Umsatzsteuer Newsletter 22/2011 - KMLZ
Umsatzsteuer Newsletter 22/2011 - KMLZ
Umsatzsteuer Newsletter 22/2011 - KMLZ
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>KMLZ</strong><br />
UMSATZSTEUER<br />
NEWSLETTER<br />
<strong>22</strong> | <strong>2011</strong><br />
EuGH: Geschäftsveräußerung<br />
trotz<br />
Zurückbehaltung der<br />
Immobilie<br />
Eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung kann<br />
nach dem EuGH-Urteil vom 10.11.<strong>2011</strong> auch trotz Zurückbehaltung<br />
der für die Unternehmensfortführung notwendigen<br />
Immobilie vorliegen. Voraussetzung ist aber,<br />
dass die Immobilie an den Erwerber vermietet wird. Während<br />
der BFH bislang eine langfristige Vermietung mit<br />
mindestens acht Jahren gefordert hat, lässt der EuGH<br />
auch einen unbefristeten Mietvertrag mit kurzer Kündigungsfrist<br />
genügen.<br />
1. Sachverhalt<br />
Die Klägerin betrieb ein Einzelhandelsgeschäft mit Sportartikeln<br />
in einem in ihrem Eigentum stehenden Ladenlokal.<br />
Zum 30.06.1996 veräußerte sie den gesamten Warenbestand<br />
einschließlich der Ladeneinrichtung. Das Ladenlokal<br />
veräußerte die Klägerin nicht, sondern vermietete es an den<br />
Erwerber auf unbestimmte Zeit. Das Mietverhältnis konnte<br />
nach der gesetzlichen Kündigungsfrist von jeder Partei<br />
spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres<br />
gekündigt werden. Zum 31.05.1998 gab der Erwerber das<br />
Geschäft auf.<br />
2. Vorlage durch den BFH<br />
Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH<br />
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor (BFH, Beschluss<br />
vom 14.07.2010, XI R 27/08, BStBl. II 2010, 1117):<br />
1. Liegt eine „Übertragung” eines Gesamtvermögens<br />
i. S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG vor,<br />
wenn ein Unternehmer den Warenbestand und die Geschäftsausstattung<br />
seines Einzelhandelsgeschäfts an<br />
einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum<br />
stehende Ladenlokal lediglich vermietet?<br />
Die Klägerin behandelte die Veräußerung als nicht steuerbare<br />
Geschäftsveräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG.<br />
Sie erteilte dem Erwerber eine Rechnung ohne <strong>Umsatzsteuer</strong>ausweis<br />
und erklärte die Erlöse aus der Veräußerung des<br />
Warenbestands und der Ladeneinrichtung nicht in der <strong>Umsatzsteuer</strong>erklärung<br />
für das Jahr 1996.<br />
Das Finanzamt erkannte eine Geschäftsveräußerung nicht<br />
an und setzte für die Übertragung des Warenbestands und<br />
der Ladeneinrichtung <strong>Umsatzsteuer</strong> fest, da das Grundstück<br />
als wesentliche Betriebsgrundlage nicht mit veräußert worden<br />
sei. Der zwischen Klägerin und Erwerber geschlossene<br />
Mietvertrag habe nicht die Fortführung des Einzelhandelsgeschäfts<br />
ermöglicht. Die Klage vor dem FG hatte Erfolg.<br />
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legte das Finanzamt<br />
Revision ein.<br />
2. Kommt es dabei darauf an, ob das Ladenlokal<br />
durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag<br />
zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag<br />
auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien<br />
kurzfristig kündbar ist?<br />
3. Bisherige BFH-Rechtsprechung<br />
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann eine<br />
Geschäftsveräußerung auch dann vorliegen, wenn einzelne<br />
wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mit übereignet worden<br />
sind. Voraussetzung ist aber, dass sie dem Unternehmer<br />
langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte<br />
