Forderung eigenständiger Arbeitsstrukturierung bei<br />

weiterhin hierarchisch orientierten Führungsstrukturen (s.a. Albrod).<br />

Fazit: Zur Beurteilung psychosozialer Arbeitsbedingungen aus betriebsärztlicher Sicht<br />

müssen immer wieder 1. die Strukturen der Beurteilung neu überdacht, 2. bei fehlenden<br />

Grenzwerten von Tests das individuelle Gespräch als notwendige Grundlage der<br />

Beurteilung angestrebt, 3. die Ausgangssituation (Primär-, Sekundär-, Tertiärprävention)<br />

bedacht und 4. die Kooperation mit Vorgesetzten, dem Personalbereich, der<br />

Mitarbeitervertretung, sonstigen interne und externe Institutionen (Sozialbereiche,<br />

Psychologen u.a.) angestrebt werden.<br />

Literatur:<br />

Albrod, M: Bedeutung psychomentaler Belastungen im betrieblichen Kontext.<br />

Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 43; 2008: 608-617<br />

VDBW Psychische Gesundheit im Betrieb – ein Leitfaden für Betriebsärzte und<br />

Personalverantwortliche. 2008<br />

Jung. D. Psychosoziale Faktoren. In: J. Petersen, A. Wahl-Wachendorf (Hrsg.).<br />

Praxishandbuch Arbeitsmedizin, Gentner-Verlag Stuttgart <strong>2009</strong><br />

http://www.rapidbi.com/created/SWOTanalysis.html (Zur Erläuterung der<br />

SOFT(SWOT)Analyse)<br />

BAuA: http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-<br />

Praxisbeispiele/Toolbox/Toolbox.html__nnn=true<br />

773


F4<br />

Gefahrstoffe<br />

Human Biomonitoring bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen im<br />

Hinblick auf die Gefahrstoffverordnung<br />

Thomas Kraus 1 , Hans Drexler 2<br />

1 Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />

2 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen<br />

Hb-Addukte als biochemische Effektmarker krebserzeugender<br />

Arbeitsstoffe<br />

Thomas Schettgen<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />

Qualitätssicherung für das Biomonitoring - aktueller Stand und<br />

neue Entwicklungen<br />

Thomas Göen, Karl-Heinz Schaller, Hans Drexler<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen<br />

Die Manuskript lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

774


F5<br />

Umweltmedizin<br />

Erkrankungen durch Schimmelpilze - die pneumologische Sicht<br />

Rolf Merget<br />

Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Ruhr-Universität<br />

Bochum<br />

Schimmelpilze - eine Expositionserfassung<br />

Guido Fischer<br />

Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Medizinische Fakultät der RWTH Aachen<br />

Feinstaub in Innenräumen - ein Gesundheitsrisiko?<br />

Thomas Baumeister<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />

Nürnberg<br />

Die Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

775


SY1<br />

Etablierung eines Risikomanagementsystems in der betrieblichen<br />

Betreuung<br />

Manuskript lag uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

776


SY2<br />

Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch Strom und<br />

Felder<br />

Unfälle durch elektrischen Strom - Unfallformen<br />

Jens Jühling<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />

Wirkungsmechanismen elektrischer Ströme im Organismus<br />

- Schwellenwerte<br />

Jiri Silny<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />

Gesundheitliche Risiken der Körperdurchströmung (Strom-Zeit-<br />

Kurven)<br />

Reinhard Hirtler<br />

Gemeinnützige Privatstiftung Elektroschutz, ESF Vienna, Wien<br />

Medizinische Befunde und Krankheitsbilder nach Körperdurchströmung<br />

Wolfgang Zschiesche<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />

Erste Hilfe und medizinische Maßnahmennach Stromunfällen<br />

Alexander Dorsch<br />

TrainMed GmbH, Haimhausen<br />

Pathophysiologie der Stromverbrennung und ihre Behandlung<br />

Andrzej Piatkowski de Grzymala, Dietmar Ulrich<br />

Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen<br />

Gesundheitliche Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF)<br />

Jiri Silny<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />

EMF-Portal: wissenschaftliche Literatur zu gesundheitlichen<br />

Wirkungen EMF<br />

Sarah Driessen, Roman Wienert<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />

Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz - Regelungen und<br />

Maßnahmen nach BGV B11<br />

Markus Fischer<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Köln<br />

777


SY2<br />

Wirkungen der Elektrizität beim Menschen - Gefährdungen durch Strom und<br />

Felder<br />

Störbeeinflussung von aktiven und passiven Implantaten durch<br />

elektrische Ströme und EMF<br />

Stephan Joosten<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen<br />

Besondere Gefahrenbereiche in der Industrie<br />

Hannah Heinrich<br />

2h-engineering, Hausen<br />

Die vorbeschriebenen Vorträge zu dem Symposium SY2 sind unter folgendem Link<br />

abrufbar:<br />

http://www.bgete.de/praev/praev_symposium_maerz_<strong>2009</strong>.html<br />

778


SY3<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Arbeitsmedizinische Betreuung bei Auslandstätigkeit<br />

Aufgaben - Inhalte - Probleme<br />

Ursula Mikulicz<br />

Deutscher Fachverband Reisemedizin e.V., Kronberg<br />

Neue rechtliche Rahmenbedingungen der arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorge bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Matthias Kluckert<br />

Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Bereich Prävention, Heidelberg<br />

Aspekte der betriebsärztlichen Betreuung bei Auslandseinsätzen<br />

Andreas Welker<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Voith AG, Heidenheim<br />

Untersuchungen nach Auslandstätigkeit (Inhalt und Umfang)<br />

Andreas Müller<br />

Missionsärztliche Klinik, Abteilung für Tropenmedizin, Würzburg<br />

Arbeitsaufenthalt im Ausland bei Vorerkrankungen<br />

Burkhard Rieke<br />

Gelbfieberimpfstelle, Tropenmedizinische Praxis, Düsseldorf<br />

Psychische Belastungen bei Arbeitsaufenthalt im Ausland<br />

Peter Schmitz<br />

Malteser Generalsekretariat, Malteser International, Köln<br />

Der Heimtransport aus medizinischen Gründen<br />

Wolfgang Mayrhofer<br />

Medizinische Assistance Ausland, Malteser Köln<br />

Die vorbeschriebenen Manuskripte lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

779


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Qualität in der Prävention – Betriebsärztliche und sicherheitstechnische<br />

Betreuung<br />

Dietmar Groß 1 , Andreas Genz 2 , Karsten Rossa 2 , Klaus Scheuch 2 , Dirk Seidel 3<br />

1 BG der Bauwirtschaft AMD, Cottbus<br />

2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU<br />

Dresden<br />

3 Service Stelle für statistische und epidemiologische Auswertungen, BG Bauwirtschaft Hannover<br />

Der Vortrag stellt eine Fortsetzung und den Abschluss der Ausführung vom AMD –<br />

Seminar in Hamburg am 13.03.2008 dar.<br />

1. Anschlussinformation<br />

In einem seit 2005 aufgelegten Großprojekt der DGUV, (Projektleiter Dr. Kohstall) wurde<br />

in 14 Teilprojekten die Qualität berufsgenossenschaftlicher Dienstleistungen untersucht.<br />

Die vorgetragenen Ergebnisse wurden im Teilprojekt 9 „Qualität der betriebsärztlichen<br />

und sicherheitstechnischen Betreuung“ von Mitarbeitern des Institutes für Arbeits- und<br />

Sozialmedizin der TU Dresden unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Scheuch erarbeitet.<br />

Als Projektleiter fungierte Dr. Giso Schmeißer.<br />

Ziel und Inhalt dieses Teilprojektes bestand in einer Untersuchung von Effektivität und<br />

Wirksamkeit betriebsärztlicher Betreuung unter besonderer Berücksichtigung der BGVA<br />

2.<br />

Zu diesem Zweck sollten drei Formen der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen<br />

Betreuung untersucht werden:<br />

<br />

<br />

<br />

ASD-Rhein-Ruhr der BG Fahrzeughaltungen, Binnenschifffahrt<br />

Betreuungsmodell der StBG<br />

Arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Dienst (AMD/STD) der<br />

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU)<br />

Die weiteren Ausführungen betreffen ausschließlich die Betreuungsform des AMD/STD<br />

der BG BAU, bei der der Vortragende seit Juli 2005 als Koordinator fungiert.<br />

780


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

2. Verlauf des QdP - Teilprojektes<br />

Der bisherige Verlauf und Inhalt des QdP – Teilprojektes 9 kann wie folgt beschrieben<br />

werden:<br />

Datenerhebung zur Fragebogenentwicklung in den Zielgruppen<br />

Interviews (2006)<br />

Persönliche Befragungen (2006)<br />

Pilotierung der Fragebögen bzw. des Versandes an die Arbeitsgeber (2006 /<br />

2007)<br />

Fragebogenaktion Nov. 2007 / Jan. 2008, synchronisiert mit „BG BAU aktuell<br />

4/07“, 15.11.2007<br />

Auswertung an der TU – Dresden wurde im November 2008 abgeschlossen.<br />

Ein Vergleich der 4 einbezogenen Zielgruppen ergab folgenden auswertbaren Rücklauf<br />

an Fragebögen:<br />

Stichprobe Fragebögen Rücklauf Prozent<br />

Betriebsärzte 100 67 67 %<br />

Fachkräfte für<br />

Arbeitssicherheit 203 82 40 %<br />

Arbeitsgeber 925 325 35 %<br />

Arbeitsnehmer 1110 675 61 %<br />

3. Ergebnisse<br />

Die Ergebnispräsentation erfolgte am 10.12.2008 in der Hauptverwaltung der BG BAU, in<br />

Berlin.<br />

Die Ergebnisse des 113 Seiten umfassenden Berichtes wurden nach den klassischen 3<br />

Qualitätsmerkmalen strukturiert vorgetragen und kommentiert:<br />

781


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

3.1. Ergebnisqualität<br />

Frage/Aussage<br />

Stichprob<br />

e<br />

[N]<br />

Respond<br />

er<br />

[n]<br />

ja<br />

[%]<br />

teilweise<br />

[%]<br />

Betriebsarzt trägt zur Verbesserung<br />

des Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzes im Unternehmen<br />

325 90,2 80,6 10,6 8,8<br />

bei<br />

Der Beratungsbedarf im<br />

Unternehmen wurde durch den<br />

325 90,5 91,8 4,4 3,8<br />

Betriebsarzt gedeckt<br />

Zufriedenheit der Unternehmer mit<br />

der Arbeit des Betriebsarztes<br />

325 91,4 96,6 — 3,4<br />

Waren die vom Betriebsarzt<br />

empfohlenen arbeitsschutzfördernden<br />

Investitionen auch<br />

198 81,8 95,7 — 4,3<br />

betriebswirtschaftlich vertretbar?<br />

Einschätzung des Preis-Leistungs-<br />

Verhältnisses der<br />

325 75,7 89,4 + 10,6 ++<br />

—<br />

+<br />

arbeitsmedizinischen Betreuung als<br />

gut + — schlecht +++<br />

Betreuungsanlässe für Unternehmer<br />

zum Hinzuziehen eines<br />

Betriebsarztes:<br />

- Gestaltung Arbeitszeit, Pausen,<br />

Schicht<br />

- Arbeitsmed. Untersuchungen u.ä.<br />

- Suchterkrankungen<br />

- Arbeitsplatzwechsel, (Wieder-)/<br />

Eingliederung<br />

- Häufung gesundheitlicher Probleme<br />

325 96,5<br />

8,3<br />

79,6<br />

54,1<br />

44,3<br />

66,6<br />

—<br />

—<br />

—<br />

—<br />

—<br />

nein<br />

[%]<br />

91,7<br />

20,4<br />

45,9<br />

55,7<br />

33,4<br />

Zusammenfassung Ergebnisqualität:<br />

Arbeitsmedizinische und Sicherheitstechnische Betreuung der BG BAU ist<br />

erforderlich.<br />

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit tragen zur Verbesserung des<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen bei.<br />

Arbeitsgeber sind weitgehend zufrieden mit der Betreuung.<br />

Das Preis – Leistung - Verhältnis wird eher gut eingeschätzt.<br />

Bei einzelnen Aufgaben bestehen Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Im Wissen der Arbeitgeber um Betreuungsanlässe bestehen Lücken.<br />

782


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

3.2. Strukturqualität<br />

Frage/Aussage<br />

Stichprob<br />

e<br />

[N]<br />

Responde<br />

r<br />

[n]<br />

ja<br />

[%]<br />

teilweise<br />

[%]<br />

Qualifikation des Betriebsarztes:<br />

FA für AM + — Zusatz BM ++ — z. Z. in 67 100,0 92,5 + 3,0 ++ 4,5 +++<br />

WB +++<br />

nein<br />

[%]<br />

Teilnahme der Betriebsärzte an<br />

Weiterbildung der Ärztekammer<br />

67 98,5 95,5 — 4,5<br />

Zusammenfassung Strukturqualität:<br />

<br />

<br />

<br />

Betriebsärzte sind hoch qualifiziert.<br />

Die Fortbildung ist zeitlich und finanziell abgesichert.<br />

Ein hoher Anteil der Arbeitszeit wird mit Untersuchungen/Messungen,<br />

Begehungen und Beratungen verbracht.<br />

36,8 % Untersuchungen<br />

18,3 % Beratungen<br />

9,1 % Begehungen<br />

____________________<br />

64,2 der Gesamtarbeitszeit<br />

=====================<br />

3.3. Prozessqualität<br />

Frage/Aussage<br />

Werden in Ihrem Unternehmen<br />

Gefährdungsbeurteilungen<br />

durchgeführt?<br />

Werden Sie als Betriebsarzt zur<br />

Erstellung von<br />

Gefährdungsbeurteilungen<br />

herangezogen?<br />

Sind dem Betriebsarzt die genauen<br />

Arbeitsplatzverhältnisse in Ihrem<br />

Unternehmen bekannt?<br />

Wird der Betriebsarzt bei Urlaub oder<br />

Krankheit kompetent vertreten?<br />

Stichprob<br />

e<br />

[N]<br />

Respond<br />

er<br />

[n]<br />

ja<br />

[%]<br />

teilweise<br />

[%]<br />

nein<br />

[%]<br />

325 95,1 87,4 — 12,6<br />

67 98,5 18,2 54,5 27,3<br />

325 87,4 77,5 — 22,5<br />

325 73,2 94,5 — 5,5<br />

783


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Beratungsmöglichkeit durch den<br />

Betriebsarzt bei dringendem Bedarf<br />

des Unternehmens:<br />

- per Telefon innerhalb 24 Stunden<br />

- vor Ort innerhalb 24 Stunden<br />

Kennen sich Ihr Betriebsarzt und Ihre<br />

Fachkraft für Arbeitssicherheit?<br />

325<br />

325<br />

79,7<br />

65,9<br />

48,2<br />

31,3<br />

30,1<br />

35,5<br />

21,7<br />

33,2<br />

325 95,4 71,3 16,5 12,3<br />

Einschätzung der Kooperation<br />

zwischen Betriebsarzt und Sifa als 325 61,5 97,0 + — 3,0 +++<br />

gut + — schlecht +++<br />

Zusammenfassung Prozessqualität:<br />

Die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen wir häufig angegeben<br />

(Selbsteinschätzung der Arbeitsgeber).<br />

Betriebsärzte sind an Gefährdungsbeurteilungen und der Wirksamkeitskontrolle<br />

von Maßnahmen weniger beteiligt als Fachkräfte für Arbeitssicherheit.<br />

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit werden kompetent vertreten.<br />

Telefonische Erreichbarkeit bei dringendem Beratungsbedarf könnte verbessert<br />

werden.<br />

70 % der Arbeitsgeber geben an, dass sich Betriebsarzt und Fachkraft für<br />

Arbeitssicherheit kennen.<br />

Wenn sie sich kennen, wird deren Zusammenarbeit als gut eingeschätzt.<br />

4. Weitere Vorgehensweise – Konsequenzen für die Prävention im AMD<br />

Neben der Auswertung der Ergebnisse, der Erkennung von Betreuungsdefiziten und der<br />

systematischen und zielgerichteten Verbesserung der Betreuungsqualität soll<br />

gemeinsam mit der TU – Dresden ein Indikatorsystem entwickelt werden<br />

Dieses System dient zur objektiven Bewertung der Betreuung und soll exemplarisch bei<br />

der BG BAU erprobt werden.<br />

Der Sinn eines Indikatorensystem?<br />

Schafft Ordnung und Struktur<br />

Reduziert die Informationsmenge auf das Wesentliche<br />

Fördert Transparenz und Überprüfbarkeit<br />

Ermöglicht eine Bewertung<br />

784


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Das Indikatorsystem ermöglicht Einschätzung der Betreuungsqualität durch:<br />

Diskussion und Festlegung von Betreuungszielen<br />

Internes Benchmarking bei wiederholten Befragungen<br />

Ergänzung vorhandener Qualitätsmanagementsysteme<br />

Handlungsbedarf wird erkennbar durch:<br />

Vergleich zwischen Zielen der BG BAU und Befragungsergebnissen<br />

Führt zu:<br />

Erhöhter interner und externer Transparenz der Arbeit von AMD und STD der<br />

BG BAU<br />

785


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Die Funktionen des Kompetenzzentrums von AMD und STD der<br />

BG BAU<br />

Bernd Hartmann<br />

BG der Bauwirtschaft – Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg<br />

1. Grundlagen<br />

Ein Kompetenzzentrum des Arbeitsmedizinischen Dienstes für die alternative Betreuung<br />

von Kleinbetrieben bis 10 Beschäftigte durch Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte<br />

erfolgt auf der Basis der Anlage 3 (zu § 2 Abs. 4) der BGV A2: „Abweichend von Abs. 2<br />

kann der Unternehmer nach Maßgabe der Anlage 3 ein alternatives Betreuungsmodell<br />

durch Kompetenzzentren wählen, wenn er aktiv in das Betriebsgeschehen eingebunden<br />

ist und die Zahl der Beschäftigten bis zu 10 beträgt. Erfüllt der Unternehmer seine<br />

Verpflichtungen im Rahmen der alternativen bedarfsorientierten Betreuungsform nicht,<br />

unterliegt er mit seinem Betrieb der Regelbetreuung nach Abs. 2 oder 3 dieser<br />

Unfallverhütungsvorschrift.“ Unternehmen mit ≤10 Beschäftigte sollten im Interesse einer<br />

rationellen Betreuung das alternative Betreuungsmodell wählen.<br />

Voraussetzungen zur Teilnahme am Kompetenzzentrum sind (BGV A2):<br />

Der Unternehmer wird von der BG BAU durch Teilnahme an Informations- und<br />

Motivationsmaßnahmen qualifiziert.<br />

Er beteiligt sich an Fortbildungsmaßnahmen und nimmt bedarfsorientiert die<br />

Betreuung durch das Kompetenzzentrum in Anspruch.<br />

Diese Informations- und Motivationsmaßnahmen umfassen 8 Lehreinheiten in Präsenz<br />

sowie Selbstlernmaßnahmen inkl. Lernerfolgskontrollen. Schwerpunktthemen sind<br />

insbesondere:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Arbeitsschutz als Führungsaufgabe und Unternehmensziel,<br />

Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes,<br />

Wirtschaftliche Aspekte des Arbeitsschutzes,<br />

Branchenspezifische Gefährdungspotenziale und Probleme des Arbeitsschutzes,<br />

Durchführung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen,<br />

Verfahren zur Feststellung des betrieblichen Beratungsbedarfs.<br />

Dem Kompetenzzentrum werden besondere Fortbildungsmaßnahmen übertragen (2.3):<br />

„Die Information und Motivation der Unternehmer wird durch regelmäßige Maßnahmen<br />

der Kompetenzzentren sowie durch Fachinformationen nach Vorgaben der<br />

Berufsgenossenschaft aufrechterhalten. Der Unternehmer hat sich daran zu beteiligen.“<br />

786


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

2. Umsetzung des Kompetenzzentrums durch AMD und STD<br />

Alle AMD-Zentren der BG BAU stehen bundesweit als Ansprechpartner für die<br />

Unternehmer zur Verfügung. Weiterhin stehen allen AMD Zentren Mitarbeiter des STD<br />

für sicherheitstechnische Fragen zur Seite. Auf Anfragen kann damit bedarfsgerecht und<br />

zeitnah reagiert werden, weil AMD und STD zusammenarbeiten.<br />

Wer soll durch die Kompetenzzentren erreicht werden? Nach einer Schätzung der<br />

Unternehmensstruktur liegen etwa 85% aller Unternehmen, die dem AMD der BG BAU<br />

angeschlossen sind, im Bereich der möglichen Betreuung durch das Kompetenzzentrum.<br />

Auf jeden Arzt entfallen statistisch durchschnittlich >900 Unternehmen. Diese könnten<br />

maximal durch das Kompetenzzentrum ohne Einsatzzeitennachweis zu betreuen sein.<br />

Angebotsformen dieser Betreuung sind mindestens<br />

a) Jährliche Information nach Gewerke-Schwerpunkten<br />

als „BG-BAU-aktuell“ - Beilage und als Aussendungen an Unternehmen mit Bezug<br />

zum Zentrum des AMD und des zugehörigen STD<br />

b) Gewerkebezogene Gesundheitsberichte des AMD als Datenbasis zur Begründung<br />

der Betreuung auf der Basis bestätigter Gefährdungen und<br />

Erkrankungsschwerpunkte,<br />

c) Betriebsbezogene Berichtspflichten als DV-Lösung in Kurzform über alle Aktivitäten<br />

vom AMD / STD über die im Kompetenzzentrum erbrachte Betreuung.<br />

d) Bundesweit vertiefende Seminare in Kooperation mit der Abteilung Prävention<br />

(möglich sind z. B. Korrosionsschutz, Altlasten, Druckluftarbeiten).<br />

Zusätzlich wird den Unternehmen angeboten, im AMD die Vorsorgekartei (neben der<br />

Unternehmerpflicht nach ArbMedVV) zu verwalten und die Aktualisierung des Bestandes<br />

entsprechend zu untersuchender (bzw. eine Vorsorge anzubietender) Beschäftigte wird<br />

ermöglicht. Die Unternehmen werden einmalig zur Wahrnehmung der fälligen Vorsorge<br />

aufgefordert.<br />

3. Schlussfolgerungen<br />

Die Kompetenzzentren führen die Erfahrungen der Poolbetreuung in der Bauwirtschaft<br />

nach der früher gültigen BGV A7 und deren Synergieeffekte fort. Zusätzlich stehen sie<br />

auch für erweiterte Fragestellungen bereit, was jedoch die Aktivität der Unternehmer<br />

voraussetzt. Für diese gibt das Kompetenzzentrum über die lokalen AMD-Zentren<br />

Auslöseimpulse in Form von Hinweisen auf zweckmäßige Angebote und ggf. Pflichten.<br />

Die inhaltliche Steuerung der Kompetenzzentrums ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die<br />

langjährig in der Baubranche erfahrene Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte in<br />

Verbindung mit anderen Präventionsfachkräften bei der BG BAU erfüllen. Eine<br />

787


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Expertenliste des AMD weist für übergreifende Fragestellungen Spezialisten für die<br />

