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22.02.2015 Aufrufe

sich vermuten, „...daß Korczak [...] auch seine eigene Lebensgeschichte und vor allem seine eigene Kindheit abgearbeitet hat.“ 300 Kann dies bedeuten, dass sich der Lehrer für Schüler mit LB diesen anscheinend unreifen Persönlichkeiten zuwendet, um seine eigene Unreife zu überspielen, sich quasi als „unfertige“ unter andere „unfertige“ Persönlichkeiten gesellt? Der Lehrer für Schüler mit LB ist gewohnt, an der Persönlichkeit des Schülers mit LB zu arbeiten. Dazu stellt er Förderpläne auf, begutachtet den Schüler, beobachtet ihn und schätzt seine Stärken und seine Schwächen ein. Die Frage nach den Ursachen der „Behinderung“ des Schülers beantwortet er mit vielerlei Faktoren und Gründen. Doch ist vielleicht ein Grund er selbst? Die Frage: „wer behindert wen in welcher Weise“ 301 auf sich bezogen stellt ihn vor ein ganz neues Problem. Nicht mehr der Schüler, sondern er selbst wird damit in den Mittelpunkt gerückt. Die Konflikte innerhalb der Persönlichkeit des Lehrers spiegeln sich im Schüler mit LB und der Beziehung zu diesem wieder. 302 Damit ist nicht ein Schüler „schwierig“ sondern vielleicht hat der Lehrer Schwierigkeiten mit ihm aufgrund eigener innerer Schwierigkeiten. Die Beurteilung und Kategorisierung der Schüler ist somit relativ vom Lehrer abhängig und läßt immer Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu. 303 Der Lehrer kennt viele Typologien, in die er seine Schüler einordnen kann. Doch kann er sich selbst zu einem Typ zuordnen? „Sinnvoll werden Typologien dann, wenn sie dazu verwendet werden, die Ähnlichkeit oder die Verschiedenheit zwischen Beobachter und Beobachtungsobjekt (also zwischen Lehrer und Schüler) zu kennzeichnen. [...] Zu diesem Zweck muß der Lehrer in der Selbstbeobachtung feststellen, welchem Typ er sich zuordnet.“ 304 SPRINGER hebt damit das In-Beziehung- Setzen hervor, welches den Lehrer nicht von vornherein ausschließt. Ein als „aggressiv“ eingestufter Schüler sagt noch gar nichts aus, wenn man den beurteilenden Lehrer nicht kennt. Ist dieser vielleicht sehr sanft und gütig, oder sehr leicht reizbar, ungeduldig und jähzornig? Nimmt dieser vielleicht an, er selbst sei gar nicht aggressiv oder steht er zu seinen Aggressionen gegenüber Schülern? Die Persönlichkeit des Lehrers hat sich in der Kindheit entwickelt, in der Jugend differenziert und im Erwachsenenalter gefestigt. Deshalb führt die Spur unweigerlich in die Kindheit zurück, wenn er sich mit sich selbst beschäftigt. Nach welchen Mechanismen reagiert der Lehrer, welche Menschen findet er sympathisch, welche kann er nicht leiden? Darüber sollte 300 GIESECKE, 1997, S. 147 301 HEIMLICH, 1994, S. 582 302 RICHTER meint, dass viele der äußeren Schwierigkeiten ein Prudukt unserer innerlich unverarbeiteten Konflikte sind; vgl. RICHTER, 1976 303 vgl. GARLICHS, 1985, S. 44 304 SPRINGER, 1990, S. 28 http://www.foepaed.net 60

der Lehrer mindestens ebenso gut Bescheid wissen wie über das didaktisch-methodische Handwerkszeug für den Unterricht. Wenn das „Problem der Persönlichkeitsentwicklung mit dem Lernproblem gleichzusetzen“ 305 ist dann stellt sich die Frage, wie der Lehrer für Schüler mit LB Persönlichkeitsentwicklung beim Schüler bewirken kann. Um Eigenschaften wie „Achtung, Empathie und Echtheit“ 306 zu vermitteln, muss sie der Lehrer selbst besitzen. Von nichts kommt nichts! Außerdem gehört zur Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit Nachsicht mit „Verfehlungen“ einer Person. Den Weg dahin zeigt BÜHLER auf: „Ein Lehrer hat als Kind selbst gelogen oder geschwindelt oder seine Mutter gehaßt. Er erinnert sich, wie ihm damals zumute gewesen ist und wie er unter den damaligen Umständen gehandelt hat. Es ist ihm auch gelungen, einige der Ursachen seines Verhaltens in der Kindheit zu begreifen. Ein solcher Lehrer wird Kinder besser verstehen und führen können als einer, der die kritische Beurteilung seiner eigenen Vergangenheit verdrängt hat und dabei mit Schuldgefühlen wegen der Untugenden in seiner Kindheit belastet ist.“ 307 Der Lehrer kann von jedem Schüler etwas lernen. Indem er sich z.B. seinen stärksten „Gegenspieler“ unter den Schülern heraussucht und überlegt, welche Kraft in diesem sichtbar ist, wird er feststellen, dass es sich „um eine handelt, bei der es ihm schwer fällt, sie an sich zu akzeptieren.“ 308 Die Selbsterkenntnis des Lehrers und dessen Persönlichkeitsentwicklung durch und mit den Schülern formuliert SPRINGER folgendermaßen: „Es ist unsere Aufgabe, allmählich all die positiven und negativen Kräfte so zu integrieren, daß wir sie an anderen nicht mehr zu bekämpfen brauchen. Jeder Mensch, der weiß, daß er all das in sich trägt, und damit leben kann, läßt auch andere leben, hilft ihnen, leben zu lernen. [...] Erziehung und Integration von ‘schwierigen’ Schülern in eine Klasse geschieht also nur durch Integration der durch den Schüler repräsentierten dunklen Kräfte in das Selbstbild des Lehrers.“ 309 3.5 Das Dilemma der Schule für Schüler mit LB und die Verstrickung des Lehrers Die Beschäftigung mit der Kindheit des Lehrers für Schülers mit LB hat weite Kreise gezogen. Es wurde deutlich dass es nicht allein ein Zusammentreffen zweier Lebengeschichten, sondern darüber hinaus einen gesellschaftlichen Zusammenhang 305 HOFMANN zitiert ALLPORT; HOFMANN in BÜTTNER/ FINGER-TRESCHER, 1991, S. 37 306 von den Autoren als förderlich bezeichnete Eigenschaften des Lehrers; TAUSCH/ TAUSCH, 1977, S. 75 307 BÜHLER/ DANZINGER/ SCHMITTER, 1959, S. 68 308 SPRINGER, 1990, S. 159 309 ebd., S. 159 http://www.foepaed.net 61

