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22.02.2015 Aufrufe

Die Unfähigkeit des Lehrers die Lage der Schüler zu verstehen, liegt in seiner eigenen Geschichte. „Als Lehrer können wir kaum auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Wir haben erlebnismäßig keinen Zugang dazu. Hätten wir den, wären wir nämlich jetzt nicht Lehrer. Dann ständen wir wohl an irgendeinem Fliessband.“ 242 Manche Lehrer wollen daher den Schülern helfen und aus einer Art Mitleid heraus ihnen etwas vom eigenen Reichtum an Erfahrungen abgeben. 243 Eine andere Möglichkeit wäre, sich in der „vermeintlichen Bildungsüberlegenheit“ 244 zu sonnen und den Schülern ihre Unterlegenheit damit vor Augen zu führen. Wie sehr diese Abwertung durch Lehrer zermürben kann beschreibt MANN aus eigener Erfahrung: Das Schlimmste sei gewesen „...daß ich immer und immer wieder spüren mußte, daß wir alle nicht zu den Leuten mit Bildung gehörten.“ 245 Eine dritte Sicht der Diskrepanz wäre die des Geschockten, dem die tatsächliche Unterschiedlichkeit schlagartig bewußt wird. HILLER bewirkt dies durch seine provokanten Thesen und in der Arbeit mit Studenten anhand von Fallbeispielen. 246 Diese sollen zeigen, wie schwierig es für Schüler mit LB sein wird und auch schon ist, mit ihrer schwierigen Lage fertig zu werden. Damit besteht trotzdem noch der Widerspruch zwischen Schule und Elternhaus, mit dem die Schüler tagtäglich konfrontiert werden. Die Schüler wollen diesen lösen und greifen dabei zu unkonventionellen Mitteln, oftmals zu negativen Verhaltensweisen. Für den Lehrer ist kein Widerspruch zu spüren zwischen seiner Welt und der Schule. Daher wird er unweigerlich auf die Aktionen der Schüler reagieren müssen und vielleicht sein Verhalten danach ausrichten, die Schüler noch mehr auf die Schulwelt auszurichten. Die Spannung nimmt damit aber eher zu als ab und eine Lösung scheint in weiter Ferne zu sein. Zum Verhalten der Schüler kommt noch das Verhalten der Eltern dazu. Dieses beeinflusst den Lehrer in seinem Denken mit und kann die Abneigung gegen die Herkunft des Schülers noch verstärken. 247 Dies alles kann sich beim Lehrer für Schüler mit LB aber nur im Bewußtsein der Überlegenheit seiner besseren Herkunft vollziehen. Hierin liegt gleichsam der Weg zu einer Lösung dieser Spannung. Indem der Lehrer sich selbst hinterfragt und seine Herkunft, seine Ansprüche, seine materiellen Bedürfnisse und Gewohnheiten, sein Konsumverhalten, seinen Umgang mit Geld, seine Meinung zu Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe und schwierigen Verhältnissen allgemein durchleuchtet, kann er sensibler werden für die Welt und die Herkunft der Schüler. Er kann sie dann besser verstehen 242 JEGGE, 1983, S. 86 243 so ging sinngemäß eine Studentin an die Begleitung eines Schülers mit LB; vgl. GARLICHS, 2000, S. 26 244 ebd., S. 155 245 MANN, 1989, S. 43 (schl) 246 vgl. HILLER, 1989, S. 16f 247 zum Einfluß der Eltern auf das Lehrerverhalten vgl. BRUNNER, 1978, S. 120f http://www.foepaed.net 50