Erarbeitung spezifischer fachlicher Grundlagen aus.<br />

788


S<br />

Seminar des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft der<br />

Bauwirtschaft<br />

Praktische Umsetzung des G 25 und G 41 und die neue<br />

Rechtsverordnung „Arbeitsmedizinische Vorsoge“<br />

Kurt Rinnert<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, BG Bau, Köln<br />

AMD-Mitarbeit in Netzwerken<br />

Beate Nölle<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, BG Bau, Dortmund<br />

Hautkrebs durch UV-Licht - aus dermatologischer Sicht<br />

Thomas Diepgen<br />

Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg<br />

Hautkrebs durch UV-Licht - aus BK-rechtlicher Sicht<br />

Otto Blome<br />

Informationsmanagement / Institut für arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten, Köln<br />

Das neue Einstufungs- und Kennzeichnungssystem GHS<br />

- ein Überblick<br />

Kerstin Rathmann<br />

GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />

Sachstand zu künstlichen Mineralfasern<br />

Norbert Kluger<br />

GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />

Sicherer Umgang mit optimierten Epoxidharzprodukten<br />

Reinhold Rühl, Klaus Kersting<br />

GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Frankfurt<br />

Die oben aufgeführten Beiträge lagen uns bei Redaktionsschluss nicht vor.<br />

789


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Projekt zur Evaluation der Berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsätze<br />

Harald Wellhäußer<br />

Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Bereich Prävention, Heidelberg<br />

Ziel aller arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen ist und bleibt der<br />

Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Trotz aller Maßnahmen zur Verbesserung von<br />

Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sind weiterhin biologische, chemische,<br />

psychische und physikalische Einwirkungen der Beschäftigten in vielen Arbeitsbereichen<br />

gegeben. Aus diesem Grunde sind wirksame Maßnahmen der Sekundärprävention<br />

notwendig.<br />

Und genau hier setzen arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen an. Sie sollen<br />

Vorstadien und Frühsymptome arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen frühzeitig<br />

erkennen und ermöglichen, Maßnahmen zur Vermeidung von manifesten<br />

Gesundheitsstörungen zu ergreifen. Eine umfassende und wirksame Früherkennung<br />

dient somit auch der Verbesserung der Erfolge bei ggf. notwendigen Heilbehandlungen.<br />

Ein wirksames Instrument zur Früherkennung von Gesundheitsstörungen bei<br />

Beschäftigten, das durch die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die<br />

Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand geschaffen wurde, sind die "Speziellen<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach den Berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsätzen". Jährlich werden mehrere Millionen arbeitsmedizinische Untersuchungen<br />

nach unseren Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen durchgeführt. Die Anlässe zu<br />

diesen Untersuchungen gibt aktuell im Wesentlichen die Verordnung zur<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorge vor. Nach wie vor werden die<br />

Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze als allgemein anerkannte Erkenntnisse der<br />

Arbeitsmedizin umgesetzt und nachgefragt.<br />

Im Rahmen des Projektes wurde der Frage nachgegangen, ob die Grundsätze unter den<br />

gegebenen Bedingungen auch vor dem Hintergrund des finanziellen Aufwands der<br />

Untersuchungen weiterhin als effizientes und effektives Instrument zur Förderung und<br />

zum Erhalt für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu betrachten sind.<br />

Das Projekt wurde als Querschnittsbetrachtung angelegt, deren Untersuchungskollektiv<br />

2000 Beschäftigte aus allen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft umfassen sollte. Der<br />

Qualitätsstand der Untersuchungen selbst war nicht Gegenstand der Studie.<br />

790


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Zur Datenerhebung wurden Fragebögen an Betriebsärzte unterschiedlichster<br />

Unternehmen versendet. Das Untersuchungskollektiv repräsentierte einen breiten<br />

Querschnitt verschiedenster Branchen und Dienstleistungsbereiche. Um eine zu starke<br />

Aufsplitterung der Evaluation zu vermeiden, wurde die Anzahl der zu untersuchenden<br />

Grundsätze auf 5 begrenzt. Trotzdem sollte sich bei der Auswahl der zu untersuchenden<br />

Grundsätze das breite Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen für<br />

möglichst viele Gefährdungen abbilden.<br />

Insgesamt wurden 1.983 Bögen ausgefüllt zurückgesendet. Erstaunlicherweise kamen<br />

auch einige Bögen zurück, auf denen Grundsätze dokumentiert wurden, die gar nicht<br />

abgefragt worden waren. Von einigen Kolleginnen und Kollegen wurden sogar mehr<br />

Bögen zurückgeschickt als ursprünglich erwartet, aber auch das haben wir sehr gerne<br />

entgegengenommen. Dies erklärt z. B. beim G 37 einen Anteil zurückgesendeter<br />

Fragebögen von 115%. Gleichwohl, zusammenfassend kamen wir auf eine<br />

Rückläuferquote von 99,15%, was eine erstaunlich hohe Beteiligung und damit ein<br />

angenehm hohes Interesse an unserer Untersuchung bei den beteiligten Ärztinnen und<br />

Ärzten belegt.<br />

Da es sich bei der Studie um eine Querschnittsuntersuchung handelte, waren als<br />

Untersuchungsanlässe sowohl Erstuntersuchungen als auch Nachuntersuchungen<br />

möglich. Am häufigsten wurden die Fragebögen im Rahmen von Nachuntersuchungen<br />

bearbeitet. Über alle Grundsätze zusammen waren Pflicht- und<br />

Angebotsuntersuchungen jeweils ca. zur Hälfte vertreten.<br />

In Summe betrachtet konnte in 86,5% der Untersuchungen das Ergebnis „keine<br />

gesundheitlichen Bedenken“ dokumentiert werden. "Keine gesundheitlichen Bedenken<br />

unter bestimmten Voraussetzungen" konnten in 12,9% ausgesprochen werden, in jeweils<br />

0,3% aller Untersuchungen lauteten die Befunde „befristete gesundheitliche Bedenken“<br />

und „dauernde gesundheitliche Bedenken“. Diese Verteilung entsprach einem<br />

Erwartungswert aus früheren Jahren, als über die Landesverbände noch derartige<br />

Zahlen erhoben worden waren.<br />

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Ergebnis 86,5% ohne<br />

gesundheitlichen Bedenken keine weiteren Empfehlungen nach sich ziehen würde.<br />

Dieser Schluss ist falsch. Über alle Grundsätze gerechnet konnten bei 887<br />

Untersuchungen Empfehlungen, Auflagen oder Bedenken durch den untersuchenden<br />

Arzt bzw. die untersuchende Ärztin dokumentiert werden. Dies entspricht fast der Hälfte<br />

der ausgewerteten Untersuchungsbögen. Diese Empfehlungen, Auflagen und Bedenken<br />

791


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

wurden weiter differenziert nach tätigkeitsbezogenen Befunden, ungünstigen<br />

Arbeitsplatzgestaltungen, nach Verdacht auf Berufskrankheiten bzw. Maßnahmen nach §<br />

3 Berufskrankheitenverordnung und nach berufsunabhängigen Befunden bzw.<br />

Risikofaktoren. Nicht überraschend war in der letztgenannten Gruppe die häufigste<br />

Anzahl zu verbuchen. Diese 887 Empfehlungen, Auflagen und Bedenken blieben<br />

natürlich nicht gut gehütetes Geheimnis des untersuchenden Arztes, sondern mündeten<br />

in 1.644 Fällen in Empfehlungen an Beschäftigte sowie in 341 Fällen in Empfehlungen<br />

an den Unternehmer.<br />

Bei den durchgeführten Untersuchungen wurden verschiedenste auffällige Befunde<br />

erhoben. Diese Befunde wurden in insgesamt 9 Kategorien zusammengefasst. Neue,<br />

bislang nicht bekannte medizinische Befunde wurden in 294 aller Untersuchungen<br />

erhoben. In 292 Untersuchungen wurden daraufhin verhaltensorientierte Beratungen<br />

durchgeführt, die ausreichend waren, um keine medizinischen Bedenken äußern zu<br />

müssen. Auch dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass auch in der großen Gruppe der<br />

"ohne gesundheitlichen Bedenken" befundeten Beschäftigten zum Teil Handlungsbedarf<br />

bestand. Ebenfalls bemerkenswert ist die hohe Zahl an Empfehlungen, die zu einer<br />

weiteren ärztlichen Behandlung führten. Der größte Teil der Empfehlungen an die<br />

Beschäftigten bezog sich auf die Themenbereiche Sehvermögen, Ernährung und<br />

Raucherentwöhnung.<br />

Um die Gründe für gesundheitliche Bedenken bzw. den Zusammenhang zwischen dem<br />

Untersuchungsergebnis und möglichen Einflussfaktoren herauszufinden, wurden mit<br />

Hilfe der logistischen Regression Auswertungen der Daten durchgeführt. Zielvariable war<br />

der binäre Faktor Untersuchungsergebnis. In das Regressionsmodell wurden alle<br />

erhobenen Faktoren aufgenommen. In der univarianten Analyse waren außer dem<br />

Geschlecht, dem Rauchverhalten und dem Übergewicht alle ausgewählten Faktoren<br />

statistisch signifikant mit dem Ergebnis der Untersuchung korreliert. In der multivarianten<br />

Analyse blieben 6 Faktoren übrig, die statistisch signifikant waren.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeit von gesundheitlichen Bedenken bei den<br />

verschiedenen untersuchten Grundsätzen wurden die Auswertungen innerhalb der<br />

untersuchten 5 BG Grundsätze getrennt. Es zeigte sich, dass sich kein Faktor in allen 5<br />

Grundsätzen als statistisch signifikant erwies. Die Auswahl der Faktoren blieb immer<br />

unterschiedlich. Es ist jedoch zu bedenken, dass aufgrund der Fülle der Vergleiche eine<br />

Reihe von Ergebnissen auch per Zufall signifikant gewesen sein könnte. Es konnte<br />

hierbei nicht unterschieden werden, welche der signifikanten Ergebnisse wirklich einen<br />

Einfluss darstellten und welche Merkmale per Zufall signifikant waren. Letztlich sind die<br />

792


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Faktoren, die im Zusammenhang mit der Häufigkeit von gesundheitlichen Bedenken<br />

stehen, von Grundsatz zu Grundsatz unterschiedlich. Daher war es nicht möglich, eine<br />

gemeinsame Aussage hierzu zu treffen. Es waren vielmehr spezifische Aspekte, die mit<br />

dem Ergebnis im Zusammenhang standen.<br />

Insgesamt lautete bei 86,5% aller Untersuchungen das Ergebnis "keine gesundheitlichen<br />

Bedenken". Die Gründe für diesen hohen Anteil an Beschäftigten, deren Untersuchung<br />

keine gesundheitlichen Bedenken ergab, sind vielfältig. Worin liegen diese Gründe?<br />

Zunächst wird durch Angebots- und Pflichtuntersuchungen eine große Gruppe von<br />

Probanden erreicht, die nicht aufgrund von Krankheitssymptomen zu der Untersuchung<br />

erscheinen, sondern aufgrund von Regelungen im Arbeitsschutz. Personen mit<br />

bestimmten Beschwerden oder Erkrankungen werden bereits vorab aus<br />

Arbeitsbereichen herausgenommen, an denen das Risiko des Verschlimmerns dieser<br />

Beschwerden oder Erkrankungen besteht. Dies gehört auch zu den Effekten einer<br />

effizienten arbeitsmedizinischen Sekundärprävention. Ein Grund des häufigen Urteils<br />

"keine gesundheitlichen Bedenken" ist auch in den ständig weiterentwickelten<br />

Präventionsmaßnahmen in den Betrieben zu sehen, die auch auf den Empfehlungen der<br />

Betriebsmediziner beruhen. Nicht zuletzt die arbeitsmedizinischen<br />

Vorsorgeuntersuchungen mit ihren Beratungen der Beschäftigten und die aus diesen<br />

Untersuchungen resultierenden Empfehlungen an die Unternehmen und Beschäftigten<br />

tragen dazu bei, durch Verhalten und Verhältnisprävention die arbeitsbedingten<br />

Gefährdungen, die gesundheitlichen Einschränkungen führen könnten, zu reduzieren.<br />

12,9% der ausgewerteten Bögen zeigten als Ergebnis "keine gesundheitlichen Bedenken<br />

unter bestimmten Voraussetzungen". Die hierbei betroffenen Arbeitnehmer profitierten<br />

direkt von dem Instrumentarium der Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze. In diesen<br />

Fällen wurden im Rahmen der Sekundärprävention Belastungen der Gesundheit<br />

aufgrund der Arbeitsbedingungen festgestellt, die dann direkt zu Empfehlungen und<br />

Maßnahmen führten, die eine Erkrankung des Beschäftigten verhindern helfen. Die<br />

niedrige Zahl der ausgesprochenen "dauernden gesundheitlichen Bedenken" und<br />

"befristeten gesundheitlichen Bedenken" darf nicht zu der Schlussfolgerung verleiten,<br />

dass zu viele Probanden untersucht wurden oder dass der Personenkreis der zu<br />

Untersuchenden weiter eingeschränkt werden sollte. Vielmehr kommen hier die<br />

jahrzehntelangen Bemühungen aller am Arbeitplatz und Gesundheitsschutz im Betrieb<br />

beteiligten Akteure zum Ausdruck, die die Arbeitsplätze so gestaltet haben, dass diese<br />

Befunde nach einer Untersuchung nur selten ausgesprochen werden mussten.<br />

793


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Die detaillierten Untersuchungen zeigten auch, dass es keinen Grundsatz gab, bei dem<br />

besonders häufig Befunde bestimmter Befundkategorien erhoben wurden. Insofern<br />

können keine Grundsätze im Rahmen des Projektes identifiziert werden, die besonders<br />

geeignet wären, um sehr sensitiv gesundheitliche Beeinträchtigungen aufzuzeigen.<br />

Daraus kann gefolgert werden, dass das breite Angebot von verschiedenen Grundsätzen<br />

begründet und erforderlich ist.<br />

Die Auswertung der Fragebögen weist deutlich darauf hin, dass die<br />

Vorsorgeuntersuchungen häufig über die gesundheitliche Beurteilung hinausgehende<br />

gesundheitsförderliche Aspekte berücksichtigen. So werden in vielen<br />

arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen wertvolle Empfehlungen zur<br />

Gesundheitsförderung an die untersuchten Beschäftigten weitergegeben. Die weit über<br />

eintausend Empfehlungen und Beratungen sowohl an die Beschäftigten als auch an die<br />

Unternehmer, die in den Fragebögen dokumentiert wurden, weisen nach, dass spezielle<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen neben den unmittelbar<br />

tätigkeitsbezogenen Wirkungen auch Beiträge zur Gesunderhaltung der Probanden<br />

leisten, die nur mittelbar mit der Tätigkeit in Zusammenhang stehen oder dem privaten<br />

Bereich zuzuordnen sind. Somit leistet die spezielle arbeitsmedizinischen Vorsorge auch<br />

einen Beitrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass die ständig weiterentwickelten Berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ein effizientes und<br />

aktuelles Instrumentarium für die arbeitsmedizinische Vorsorge darstellen und damit<br />

einen wichtigen Beitrag zur Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit leisten.<br />

794


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention braucht<br />

praxisnaheForschung<br />

Michael Nasterlack<br />

Aus der Abteilung Occupational Medicine & Health Protection der BASF SE, Ludwigshafen, (Direktor: Dr.<br />

Stefan Lang)<br />

Einleitung<br />

Die Arbeitsmedizin ist wie kein anderes medizinisches Spezialistenfach interdisziplinär.<br />

Ihr Aufgabengebiet umfasst so ziemlich alle denkbaren Gesundheitszustände und deren<br />

Wechselwirkungen mit menschlicher Arbeit, soweit diese nicht a priori die Verrichtung<br />

jeglicher Arbeit ausschließen. Hierbei bedient sie sich jeweils etablierter Methoden aus<br />

den verschiedenen medizinischen Fachbereichen. Dieses gilt sowohl für die klassische<br />

Sekundärprävention („Gesundheitsüberwachung“) als auch für die in neuerer Zeit als<br />

immer wichtiger erkannte Primärprävention („Gesundheitsförderung“).<br />

Hierbei kann nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, dass alle Verfahren, die aus der<br />

klinischen Medizin stammen und überwiegend an Kranken aller Altersstufen entwickelt<br />

und erprobt wurden, auf im Prinzip gesunde, erwachsene Arbeitnehmerkollektive<br />

übertragbar sind. Die im arbeitsmedizinischen Alltag eingesetzten Methoden müssen<br />

überdies nicht nur wissenschaftlich fundiert sein, sondern auch praxistauglich bleiben.<br />

Praxistauglich ist hierbei vor allem das, was unter realen Bedingungen ohne erhebliche<br />

Störung der betrieblichen Abläufe durchführbar ist und sowohl für die betroffenen<br />

Arbeitnehmer als auch für die bezahlenden Arbeitgeber Nutzen schafft.<br />

Am Beispiel einer derzeit laufenden Studie im Rahmen von nachgehenden<br />

Untersuchungen nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 33 „aromatische<br />

Amine“ und einer in der BASF SE seit mehreren Jahren angebotenen<br />

Darmkrebsvorsorge soll gezeigt werden, wie praktische Arbeitsmedizin auch unter<br />

„Feldbedingungen“ zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess der<br />

arbeitsmedizinischen Verfahren und Prozesse beitragen kann.<br />

Beispiel Darmkrebsvorsorge<br />

Der Darmkrebs ist in Deutschland bei beiden Geschlechtern mit fast 60.000<br />

Neuerkrankungen pro Jahr die zweithäufigste Krebserkrankung. Obwohl er der Vorsorge<br />

grundsätzlich gut zugänglich ist und bei frühzeitiger Diagnose die Heilungsrate mit über<br />

90% angegeben wird, ist er auch weiterhin die zweithäufigste krebsbedingte<br />

Todesursache. Dies könnte grundsätzlich einer schlechten Sensitivität der zur<br />

Früherkennung eingesetzten Tests auf verstecktes Blut im Stuhl (FOBT), einer<br />

795


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

unzureichenden Teilnahmerate an den angebotenen Vorsorgeprogrammen oder der<br />

nicht konsequent verfolgten diagnostischen Abklärung „positiver“ Screening-Befunde<br />

geschuldet sein. Zwar waren in der Vergangenheit mehr oder weniger gezielte<br />

Kampagnen zur Darmkrebsvorsorge in verschiedensten Umfeldern bereits durchgeführt<br />

worden, jedoch waren uns systematische Untersuchungen mit entsprechender<br />

Nachverfolgung von Einzelfällen unter Feldbedingungen bislang nicht bekannt geworden.<br />

Aus diesem Grund führte die Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der BASF<br />

SE in den Jahren 2001 und 2002 eine Vorsorgeinitiative gegen Darmkrebs durch<br />

(Webendörfer et al. 2004). Im Rahmen dieser Aktion erhielten alle damals hier<br />

beschäftigten 13.265 Mitarbeiter, die das 45. Lebensjahr vollendet hatten, ein<br />

ausführliches Informationsschreiben mit Einladung zur Teilnahme an der Aktion.<br />

Insgesamt 3.732 Personen (28,1% der Zielgruppe) gaben einen FOBT ab und<br />

beantworteten Fragen zu beobachtetem Blut im Stuhl sowie zur Familienanamnese<br />

bezüglich Darmkrebs. Eine Indikation zur Koloskopie wurde aufgrund der Resultate bei<br />

insgesamt 688 Teilnehmern gestellt; 323 Personen (47%) ließen diese Untersuchung<br />

durchführen. Bei neun untersuchten Mitarbeitern wurde ein manifestes Karzinom<br />

gefunden, davon sechs in Frühstadien. In 61 Fällen wurden adenomatöse Polypen<br />

diagnostiziert und in der gleichen Sitzung abgetragen. Eine konservative Kosten-Nutzen-<br />

Analyse der Aktion ergab 1:10 auf der betrieblichen Ebene und 1:14 im Bereich des<br />

öffentlichen Gesundheitssektors. Aufgrund dieser überzeugenden Ergebnisse wurde aus<br />

der damaligen Gesundheitsaktion ein permanent weiter geführtes Vorsorgeangebot an<br />

über 45-jährige Mitarbeiter, an dessen Kosten sich auch die Betriebskrankenkasse<br />

ProNova beteiligt. Die Teilnahmequote ist in dieser Zeit auf 32% angestiegen, aber wir<br />

streben mehr an.<br />

Beispiel arbeitsmedizinische Vorsorge<br />

Arbeitnehmer, die früher beruflichen Umgang mit bestimmten aromatischen Aminen<br />

hatten, sind bekanntermaßen einem erhöhten Blasenkrebsrisiko ausgesetzt. Industrie<br />

und Berufsgenossenschaften haben hieraus Konsequenzen gezogen und bieten diesem<br />

Personenkreis nachgehende Untersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen<br />

Grundsatz G 33 an. Das spezifische Untersuchungsinventar dieses Grundsatzes sieht<br />

bislang eine allgemeine Urinuntersuchung sowie eine zytologische Untersuchung des<br />

Urinsediments vor. Als fakultative Untersuchung wird die Bestimmung von NMP22<br />

erwähnt. Inwieweit dieses Untersuchungsprogramm den Erfordernissen eines<br />

Risikokollektivs aus bislang symptomfreien Personen Rechnung trägt, wurde von uns<br />

erstmals in einer retrospektiven Auswertung der bis dahin bei uns durchgeführten<br />

nachgehenden Untersuchungen an 1.679 Teilnehmern überprüft (Nasterlack et al. 2001).<br />

Hierbei ergab sich eine mit 88% gute Sensitivität der kombinierten Indikatoren<br />

796


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

„wiederholte Mikrohämaturie oder auffällige Zytologie“ mit einem allerdings sehr<br />

unbefriedigenden positiven prädiktiven Wert von nur 4%. Urinbasierte diagnostische<br />

Marker können möglicherweise die Früherkennung von Harnblasenkrebs weiter<br />

verbessern. Ein International Consensus Panel of Bladder Cancer Tumor Markers<br />

empfahl jedoch geeignete prospektive Studien, um die prädiktiven Werte diese Marker<br />

zuverlässiger bewerten zu können (Habuchi et al. 2005, Lokeshwar et al. 2005). Vor<br />

diesem Hintergrund entstand das Forschungsprojekt UroScreen in Kooperation zwischen<br />

der BASF SE, Currenta (ehemals Bayer), der Berufsgenossenschaft der chemischen<br />

Industrie, dem Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen (ODIN), dem<br />

Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut Bochum und der Klinik für Urologie der<br />

Universität Tübingen. Um zu prüfen, ob Harnblasenkrebs mit einzelnen oder<br />

kombinierten Tumormarkern besser erkannt wird als durch Hämaturie oder Zytologie,<br />

wird seit 2003 bis voraussichtlich 2010 ehemals beruflich Exponierten jährlich ein<br />

erweitertes Früherkennungsprogramm mit der quantitativen Bestimmung von NMP22<br />

und dem von der FDA zugelassenen UroVysion TM -Test angeboten. Bei einem positiven<br />

