Schlussbericht - Bern - labmed

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28.02.2015 Aufrufe

Zentraler Aspekt der Humankapitaltheorie ist, dass die Arbeitnehmer/innen eine unterschiedliche Produktivität aufweisen und somit auf dem Arbeitsmarkt ungleiche Voraussetzungen haben. Da die Produktivität oft nur schwer messbar ist, wird das Humankapital beigezogen. Es bezeichnet die Akkumulation von Fähigkeiten, Bildung und Erfahrung, welche ein Individuum besitzt, und welche sich positiv auf seine Produktivität auswirken (Becker 1975). Gemäss der Humankapitaltheorie entstehen Heterogenitäten auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes durch das unterschiedliche Humankapital, also die unterschiedliche Schul- und Berufsbildung sowie die Berufserfahrung der Arbeitnehmer/innen. Daraus resultiert eine unterschiedliche Produktivität und somit unterschiedliche Löhne (Henneberger 1997). Die Theorie der statistischen Diskriminierung basiert ebenfalls auf ökonomischen Grundannahmen. Dieser Ansatz versucht die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern dahingehend zu erklären, dass sie von unterschiedlichen Erwartungen an die Produktivität der beiden Geschlechter ausgeht. Diese, von statistischen Mittelmassen ausgehenden Erwartungen, führen dazu, dass Arbeitgeber/innen Frauen tendenziell benachteiligen (Blau und Kahn 2000). Der Grund dafür, dass Arbeitgeber/innen von Stereotypen oder statistischen Mittelmassen ausgehen, liegt wiederum darin, dass die Produktivität nur sehr schwer messbar ist und hohe Informationsbeschaffungskosten zur Folge hätte. Deswegen ist es aus Sicht der Arbeitgeber/innen rational, sich auf ihre Annahmen bezüglich der Produktivität von Frauen und Männern zu verlassen (England 2005). Becker, mit dessen Ansatz des „taste for discrimination“ diese Diskussion ihren Anfang nahm, postuliert, dass bspw. Frauen oder Schwarze aus dem Grund diskriminiert werden, weil sonst dem/der Arbeitgeber/in Nachteile erwachsen würden, z.B. durch ein schlechteres Betriebsklima, Umsatzeinbussen oder den Verlust von Kund/innen. Dabei basieren diese angenommenen Nachteile wiederum auf Vorurteilen oder Stereotypen (Becker 1973). Die soziologischen Arbeitsmarkttheorien stellen Netzwerke, Institutionen, Diskriminierungen und Machtverhältnisse ins Zentrum der Analyse von Lohnungleichheiten (Abraham 2005; England, Farkas, Kilbourne und Dou 1988). Es wird davon ausgegangen, dass nicht alle Akteur/innen gleich viel Macht haben auf dem Arbeitsmarkt. Wobei in diesem Zusammenhang Macht als Möglichkeit begriffen wird, die Handlungen des Gegenübers zu beeinflussen. Es ergibt sich also ein Machtgefälle zwischen den Arbeitgeber/innen und den Angestellten (Abraham 2005:40). Machtunterschiede basieren auf Klassenverhältnissen, aber auch auf anderen askriptiven Merkmalen wie beispielsweise Rasse oder Geschlecht (McCall 2001). Ein weiterer Ansatzpunkt bei der Analyse von Löhnen ist somit das gesellschaftlich institutionali- 8

sierte Geschlechterverhältnis und die darin enthaltenen Machtasymmetrien. Frauen sind auf allen Arbeitsmärkten am unteren Ende des Machtgefälles angesiedelt, sei es auf tieferen Hierarchiestufen oder in Tieflohnbranchen. Dies hängt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Zuschreibungen zusammen, welche Männerarbeit höher bewerten als Frauenarbeit. Aufgrund dieser Stereotypisierungen darüber, was als typisch männlich oder typisch weiblich angesehen wird, werden auch Berufe in typische Männer- oder Frauenberufe eingeteilt, die wiederum eine unterschiedliche Entlöhnung zur Folge haben (Achatz, Gartner und Glück 2004; Anker 1998). 4. Stand der Forschung Studien, welche sich mit den Löhnen des Pflege und MTT-Personals auseinandersetzen, gibt es in der Schweiz fast keine. Ein möglicher Grund dafür ist, dass ein grosser Teil des Personals bei kantonalen Institutionen angestellt ist, und man davon ausgeht, dass es gemäss den kantonalen Richtlinien entlöhnt wird. Eine Ausnahme ist die sehr umfassende Studie von Künzi und Schär Moser (2002), welche die Arbeitssituation im Pflegebereich im Kanton Bern analysierte. Ein Kapitel widmen die Autor/innen den Löhnen. Die meisten der von ihnen befragten Institutionen entlöhnen ihr Personal nach dem kantonalen Gehaltssystem BEREBE/BERESUB. BERESUB ist das Lohnsystem, das Mitte der 1990er Jahre aus dem Gehaltssystem des kantonalen Personalgesetzes (BEREBE) für den subventionierten Bereich entwickelt wurde (vgl. Kap. 5.1.1). Im Weiteren ergab die Erhebung von Künzi und Schär Moser, dass das Pflegefachpersonal fast ausschliesslich weiblich ist. Zum Befragungszeitpunkt (Januar 2001) waren gerade mal 8.7% der Angestellten Männer. In Leitungspositionen war der Männeranteil 17.7%, was in einem klar weiblich dominierten Berufsfeld auf eine relativ ausgeprägte vertikale Segregation hinweist. In den psychiatrischen Diensten war der Männeranteil mit 30.5% vergleichsweise hoch. Die Löhne der Pflegenden unterscheiden sich je nach Funktion und Institution stark. Am meisten verdienen Angestellte mit Leitungsfunktion oder solche, die in psychiatrischen Kliniken arbeiten. Am wenigsten verdient das Personal ohne spezifische Ausbildung und dasjenige in Institutionen des Langzeitpflegebereichs (Künzi und Schär Moser 2002). Die Studie von Gehrig et al. (2010) fokussiert auf die Pflegeausbildung, den Fachkräftemangel und die Löhne in der Pflege im Kanton Graubünden. In einem interkantonalen Vergleich wurden Löhne gemäss verschiedenen Berufsprofilen in 15 Institutionen des Gesundheitswesens in den Kantonen Graubünden, Zürich, Bern, Thurgau und St. Gallen erhoben. Dazu wurden die Vollzeitäquivalente der Bruttolöhne der Pflegefachkräfte mit dem Bruttomedianlohn 9