der Lehrer mindestens ebenso gut Bescheid wissen wie über das didaktisch-methodische<br />

Handwerkszeug für den Unterricht.<br />

Wenn das „Problem der Persönlichkeitsentwicklung mit dem Lernproblem gleichzusetzen“ 305<br />

ist dann stellt sich die Frage, wie der Lehrer für Schüler mit LB Persönlichkeitsentwicklung<br />

<strong>bei</strong>m Schüler bewirken kann. Um Eigenschaften wie „Achtung, Empathie und Echtheit“ 306 zu<br />

vermitteln, muss sie der Lehrer selbst besitzen. Von nichts kommt nichts! Außerdem gehört<br />

zur Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit Nachsicht mit „Verfehlungen“ einer Person.<br />

Den Weg dahin zeigt BÜHLER auf: „Ein Lehrer hat als Kind selbst gelogen oder<br />

geschwindelt oder seine Mutter gehaßt. Er erinnert sich, wie ihm damals zumute gewesen ist<br />

und wie er unter den damaligen Umständen gehandelt hat. Es ist ihm auch gelungen, einige<br />

der Ursachen seines Verhaltens in der Kindheit zu begreifen. Ein solcher Lehrer wird Kinder<br />

besser verstehen und führen können als einer, der die kritische Beurteilung seiner eigenen<br />

Vergangenheit verdrängt hat und da<strong>bei</strong> mit Schuldgefühlen wegen der Untugenden in seiner<br />

Kindheit belastet ist.“ 307<br />

Der Lehrer kann von jedem Schüler etwas lernen. Indem er sich z.B. seinen stärksten<br />

„Gegenspieler“ unter den Schülern heraussucht und überlegt, welche Kraft in diesem sichtbar<br />

ist, wird er feststellen, dass es sich „um eine handelt, <strong>bei</strong> der es ihm schwer fällt, sie an sich zu<br />

akzeptieren.“ 308 Die Selbsterkenntnis des Lehrers und dessen Persönlichkeitsentwicklung<br />

durch und mit den Schülern formuliert SPRINGER folgendermaßen: „Es ist unsere Aufgabe,<br />

allmählich all die positiven und negativen Kräfte so zu integrieren, daß wir sie an anderen<br />

nicht mehr zu bekämpfen brauchen. Jeder Mensch, der weiß, daß er all das in sich trägt, und<br />

damit leben kann, läßt auch andere leben, hilft ihnen, leben zu lernen. [...] Erziehung und<br />

Integration von ‘schwierigen’ Schülern in eine Klasse geschieht also nur durch Integration der<br />

durch den Schüler repräsentierten dunklen Kräfte in das Selbstbild des Lehrers.“ 309<br />

3.5 Das Dilemma der Schule für Schüler mit LB und die Verstrickung des Lehrers<br />

Die Beschäftigung mit der Kindheit des Lehrers für Schülers mit LB hat weite Kreise<br />

gezogen. Es wurde deutlich dass es nicht allein ein Zusammentreffen zweier<br />

Lebengeschichten, sondern darüber hinaus einen gesellschaftlichen Zusammenhang<br />

305 HOFMANN zitiert ALLPORT; HOFMANN in BÜTTNER/ FINGER-TRESCHER, 1991, S. 37<br />

306 von den Autoren als förderlich bezeich<strong>net</strong>e Eigenschaften des Lehrers; TAUSCH/ TAUSCH, 1977, S. 75<br />

307 BÜHLER/ DANZINGER/ SCHMITTER, 1959, S. 68<br />

308 SPRINGER, 1990, S. 159<br />

309 ebd., S. 159<br />

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