Befund in mindestens einem dieser Marker wird die Durchführung einer Urozystoskopie<br />

zur weiteren Diagnostik empfohlen. Zusätzlich wird in einem Teilkollektiv der noch nicht<br />

klinisch etablierte Marker Survivin bestimmt, um hierfür eine retrospektive Auswertung zu<br />

ermöglichen (Stockmann et al. 2005).<br />

Bisher haben 1.556 Personen dieses Angebot mindestens einmal wahrgenommen. Unter<br />

4.738 Urinuntersuchungen traten 166 positive NMP22-Befunde und 62 positive Survivin-<br />

Bestimmungen auf, insbesondere bei Entzündungen, die als Ausschlusskriterium<br />

bekannt sind, in der Praxis aber nicht immer als solche gehandhabt werden können.<br />

Positive UroVysion TM -Tests zeigten sich bei 48 Proben, teilweise gemeinsam mit<br />

auffälligen Zytologiebefunden. Bisher wurden 15 Tumoren bei 14 Personen ermittelt, von<br />

denen elf in der vorausgegangenen Marker-Untersuchung einen positiven Urinbefund<br />

hatten. Protein-basierte (NMP22, Survivin) und zell-basierte Tests (UroVysion TM ,<br />

Zytologie) ergänzen sich hierbei. Insgesamt weisen diese ersten Ergebnisse darauf hin,<br />

dass ein Marker-Panel zu einer erfolgreichen Erkennung von Harnblasenkrebs in frühen<br />

Stadien führen kann. Die praktischen Erfahrungen dieser umfangreichen prospektiven<br />

Studie werden auch dazu beitragen, die Entscheidungsfindung für eine<br />

Blasenspiegelung zu optimieren.<br />

Schlussfolgerung<br />

Projekte wie die hier beschriebenen sind in vielen Fällen aufwändig, manchmal auch<br />

teuer. Ihre Durchführung muss den Kostenverantwortlichen gegenüber im Zweifelsfalle<br />

gut begründet werden. Für den Nachweis eines Nutzens reicht nicht mehr der einfache<br />

797


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Verweis auf Erfahrungswissen. Das Projektdesign muss im Sinne der Qualitätssicherung<br />

eine spätere strukturierte und nachvollziehbare Evaluation möglich machen. Hieraus lassen<br />

sich dann Potenziale für die kontinuierliche Verbesserung von praxisrelevanten<br />

Methoden und Verfahren ableiten. Dieser Prozess kann nicht ausschließlich - und noch<br />

nicht einmal überwiegend - im klinischen oder universitären Umfeld erfolgen, idealer<br />

Weise aber in enger Kooperation mit solchen Institutionen.<br />

Literatur<br />

Habuchi T, Marberger M, Droller MJ, Hemstreet GP 3rd, Grossman HB, Schalken JA,<br />

Schmitz-Dräger BJ, Murphy WM, Bono AV, Goebell P, Getzenberg RH, Hautmann SH,<br />

Messing E, Fradet Y, Lokeshwar VB (2005) Prognostic markers for bladder cancer:<br />

International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology 66 (Suppl. 1):64-74.<br />

Lokeshwar VB, Habuchi T, Grossman HB, Murphy WM, Hautmann SH, Hemstreet GP<br />

3rd, Bono AV, Getzenberg RH, Goebell P, Schmitz-Dräger BJ, Schalken JA, Fradet Y,<br />

Marberger M, Messing E, Droller MJ (2005) Bladder tumor markers beyond cytology:<br />

International Consensus Panel on bladder tumor markers. Urology 66 (Suppl. 1):35-63.<br />

Nasterlack M, Scheuermann B, Messerer P, Pallapies D, Zober A (2001)<br />

Harnblasenkrebs in einem Risikokollektiv - klinische und epidemiologische Aspekte.<br />

Symposium Medical 12:17-19.<br />

Stockmann H, Delbanco J, Eberle F, Scheuermann B, Nasterlack M, Brüning T, Johnen<br />

G (2005) Survivin als Früherkennungsmarker bei Harnblasenkarzinomen.<br />

Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin<br />

45:192-194.<br />

Webendörfer S, Messerer P, Eberle F, Zober A (2004) Darmkrebs-Vorsorge im Betrieb.<br />

Dtsch Med Wschr 129:239-243.<br />

798


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Qualität der arbeitsmedizinischen Prävention aus Sicht der<br />

<strong>DGAUM</strong><br />

Stephan Letzel<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz<br />

Einleitung:<br />

Prävention am Arbeitsplatz ist die originäre Aufgabe der Arbeitsmedizin und beinhaltet<br />

das Gesamtspektrum der arbeitsmedizinischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention<br />

sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung (Abb. 1). Grundvoraussetzung der<br />

arbeitsmedizinischen Prävention ist die Gefährdungsbeurteilung.<br />

Abb. 1: Untergliederung der arbeitsmedizinischen Prävention<br />

Für den Begriff Qualität gibt es z. T. sehr unterschiedliche Definitionen. Nach DIN EN<br />

ISO 9000:2005 ist Qualität der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale<br />

Anforderungen erfüllt. Die Qualität gibt damit an, in welchem Maß ein Produkt oder eine<br />

Dienstleistung den bestehenden Anforderungen entspricht. Während Th. Heuss einmal<br />

formuliert hat „Qualität ist das Anständige“ und damit eine ethische Dimension bei der<br />

Definition der Qualität berücksichtigt hat, definierte Lettmann „Qualität ist, dass das<br />

Richtige richtig gemacht wird.“ Die drei genannten Qualitätsdefinitionen zeigen sehr<br />

unterschiedliche Schwerpunkte auf und sind nur zum Teil auf den Bereich der Prävention<br />

anzuwenden. Vom Institute of Medicine der national Academy of Sciences der USA<br />

wurde 1990 folgende Definition des Qualitätsbegriffes für die Medizin entwickelt: „ Quality<br />

of care is the degree to which health services for individuals and populations increase the<br />

likelihood of desired health outcomes and are consistent with current professional<br />

799


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

knowledge“ (Lohr und Schroeder, 1990). Sinngemäß auf die arbeitsmedizinische<br />

Prävention übertragen würde dies bedeuten: Qualität der arbeitsmedizinischen<br />

Prävention ist das Maß, in dem die Prävention von Individuen oder Personengruppen am<br />

Arbeitsplatz die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass unerwünschte, auf die Gesundheit<br />

bezogene Ergebnisse vermieden werden und zwar in Übereinstimmung mit dem<br />

aktuellen Wissen der Arbeitsmedizin. Bei der arbeitsmedizinischen Prävention darf<br />

zusätzlich als Qualitätsmerkmal auch nicht die Angemessenheit und Vertretbarkeit der<br />

Präventionsaufwendungen für das zu erzielende Ergebnis außer Acht gelassen werden.<br />

Qualitätsebenen der Prävention:<br />

Ein geeignetes Konzept zur Bestimmung der Qualität der arbeitsmedizinischen<br />

Prävention ist das analytische Konzept von Donabedian, das die Qualität in die drei<br />

Variablenkomplexe Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität unterteilt.<br />

Die Strukturqualität beschreibt hierbei die Rahmenbedingungen der präventiven<br />

Maßnahmen und beinhaltet u. a. die fachliche Qualifikation der beteiligten Personen, die<br />

Ausstattung der betriebsärztlichen Einrichtung, die Form der Zusammenarbeit mit an der<br />

Prävention beteiligten Fachrichtungen und Leistungserbringern sowie die entsprechende<br />

Organisationsstruktur.<br />

Die fachliche Qualifikation der im Bereich der arbeitsmedizinischen Prävention<br />

beschäftigten Ärztinnen und Ärzte liegt im Verantwortungsbereich der ärztlichen<br />

Selbstverwaltung in Zusammenarbeit der Ärztekammern (Bundesärztekammer,<br />

Landesärztekammern) mit den entsprechenden Fachgesellschaften (Deutsche<br />

Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (<strong>DGAUM</strong>), Verband Deutscher<br />

Betriebs- und Werksärzte(VDBW)). Wichtiger Bestandteil der fachlichen<br />

Qualitätssicherung im Bereich der Strukturqualität ist das Weiterbildungskurrikulum des<br />

Faches, das in der Weiterbildungsordnung (Facharzt „Arbeitsmedizin“,<br />

Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“) sowie im Kursbuch für den theoretischen<br />

Weiterbildungskurs in der Facharzt-Weiterbildung Arbeitsmedizin und in der Zusatz-<br />

Weiterbildung Betriebsmedizin verankert ist. Eine kontinuierliche Anpassung der<br />

Weiterbildungsinhalte an die Anforderungen der betriebesärztlichen Praxis ist dabei<br />

dringend erforderlich. Qualitativ hochwertige Weiterbildung setzt zudem qualifizierte<br />

Weiterbilder voraus. Eine entsprechende Qualitätssicherung muss daher sowohl die<br />

Weiterbilder als auch die Weiterbildungsinhalte sowie die Akademien für Arbeitsmedizin,<br />

die die theoretischen Weiterbildungskurse durchführen, mit einschließen. Als wichtiges<br />

Instrumentarium der Qualitätssicherung der arbeitsmedizinischen Prävention darf auch<br />

800


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

die strukturierte Fortbildung nicht vergessen werden. Hier würde sich die Erarbeitung von<br />

gemeinsamen Fortbildungsangeboten, insbesondere von VDBW, <strong>DGAUM</strong>,<br />

Ärztekammern, Akademien für Arbeitsmedizin und der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

anbieten.<br />

Neben der fachlichen Qualität der arbeitsmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte sind<br />

auch entsprechende Qualitätsanforderungen an das arbeitsmedizinische<br />

Assistenzpersonal zu stellen.<br />

Für die Qualität der betrieblichen Prävention ist es eine große Herausforderung,<br />

bestehende Schnittstellenprobleme zu lösen und damit zur Überwindung tradierter<br />

Zuständigkeiten beizutragen. Das immense Fachwissen der präventiv tätigen Akteure ist<br />

unter Einbeziehung der Arbeitsmedizin zu bündeln, um damit zu einer Optimierung des<br />

Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz und zur Arbeitssicherheit beizutragen.<br />

Die adäquate Ausstattung (personell, apparativ, baulich, Infrastruktur) der<br />

betriebsärztlichen Einrichtung ist eine wichtige Voraussetzung einer qualitativ<br />

hochwertigen arbeitsmedizinischen Prävention. Entscheidende Einflussgrößen sind hier<br />

insbesondere die Gefährdungssituation und die Personalstruktur der zu betreuenden<br />

Betriebseinheiten sowie die Bereitschaft (Unternehmensphilosophie) und die<br />

wirtschaftlichen Möglichkeiten des zuständigen Arbeitgebers. Dem Arbeitsmediziner<br />

kommt hierbei als qualifiziertem Berater des Arbeitgebers (u. a. §3 des ASiG) eine<br />

entscheidende Bedeutung zu.<br />

Die Prozessqualität beschreibt die Qualität, wie die präventiven Maßnahmen im<br />

Einzelfall durchgeführt werden, insbesondere die Prozessabläufe des praktischen und<br />

technischen Vorgehens im Einzelfall, die Dokumentation der präventiven Maßnahmen<br />

sowie die interpersonelle Zusammenarbeit.<br />

Ein wichtiges Instrumentarium zur Optimierung der Prozessqualität sind<br />

wissenschaftliche Leitlinien. Die wissenschaftlichen Leitlinien in der Medizin werden von<br />

den entsprechenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach den Regeln der<br />

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)<br />

erarbeitet. Die AWMF nimmt hierbei eine Schlüsselrolle bei der Koordination und<br />

Qualitätssicherung der Leitlinienentwicklung wahr.<br />

801


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Die Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind<br />

systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen<br />

Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der<br />

Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber<br />

auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die Leitlinien sind für Ärzte rechtlich nicht<br />

bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende<br />

Wirkung. Diese Leitlinien sind wesentlicher Bestandteil des Qualitätsmanagements im<br />

Gesundheitswesen und werden nach den in Tabelle 1 zusammengestellten<br />

Entwicklungsstufen erarbeitet.<br />

Tabelle 1: Entwicklungsstufen wissenschaftlicher medizinischer Leitlinien<br />

Entwicklungsstufe<br />

Definition<br />

S1<br />

S2<br />

S3<br />

von einer Expertengruppe im informellen Konsens<br />

erarbeitet<br />

eine formale Konsensfindung und/oder eine<br />

formale „Evidenz“-Recherche hat stattgefunden<br />

Leitlinie mit zusätzlichen/allen Elementen einer<br />

systematischen Entwicklung (Logik-,<br />

Entscheidungs- und „Outcome“-Analyse,<br />

Bewertung der klinischen Relevanz<br />

wissenschaftlicher Studien)<br />

Im Bereich der Arbeitsmedizin wurden in den letzten Jahren insgesamt 29 Leitlinien<br />

entwickelt, verabschiedet und regelmäßig aktualisiert (<strong>DGAUM</strong>, <strong>2009</strong>). Diese Leitlinien<br />

entsprechen hauptsächlich den Entwicklungsstufen S1. Derzeit wird in Zusammenarbeit<br />

u. a. mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und <strong>DGAUM</strong><br />

eine S3 Leitlinie „Arbeitsmedizinische Vorsorge der Berylliose“ erarbeitet. Weitere<br />

arbeitsmedizinische Leitlinien sind derzeit in Vorbereitung.<br />

Die Ergebnisqualität der arbeitsmedizinischen Prävention ist ein Maß für den Nutzen<br />

der präventiven Maßnahmen. Die Ergebnisqualität geht hierbei über die Vermeidung von<br />

Versicherungsfällen (Berufskrankheiten, Arbeitsunfälle, Wegeunfälle) hinaus und betrifft<br />

zudem u. a. die Vermeidung bzw. Reduzierung von arbeits(mit)bedingten Erkrankungen<br />

sowie die betriebliche Gesundheitsförderung.<br />

Als Maßzahl für die Ergebnisqualität sind Arbeitsunfähigkeitsdaten nur bedingt geeignet,<br />

da sie von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren (z. B. konjunkturelle Faktoren)<br />

beeinflusst werden und nur unzureichend den Gesundheitszustand der Beschäftigten<br />

wiedergeben. Aus Sicht der <strong>DGAUM</strong> muss daher ein erweitertes System von<br />

„Gesundheitskennzahlen“ und „Gesundheitszielen“ auf betrieblicher Ebene entwickelt<br />

802


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

werden, die einerseits den gesundheitsökonomischen Aspekten Rechnung tragen,<br />

andererseits die Ableitung entsprechender Unternehmensziele ergänzend zu<br />

bestehenden Zielsystemen zu Krankenstand und Unfallhäufigkeit ermöglichen. Diese<br />

erweiterte Zielsetzung ist aber auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil aus der<br />

Analyse von Einflussfaktoren auf die „Zielerreichung“ erweiterte Handlungsfelder und<br />

Instrumente ableitbar sind. Gesundheitskennzahlen müssen nach arbeitsmedizinischepidemiologischen<br />

Kriterien definiert und ausgewertet werden. Als Beispiel sei die<br />

Analyse beeinflussbarer Risikofaktoren von Belegschaftsgruppen genannt.<br />

Entsprechende Kennzahlen bilden das Fundament einer realistischen Erarbeitung<br />

betrieblicher Gesundheitsziele und eines umfassenden Gesundheitsmanagements; sie<br />

können durch anonymisierte Belegschaftsbefragungen und Arbeitsunfähigkeitsdaten<br />

ergänzt, aber keinesfalls ersetzt werden. (Letzel et al., 2007)<br />

Ein weiteres Maß für die Ergebnisqualität der arbeitsmedizinischen Prävention ist die<br />

Zufriedenheit sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber mit dem<br />

arbeitsmedizinischen Präventionsangebot und dessen Umsetzung. Bei beiden<br />

Gruppierungen steht sicherlich die generelle Abwehr und Vermeidung beruflicher<br />

Gesundheitsrisiken im Focus des Interesses, darüber hinaus ist jedoch davon<br />

auszugehen, dass es für die Arbeitnehmer besonders wichtig ist, dass präventive<br />

Maßnahmen u. a. zu keiner Gefährdung des Arbeitsplatzes führen, die<br />

Persönlichkeitsrechte (z. B. ärztliche Schweigepflicht) nicht beeinträchtigt werden und<br />

individuelle Bedürfnisse eine ausreichende Berücksichtigung finden. Aus<br />

Arbeitgebersicht dürften bei präventiven Maßnahmen u. a. Gesichtspunkte der<br />

Wirtschaftlichkeit und Produktivität von besonderer Bedeutung sein.<br />

Qualitätssicherung:<br />

Generell sind wichtige Bestandteile der Qualität und deren Weiterentwicklung – auch im<br />

Bereich der arbeitsmedizinischen Prävention – geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen.<br />

In der Medizin ist die Qualitätssicherung u. a. in § 5 der (Muster-)Berufsordnung<br />

für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend vorgeschrieben.<br />

Im Bereich der Arbeitsmedizin wurde Ende der 90iger Jahre auf Initiative des<br />

Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom VDBW die Gesellschaft zur<br />

Qualitätssicherung in der betriebsärztlichen Betreuung mbH (GQB) gegründet.<br />

Die Gründung der Gesellschaft erfolgte, um die Qualität in der betriebsärztlichen<br />

Tätigkeit und damit der arbeitsmedizinischen Prävention zu gewährleisten und zu<br />

verbessern. Zur übergeordneten Sicherstellung der Qualität, Gewährleistung der<br />

Anbieterneutralität und Unterstützung einer breiten Akzeptanz wurde für die GQB ein<br />

803


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Beirat geschaffen, in dem wichtige Institutionen bzw. Organisationen (u. a.<br />

Bundesärztekammer, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,<br />

Länderausschuss für Arbeitssicherheit und Sicherheitstechnik, Arbeitgeber- und<br />

Arbeitnehmervertretungen, Verband Deutscher Sicherheitsingenieure, gesetzliche<br />

Unfallversicherung und Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin)<br />

vertreten sind. Somit wurden im Bereich der praktischen Arbeits- bzw. Betriebsmedizin<br />

geeignete Strukturen zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung der Prävention<br />

geschaffen.<br />

Zusätzlich wurde von Seiten der <strong>DGAUM</strong> ein weit über Deutschland hinaus anerkanntes<br />

und genutztes System der Ringversuche für Biomonitoringuntersuchungen etabliert, das<br />

zu einer wesentlichen Verbesserung der Qualität toxikologischer Untersuchungsbefunde<br />

im Bereich der Prävention am Arbeitsplatz beigetragen hat.<br />

Über die Prävention hinausgehend wurde von der <strong>DGAUM</strong> in Zusammenarbeit mit den<br />

Akademien für Arbeitsmedizin zur Qualitätssicherung arbeitsmedizinischer Gutachten ein<br />

Kurrikulum für Fortbildungskurse zur Erlangung eines Zertifikates „Arbeitsmedizinische<br />

Zusammenhangsbegutachtung“ geschaffen (Weihrauch et al. 2002). In den letzten<br />

Jahren wurden hierzu mehrere Fortbildungsveranstaltungen angeboten.<br />

Aus Sicht der <strong>DGAUM</strong> erscheint die Etablierung einer hohen arbeitsmedizinischen<br />

Qualität an den Universitätsinstituten von besonders hoher Priorität, da diese als<br />

unabhängige Einrichtungen eine besondere Vorbildfunktion innerhalb des Faches<br />

besitzen. Dort werden die Grundlagen der arbeitsmedizinischen Prävention im<br />

„Pflichtfach“ Arbeitsmedizin im Rahmen der universitären Lehre allen zukünftigen<br />

Ärztinnen und Ärzten vermittelt. Zudem ist eine qualitativ hochwertige<br />

arbeitsmedizinische Präventionsforschung als Grundlage für die Praxis – gerade in einer<br />

sich kontinuierlich verändernden Arbeitswelt – dringend erforderlich. Die aktuelle<br />

Entwicklung zeigt jedoch, dass arbeitsmedizinische Universitätsinstitute zunehmend<br />

aufgelöst oder so stark in der Ausstattung beschnitten werden, dass eine qualitativ<br />

hochwertige Lehre und unabhängige Forschung im Bereich arbeitsmedizinischer<br />

Prävention z. T. nicht mehr möglich sind. Die <strong>DGAUM</strong> verfolgt diese Entwicklung, die<br />

unweigerlich zu deutlichen Einschränkungen der Qualität arbeitsmedizinischer<br />

Prävention führen muss, mit großer Besorgnis und versucht hierauf Einfluss zu nehmen.<br />

Ausblick:<br />

Als Ausblick zum Thema „Qualität in der arbeitsmedizinischen Prävention“ dürfen<br />

abschließend nochmals die Kernaussagen des Positionspapiers der <strong>DGAUM</strong> und des<br />

804


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

VDBW aus dem Jahr 2004 (<strong>DGAUM</strong>, 2004) zitiert werden, die zwischenzeitlich nicht an<br />

Aktualität verloren haben:<br />

1.) Arbeitsmedizinische Prävention beinhaltet das Gesamtspektrum<br />

arbeitsmedizinischer Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention sowie der<br />

betrieblichen Gesundheitsförderung. Eine wichtige Rolle spielt dabei die<br />

Gefährdungsbeurteilung. Arbeitsmedizinische Prävention gewährleistet die<br />

Einheit von Verhältnis- und Verhaltensprävention.<br />

2.) Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von<br />

Erkrankungen und Gefährdungen, jedoch auch zur individuellen Prävention und<br />

zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sind zentraler Baustein der<br />

arbeitsmedizinischen Prävention.<br />

3.) Arbeitsmedizinische Prävention geht über die Vermeidung von<br />

„Versicherungsfällen“ hinaus.<br />

4.) Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bieten ein wesentliches<br />

Potenzial zur Prävention chronischer Erkrankungen<br />

5.) Arbeitsmedizinische Prävention ist mehr als eine kundenorientierte<br />

Dienstleistung: Sie dient dem Grundanliegen jedes Unternehmens und jedes<br />

Arbeitnehmers, sie ist unabhängig und unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht<br />

6.) Die betriebliche Gesundheitsförderung ist eine wichtige Aufgabe der<br />

Arbeitsmedizin. Arbeitsmedizinische Prävention und betriebliche sowie<br />

individuelle Gesundheitsförderung sind nicht zu trennen.<br />

7.) Arbeitsmedizinische Prävention ist das Kernelement des betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagements und Modell für ein präventionsorientiertes<br />

Gesundheitssystem<br />

Literatur:<br />

<strong>DGAUM</strong>: Zukunft der Arbeitsmedizinischen Prävention und Gesundheitsförderung. Position der<br />

Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. und des<br />

Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (21.10.04). http://www-dgaum.med.unirostock.de/PDF/Praevention.pdf<br />

<strong>DGAUM</strong>: Leitlinien der <strong>DGAUM</strong> für arbeitsmedizinisch und umweltmedizinisch relevantes<br />

ärztliches Handeln. <strong>2009</strong>. http://www.dgaum.de/<br />

Donabedian, A.: The quality of medical care. Methods for assessing and monitoring the<br />

quality of care for research and for quality assurance programs. Science 1978, 200,:856-864<br />

Letzel S, Stork J, Tautz A: 13 Thesen der Arbeitsmedizin zu Stand und Entwicklungsbedarf von<br />

betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Gesundheitswesen 2007; 69:<br />