sierte Geschlechterverhältnis und die darin enthaltenen Machtasymmetrien. Frauen sind auf<br />

allen Arbeitsmärkten am unteren Ende des Machtgefälles angesiedelt, sei es auf tieferen Hierarchiestufen<br />

oder in Tieflohnbranchen. Dies hängt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Zuschreibungen zusammen, welche Männerarbeit höher bewerten als Frauenarbeit. Aufgrund<br />

dieser Stereotypisierungen darüber, was als typisch männlich oder typisch weiblich angesehen<br />

wird, werden auch Berufe in typische Männer- oder Frauenberufe eingeteilt, die wiederum<br />

eine unterschiedliche Entlöhnung zur Folge haben (Achatz, Gartner und Glück 2004; Anker<br />

1998).<br />

4. Stand der Forschung<br />

Studien, welche sich mit den Löhnen des Pflege und MTT-Personals auseinandersetzen, gibt<br />

es in der Schweiz fast keine. Ein möglicher Grund dafür ist, dass ein grosser Teil des Personals<br />

bei kantonalen Institutionen angestellt ist, und man davon ausgeht, dass es gemäss den<br />

kantonalen Richtlinien entlöhnt wird. Eine Ausnahme ist die sehr umfassende Studie von<br />

Künzi und Schär Moser (2002), welche die Arbeitssituation im Pflegebereich im Kanton <strong>Bern</strong><br />

analysierte. Ein Kapitel widmen die Autor/innen den Löhnen. Die meisten der von ihnen befragten<br />

Institutionen entlöhnen ihr Personal nach dem kantonalen Gehaltssystem<br />

BEREBE/BERESUB. BERESUB ist das Lohnsystem, das Mitte der 1990er Jahre aus dem<br />

Gehaltssystem des kantonalen Personalgesetzes (BEREBE) für den subventionierten Bereich<br />

entwickelt wurde (vgl. Kap. 5.1.1). Im Weiteren ergab die Erhebung von Künzi und Schär<br />

Moser, dass das Pflegefachpersonal fast ausschliesslich weiblich ist. Zum Befragungszeitpunkt<br />

(Januar 2001) waren gerade mal 8.7% der Angestellten Männer. In Leitungspositionen<br />

war der Männeranteil 17.7%, was in einem klar weiblich dominierten Berufsfeld auf eine relativ<br />

ausgeprägte vertikale Segregation hinweist. In den psychiatrischen Diensten war der<br />

Männeranteil mit 30.5% vergleichsweise hoch. Die Löhne der Pflegenden unterscheiden sich<br />

je nach Funktion und Institution stark. Am meisten verdienen Angestellte mit Leitungsfunktion<br />

oder solche, die in psychiatrischen Kliniken arbeiten. Am wenigsten verdient das Personal<br />

ohne spezifische Ausbildung und dasjenige in Institutionen des Langzeitpflegebereichs<br />

(Künzi und Schär Moser 2002).<br />

Die Studie von Gehrig et al. (2010) fokussiert auf die Pflegeausbildung, den Fachkräftemangel<br />

und die Löhne in der Pflege im Kanton Graubünden. In einem interkantonalen Vergleich<br />

wurden Löhne gemäss verschiedenen Berufsprofilen in 15 Institutionen des Gesundheitswesens<br />

in den Kantonen Graubünden, Zürich, <strong>Bern</strong>, Thurgau und St. Gallen erhoben. Dazu wurden<br />

die Vollzeitäquivalente der Bruttolöhne der Pflegefachkräfte mit dem Bruttomedianlohn<br />

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