Fortführung des Unternehmens durch den Übernehmer<br />
gewährleistet ist. Der BFH hat insoweit für eine langfristige<br />
Nutzungsüberlassung eines Betriebsgrundstücks durch<br />
Vermietung eine fest vereinbarte Mietdauer von zunächst<br />
Stand:18.11.<strong>2011</strong> | Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt | Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden | © küffner maunz langer zugmaier
zehn Jahren (BFH, Urteil vom 28.11.2002, V R 3/01, BStBl.<br />
II 2004, 665) und später von acht Jahren (BFH, Urteil vom<br />
23.8.2007, V R 14/05, BStBl. II 2008, 165) ausreichen lassen.<br />
Die Finanzverwaltung ist dem BFH gefolgt (vgl.<br />
Abschn. 1.5 Abs. 3 UStAE). Das FG Baden-Württemberg hat<br />
in einem rechtskräftigen Urteil eine Vermietung auf fünf<br />
Jahre nicht für hinreichend gehalten (FG Baden-<br />
Württemberg, Urteil vom 28.9.2004, 10 K 59/02, EFG 2004,<br />
1833).<br />
4. Entscheidung des EuGH und deren Analyse<br />
Die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung<br />
eines Einzelhandelsgeschäfts ist nach dem<br />
EuGH-Urteil vom 10.11.<strong>2011</strong>, Rs. C-444/10 – Christel<br />
Schriever, auch dann eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung,<br />
wenn das Ladenlokal an den Erwerber auf unbestimmte<br />
Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien<br />
kurzfristig kündbaren Vertrags, vermietet wird. Voraussetzung<br />
ist jedoch, dass der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche<br />
Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.<br />
Maßgebend ist die Gesamtwürdigung der für das betreffende<br />
Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände. Die<br />
Gesamtwürdigung hat sich dabei an dem Kriterium auszurichten,<br />
dass der Erwerber die zuvor vom Verkäufer ausgeübte<br />
Tätigkeit fortführen muss; hat der Erwerber die Absicht,<br />
die betreffende Tätigkeit sofort abzuwickeln, scheidet eine<br />
Geschäftsveräußerung aus. Für diese Gesamtwürdigung hat<br />
der EuGH einige Aspekte herausgearbeitet:<br />
a) Für den Fall, dass für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein<br />
besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für<br />
die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen<br />
festen Ladeneinrichtung erforderlich ist, kann eine<br />
Geschäftsveräußerung auch ohne Übereignung der Immobilie<br />
vorliegen (Rn. 27 des Urteils) .<br />
b) Wenn die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit in der<br />
Nutzung einer untrennbaren Gesamtheit von beweglichen<br />
und unbeweglichen Sachen besteht, muss der Erwerber<br />
Besitz an dem Geschäftslokal erhalten (Rn. 28).<br />
c) Etwas unklar sind die Ausführungen unter Rn. 29 des<br />
Urteils. Hier heißt es: „Ebenso kann eine Vermögensübertragung<br />
stattfinden, wenn das Geschäftslokal dem<br />
Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt<br />
wird oder wenn er selbst über eine geeignete Immobilie<br />
verfügt, in der er sämtliche übertragenen Sachen<br />
verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche<br />
Tätigkeit weiterhin ausüben kann.“ Es ist zunächst fraglich,<br />
ob eine Übertragung der Immobilie unterbleiben<br />
kann, wenn der Erwerber selbst über eine geeignete<br />
Immobilie verfügt. Der EuGH spricht in der Rn. 29 nicht<br />
von einer „Übertragung eines Gesamtvermögens“, sondern<br />
lediglich von einer „Vermögensübertragung“.<br />
Gleichwohl kann unseres Erachtens die Aussage des<br />
EuGH nur dahingehend verstanden werden, dass die<br />
Übertragung der Immobilie dann nicht notwendig ist,<br />
wenn der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie<br />