319-322<br />

Lohr KN, Schroeder SA: A Strategy for Quality Assurance in Medicare. N<br />

Engl J Med 1990; 322:707-12<br />

805


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Weihrauch M., Borsch-Galetke E, Lehret G, Woitowitz H-J, Wrbitzky R.: Qualitätssicherung in der<br />

arbeitsmedizinischen Begutachtung – Curriculum zum Zertifikat „Arbeitsmedizinische<br />

Zusammenhangsbegutachtung“ der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin e.<br />

V.. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2002; 37:188-197<br />

806


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Leitfaden für Betriebsärzte zur Beratung des Arbeitgebers bei<br />

der Gefährdungsbeurteilung<br />

Jens Petersen,<br />

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Hamburg<br />

Einleitung<br />

Eine moderne Arbeitsmedizin geht über gesetzliche Grundlagen betriebsärztlicher<br />

Tätigkeit hinaus stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmen ein. Hierzu sind einerseits<br />

ergänzende Kompetenzen von Betriebsärzten in den Bereichen<br />

Gesundheitsmanagement, Konfliktmanagement und Wiedereingliederung zu erwerben,<br />

andererseits aber auch offensiv gegenüber Unternehmern und anderen Gruppen des<br />

betrieblichen Arbeitsschutzes darzustellen und zu vertreten. Dies sind die wesentlichen<br />

Aufgabenfelder des Arbeitskreises „Betriebsärztliche Tätigkeit“ im Ausschuss<br />

Arbeitsmedizin der DGUV. Er erweitert seit 2006 die bisherigen Aufgaben und entwickelt<br />

im Rahmen von Projekten praktische Hilfen für Unternehmer und Betriebsärzte über<br />

Rollenbild, Selbstverständnis und Präsentation von Betriebsärzten. Der Arbeitskreis<br />

besteht aus in vielen Branchen praktisch tätigen Betriebsärzten und Vertretern des<br />

Berufsverbandes und der wissenschaftlichen Gesellschaft.<br />

Nach der Erarbeitung von Schwerpunkthemen wurden diese nach den Kriterien<br />

„Betriebsärztliche Relevanz“ und „Bedarf“ wie folgt priorisiert:<br />

- Beratung zu allen Gesundheitsfragen am Arbeitsplatz<br />

- Betriebsärztliche Aspekte der Gefährdungsbeurteilung (GB)<br />

- Betriebsärztliche Aufgaben im Gesundheitsmanagement<br />

- Aufgaben und Leistungsspektrum betriebsärztlicher Tätigkeit<br />

- Nutzen betriebsärztlicher Tätigkeit<br />

- Betriebsärztliche Tätigkeit bei der Wiedereingliederung nach SGB IX<br />

Ziel ist es, das Medienangebot der DGUV um eine Reihe von identisch aufgebauten<br />

Leitfäden zu erweitern, die in kompakter Form notwendige Informationen für<br />

Betriebsärzte zusammenfassen, aber auch für die Darstellung betriebsärztlicher<br />

Aufgaben gegenüber dem Unternehmer genutzt werden können. Für den ersten<br />

Leitfaden wurde wegen des hohen Beratungsbedarfs und der Aktualität das Thema<br />

„Gefährdungsbeurteilung“ (GB) gewählt.<br />

807


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Rahmenbedingungen<br />

Die GB erfasst alle Ursachen für mögliche arbeitsbedingte Gesundheitsschäden und<br />

beschreibt die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Sie ist Grundlage für<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und die angemessene Beratung von<br />

Beschäftigten. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet jeden Arbeitgeber,<br />

Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf der Basis einer Beurteilung der in seinem Betrieb<br />

vorliegenden Gefährdungen zu ermitteln. Die GB wird damit zu einem zentralen<br />

Element, um Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu verbessern.<br />

Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben besteht Handlungsbedarf: Alle dreieinhalb<br />

Minuten kommt in der EU jemand aus arbeitsbedingten Gründen zu Tode. Das sind<br />

nahezu 167 000 Tote pro Jahr aufgrund arbeitsbedingter Unfälle (7 500) oder<br />

berufsbedingter Krankheiten (159 500). Alle viereinhalb Sekunden erleidet ein<br />

Arbeitnehmer in der EU einen Unfall, der ihn zwingt, mindestens drei Arbeitstage lang zu<br />

Hause zu bleiben. Die Zahl der Arbeitsunfälle, die zu drei oder mehr Tagen Abwesenheit<br />

vom Arbeitsplatz führen, liegt bei über 7 Millionen (OSHA, 2008).<br />

In § 5 ArbSchG ist die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung der<br />

Gefährdungsbeurteilung als zentrale Aufgabe des Arbeitgebers beschrieben.<br />

Ausdrücklich wird eine Beteiligung der Betriebsärzte an der Gefährdungsbeurteilung in §<br />

7 Abs. 7 Gefahrstoffverordnung, § 8 Biostoffverordnung und § 5 Lärm- und Vibrations-<br />

Arbeitsschutzverordnung gefordert. Nach den Berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen<br />

für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen setzt eine arbeitsmedizinische<br />

Beurteilung das Vorliegen einer GB voraus.<br />

Eine fundierte Gefährdungsanalyse ist eine wesentliche Grundlage für die<br />

betriebsärztliche Tätigkeit. Die Beratung des Arbeitgebers zur Durchführung der GB<br />

bietet Betriebsärzten die Möglichkeit, sich konstruktiv und kooperativ in die Gestaltung<br />

des Arbeitsschutzes im Unternehmen einzubringen. Die Gefährdungsbeurteilung mit<br />

abzuleitenden Maßnahmen ist Kernaufgabe des Betriebsarztes und kann in enger<br />

Kooperation mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit durchgeführt werden.<br />

Umsetzung<br />

Wie Abbildung 1 zeigt, erfolgte die Umsetzung einer GB bisher überwiegend in großen<br />

Unternehmen ab 50 Beschäftigten, während in Kleinbetrieben nur ein Drittel eine GB<br />

umgesetzt haben. Insgesamt ist aber der Anteil der Unternehmen seit 2002 deutlich<br />

gestiegen (Abbildung 2).<br />

808


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Gefährdungsbeurteilungen nach Betriebsgrößen<br />

100<br />

97<br />

90<br />

80<br />

80<br />

70<br />

60<br />

54<br />

Prozent<br />

50<br />

40<br />

30<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1 bis 9 10 bis 49 50 bis 249 über 250<br />

Anzahl Beschäftigte<br />

Abbildung 1 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach Betriebsgrößenklassen, Erhebung Deutschland,<br />

2005. Quelle: OSHA 2008.<br />

Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung<br />

vollständig<br />

21%<br />

nein<br />

42%<br />

begonnen<br />

17%<br />

überwiegend<br />

20%<br />

Abbildung 2 Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung, branchenübergreifende Erhebung 2002. Quelle:<br />

Amt für Arbeitschutz Hessen, 2003.<br />

In einer Erhebung aus Thüringen wird der Betriebsarzt nicht als eigenständige Gruppe<br />

genannt, wobei etwa zwei Drittel der GB durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit<br />

durchgeführt werden (Abbildung 3).<br />

809


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Durchführung der Gefährdungsbeurteilung<br />

70<br />

66<br />

60<br />

50<br />

Prozent<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

8<br />

9<br />

17<br />

0<br />

Arbeitgeber FASI Beauftrage Externe<br />

Abbildung 3 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, branchenübergreifende Erhebung 2007. Quelle:<br />

Thüringer Landesbetrieb für Arbeitsschutz, 2007<br />

Nutzen<br />

Eine GB gehört zu einem guten Managementansatz (OSHA, 2008). Die GB ist ein<br />

Instrument, mit dem der Arbeitsschutz optimiert, Handlungsschwerpunkte bestimmt,<br />

betriebliche Aktivitäten für die Verbesserung im Arbeitsschutz zielorientiert gesteuert und<br />

vor allem Aktionen kontrolliert und auf ihre Wirksamkeit untersucht werden können.<br />

Bereits die Vorgehensweise stellt einen ständigen Verbesserungsprozess dar. Mit einer<br />

strukturierten GB werden<br />

bedarfsgerechte Maßnahmen des Arbeitsschutzes festgelegt<br />

die Wahrnehmung von Gefährdungen bei den Beschäftigten geschärft<br />

die Motivation der Beschäftigten durch deren Beteiligung gestärkt<br />

das Unternehmensimage verbessert<br />

die Arbeitsschutzkultur im Betrieb verbessert<br />

eine Grundlage für Betriebsanweisungen und Unterweisungen geschaffen<br />

das Risiko arbeitsbedingter Erkrankungen und Arbeitsunfälle reduziert<br />

eine gute Planungsgrundlage für neue Tätigkeiten und Arbeitsplätze<br />

geschaffen.<br />

Die Umsetzung der Ergebnisse einer GB verringert die Störungen betrieblicher Abläufe.<br />

Damit leistet sie einen Beitrag zum Unternehmenserfolg und stellt Rechtssicherheit her.<br />

Alle Gefährdungen eines Arbeitsbereiches sind in einer einzigen GB<br />

zusammenzufassen, sie sollte systematisch unter Nutzung vorhandener<br />

Handlungsleitfäden und Hilfen durchgeführt werden.<br />

810


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Nach der Erstbeurteilung ist die GB in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.<br />

Mitwirkende sind Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Personalvertretung,<br />

Unternehmer und bei Bedarf weitere Experten. Die GB ist keine einmalige Aktion<br />

einzelner Experten, sie muss vielmehr zur betrieblichen Arbeitsschutzpraxis werden, die<br />

von allen Beschäftigten getragen wird. Auch die Mitarbeiter selbst sind daher immer<br />

einzubinden. Datengrundlage sind beispielsweise<br />

● Betriebsanweisungen, Gefahrstoffverzeichnis<br />

● Sicherheitsdatenblatt, Explosionsschutzdokument<br />

● Sicherheitsanalysen, Arbeitsbereichsanalysen<br />

● Gesundheitsakten, Verfahrensanweisungen<br />

Indikationen für eine GB sind<br />

● Neubeschaffung von Arbeitsmitteln, Einführung neuer Arbeitsstoffe<br />

● Bautechnische oder organisatorische Änderung von Arbeits- und<br />

Verkehrsbereichen<br />

● Einrichtung oder Änderung von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen<br />

● Änderung der Betriebsorganisation, Vorschriften und Einstufungen<br />

● Änderungen des Standes der Technik<br />

● Unfälle(n), Beinaheunfälle(n), Berufskrankheiten und andere(n)<br />

arbeitsbedingte(n) Erkrankungen.<br />

Spezielle Probleme<br />

Kleinbetrieb<br />

Der Kleinbetrieb ist durch flache Hierarchien mit kurzen Kommunikationswegen<br />

gekennzeichnet. Dies erleichtert zwar die Etablierung schlankerer<br />

Arbeitsschutzstrukturen ohne langwierige Abstimmungsprozesse. Dieser Effekt wird<br />

jedoch durch die begrenzten zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen<br />

abgeschwächt, was sich gerade bei einem breiten Spektrum an Gefährdungen negativ<br />

auswirkt. Deshalb ist ein zielgerichtetes Vorgehen für eine umfassende GB mit einem<br />

engen Zeitplan besonders wichtig. Für einen Kleinbetrieb ist es überlebenswichtig,<br />

potentielle Störungen des Arbeitsablaufs und arbeitsbedingte Erkrankungen der<br />

Beschäftigten zu verhindern, da sich personelle Engpässe und nicht nutzbare<br />

Kompetenz von Beschäftigten besonders negativ auf den Produktionsprozess<br />

811


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

auswirken. Gegebenenfalls müssen zunächst grundsätzliche Maßnahmen des<br />

Arbeitsschutzes wie zum Beispiel<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Organisation der Ersten Hilfe<br />

Brandschutz<br />

Unterweisungen<br />

Persönliche Schutzausrüstung<br />

etabliert werden. Erst danach wird eine umfassende GB durchgeführt. Eine<br />

besondere Herausforderung stellen hierbei ortsvariable und mobile Arbeitsplätze,<br />

Alleinarbeitsplätze, Arbeitsplätze in der Zeitarbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse<br />

dar.<br />

Kommunikation und Mitarbeiterbeteiligung<br />

Die geplante GB ist zu kommunizieren, insbesondere sind hier die Führungskräfte und<br />

die Personalvertretung einzubinden. Dabei sollte man kooperativ und partizipativ<br />

vorgehen,<br />

um die Motivation aller Beteiligten zu fördern. Die effektive Kommunikation aller<br />

Beteiligten ist wichtig, dabei sollte die Erwartungshaltung der Mitarbeiter realistisch<br />

gehalten werden. Die Erfahrung und das Wissen der Mitarbeiter können durch deren<br />

Einbindung in die Gefährdungsbeurteilung genutzt werden. Die Berücksichtigung<br />

realisierbarer Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter fördert die Motivation der<br />

Mitarbeiter und erhöht die Akzeptanz der Belegschaft für die Umsetzung von<br />

Schutzmaßnahmen.<br />

Durchführung<br />

Eine GB gliedert sich in die Abschnitte Grobanalyse und Durchführung. Die<br />

systematische Erarbeitung erfasst in neun Schritten Ist-Zustand, Handlungsbedarf mit<br />

konkreten Maßnahmenkatalogen und Zuständigkeiten für deren Umsetzung sowie eine<br />

Wirksamkeitskontrolle im Verlauf.<br />

Im ersten Schritt bei der Erstellung der GB wird festgehalten, wie die<br />

Sicherheitsorganisation im Betrieb strukturiert und aufgebaut ist (Schritt 1). Die<br />

Betriebsorganisation wird erfasst (Schritt 2) und die zu beurteilenden Arbeitsbereiche<br />

beziehungsweise Tätigkeiten oder Personen werden festgelegt (Schritt 3). Zum<br />

Erfassen der Betriebsorganisation wird der Betrieb in überschaubare Arbeitsbereiche<br />

untergliedert, diesen werden dann Tätigkeiten zugeordnet. Tätigkeiten sollten nicht mehr<br />

812


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

als unbedingt erforderlich differenziert werden. Weiterhin erfolgt eine groborientierende<br />

Erfassung und Priorisierung bestehender Gefährdungen.<br />

Die Durchführung der GB ist Teamarbeit. Der Unternehmer soll die Durchführung im<br />

Betrieb bekannt machen und je nach betrieblicher Situation folgende Personen<br />

einbeziehen: Führungskräfte, Personalvertretung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit,<br />

Sicherheitsbeauftragte, Betriebsärzte und die Mitarbeiter selbst. Es ist festzulegen und<br />

zu dokumentieren, wer an der Durchführung der GB beteiligt ist und wer welche<br />

Aufgaben übernimmt (Schritt 4). Die anzuwendende Methode sollte einfach und<br />

praxisnah sein.<br />

Es soll mit Arbeitsbereichen, Tätigkeiten oder Personen begonnen werden, bei denen mit<br />

besonderen Gefährdungen oder Belastungen zu rechnen ist. Hinweise hierzu geben zum<br />

Beispiel die Grobanalyse, das Unfallgeschehen, das Krankheitsgeschehen, die<br />

Beschwerden von Mitarbeitern oder die Ergebnisse von Vorsorgeuntersuchungen. Die<br />

Beurteilung erfolgt<br />

<br />

<br />

<br />

arbeitsbereichsbezogen, wenn alle dort Beschäftigten gleichen Gefährdungen<br />

oder Belastungen ausgesetzt sind.<br />

tätigkeitsbezogen, wenn am Arbeitsplatz zusätzliche Gefährdungen oder<br />

Belastungen auftreten.<br />

personenbezogen für bestimmte Personengruppen sowie für Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter, die an ständig wechselnden Arbeitsplätzen tätig sind.<br />

Anschließend werden in Schritt (Schritt 5) systematisch alle Gefährdungen und<br />

Belastungen in den zu betrachtenden Arbeitsbereichen beziehungsweise bei den zu<br />

betrachtenden Tätigkeiten erfasst. Als Hilfsmittel für diese systematische Erfassung<br />

können verschiedene Gefährdungs- und Belastungskataloge, wie sie beispielsweise von<br />

Unfallversicherungsträgern angeboten werden, herangezogen werden. Diese Kataloge<br />

sind um betriebsspezifische Gefährdungen zu ergänzen. Bei der Erfassung sind auch die<br />

meistens nicht geregelten Betriebszustände (zum Beispiel An- und Abfahren, Einrichten,<br />

Reinigen, Instandhalten, Probennahme) zu betrachten. Mit Hilfe einer Beurteilungsmatrix<br />

werden die aufgeführten möglichen Gefährdungen oder Belastungen in den betrachteten<br />

Bereichen beurteilt (Schritt 6). Der Handlungsbedarf richtet sich nach der möglichen<br />

Schadensschwere und der Wahrscheinlichkeit des Wirksamwerdens der Gefährdung. Im<br />

nächsten Schritt (Schritt 7) werden die notwendigen Maßnahmen nach den folgenden<br />

Kriterien<br />

und Rangfolge festgelegt:<br />

813


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

1. Vermeiden/Beseitigen von Gefahrenquellen/Gefährdungsfaktoren<br />

2. Technische Schutzmaßnahmen<br />

3. Organisatorische Schutzmaßnahmen<br />

4. Persönliche Schutzmaßnahmen<br />

5. Verhaltensbezogene Schutzmaßnahmen<br />

6. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen<br />

Im nächsten Schritt (Schritt 8) muss festgelegt werden, welcher Mitarbeiter für die<br />

Durchführung der jeweiligen Maßnahme verantwortlich ist und bis zu welchem Zeitpunkt<br />

diese Maßnahmen realisiert sein müssen. Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen<br />

muss beurteilt werden (Schritt 9).<br />

Es stehen zahlreiche Handlungshilfen und Leitfäden von verschiedenen Anbietern zur<br />

Durchführung einer GB zu Verfügung. In aller Regel sind diese Hilfen evaluiert, im<br />

Internet kostenfrei verfügbar und bieten gleichzeitig die Möglichkeit einer vereinfachten<br />

Dokumentation. Die verwendeten Hilfsmittel sollten einfach zu handhaben, verständlich<br />

sein und die Ergebnisse übersichtlich nachvollziehbar machen.<br />

Literatur<br />

Gefährdungsbeurteilung – Rollen und Pflichten, Facts 80, OSHA 2008<br />

Gefährdungsbeurteilung – der Schlüssel zu gesunden Arbeitsplätzen, Facts 81,<br />

OSHA 2008<br />

Gesunde Arbeitsplätze, Kampagne Gefährdungsbeurteilung, OSHA 2007<br />

Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation, DGUV 2008<br />

Schwerpunktaktion Gefährdungsbeurteilung, Thüringer Landesbetrieb für<br />

Arbeitsschutz, 2007<br />

Schwerpunktaktion Gefährdungsbeurteilung, Amt für Arbeitsschutz Hessen, 2002<br />

814


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Rolle des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung<br />

… Vorgehen in der Praxis des Groß-/Mittelbetriebes<br />

Andreas Paaßen<br />

Chemiepark Marl, Infracor GmbH, Marl<br />

Die Gefährdungsbeurteilung stellt die Grundlage betriebsärztlichen Handelns dar. Häufig<br />

ist jedoch festzustellen, dass die Gefährdungsbeurteilung ausschließlich oder fast<br />

ausschließlich von den Sicherheitsfachkräften eventuell in Zusammenarbeit mit den<br />

Betrieben erstellt wird. Ursache dafür ist das Missverständnis, dass die<br />

Gefährdungsbeurteilung ausschließlich die Aufgabe habe, Unfälle zu verhüten, und<br />

deshalb sei sie im Wesentlichen technisch ausgerichtet. Die Gefährdungsbeurteilung<br />

wird aber genauso zur Vermeidung von berufsbedingten Erkrankungen angelegt. Dabei<br />

ist die Aufgabe, gesundheitsgefährdende Ursachen präventiv zu erkennen, um einiges<br />

anspruchsvoller. Durch die lange Entwicklungszeit der Gesundheitsschäden wie z. B. bei<br />

der Lärmschwerhörigkeit oder langen Latenzzeiten wie bei Krebserkrankungen ist die<br />

Erkennbarkeit eines Problems sehr stark verzögert. Dieses Problem können<br />

arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nur bedingt lösen, da sie nur die<br />

Erstanzeichen von spät auftretenden Organschäden oder sogar<br />

Krebsfrüherkennungsmaßnahmen sind. Wenn wir als Ärzte unsere präventive Aufgabe<br />

ernst nehmen, dann müssen wir die gesundheitsgefährdenden Ursachen bei den<br />

Tätigkeiten und an den Arbeitsplätzen und somit an den konkreten Gefährdungen und<br />

Maßnahmen angehen!<br />

Wie muss denn eine Gefährdungsbeurteilung aussehen, damit sie aus<br />

arbeitsmedizinischer Sicht eine solche Aufgabe erfüllen kann?<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ganzheitliche Betrachtung aller Tätigkeiten und Arbeitsplätze<br />

Verhaltensorientierte Risikobewertung<br />

Risikobasierte Maßnahmenfestlegung und Vorsorgeuntersuchungen<br />

Systematische Wirksamkeitsprüfungen<br />

Integration in die Betrieblichen Prozesse<br />

Ganzheitliche Betrachtung<br />

Bei allen Tätigkeiten und an allen Arbeitsplätzen treten unterschiedlichste Gefährdungen<br />

auf. Die bisherige getrennte Betrachtung einzelner Gefährdungsfaktoren in<br />

Zuständigkeitsbereiche der Fachleute wie Sicherheitsfachkräfte, Arbeitshygieniker,<br />

Techniker und auch Ärzte führt zu einer mosaiksteinförmigen Betrachtung, die die<br />

815


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

gegenseitige Beeinflussung der Gefährdungsfaktoren und insbesondere den Einfluss des<br />

Handelns der tätigen Person nicht adäquat bewerten kann. Diese fragmentierten<br />

Gefährdungsanalysen stellen für den Beschäftigten in der Praxis kaum eine Hilfe dar.<br />

Deshalb muss die Gefährdungsbeurteilung eine ganzheitliche Bewertung aller Faktoren<br />

durchführen.<br />

Verhaltensorientierte Risikobewertung<br />

Internationale und eigene Untersuchungen zeigen, dass Unfälle (und das Gleiche gilt für<br />

berufsbedingte Erkrankungen) nur noch zum kleinen Teil ihre Ursachen in technischen<br />

Mängeln haben. 80 bis 90 % werden durch die weichen Faktoren, Verhalten der<br />

Mitarbeiter, Motivation, Informationsstand, Kommunikation usw. bedingt! Dies bedeutet<br />

für uns, dass wir uns mit großer Anstrengung den weichen Faktoren zuwenden müssen,<br />

eine rein technische Gefährdungsbeurteilung ist völlig unzureichend. Bei der Bewertung<br />

der weichen, der menschlichen Faktoren ist sicherlich der Arzt der gefragte Experte.<br />

Die in der Gefährdungsbeurteilung geforderte Risikobewertung muss die menschlich<br />

verursachten Risiken systematisch mit einbeziehen und in den Mittelpunkt stellen, da<br />

hiervon die größten Risiken abhängen. Da die weichen Faktoren unter anderem wegen<br />

der Variabilität nur schwer zu messen sind, muss zu diesem Zweck ein geeignetes<br />

theoretisches Bewertungsmodell angewendet werden, das den Einfluss des<br />

menschlichen Verhaltens auf das Risiko systematisch und reproduzierbar erfassen kann.<br />

