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4.4 Selbsterziehung als Kompetenz des Lehrers für Schüler mit LB Über den Begriff ‘Kompetenz’ gibt es unterschiedliche Definitionen und Deutungsversuche. In der Pädagogik tritt dieser Terminus vermehrt auf, um die Qualitäten eines Pädagogen hinsichtlich verschiedener, sein pädagogisches Handeln betreffender, Bereiche fassbar zu machen. An anderer Stelle wird von einem „professionellen Selbst“ 411 gesprochen oder einfach die Persönlichkeit des Erziehers als zentrales Element seines pädagogischen Handelns dargestellt. Dass die Persönlichkeitsentwicklung des Erziehers impulsierend auf das Kind wirken kann, leuchtet ein: „Wer, wenn nicht ein in Entwicklung Befindender, sollte einen anderen Menschen anregen können, sich ebenfalls zu entwickeln?“ 412 sagt GRIMM in der Einleitung zu einem Buch, das die Selbsterziehung des Erziehers zum Thema hat. Die Selbsterziehung als wichtige Kompetenz des Erziehers sieht MOOR als Prozess, ebenso wie BAUER. Für diesen entsteht Lehrerprofessionalität „im Medium der Lehrerarbeit, ist also nicht nur Qualifizierung, sondern Subjektwerdung.“ 413 Somit können sich verschiedene Begriffe wie Persönlichkeitsentwicklung, Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung, Subjektwerdung, biographische Selbstreflexion zu einer biographischen Kompetenz vereinen, die den Lehrer zu sich und zu seiner Kindheit führt und ihm damit auch die Tür öffnet zu seinen Schülern, zu ihren Kindheiten und Biographien. Diese Öffnung kann für den Lehrer für Schüler mit LB unheimlich befruchtend wirken, hat er doch ein sehr große Herausforderung vor sich, die GRIMM mit einem Zitat von MOOR so beschreibt: „Gerade in der Heilpädagogik müssen wir ermessen können, welchen Hindernissen unsere Schüler ihre Entwicklungsschritte abringen müssen.“ 414 Auf den Punkt bringt Martin BUBER diese mögliche biographische Kompetenz, die MOOR zitiert: „Bei sich selbst beginnen, aber nicht bei sich enden; von sich ausgehen, aber nicht auf sich abzielen; sich erfassen, aber sich nicht mit sich befassen.“ 415 4.5 Mögliche Impulse für die Lehrerausbildung Die Einbeziehung der Persönlichkeit in die Lehrerbildung 416 ist eine zentrale Forderung, die sich aus dem bisher gesagten ergibt. Sich selbst zu erkennen und anzunehmen sollten somit 411 vgl. BAUER, 1998, S. 353 und seine Definition vom „pädagogischen Handlungsrepertoire“ 412 GRIMM in GRIMM, 1998, S. 8 413 Vgl. BAUER, 1998, S. 355 414 GRIMM, 1998, S. 8 415 MOOR, 1969 2 , S. 500 http://www.foepaed.net 76

auch Ziele der Ausbildung zum Lehramt sein, das damit auch eine umfassende Persönlichkeitsbildung und -entwicklung anstrebt. Der Drang zur Ganzheit und zur Integration biographischer Erfahrungen steht dabei im Vordergrund und sollte auch in fachlichen Seminaren berücksichtigt werden. Die Arbeit an und mit Gefühlen aller Art ist darüber hinaus entscheidend für einen Lernerfolg, der durch unbewußte Konflikte blockiert werden kann. BRÜCK hat ein Modell dazu eindrucksvoll geschildert und gezeigt, wie Gefühle aus der eigenen Schulzeit, Ängste und Konflikte mit Autorität produktiv genutzt und anschließend in der Praxis bearbeitet werden konnten. 417 Die Auseinandersetzung mit fremden Kindern, und das sind die Schüler ohne Zweifel, setzt die Kenntnis einer Kluft voraus, 418 die zwischen dem Lehrer und Schüler besteht. Diese Kluft sollte auch in der Lehrerausbildung thematisiert und dabei Verständnis für die eigenen Anteile bzw. Standpunkte am Rand der Kluft geweckt werden. Insbesondere die zukünftigen Lehrer für Schüler mit LB stehen vor dieser Kluft und müssen diese anschaulich erfassen können. HILLER gelang dies durch fiktive Beispiele von ungünstigen Lebenssituationen ehemaliger Sonderschüler, in deren Lage sich die Studenten versetzen sollten. 419 Die biographische Selbstreflexion, das biographische Lernen und die biographische Kompetenz des Pädagogen befördern mehr Fragen an die Ausbildung, als sie in dieser zu lösen vermögen. Damit aber ist schon ein entscheidender Schritt getan. Denn Fragen nach dem woher und wohin, nach dem wie und warum, nach dem Werden und dem Sein, sind entscheidend für jede Weiterentwicklung. Und bei dieser kann jeder Pädagoge bei sich selbst anfangen und sich Fragen stellen (lassen). 4.6 Zusammenfassung Es wurde die Notwendigkeit der professionellen Beschäftigung mit der eigenen Kindheit und Biographie des Lehrers für Schüler mit LB erläutert und begründet und der Rahmen dafür, die pädagogische Biographieforschung, kurz vorgestellt. Es wurde versucht, verschiedene Begriffe in einen größeren Zusammenhang zu stellen und aufeinander zu beziehen. Grundzüge einer subjektorientierten biographischen Pädagogik wurden angedeutet und für 416 Vgl. die Einteilung von STIEFEL; STIEFEL, 1988, S. 3 417 Vgl. BRÜCK, 1979 418 Vgl. das Bild von der Kluft in Kapitel 3.2 und 3.3 419 Vgl. HILLER, 1989 http://www.foepaed.net 77