verfügt. Dabei ist zu beachten, dass dieser Weg nur<br />
dann in Betracht kommt, wenn der Erwerber zur Fortführung<br />
der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit nicht<br />
über dasselbe Geschäftslokal verfügen muss, das dem<br />
Veräußerer zur Verfügung stand (Rn. 28, 36). Wenn sich<br />
zeigt, dass der Erwerber zur Fortführung der betreffenden<br />
wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal<br />
verfügen muss, das dem Veräußerer zur Verfügung<br />
stand, spricht nichts dagegen, dass ihm der Besitz durch<br />
Abschluss eines Mietvertrags eingeräumt wird (Rn. 36).<br />
Zusammenfassend lassen sich die Aspekte wie folgt grafisch<br />
darstellen:<br />
Stand:18.11.<strong>2011</strong> | Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt | Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden | © küffner maunz langer zugmaier
Ansprechpartner:<br />
Dr. Oliver Zugmaier<br />
Rechtsanwalt / FA für Steuerrecht<br />
Tel.: 089 / 217 50 12 - 60<br />
oliver.zugmaier@kmlz.de<br />
Antwortfax: +49 (0) 89/217 50 12 -99 oder<br />
per E-Mail an: office@kmlz.de<br />
Bitte senden Sie mir den <strong>Umsatzsteuer</strong>-<strong>Newsletter</strong> regelmäßig<br />
kostenlos per E-Mail zu.<br />
ja<br />
Erwerber verfügt<br />
selbst über eine<br />
geeignete Immobilie<br />
und zur Fortführung<br />
muss er nicht über<br />
dasselbe Geschäftslokal<br />
verfügen?<br />
nein<br />
Geschäftslokal<br />
wird<br />
dem<br />
Erwerber<br />
vermietet<br />
nein<br />
Übereignung der Immobilie<br />
ist notwendig<br />
Geschäftsveräußerung /<br />
Übertragung eines<br />
Gesamtvermögens<br />
Geschäftslokal/feste<br />
Ladeneinrichtung<br />
erforderlich?<br />
ja<br />
ja<br />
nein<br />
Übereignung der Immobilie<br />
ist nicht notwendig<br />
Der Erwerber muss beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb<br />
weiterzuführen; er darf nicht die Absicht<br />
haben, die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln<br />
und ggf. den Warenbestand zu verkaufen. Die Absichten<br />
des Erwerbers sind zu berücksichtigen. In der Gestaltungspraxis<br />
sollte daher die Weiterführungsabsicht des Erwerbers<br />
dokumentiert werden und auch in den Kaufvertrag mit aufgenommen<br />
werden.<br />
5. Nicht geklärt: Veräußerung an dritte Person<br />
Vom EuGH nicht geklärt wurde die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung<br />
auch dann vorliegt, wenn die Immobilie<br />
nicht zurückbehalten wird, sondern an eine dritte Person<br />
(z. B. an den Ehegatten des Erwerbers) veräußert wird, die<br />
wiederum an den Erwerber vermietet. Eine Geschäftsveräußerung<br />
könnte daran scheitern, dass das Unternehmen nicht<br />
„an einen anderen Unternehmer“ (§ 1 Abs. 1a Satz 1 UStG)<br />
veräußert wird, sondern an zwei Personen. Die dritte Person<br />
würde auch das Unternehmen des Veräußerers nicht fortführen,<br />
sondern ein Vermietungsunternehmen begründen.<br />
Zu beachten ist hier, dass keine dritte Person vorliegt, wenn<br />
der Erwerber und die dritte Person eine umsatzsteuerliche<br />
Organschaft bilden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG).<br />
Firma:<br />
Empfänger:<br />
Position:<br />
E-Mail:<br />
küffner maunz langer zugmaier<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />
Unterer Anger 3<br />
D-80331 München<br />
Tel.: +49 (0) 89 / 217 50 12 - 20<br />
Fax: +49 (0) 89 / 217 50 12 - 99<br />
www.kmlz.de<br />
office@kmlz.de<br />
Stand:18.11.<strong>2011</strong> | Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt | Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden | © küffner maunz langer zugmaier