Risikobasierte Maßnahmenfestlegung und Vorsorgeuntersuchungen<br />

Wenn eine fundierte ganzheitliche und verhaltensorientierte Risikobewertung<br />

durchgeführt wurde, sind alle Maßnahmen wie z. B. Schulungen, Persönliche<br />

Schutzausrüstungen und auch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen am<br />

Ergebnis dieser Bewertung in ihrer Intensität, Art und Häufigkeit auszurichten. Dies führt<br />

zu einer effizienten Konzentration der verfügbaren Ressourcen an den Stellen mit dem<br />

höchsten Risiko. Die Möglichkeiten einer risikogewichteten Steuerung von<br />

Vorsorgeuntersuchungen sind nach der anhanggesteuerten ‚Verordnung zur<br />

Rechtsvereinfachung und Stärkung der arbeitsmedizinischen Vorsorge’ (ArbMedVV)<br />

zwar begrenzt, doch kann bei der in großer Zahl auftretenden Angebotsuntersuchung<br />

durch eine an der Risikobewertung orientierten Aufklärung der Beschäftigten die<br />

Entscheidung über die Annahme des Angebotes qualifiziert werden.<br />

Systematische Wirksamkeitsprüfungen<br />

Die Wirksamkeitsprüfungen, ob getroffene Schutzmaßnahmen in der Praxis wirksam<br />

sind und die menschlichen Faktoren ein Wirken erlauben, sind ein wesentlicher und in<br />

der Vergangenheit vernachlässigter Faktor der Überprüfung der Ergebnisse der<br />

816


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Gefährdungsbeurteilung. Denn schließlich nutzt eine noch so gut durchgeführte<br />

Gefährdungsbeurteilung nichts, wenn die Schutzmaßnahmen in der Praxis nicht greifen.<br />

Wirksamkeitsprüfungen sind deshalb von den Betrieben systematisch durchzuführen und<br />

zu dokumentieren. Als Ärzte sind wir mit unseren Vorsorgeuntersuchungen oder auch<br />

mit Biomonitoring ebenfalls ein Teil dieser Prüfung.<br />

Integration in die betrieblichen Prozesse<br />

Da eine Gefährdungsbeurteilung immer aktuell gehalten werden muss und die<br />

Beschäftigten über die Ergebnisse zu informieren sind, ist die Ablage der<br />

Gefährdungsbeurteilung als Papier oder exklusiv zugänglichen Dokumenten kaum<br />

sinnvoll. Eine Integration der Gefährdungsbeurteilung in die betrieblichen Abläufe wie z.<br />

B. zur Unterstützung von Kommunikationsprozessen oder Schulungen garantiert die<br />

Aktualität, Vermeidung von Doppelarbeiten und Optimierung der Effizienz der Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutzaktivitäten.<br />

Integrierte Gefährdungsanalyse (INGA)<br />

Im Chemiepark Marl und außerhalb betreut der Werksärztliche Dienst der Infracor GmbH<br />

eine große Zahl verschiedener Unternehmen mit insgesamt ca. 12 000 Mitarbeitern<br />

vorzugsweise in der Chemiebranche, aber auch allen anderen Branchen. Die<br />

Unternehmensgrößen schwanken zwischen 20 und 4 000 Mitarbeitern. Fast alle dieser<br />

Unternehmen werden mit dem Gefährdungsbeurteilungstool INGA betreut, dem eine<br />

verhaltensorientierte Sicherheitsphilosophie zugrunde liegt. Als Unterstützung verfügt<br />

INGA über eine leistungsfähige Datenbankanwendung.<br />

INGA erfasst, analysiert und bewertet ganzheitlich alle Gefährdungsfaktoren bei<br />

Tätigkeiten und an Arbeitsplätzen. Typischerweise sind die Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzfachleute gemeinsam mit dem Betrieb an diesem Prozess beteiligt.<br />

Die dabei anfallenden Daten und Dokumente werden direkt in der INGA-Datenbank<br />

erfasst und stehen dann jedem Mitarbeiter zur Nutzung zur Verfügung. Somit stellt INGA<br />

das zentrale betriebliche Arbeitsinstrument für alle Belange des Arbeits- und<br />

Gesundheitsschutzes dar.<br />

Bei der Risikobewertung wird ein spezielles Verfahren angewendet, das für jede Tätigkeit<br />

den potentiellen Beitrag des menschlichen Verhaltens zum Risiko misst und quantifiziert.<br />

Aufgrund dieses transparenten Bewertungsverfahrens können Maßnahmen risikobasiert<br />

festgelegt und durchgeführt werden. Die systematische Wirksamkeitskontrolle wird<br />

ebenfalls nach Risikobewertung stratifiziert. Doppelarbeiten werden durch die Integration<br />

aller Elemente konsequent vermieden. So können z. B. aus der Gefährdungsbeurteilung<br />

817


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

automatisch die tätigkeitsbezogenen Betriebsanweisungen erstellt werden. Als zentrales<br />

Instrument des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird INGA integraler Bestandteil der<br />

betrieblichen Prozesse.<br />

818


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Rolle des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung<br />

… Vorgehen in der Praxis eines Kleinbetriebes<br />

Detlef Glomm<br />

Vizepräsident des VDBW, BAD-Zentrum Dithmarschen<br />

Unternehmer von Klein- und Mittelbetrieben sind in besonderem Maße auf die<br />

Unterstützung von Experten bei der systematischen Erfassung, Bewertung und<br />

Dokumentation von Gefährdungen angewiesen. Die betrieblichen Arbeitsschutzsysteme<br />

und Organisationsstrukturen sind insbesondere in Kleinbetrieben in der Regel gering<br />

entwickelt und ausgebildet. Die informellen Netzwerke sind häufig eingeschränkt und der<br />

Unternehmer ist mangelhaft über den Nutzen einer systematischen Erfassung und<br />

Bewertung von Gefährdungen für seine betriebliche Organisation und Qualitätssicherung<br />

sowie seine gesetzlichen Verpflichtungen informiert. Geeignete, leicht handhabbare<br />

Analyse- und Dokumentationssysteme, die ihn beispielsweise seine<br />

Berufsgenossenschaft kostenlos zur Verfügung stellt, sind ihm entweder unbekannt oder<br />

scheinen ihm zu zeitaufwendig oder kompliziert, so dass er sie angesichts seiner<br />

vielfältigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verpflichtungen zurückstellt. Ein besonderes<br />

Problem stellen die nicht ortsfesten Arbeitsplätze und wechselnde Tätigkeitsfelder dar,<br />

wobei die Möglichkeiten zur Modifikation der Arbeitsanforderungen und<br />

Arbeitsorganisation z.B. auf Baustellen häufig eingeschränkt sind.<br />

Andererseits kennt der meist in der Produktion mitarbeitende Betriebsinhaber die<br />

Anforderungen und Gefährdungen detailliert aus eigener Erfahrung und kann aufgrund<br />

der kurzen Entscheidungswege, der einfachen informellen Organisationsstrukturen und<br />

der direkten Kommunikation innerhalb des Betriebes Verbesserungsmaßnahmen<br />

unmittelbar festlegen und umsetzen.<br />

Folgendes Vorgehen hat sich in der Praxis eines Kleinbetriebes bewährt:<br />

1. Einführungsgespräch mit Betriebsinhaber und Erläuterung der Vorgehensweise<br />

sowie Erhebung der allgemeinen Betriebsdaten und Tätigkeiten<br />

2. Verteilung eines Fragebogens an die Beschäftigten mit der Bitte, Tätigkeiten,<br />

Werkzeuge, Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe zu benennen, die nach ihrer<br />

persönlicher Meinung gesundheitsgefährdend sind<br />

3. Betriebsrundgang mit Betriebsinhaber und/oder einem erfahrenen Beschäftigten<br />

sowie, falls Vorhanden der Sicherheitsfachkraft und grobe Bestandsaufnahme<br />

der betrieblichen Gefährdungen und Belastungen, die sich aus der Gestaltung<br />

und Ausstattung des Arbeitsplatzes, Einsatz von Arbeitsmitteln, physikalischen,<br />

chemischen und biologischen Einwirkungen, Gestaltung von Arbeitsabläufen und<br />

819


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Arbeitszeit oder unzureichender Qualifikation und Unterweisung der<br />

Beschäftigten ergeben<br />

4. Erörterung der Ergebnisse und Erstellung eines Arbeits- und Zeitplans für die<br />

erforderlichen Detailanalysen ggf. einschließlich orientierender Messungen<br />

5. arbeitsplatz- bzw. tätigkeitsbezogene Erfassung und Beurteilung der<br />

Gefährdungen<br />

6. Risikoabschätzung, Erstellung einer Rangliste der erforderlichen Maßnahmen<br />

und Festlegung eines Zeitrasters zur Umsetzung einschließlich Festlegung von<br />

Pflicht- und Angebotsuntersuchungen, Unterweisungen etc.<br />

7. Erneutes Gespräch nach ca. 6 Monaten über Erfahrungen und Probleme bei der<br />

Umsetzung<br />

Insbesondere sollten Daten zu folgenden Problemfeldern erhoben und bewertet<br />

werden:<br />

Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen wie Lastenhandhabung, Lärm,<br />

Vibration etc.<br />

Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefährdung wie Absturzgefahr, Schnitt- u.<br />

Stichverletzungen<br />

Chemische Gefährdungen, Erfassung der Gefahrstoffe, Sichtung bzw.<br />

Beschaffung und Bewertung der Sicherheitsdatenblätter, Art und Häufigkeit des<br />

Umgangs etc.<br />

Biologische Gefährdungen<br />

psychomentale Belastungen und Stress wie dauernde hohe Anforderungen an<br />

Konzentration und Aufmerksamkeit, häufige Störungen im Arbeitsablauf oder<br />

Monotonie<br />

Umgebungsbedinge Gefährdungen, z.B. Arbeiten auf Baustellen, Nässe, Kälte<br />

etc.<br />

Nicht nur bei der Erfassung und Beurteilung psychomentaler Belastungen und Stress<br />

können Betriebsärzte einen wesentlichen Beitrag leisten. Beispielhaft werden im<br />

Folgenden die vielfältigen Möglichkeiten zur Unterstützung des Unternehmers bei der<br />

Beurteilung chemischer Gefährdungen dargestellt:<br />

<br />

<br />

<br />

Erfassung aller im Betrieb vorhandenen Gefahrstoffe mittels einer Checkliste<br />

Überprüfung aller Produkte hinsichtlich Erfordernis<br />

Aussondern und Entsorgung überflüssiger Gefahrstoffe<br />

820


K<br />

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV<br />

Beschaffung aktueller Sicherheitsdatenblätter mittels standardisierten<br />

Anschreibens<br />

Auswertung der Sicherheitsdatenblätter, ggf. Einholen von Zusatzinformationen<br />

und toxikologische Bewertung<br />

ggf. Ersatzstoffsuche<br />

Erstellung eines Gefahrstoffverzeichnisses<br />

Erfassung aller Tätigkeiten, bei denen Gefahrstoffe über die Atemwege oder die<br />

Haut aufgenommen werden können<br />

Gefährdungsbeurteilung in Hinblick auf die Tätigkeit und die<br />

Rahmenbedingungen<br />

Ermittlung von Schutzstufen und Ableitung von Maßnahmen<br />

Erstellung von allgemeinverständlichen Gefahrstoffinformationen über die<br />

wichtigsten Produkte für die Beschäftigten<br />

Erstellung eines Unterweisungskonzepts und Unterstützung des Unternehmers<br />

bei der Durchführung von Unterweisungen<br />

Festlegung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen (Pflicht- und<br />

Angebotsuntersuchungen)<br />

Auswertung der Untersuchungsergebnisse in Hinblick auf eine Modifizierung der<br />

Gefährdungsbeurteilung<br />

Bei systematischer Durchführung und Nutzung der Ergebnisse wird die<br />

Gefährdungsbeurteilung zu einem wesentlichen Baustein zum Aufbau eines<br />

betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsschutz-Managementsystem. Den<br />

Arbeitsschutzexperten, insbesondere den Betriebsärzten kommt bei der Einführung und<br />

Umsetzung eine wesentliche Rolle zu. Hier können sie den Unternehmer wirksam bei der<br />

zielgerichteten Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten unterstützen und entlasten und<br />

dazu beitragen, Beschäftigte vor Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten<br />

Gesundheitsgefahren zu schützen und eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit<br />

fördern. Wesentlich dabei ist auch die frühzeitige Einbindung der Beschäftigten sowie die<br />

offene Kommunikation der Ergebnisse und der daraus abzuleitenden Maßnahmen.<br />

821


Autorinnen und Autoren<br />

Aach, Til Prof. Dr.-Ing. ●P93<br />

Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />

Ackermann, Diana Dipl.-Stat. ●P90;P91<br />

Institut für Medizinische Statistik, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen<br />

Ackermann, Evelin Dr. phil. ●P9<br />

Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Otto-von-Guericke-<br />

Universität Magdeburg, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44,<br />

39120 Magdeburg<br />

Adelberger, Nina MPH ●P84<br />

BSPH, Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Freien Universität Berlin, Fabeckstraße<br />

60-62, 14195 Berlin<br />

Ahrens, Wolfgang Prof. Dr.rer.nat. ●P123;V29<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />

Albers, Martin Dipl.-Stat. ●P44<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Aliahmadi, Nahid cand. med. ●P95<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Alles, Torsten Ph. D. Dipl.-Sportw. ●V42<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />

Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />

50999 Köln<br />

Allinger, Fritz ●V21<br />

Prävention, Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Niederbayern-Oberpfalz<br />

und Schwaben (LSV NOS), Dr.-Georg-Heim-Allee 1, 84036 Landshut<br />

Alt, Anne ●V14;V70<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Altmeyer, Peter Prof. ●V65<br />

Klinik für Dermatologie und Allergologie, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791<br />

Bochum<br />

Angerer, Jürgen Prof. Dr.rer.nat ●VS<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Angerer, Peter PD Dr. med. ●V60;V22;V51;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Arend, Oliver Prof. Dr. med. ●V36<br />

Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

822


Autorinnen und Autoren<br />

ArGon-Studiengruppe, Köln-Wuppertal ●V86;P130<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />

Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />

Arhelger, Rolf Dipl.-Ing. ●P89;V32;P99<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Arndt, Dagmar Dr. ●P14;P22;P112;P135<br />

Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock, St.-Georg-Straße 108, 18055<br />

Rostock<br />

Assmann, Gerd Prof. Dr. med. ●V19<br />

unbekannt, Assmann-Stiftung für Prävention, Johann-Krane-Weg 23, 48149 Münster<br />

Avataneo, Giuseppe Dr. ●V32<br />

Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />

554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />

Baars, Stefan Dr. med. ●P58<br />

Gewerbeärztlicher Dienst, Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover, Am Listholze 74,<br />

30177 Hannover<br />

Backé, Eva Dr. ●P127<br />

FB 4.5, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42,<br />

10317 Berlin<br />

Bader, Michael PD Dr. rer. nat. ●V28;P38<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Bahemann, Andreas Dr. med. ●P42<br />

Leitender Arzt des ÄD-Regionalverbundes West (SE 618), Bundesagentur für Arbeit,<br />

Josef-Gockeln-Str. 7, 40474 Düsseldorf<br />

Baisch, Christian ●V49<br />

Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 53115 Bonn<br />

Barbinova, Lioubov ●P50;P47;P60<br />

Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />

Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstraße 10, 20459 Hamburg<br />

Baron, Jens Malte Prof. Dr. med. ●V62<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Bartsch, Reinhard Dr. ●P122;V9<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />

Bauer, Marcus Dr. med. ●P49<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />

823


Autorinnen und Autoren<br />

Baumeister, Thomas Dr. ●V66;V63;P61;F<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />

Baur, Xaver Prof. Dr. med. ●P53;V75;P59;P107;P87;V57;P50;P106;P47;P88;P60;VS<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />

und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />

20459 Hamburg<br />

Bayer, Rainer Prof. Dr. med. ●P49<br />

Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />

Düsseldorf<br />

Becher, Stephan PD Dr. ●P121<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gausstraße 20, 42097 Wuppertal<br />

Becker, Nikolaus Prof. Dr. ●V32<br />

Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />

Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />

Begerow, Bettina Dr. Dipl.-Sportwiss. ●P79<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />

Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />

50999 Köln<br />

Behrens, Thomas Dr. med. ●V29<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 29359 Bremen<br />

Berger, Peter Dipl. Psych. ●V75<br />

Hardtwaldklinik II, Universität Hamburg, Hardtstr. 32, 34596 Bad Zwesten<br />

Berger, Christina Prof. Dr.-Ing. ●P69<br />

Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />

Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />

Berger, Helmut Dipl.-Ing ●V89<br />

Prävention, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Nikolaus-Dürkopp-Straße 8, 33602<br />

Bielefeld<br />

Bergmann, Annekatrin Dr. med. ●V30;P45<br />

Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg, Magdeburger Str. 27, 6097 Halle/Saale<br />

Bicker, Heinz Joh. Dr. med. ●P86<br />

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />

Shamrockring 1, 44623 Herne<br />

Blaszkewicz, Meinolf Dr. ●V33<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Blättler, Theo ●V67<br />

unbekannt, Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Sankt-Franziskus-Str. 146, 40470<br />

Düsseldorf<br />

824


Autorinnen und Autoren<br />

Blok, Merle ●V89<br />

Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />

Blomberg, Nicole Dipl.-Ing. ●P65<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />

Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />

Blome, Helmut Prof. Dr. ●V13<br />

Institutsleiter, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Blome, Otto ●S<br />

Informationsmanagement/Institut für arbeitsbedingte. Erkrankungen und<br />

Berufskrankheiten. Laahnstrasse 59. 50859 Köln<br />

Bochmann, Frank Dr. phil. ●V55<br />

Fachbereich 1, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 St. Augustin<br />

Bockenheimer, Alexander Dipl.-Ing. ●P69<br />

Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />

Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />

Böckelmann, Irina Priv.-Doz. Dr. med. habil. ●P115;P100;P7;P85;P114;VS<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />

Böhlandt, Antje Dr. ●V27<br />

Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München LMU,<br />

Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Bolm-Audorff, Ulrich Prof. Dr. med. ●V78;P37;V80;P45<br />

Landesgewerbearzt Hessen, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und<br />

Umwelt,, Simone-Veil-Str. 5, 65197 Wiesbaden<br />

Bolt, Hermann M. Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. ●V30;VS<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Bontrup, Heike Dipl. Biol. ●V34;P126<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Bopp, Verena Dr. med. ●P2<br />

Institut für Arbeitswissenschaft, ZDF Mainz Betriebsärztliche Station, ZDF-Str.1, 55100<br />

Mainz<br />

Borowitzki, Gerda ●P51<br />

Allergologie/Immunologie, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen<br />

Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Both, Ralf Dr. ●V38<br />

Abteilung 3, Fachbereich 31, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz<br />

Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW), Leibnizstraße 10, 45659 Recklinghausen<br />

825


Autorinnen und Autoren<br />

Bouillon, Bertil Prof. Dr. ●V86;P130<br />

Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie - Kliniken der Stadt Köln, Krankenhaus<br />

Merheim, Ostmerheimer Str. 200, 51058 Köln<br />

Bramer, Rainer ●P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Brammertz, Astrid Dr.med. ●P82<br />

Arbeitsschutz-Gesundheitsschutz-Soziales AGS B 17, Stadtverwaltung Aachen,<br />

Hackländerstr. 5, 52058 Aachen<br />

Brand, Peter Dr. ●V25;P75;V53;P94<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Brans, Richard ●V62<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Breitstadt, Rolf Dr. ●V47a<br />

Degussa-Hüls AG Werksärztlicher Dienst, Weißfrauenstr. 9, 60287 Frankfurt<br />

Breuer, Dietmar Dr. rer. nat. ●V13;V12;P109<br />

Fachbereich 2 Chemische und biologische Einwirkungen, BGIA - Institut für<br />

Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111,<br />

53754 Sankt Augustin<br />

Broding, Horst Christoph Dr.med. ●V35<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25 und 29, 91054 Erlangen<br />

Bruckner, Thomas Dipl.math. ●V35<br />

Medizinische Biometrie & SDGC, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 305,<br />

69120 Heidelberg<br />

Bruckner, Thomas ●P116<br />

Medizinische Biometrie und SDGC, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 305,<br />

69120 Heidelberg<br />

Bruder, Ralph Univ.-Prof. Dr.-Ing. ●P2<br />

Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt, Petersenstraße 30,<br />

64287 Darmstadt<br />

Brückel, Bernd Dipl. Ing. ●P99<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Gießen<br />

Brüning, Thomas Prof. Dr. med.<br />

●P104;V13;V64;V54;P124;V72;V47;P52;n.n.;P51;V26;P108;V12;V34;P56;V71;P56;P57;<br />

P62;P109;V30; V49;V65;P94;P126;VS<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Buchholz, Udo Dr. med. ●P70<br />

Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin<br />

826


Autorinnen und Autoren<br />

Buchter, Axel Prof. Dr. med. ●VS<br />

Universität des Saarlandes, Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin Universitätsklinikum<br />

Homburg,<br />

D-66421 Homburg<br />

Budnik, Lygia Therese Priv.Doz. Dr. ●P107;P106<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />

und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />

20549 Hamburg<br />

Bünger, Jürgen PD Dr. med. ●V54;V72;P52;P51;P74;VS<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Burger, Ulrike Dr. ●P18<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Butz, Martin Dr. ●P56<br />

Referat BK-Statistik/ZIGUV, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Candia, Victor Dipl.-Psych Dr.rer.nat. ●V56<br />

Senior Scientist, Collegium Helveticum, Universität und ETH Zürich, Schmelzbergstr. 25,<br />

CH 8092 Zürich,<br />

Castillo, Michael ●V12;V13<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Chaisaowong, Kraisorn Dipl.-Ing. ●P93<br />

Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />

Chandra Keller, Sandra ●V91<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heertsr.1 11, 53757 Sankt Augustin<br />

Chen, Weihong Prof. Dr. med. ●V55<br />

Department of Occupational and Environmental Health, Unbekannt, Hongkong Road 13,<br />

43003 Wuhan<br />

Chenot, Jean-Francois Dr. med. ●P32<br />

Allgemeinmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Humboltallee 38, 37075<br />

Göttingen<br />

Classen-Linke, Irmagrd Prof. Dr. med. ●P31<br />

AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />

Claus, Gunther Dr. med. ●P111<br />

Innere Medizin, Asplepios Klinikum Melsungen, Kasseler Strasse 80, 34212 Melsungen<br />

Cocco, Pierluigi Professor ●V32<br />

Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, Via San<br />

Giorgio 12, 9124 Cagliari<br />

827


Autorinnen und Autoren<br />

Coester, Eva-Maria Dr. med. ●V15<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Dahlmann, Martina ●P86<br />

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />

Shamrockring 1, 44623 Herne<br />

Dahmann, Dirk Dr. ●P55<br />

Institut für Gefahrstofforschung, Bergbau-Berufsgenossenschaft, Waldring 97, 44789<br />

