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anderen Menschen. Diese Werte und Ideale werden durch Schüler mit LB in Frage gestellt!<br />
Denn sie repräsentieren die Welt, vor welcher der Lehrer in seiner Kindheit geflohen ist. Die<br />
leidvollen Erfahrungen der Schüler wollte der Lehrer in seiner Schulzeit vermeiden und tat<br />
alles dafür, um nicht so zu werden. In der Konfrontation mit dem Schüler kann sich also statt<br />
Annahme und Akzeptanz der Schüler auch Abwehr regen. Vielleicht erwächst stattdessen die<br />
Sehnsucht, sich von dem ganzen Elend abzugrenzen? 260 So entsteht eine Ambivalenz im<br />
Lehrer, der einerseits die Schüler annehmen und „lieben“ will und sie andererseits ablehnt<br />
und das, für was sie stellvertretend stehen „hasst“. Das in der Kindheit erworbene und<br />
geliebte Bild vom glücklichen Leben wird durch die Schüler in Zweifel gezogen. „Da ist<br />
nichts zu machen, aus der wird wohl auch nichts Rechtes mehr.“ Dieses Zitat zeigt die<br />
Distanz zu der Welt des „schlechten“ Schülers deutlich. 261<br />
Problematisch im Zusammenhang mit „Liebe“ ist auch der Wunsch nach „Beliebtheit“ <strong>bei</strong>m<br />
Lehrer. Diese Eigenschaft kann sich ungünstig auf den Unterricht auswirken, weil sich<br />
dadurch der Lehrer in eine einseitige Abhängigkeit von den Schülern begibt. 262 Durch sein<br />
Bedürfnis nach Nähe versagt er den Schülern keinen Wunsch, weicht Problemen aus und<br />
vermeidet ernsthafte Konflikte. Vermutungen über die Ursachen dieses Verhaltens können<br />
wieder in die Kindheit zurückführen, die dem Lehrer Erfahrungen vorenthielt, Konflikte und<br />
Probleme selbst zu lösen. Jedoch stellt sich die Entstehung solcher Verhaltensweisen und der<br />
besprochenen Ideale und Werte als ein Geflecht von vielen Faktoren dar.<br />
Die Forderung nach Empathie des Lehrers für die Situation der Schülers ist schwierig<br />
einzulösen, wenn sich zwei so unterschiedliche Menschen gegenüberstehen. Am Anfang muss<br />
sicherlich der Versuch der Achtung und Akzeptanz der Verwundungen und der<br />
Abwehrreaktionen des Schüler stehen. Um andere akzeptieren zu können muss sich der<br />
Lehrer zuerst selbst akzeptieren. Das schließt nicht nur die positiven Seiten und Erfahrungen<br />
seiner Kindheit ein, sondern auch die negativen, die vermiedenen, die beängstigenden<br />
Erfahrungen.<br />
Der Lehrer sollte auch seine Ideale, seine Maßstäbe und Beurteilungskriterien kritisch<br />
durchleuchten. Strebt er danach, die Welt so zu verbessern, dass es weniger Aggressionen,<br />
Hass, Wut, Trauer und Versagen gibt? Strebt er danach die Schüler mit LB zur positiven Seite<br />
zu bekehren und ihre negative Seite auszulöschen anstatt sie anzunehmen mit ihren leidvollen<br />
Erfahrungen?<br />
260 vgl. ebd., S. 32<br />
261 HÖHN, 1972, S. 77<br />
262 vgl. KLEIN, 2001, S. 6<br />
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