und achten lernen, wenn er seinen Schülern und ihrer Welt Raum gibt im Unterricht und von ihnen lernt. Jedoch ist in der Thematik der Herkunft auch ein gesellschaftlicher Konflikt beschlossen 248 , der an späterer Stelle noch erörtert werden soll. 3.4.5 Geliebter unterrichtet Ungeliebte Lehrer für Schüler mit LB sind Menschen, die in der Regel in ihrer Person gewünscht und angenommen wurden von ihren Eltern und die im Verlauf ihrer Kindheit nicht mit schwersten Formen der Ablehnung durch die Umwelt konfrontiert wurden. Schüler mit LB haben oft eine negative, den Selbstwert zermürbende Vergangenheit hinter sich. Aus unterschiedlichen Gründen wurden sie schon in ihrer frühen Kindheit häufig vernachlässigt und von den Eltern abgelehnt. 249 Sie waren Behandlungen ausgesetzt, die unter Umständen zu beeinträchtigenden Folgen führen konnten. 250 Abwertende und diskriminierende Erlebnisse begleiteten ihrer schulische Laufbahn. Lehrer, Schüler, Eltern und Verwandte begegneten ihnen oftmals mit Drohungen, Spott, Verachtung, Ablehnung, Distanzierung und sogar Tätlichkeiten. 251 Unter diesen seelischen und körperlichen Qualen leidend entwickelten sie Abwehrmechanismen, um sich zu schützen. Dem Lehrer für Schüler mit LB teilen sich die Gefühle der Schüler nicht unmittelbar, sondern verschlüsselt mit. In Form verfremdeter Ich-Botschaften 252 suchen sich dabei Aggressionen, Angst, Wut und Trauer aber auch der Wunsch nach Zuwendung, Vertrauen, Liebe und Geborgenheit ihren Weg teilweise über Verhaltensweisen, die der Lehrer aufgrund seiner eigenen biographischen Erfahrungen nicht entschlüsseln kann. „Dem Kind fehlen die Begriffe für seine Schmerzen, uns fehlen die Erfahrungen, um es verstehen zu können.“ 253 Am Beispiel der Sexualität beschreibt ROHR die Blockade des Lehrers aufgrund seines eigenen lebensgeschichtlichen Hintergrundes: „ Sie [die behinderten Kinder und Jugendlichen; S.H.] gaben uns zu erkennen, daß wir ihre sexuellen Probleme nicht oder kaum am eigenen Leibe erfahren haben, und daß wir somit subjektive Erlebnis- und 248 vgl. HILLER, 1989, S. 12 249 vgl. KLEIN, 1985, S. 54f 250 ebd., S. 55f 251 FISCHER, 1975, S. 21 252 auf psychoanalytischer Grundlage beschreibt BLOEMERS diese Botschaften; vgl. BLOEMERS, 1995, S. 217 253 MANN, 1989, S. 121 (schl) http://www.foepaed.net 51

und achten lernen, wenn er seinen Schülern und ihrer Welt Raum gibt im Unterricht und von<br />

ihnen lernt.<br />

Jedoch ist in der Thematik der Herkunft auch ein gesellschaftlicher Konflikt beschlossen 248 ,<br />

der an späterer Stelle noch erörtert werden soll.<br />

3.4.5 Geliebter unterrichtet Ungeliebte<br />

Lehrer für Schüler mit LB sind Menschen, die in der Regel in ihrer Person gewünscht und<br />

angenommen wurden von ihren Eltern und die im Verlauf ihrer Kindheit nicht mit schwersten<br />

Formen der Ablehnung durch die Umwelt konfrontiert wurden.<br />

Schüler mit LB haben oft eine negative, den Selbstwert zermürbende Vergangenheit hinter<br />

sich. Aus unterschiedlichen Gründen wurden sie schon in ihrer frühen Kindheit häufig<br />

vernachlässigt und von den Eltern abgelehnt. 249 Sie waren Behandlungen ausgesetzt, die unter<br />

Umständen zu beeinträchtigenden Folgen führen konnten. 250 Abwertende und<br />

diskriminierende Erlebnisse begleiteten ihrer schulische Laufbahn. Lehrer, Schüler, Eltern<br />

und Verwandte begeg<strong>net</strong>en ihnen oftmals mit Drohungen, Spott, Verachtung, Ablehnung,<br />

Distanzierung und sogar Tätlichkeiten. 251 Unter diesen seelischen und körperlichen Qualen<br />

leidend entwickelten sie Abwehrmechanismen, um sich zu schützen. Dem Lehrer für Schüler<br />

mit LB teilen sich die Gefühle der Schüler nicht unmittelbar, sondern verschlüsselt mit. In<br />

Form verfremdeter Ich-Botschaften 252 suchen sich da<strong>bei</strong> Aggressionen, Angst, Wut und<br />

Trauer aber auch der Wunsch nach Zuwendung, Vertrauen, Liebe und Geborgenheit ihren<br />

Weg teilweise über Verhaltensweisen, die der Lehrer aufgrund seiner eigenen biographischen<br />

Erfahrungen nicht entschlüsseln kann.<br />

„Dem Kind fehlen die Begriffe für seine Schmerzen, uns fehlen die Erfahrungen, um es<br />

verstehen zu können.“ 253 Am Beispiel der Sexualität beschreibt ROHR die Blockade des<br />

Lehrers aufgrund seines eigenen lebensgeschichtlichen Hintergrundes: „ Sie [die behinderten<br />

Kinder und Jugendlichen; S.H.] gaben uns zu erkennen, daß wir ihre sexuellen Probleme nicht<br />

oder kaum am eigenen Leibe erfahren haben, und daß wir somit subjektive Erlebnis- und<br />

248 vgl. HILLER, 1989, S. 12<br />

249 vgl. KLEIN, 1985, S. 54f<br />

250 ebd., S. 55f<br />

251 FISCHER, 1975, S. 21<br />

252 auf psychoanalytischer Grundlage beschreibt BLOEMERS diese Botschaften; vgl. BLOEMERS, 1995, S. 217<br />

253 MANN, 1989, S. 121 (schl)<br />

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