Bochum<br />

Danuser, Brigitta Prof. Dr. ●VS<br />

Institut universitaire romand de santé au travail, Rue du Bugnon 19, CH-1005 Lausanne<br />

Dashti Ardakani, Maryam Dr.rer.nat, Dr. biol.hom ●V15<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Deckert, Stefanie ●V77<br />

Gesundheitsförderung, Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Breitscheidstraße 2,<br />

39114 Magdeburg<br />

Deeg, Evelin ●V32<br />

Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />

Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />

Delbanco, Judith ●P126<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Dickel, Heinrich Dr. ●V65<br />

Klinik für Dermatologie und Allergologie, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791<br />

Bochum<br />

Diel, Roland Priv.-Doz. Dr. med. ●V79<br />

Institut für Medizinische Soziologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Dieterle, Wilfried E. Dr. phil. ●P4<br />

Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstraße<br />

8, 79104 Freiburg<br />

Dietrich, Holger Priv.-Doz. Dr. med. ●V33<br />

Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />

6872 Lutherstadt Wittenberg<br />

Diepgen, Thomas Prof. Dr. med. ●S<br />

Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums, Voßstraße 2, 69115<br />

Heidelberg<br />

Ditchen, Dirk Dipl.-Biol. ●V7<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

828


Autorinnen und Autoren<br />

Dopp, Elke PD Dr. ●P129;P124;P102<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />

45122 Essen<br />

Dorsch, Alexander Dr. med. ●SY<br />

TrainMed GmbH, Am Pfanderling 11, 85778 Haimhausen<br />

Dott, Wolfgang Prof. Dr. med. ●VS<br />

Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />

52074 Aachen<br />

Dreger, Matthias ●V58<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />

Aachen<br />

Dreier, Manfred Dr. ●V67<br />

Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Salzmannstr. 156, 48159 Münster<br />

Dressel, Holger ●P48<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Drexler, Hans Prof. Dr. med. ●V39;V66;V63;V6;P66;V36;V68;V24;P61;V35;F;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />

Drießen, Sarah Dr. ●SY<br />

Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />

52074 Aachen<br />

du Prel, Jean-Baptist Dr. med. MPH ●V4<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz<br />

Dulon, Madeleine Dr. ●V61<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35-37, 22089 Hamburg<br />

Eberle, Friedhelm Dipl.-Ing. ●V34<br />

Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz, BASF SE, 67056 Ludwigshafen<br />

Eberwein, Sacha ●P86<br />

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />

Shamrockring 1, 44623 Herne<br />

Eckert, Elisabeth ●V24<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM), Friedrich-<br />

Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Universitätsstr. 42, 91058 Erlangen<br />

Eggert, Siegfried Dr. Ing. ●P128<br />

2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />

Egle, Ulrich T. Prof. Dr. med. ●V73<br />

Psychosomatische Medizin, Psychosomatische Fachklinik Gengenbach, Wolfsweg 12,<br />

77723 Gengenbach<br />

829


Autorinnen und Autoren<br />

Eichelberg, Dirk Dr. med. ●P81<br />

Dermatologie und Umweltmedizin, Praxisklinik Dr. Eichelberg und Partner, Hansastr.67,<br />

44137 Dortmund<br />

Eichendorf, Walter Dr.rer.nat ●SY<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />

Augustin<br />

Eickmann, Udo Dr. ●P67<br />

Fachbereich Gefahrstoffe und Toxikologie, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />

und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337, 50968 Köln<br />

Eisenhawer, Christian ●P90;P31<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Ellegast, Rolf Dr. ●V7;V85;V89;V91;P45<br />

BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte<br />

Heerstr. 111, 53757 St. Augustin<br />

Elsner, Gine Prof. Dr. med. ●V32;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Universitätsklinik Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590<br />

Frankfurt/Main<br />

Emmerich, Michael Dr. ●V47a<br />

Arbeitsmedizinisches Zentrum Hirschbach, RAG Deutsche Steinkohle, In den<br />

Rodhecken 14, 66280 Sulzbach-Saar<br />

Emmert, Birgit Dr.med. ●P117;P32<br />

AfB Betriebsarztzentrum Göttingen, Arbeitsmedizin, Robert-Bosch-Breite27, 37079<br />

Göttingen<br />

Erkes, Anja ●P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Erler, Michael Dr. rer. nat. ●P98;P122<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />

Ernsting, Anna ●P80<br />

Werksärztlicher Dienst, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, Binger Straße<br />

173, 55216 Ingelheim<br />

Erren, Thomas PD Dr. ●V47a;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu<br />

Köln, Kerpener Str. 62, 50937 Köln<br />

Euler, Ulrike MSc Dr. ●P55<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317<br />

Berlin<br />

Fartasch, Manigé Prof. Dr. med. ●V64<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

830


Autorinnen und Autoren<br />

Feil, Gerhard Dr. rer. nat ●V34;P126<br />

Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076<br />

Tübingen<br />

Fella, Katharina Dipl.Psych. ●V2<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Felten, Michael Dr. med. MSc ●P90;P31;P92;P91<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Fillies, Birgit Dr. ●V67<br />

Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit, Land Nordrhein-Westfalen, Ulenbergstr. 127 –<br />

131, 40225 Düsseldorf<br />

Fincke, Isbell ●V11<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Finsel, Elke Dipl.Biol ●P106<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />

und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstrasse<br />

10, 20459 Hamburg<br />

Fischer, Guido Prof. Dr.rer.nat ●F<br />

Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30,<br />

52074 Aachen<br />

Fischer, Margit Dr.rer.nat ●P97<br />

Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />

am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bürkle-de-la-<br />

Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Fischer, Markus Dipl.-Ing. ●SY<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />

Köln<br />

Fischer, Philipp ●P48<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Flagge, Anne ●P62<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Fleischer, Christina ●V71<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz1, 44789 Bochum<br />

Fleischer, Gerald Prof.●P118<br />

Arbeitsgruppe Hoerforschung, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der<br />

Justus-Liebig Universität, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

831


Autorinnen und Autoren<br />

Folgmann, Ilse ●P49<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />

Franke, Cornelia ●V37<br />

Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Franz, Simone ●P68<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Freitag, Sonja Dipl.-Ing. ●V11<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Freude, Gabriele Dr. ●P13;V77<br />

Arbeitsgestaltung bei psychischen Belastungen, Stress, Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />

und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317 Berlin<br />

Freudlsperger, Fritz Dr. ●V35<br />

Werksärzticher Dienst, MAINSITE SERVICES GmbH & Co. KG, Industrie Center<br />

Obernburg, 63784 Obernburg<br />

Friedebold, Annika ●V84<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Charite-Universitätsmedizin Berlin, Thielallee 69-73, 14195<br />

Berlin<br />

Fritz, Martin Prof. ●V88<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystrasse 67, 44139 Dortmund<br />

Fromme, Hermann Priv.-Doz. Dr. ●V68<br />

Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,<br />

Veterinärstrasse 2, 85764 Oberschleißheim<br />

Funke, Ulrich Dr. ●P83;P12<br />

Dr. Funke Consulting GmbH, Donnersbergstraße 26, 86391 Stadtbergen<br />

Gabriel, Stefan ●P103<br />

Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Gaede, Karoline I. PD Dr. ●P55<br />

Abteilung Klinische Medizin, Forschungszentrum Borstel, Parkallee 35, 23845 Borstel<br />

Gäßler, Annette Dr. ●P55<br />

Ärztliches Qualitätsmanagement, Airbus Deutschland GmBH, Kreetslag 10, 21129<br />

Hamburg<br />

Gebauer, Erika Dr. ●V43<br />

Sozialmedizin, Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Gartenstraße 194, 48125<br />

Münster<br />

Geber, Christian Dr. med. ●V73<br />

Neurologie, Universitätsklinik für Neurologie, Langenbeckstrasse 1, 55101 Mainz<br />

832


Autorinnen und Autoren<br />

Gebhardt, Hansjürgen Dr.-Ing. ●V86;P130<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />

Universität Wuppertal, Corneliusstr. 31, 42329 Wuppertal<br />

Geißler, Britta ●V4;P10<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Geiss, Oliver Dipl. Biol. ●V88<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Gellert, Beatrice ●V64<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de- la Camp- Platz 1, 44789<br />

Bochum<br />

Genth, Susanne Dr. ●V37<br />

Betriebsärztlicher Dienst, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Genz, Andreas Dipl.-Psych. ●P76; S<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Löscherstraße 18, 1309 Dresden<br />

Gerzer, Rupert Prof. Dr. med. ●VS<br />

Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />

(DLR) Köln<br />

Geuenich, Katja Dr. ●P8<br />

Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />

Giersiepen, Klaus Dr. med. ●V84<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />

Glatz, Andreas Dr. ●P42;P79;P43<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />

Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />

Glitsch, Ulrich Priv.-Doz. Dr. ●V85<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Göen, Thomas Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●V36;V68;V24;V35;F;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />

Goldscheid, Natascha ●V65<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Golka, Klaus Prof. Dr. med. ●V33;P125<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

833


Autorinnen und Autoren<br />

Gottschalk, René PD Dr. Dr. ●P69<br />

Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Frankfurt am Main, Paul-Ehrlich-Str. 40, 60596 Frankfurt<br />

Graf, Thomas Dipl. psych. ●V22<br />

Adipositas Rehazentrum, Adipositas - Rehazentrum Insula, Insula - Weg 8, 83483<br />

Bischofswiesen<br />

Graubner, Götz Dr. Ing. ●V28<br />

Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625<br />

Hannover<br />

Gregersen, Sabine ●V61<br />

BGW, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee<br />

35-37, 22089 Hamburg<br />

Griefahn, Barbara Univ.-Prof. Dr. ●P119;V50;VS<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Grifka, Joachim Prof. Dr. med. ●P45<br />

Orthopädische Klinik, Universität Regensburg, Kaiser-Karl V. Allee 3, 93077 Bad Abbach<br />

Groenesteijn, Liesbeth ●V89<br />

Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />

Groneberg, David A. Prof. Dr. med. ●P55;V84;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Charite-Universitätsmedizin Berlin, Thielallee 73, 14195<br />

Berlin-Dahlem<br />

Groneberg, Katrin Dr. med. ●P1<br />

Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Leibnizstr. 38, 10625 Berlin<br />

Groß, Dietmar MR Dr. ●S<br />

BG der Bauwirtschaft AMD Zentrum Cottbus, Papitzer Str. 01, 03046 Cottbus<br />

Gross, Isabelle Dipl.-Stat. ●P94<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Gube, Monika Dr. med. ●V25;P75;P31;P41;P94<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Gündel, Harald Prof. ●V22<br />

Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-<br />

Str.1, 30625 Hannover<br />

Gutenbrunner, Christoph Prof. Dr.med. ●V20<br />

Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation/Koordinierungsstelle für<br />

Rehabilitation, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30635<br />

Hannover<br />

Gutsch, Claudia ●P114<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />

834


Autorinnen und Autoren<br />

Haamann, Frank Dr.med. ●P70<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Haerting, Johannes Prof. Dr. med. ●V30<br />

Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg, Magdeburger Str. 27, 6097 Halle/Saale<br />

Hagemann, Wolfgang Dr. ●P8<br />

Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />

Hagenmeyer, Lorenz Dr. Dipl.-Ing., M.Sc.ME (Purdue Univ.) ●V4;P10<br />

Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart,<br />

Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart<br />

Hallier, Ernst Prof. Dr. med. ●V72;P117;P32;P74;P63;P64;VS<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />

37073 Göttingen<br />

Handrich, Claudia ●V72;P74<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />

37073 Göttingen<br />

Hardt, Juliane Dipl.-Psych. ●V76<br />

Institut für Sozialmedizin, Universität zu Lübeck, Beckergrube 43-47, 23552 Lübeck<br />

Harth, Kristina Dr. med. ●P18<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Harth, Volker PD Dr. ●V30;P52;V26;V49<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Hartmann, Bernd Prof. Dr. med. ●V7;V10;VS;S<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Holstenwall 8-9,<br />

20355 Hamburg<br />

Hasselhorn, Hans Martin apl. Prof. Dr. med. ●V40;VS<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />

Haufe, Eva Dipl.-Math. ●P76<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />

Haufs, Michael G. Dr. med. Dr. rer. nat. ●P81, V65<br />

Arbeitsmedizin, Dermatologie und Berufsdermatologie, Praxis-Klinik Dr. Eichelberg und<br />

Partner, Hansastr. 67, 44137 Dortmund<br />

Heblich, Frank Dr. med. ●P107<br />

Kronshagen, Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine, Kopperpahler Allee 120, 24119<br />

Kronshagen<br />

835


Autorinnen und Autoren<br />

Heck, Ernst Michael Dipl. Geogr. ●P99<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Heeg, Franz J. Prof.Dr.-Ing. ●P6<br />

arbeitswissenschaftliches institut bremen (aib), Universität Bremen, Hochschulring 40,<br />

28359 Bremen<br />

Heger, Michael Dr.med. ●P55;GR<br />

Medizinischer Arbeitschutz, Landesamt für Umwelt-und Arbeitsschutz, Don-Bosco-Str.1,<br />

66119 Saarbrücken<br />

Heinrich, Hannah Dr. ●SY<br />

2-h-engineering, Thurner Straße 82, 91353 Hausen<br />

Heinrich, Katharina ●V25<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Heipertz, Walther Prof. Dr. ●P42;GR<br />

Ärztlicher Dienst (Zentrale), Bundesagentur für Arbeit, Regensburger Str. 104, 90327<br />

Nürnberg<br />

Helbig, Rolf Dr.-Ing. ●P2<br />

Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt, Petersenstraße 30,<br />

64287 Darmstadt<br />

Helmig, Simone Dr. vet.med. ●P96;P95<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Hengstler, Jan G. Prof. ●V33;VS<br />

Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />

Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Hennenlotter, Jörg ●P126<br />

Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076<br />

Tübingen<br />

Henry, Jana Dr. ●P51;V26<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Hentschel, Klaus ●P128<br />

2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (BAuA), Nölderstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />

Hering, Kurt Georg Dr. med ●P89;S<br />

Ärztlicher Direktor, Beratender Arzt für Radiologische Diagnostik bei arbeits- und<br />

umweltbedingten Erkrankungen, Knappschaftskrankenhaus Dortmund, Wieckesweg 27,<br />

44309 Dortmund<br />

Hermes, Matthias Dr. ●V33<br />

Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />

Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

836


Autorinnen und Autoren<br />

Hess-Gräfenberg, Rolf Dr. med. ●P1<br />

Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Konrad-Adenauer-Platz 1,<br />

40210 Düsseldorf<br />

Hesse, Bettina Dr. ●V43<br />

Sozialmedizin, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Gartenstraße 194, 48125<br />

Münster<br />

Hetzel, Christian ●V21<br />

Gesundheitsförderung, IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und<br />

Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />

Heuer, Jochen ●V43<br />

Sozialmedizin, Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Gartenstraße 194, 48125<br />

Münster<br />

Heutelbeck, Astrid Dr.med. ●P63;P64;F<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />

37073 Göttingen<br />

Hey, Kathrin ●P132<br />

Institut für Arbeitsphysiologie an der TU Dortmund, Ardeystr. 67, D-44139 Dortmund<br />

Hildebrandt, Horst Prof. Dr. med. Dipl. Mus. ●V56<br />

Musikphysiologie / Musik- und Präventivmedizin, Zürcher Hochschule der Künste (CH),<br />

Florhofgasse 6, 8001 Zürich<br />

Hildenbrand, Sibylle Dr. ●P105;P33<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />

72074 Tübingen<br />

Hilla, Wolfgang Dr. med. ●V22<br />

Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettingerstr., 85045 Ingolstadt<br />

Hillmer, Dieter ●V57<br />

Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />

Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />

Hirtler, Reinhard Dipl.-Ing. ●SY<br />

Gemeinnützige Privatstiftung Elektroschutz, ESF Vienna, Heiligenstädter Straße 187, A-<br />

1195 Wien<br />

Hoehne-Hückstädt, Ulrike Dr. med. ●V91<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Hofer, Oliver ●P49<br />

Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />

Düsseldorf<br />

Hoffmeyer, Frank Dr. med. ●V54;P52;P51<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

837


Autorinnen und Autoren<br />

Hofmann, Friedrich Prof. Dr. Dr. ●V81;V82;P73;P121;P72;P120;VS<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />

Hofmann, Gunther Prof. Dr. Dr. ●V9<br />

Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Erlanger Allee 101, 7747 Jena<br />

Holzinger, Karl Dipl.-Ing. ●V53<br />

Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen, Pontstrasse 49, 52062<br />

Aachen<br />

Holzinger, Felix Dr. ●P84<br />

BSPH, Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Freien Universität Berlin, Fabeckstraße<br />

60-62, 14195 Berlin<br />

Horstmann, Marcus OA Dr. med. ●n.n.;V34;P126<br />

Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076<br />

Tübingen<br />

Hottenrott, Birgit ●P107<br />

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-<br />

Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg<br />

Hüdepohl, Johannes Dr. rer. nat. ●P90<br />

Präventionsabteilung, Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF),<br />

Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln<br />

Hunger, Bettina ●V48<br />

N.N., Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ASD*BGN, Eleonore-<br />

Prochaska-Str. 11, 14480 Potsdam<br />

Hupfer, Kristin Dr. ●S<br />

GOA/C, BASF SE, H 306, 67076 Ludwigshafen<br />

Husemann, Britta Dr. med. ●V2<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Jaenicke, Andrea ●V59;P17<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Jäger, Matthias PD Dr. ●V8;P45<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Jakob, Olga ●P13<br />

Institut für Biometrie und klinische Epidemiologie, Charite-Universitätsmedizin Berlin,<br />

Campus Charite Berlin, 10098 Berlin<br />

Jakob, Martina Dr. ●P46<br />

Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim e.V., Leibniz - Institut für Agrartechnik Bornim<br />

e.V., Max-Eyth-Allee 100, 14469 Potsdam<br />

838


Autorinnen und Autoren<br />

Jansing, Paul Priv. Doz. Dr. med. ●P23<br />

Arbeitsmedizin, Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen,<br />

Ulenbergstr. 127-131, 40225 Düsseldorf<br />

Jaschinski, Wolfgang Dr.-Ing. ●P113<br />

Individuelle Sehleistungen, Institut für Arbeitsforschung, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Jörres, Rudolf A Dr. ●P48<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Johannknecht, Alexander Dipl.-Ing. ●V85<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Johansson, Uwe ●P38<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Johnen, Georg Dr. ●P124;V34;P126;P94<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Jonas, Ludwig Prof. Dr. ●P102<br />

Institut für Pathologie, Universität Rostock, Strempelstrasse 14, 18057 Rostock<br />

Joosten, Stephan Dipl.-Ing. ●SY<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen,<br />

Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Jordan, Claus Dr. ●V8<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Jühling, Jens Dr.-Ing. ●Sy<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />

Köln<br />

Jüngert, Barbara Dr. med. ●P66<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />

Jung, Detlev Priv.-Doz. Dr. med. ●P40;P2;F;VS<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Jung, Johannes ●P40<br />

stud. phil., Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Hechtsheimerstr. 103, 55131 Mainz<br />

Juran, Stephanie ●P132<br />

Karolinska Institut, SE-17177 Stockholm<br />

Jusufoska, Ajnur ●P116<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Vossstraße<br />

2, 69115 Heidelberg<br />

839


Autorinnen und Autoren<br />

Käfferlein, Heiko U. Dr.rer.nat. ●V26;P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Kaltheier, Oliver ●P42<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />

Sporthochschule Köln, Sürther Straße 171, 50999 Köln<br />

Karge, Kathleen ●P3<br />

Bereich psychophysiologische Diagnostik, Institut und Poliklinik für Arbeits- und<br />

Sozialmedizin der TU Dresden, Fetscherstr. 74, 1307 Dresden<br />

Kaul, Gerlinde Dr. rer. nat. ●P128;P127<br />

2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 -42, 10317 Berlin<br />

Keller, Doris Dr. med. ●V70;V69<br />

Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Strasse 7, 52072 Aachen<br />

Keller, Kathrin ●V89<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Kendzia, Benjamin ●P108;P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Kentner, Michael Prof. Dr. med. habil. ●VS<br />

Moltkestr. 25, 76133 Karlsruhe<br />

Kersting, Klaus Dr.rer.nat. ●S<br />

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt.: GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />

Frankfurt<br />

Keskin, Mekail-Cem Dr.med. ●V18;V41<br />

Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettinger Straße, 85045 Ingolstadt<br />

Kespohl, Sabine Dr. ●P57<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />

Kessel, Richard Prof. Dr. med. Dr. med. dent. ●P35;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23858<br />

Lübeck<br />

Khatab, Khaled Dr ●P92<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />

Aachen<br />

Kielstein, Volker Dr. ●P114<br />

Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH, Tagesklinik Dr. Kielstein GmbH, Planckstraße 4 – 5,<br />

39104 Magdeburg<br />

Kiesswetter, Ernst Dr. ●V52<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

840


Autorinnen und Autoren<br />

Kimbel, Renate Dr.med. ●V73<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Klien, Christine Dr. med. ●VS<br />

Geschäftsführerin ameco Health Professionals GmbH, Rheinstraße 61, CH-6900<br />

Bregenz<br />

Klußmann, André Dipl.-Ing., M.Sc. ●V86;P130<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />

Universität Wuppertal, Corneliusstr. 31, 42329 Wuppertal<br />

Kluckert, Matthias Dr. med. ●V34;SY<br />

Bereich Prävention, Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Kurfürsten-Anlage<br />

62, 69115 Heidelberg<br />

Kluger, Norbert Dipl.-Geogr. ●S<br />

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt. GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />

Frankfurt<br />

Kluth, Karsten Prof. Dr.-Ing. ●P131;F<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatz-Str. 9-11,<br />

57068 Siegen<br />

Knauth, Peter Professor ●V47a<br />

Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP), Universität Karlsruhe<br />

(TH), Hertzstraße 16, 76187 Karlsruhe<br />

Knecht, Udo Dr. rer.nat, Dr. hum.biol. ●V15<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Knepper, Achim Dipl.-Ing. ●P93<br />

Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen, Templergraben 55, 52056 Aachen<br />

Knieps, Dorothee Dipl-Ing. ●V85<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Knoll, Lars Dr. med. ●P90;P31;P92<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Ko, Yon Prof. Dr. med. ●V49<br />

Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 5313 Bonn<br />

Koch, Holger Martin Dr. rer.nat.●V13;V26;V12<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Koch, Ulrike ●P103<br />

Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

841


Autorinnen und Autoren<br />

Köver, Jan BA ●V81;V82<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) e.V., Bergische<br />

Universität Wuppertal, Gaußstr. 20, 42119 Wuppertal<br />

Kolb, Stefanie Dr. ●P34<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Kolberg, Monika ●P122<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />

Koppisch, Dorothea Dr. ●P103<br />

Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Korinth, Gintautas Dr. med. ●V36<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Institut und Poliklinik für<br />

Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />

Nürnberg, Schillerstrasse 25 + 29, 91054 Erlangen<br />

Kotschy-Lang, Nicola Dr. med ●P110;P54;P57<br />

Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein, Lauterbacher Str.<br />