4.4 Selbsterziehung als Kompetenz des Lehrers für Schüler mit LB<br />

Über den Begriff ‘Kompetenz’ gibt es unterschiedliche Definitionen und Deutungsversuche.<br />

In der Pädagogik tritt dieser Terminus vermehrt auf, um die Qualitäten eines Pädagogen<br />

hinsichtlich verschiedener, sein pädagogisches Handeln betreffender, Bereiche fassbar zu<br />

machen. An anderer Stelle wird von einem „professionellen Selbst“ 411 gesprochen oder<br />

einfach die Persönlichkeit des Erziehers als zentrales Element seines pädagogischen Handelns<br />

dargestellt. Dass die Persönlichkeitsentwicklung des Erziehers impulsierend auf das Kind<br />

wirken kann, leuchtet ein: „Wer, wenn nicht ein in Entwicklung Befindender, sollte einen<br />

anderen Menschen anregen können, sich ebenfalls zu entwickeln?“ 412 sagt GRIMM in der<br />

Einleitung zu einem Buch, das die Selbsterziehung des Erziehers zum Thema hat.<br />

Die Selbsterziehung als wichtige Kompetenz des Erziehers sieht MOOR als Prozess, ebenso<br />

wie BAUER. Für diesen entsteht Lehrerprofessionalität „im Medium der Lehrerar<strong>bei</strong>t, ist also<br />

nicht nur Qualifizierung, sondern Subjektwerdung.“ 413 Somit können sich verschiedene<br />

Begriffe wie Persönlichkeitsentwicklung, Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung,<br />

Subjektwerdung, biographische Selbstreflexion zu einer biographischen Kompetenz vereinen,<br />

die den Lehrer zu sich und zu seiner Kindheit führt und ihm damit auch die Tür öff<strong>net</strong> zu<br />

seinen Schülern, zu ihren Kindheiten und Biographien.<br />

Diese Öffnung kann für den Lehrer für Schüler mit LB unheimlich befruchtend wirken, hat er<br />

doch ein sehr große Herausforderung vor sich, die GRIMM mit einem Zitat von MOOR so<br />

beschreibt: „Gerade in der Heilpädagogik müssen wir ermessen können, welchen<br />

Hindernissen unsere Schüler ihre Entwicklungsschritte abringen müssen.“ 414<br />

Auf den Punkt bringt Martin BUBER diese mögliche biographische Kompetenz, die MOOR<br />

zitiert: „Bei sich selbst beginnen, aber nicht <strong>bei</strong> sich enden; von sich ausgehen, aber nicht auf<br />

sich abzielen; sich erfassen, aber sich nicht mit sich befassen.“ 415<br />

4.5 Mögliche Impulse für die Lehrerausbildung<br />

Die Einbeziehung der Persönlichkeit in die Lehrerbildung 416<br />

ist eine zentrale Forderung, die<br />

sich aus dem bisher gesagten ergibt. Sich selbst zu erkennen und anzunehmen sollten somit<br />

411 vgl. BAUER, 1998, S. 353 und seine Definition vom „pädagogischen Handlungsrepertoire“<br />

412 GRIMM in GRIMM, 1998, S. 8<br />

413 Vgl. BAUER, 1998, S. 355<br />

414 GRIMM, 1998, S. 8<br />

415 MOOR, 1969 2 , S. 500<br />

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