16, 8223 Falkenstein<br />

Krahl, Jürgen Prof. Dr. rer. nat. ●V72<br />

Physikalische Technik, FH Coburg, Friedrich-Streib-Str. 2, 96450 Coburg<br />

Krahn, Gerhard Dr. sc. tech. Dr. rer. nat. ●V87<br />

Institut für Umwelttechnik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Geusaer Straße,<br />

6127 Merseburg<br />

Kralj, Nenad Prof. Dr. med. ●V81;V82;P73;P72;P120;VS<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gauß Str. 20, 42097 Wuppertal<br />

Kramer, Dietmar Dr. med. ●S<br />

Leitender Arzt Salus Klinik, Warthfeldsiedlung 3, 61169 Friedberg<br />

Kraus, Thomas Prof. Dr. med.<br />

●P90;V14;V70;V25;V25;P75;P31;V6;P41;P42;V53;P94;V87;P93;V69;P92;V58;P91;VS;F<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Kraus, Gerhard Dr. med ●V71<br />

Abteilung für Prävention, Fachbereich Arbeitsmedizin und Berufskrankheiten,<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF), Oblatterwallstraße 18,<br />

86153 Augsburg<br />

Krause, Frank Dr. ●V89<br />

Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />

Krause, Jürgen ●P64<br />

Tierhaus, MPI für experimentelle Medizin, Herrmann-Rein-Str. 3, 37075 Göttingen<br />

842


Autorinnen und Autoren<br />

Kreuzfeld, Steffi Dr. med. ●P14;P22;P112<br />

Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />

Kropf, Siegfried Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●P115<br />

Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />

Kruse, Stephan ●P49<br />

Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />

Düsseldorf<br />

Krutz, Kristina Dr. ●P55<br />

Sicherheit und Gesundheit bei chemischen und biologischen Arbeitsstoffen,<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr.40-42, 10317<br />

Berlin<br />

Kühnlein, Anja ●V18;V41<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstraße 1, 80336 München<br />

Küpper, Thomas Priv. Doz. Dr. med. ●P26;V5;P25;P24;P23;V83;S;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelssstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Kütting, Birgitta Priv.-Doz. Dr. med. ● V66;V63;P61;VS;F<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25 + 29, 91052 Erlangen<br />

Kuhn, Stefan Dipl.-Ing. ●V8<br />

Präventionsdienst Mainz, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und<br />

Wohlfahrtspflege, Göttelmannstraße 3, 55130 Mainz<br />

Kuhnert, Saskia ●P68;P68<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Kumar, Mohit Dr ●P14;P22;P112;P135<br />

Center for Life Science Automation, Universität Rostock, Friedrich-Barnewitz-Str.8,<br />

18119 Rostock<br />

Kunst, Thorsten ●P41<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Lang, Isabelle Cand. med. ●P116<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Voßstraße 2,<br />

69115 Heidelberg<br />

Lang, Jessica Dr. rer. soc. ●V58<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />

Aachen<br />

843


Autorinnen und Autoren<br />

Lang, Jonas W. B. Dr. phil. ●V58<br />

Department of Work and Social Psychology, Universität Maastricht, Postbus 616, 6200<br />

Maastricht<br />

Langner, Ingo Dr. rer. nat ●V29<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />

Lanters, Wolfgang ●V13;V12<br />

Fachbereich 2 Chemische und biologische Einwirkungen, BGIA - Institut für<br />

Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111,<br />

53757 Sankt Augustin<br />

Laschinski, Gerd Dr. rer. nat. ●P49<br />

Institut für Lasermedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225<br />

Düsseldorf<br />

Latza, Ute PD Dr. rer. nat, MPH ●P55;VS;F<br />

Alice-Salomon-Fachhochschule, ASFH Berlin, Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />

Leban, Tanja ●P21<br />

Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern,<br />

Klinik an der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />

Lechner, Pia Dipl.-Ing. ●P69<br />

Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt, Institut für Werkstoffkunde Technische<br />

Universität Darmstadt, Grafenstr.2, 64283 Darmstadt<br />

Leiste, Anke ●V65<br />

Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum, Ruhr-Universität<br />

Bochum, , 4479 Bochum<br />

Lelgemann, Monika ●P55<br />

HTA Zentrum in der Universität Bremen, c/o Institut für Gesundheit und Medizinrecht,<br />

Postfach 330440, 28334 Bremen<br />

Leng, Gabriele Prof. Dr. med. ●V16;V34<br />

SI-GS-Institut für Biomonitoring, Currenta GmbH&Co.OHG, Chempark Leverkusen,<br />

51368 Leverkusen<br />

Letzel, Stephan Prof. Dr. med. Dipl.-Ing.<br />

●V59;V73;V6;P19;P39;V2;V3;P55;V52;P18;P17;VS;SY<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Leuchte, Siegfried Prof. Dr. paed. habil. ●V87<br />

Institut für Sportwissenschaft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Selkestr. 9/F,<br />

6122 Halle (Saale)<br />

Li, Jian Dr, PhD ●V40<br />

Institut für Sicherheitstechnik, Bereich Empirische Arbeitsforschung, Bergische<br />

Universität Wuppertal, Gausstrasse 20, 42097 Wuppertal<br />

844


Autorinnen und Autoren<br />

Liebers, Falk Dr. med. ●P46;V86;P130<br />

Gruppe 3.4 Arbeitsgestaltung bei physischen Belastungen, Muskel-Skelett-<br />

Erkrankungen, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA),<br />

Nöldnerstraße 40/42, 10317 Berlin<br />

Löffler, Isabel ●V2<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Löffler, Anne ●P98<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-,Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />

Lüthke, Saskia ●P115<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />

Lundershausen, Nicole Dipl.-Ing. ●V85<br />

Referat Ergonomie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Luttmann, Alwin Prof. Dr. ●V8;P45<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Maier, Friederike Dr. med. ●P100;P101<br />

Polizeiärztlicher Dienst Magdeburg, Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt, Alt<br />

Prester 5, 39114 Magdeburg<br />

Manecke, Ingra-A. Dr.med. ●V20<br />

Arbeitsmedizin, SNL Personalservice Halle, Berliner Platz 12, 38102 Braunschweig<br />

Mann, Guido Dr. ●P86<br />

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft,<br />

Shamrockring 1, 44623 Herne<br />

Mannheims, Hardy ●V67<br />

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337,<br />

50968 Köln<br />

Manthey, Anke Dipl. paed. ●V22<br />

Gesundheitsförderung, AUDI AG, Auto - Union - Str. 1, 85057 Ingolstadt<br />

Marczynski, Boleslaw Dr.rer.nat. ●P104;V47;P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Marek, Eike ●P110;P54<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Berstr. 26, 44791 Bochum<br />

Marek, Wolfgang PD Dr. rer. nat ●P110;P54<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bergstr. 26, 44791 Bochum<br />

Marks, Anke ●P119<br />

Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139<br />

Dortmund<br />

845


Autorinnen und Autoren<br />

Martin, Jennifer cand. med. ●V83<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Martus, Peter Prof. ●P13<br />

Institut für Biometrie und klinische Eprdemiologie, Charite-Universitätsmedizin Berlin,<br />

Campus Charite Mitte, 10098 Berlin<br />

Maryska, Silke ●P57<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />

Mayer, Paul Prof. ●P89<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Mayer, Stefan Dr. ●V71<br />

Abteilung Prävention, Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), M5,<br />

7, 68145 Mannheim<br />

Mayr, N. Patrick ●P21<br />

Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum des Freistaates Bayern, Klinik an<br />

der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />

Mayrhofer, Wolfgang Dr. med. ●SY<br />

Medizinische Assistance Ausland, Malteser Köln<br />

McCunney, Robert Dr. ●V31<br />

Massachusetts Institute of Technology, Department of Biological Engineering,<br />

Massachusetts Institute of Technology, 77 Massachusetts Avenue, Bldg. 16, Room 771,<br />

2139 Cambridge, MA<br />

Mecke, Rüdiger Dr.-Ing. ●P7<br />

Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung,<br />

Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg<br />

Meinken, Katrin ●V4;P10<br />

Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, Universität Stuttgart,<br />

Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart<br />

Meixner, Tankred Dipl.-Ing. ●VS;SY<br />

Leiter der Präventionsabteilung der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft,<br />

Kreuzstraße 45,<br />

40210 Düsseldorf<br />

Melis, Massimo Dr. ●V32<br />

Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />

554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />

Meloni, Michele Dr. ●V32<br />

Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />

554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />

Mentel, Alexander Dr. med. ●V2<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacherstr. 67, 55131 Mainz<br />

846


Autorinnen und Autoren<br />

Merchlewicz, Manuela ●P15<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Merget, Rolf Prof. Dr. med. ● P104;P52;P51;P55;P56;V65;F;VS<br />

Klinische Arbeitsmedizin, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen<br />

Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Merk, Hans F. Prof. Dr. med. ●V62;VS<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Mester, Birte Dr. ●V32;P123;V29<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 8, 28359 Bremen<br />

Meyer-Falcke, Andreas PD Dr. ●VS<br />

Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW, Breite<br />

Str. 27, 40213 Düsseldorf<br />

Michaelis, Martina Dr. ●P11;P45<br />

FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />

Freiburg<br />

Mikulicz, Ursula Dr.med. ●SY<br />

Stellvertretende Vorsitzende Deutscher Fachverband Reisemedizin e.V., Am Sportfekd<br />

10,<br />

61476 Kronberg<br />

Mill, Helmgard ●P28;P30<br />

Prävention, Unfallkasse Berlin, Culemeyerstrasse 2, 12277 Berlin<br />

Möhner, Matthias Dr. ●V30<br />

Epidemiologie, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr.<br />

40-42, 10317 Berlin<br />

Mölders, Werner Dr. med. ●P78;P77;SY<br />

Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Kaiser-Wilhelm-Str. 100, 47166<br />

Duisburg<br />

Morfeld, Peter PD Dr. rer. medic. ●V31;V47a<br />

Institut für Epidemiologie und Risikobewertung in der Arbeitswelt (IERA), Evonik Services<br />

GmbH, Rüttenscheider Str. 1-3, 45128 Essen<br />

Mosel, Frank Dr. rer. nat. ●V46<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />

45122 Essen<br />

Motte de la, Dorothea ●P48<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Mozdzanowski, Matthias ●P43<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen<br />

Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171, 50999 Köln<br />

847


Autorinnen und Autoren<br />

Mück-Weymann, Michael Prof. Dr. ●V39<br />

Institut für Verhaltensmedizin und Prävention, Private Universität für<br />

Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Eduard-Wallnöfer-<br />

Zentrum I, 6060 Hall<br />

Mückenhoff, Klaus Dr. ●P110;P54<br />

Institut für Physiologie, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstr. 150, 44781 Bochum<br />

Müller, Bernd H Professor ●V40<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42097 Wuppertal<br />

Müller, Michael Privatdozent Dr. ●V72;P74;VS<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />

37073 Göttingen<br />

Müller, Reinhard Dipl. Ing. ●P118<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Müller, Andreas Dr. med. ●SY<br />

Abteilung für Tropenmedizin, Missionsärztliche Klinik, Salvatorstrasse 7, 97074<br />

Würzburg<br />

Müller, Uta Dr. ●V47a<br />

Evonik Industries AG, Rellinghausenerstr. 1-11, 45128 Essen<br />

Müller, Andreas Dr. ●V60;V51<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Müller-Berndorff, Hendrik Dr. med. ●P94<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Müller-Lux, Alice Dr. med. ●P41<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Müller-Quernheim, Joachim Prof.Dr. ●P55<br />

Ärztlicher Direktor Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg, Kilianstr.5,<br />

79106 Freiburg<br />

Münster, Eva Prof. Dr. oec. troph. ●V59;V6;P19;P39;V3;P17;VS<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Munack, Axel Prof. Dr.-Ing. ●V72<br />

Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />

Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />

Musiol, Anita ●V14<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

848


Autorinnen und Autoren<br />

Muth, Thomas Dr. rer. san., Dipl.-Psych. ●P78;P77<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Muttray, Axel Prof. Dr. med. ●V4;P10;VS<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Nasterlack, Michael Dr. med.●V34;GR;VS;SY<br />

GOA/C, BASF SE, H 306, 67076 Ludwigshafen<br />

Nauert, Thomas Dr. ●P55<br />

Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Land Schleswig Holstein, Adolph-<br />

Westphal-Str. 4, 24143 Kiel<br />

Neppach, Klemens cand. med. ●V83<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Netz-Piepenbrink, Susanne ●P38<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Neubert, Sebastian ●P14;P22;P112;P135<br />

Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />

Neumann, Heinz-Dieter Dr.-Ing. ●V71<br />

Abteilung Biologische-, chemische- und physikalische Einwirkungen, Dezernat<br />

Gesundheitsschutz und Erste Hilfe, Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, Salzmannstraße<br />

156, 48159 Münster<br />

Neumann, Volker Dipl.Biol. ●P97<br />

Deutsches Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum<br />

am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bürkle-de-la-<br />

Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Neuschulz, Hannelore Dr. rer. nat. ●P128<br />

2.7 Vibrationen, Elektromagnetische Felder, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40 - 42, 10317 Berlin<br />

Neustadt, Katrin ●V74;P134<br />

Bereich psychophysiologische Diagnostik, Institut und Poliklinik für Arbeits- und<br />

Sozialmedizin der TU Dresden, Fetscherstr.74, 1307 Dresden<br />

Niedermeier, Heike Dr. med. ●V22<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Nienhaus, Albert Priv.-Doz. Dr. med. ●V79;V11;P15;P68;P70;P67;V61<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Nieters, Alexandra PD Dr. ●V32<br />

Epidemiologie von Krebserkrankungen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Im<br />

Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg<br />

849


Autorinnen und Autoren<br />

Niklas, André Prof. Dr. med. et Dr. rer. nat. ●P111<br />

Zentrum für Anaestesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin (ZARI) - Sportmedizin,<br />

Georg-August-Universität Göttingen, Sprangerweg 2, 37075 Göttingen<br />

Nitsche, Dorothea Dr. med. ●P39;V3;P17<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Nitschke, Lutz Dr. ●V68<br />

Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,<br />

Pfarrstr. 3, 80538 München<br />

Nix, Wilfred A. Prof. Dr. med. ●V73<br />

Neurologie, Universitätsklinik für Neurologie, Langenbeckstrasse 1, 55101 Mainz<br />

Nölle, Beate Dr. med. ●S<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst der Bau-Berufsgenossenschaft Dortmund, Kronprinzenstr.<br />

67, 44135 Dortmund<br />

Noll, Ulrike ●V87<br />

Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Ergonomie, BMW AG, BMW Allee 1, 4349 Leipzig<br />

Notbohm, Gert Dr. phil. ●P44;P49<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Nowak, Dennis Prof. Dr. ●V27;P62;P48;VS;GR<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Nübling, Matthias Dr. ●V56;V61;V86;P130;F<br />

FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />

Freiburg<br />

Nutt, Nadine ●P42<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />

Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />

50999 Köln<br />

Ochsmann, Elke Dr. med.●V14;V6;P19;P41;P66;V53;V87;P93<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Oldenburg, Marcus Dr.med. ●P53;P59;V57<br />

Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />

Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />

Ott, Hagen Dr. med. ●V62<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Otto, Andreas ●P35<br />

Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538<br />

Lübeck<br />

850


Autorinnen und Autoren<br />

Pällmann, Ulrich Dr. med. ●VS<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />

Augustin<br />

Panter, Wolfgang Dr. med. ●GR;VS;SY<br />

Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH, Ehinger Straße 200, 47259 Duisburg<br />

Patschan, Oliver ●P126<br />

Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-STraße 3, 72076<br />

Tübingen<br />

Pelster, Martin Dr. med. ●V34<br />

Currenta GmbH&Co.OHG, Geb. E 46, 51368 Leverkusen<br />

Penzkofer, Mario ●P131;F<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatz-Str. 9-11,<br />

57068 Siegen<br />

Pesch, Beate Dr. ●P108;V34;P126;P94;P109;V49;V65<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Peter, Beate Dr. med. ●P85<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39116 Magdeburg<br />

Peter, Marcel cand. med. ●V9<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstraße 3, 7740 Jena<br />

Petereit-Haack, Gabriela Dr. med. ●V80<br />

Landesgewerbearzt Hessen, Regierungspräsidium Darmstadt, Abt. Arbeitsschutz und<br />

Umwelt,, Simone-Veil-Straße/5, 65197 Wiesbaden<br />

Petermann, Olaf ●VS;SY<br />

Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968<br />

Köln<br />

Peters, Claudia ●P15<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Petersen, Jens Dr. med. ●SY<br />

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), Deelbögenkamp 4, 22297 Hamburg<br />

Petru, Raluca Dr.med. ●V60<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Pfister, Eberhard Alexander Prof. Dr. rer. nat. habil. ●P100;P7;P85;VS<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />

Piekarski, Claus Prof. Dr. med. ●V47a;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene, Universität zu<br />

Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, 50924 Köln<br />

851


Autorinnen und Autoren<br />

Pietsch, Jürgen Dr. ●P11<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Universität Freiburg, Rheinstraße 10, 79085 Freiburg<br />

Pink, Mario ●V45<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />

41522 Essen<br />

Pirkl, Andrea ●P31<br />

AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />

Plange, Niklas PD Dr. med. ●V36<br />

Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Pluto, Rolf-Peter Dr. med. ●V17<br />

Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />

Ludwigshafen<br />

Prager, Hans-Martin Dr. med. Dipl.-Chem. ●V33<br />

Abteilung von, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Münsterplatz 4, 44575<br />

Castrop-Rauxel<br />

Preckel, Elisabeth cand. Dr. med. ●P129<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />

45122 Essen<br />

Preim, Dieter Dr. med. ●V70;V90;V69<br />

Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Straße 7-9, 52072 Aachen<br />

Preisser, Alexandra M. Dr. med. ●P50;P87;P107;P47;F<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM),<br />

Seewartenstr.10, 20459 Hamburg<br />

Preuss, Markus Dipl. Psych. ●P14;P14;P22;P112;P135<br />

Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />

Rabenau, Holger Prof. Dr. ●P69<br />

Institut für Medizinische Virologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Frankfurt am Main, Paul-Ehrlich-Str. 40, 60596 Frankfurt<br />

Rabstein, Sylvia Dipl.-Stat. ●V49<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Radon, Katja Prof.Dr. ●P34;V18;V41;VS<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Raithel, Hans-Jürgen Prof. Dr. med. ●VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstraße 25-29, 91054 Erlangen<br />

Rathmann, Kerstin Dr. ●S<br />

GISBAU, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hungener Straße 6, 60389 Frankfurt<br />

852


Autorinnen und Autoren<br />

Rau, Renate Prof. Dr. ●F<br />

AG Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologie, Fachbereich 04 Psychologie,<br />

Philipps-Universität Marburg, Gutenbergstraße 18, 35032 Marburg<br />

Raulf-Heimsoth, Monika PD Dr. ●V54;V47;P52;P51;P108;V71;P57;P62;P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Rebe, Thomas Dr. med.●P38;V37;V20<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Rentrop, Manfred Dipl.-Ing. ●VS<br />

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt<br />

Augustin<br />

Remky, Andreas Prof. Dr. med. ●V36<br />

Augenklinik am Universitätsklinikum, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Rettenmeier, Albert W. Prof. Dr. ●P129;P124;P102;V45;V44;V46;VS<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />

45122 Essen<br />

Richter, Lutz ●P49<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düssseldorf<br />

Riedesel, Hermann ●P64<br />

Tierhaus, Helmholtz-Centre for Infection Research, Inhoffenstrasse 7, 38124<br />

Braunschweig<br />

Rieger, Monika A. PD Dr. med. ●V7;P65;V86;P130;VS<br />

Schwerpunkt Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und<br />

Familienmedizin, Universität Witten / Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten<br />

Rieger, Monika A. PD Dr. med. ●P33;P65;V86<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />

72074 Tübingen<br />

Rieke, Burkhard Dr. med ●V83;SY<br />

Gelbfieberimpfstelle,, Tropenmedizinische Praxis Düsseldorf, Oststraße 115, 40210<br />

Düsseldorf<br />

Rihs, Hans-Peter Dr. rer. nat. ●V47<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Buerkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789<br />

Bochum<br />

Rinnert, Kurt Dr. med. ●V1;S<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Eulenbergstraße<br />

13-21, 51065 Köln<br />

853


Autorinnen und Autoren<br />

Ristel, Nina ●V20<br />

Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />

Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Röder, Verena Dr. med.●P33<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />

72074 Tübingen<br />

Roßbach, Bernd Dr. rer. nat. ●V2;V52<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Robens, Sibylle Dipl.Stat. ●V50<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Roggentin, Anja ●P7<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />

Rose, Markus A. PD Dr. ●P71<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie,<br />

Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />

Rose, Uwe Dr. ●P13<br />

Arbeitsgestaltung bei psychischen Belastungen, Stress, Bundesanstalt für Arbeitsschutz<br />

und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstraße 40-42, 10317 Berlin<br />

Rosenberger, Wolfgang ●V28<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1,<br />

30625 Hannover<br />

Rossa, Karsten, Dipl.-Ing. ●S<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Technische Universität Dresden, Medizinische<br />

Fakultät Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden<br />

Roth, Gerhard ●V33<br />

Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />

6872 Lutherstadt Wittenberg<br />

Rüdiger, Hugo Prof. Dr. med. ●VS<br />

Klinische Abteilung Arbeitsmedizin Universität Wien Allgemeines Krankenhaus Wien,<br />

Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien<br />

Rüger, Heiko M.A. ●V6;P19;P39;V3<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Rühl, Reinhold Dr.rer.nat.●S<br />

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Abt. GISBAU, Hungener Straße 6, 60389<br />

Frankurt<br />

Rüttgers, Yvonne ●P110<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bergstr. 26, 44791 Bochum<br />

854


Autorinnen und Autoren<br />

Ruppert, Andrea ●V57<br />

Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />

Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10, 20459 Hamburg<br />

Ruschel, Yvonne Dipl. Chem. ●V72<br />

Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />

Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />

Salzmann, Christine Dr.med. ●P122<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstraße 3, 7740 Jena<br />

Sandalcioglu, I. Erol PD Dr. ●P129<br />

Klinik für Neurochirurgie, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55, 45122 Essen<br />

Sander, Ingrid Dr. ●V71;P62<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Schaal, Sarah ●P75<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Schablon, Anja ●P68<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Schaller, Karl-Heinz Dipl.-Ing. ●V52<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25-29, 91054 Erlangen<br />

Schedlbauer, Grita Dr. med. ●P67<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Schega, Lutz PD Dr. ●P111<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />

Schettgen, Thomas Dr. rer. nat. ●V14;V70;V25;P31;V69;P55<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstrasse 30, 52074<br />

Aachen<br />

Scheuch, Klaus Prof. Dr. med. ●P76;P3;V77;V76;VS;S<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />

Scheuermann, Bernd Dr. med. ●V34<br />

GOA/C, BASF SE, , 67056 Ludwigshafen<br />

Schicker, Hans-Jürgen Dr. med. ●S<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Waghäuseler<br />

Straße 12, 10715 Berlin<br />

855


Autorinnen und Autoren<br />

Schiele, Rainer Prof. Dr. med. ●P122;P98;V9;VS<br />

Institut für Arbeits-, Sozial-, Umweltmedizin und -hygiene, Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena, Jahnstr. 3, 7743 Jena<br />

Schierl, Rudolf Dr. ●V27;P62<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Schiffermann, Markus ●V49<br />

Innere Medizin, Johanniterkrankenhaus, Johanniterstr. 3-5, 53113 Bonn<br />

Schikowsky, Christian ●P91<br />

Technische Universität Dortmund, Universität Dortmund, Messelinckstr. 56, 44309<br />

Dortmund<br />

Schlaich, Clara Dr. ●V57<br />

Hamburg Port Health Center / AG Schifffahrtsmedizin, Ordinariat und Zentralinstitut für<br />

Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstrasse 10, 22459 Hamburg<br />

Schlosser, Stephan F. Dr. med. ●V23<br />

Betriebsärztlicher Dienst, Behr GmbH & Co. KG, Mauserstr. 3, 70469 Stuttgart<br />

Schlossmacher, Anja ●P115<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />

Schmeisser, Nils ●P123;V29<br />

Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Prävention und<br />

Sozialmedizin, Linzer Str. 10, 28359 Bremen<br />

Schmelz, Ullrich Dr. med. ●P63<br />

Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin, Georg-August Universität Göttingen,<br />

Humboldtallee 34a, 37073 Göttingen<br />

Schmid, Klaus PD Dr. med. ●V39;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Harfenstr. 18, 91054 Erlangen<br />

Schmidt, Sascha MScN, RN ●V40<br />

FG Arbeitssicherheit und Ergonomie, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20,<br />

42369 Wuppertal<br />

Schmidt, Barbara Dipl. Psychologin ●V73<br />

Psychologisches Institut, Psychologisches Institut der Johannes-Gutenberg- Universität<br />

Mainz, Staudingerweg 9, 55099 Mainz<br />

Schmitt, Bernd Dr. med. ●P128<br />

Institut für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr, Sanitätsamt<br />

der Bundeswehr, Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin<br />

Schmitz, Peter Dr. med. Dipl. Ing. ●SY<br />

Malteser International, Malteser Generalsekretariat, Kalker Hauptstr. 22-24, 51103 Köln<br />

Schmitz-Spanke, Simone Dr. med. ●V44;V45<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55,<br />

45122 Essen<br />

856


Autorinnen und Autoren<br />

Schneider, Joachim Prof. Dr. med. ●P118;P89;P96;P95;F;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Schneider, Michael Dr.med. ●P16;P20;P80<br />

Werksärztlicher Dienst, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co KG, Binger Straße<br />

173, 55216 Ingelheim<br />

Schöffl, Volker Priv. Doz. Dr. med. ●P25;P24<br />

Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg, Marienplatz 1, 96950 Bamberg<br />

Schön, Fritz Andreas Dr. ●V90<br />

Hochschulärztliche Einrichtung, RWTH Aachen, Roermonder Straße 7, 52072 Aachen<br />

Schöneweis, Sandra ●V64;V65<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Schönlebe, Jana Dipl. med. ●V39<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität<br />

Erlangen-Nürnberg, Schillerstr. 25+29, 91054 Erlangen<br />

Schöps, Wolfgang Dr. ●P125<br />

Urologische Abteilung, Kreiskrankenhaus Mechernich, St.-Elisabeth-Str. 2-6, 53894<br />

Mechernich<br />

Schreiber, Jens ●P124<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Schröder, Olaf Dipl. Chem. ●V72<br />

Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik, Johann Heinrich von Thünen-Institut,<br />

Bundesallee 50, 38116 Braunschweig<br />

Schröder, Simone cand. med. ●P23<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074<br />

Aachen<br />

Schröder, Thomas ●V20<br />

Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />

Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Schüz, Joachim Dr. ●V73<br />

Institut fuer Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Johannes Gutenberg-<br />

Universität Mainz, Obere Zahlbacher Straße 69, 55101 Mainz<br />

Schulte, Helmut Dr. rer. medic. ●V19<br />

Assmann-Stiftung für Prävention, Johann-Krane-Weg 23, 48149 Münster<br />

Schulz, Franziska ●P133<br />

Institut für Arbeitsphysiologie an der TU Dortmund, Ardeystr. 67, D-44139 Dortmund<br />

Schuster, Wolfgang ●P1<br />

Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Carl-Spaeter-Str. 2f, 56070<br />

Koblenz<br />

857


Autorinnen und Autoren<br />

Schwarze, Sieglinde Prof. Dr. med. ●P44;P49;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Schwarze, Monika Dr. ●V20<br />

Klinik für Rehabilitationsmedizin, Koordinierungsstelle Angewandte<br />

Rehabilitationsforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

Seebens, Achim Dr. ing. ●P129<br />

Lehrstuhl für Kommunikationstechnik, Universität Duisburg-Essen, Gebäude BB, 47048<br />

Duisburg<br />

Seeber, Andreas Prof. Dr. ●V35<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Seibt, Reingard Dr. ●P13;V76;V74;P3;V48;V77;P134<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />

Seibt, Annelore Dr. ●V48<br />

THUMEDI - Präventionsmanagement GmbH, THUMEDI - Präventionsmanagement<br />

GmbH, Straße der Freundschaft 68, 9419 Thum-Jahnsbach<br />

Seidel, Dirk Dr. ●V10;S<br />

Service Stelle für statistische und epidemiologische Auswertungen,<br />

Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hildesheimer Straße 309, 30519 Hannover<br />

Seidel, Thilo Dr. med. ●V33<br />

Klinik für Urologie und Kinderurologie, Paul-Gerhardt-Stiftung, Paul-Gerhardt-Str. 42-45,<br />

6872 Lutherstadt Wittenberg<br />

Seidler, Andreas PD Dr.med., M.P.H. ●P84;V32;V30;P55;P45;VS;F<br />

FB 1.4 Arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufskrankheiten, Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42, 10317 Berlin<br />

Seik, Christiane ●P85<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg<br />

Seitz, Lucia ●V60<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Selinski, Silvia Dr. ●V33<br />

Projektgruppe Systemtoxikologie, Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität<br />

Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Senn, Silke cand. med. ●P4<br />

Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstr. 8,<br />

79104 Freiburg<br />

Sesler, Simonetta Dr. ●V32<br />

Department of Public Health, Occupational Health Section, University of Cagliari, SS<br />

554, km 4,500, 9042 Monserrato (Cagliari)<br />

858


Autorinnen und Autoren<br />

Siegmund, Klaus Dr. med. Dipl.-Ing. ●P49<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,<br />

Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf<br />

Siegrist, Johannes Prof. Dr. ●F<br />

Institut für Medizinische Soziologie, Univerisitätsklinikum Düsseldorf, Universitätsstraße<br />

1, 40225 Düsseldorf<br />

Silny, Jiri Prof. Dr. med.habil. ●SY<br />

Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit, RWTH Aachen,<br />

Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Simmenroth-Nayda, Anne Dr. med. ●P32<br />

Allgemeinmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Humboltallee 38, 37075<br />

Göttingen<br />

Skazik, Claudia Dipl.Biol. ●V62<br />

Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Sonntag, Karsten Dr. med. ●P1<br />

Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Kurt-Georg-Kiesinger-Platz 7,<br />

70173 Stuttgart<br />

Spahn, Gunter PD Dr. med. ●V9<br />

Unfallchirurgie und Orthopädie, Praxisklinik Eisenach, Sophienstraße 16, 99817<br />

Eisenach<br />

Spallek, Michael Dr.med. ●V84<br />

Gesundheitswesen, Volkswagen Aktiengesellschaft, Brieffach 1599, 38436 Wolfsburg<br />

Spallek, Michael Dr. med. ●P35;V20<br />

(EUGT), Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im<br />

Transportsektor e.V., Thielallee / 69, 14195 Berlin<br />

Spickenheuer, Anne Dipl.-Stat. ●V47;P108;P109;V49<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Spitzer, Silvia Dipl.-Psych. ●P3;V77<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />

Standar, Susanne ●V46<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Virchowstrasse 171,<br />

45147 Essen<br />

Steffgen, Jürgen Prof. Dr. med. ●P26;V5;P25;P24<br />

Inst. f. Nephrologie, Universtität Göttingen, Beim Tannenhof 82, 89079 Ulm-Wieblingen<br />

Stenzl, Arnulf Prof. Dr. med. ●V34;P126<br />

Klinik für Urologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076<br />

Tübingen<br />

859


Autorinnen und Autoren<br />

Stockmann, Eberhard Dr. med. ●S<br />

Betriebsmedizin, Betriebsärztlicher Dienst der Siemens AG, Sieboldstr. 16, 91052<br />

Erlangen<br />

Stößel, Ulrich Dr. ●P11<br />

Abteilung für Medizinische Soziologie, Universität Freiburg, Hebelstr. 29, 79104 Freiburg<br />

Stoll, Regina PD Dr.habil. ●P14;P22;P112;VS<br />

Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />

Stork, Joachim Dr. med.●V18;V41;V47a;GR;VS<br />

Gesundheitsschutz I/SW-1, AUDI AG, Ettinger Str., 85045 Ingolstadt<br />

Straif, Kurt PD Dr. med. ●V30<br />

Carcinogen Identification and Evaluation, International Agency for Research on Cancer,<br />

World Health Organization, 150 cours Albert, 69372 Lyon Cedex 08<br />

Strasser, Helmut Prof. Dr. ●P131;GR<br />

Fachgebiet Arbeitswissenschaft/Ergonomie, Universität Siegen, Paul-Bonatzstr. 9-11,<br />

57068 Siegen<br />

Sturtz, Carolin ●V34<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Suchodoll, Michael-Rüdiger Dr. med. Dr. sportwiss. ●P75<br />

Praxis für Arbeitsmedizin, Praxis für Arbeitsmedizin, Rottstr. 29, 52068 Aachen<br />

Sucker, Kirsten Dr. ●V38<br />

Medizin, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen<br />

Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Sültz, Joachim Dr.med. ●P62<br />

Pneumologie, Arbeitsmedizin, Von-Richthofen-Str. 15, 86356 Neusäss<br />

Süsselbeck, Kai Dipl. Ing. ●V26<br />

Technischer Gesundheitsschutz, IGF - Institut für Gefahrstoff-Forschung der Bergbau-<br />

Berufsgenossenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Waldring 97, 44789 Bochum<br />

Sun, Yi Dr. med. ●V55<br />

Referat Angewandte Epidemiologie, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen<br />

Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin<br />

Szadkowski, Dieter Prof. Dr. med. ●VS<br />

Rominterweg 58, 22844 Norderstedt<br />

Taeger, Dirk ●V64;V34;P126;P56;P94;V30;V65<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Tannapfel, Andrea Prof.Dr.med. ●P97<br />

Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum, BG-Kliniken Bergmannsheil; Bürklede-la-Camp-Platz<br />

1, 44789 Bochum<br />

860


Autorinnen und Autoren<br />

Tassani-Prell, Peter Prof. Dr. med. ●P21<br />

Institut für Anästhesiologie, Deutsches Herzzentrum des Freistaates Bayern, Klinik an<br />

der Technischen Universität München, Lazarettstr. 36, 80636 München<br />

Tautz, Andreas Dr. med. ●V19;P1;VS;GR<br />

Arbeitsmedizin, Deutsche Post AG, SNL HR Deutschland, Fritz-Schäffer-Str. 15, 53113<br />

Bonn<br />

Tautz, Susanne Dr. med. ●P102<br />

Institut für Pathologie, Universität Rostock, Strempelstrasse 14, 18057 Rostock<br />

Teumer, Frank Dr. ●V20<br />

Gesundheitswesen, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Postfach 2594, 30405 Hannover<br />

Thalau, Frank Dr. ●P84;P55<br />

FB 1.4 Arbeitsbedingte Erkrankungen, Berufskrankheiten, Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42, 10317 Berlin<br />

Theilmeier, Andreas Dr.-Ing. ●V8<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Thielmann, Beatrice ●P9<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg<br />

Thim, Carmen ●P127<br />

FB 4.5, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Nöldnerstr. 40-42,<br />

10317 Berlin<br />

Trauth, Bernd Dr. med. ●V17<br />

Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />

Ludwigshafen<br />

Triebig, Gerhard Prof.Dr.med. ●P116;V35;VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universität Heidelberg, Voßstraße 2,<br />

69115 Heidelberg<br />

Tümler, Johannes Dipl.-Ing.-Inf. ●P7<br />

Virtual Prototyping, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung,<br />

Sandtorstraße 22, 39106 Magdeburg<br />

Turowski, Siegfried ●P64<br />

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin, Georg-August Universität Göttingen, Waldweg 37,<br />

37073 Göttingen<br />

Ulbricht, Stefan ●V48<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav<br />

Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 1307 Dresden<br />

Ulrich, Dietmar PD Dr. med. ●SY<br />

Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Universitätsklinikum<br />

der RWTH<br />

Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen<br />

Unrath, Michael Dipl.-Psych. ●V59<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

861


Autorinnen und Autoren<br />

Uter, Wolfgang Prof. Dr. med. ●V66<br />

Institut für Biometrie und Epidemiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-<br />

Nürnberg, Waldstr.6, 91054 Erlangen<br />

Van Gelder, Rainer Dipl.-Chem. ●P103<br />

Referat Beobachtung von Arbeitsbedingungen, BGIA - Institut für Arbeitsschutz der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin<br />

van Kampen, Vera Dr. ●P104;P56<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

van Mark, Anke Dr. med. ●P35<br />

Institut für Arbeitsmedizin, UK-SH, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538<br />

Lübeck<br />

van Thriel, Christoph Dr. ●V54;P132<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

Vaske, Bernhard ●V37<br />

Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625<br />

Hannover<br />

Vink, Peter Prof. Dr. ●V89<br />

Ergonomics, TNO Work and Employment, Polarisavenue 151, 2130 Hoofddorp<br />

Vogel, Petra ●P110<br />

Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten, Falkenstein, Lauterbacher Str.<br />

16, 8223 Falkenstein<br />

Vogelgesang, Monika Dr. ●S<br />

AHG Klinik Münchwies, Turmstraße 50-58, 66540 Neunkirchen<br />

Voigt, Marion ●P92<br />

Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074<br />

Aachen<br />

Vomstein, Martin ●V61<br />

FFAS, Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Bertoldstr. 27, 79098<br />

Freiburg<br />

von Groeling-Müller, Georg Dr. med. ●P78;P77<br />

Direktionsbereich Gesundheit, ThyssenKrupp Steel AG, Kaiser-Wilhelm-Str. 100, 47166<br />

Duisburg<br />

von Kiparski, Rainer Prof. Dr. ●GR<br />

Präsident des Verbandes Deutscher Sicherheitsingenieure, Albert Schweitzer-Allee 33,<br />

65203 Wiesbaden<br />

von Mülmann, Matthias Dr. ●V47a<br />

Medizinischer. Dienst, Deutsche Lufthansa AG, Flughafenbereich West, 60546 Frankfurt<br />

Voß, Jürgen ●P45<br />

Institut für Arbeitsphysiologie, Universität Dortmund, Ardeystr. 67, 44139 Dortmund<br />

862


Autorinnen und Autoren<br />

Waclawiak, Svenja Dipl.Psych. ●P8<br />

Psychosomatik, Röher Parkklinik, Röher Str. 53, 52249 Eschweiler<br />

Wallrabenstein, Helmut Dr. med. ●P42<br />

Leitender Arzt des ÄD-Regionalverbundes Nord, Bundesagentur für Arbeit, Altenbekener<br />

Damm 82, 30173 Hannover<br />

Walter, Dirk PD Dr. Dr. ●V15;P99<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Wanke, Eileen M. Dr. med. ●P27;P28;P29;P30;<br />

Sportmedizin, Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung<br />

Sportmedizin, Philippstrasse 13. Haus 11, 10115 Berlin<br />

Watzele, Reinhold ●V21<br />

Prävention, Land- und forstwirtschaftliche Sozialversicherung Franken und Oberbayern<br />

(LSV FOB), Neumarkter Straße 35, 81673 München<br />

Weber, Andreas Prof. Dr. med. ●P42;V21;V42;P79;VS<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />

Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />

50999 Köln<br />

Weber, Anne ●P126<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum<br />

Weber, Daniel Dr. ●P124;P94<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Wegner, Ralf Dr. med. ●V75;V57<br />

Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Ordinariat<br />

und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM), Seewartenstr. 10,<br />

20459 Hamburg<br />

Wegscheider, Wolfgang Dipl.- Ing. (FH) ●P67<br />

Fachbereich Gefahrstoffe und Toxikologie, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst<br />

und Wohlfahrtspflege, Bonner Str. 337, 50968 Köln<br />

Wehling, Pamela Dr. rer. soc. ●P81<br />

Lehrstuhl Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung, Institut für Arbeitswissenschaften,<br />

Ruhr-Universität Bochum, Gebäude NB 1/28, 44780 Bochum<br />

Weigl, Matthias Dr. ●V51<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Weihert, Sandra Dipl. Psychologin ●V73<br />

Psychosomatische Medizin, Psychosomatische Fachklinik Gengenbach, Wolfsweg 12,<br />

77723 Gengenbach<br />

Weiler, Stephan W. Dr. med. ●P35<br />

Ingolstadt, AUDI AG, Ettinger Straße, 85045 Ingolstadt<br />

863


Autorinnen und Autoren<br />

Weippert, Matthias ●P14;P22;P112<br />

Institut für Präventivmedizin, Universität Rostock, St.-Georg-Str. 108, 18055 Rostock<br />

Weirich, Oliver cand. med. ●V4<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Weiß, Tobias Dr. rer. nat.●V13;V26;V12<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Buerkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789<br />

Bochum<br />

Weishoff-Houben, Michaela Dr. med. ●P31<br />

AIXTRA, RWTH Aachen, Wendlingweg 2, 52074 Aachen<br />

Weistenhöfer, Wobbeke Dr. med. ●V66;V63;P61<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg, Schillerstraße 25+29, 91054 Erlangen<br />

Welge, Peter Dipl.-Biol. ●P109<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Welker, Andreas Dr. med. ●SY<br />

Arbeitsmedizinischer Dienst, Voith AG, Sankt Pöltener Straße 43, 89522 Heidenheim<br />

Wellhäußer, Harald Dr. med. ●V34;SY<br />

Bereich Prävention, Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Kurfürsten-Anlage<br />

62, 69115 Heidelberg<br />

Wengenroth, Laura Dipl.-Soz. ●P34<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München LMU, Ziemssenstr. 1, 80336 München<br />

Weßel, Christa Dr. ●P18<br />

Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz,<br />

Obere Zahlbacher Str. 67, 55131 Mainz<br />

Westphal, Götz A. Priv.-Doz. Dr. rer. nat. ●V72;P74<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Wicker, Sabine Dr. med. ●P69;P71<br />

Betriebsärztlicher Dienst, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7,<br />

60590 Frankfurt<br />

Wienert, Roman Dipl.-Ing. ●SY<br />

Wiest, Elfriede Dr. ●P105<br />

Universitätsfrauenklinik Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen, Calwerstr. 7, 72076<br />

Tübingen<br />

Wiethege, Thorsten Dr. ●P94<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

864


Autorinnen und Autoren<br />

Wilken, Dennis ●P88<br />

Klinische Arbeitsmedizin, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin der<br />

Freien und Hansestadt Hamburg, Seewartenstraße 10 Haus 1, 20459 Hamburg<br />

Will, Wolfgang Dr. rer.-nat. ●V17<br />

Occupational Medicine and Health Protection, BASF SE, Carl-Bosch-Straße 38, 67056<br />

Ludwigshafen<br />

Williams, Chris Dr.med. ●P70<br />

Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin<br />

Winkelmann, Constance Dr. rer. nat. ●P76<br />

Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, Fachbereich Psychologie der Technischen<br />

Universität Dresden, Mommsenstraße 13, 1062 Dresden<br />

Winneke, Gerhard Prof. Dr. ●V38<br />

Neurotoxikologie, ehemals Medizinisches Institut für Umwelthygiene an der Heinrich-<br />

Heine Universität Düsseldorf (MIU), Auf’m Hennekamp 50, 40225 Düsseldorf<br />

Winter, Carl-Gerhard Dr. ●P101<br />

Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Leipziger Str. 44, D-391 Magdeburg<br />

Wirsching, Michael Prof. Dr. med. ●P5;P4<br />

Abt. f. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Freiburg, Hauptstr. 8,<br />

79104 Freiburg<br />

Wittich, Andrea Dr. ●P5;P4<br />

Supervisionsdienst am Klinikum, Universität Freiburg, Hauptstr. 8, 79104 Freiburg<br />

Wittmann, Andreas Dr.-Ing. ●V81;V82<br />

FB D Abt. Sicherheitstechnik, FG Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und<br />

Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal<br />

Wodarz, Roman ●P105<br />

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Wilhelmstr. 27,<br />

72074 Tübingen<br />

Woitowitz, Hans-Joachim Prof. Dr. med. ●VS<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Gießen, Aulweg<br />

129/III, 35385 Gießen<br />

Wolff, Roland Prof. Dr. med. ●P28;P30;P27<br />

Sportmedizin, Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung<br />

Sportmedizin, Philippstrasse 13, Haus 11, 10115 Berlin<br />

Wortmann, Norbert TAB med. vet. ●V8<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35-37, 22089 Hamburg<br />

Wrbitzky, Renate Prof. Dr. med. ●V28;P38;V37;V20;VS<br />

Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1,<br />

30625 Hannover<br />

865


Autorinnen und Autoren<br />

Wübbeling, Jelena cand.med. ●P96<br />

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätskliniken<br />

Gießen/Marburg, Aulweg 129/III, 35392 Giessen<br />

Zahradnik, Eva Dipl. Biol. ●V71;P62<br />

Institut der Ruhr-Universität Bochum, BGFA - Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der<br />

Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum<br />

Zangemeister, Wolfgang H. Prof.Dr.med. ●P107<br />

Neurologische Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, Universitätsklinikum Hamburg-<br />

Eppendorf, Martinistr.52-S10, 20251 Hamburg<br />

Zdrenka, Ricarda Dipl. Chem. ●P124<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstraße 55,<br />

45122 Essen<br />

Zeh, Annett ●P68<br />

Grundlagen für Prävention und Rehabilitation, Berufsgenossenschaft für<br />

Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg<br />

Zelfel, Rudolf C. Dr. phil. Dipl.-Psych. ●V42;P79<br />

IQPR Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der<br />

Deutschen Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln, Sürther Str. 171,<br />

50999 Köln<br />

Zellner, Michael Dr. ●P125<br />

Urologische Abteilung, Reha-Zentrum Passauer Wolf, Thermalbadstr. 20, 94086 Bad<br />

Griesbach<br />

Zettler, Ingo ●V58<br />

Institut für Psychologie, RWTH Aachen, Jägerstraße zw. 17 u. 19, 52056 Aachen<br />

Zielen, Stefan Prof. Dr. ●P71<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Klinik I, Allergologie, Pneumologie,<br />

Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-stern-Kai 7, 60590 Frankfurt<br />

Zimmermann, Ute ●P129;P102<br />

Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstrasse 55,<br />

45122 Essen<br />

Zschiesche, Wolfgang PD Dr. med. ●P90;S<br />

Präventionsabteilung, Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik (BGETF),<br />

Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln<br />

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